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BEITRAG ZUR DEüTSCHEiN SIHEN-, LITTERATÜR- TOD MUSIKGESCHICHTE. NACH DEN Qül'LLEN 7M ERSTEN JIAL IJEARBEITET UNU MIT ALTEN TANZLIEDERN UND MUSIKPROBEN HERAUSGEGEBEN VON FRANZ M. BÖHME. I. DARSTELLENDER THEIL. LEIPZIG DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & HÄRTEL. 1SS6. 1 1 1 1 ^un^j.^'!.- ui;.:li.. !i:- .i,. , ?9^vfm'?mnnw^Ymimi'm^ Digitized by Google Digitized by Google GESCHICHTE DES TANZES IN DEUTSCHUND. Digitized by Google Digitized by Google GESCHICHTE DES TANZES IN DEUTSCHLAND. BEITRAG ZUR DEUTSCHEN SITTEN-, LITTERATÜR- UND MUSIKGESCHICHTE. NACH DEN QUELLEN ZUM ERSTENMAL BEARBEITET UND HIT ALTEN TANZLIEDERN UND MUSIKPROBEN HERAUSGEGEBEN . VON FRANZ M. BÖHME. I. DARSTELLENDER THEIL. LEIPZIG DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & HÄRTEL. 1886. Digitized by Google HARVARD UNIVERSlTf AUG 7 1981 EDA KUHN LOtB iviüSlC LIBRARf AlU Rechte^ insbesondere das der Übersetzung ^ vorbehalten* Digitized by Google Vorwort. Die Bedeutung des Tanzes als Hebel und Förderer und iBpäter als nothwendiger Faktor in der Gesammtkultur eines Volkes, als Grad- messer für die Gesittung einer Nation, als Anfang der noch mit ihm ver- einten Dicht- und Tonkunst, als Stütze und Träger aller das Schöne in der Bewegung darstellenden Künste, ist erst seit einem halben Jahr- hundert von der Kultur- und Kunstwissenschaft anerkannt worden. Seit- dem haben Ethnographen und Historiker auch von der Entwickelung und Beschaffenheit des Tanzes bei den Völkern Notiz genommen, ohne jedoch, mit wenig Ausnahmen, über beiläufige Angaben aus Chroniken oder No- tizen zweifelhaften Inhalts aus Reisebeschreibungen hinauszukommen. Jedenfalls dürfte eine quellengemäße historische Beschreibung aller Volks- und Gesellschaftstänze, die seit Beginn der historischen Kunde bis zur Gegenwart in Deutschland vorkamen und zum Theil noch erhalten sind, wünschenswerth und willkommen sein. Auffallend ist es, dass der mit Fleiß und Gründlichkeit das In- und Ausland durch- forschende Deutsche noch keine Geschichte seines heimischen Tanzes hat. Nur kurze, oft sehr unzuverlässige Lexikon-Artikel und bei- läufige Erklärungen von mittelalterlichen Tanznamen in germanistischen Büchern, wohl auch manche in Zeitschriften zerstreute Notizen und in Musik- ,^ geschichtswerken wenig genügende kurze Abfertigungen findet man: aber ^ eine zusammenhängende Darstellung alles dessen, was auf deutschen ^ Tanz der Vorzeit sich bezieht, eine ausführliche, mit Monumenten be- r legte Beschreibung der deutschen Tänze fehlt gänzlich. > Die Litteratur besitzt zwar aus neuerer Zeit ein recht dankenswerthes, durch geschmackvolle Darstellung sich empfehlendes Büchlein »Geschichte ^^^'> des Tanzes« von Albert Czerwinski, Leipzig 1862; femer ein hochschätz- —1 bares, mit Fleiß und Fachkenntnis abgefasstes Werk vom Hoftanzlehrer ^, Rudolf Voss »Der Tanz und seine Geschichte«, Berlin 1869 (Erfurt 1881). . ' Beiden Büchern verdanke ich manche Belehrung und Anregung zum wei- c teren Forschen. Weil beide Verfasser jedoch die allgemeine Tanz- y geschichte behandeln, so kann eine auf Quellen gestützte, mit Musikbei- ^ lagen versehene, eingehende Monographie über Deutschlands Tanz der Vorzeit und Gegenwart nicht überflüssig sein. Digitized by Google VI Nachdem der Schatz der deutschen Yolkspoesie in Sagen, Märchen, YolkBliedem gehoben worden ist, dürfte es Zeit sein, auch die deutschen Volkstänze an das Licht zu stellen. Darum hat Unterzeichneter den ersten Versuch zu einer deutschen Tanzgeschichte gemacht und wagt schüchtern ihn hier vorzulegen. Wie schwer die Aufgabe war, die zu ihrer vollständigen Lösung nicht nur einen Eulturhistoriker, sondern auch einen Litteratur- und Sprach- kundigen und zugleich einen Musikhistoriker fordert — hat Verfasser sich wDhl zugestanden und länger als 20 Jahre mit der Herausgabe gezögert. Doch weil nun Einer den Anfang machen muss, so ttbergiebt er seine Arbeit nach langem Sammeln und Forschen der Öffentlichkeit mit der Bitte um Nachsicht ihrer Schwächen. Wie lückenhaft da und dort der Erstlings- versuch ausgefallen ist, fühlt der Verfasser selbst am besten. Mögen An- dere nach ihm es besser machen, und nach Erforschen neuer Hilfsquellen werden sie es besser machen können. Immerhin wird man ihm die ernste Hingabe an seinen Gegenstand, das fleiBige Beischaffen und lichtvolle Ord- nen von Material aus verschiedenen Feldern der Wissenschaft nicht ab- sprechen. War auch der deutsche Tanz niemals so tonangebend und berühmt, wie der der formgewandten Franzosen, die nun einmal als geborene Tanz- meister gelten; giebt es auch keine specifisch deutsche Tanzkunst, weil letztere nun einmal international sein will, immerhin wird eine geschichtliche Vorführung der deutschen Tänze, der deutschen Tanzlieder, Tanzmusik und Tanzgebräuche nicht ohne Interesse für Freunde der Sitten-, Litteratur- und Musikgeschichte sein. Damit hätte ich zugleich gesagt, fttr wen das Buch bestimmt ist. Ich wollte, dass es nicht bloB in die Hände von Fachgelehrten in Litteratur- und Musikgeschichte gelange, sondern von jedem gebildeten Deutschen gelesen werden könne, der für Sittengeschichte deutscher Vorzeit nicht ganz gleichgiltig ist und noch bei der Hast der Zeit ein Buch über den vaterländischen Tanz zu lesen vermag. Ich nenne mein Buch eine Geschichte des Tanzes in Deutschland; diesem Titel gemäß habe ich nicht bloB der einheimischen, sondern auch der Tänze zu gedenken, die der Deutsche dem Ausland entlehnte. Leider kann man dem Deutschen den Vorwurf nicht ersparen, dass er gar zu gern nach dem Ausland borgen ging und besonders in dem Modeartikel Tanz alle Modethorheiten mitmachte, wozu seit dem höfischen Zeitalter bis zur Gegenwart Fürsten und Adel, noch mehr aber die Geld-Aristokratie den AnstoB gegeben haben. Der deutsche vornehme Stand verachtete von je her seine guten heimischen Tänze und vertauschte dieselben mit wäl- sehen oder slawischen; seine eignen tanzte er erst dann, wenn die- selben, nach Paris gewandert, mit fremdem Kamen zurückkamen. Hoffent- Digitized by Google VII lieh hat das Tanzen nach der Pfeife anderer Völker für das große, geeinte Deutschland auf immer ein Ende ! — In den Musik-Beilagen, welche Tanzlieder und Tanzmelodien vom 13. bis 19. Jahrhundert darbieten, ist fdr die nothwendige Illustration der deutschen Tanzgeschichte hinreichend gesorgt. Auf sie ist im Text durch die AbbreWatur MB. verwiesen. Die meisten Melodien vom 13. bis 17. Jahrhundert sind von mir mtthsam gesammelt, aus alten Notationen entziffert und hier zum erstenmal veröffentlicht. Das sei denen gesagt, die gern alte Melodien abschreiben, um sie zu bearbeiten. Möchten solche Abschreiber doch für das, was sie so leichten Kaufes finden, wenigstens dankbar den Fundort nennen, nicht aber, wie einige Bearbeiter von Melo- dien aus meinem «Altdeutschen Liederbuche« gethan, die Quellenangabe unterlassen. Am Schlüsse verfehle ich nicht, allen den Herren Beamten an den Egl. Bibliotheken zu Berlin und Dresden, an den Stadtbibliotheken in Leipzig und Frankfurt a. M., an der Bibliothek der K. Bitterakademie in Liegnitz, sowie allen meinen geehrten Gönnern und Freunden, die in der Beischafiung des Materials mich so liebenswürdig unterstützten, meinen Dank auszusprechen. Zu großem Danke bin ich Herrn Prof. Dr. Wilh. Braune an der Universität Gießen verpflichtet, der auf mein. Bitten einige Theile des Manuskripts durchzusehen und mir darauf bezüglichen philologischen Bei- rath zu ertheilen die Güte hatte. In der Bevision des Druckes hat Herr Dr. phil. E. Kant in Leipzig in aufopfernder und selbstloser Weise mich unterstützt. Und so ziehe denn hinaus, mein liebes Buch, und mache dir Freunde an allen Orten! Frankfurt a. M., 1886. Der Verfasser. Digitized by Google Inhalt SeiU Vorwort V Einleitung 1 Kap. L Tanz im germanischen Alterthum r 6 „ n. Deutscher Tanz seit der Christenbekehrung bis zur Minnesingerzeit (8.— 12. Jahrhundert) 15 „ III. Tanz zur Minnesingerz eit (12. — 14. Jahrhundert) 23 IV. Tanzwuth im Mittelalter (14. und 16. Jahrhundert) • 40 ^ V. Todtentanz im Mittelalter (15. und 16. Jahrhundert) 45 „ VI. Deutscher Tanz im 14. — 16. Jahrhundert 48 „ \T[I. Urtheile und Predigten über Tanz im Mittelalter bis zur Neuzeit . . 91 „ Vni. Obrigkeitliohe Verbote gegen das Tanzen (14, — 17. Jahrhundert). . . 112 „ IX. Ausländische Tänze in Deutschland im 16. Jahrhundert ...... 120 „ X. Der Tanz in Deutscliland im 17. Jahrhundert 142 n XI. Der Tanz in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert 145 ,. XII. Altdeutsche Festtänze, die sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten haben. 150 „ Xin. AUerhand Volkstänze, die noch jetzt zuweilen getanzt werden . « . 186 „ XIV. Gesellschaftstänze in Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart 211 XV. Über Tanzlieder 229 „ XVI. Tanzmusik und Tanzmusiker 245 „ XVn. Fortleben der alten Volksreigen im Kinderspiel 292 ,5 XVni. Rückblicke und Schlussbetrachtung 313 Nachträge 320 Quellen und Litteratur 325 Register 331 Musik-Beilagen (Tanzmelodien yom 13. — 19. Jahrhundert). Register zu den Musikbeilagen. Digitized by Google Einleitung. Begriff, Entstehung nnd Arten von Tanz. Älteste deutsehe Ansdrttcke dafOr. Der Tanz gebort zu den ältesten menschlichen Vergnügungen und vr&r der Anfang aller schönen Künste. Ist doch Mienenspiel und Körperbewegung der unwillkürliche Begleiter der Affekte ; daraus folgt : ehe man es dahin brachte, todtes Gestein zu formen, geregelte Töne zu erzeugen und harmonisch zu ver- binden, und ehe man das Wort zum Ausdruck der Gefühle verwandte , drückte man schon durch allerlei Körperbewegungen die Zustände des Gemüthes aus — man tanzte. Denn tanzen heißt: verschiedene, durch das Zeitmaß geregelte Körperbewegimgen, als natürlichen Ausdruck lebhafter Freude oder nach gewissen Regeln der Kunst ausführen. Demnach ist der Tanz eine Folge rhythmisch ge- regelter Körperbewegungen, ausgeführt zum Vergnügen oder zur mimischen Dar- stellung von Seelenvorgängen. — Nur der Mensch kann tanzen nach dieser Begriffserklärung und hat zu allen Zeiten der Tanz eine Herzensstimmung zum Ausdruck gebracht oder angeregt. Im weiteren Sinne, bildlich und poetisch ge- braucht man den Ausdruck Tanz überhaupt für jede kreisende, hüpfende Be- wegung unorganischer Körper, z. B. wenn man sagt: Blätter, Schneeflocken, Sterne tanzen. Auch Thiere (Pferde , Bären) lässt man tanzen , d. h. sie müssen nach erfolgter Dressur im Takte gehen und springen ; der seelische Antrieb zur Bewegung föllt hier fort. Der Tanz ist ein Kind der Natur. Seine Entstehung verdankt man der überquellenden Lebenslust, die nach Ausdruck sucht und ihn bald findet. Jeder gesunde Mensch, den die Natur mit einem für Freude empfänglichen Herzen ausstattete und dessen Lebensstellung eine sorgenfreie und glückliche ist, kann die beseligende Empfindung seines Glückes nicht lange still in seiner Brust verschließen ; durch Worte vermag er die überströmenden Gefühle nicht genügend auszudrücken, er greift zum Geberden- spiel ; die Freude , die aus seinem Auge blitzt und unbewusst ihn zum Trailern reizt , belebt seinen Gang ; an die Stelle des ruhigen Schrittes tritt eine hüpfende Bewegung, zu den munteren Fußbewegungen kommen bald schwebende Hand- und graziöse Körperbewegungen hinzu, kurzum — er tanzt. So entsteht noch heute der Tanz und so entstand er einst bei den Urahnen der Menschheit. Er ist der durch Takt geregelte Ausbruch der Lebensfreude. Was hier die unlustige Worterklärung vom lustigen Tanz und seiner Ent- stehung gemeldet, sagt Schiller in schwungvollen Versen : Das Leben re^ sich gern in üpn'ger Fülle, Die Jugend will sich äußern, will sich freun. Die Freude führ ich an der Schönheit Zügel, Die gern die zarten Grenzen übertritt; B 5 hme, Oetfch.d. Tanzes 1 Digitized by Google Dem schweren Körper geb ich Zephyrs Flügel, Das Gleichmaß leg ich in des Tanzes Schritt Was sich bewegt, lenk ich mit meinem Stabe: Die Grazie ist meine schöne Gabe. Der bekannte Satz »Das Leben ein Tanztt gut auch in seiner Umkehrung: im Tanze ein Leben. Die Natur selbst scheint dazu eingeladen zu haben, durch Bewegping inneres Leben kund zu geben ; denn nicht bloß die Menschen tanzen so lange die Erde steht, sondern die ganze Welt tanzt. Alles im Kosmos ist Leben , ist Bewegung. Mückenschwärme im Sonnenstrahl , die Fische in nasser Fluth , die Wolken am Himmelsbogen tanzen. Die Erde selbst dreht sich in ihren Angeln um die Sonne, der Mond um die Erde, und alle Planeten und Nebenplaneten führen ihren Sphärentanz dort oben auf. Das ganze Stemenheer, um eine Centralsonne sich bewegend, führt unter Sphärenmusik vor dem großen lichtspendenden Gott den ewigen Huldigungsreigen auf. Als die Menschen nun gesehen Das Flockentanzen, Blätterwehen, Das Mückenspielen, WeUenjagen: Da fingen sie es an zu wagen, Den Pflanz' und Thieren nachzuahmen, Und so war's, dass die Tänze kamen. Von einem bestimmten Erfinder des Tanzens zu sprechen, ist darum ebenso ungeschickt, wie von einem Erfinder der Sprache oder des Gesanges zu reden : Der Tanz ist, wie die Sprache und Musik , mit dem ersten Menschen ent- standen und mit der in der Kultur sich erhebenden Menschheit an Mannigfaltig- keit, Veredelung, auchVerkünstelung gewachsen und gestiegen, zeitweilig mit der Korruption der Völkersitte da und dort gesunken, um andern Orts und in andern Zeitaltern durch besondere Tanzlust und gute Tanzsitte zur Blüthe zu gelangen. Wenn auch dichterisch bei Plato der Tanz eine Erfindung der Götter heißt und mythologisch von einer Muse Terpsichore als Erfinderin des Tanzes gefabelt wird, 80 ist das eben poetische Fabel. — Dagegen dürfen wir recht wohl von einem Er- finder dieses oder jenes Kunst- oder Gesellschaftstanzes reden ; von einigen Tanz- meistem wird erzählt, dass sie einen bestimmten Tanz erfunden haben. Im Ganzen ist aber auch Letzteres in seltenen FSllen anzugeben möglich: die Erfinder der meisten Tänze sind, wie die Verfasser der Volkslieder, längst vergessen. Wir können uns den Tanz kaum denken ohne begleitende Musik. Jede Musik , nach welcher getanzt wird , sei es im geselligen Kreise oder zu künst- lerischen Zwecken in der Pantomime und im Ballet, heißt Tanzmusik. Um die Tanzschritte zu regeln, wäre schon der Rhythmus (noch ohne Me- lodie und Harmonie) allein hinreichend, also Trommelschlag, noch früher Hände- klatschen und Klappern mit Hölzern und metallenen Becken markirt die Tanz- schritte und solches rhythmische Geräusch hat vielen Naturvölkern bei ihren wilden Keulentänzen genügt und genügt ihnen noch. Bald aber kam zur Trommel die Pfeife : sie brachte zum getrommelten Rhythmus eine Melodie, um die Tanzlust zu erhöhen und dem Tanze einen gewissen Inhalt zu geben. Die Melodie wurde in ältesten Zeiten nicht bloß gepfiffen oder gespielt , son- dern auch mit Worten versehen und gesungen : so entstanden Tanzgesänge. Mit der Weiterentwickelung der Kunst trat endlich zum Rhythmus in der Melodie und SU der beim Tanze gehörten Trommel noch die Mehrstimmigkeit durch andere In- strumente: die Harmonie erschien, um die Tanzmusik zu vollenden. Das ist in Kürze der Entwickelungsgang aller Musik, auch der Tanzmusik. [Ihr haben ivir ein besonderes Kapitel, das XIII. , gewidmet.] Digitized by Google Welchen Zweck hat das Tanzen oder wozu tanzt man? Die meisten Menschen fragen beimXanzen gewiss nicht nach Endzweck, Nütz- lich- oder Schädlichkeit, sondern tanzen, weil die Natur sie dazu beanlag^ hat und der Mensch gerade dazu aufgelegt ist — zum Vergnügen, zur Erheiterung, und das sind 90 Procent aller Tanzenden. Vielleicht 9 Procent tanzen aus diä- tetischen Gründen, sie betrachten den Tanz als der Gesundheit dienlich, als gymnastisches Stärkungsmittel, als eine Art Turnübung und Ersatz für ein Schwitzbad. Wohl nur 1 Procent endlich betrachtet den Tanz vom idealen Stand- punkte, erkennt in ihm ein ästhetisches Erziehungsmittel, um dem Körper schöne Form und Haltung zu geben , Ideen durch Tanzbewegungen zur Freude Anderer auszudrücken, Leidenschaften zu zähmen imd die Harmonie der Seelen- kräfte herzustellen. Dass der Tanz neben dem allen auch ein Heirathsv ermittler sei, darf man mit Grund annehmen und gegen diese praktische Seite ist gewiss nichts einzu- wenden. Es giebt der Tänze viele Arten. a) Nach ihrem Zwecke und Inhalte lassen sich alle Tänze der Vorzeit und Gegenwart einordnen in: religiöse Tänze, Kriegstänze, Theatertänze und Gesellschaftstänze, je nachdem die Darstellung religiöser Gefühle, oder Stärkung des kriegerischen Muthes, oder Vorführung schöner Formen, oder end- lich gesellige Lust ihr Ziel ist. Im christlichen Abendlande sind die religiösen Tänze abgestellt und nur die Processionen noch ein Überrest derselben. Vom Kriegstanze spricht man nur noch bildlich und ist der Militärmarsch noch ein Nachklang davon. Wohl aber bestehen noch der theatralische Tanz, zum Vergnügen der Zuschauer nach den Regeln der Schönheitslehre durch ein beson- deres dafür ausgebildetes Kunstpersonal ausgeführt, so wie der Gesellschafts- tanz, der zum Vergnügen der Tanzenden selbst angestellt wird. b) Nach der Art der Bewegung ist zu unterscheiden der g ehende oder ge- tretene Tanz (wozu auch der Marsch gehört) von dem springenden (Springtanz, Hüpf auf j . Femer kann die Bewegung beim Tanze sein eine fortschreitende (was sie zunächst ist] , oder der Tanzende verharrt auf einer Stelle und dreht sich im Kreise herum: Wirbeltanz, wie z. B. beim Tourbillon im Ballet und dem Tanz der Derwische. c) Nach der Zahl der Tanzenden giebt es Solotanz, bloß von einer Person oder einem Paare ausgeführt, Gruppentanz, von einer kleinen Anzahl Paaren getanzt, z.B. Quadrillen, und ihr Gegensatz der Chortanz oder Reigen. Dieser kann seiner Form nach wiederum sein: Ringelreihen, von einer Reihe Tan- zender der Art aufgeführt , dass sie einander an den Händen angefasst haben, einen Kreis bilden und im Kreise gehend oder springend meist unter Gesang sich fortbewegen, oder der Kreis wird aufgelöst und eine lange Reihe (Kolonne] gebildet, so dass Tänzer und Tänzerinnen paarweise oder getrennt hintereinander zu stehen kommen und bald in gerader Linie , bald in Form einer Schlangenlinie einherziehen. Etwas Anderes als Ringelreihen sind die Rundtänze, die von vielen Paaren derartig ausgeführt werden , dass sie in ihrer Fortbewegung einen Kreis beschreiben und dabei noch jedes Paar um seine eigene Axe sich dreht. Zu den Rundtänzen gehören alle deutschen Gesellschaftstänze. d) Nach ihrem Charakter unterscheidet man ernste (seriöse) und heitere (joviale) Tänze. Letztere sind wohl die ältesten und jedenfalls die verbreitetsten. 1* Digitized by Google e) Nach der Taktart giebt es Tänze im geraden Takt (z. B. Schottisch, Polka, Galopp), andere im ungeraden oder dreitheiligen Takte (z. B. Ländler und Walzer) . Als eine beinahe ausgestorbene Kuriosität finden wir alte Tänze im Wechseltakt. f) Nach dem Grade ihrer Ausbildung spricht man von Bauerntänzen (Volkstänzen) , die das Volk auf dem Lande wie in der Stadt ohne alle Anleitung (von selbst) lernt und oft recht artig zu tanzen versteht , — und setzt diesen ur- wüchsigen Tänzen die ohne Tanzlehrer nicht zu erlernenden Kunsttänze ent- gegen , wie man sie auf der Bühne und theilweise wohl auf Tomehmen Bällen sehen kann. Das Vollendetste der Tanzkunst ist das Ballet. Darunter versteht man die scenische Darstellung einer Handlung durch Pantomime und Tanz mit begleitender Musik. Ernstes wie Komisches, mehr aber Ersteres durch seinen ei^eif enden In- halt eignet sich zum Ballet, das man kurzweg ein getanztes Drama nennen kann, wenn man unter Oper das gesungene Drama gegenüber dem recitiren- den Schauspiel versteht. Von unserer Darstellung musste das Ballet ausgeschlossen bleiben , da es in- ternationaler Natur ist , wir aber nur die in Deutschland vorkommenden Volks- und Gesellschaftstänze zum Vorwurf gewählt haben. Getanzt worden ist, so lange die Welt, steht bei allen Völkern und wird fortgetanzt werden, bis der letzte lebende Mensch hinausgegangen ist. Jedes Volk aber hat seine Tänze , darin es sein eigenartiges Naturell ausdrückt und seinen Volkscharakter abspiegelt. Man nennt diese charakteristischen Tänze »Natio- naltänze«. So giebt es z. B. französische, italienische, spanische, slavische Tänze. Von allen Nationen hat uns im vorliegenden Buche die deutsche mit ihren Tänzen und Tanzgebräuchen zu beschäftigen. Erzählen will ich, wie das deutsche Volk in den verschiedenen Zeitläuften sich der Tanzfreude hingab, wie es bei seinen Volksfesten seit den ältesten Opfer- und Kriegstänzen sich an Tanz , Gesang und Spiel belustigte; beschreiben werde ich, wann, wo, was und wie es tanzte. Ver- suchen werde ich , den Ursprung deutscher Tänze und deren Zusammenhang mit dem Glauben, den Sitten und Bräuchen zu erklären, aber auch die vielen Unsitten beim Tanz nicht verschweigen. Die Bedeutung des Tanzes ist wohl in der Sittengeschichte anerkannt, aber für Geschichte der Poesie und Musik noch nicht genug gewürdigt. Tanzlieder waren die ersten Lieder, Tanzweisen die älteste Musik eines jeden, auch des deutschen Volkes. Unsere hochentwickelte Instrumentalmusik mit ihren schönen Sonaten, schwunghaften Ouvertüren und großartigen Symphonien ist vom ein- fachen Volkstanze ausgegangen. An der festen Form des Tanzes hat die Instru- mentalkunst ihre ersten Lauf versuche gemacht, hat daran Gehen gelernt, sich er- stärkt und erlabt , bis sie glaubte auch ohne Tanzrhythmen bestehen zu können und dieselben immer mehr abstreifte, um ideale Seelenstimmungen zum Ausdruck zu bringen. Und in der Geschichte der Ballade ist der Tanz als wesentlicher Faktor nicht außer Acht zu lassen : beim Tanze wurden die ältesten epischen Dichtungen (er- zählende Volkslieder) gesungen , durch den Tanz sind sie veranlasst worden und hat der Tanz und das mit ihm verbundene Ballspiel (ballo) ihnen den Namen (bal- lata, BaUade) gegeben, den sie noch führen, obgleich sie längst nicht mehr zum Reigen gesungen werden. Digitized by Google Welches sind im Dentschen die ältesten Ansdrflcke für Tanz? Das Wort tanzen^ scheint in der deutschen Sprache nicht alt su sein. Man findet erst in Glossarien des 12. und 13. Jahrhunderts tanz&ri = coraula, den- zere = symphoniacus. In noch altem Sprachdenkmälern ist das lat. saltare nie- mals durch ein dem Tanz entsprechendes Wort übersetzt. In der ältesten germani- schen Bibelübersetzung ist für tanzen ein von den Slaven erborgtes Wort plinsjan gebraucht. * Der im 9. Jahrh. lebende deutsche Übersetzer der lateinischen Evangelien- harmonie, deren griechische Abfassung man dem Tatian zuschreibt, hat Matth. 11, 17 und Marc, 6, 22 das lat. saltare durch salz 6 n wiedergegeben, welches gleich dem angelsächsischen sealtjan eine alte Entlehnung des lateinischen sal- tare ist. Die angelsächsischen Übersetzer brauchen übrigens neben sealtjan auch fricjan und tumbjan für lat. saltare (Schmeller I, 449). Im Qothischen finden sich für tanzen die beiden Zeitwörter laikan und plinsjan. Letzteres ist, wie schon bemerkt, dem Slavischen entlehnt und be- nennt wohl eine den Slaven abgesehene Tanzart. Das erste dagegen bezeichnet, wie aus dem Substantiv laiks (ahd. und mhd. leich, ags. läc, altn. leikr) erhellt, einen bewegten springenden Tanz. In der althochdeutschen Periode unserer Sprache hat das Zeitwort leichan für tanzen gewiss bestanden, wenn auch die Litteraturdenkmäler es nicht dar- bieten; denn es findet sich noch im mittelhochdeutschen leichen in der Bedeu- tung von hüpfen. Vor allem aber lebte das Substantiv leich zur Bezeichnung des chorischen, von Musik geleiteten Reigen, und einer Gedichtart, die aus der Wort- begleitung dieser Musik entstanden war. Außer leichan scheint tüm6n3 ein kreisförmig sich bewegendes Tanzen bezeichnet zu haben, und vielleicht dinsan und dans6n das Führen und Hin- und Herziehen der Paare ^. Denn aus dem Stamme dieser beiden letzten Worte ist das romanische danse (ital. danza) gebildet, welches die Deutschen seit Ende des 12. Jahrh. sammt dem Zeitworte tanzen von den französischen Nach- barn zurücknahmen.^ Der Ausdruck reie für Tanz ist althochdeutsch nicht vorhanden, sondern wird erst seit dem 12. Jahrhundert gebraucht. Wenden wir uns nun nach diesen einleitenden Bemerkungen erklärenden In- halts zum Hauptgegenstand unseres Buches : zu der geschichtlichen Darstellung des Tanzes in Deutschland. ^ Der Ausdruck tanzfen (mittelhochd. tanzen. niAderd. danzen, schwed. dansa, enzl. dance, franz. danser, ital. aanzare) scheint zunächst aus dem Romanischen ins Deutsche übergegangen zu sein. Das rom. dansa stammt aber wohl vom goth. thinsan, althochd. dinsan, Prät. dans, und als abgel. Zeitw. dansdn , ziehen. Vgl. Kluge , Etvmol. Wörter- buch unter »Tanz«. Sonach bedeutet dansa ursprünglich eigentlich Zug, ziehende Reihe. 2 Ulfilas hat an drei Stellen tanzen, 6pyeTa0ai durch plinsjan übersetzt. Das go- thische plinsjan ist aber nach Miklosich (ra'dices linguae slovenicae 65) abzuleiten vom altslav. und böhmischen plpsati, poln. pl^sad = tanzen, springen, plf sy bezeichnet einen Kreistanz, dann überhaupt lustiges Tanzen und Springen. 3 Das ahd. tümön bedeutet sich im Kreise bewegen. Verwandt' damit ist das ags. tumbjan, engl, tumble, nhd. tummeln, taumeln. Tümdn wäre sonach ein Herum- gehen im Kreise mit schwebender Bewegung, was später »umglnder tanz« genannt wurde. * Wackemagel, altd. Predigten S. 259 : die tenzer ziehent und tenent den tanz. 5 Weinhold, d. d. Frauen im MA. H, 158. Digitized by Google Kapitel L Tanz im gennanisclieii Altertlium. über den Tanz in der ältesten Zeit der Germanen wissen wir wenig , weil gleichzeitige Zeugnisse darüber mangeln. Nur über den Schwertertanz der Germanen schreibt Tacitus : » Sie haben eine Art Schauspiel und das ist überall verbreitet: Nackte Jünglinge , denen es eine Lust ist, tummeln sich zwischen Schwertern und drohenden Lanzen. Diese Übung bringt Gewandtheit und letztere Anstand hervor. Und das geschieht nicht um Lohn und Gewinn , obschon ein Preis ihres kühnen Übermuthes da ist — das Vergnügen der Zuschauer.« ^ Dieser Beschreibung nach war der Schwertertanz eigentlich ein kriegeri- sches Spiel , bezeichnend für den kampflustigen , thatendurstigen Charakter der Germanen. Solche Tänze wurden nicht bloß zur Kraftübung aufgeführt, sondern waren wahrscheinlich mit dem religiösen Kulte , vielleicht mit einer Siegesfeier oder dem Frühlingsfeste verbunden. Ob sie ursprünglich dem Kriegsgotte Zio (Tiu, Tyr) zu Ehren gehalten wurden, wie Grimm (Mythol. 187) und Simrock (Myih. 268) vermuthen, muss dahingestellt bleiben. Es scheint der Schwertertanz ein stummes Spiel, ohne Gesang gewesen oder nur von einer Pfeife und Trommel begleitet gewesen zu sein. Diese uralte Sitte des Schwertertanzes, die weitverbreitet sein musste^ hat in Deutschland sich durch das ganze Mittelalter bis zur Neuzeit erhalten. Wir finden ihn später als eine Art Volksbelustigung der Handwerksgenossenschaften in deutschen Stadt e n wieder. Namentlich waren es Waffen- und Messerschmiede, welche bei ihren Handwerkeraufzügen und bei besonderen festlichen Veranlas- sungen bis Anfang dieses Jahrhunderts Schwerttänze zur Aufführung brachten. [Die Beschreibung davon folgt unter Zunfttänzen.] Aber auch das Landvolk in manchen Gegenden hat den Schwertertanz ge- pflegt. Es scheint ihn mit seinen alten Frühlings- und Fastnachtspielen verbunden zu haben , wie die Zeit der Aufführung und der erhaltene dramatische Text zu manchen Schwertspielen bezeugt. [Bericht darüber folgt später unter »Volks- tänze « .] Auch die uns stammverwandten Schweden hatten ihren Schwertertanz. Der Bericht darüber von Olaus Magnus in seinem 1555 zu Rom gedruckten latei- ^ Tacitus, Germ. cap. 24 :' »Genus spectaculorum unum, ataue in omni coetu idem. Nudi juvenes, quibus id ludicrum est, inter gladios se atque infestas frameas, saltu ja- ciunt. Exercitatio artem paravit, ars decorem, non in ^uaestum tarnen aut mercedem: quam vis audacis lasciviae pretium est voluptas spectantium.« Digitized by Google nischen Buche über Sitten, Gewohnheiten und Kriege der nordischen Völker mag zur Ergänzung der Notiz von Tacitus hier folgen : j» Die nördlichen Qothea und Schweden hatten ein Spiel, welches darin bestand, dass sie zwischen ent- blößten Schwertern und Spießen im Tanze sich übten. Die Jünglinge lernten den Waffentanz pach der Weise und Gewohnheit der Fechter, welche, in diesem Tanz und der Fechtkunst wohl erfahren, sie allmählich und singend darin unter- richteten. Sie stellten dieses Spiel gewöhnlich um die Fastenzeit an. Vor dieser Zeit übten sich die Jünglinge ganze acht Tage hindurch mit beständigem Tanzen und Springen. Ihr Tanz wurde folgendermaßen ausgeführt : Sie hoben ihre Schwerter, noch in der Scheide steckend, in die Höhe, bis in die dritte Um- drehung. Dann zogen sie ihre Schwerter heraus, hielten sie in die Höhe und in- dem sie mit denselben aufeinander stachen, sprangen sie mit Anstand herum und griffen Einer des Andern Klinge oder Scheide. So dann ihre Ordnung verändernd^ bildeten sie eine sechseckige Figur mit den Schwertern, welche sie eine Rose nannten. Schnell aber, indem sie ihre Schwerter an sich zogen , brachen sie jene Figur wieder ab und hielten die Schwerter jetzt so , dass über das Haupt eines jeden eine sechseckige Rose kam. Endlich schlugen sie mit großer Gewalt die Flächen der Schwerter gegen einander, und plötzlich zurückspringend, endigten sie diesen Tanz , der zuerst gemäßigt , dann immer heftiger und endlich sehr schnell ausgeführt wurde. Die Begleitung dazu bestand einfach in Flötenspiel und Ge- sang. Da die Bewegungen des Tanzes sich in den Grenzen des Anstandes hiel- ten^ hatten auch sogar die Geistlichen die Erlaubnis, denselben mitzumachen.«^ An andererstelle erzählt Olaus Magnus: »Die Alten hatten einen Reigen aus alter Zeit aufbewahrt , in welchem ein Jüngling der bewaffnete Führer ist ; man kann ihn, weil er das Kriegswesen lehrt, bei einem Angriff des Feindes benutzen. Dann folgte eine durch Sittsamkeit ausgezeichnete Jungfrau, welche einen weib- lichen Tanz mit Anstand ausführte.^ Dieser Tanz ist dem nicht unähnlich, welchen Lykurgus erfand und Lucian »Hormus« nannte. Zwei Tugenden werden darin geübt: Tapferkeit und Mäßigkeit«. Ganz ähnlich beschreibt Taubert (Rechtschaffener Tanzmeister 1617, p. 46} diesen schwedischen Waffentanz als einen damals noch bestehenden : »Ihr Vor- tänzer hält erstlich den Degen ungeblößt empor und macht einen dreidoppelten Kreis. Hernach zieht er vom Leder und springt mit blanker Spitze herum. Dann strecken Alle , Hand in Hand , die Klingen vor sich und nimmt einer des andern Degen bei der Spitze oder dem Gefäß und machen die Ordnung solchergestalt, dass eine sechseckige Figur daraus wird, so sie Rose nennen. Bald halten sie ihre Schwerter in die Höhe, dass einem jeglichen eine gevierte Rose über dem Kopfe wächst. Endlich schlagen sie die Schwerter seitlings und tanzen sehr ungestüm bald von einander und muss sich der gesammte Haufe nach der Cadenza des Sing- und Pfeifenschalles hurtig wenden, schwingen und fechten.« Wie wenig wir auch aus direkten Zeugnissen vom ältesten Tanz der Germanen erfahren : so ist doch auf Grund mittelalterlicher Volkstänze und aus vielen Volks- gebräuchen, die tief im Heidenthum wurzeln und zum Theil noch bestehen, mit Gewissheit zu erkennen : dass die alten Deutschen außer dem Schwertertanze auch 1 Olaus Magnus in Degentium septentrionalium variis conditionibus. Romae 1555. Lib. XV. cap. XXV. Abdr. in Vulpius Kuriositäten. 2 A. a. O. : »Sequebatur virgo modestia quadam insignis, quae femineum saltum de- Center agebat.« Digitized by Google 8 noch andere Tänze hatten, dass sie namentlich bei ihren Naturfesten feierliche Auf- züge mit Festtänzen, bei ihrem heidnischen GOtterdienste feierliche Opfer- tanze besaßen und auch Hochzeitstänze und Begräbnistänze kannten. Fest- nitd Opfertänze der Germanen. Keine Verehrung der Götter war bei alten Völkern ohne feierliche Ceremonie und ohne Tanz. Mit Tänzen verehrten die Indier die aufgehende Sonne; mit Tänzen feierten die Ägypter die Babustia und den Dienst des Osiris, die Perser das Fest des Mithra. Juden, Griechen und Römer feierten Feste mit heiligen und und öffentlichen Tänzen. Die Griechen und Römer hielten den Tanz fOr eine Art Reinigung, durch die man sich den Göttern würdig machte. Bei den Römern gab es sogar Priester, die Tänzer (salii) waren, um die Feste durch Tanz glänzender zu machen. Auch die alten Germanen hatten aller Wahrscheinlichkeit nach derartige heilige Tänze, wenn sie in heiligen Hainen unter Rauschen alter Eichen ihre Götter verehrten und zu Ehren derselben Freudenfeuer auf Bergen anzündeten. Dem Germanen galt der Tanz als etwas so Noth wendiges bei seinem Opfer und Schmause, dass er sogar Tanz und Opfer mit demselben Namen (leich, ags. l&c) belegte. Opfer , Weissagungen und Gebet , wobei die Runen in Anwendung kamen, waren die gottesdienstlichen Verrichtungen der Priester, und wurden sie darin von Priesterinnen und weisen Frauen unterstützt. Aber auch Gesang mit Tanz, was ja anfangs immer verbunden erscheint, gehörte zum Kultus und bei diesen Opfer-Reigen mögen vorzugsweise die Priesterin- nen und Frauen sich betheiligt haben. Liebten doch die Götter selbst Musik und Reigen, wie nahe lag es also, solches in deren Dienst zu gebrauchen. Die germanische Priesterin Veleda, von der Tacitus (Germ. 8 und Hist. IV, 6l.65;V, 22. 24) berichtet, verkündete ihre für göttlich gehaltenen Aussprüche zwar nicht tanzend, aber doch hüpfend und springend, wie nordische Zauberer es noch zu thun pflegen (Klemm, Kulturgesch. III, 108). Für die beim Opfer gebrauchten Chorreigen der Germanen können wir zwar keine ausdrücklichen Zeugnisse aus dem germanischen Alterthum beibringen, je- doch spätere Volksgebräuche sind entscheidend genug dafür. Die Statuten des Bonifacius lassen im 8. Jahrh. feierliche Gebräuche erkennen, an denen namentlich Mädchen sich singend und tanzend betheiligten. Vor allem ist aber j ene feierliche Schiffsumführung^ am Niederrhein von Bedeutung , die wir aus der Chronik des Abtes Rudolf von St. Tron kennen : Ums Jahr 1 133 wurde ein großes Schiff auf Rädern von Indra nach Aachen, Ma- stricht und anderen niederrheinischen Ort^n geführt, überall jubelnd empfangen und namentlich von Frauen unter Gesang die Nächte hindurch um tanzt. Jedenfalls war dies eine, durch irgend welchen Zufall plötzlich wieder erwachte altgermanische Gottesfeier , wahrscheinlich ursprünglich der Nerthus-Frouwe (der Mutter Erde) geweiht. Bei den Umzügen, welche die Gottheit Hertha (Erde) im Bilde oder Sym- bole auf heiligem Wagen alljährlich durchs Land hielt, besorgten Priesterinnen den Dienst der Göttin und dürfen wir bei diesen Rundfahrten, bei welchen allerlei Weissagung aus heiligen Thieren gesucht ward, uns auch religiöse Reigen oder Gesangtänze gegenwärtig denken . 1 Vergl. Simrock, MythoL 353. Grimm, Myth. 237. Digitized by Google 9 Wiederum ein Nachklang vom Dienst der Hertha, der Göttin der Erde and des Ackerbaues, der man in ältester Zeit im FrQhjahr unter Mitfahren des Sym- bols., des Ackerpflugs, festliche Umzüge unter Gesang und Tanz hielt, ist folgender Gebrauch des 16. Jahrhunderts: »An dem Rhein, Frankenland vnd etlichen andern orten samlen die jungen gesellen all dantzjunckfrauwen vnd setzen sy in ein pflüg vnd ziehen yhren spilman, der aufif dem pflüg sitzt vnd pfeifft, in das wasser; an andern orten ziehen sy ein feürinen pflüg mit einem meisterlichen daraufif gemachten feür angezündet, bis er zu trimmern felt.c^ Noch bis in die Neuzeit wurden an manchen Orten Süddeutschlands Umzüge mit Pflug zur Frühlingszeit von der Jugend veranstaltet. Zum Neujahr fanden bei den Germanen festliche Umzüge statt; vom Volke wurden Eichenmisteln gesammelt und in Procession unter Gesang und Klang umhergetragen^ um damit den Anfang des neuen Jahres anzukündigen. In Baiern und Franken soll diese Sitte lange fortgedauert 'haben, wie Aventinus, Annal. Bo- jorum lib. lU cap. 1, und Kegler, Antiquit. septentrion. 307 bezeugen. Sogar in Frankreich (um Guienne) herrschte noch vor Kurzem die nämliche religiöse Sitte, die vermuthlich aus der Urzeit des germanischen Volkes der Franken datirt. Unter Musik und Gesang und Tanz tragen junge Leute Eichenmisteln herum und rufen dabei aus : »Au Qm Tan neuf !tf Vor zweihundert Jahren (um 1630) wussten alte Leute noch zu erzählen: dass mannbare Jungfrauen auf Westerlandföhr zur Zeit der Julfeier vor der Westerkirchenpforte das Neujahr eintanzten, auch Nachmittags nach dem Gottesdienste tanzten. ^ Auf der Insel Föhr wurde noch um 1737 von einem Hausgeiste Koome gemeldet, dass man ihn sonst mit Tänzen und Springen geehrt habe.^ In dem Hauptflecken der Südditmarschen, Meldorf , giebt es noch ein Schul- kinderfest, Nesskuk genannt, bei welchem die Mädchen die Schulstube mit Blumen zieren und Nachmittags und Abends getanzt wird. Das ist eine Erinnerung an den allgemeinen Hausgeist Nisse-Puk oder Nisskuk, von dem man sagte, um in einem Hause den Wohlstand zu bezeichnen, hier wohnt und regiert der Nissepuk.-* Heidnischer Ursprung und Verwendungbeim Heidenkultus ist mehreren Volks- tänzen und Volksbräuchen der Gegenwart nicht abzusprechen. So ist in der Mark noch ein Rest altheidnischen Erntedankfestes erhalten: es ist der so- genannte Verg6dendMs-strüß, ein Wort, das zusammengezogen ist aus Fro-Goden- del-strAß und buchstäblich heißt : Herrn Wodans Antheils-Strauß. Es ist ein Ähren- büschel, das auf jedem Acker stehenbleibt und erst dann, wenn alles Übrige ab- gemäht ist, unter gewissen Feierlichkeiten von den versammelten Erntearbeitern abgeschnitten wird. — Ähnlich pflegten bis in die jüngste Zeit die Bauern im Mecklenburgischen^ einen kleinen Theil des Getreidefeldes ungeschnitten zulassen, die Schnitter tanzten darum und sangen: Wode, Wode, hol dinen Rosse nu Voderl (d. h. Wodan, Wodan I hol deinem Rosse nun Futter.) Also erfahren wir hier von einem Wodansopfer unter Gesang und Tanz. Wenn die Hausfrau zur Wintersonnenwende oder zu Fastnacht, damit der 1 Franck, Weltbuch. Nürnberg 1542. Grimm, Myth. 242. 8 Müllenhoff, Schlesw.-Holst. Sagen etc. Einl. S.119. Aus Heimreich, ed. Falk 1, 120. 3 Müllenhoff 310. * Müllenhoff, Einl. 21. 5 Frank, Alt und neues Mecklenburg. 1753. S.57. Grimm, Myth. 110. Digitized by Google 10 Flachs gerathe, tanzen und springen muss, wobei sie bestimmte Worte zu sprechen hatte : so ist das ein Rest vom Kultus der ErdgOttin, welchen jede Haus- mutter als Hauspriesterin zu verwalten hatte. Auch der Pfingsttanz galt ursprünglich der Frühlingsgottheit (Grimm, Myth. 351). Noch erkennbare Überreste altheidnischer Opfermahle und Opfertänze sind die Kirmessbräuche und Kirmesstänze. [Mehr davon unter Kap. XII.] Begrftbnistänze. Es war altheidnischer Brauch der Germanen, auf den Gräbern der Todten zur Nachtzeit Lieder zu singen , durch welche man die bösen Geister zu vertreiben glaubte. Besonders waren bei den Sachsen solche Gesänge in Gebrauch und sie wollten sich dieselben auch nach ihrer Bekehrung nicht nehmen lassen. Die an den Ruhestätten der Verstorbenen gehörten Gesänge waren jedenfalls Anrufungen heid- nischer Gottheiten , darum Teufelsgesänge (carmina diabolica] von der Kirche ge- nannt. Auch mag die Begräbnisfeier mit ungeziemenden Schmausen, Possen und Tänzen verbunden gewesen sein. Gegen diese Teufelslieder zum Gedächtnis der Verstorbenen richten sich wiederholt die Verbote der Kirche. So verordnet die römische Synode unter Leo IV. zu Anfang des 9. Jahrhunderts: »Zur Bezeugung des wahren allmächtigen Gottes sind die Teufelsgesänge abzuschaffen, welche zur Nachtzeit über den Gräbern der Todten gehört werden, und ist der Lärm zu ver- bieten, welchen die Menge dabei ausübt.«^ In einem späteren Koncilbeschlusse heißt es bezüglich der Todtenklagen: »Wer Leichname bestattet, der soll es thun mit Scheu, Furcht und Zittern. Dabei ist aber Keinem gestattet, Teufelslieder zu singen, noch Spiele (ioca) und Tänze (saltationes) aufzuführen , welche , vom Teufel eingegeben , die Heiden erfunden haben. «^ Tänze verwandter Art wurden noch in christlicher Zeit gar bei den Begräbnis- schmausereien aufgeführt und fand man sonst in dieser rohen Unsitte nichts Arges, weil ja das fröhliche Auferstehen , das Hervortanzen der Todten aus den Gräbern dadurch bildlich angedeutet werde. So tanzten noch 1271 die Appenzeller beim Begräbnis des Abtes Berthold von St. Gallen auf ihrem ganzen Heimwege. (Wal- ser, Appenz. Chron. 162. Rochholz, Kinderl. 378.) Eine Anzahl von Namen altnordischer Tanzweisen, die der große nordische Harfner Böse bei einem Hochzeitsmahl aufspielt , sind uns in der Herraud-Bose- Sage^ aufbewahrt. Ich will die auf Musik und Tanz bezügliche Stelle nach Dr. Gräters Übersetzung (in der Ztschr. Idunna, 1814) wiedergeben: »Der Ostgothenprinz Herraud und sein getreuer Milchbruder Böse waren nach Gläsiswöll gereist , der Hauptstadt von dem weit oben im Norden liegenden Lande Jötunheim. Ihr Anliegen war : die Prinzessin Leidur , König Gudemunds Schwester, die eben mit dem Prinzen Siggeir Hochzeit hatte, zu entführen. Als Spielmann verkleidet kommt Böse in den Hochzeitsaal, und als die Trankopfer auf- 1 Carmina diabolica, quae noctumis horis super mortuos vulgus facere seiet, et cachinnos quos excreet, sub contestatione Dei ommpotentis.« [Labbei Concilia. Tom. VIII, 117.] 3 NulluB sibi praesumat diabolica carmina cantare, non iooa et saltationes facere, quae pagani diabolo docente adinvcnerunt. [Hartzheim, Concü H, p. 500.] 3 iDiesc fabelhafte Erzählung aus anderer Quelle (fomaldar-saga 3, 222) ^ebt im Auszug kurz Weinhold, d. d. Frauen im MA. I, 394. Der Harfner heißt dort Sigurd. Digitized by Google 11 gebracht wurden , schlug er auf seiner Harfe so gut , dass Jedermann bekannte, etwas Schöneres nie gehört zu haben. Die Schale des Thor (d. h. der erste, dem Donnergotte geweihte Gedächtnistrunk = minni) kommt an ; da ändert Böse den Harfenschlag und beginnt ein neues Stück. Viele standen auf, um zu tanzen, und da der Boden etwas schwankend, war es kein Wunder, dass Tische und Tisch- genossen, Teller und Messer und Alles, was man nicht festhielt, mittanzte. Hierauf setzte man sich und that der Schale Thors Bescheid. Jetzt kam die Schale der Äsen (der Becher für alle Götter, öUum 48um) da ändert Böse abermals den Harfenschla^ und stellte die Harfe so hoch , dass sie einen Widerhall im Saale gab. Alle standen auf zum Tanz, ausgenommen der König und das Brautpaar. Als die Gäste hernach abermals sich niedersetzten, um dem allen Göttern ge- widmeten Trankopfer Genüge zu thun, spielte Böse folgende Stücke vor dem Könige : Zuerst begann er den Gyur-slac (d. h. den Gesang von dem Riesen, den Riesenton, denn Gyur, aus dem Geschlecht der Wölfe stammend und im Walde bei den Zauberinnen wohnend, galt als Vater der gewaltigen Riesen) . Darnach versuchte erden Dramba-slac (wahrscheinlich eine erhabene, ma- jestätische Weise, ein Heermarsch, denn dramba heißt stolz, hochgemuthj . Weiter ließ er hören die Hj eranda-hljod (d. h. Horantslied, Wasser- geisterlied, den Gesang der Meerfrauen nachahmend, der wilden Fluth abgelauscht. Grimm, Altd. Wälder UI, 32, meint: es war vielleicht ein Gesang zu Odins Preis.) Als nun diese Stücke zur Zufriedenheit des Königs gespielt waren, kam die Gedächtnisschale oder das Trankopfer Odins herein. Da öffnete Böse den Bauch (den hohlen Resonanzkasten) seiner Riesenharfe und nahm ein Paar weiße , mit Gold gesäumte Handschuhe heraus und zog sie an. Hierauf stellte er die Harfe auf denjenigen Ton oder Schlag, den man Falda-feykir (d. h. Sturm der ge- falteten Kopfbinden) nennt. Jedenfalls war das eine Tanzmelodie, wobei die Frauen so hüpften, dass ihre auf nordische Art gefalteten Kopftücher in der Luft flatterten. Diese Musik — heißt es in der Sage weiter — hatte die Wirkung, dass alle Frauen aufsprangen und tanzten, bis sich Alle wieder zum Trankopfer nieder- setzten und lustig, trunken und rauschend wurden. Die letzte Schale, die man zu trinken pflegte, war der Göttin Fr e y a geheiligt und sie kam endlich als schon Alles voll und wohlbeseligt schien. Man setzte eine Art Tapferkeit darein, viel mit einem Zuge zu trinken, aber ein solcher :» Will- komm« wie dieser konnte erst mit drei Zügen geleert werden. Auf Böses Harfe saß eine Saite in die Quere ; diese Quersaite ergriff er jetzt und spielte den Ramm-slac [d. h. den großen Springtanz). Alles wurde be- lebt. Selbst König, Bräutigam und Braut sprangen auf zum Tanz und Scherz. Inzwischen hatte Herraud sein Schiff segelfertig gemacht imd zugleich alle Fahrzeuge des Königs Gudemund zu Grunde gerichtet, so dass bei der vorhabenden Flucht ihn Niemand verfolgen konnte . Mitten unter Tanz und wildlärmender Freude, die im Hochzeitsaale raste , waren dennoch Böse und sein Gehülfe so nüchtern, dass sie der Braut den Brautschmuck abnahmen, den »Bauch der Harfe« öffneten und die Braut hineinsteckten. So mit List brachten sie die Prinzessin Leidur mit all ihrem Golde und Kostbarkeiten in das Schiff, das am Strande wartete. Die Riesenharfe des Böse, die solche Entfühnmg vollbrachte, glänzte wie Gold und war so groß, dass just ein Mensch aufrecht im Resonanzkasten stehen konnte.« So viel von der List eines Prinzen in Spielmannsgestalt. Das weitere Schicksal der Königstochter und das durch diesen Raub verursachte Blutvergießen bleibe hier unerzählt. Wir erfahren aus dieser Sage: 1] dass es vor dem 10. Jahrhundert, Digitized by Google 12 aus welcher Zeit die Sage berichtet, im Norden schon recht geschickte Harfner gab , die auf verschiedene Art des Harfenschlags sich wohl verstanden , auch zu List und Ränken sich brauchen ließen , 2) dass in der nordischen Vorzeit schon eine vom Gesang getrennte Instrumentalmusik existirt; 3) dass bei Hoch- zeiten wacker gezecht und getanzt wurde. Der Tanz in der germanischen Sage: Eiben- und Nixen -, Biesen- nnd Zwergentänze. Wenn nichts sonst die große Liebe der Germanen zum Tanz und Reigen nach- weisen könnte, so vermöchten solches schon die poetische^ Sagen und Mythen zu bezeugen , in welchen unsere Voreltern das , was sie selbst gern thaten , ihren Göttern und deren Umgebung beilegten. Die ganze große Natur galt unsem Alt- vordern als voller Musikgetöne und Tanz , deren Ursprung sie den Göttern selbst beilegten. Im Brausen der heiligen Eichen und im Sturmwind, wie am rauschenden Wasserfall hörten sie Musik und Gesang und glaubten diese ihre heiligen Wälder von spielenden und tanzenden Waldgöttem, sowie das Wasser von Meerfrauen und tanzenden Nixen belebt. Selbst im Innern der Berge lässt die germanische Sage sinnenbestrickende Tänze aufführen, man denke z. B. an Frau Holle im Hörsei- berge. Wie die indischen Maruts ihr Sturmlied hatten , so hatten die germanischen Elementargeister, die Luft- und Sturmgeister, Eiben genannt, einen hinreißenden Tanz, den Albleich, der Alles um sich her, selbst Bäume und Felsen unwider- stehlich zum Tanze hinreißt (Grimm, Myth. 439). Wie der Ton aus Oberons Zauberhom zum Tanzen fortriss , so ist der Albleich eine süße und entzückende Weise. Andere Melodien, von den Sturmgeistem Huldra, Wichtel und Eiben aller Art ausgeführt, waren der Liuflingslag, Hulderslat, Wichtelschal und Alfdands (d. h. Elfentanz), Grimm, Myth. 434. Denn das gute Völkchen der Lichtelfen (gute Holden , Lieblinge = Liufiingar genannt) liebten die Musik, und ihre Tanz- last, wozu sie die Nacht wählten, war unermüdlich (Simrock 409). Die Liebe zu Spiel , Gesang und Tanz zeigt sich aber nirgends nachhaltiger als bei den Wassergeistern. Die Wasserelben , die Nixen und der schwedische Strömkarl (Flussmensch, der auch Fossogrim, von fors = Wasserfall, heißt) übten wunderbar schönes Spiel und Gesang und kannten Tanzlust (Grimm 460. 461). Vom Strömkarl hat der Norden die tief bedeutsame Sage: Er hatte elf Weisen, von denen man aber niu* zehn singen darf, weil die elfte dem Nachtgeiste und seinem Heere gehört und bei ihren Tönen Tische , Bänke , Kannen , Becher, Greise und Großmütter, selbst die Kinder in der Wiege tanzen würden. »Das Heer der Nachtgeister ist wohl das der Sterne , die am Himmel ihren geheimnisvollen Tanz abhalten« — meint erklärend Dr. Henne am Rhyn. Der Tanz der Elb innen im Monden sehe in ist so verführerisch, dass man die Augen abwenden muss, um nicht hineingezogen zu werden. — Nebst dem Alb- leich war der Tröllaslag (Tröllschattr norweg. Troldslaat) berühmt. Troll bezeich- net einen bösen Erdgeist in Riesengestalt. Somit hätte man unter TröUschlag eine Melodie von zauberischer Wirkung , mit Trommel und pantomimischem Tanz be- gleitet, sich vorzustellen. Wie die indischen Dämonen (die Hidimba) Tanz und Spiel lieben und ihre Sturmlieder hatten, so gab es bei den Germanen einen Riesentanz (Tusseldands) , eine traurige Melodie, nach welcher die Riesen ihre Reigen aufführten. (Mannhardt, Germ. Mythen 191.) Digitized by Google 13 Wie haben wir uns den ältesten Tanz der Germanen vorzastellen? Wie unsere Voreltern ihren Bärenhäuter-Reigen gestampft haben und wie die Musik dazu geklungen hat, ist uns urkundlich nicht berichtet, doch können wir aus Erfahrungssätzen der Wissenschaft uns ein annäherndes Bild von jener Tanz- weise verschaffen. Die älteste Poesie eines jeden Volkes ist eine Verbindung von Tanz, Spiel und Gesang. Diese drei Dinge sind noch ungetrennt; kein Tanz ohne Lied, und kein Lied ohne Gesang und Tanz. Tanzlieder waren die ältesten Lieder ; hymnisch-chorische Gesänge gingen überall dem Epos vorauf und ebenso ging alle Lyrik vom Tanze aus. So lehrt es die Naturgeschichte aller Natur- und Kultur- völker. So war es unbezweifelt auch bei den Deutschen in ältester Zeit und auch sie hatten ihre Gesangtänze und Tanzgesänge. Ein solcher mit Tanz (d. h. orchestischem Einherschreiten) und mit Spiel verbundene G e sang hieß bei ihnen ein Le ich. Das Wort (abgeleitet vom gothischen laikan, spielen, hüpfen, laiks, Spiel) weist auf eine Vereinigung von Gesellschaftsspiel mit Tanz und Gesang hin, gegenüber dem vom Einzelnen gesungenen, gleichstrophigen Liede. Bei Chortanzliedern war noth wendig das musikalische Element vorherr- schend. Eine festgeformte Melodie (modus) musste vorhanden und dem Volke bekannt sein, nach der es seine Texte sang und seine Tanzschritte regelte , während beim Vortrage der epischen Poesie der Gesang mit der begleitenden Harfe unter- geordnet war. Daher finden wir in alten Glossarien vor dem 12. Jahrhundert das Wort leich durch modus (Weise, Melodie, Tanzweise) erklärt und an verschie- denen Stellen werden die leiche bald geharft, bald gegeigt, was immer auf Melodie und Instrumentenspiel hinweist. Sehr einfach und kurz mögen diese alten Tanzspiellieder (= Leiche) gewesen sein, aus wenigen ungleich langen allitterirenden Strophen verschiedenartigen Li- halts bestehend — so ungefähr, wie unsere heutigen Kinderreigen be- schaffen sind, z. B. »Jammer, Jammer hin und hert (s. Kap. XVII Kinderreigen) ist ein kleiner Leich zu nennen. In späterer Zeit , unter dem Einflüsse der geistlichen lateinischen Kirchen- poesie und besonders zur Minnesingerzeit durch Nachbilden der französischen Lais wurde die Form des Leichs sehr künstlich ausgebildet. Eigenthümlich sind ihm die ungleichen Strophen. Diese Eigenthündichkeit kann der Leich schon früh, wo er noch die alte heilige Poesie des Volkes ausmachte und bei Opferfesten gesungen und getanzt wurde , recht wohl gehabt haben. Sie stellt beim Chorliede sich leicht ein, wie der griechische Dithyrambos lehrt, und widerstrebt nicht dem Wechselgesange des vor- und nachsingenden Haufens. [Mehr über Leichform unter Kap. XV.] Um uns von der Beschaffenheit des altgermanischen Volkstanzes (und einen anderen gab es nicht) einen Begriff zu machen, muss man den färöischen sich ver- gegenwärtigen . »Der eigenthümliche färöische Tanz wird sich noch lange erhalten , ob- schon ihm eine bessere Musik zu wünschen wäre. Jeder Tanzende singt nämlich den angestimmten Gesang , so gut wie er kann , natürlich ohne alle Begriffe von Harmonie und Takt, während der aus Männern und Frauen gemischte Tänzerkreis (also Reihen 1) abwechselnd 3 Schritte links und 3 Schritte rechts geht, dann stille steht und sich verneigt.« So beschreibt ihn Prof. Maurer in Westermann* s illustr. deutschen Monatsheften (Mai 1863) auf Grund eigener Anschauung. Digitized by Google 14 Schon ein älterer Schriftsteller erwähnt den Volkstanz der Färinger; es ist Lucas Debes, in dessen Färoa reserata, Kopenhagen 1673. S. 251 sagt er darüber, was hier in getreuer Übersetzung folgt : »Die Einwohner der Färöer (Schafs-Inseln] sind unnützem Zeitvertreib und eitler Lustbarkeit nicht geneigt , sondern begnügen sich meistens damit , den Tag über Psalmen zu singen; allein auf ihren Hochzeiten und während der Jultage (Weihnachtszeit) erfreuen sie sich an einem einfältigen Tanze in einem Kreise, Einer des Andern Hand erfassend und einige alte Heldenlieder singend.a Der getretene Tanz wird noch auf den FärOern bis in die neueste Zeit vom ganzen Volke getanzt : »Männer und Frauen bilden eine einzige lange Reihe; sie bewegen sich dabei 3 Schritte nach vom oder 3 Schritte zur Seite, bleiben dann, hin und her sich biegend, eine kurze Weile stehen und thun wieder 3 Schritte zurück. Die ganze Reihe singt dazu Lieder, welche von entsprechenden Geberden begleitet werden. Dieser Tanz scheint im ganzen Norden verbreitet gewesen zu sein.c^ Ähnlich ist der isländische Vikivaka. Es ist ein Schaukeltanz, wobei man auf dem rechten Beine stehend sich mit dem Oberleib nach dem Takte des Gesanges bald vor-, bald rückwärts neigt, ohne die Stelle zu verwechseln. Auch den Reihentanz kennen die Männer auf Island und nennen ihn Hringbrot.^ Ein gelehrter Isländer, Amgrim Jonsson , der 1568 — 1648 lebte und durch eine Anzahl von Schriften über die Geschichte seines Vaterlandes sich Verdienste erwarb, nennt unter den Belustigungen seiner Landsleute auch Tänze, welche Viki-vaki hießen. Nach seiner Angabe wurden die Tritte durch die Töne eines Liedes bestimmt, welches von Einem oder Mehreren der Gesellschaft vorgesungen ward (wahrscheinlich irgend ein Heldenlied oder Ballade , wie bei den Färingem) und in dessen Kehrreim sie alle einstimmten. So haben wir uns auch die Tänze der heidnischen Germanen zu denken : es waren getretene Chortänze oder Reigen, stets mit Gesang und Geberdenspiel ver- bunden. Den Tanz liebte und übte der Germane beim Kultus, im Felde und im Hause. Nicht bloß als Kräftigungsmittel zur strengen kriegerischen Erziehung, nicht bloß bei seinen ländlichen Festen und heiligen Opfern diente der Tanz : auch bei feierlichen Handlungen im Familienleben, bei Hochzeiten und Todten- bestattungen durfte er nicht fehlen. Erst durch die Nachrichten aus der Zeit nach der Einführung des Christen- thums wird unsere Überzeugung bestätigt: dass unsere Voreltern große Freunde des Tanzes waren, da sie als Neubekehrte ihre von der Verehrung der Götter her gewohnten Tänze lange nicht aufgeben wollten. ^ P. E. MüUer bei Lyngbye, faröiske qusder S.8— 10. K. Weinhold, d. deutschen Frauen im MA. II, 160. > Weinhold, Altnordisches Leben. 465. Digitized by Google 15 Kapitel II. Deutscher Tanz seit der Einfiiliruiig des Christen- tlmms bis zur Minnesingerzeit. (8.— 12. Jalirli.) »Das Alte stürzt , es ändern sich sich die Zeiten tr mit der Einführung des Christenthums. Die alte heidnische Tanzlast und Tanz weise musste dadurch er- schüttert werden ; denn jene alten Chorreigen , darin Wort und Weise mit dem Tanze zusammenhingen , standen in Beziehung zum heidnischen Kultus und die beim Tanz gesungenen Lieder enthielten den Preis der Götter und Gebete an sie. Das konnte die christliche Kirche nicht femer dulden und ihre endliche Herr- schaft zerstörte allen Zusammenhang zwischen Tanz und Heidenthum. Doch nicht mit einem Schlage stand die neue Weltordnung da, sondern man musste dem Heidenthum aus Klugheit gewisse Zugeständnisse machen. Alles Ge- wohnte auf einmal ausrotten zu wollen , lassen verständige Eroberer von Ländern sich nicht einfallen. So geschah es auch bei dem Übergang vom Heiden- zum Christenthum. Hier müssen wir etwas über die Festtänze der ersten Christen ein- schalten, das zwar nicht direkt auf Deutschland bezüglich, doch aber zum Ver- ständnis des Nachfolgenden nothwendig ist. Die Apostel und deren Nachfolger, wie auch die ersten Bischöfe hatten recht wohl erkannt, dass es nicht gut sei, den Neubekehrten alle heidnischen Gebräuche zu entreißen und darum auch ihnen nicht mit puritanischer Strenge die altgewohn- ten religiösen Tänze zu verbieten, weil man wusste, dass die Heiden auf ihre gottes- dienstlichen Gebräuche viel hielten und bei deren gänzlichem Ausscheiden sich wenig Bekenner zum Christenthum gefunden haben würden. Darum ließ man es geschehen, dass unter mancherlei heidnischen Gebräuchen auch die festlichen Aufzüge und Tänze in die Feierlichkeit der christlichen Kirche herüber- genommen wurden. Durch eine eigenthümliche Deutung einiger Aussprüche des Apostels Paulus fand man, dass das Tanzen beim Gottesdienst erlaubt sei, und wurde es durch einen gewissen Gregor Thaumaturgos^ eingeführt, und nach- dem die Christenverfolgungen aufgehört hatten , wurden alle Freuden- und Frie- 4ensfeste der Kirche durch Tanz verherrlicht, während er bei Hochzeiten den Christen verboten war. In alten christlichen Kirchen (z.B. in Rom) ist noch heute ein erhabener Ort zu sehen, dem man den Namen Chor gab, er war von den übrigen Theilen der Kirche abgesondert und fast wie ein Theater gebaut. Auf demselben führten die Priester an hohen Festtagen, später an jedem Sonntage ihre heiligen Tänze auf. Als Anführer dieser Kirchentänze fungirte der Bischof selbst und wurde er als Anführer der heiligen Reigen Praesul (Vortänzer) genannt , der den übrigen Klerikern mit seinem Beispiel voranging. Die Tänze der ersten Christen waren ehrbar, sittsam und voll Zucht und Andacht. Die gottgeweihte Festfreude wurde gewöhnlich in großen Städten begangen, wo Bischöfe ihren Sitz hatten. Dort versammelten sich die herbeige- kommenen Christen und führten ihre andächtigen Tanzreigen durch die Straßen, 1 Gregorios Thaumaturgos war seit 244 Bischof v. Neocäsarea, 8.Hase, Kirchengesoh. § 65. Digitized by Google 16 bis zu den Grabstätten der Märtyrer im freien Felde auf. So erzählt Theodosius (Hist. Eccl. c. 27] von den ersten Christen zu Antiochia, dass sie in der Kirche und bei den Gräbern der Märtyrer tanzten. Die religiösen Tänze der Heiden im Alterthum bestanden in ernsten feier- lichen Aufzügen , schönen KOrperstellungen und symbolischen Wendungen und Verschlingungen , Alles unter Absingen von Hymnen , oft aber war es bloß eine stumme Sprache, damit man den Göttern huldigte. So hat man sich auch die christlichen Kirchentänze zu denken, nicht etwa wie unser sinnloses Herumhüpfen von Tanzpaaren , sondern als einen feier- lichen metrisch gemessenen Gang, wie man das noch bei feierlichen Umzügen (Processionen) in der katholischen Kirche sehen kann. Männer und Frauen tanzten aber bei diesen Tänzen niemals zusammen, sondern jedes Geschlecht hatte seine besondern Reigen. Bei allen gottesdienst- lichen Handlungen der damaligen Christen waren Männer und Frauen abgeson- dert, und wo es öffentliche Festfreuden und Ceremonien gab, standen diese unter Aufsicht der Bischöfe und Priester, damit Alles ehrbar und gottselig zuging. In den Kirchen standen die Frauen auf den Emporkirchen , die mit Gittern versehen waren (wie bei den Nonnen das Chor) , damit sie nicht gesehen werden konnten, und darüber wurde so streng gehalten, dass u. a. Chrysostomus einen Geistlichen sogleich aus dem Chor stieß, der ein Weib, das Ton ungeföhr durch das Gitter sah, mit freundlich begehrlicher Miene angeblickt hatte. Auch bei dem christlichen Friedenskuss küssten nur Männer und so die Weiber sich untereinander. Das Alles geschah ans guten Gründen. Solcher strengen Überwachung halber nannten die Heiden die größten Freudenfeste der Christen nur traurige Feste und Neu- bekehrte hatten viel zu überwinden , um sich daran zu gewöhnen. Etwas Musik mussten also die Bischöfe gestatten und weil viel Singens und Leiems bei den Heiden beliebt war, so wurden Hymnen gedichtet zum Lobe der Heiligen und Märtyrer, damit die neuen Christen auch etwas zu singen hatten, und statt der Schmausereien wurden ihre Liebesmahle (Agapen) ki aller Zucht und Ehrbar- keit abgehalten, wobei noch Geld zur Unterstützung armer Wittwen , Waisen und Gefangenen eingesammelt wurde« Die eifrigsten und tugendhaftesten Christen versammelten des Nachts sich vor den Kirchthüren in den Vigilien (Nachtwachen, nächtliche Andachten am Vor- abend hoher Feste) und sangen Lieder und tanzten. Die Kirchenväter selbst hatten in ihren Schriften dem Tanze größtes Lob ertheilt. So sagt der heilige Basüius (Epist. lad Greg.), dass Tanzen die vornehmste Beschäf- tigung der Engel im Himmel sei, und muntert seine Leser auf, ihnen nachzuahmen. Indessen blieben diese christlichen Festtänze nicht lange die Beweise religiösen Eifers, nicht immer so würdig und feierlich, wie ein heiliger Tanz sein soll. Da die- selben am häufigsten zur Nachtzeit (in den Vigilien) angestellt wnirden, so gaben sie Anlass zu den ärgsten Ausschweifungen. Aus den Festtänzen wurden lär- mende Tanzpartien, aus den Liebesmahlen Convivien, wo Schlemmerei an die Tages- ordnung kam. Dass es arg gewesen sein muss, beweisen die zahlreichen Verbote solcher Tänze von Seiten der Kirche. Doch umsonst boten jetzt die Kirchenväter alle Be- redtsamkeit auf, um vor solchen Lustbarkeiten zu warnen, der Unfug dauerte fort, so dass er die Aufmerksamkeit der Koncilien auf sich zog. Ein solcher Koncil- beschluss vom Jahre 622 sucht zu beweisen, dass solche Festfeier nicht christlich, sondern nur Nachahmung der heidnischen Dionysius- und Bacchusfeste sei. Die Päpste Gregor III. (731) und Zacharias (741) gaben zuerst Dekrete gegen solches Digitized by Google 17 Treiben in den Kirchen nnd einzelne Bischöfe eiferten in ihren Schriften gegen die Kirchen tanze als sehflndliche Ruchlosigkeit. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu dem Tanze in Deutschland zurflck. Wie in Griechenland , Italien und Gallien die ersten Christen ihre altheid- nischen Festtftnze mit herübergenommen hatten, so war es auch in germanischen Landen geschehen : nach der Christenbekehrung erhielten sich Heidentänze auch in Deutschland fort, und mit christlicher Umdeutung und auf christliche Fest- und Gedächtnistage der Märtyrer verlegt, waren sie zur Verherrlichung des Gottes- dienstes gestattet worden , weil auch hier die neuen Christen ihre alten Gebräuche und Gewohnheiten nicht gleich ablegen konnten. Der Apostel der Deutschen, Bonifacius (geb. 684, gest. 755), fand aber in den Kirchen mancherlei heidnischen Unfug. Darum hat er in dem zu Leptinus 743 ge- haltenen Kondl ein Verbot durchgesetzt, welches die Reigen der Laien und die Gesänge der Mädchen und die Gastereien in der Kirche fQr unerlaubt erklärt.^ Wir finden hier die erste Spur Ton Chorreihen und Tanzliedern der Deutschen. Zugleich gelangen wir zu der Einsicht, dass die Germanen aus der Heidenzeit her gewohnt sein mussten , ihre Götter durch Gesang und Tanz zu feiern, und diese Sitten auf die christlichen Gotteshäuser übertrugen. Die von Bonifacius den bekehrten Deutschen verbotenen Tanzgesänge und Mädchenlieder waren nichts anderes als die uralten Ringelreihen, d. h. solcherlei Lieder, in denen Tanz, Wort und Weise unzertrennlich verbunden waren , so dass die dabei Versammelten alle zugleich mitsangen und mittanzten, aus dem Rhythmus der Sprache und des Gesanges den Rhythmus zu ihren Tanz- bewegungen entnahmen. Der h. Eligius (St. Lois, geb. 588, gest« 689) verbietet den Deutschen die Chorreigen (choraulas) und die Teufelsgesänge (cantica diabolica) : »Niemand soll an des St. Johannes oder irgend eines andern Heiligen Festtagen Sonnen- stillstands-Gebräuche, Tänze, ChOre oder teufelisohe Gesänge aufführen.!^ Dieses Verbot wiederholt Burchard von Worms 1024 in seinem Beichtspiegel. In den Kirchengesetzen des 9. Jahrh. werden Tänze und üppige Lieder auf den Straßen und in den Häusern mit starken Ausdrücken gerügt. So verbietet Anno 813 das Mainzer Koncil »den schändlichen und üppigen Gesang ringsum die Kirchen«. ^ In den Gesetzen von Karl und Ludwig wird das Verbot wiederholt mit dem Zusätze : »Jene Sing- und Springtänze, die schändlichen üppigen Gesänge und jene Teufelsspiele sind weder an ö£fentlichen Plätzen , noch in den Häusern , noch an irgend einem Orte aufzuführen, weil sie aus dem Gebrauche der Heiden übrig geblieben sind.c^ ^ »Non licet in ecclesia oho res secularium vel puellarum cantica exercere, nee con- vivia in ecclesia celebrare.« [Statut S. Bonifacii cap. 21. Eckhart, Franc, er. I941I.] 2 »Nullus Christianus in puras (P pyras) credat, neque in cantu sedeat, quia opera diabolica sunt; nullus in festivitateS. Joannis vel quibuslibet sanctorum solenmi- tatibus solstitia aut baUationes, vel saltationes aut coraulas aut cantica diabo- lica exerceat.« [Aus einer I^edigt des heil Eligius. Abdruck bei Grimm, MythoL Anh. n. 30.] ^ Concilium [Moguntinum Caroli M. anno 813 : »Canticum turpe atque luxuriosum circa ecdesias asere omnino contradicimus, quod et ubique vitandum est.« ^ Lex Caroli et Ludovici: »Blas vero balatationes et saltationes, cantica turpia et luxuriosa et iUa lusa diabolica non faciat nee in plateis nee in domibus neque in uUo loco, quia haec depaganorum consuetudine (ritu) remanserunt. (Abdruck in Wacker- nagel, Wessobrunner Gebet 28.) Böhme, Oetch. d. Tanzes. 2 Digitized by Google 18 Wohin die Kirche reichen konnte , setzte sie ihre kirchlichen Handlungen und ihren Gesang an die Stelle der heidnischen. Aus den alten Kultusstätten ent- standen christliche Kapellen. Bei Processionen , Feldumzügen und Todtenbestat- tungen, ja selbst wenn es in die Schlacht ging, musste jetzt das »Kjrrie eleison« (Herr, erbarm dich unser I) angestimmt werden. Aber bei Kirchmessen, die statt der Opfer eingerichtet wurden, und bei Erntefeiern , bei Hochzeiten, überhaupt bei vielen Öffentlichen und häuslichen Festen musste wohl oder übel die Geistlichkeit dem Volke seine weltliche Tanzfreude und gewohnte Heiterkeit in ungestörter Weise lassen. Denn das Volk hielt, wie das in der Natur der Sache liegt, fest an seinen alten Festen und den damit verbundenen Gebräuchen. Als im 13. Jahrh. die geistlichen Schauspiele oder Mysterien ent- standen und mit Vorliebe von Klerikern und vom Volk gepflegt wurden, fand der Tanz von Neuem Anlass, sich in die Kirchen zu drängen und mit Reigen und Pantomimen diese geistlichen Spiele zu unterstützen. Bekanntlich waren die My- sterien dramatische Darstellungen biblischer Begebenheiten , zunächst von Geist- lichen und Chorknaben aufgeführt, später wurden auch weltliche Figuren darin zugelassen. So setzte man nicht allein die Hauptbegebenheiten aus des Heilands Leben (Geburt, Leidensgeschichte, Auferstehung) , sondern auch andere biblbche Erzählungen in Scene, z. B. die Geschichte der Herodias mit Johannes dem Täufer, die Leiden des armen Lazarus, die Geschichte der klugen und thOrichten Jung- frauen u. 8. w. Um es sich gemüthlicher zu machen , schlug man später um die Kirche oder auf dem angrenzenden Kirchhofe Zelte von Leinwand auf, um gegen Sonnenhitze geschützt zu sein. Diese Zelte hießen Ballatoria, auch Choraria, d. h. Tanzboden. Gegen diese Tanzspiele eifert noch das Koncilium von Würzburg 1298 und wurden die Übertreter mit dreijähriger Kirchenbuße belegt. Ja, nach einem Kon- cil zu Basel im 15. Jahrh. war es an einigen Gegenden noch Gebrauch, in der Kirche Schau- und Freudenspiele aufzuführen, zu tanzen und Gastmähler zu halten. Dergleichen Tanzspiele in Kirchen wurden endlich sogar noch 1617 im Erzbisthum Köln aufgeführt und auf das Strengste verboten.^ Bei dem Mangel an Schilderungen der ältesten deutschen Tanzart muss uns die Beschreibung eines süddeutschen Tanzes im lateinischen Gedichte Budlieb um das Jahr 1000 recht willkommen sein. Dort wird u. A. die Einkehr unseres Helden bei einem Neffen, der wieder bei einer Wittwe zum Besuche war, in lieblicher Weise geschildert. Die Wittwe hatte ein holdseliges TOchterlein, ein Pathenkind von Rudliebs Mutter. Das Mägdlein hatte große Freude an zahmen Vögeln, darunter redselige Staare sich besonders hervorthun ; gar klug plapperten diese und konnten auch das Vaterunser bis zu »der du bist im Himmele, le, lea recitiren, was ihnen die Schwester Statze (Anastasia) beigebracht hatte. Unterdessen fanden sich auch zwei Harfner (harpatores) ein, die so schauer- lich spielten, dass Rudlieb sich zur Hausfrau mit der Frage wandte , ob sie denn sonst keine Harfe im Hause habe, und sie brachte bald eine überaus treffliche herbei, auf welcher ihr seliger Herr früher spielte und deren Klänge ihre alte Liebe wieder beleben ; keiner hatte sie seit seinem Tode berührt : »Sie brachten ihm die Harfe. Er griff hinein gewandt Bald mit zwei Fingern nur, bald mit der ganzen Hand 1 A. S. Binterim, Denkwürdigkeiten der kathol. Kirche. H. Bd. 2. TheiL 6, 77. Digitized by Google 19 Und spielte G&ng* und Läufe so deutlich und so klar Und sang ein Lied ron Minne, dass Allen wohl su Muthe war : Wer Hand und Fuß im Reigen sein Leben nicht bewegt, Dem ward doch bei der Weise die Lust zum Tans erregt, c Lauschend horchen selbst die Harfner ; so spielte er drei kunstreiche Weisen. Da bat die Wirthin noch um eine vierte , aber fröhliche: um einen Reigen, den das Töchterlein mit dem Junker tanze : «RudUeb hub an zu spielen und sang ein Lied dazu, Es hätte hüpfen mögen das Kalb in der Kuh. Vom Tische frohlockend sprang die schöne Maid Und schwang sich gefällig und hob mit Anstand das Kleid. Da kam ihr entgegen der schnelle Jüngling froh. Die Meidende zu suchen, die ihn doch ungern floh. Er kreiste wie der Falke, da sie der Taube glich. Meint' er sie zu haschen, entschlüpfend wandt* sie sich. Sein Tanzen war ein Fliegen, zu schweben schien die Magd, Nun hatt* er sie gefunden, das holde Wild erjagt. Sie reicht die Hand ihm willig und beut ihm den Kranz, Doch schnell dem Geneckten entflieht sie wieder im Tanz. Nie sah man bess're Tänzer und nie ein schön'res Paar, Alle Gäste klagten, als er zu Ende war.« So lautet diese schöne Stelle aus Rudlieb YHI, 43 — 55 in Simrocks Über- tragung in seinem Amelungenliede HI, wo das zerfetzte Epos meisterhaft zu einer kleinen Novelle gestaltet ist. Dr. H. Holland, der in seiner Geschichte der altdeutschen Dichtkunst in Bayern vom ganzen Rudlieb einen deutschen Auszug liefert, bemerkt S. 69 dazu: J»Man glaubt, der Tegemseer Dichter des Rudlieb habe bei dieser Schilderung unmittel- bar den Bauemtanz vor Augen gehabt, wie er noch heute am St. Bartholomä-Tage auf den abgelegenen Höhen der benachbarten Vallep (Jägerhaus unfern Tegernsee) in urweltlicher Bravour, oder mit größerer Glätte als gewöhnliches Schuhplat- teln^ an den Ufern des Sees aufgeführt wird.« Yerwfinschiiiig heidnischer Tknzer (11. und 12. Jahrh.)« An gewissen Tagen veranstalteten die Germanen Tänze , welche gemeinsam vom Volke unter Gesang und Händeklatschen ausgeführt wurden und jedenfalls beim heidnischen Kultus in Anwendung kamen. Diese alte Übung aus der Heiden- zeit erhielt an manchen Orten sich lange, bis ins 12. Jahrhundert hinein. Aus Chroniken dieser Zeit erfahren wir Näheres über die Ausführung der von der Kirche verbotenen Tänze, die man auf Friedhöfen zur Zeit der Christnacht und der Kirch- weihe zu veranstalten pflegte. Nach einer ungedruckten Chronik des 13. Jahrhunderts zu Einsiedeln geschah es im 11. Jahrhundert in einem zum Bisthum Halberstadt gehörenden Dorfe Cor- belle , dass in heiliger Nacht ein Bauer , Namens Otbert , mit 1 5 Männern und 1 Ober den »Schuhplattl-Tans« mehr weiter unten. 2* Digitized by Google 20 3 Weibern, von denen eine Mereswind hieß , in der Nähe der Kirche , in welcher die Weihnachtsfeier schon begonnen hatte, ihre T&nze unter zügellosem Gesänge ausführten. Nachdem der Presbyter Bubertus sie mehrmals ermahnte aufzuhören, sie trotzdem aber nicht aufhörten durch ihren zügellosen Gesang den Gottesdienst zu stören, hat sie der Priester verwünscht und den Fluch auf sie geladen. In Folge dessen mussten jene 1 8 Personen auf einem und demselben Platze immerfort tanzen und unaufhörlich singen, bis Herbert, der Erzbischof von Köln, aus Mitleid dahin kam und sie im Namen Gottes von ihrem unfreiwilligen Tanze befreite.^ Dieselbe Tanzwundergeschichte erzahlt der um 1 140 lebende englische Schrift- steller Malmesbury in seinem Werke De gestis Anglorum (lib. II, p. 67) : Am Abend vor Weihnachten 1021 sollen 16 betrunkene Bauern und 3 Weiber ganz sonderbarer Weise von einer Tanzlust ergri£fen worden sein. Sie seien auf dem Kirchhofe des Klosters Kolbich, an der Wipper (unweit Bemburg) gelegen, tobend umhergesprungen und hätten mit Lärmen und Schreien den Priester Rupert im Messelesen gestört, sich das auch nicht wollen nehmen lassen, daher dieser im heiligen Eifer ausgerufen habe : »Ei, so tanzt ein ganzes Jahr U Das s^i auch geschehen, bis der Erzbischof von Köln ihnen diesen Fluch wieder abgenommen habe. Die Weiber wären gleich gestorben, die andern hätten lebenslang Zittern behalten und wären niemals wieder fröhlich geworden.^ Ahnliches von einem Volkstanze ums Jahr 1150 erzählt der Mönch Iring von St. Blasien, der vor seinem Eintritte ins Kloster die halbe Welt durchwandert hatte und einst zu einer im Norden gelegenen Insel (welcher?) gelangt war, wo er mit eigenen Augen bei Anlass einer Kirchweihe solchen Unfug zu beobachten Gelegenheit hatte. Die tanzende Menge wurde von einem Chorfülurer geleitet, der in ihrer Mitte ging und die Bewegungen theils mit Fußstampfen, theils durch Ge- sang, in welchen die Menge einstimmte, regelte. Hören wir den Bericht Über die Tanzproduktion wörtlich übersetzt : »72 Men- schen konnte man zählen, welche spielten, Speise und Trank zu sich nahmen, nicht schliefen und, was noch wunderbarer ist, so lustig und lebhaft waren, als kämen sie erst an diesem Orte zusammen. Untereinander redeten und scherzten sie, zu Fremden, die hinzukamen, sprachen sie aber kein Wort. Ihre Kleider und Schuhe blieben bei diesem Tanze unversehrt und unabgenutzt. Unter diesen Personen be- merkte Iring eine alte Frau, die mit ihren beiden Söhnen und zwei Töchtern, ohne Anstoß zu erregen, sich dem Reigen angeschlossen hatte. Der Reigenführer (cho- raula) ging in der Mitte und machte ihnen die Bewegungen vor, trampelte mit den Füßen und jauchzte (johlte] mit dem Munde und warf dabei einen Stab, an welchem er seine Handschuhe aufgehängt hatte , in die Höhe und fing ihn mit den Händen wieder auf.ft^ Der Tanz-Unfug geschah nach Irings Erzählung ebenfalls während des Gottes- dienstes, bei welchem sich viel Volks versammelt hatte. »Der fungirende Geistliche 1 Chronica inedita cujusdam Fratris praedicatorum. Cod. Einsidl. saec. XIII, cit. apud Schubiger, Specilegia p. 152: »Ut suis dlBSolutis cantibus divinum officium non impedirent, nee vellent acquiescere, ipse presbyter nomine Bubertus imprecatus est eis, et maledicam congressit . . Uli XYlUcoream duxerunt saltantes in eodem ipso loco et cantantes incesaanter quo usque archiepiscopus Coloniensis nomine Herbertus mi- sericordia motus venit illuc et ipsos in nomine domini a tcJi vinculo coreae liberavit« 2 Diese Sage ist auch in Beckmanns Anhalt Historie (DI, 465) aufbewahrt Zeihst 1710. 3 Das Original aus Mone, Zeitschr. für die Gesch. des Oberrheins, sagt hier : »Cho- raula in medio praeambulus ibat, pedibus plaudebat, ore jubilabat, virgam, quam in manu gestabat, ad quam etiam chirothecas suas supenderat, in altum jaciebat, et ma- nibus recipiebat.« Digitized by Google 21 ermahnte die A^uBgelassenen^ von ihrem ftigerlichen Betzagen abzustehen, doch um- sonst. VielmehT geschah es , dass nach dem Lesen des Evangeliums , als er das Volk mit einer frommen Vermahnung zu erbauen beabsichtigt, das Geschrei der Jauchzenden und ihr Gelächter im Yorhause der Kirche in der Nähe des Hochaltars seine Rede unterbrach und sein Vorhaben verhinderte.« Hexentanz. Nachdem die heidnischen Götter und Göttinnen entthront und ihre Anbetung durch Gesang und Tanz von der christlichen Kirche streng verboten worden, lebten jene dennoch fort in der Sage und in dem Aberglauben des Volkes. Sie, die einst heilbringend galten, wurden zu schadenbringenden Unholden, Gespenstern und Hexen, die sogar ihre eigenen Tänze, Hexentänze, haben sollten. Was die mittelalterliche Sage darüber sich eingebildet hat, ist im Wesentlichen Folgendes : »In der Walpurgisnacht, bisweilen auch in der Johannisnacht, versammeln sich alle Hexen auf dem Blocksberge (Brocken} oder auf anderen Beiden (Hörsei- und Inselsberg in Thüringen, Tanzbuche daselbst, Staffelstein bei Bamberg, Kröten- berg in Baiem , auch in Ostpreußen auf einigen Blocksbergen, in den Alpen auf höchsten Bergspitzen oder in tiefen Schluchten, besonders auf dem Pilatusberg bei Luzem} oder an sonstigen Hexentanzplätzen , besonders unter Eichen und Linden [fast durchweg alte Opferplätze und Gerichtsstätten 1] und auf Wiesen. Dorthin fahren oder reiten sie, nachdem sie mit Besen und Ofengabel sich bewaffnet, mit Hexensalbe sich bestrichen und mit den Worten »Schmier ich gut^ so fahr ich gut^ fahr nirgends nieder« besprochen haben, zum Schornsteine mit dem Rauch hinaus durch die Luft, auf Besen, Ofen- oder Heugabeln, Wagendeichseln , Butterfässern, dreibeinigen Schemeln, Kochlöffeln, Strohhalmen, Elsterschwänzen, auf schwarzen Katzen oder Ziegenböcken reitend, mit fliegenden Haaren, meist nackt, manchmal auch auf Wagen mit Böcken, Gänsen, Flöhen bespannt, oder in einem Siebe. Unterwegs ruhen sie gern aus, besonders auf Dornenhecken, brechen die Spitzen vom Weißdorn ab und essen sie, in der Johannisnacht essen sie die Spitzen der Eberesche. — Auf dem Platze führen sie Tänze und wilde Lustbarkeiten aufj tanzen mit dem Teufel und vermischen sich fleischlich mit ihm, huldigen ihm in sehr unzarter Art und empfangen von ihm verschiedene Hexengaben. Sie schlachten ihm einen schwarzen Bock und halten ein üppiges Gelag, von dem aber Salz und Brot ausgeschlossen sind. Sie schwärmen dann in derselben Nacht umher, überall Schaden stiftend. Daher werden alle Thüren und Fenster sorgfältig ver- schlossen gehalten und werden in derselben Nacht die Hexen ausgepeitscht, ausgeblasen und verbrannt , indem man in manchen Gegenden mit Peitsch«! auf Kreuzwege geht, mit Peitschen knallt oder mit brennenden Reisigbündeln lär- mend um Haus und Dorf sich treibt, oder mit Schalmeien bläst, Alles, um sich vor Schaden der Hexen zu bewahren. — Mit dem ersten Hahnenschrei endet die wüste Fahrt der Hexen ; sie müssen wieder durch den Schornstein zurück. Wenn sie zu der Versammlung zu spät kommen, empfangen sie Schläge vom Teufel, der als ein Bock , schwarzer Kater, schwarzer Hahn oder Drache erscheint. Vorüber- ziehende Musikanten nöthigen sie manchmal, zu ihren Tänzen aufzuspielen, und geben dazu Pfeifen, die sich aber als Ziegenröhrknochen herausstellen, Geld und Kuchen , was sich alsbald als Scherben und Schmutz erweiset Bei ihren Festen woUen sie nicht belauscht sein und üben Rache gegen Lauscher, werfen sie allen- falls ins Feuer, und manche Neugierige, die diese Fahrt beobachten oder mitmachen Digitized by Google 22 wollten, sind dabei übel gefabren.c 80 weit über Hexentanz naeh A. Wuttke, Volksaberglanbe 147 ff. Die Tänze der Hexen, Truden und Unholdinnen waren wohl die geffthrlichsten Feuertftnze, die nach altem Aberglauben ins höllische Feuer führen, weil sie in des leibhaftigen Teufels Gegenwart und in seinem Namen geschehen, der ihnen der- maleinst einen solchen Feuer-Reigen anrichten wird, wie dort in des Froschmäus- lers alten Fabelreimen (gedichtet von G. Rollenhagen 1595): »Damach hielten sie Tänze und Reigen Bei Pauken, Trompeten und Geigen, Das Feuer auf einem jeden Tritt Schoss da auch aus dem Pflaster mit.« Dass es Hexentänze in der oben beschriebenen Axt wirklich gegeben habe, hat man das ganze Mittelalter hindurch geglaubt. Uns gelten die Hexentänze am Blocksberge als religiöse Tänze der altheidnischen Sachsen und Thüringer, die ihren GOttem zu Ehren bei Nacht aufgeführt wxirden. Den Tänzern dabei hat aber die christliche Zeit abenteuerliche, widerliche Gestalten angedichtet, um die Neubekehrten zu schrecken und von der ferneren Theilnahme abzuhalten. Das ist der Kern der Sage und der Grund ihrer Entstehung. Weil Hexentänze in vielen Dichtungen und Schauspielen seit Shakespeares Hexen im Macbeth bis heute vorkommen, auch in vielen Bildwerken dargestellt sind und in Opern aU Effektmittel glücklich herangezogen werden, so glaubte ich sie in einer Geschichte des Tanzes erwähnen zu müssen. Unter neueren Komponisten hat schon der Walzerkomponist Lanner einen harmlosen Hexentanzwalzer in Fis-moll geschrieben, H. Berlioz einen ton* malerischen Hexentanz komponirt. In vielen Opern , von Webers Wolfschlucht- Teufelsspuk und wilder Jagd bis zu R. Wagners Walkyren-Ritt, hat die Musik sich dieses romantischen Feldes bemächtigt. Geistertanz. Etwas weniger schauerlich als die Sage vom Hexentanze ist die vom Geister- tanz. Von ihm weiB der menschliche Verstand ebenfalls nichts, desto mehr spukt er als Aberglaube in den Köpfen der Thoren. Ich folge hier dem Berichte eines wunderlichen Gelehrten und gekrönten Poeten Mag. J. Prätorius, der in seinen »Blocksberg-Verrichtungen« 1668 S. 311 also schreibt: »Die Wandersieute und so des Nachts auf dem Felde sind, das Vieh zu hüten, sehen und erfahren viel wunder- liche Gespenster, denn an vielen Orten in mittemächtigen Ländern halten solche Geister oder Teufelsgespenster ihre Tanzkreise (Kreistänze) mit allerhand Ge- sang und Saitenspiel, deren Fußstapfen und Wahrzeichen bisweilen nach Sonnen- aufgang in dem Thau gespürt werden. Sie tanzen auch den Boden und das Erd- reich oftmals so tief hinein , dass derselbige Ort ringsumher scheint , als sei er verbrannt, dass daselbst weder Laub noch Gras mehr wächst. So wtmderliche Nachtspiele heißen die Einwohner den Geist er tanz oder Seelen tanz, und deuten es also, dass sie sagen, alle diejenigen, welche in Freuden und Wollust des Fleisches leben und allen sündlichen Begierden den Zaum lassen , und denselben als leibeigene Knechte dienen, derselben Seelen, wenn sie nun gestorben sind, müssen sich auf Erden lassen umjagen und mit ewiger Unruhe gepeinigt werden.« — Hier ist ein Stück vom Geistersehen und Gespensterspuk zu erkennen, erfunien in guter Absicht. Digitized by Google 23 Nach diesen von menschlicher Phantasie geschaffenen Hexen- und Geister- tänzen wollen wir zur Wirklichkeit znrückflüchten tind am Schlass uns die Frage zu beantworten suchen : Was tanzte man in Deutschland Yom 8.— 12. Jahrhundert an Stelle der verbotenen heidnischen Geaangt&nze? Das zum Christenthum bekehrte deutsche Volk tanzte trotz aller kirchlichen Verbote seine alten Tänze sogar oft mit ihren alten Texten noch lange fort, theils öffentlich an Eirchweihen und am Johannisfest, theils heimlich auf entlegenen Wiesen und in Wäldern, wohin das Auge der Geistlichen sie nicht verfolgen konnte. Die heidnische GOtteranrufung wurde aus Klugheit weggelassen oder der Text ver- stümmelt, indem man dafür andere Namen setzte, ja vielleicht christliche Heilige (wie z. B. St. Johannes, St. Veit) statt der alten Gütter anrief. Sogar unverblümt ^vird zu Neidharts Zeit (13. Jahrhundert) noch der »Herr Maie angerufen und hatte damals noch das Volk seine »Wineliedert . Als Beweis für die Thatsache, dass durch das ganze Mittelalter noch die heidnische Tanzweise fortdauerte, dienen uns : obige Verbote und die gehörten Er- zählungen von Aufführung vor den Kirchen, sowie endlich die erhaltenen, wenn auch verstümmelten Überreste altheidnischer Reigen in unseren Kinderreigen. Wie wären sonst die Reigenlieder mit heidnischen Anklängen in Kindermund bis zur Gegenwart gelangt, wenn nicht das Volk seine alte Tanzgewohnheit noch lange fortgesetzt hätte. Wie hätten sich sonst die alten Heldensagen im Volksmund bis zum 13. Jahrhundert erhalten können, wenn sie nicht durch Singen und Sagen fortgepflanzt und vor allen von deutschen Bauern beim Tanze gesungen worden wären, der Art, dass die zuhörende Menge in den Chor-Refrain einstimmte? Epische Texte mit pantomimischer Ausführung und Reigen erotischen Inhalts waren es wohl zumeist, was man beim Tanz gebrauchte. Neues kam wohl nur wenig in diesem Zeitraum hinzu. Kapitel m. Tanz zur Minnesingerzeit (12.— 14. Jahrh.) Wer wüsste es nicht, mit welcher Freude die höfischen Dichter, Minnesinger genannt, in ihren lieblichen Gedichten den Frühling mit seiner Lust immer und wiederholt besingen I Sie fordern auf, hinaus zu gehen in die junge Natur, wenn der Mai mit all seiner Wonne gekommen war. Damals genoss man auch noch mehr, als wir Stubenmenschen, das Leben im Freien. Man eilte hinaus, den Sommer zu grüßen, den Mai zu empfangen. Da war Niemand alt, man gab sich der Fröhlichkeit hin, Wonne schauend mannigfalt. Unter den Frühlingslustbarkeiten nahm der Tanz die erste Stelle ein. Zu tausend Malen singen daher die höfischen Dichter von den Frühlingsreigen fröh- licher Mädchen im Mai. Sie eilten hinaus auf den Anger, in den Schatten jungbe- laubter Linden, und bald in lustigen Reihen mit Gesang schwebten sie lieblich dahin : Digitized by Google 24 Wol dem meien, wol der wunne, wol der somerlichen zit I tanzen, reien wer da; kunne, der k6r M den anger wtt, dk suln wir den meien grüe^en. [Altstett, bei Bodmer MS. II, 47.] Wir 8on tanzen, wir son springen, wir Bon froelich reigen, wir son singen. [Landegge, bei Bodmer MS. I, 200.] Kein Wunder, dass die Mädchen auf den Frühlingstanz sich freuten und schmückten und manche es bedauerten, dass der Anstand es ihnen nicht erlaube, Freiheit und Freude so mitzugenießen. Ein Strohhut (schapel) , aber dabei Frei* heit, wäre ihnen lieber als ein Rosenkranz unter strenger Bewachung : ,Ich will reigen, * sprach ein wünnedichiu magt. ,disen meigen wart mir fröide gar versagt. nu h&t min jAx ein ende, des bin ich vrö : nieman mich frOiden wende, min muot st^t h6.^ Refr. : »Mir ist von str6we ein schapel und min vrier muot lieber danne ein r6senkranz, s6 ich bin behuot.c [Burkart v. Hohenvels (um 1226). MSH. I, 204.] Denn beim Reigen konnten sie sich ihrem Anbeter Yortheühaft zeigen und ihre Reize offenbaren, überhaupt manche Lieblichkeit entfalten : Heimlich blicken, sendes k6sen ward dk von den meiden kl^en : züchteklich sie künden 16sen, minneklich was ir geb&ren, wunderschöne w&rens alle. [Hohenvels. Bodmer I, 87.] Die sach ich an eim reigen springen, der st^t wol ir rlse und ir sn^wl^iu kel, sie want sich alsam ein weidegerte. [Sachsendorf. Bodmer I, 159.] Selbst nur die lustigen Reigen anzuschauen war allzeit für Männer und Jünglinge ein fröhlicher Anblick, und doppelt groß die Freude , wenn die Geliebte im Reigen war : Froeit iuch gegen dem süe^en meien, Nu wol üf zuo der linden breit . gegen der froßideberenden zit, sunder leit, swer gemeit hiute siht man megde reien. schoenheit welle schouwen. dar sult ir iuch froelich zweien. wip diu sint darunder besunder (Kanzler. Bodmer II, 242.] ganzer froeide ein anevanc und aller wunne ein wunder. [Kanzler. Bodmer II, 243.] * Digitized by Google 25 Zur Minnesingeneit gab es in Deutschland zwei Hauptgattungen des Tanzes, genannt : Beihen und Tanz.^ Der Tanz wurde getreten, war umgehender Tanz, der Reihen wurde ge- sprungen, war Springtanz. Das bezeugen folgende Stellen : Springen wir den reigen nu yrouwe min, vrOun uns gegen den meigen, uns kumet sin sehin. [Carmina Burana 178.] Randolt, Gunthart, Sibant, Walfrit, Vrene die springen dk den reien vor. [Neidhart, Haupt 31, 35.] Da; wir treten aber ein hovetftnzel n&ch der gigen. [Neidbart 40, 24.] Der Reigen [mhd. reie, reige] wurde im Freien, auf dem Anger und auf den Straßen unter Gesang aufgeführt, die Tänze im geschlossenen Räume, beson- ders zur Winterszeit. Obgleich der Reigen eine sehr alte, bei allen VOlkem gekannte und jeden- falls auch zu den Opfertänzen der Germanen gehörige, überhaupt eine volks«- thümliche Tanzart bezeichnet, scheint der Ausdruck reie erst im 12. Jahxb. gebraucht worden zu sein. Im Althochdeutschen kommt er nicht vor. Zum Tanze, wie zum Reigen wurde nach alter Sitte gesungen. Darüber geben die Minnesinger uns manche Andeutung. Der Ausdruck j»tanzli,'eta, den Reimar der Fiedler unter damaligen Lieder- arten mit aufzählt, sowie die Überschrift tanzwise über einem Gedichte des Ul- rich von Lichtenstein bezeichnen deutlich, dass man zum Tanze gesungen hat. Im Tandarios und Floridibel [Münchner Cod. germ. 577, fol. 145] heißt es: Die ritter danzten und Sprüngen mit den frauwen und sungen zu danz manicb hübsche liet. Im Neidhart [Ausgabe von Benecke 429, 3] lautet eine Stelle : W^I wer singet nü ze tanze jungen wlben unt ze bluomenkranze? Ein Minnesinger [Bodmer Ms. 11, 48] erzählt : Ein umbevanc mit armen blanc da; wünschet der den reien sanc. Schon auf dem Wege nach dem Tanzplatze ward gesungen. Neidhart beklagt sich wiederholt über die Getelinge (Bauembursche) , die ihm Feiertags, von der Straße ab , durch den Anger liefen und die Wiesenmaht (Gras] zertraten, > Gans dieselben Tanzarten melden die Trouväres aus Frankreich und bezeichnen sie als Garole und Espring ale. Carole (nicht von chorus, chorea, sondern ear- reau, Weg, Umgang abzuleitenj hieß der Rundtanz, den man heutzutage in Frankreich Branle, in Belgien Kondeau nennt, bei dem die Tanzenden, sich bei den Händen hal- tend, eine Kreislinie bildeten und mehr herumgingen, als eigentlich tanzten und snrangen. Zu diesem umgehenden Tanze (Carole) sang man Liedchen, ebenfalls Caroles, Cnan^ons de Carole genannt, die von einer Person vorgesungen und deren Refrain vom Chore wiederholt wird. Digitized by Google 26 besonders über einen, der nach Blumen zum Kranse sprang und dasu in hoher Weise seine Winelieder sangJ Auch die Mädchen singen schon beim Auszuge zum Maientanze. Einen solchen schildert der von Stanheim [MSH. ü, 78]: »Die Mutter selbst ist, nach vergeblicher Einsprache, dem Töchterlein zum Putz behilflich, die Gespielen scha- ren sich, als Maien führen sie einen Schleier mit angebundenen Spiegeln, darunter •singt aus blüthenrothem Munde ein wohlgeschmücktes Mägdlein in süßer Weise vor , die andern alle singen nach. So eilen sie in das Thal vor dem Walde, wo Ball geworfen wird und der Maitanz anhebt, den wieder eines der Mädchen den Gespielen vorsingt. «^ Der Gesang beim Tanz wurde vom Vorsänger angestimmt : der des Vorsingens pflag da; was Fridertch. [Neidh., Bartsch 25, 405.] Selbst Fürst Friedrich sang den Frauen den Reigen vor , wie der Tanhuser [Bodmer I, 59] erzählt: trüric herze frö wirt von im (Friedrich) swanne er singet dien frowen den reigen vor. Auch der nicht nur von seinen Sängern, sondern auch von seinem Volke ge- priesene Herzog Leopold VU von Osterreich galt als tüchtiger Vorsänger, denn als er 1230 starb, klagten die Wiener, dass sie den besten Vorsänger im Chor, zugleich auch den besten Stifter des Frühlings- und Herbstreigens an ihm verloren : Wer singet uns n^ vor zu Wiene M dem kor, als er vil dicke hat getan? wer Stift uns nü den reien in dem herbst und in dem maien ? [Jansen Enenkel im Fürstenbuch von Osterreich.] ^ Neidh., Ben. 391, 10: Oberhalb des dorfes strft^e steig er über den anger mir zu leide, von dem sttge n&eh den bluomen spranger, in einer höhen wise stniu winelieder sanger. 415, 6: Der mir hie bevor in minem anger wuot unt dar inne rdsen z'einem kranse brach und in höher wise smiu wineliedel sanc. ^ MSH. n, 78«: Sie h&ten mengen Spiegel guot ffestrioket^ z'emer nse«, oa; solde dd ir meie^ sin; da under sanc ü; rotem munde, alsam ein bluot^ ein maget in süe^er wise. diu sanc vor, die andern sungen alle nach, in was gäch für den walt, da huop sich reien manicvalt. — Vor dorn walde in einem tal d& saoh man swenze blicken, dÄ si zesamen k&men, unde mangen kränz; die megde würfen ouch den bal, si begpinden stricken (^, dar n&ch huop sich des meien ein vil miehd tanz, den sang in Bele vor unt manig ir gespiL 1 gebunden. > Schleier. * Maibanm. * BlAihe. * ilecbten. Kränze winden. Digitized by Google 57 Der eine, welcher vortanzte, hieß Vortänzer: Södievortenzer denne swigen, 86 Blut ir alle sin gebeten da; wir treten aber ein ho ve tanze 1 n&ch der gigen. [Neidh., Bartsch 25, 439.] Der Vortftnzer war zugleich Vorsänger, wie wir aus dieser Stelle und anderen Belegen folgern. Bei einigen höfischen Dichtem, die zum Reigen vor- sangen und vortanzten, wie z. B. Neidhart und Tanhuser, kann man sogar ein vierfaches Amt in den Dichter^Komponi^ten der Beigen vereinigt antreffen. Vorsingen und Vortanzen waren zwei hohe Ämter. Die Vorsänger ge- hörten zu den Rüstigsten im Gäu und hatten beim Reigen manche Oewsdt ; die jungen Dörper führen blutigen Kampf darum, wer den Leitstab vortragen und damit den Tanz führen sollte : Die geilen dorfsprenzel die da wären in dem geu alle voretenzel der füeret ieslicher ein isenin gewant in die herevart. [M8H. U, 101^.] Sit (da; nu) die törper under einander sint, 86 vrägents : »wer sol leiten für den danz diu kint?« P^ier wolte Uetelg6;en h&n erslagen do er in den leite stap vor in sach tragen. [MSH. m, 200^] Zum Tanzapparat eines echten Vortänzers gehörte auch ein Trinkgeschirr (Trinkglas) inderHand, das er emporhebt und vor und nach seinen vorgebrachten Versen mit seiner Tänzerin und seinen Kumpanen leert, wie solches beim Ditmarsen- Tanz (s. unten) geschildert wird und heute noch da zu finden ist, wo Schnadahüpfl gesungen werden. Des Bechers auf dem Haupte gedenkt schon Neidhart (MSH. Ul, 205^) als einer von den Bauern nachgeahmten Hofsitte, und Signot beut dem Dichter neckend seinen Becher, zieht ihn aber zurück, setzt ihn auf sein Haupt und schleift auf den Zehen hin. Doch hat Neidhart das Ergetzen, dass der Becher dem Tanzenden über Augen und Miind in den Busen stürzt. — Etwa siebzig Jahre später erwähnt der Teich ner das Weinglas auf dem Kopf des tanzenden Vorsängers, als er das wilde Tanzen rügt. Das Trinkgefäß auf des Vortänzers Haupt erwähnt folgender Reim des 14. Jahr- hunderts : Ich wil ein kutwolf mit wein oben auf meim haubte füm und sol dennoch die erden nit perürn. Was hatten die Andern beim Tanz zu thun? Sie hatten im Chore zu antworten; »sie sangen alle nach«, sagt der Dichter Stamheim [MSH. U, 78^], ein maget in süe;er wise diu sanc vor, die andern sungen alle nach. Wenn uns hier und auch anderswo der Anthei) des Chores nicht angegeben ist, so dürfen wir unbezweifelt annehmen, dass ihm der Kehrreim (Omquäd in schwedischen Balladen, der Refrain in französischen Tanzliedern genannt) zufiel. der bei volksthümlichen Tanzliedern nie gefehlt hat , aber beim Abschreiben weg- Digitized by Google 28 fiel und wegfallen konnte , da er nicht eben an das einzelne Lied gebunden war, Tielmehr mit diesem oft in sehr loser Beziehung stand. Aber in all e n Tanzliedern gab es einen Kehrreim. Die Fortdauer des Tanzsingens auch in den folgenden Jahrhunderten ergiebt sich aus gleichzeitigen Sittenschilderungen. Im Renner (v. 1614), der um 13 00 abgefasst ist, rühmt eine Bäuerin yon ihrem Sohne Ruprecht : Er sei ein frommer Knecht, trage sein erstes Schwert, einen hohen Hut und zween Handschuhe, auch singe er den Maiden allen zum Tanze vor. Beim Tanz der Dit mar sen er- fahren wir yom Tanzsingen. Noch zu Luthers Zeit wurden viel Tanzlieder ge- sungen, wie ein guter Theil unserer Musikbeilagen beweisen kann : die TSnze waren noch Singetänze und es gab noch Tanzgesänge. Zu den beim Tanz gesungenen Liedchen gehörten die Stampenien. Sie sind erwähnt bei dem Minnesinger Boppe (Bartsch, Liederd. 70, 25) als zu Tönen gesungene Liedchen : künde er mit behendecheit diu swarzen buoch, ouch kunst der gramacien, und w8Bre in sinnen wol bereit ze doenen singen alle stampenien. Das mittelhochdeutsche Wort stampenie, altfranzösisch estampie , italienisch stampida, provenzalisch estampida, soll ein beim Tanz zur Fiedel gesungenes Lied- chen bezeichnen. In Bayern (Schmeller DI, 638) sind Stampelliedel Singstückchen zur Tanzmusik. Man darf bei dem Ausdrucke stampenie an die improyisirten Schnadahüpfeln denken, die der in Straßburg und Basel lebende Boppe wohl kennen musste. Zur Begleitung des Tanzes wurde jederzeit, so auch im Mittelalter, Musik oder Gesang gefordert. Wo die Tänzer nicht selbst ihre Tänze mit Gesang be- gleiteten, da spielten Spielleute auf Geigen und Pfeifen und Trommel. Und das galt als etwas Stattliches. Instrumentalspiel wurde abwechselnd mit Gesang gebraucht. Wenn die Vorsänger schwiegen, spielten die Geigen; und schwieg das Geigenspiel, so wurde wieder der Reihe nach (ze zeche) vor- und nachgesungen.^ Scheinbar gab es größere Freude und Wonne beim Gesang als beim Instrumentenspiel. Die Musikinstrumente 2, die man in höfischer Zeit beim Tanz hatte, waren: Flöten (Pfeifen), Geigen (Fiedeln), Handtrommel (sumber). Ein größeres Orchester als Pfeifer, Geiger und Trommler haben die Bauern wohl selten gehabt. Oft wurde Pfeife und Trommel bloß von einer Person traktirt, indem der Kunstpfeifer mit der einen Hand die Pfeife hielt und darauf fingerte, 1 Neidh. Haupt 40, 20 : Sd die voretansen swigen, sd Bült ir aUe stn gebeten da; wir treten aber ein hoyetenzel nAch der g^gen. 40, 30 : Zwöne gigen. d6 si swigen da; was geiler getelinge wOnne: seht, d6 wart ze zeche yor gesungen, durch diu yenster gie der galm (Schall}. « Tanh. MSH. H, 85»: Dort hoer ich die flöiten wegen, hie hoer ich den sumber regen der uns helfe singen, disen reigen springen. Digitized by Google 29 mit der andern aber die mit Tragriemen vor den Leib gehangene Trommel (sumber) bearbeitete. Viele Abbildungen von Trachten des Mittelalters zeigen uns diesen Doppelmusikanten. Erwähnt wird noch der Dudelsack (Sackpfeife) . ^ Galt es einer großen Festlichkeit, so wurden auch Flöten, Harfen u^d Trompeten (Zinken) in Anwendung gebracht.^ Der Spielmann fiedelte und die lustige Schar sang das Tanzlied mit, bis endlich — zum Banemjubel — die Saiten der Fiedel zerrissen oder gar der Fiedelbogen zersprang.' Beim höfischen Tanz der Ritter wurde zwar auch gesungen ; selbst Damen dichteten Tanzlieder, wie das von der Königin Qinoyer gedichtete Tanzlied bezeugt. Alle sangen mit oder stimmten wenigstens in den Refrain ein.^ Aber auch nach Fiedlern wird geschickt, die zum Tanze auf- spielen mussten.^ Bisweilen begleitet auch ein ganzes Orchester, aus Trommeln, Posaunen^ Fiedeln, Harfen und Rotten bestehend, den höfischen Tanz.^ Welche Tänze tanzten die Ritter? Wie war die höfische Tanzmanier? Die Ritter und ritterlichen Bfinnesinger tanzten vorzugsweise Hoftänze (hove- tenze) und das waren augenscheinlich keine andern als dieumgehendenTänze, wie sie in Deutschland hießen, oder die Caroles, später Branles der Franzosen. Tanh. Bodm. U, 59: Mit mir sult ir komen üf den an^er d& man die jungen mit scharen siht zuosigen, d& sint diu lint^ vor dien man muo; beide floeten und gtgen. U, 81: Sich huob in der stuben schal, vor den getelingen der sumber Idte erdd; d& tanzten megde überal. Neidh. Ben. 412, 6: Dft muosen drte vor im gigen unt der vierde pfeif. 1 Renner 12417 : Renner 12040 : Der Dringt ein bl&sen und ein r^r. Ouoh ist der jungen meide traut die bUsen er drOekt ze mang stunde . der eines t6den hundes haut hin und her vor sinem munde, twinget, da; sie pellen mu;. da; im die packen ddnent dft bt. > Tanhuser [MSH. ü, 27] : Wft nu vloeter, herpfer, dar suo tamburere, wft sint nu trumbuncere. 3 Ulrich von Winterstetten [MSH. I, 147] : Schrient alle: heiahei!^ nu ist der seite enzwei. * Parziv. 512, 28: Di sah er manger frouwen sehtn und mangen Hter jungen, die tanzten unde sungen. Tanh. (MSH. II, 85] : Des videkeres seite der ist enzwei. Tanh. (MSH. H, 87) : Nu ist dem videlsr sin videlbogen enzwei. s Meleranz v. Frankr. (11282). Nach einem Morgenmahle im Freien heißt es in diesem Gedichte des 13. Jahrb.: »NAoh videlieren wart gesant, die machten tanz den frouwen. « * Titurel 1807 : DA huop sieh michel reie von maniger hande gaudine, vom tanze grd; eesohreie, weder mit tambdr noch busine woUen sich die nrouwen Un betören: videln, herpfen, rotten und andre su^e doenesie wolten h6ren. Digitized by Google ^ 30 Dieae Hof tanze sind oft erwäkat, s. B. : da; wir treten ein hovetänzel n&ch der gtgen. [Neidh. Haupt 40, 24.] nü strichet M bald einen rehten hoy etanz. [Daselbst 227, 26.] Mischten die Ritter zuweilen sich unter den lustigen Reigen der Dörfler auf dem Anger, so tanzten sie natürlich Volkstänze mit. Die ritterlichen T&nze (hovetenze), deren Namen bei den Minnesingern des 12. und 13. Jahrhunderts er- wähnt sind, gehören theils zu den deutschen, vorwiegend aber zu den ausländi- schen, d. h. französischen, provenzalischen und selbst böhmischen. Wir kommen auf die Namen unten zu sprechen. Die Art und Weise der Ausführung von Rittertänzen um das Jahr 1200 erfahren wir zunächst aus Wolframs Schilderungen imParzival (639, 3 ff.). Als man die Tische fortgetragen , fragt Gawan nach guten Fiedlern (Tideheren, . Nun waren yiele Knappen da, die sich auf Saitenspiel wohl yerstanden , doch stri- chen sie alle nur alte Tänze; yon den neuen , die aus Thüringen kamen, ward noch wenig vernommen. Bitter und Frauen waren »underparrieret« (untermischt) im Tanze. Man sah da zwischen je zwei Frauen einen stattlichen Ritter gehen.' An Freuden reich, an Sorgen arm vertrieben sie die Stunden mit Rede, bis der ungeduldige Gawan, Allen leider zu früh, den Nachttrunk (Schlaftrunk) aufzu- tragen befahl. Er und Orgeluse wurden in eine Kammer geführt, wo er der Minne pflag.c Die Thüringer Tanz weisen, welche um 1211 Wolfram imParzival (639, 1 ff.) als neue erwähnt : Sine müesten strichen alten tanz ; niwer tanze was d& w6nc vemomen der uns von Dürengen vil ist komen. waren jedenfalls bei den glänzenden Festen am Hofe des Landgraf en Hermann ent- standen, wo Sänger und Spielleute immer offne Thüren fanden, auch mancher un- nütze Geselle dessen Gastfreundschaft missbrauchte. Der Hof von Thüringen, damals Mittelpunkt des feinen höfischen Lebens, gab in geselligen und litterarischen Moden den Ton an. Genug, Thüringen galt Anfang des 13. Jahrhunderts als Vatbrland neuer Tänze. Aber auch das deutsche Lothringen lieferte Sang- weisen, die ein französischer Dichter jener Zeit rühmt. ^ Vom höfischen Tanze wissen wir, dass er nicht so wild gesprungen ward, wie der Hoppaldei der Bauern, sondern getreten und mit anmuthigem Ge- berdenspiel begleitet wurde. Dabei konnte man wohl auch dem Schatze die Hand drücken, aus Versehen den Frauen auf des Kleides Saum treten und manche Lustbarkeit genießen.' 1 Pars. 639, 21 : Och mohte man d6 schouwen ie zwischen zweien frouwen einen cUren ritter gin. * Rom. de la Rose 752 : »si ohant H uns rotruenges, li autres notes Loh er enges, porce qu'en set en Loheregne plus cointes notes qu'en nul regne.« » Titurel 1691 : Mit hdehgemutigem tanze wolten sie sich maneger freude nieten. die reich gemuten nam des wol goume hendel drucken meiden und frouwen kleider treten bt dem soume. Digitized by Google 31 Den umgehenden oder getretenen Tanz leitete gewöhnlich (wie den Reigen) ein Yorsftnger, der zugleich Yortänzer war, dem die Paare nachtanzten. In der Regel gingen die Frauen rechts (Neidh. 96, 2 1] und wurden entweder bei der Hand oder an dem Ärmel geführt (MSH. IE, 198^. 218^ H, 79^). Die höfische Tanzmanier wird näher beschrieben in folgendem Gedicht des Burkart von Hohenyels^. Wir ersehen daraus, dass es der getretene oder umgehende Tanz war. Er bestand aus einem Umherziehen mit schleifendem Fuß (umbeslifen) der Tanzpaare, die sich an der Hand gefasst haben. Die Frauen trugen eine Schleppe (swanz] , die sie zusammenfassen (respen) • Dabei gab es ein Lächeln (smieren), Zwinkern (zwinken) mit den Augen und verliebtes, verstohlenes Blicken (zwieren) ; auch wohl im QedrSnge ein Rücken , Zerren und Ziehen. Fehlte der Pfeifer, so wurde ein Gesang angefangen. Auch im Meier Helmbrecht (Dichtung des 13. Jahrhunderts, v. 97 — 103) finden wir die höfische Tanzmanier geschildert : »Je zwischen zwei Frauen ging ein Ritter, der sie an den Händen führte ; ebenso zwischen je zwei Mädchen ging ein Knappe an ihren Händen, daneben standen die Fiedler.«^ Ganz dieselbe Tanzsitte ist abgebildet auf den ältesten Fresken des Schlosses Runkelstein in Tyrol (gezeichnet von Ignaz Seelas, mit Erläuterung von Zingerle 1858). Es ist eine Tour de mains, die mit langschnäbeligen Schuhen feierlich begangen wird. Das Freskobild zeigt einen höfischen Tanz : «stets zwischen zwei Frauen sieht man einen Ritter gehen. Die Tanzenden bilden eine lange Kette, die paarweise verschränkt, mit schleifenden Tritten den Umgang hält ; zwei Spiel- leute rühren die Saiten dazu.« Die Namen der höfischen Tänze sind zum Theil erhalten in Gedichten des 12. und 13. Jahrhunderts. Sie wurden von den Bauern nachgeahmt. Es waren folgende neun : 1. Treialtrei war ein von Zwölfen getanzter französischer Tanz, vielleicht schon eine Art Quadrille. Erwähnt ist er beim Minnesinger Göli [MSH. ü, 78] : Wie getorste er überlüt werden, aide komen dar da uns Otte helfen wil refieren : da muo; er den treialtrei selbe zwölfte von der linden rümen, Uhte wird im ein; ald zwei. 2. Ein anderer, noch nicht erklärter Tanz war der bei Neidhart (65, 38j er- wähnte W an ald ei. 1 Burkart von Hohenvels [MSH. I, 201«] : »Wir 8un den winter in Stuben enphAhen, Sehdne umbeslifen und doch mit gedrange : wol üf, ir kinder, ze tanze sun wir gfthen ! breste uns der pftfen, sd v&hen ze sänge, Tolgent ir mir, respen den swanz : flö sun wir smieren 86 sun wir rücken und zwinken und zwieren und zocken und zücken, nach lieplicher gir. da; 6ret den tanz. 3 le zwischen zwein frouwen stuont, ie zwischen zwein meiden gie (ging) als sie noch bt t anz e tuont, ein knabe, der ir hende vie (umfing); ein ritter an ir hende : da stuonden videleere bt. dort an enem ende Digitized by Google 32 3. Der Virlei ist eine Verstümmelang des fransösisclien Virelai. Darunter verstand man eine sechszeilige Doppelstrophe, also kunstgereimte Zwölf seile der Tanzlieder. (Proben und Erklärung s. Wolf, Lais S. 146.) Virlei als getretenen Tanz erwähnt der Renner (18076) : als ob einer den virlei tr»te. Weinkold (d. d. Frauen 11, 165) halt den Firlei gleich mit Firlefanz, Firlefei. 4. Firgamdray (firgamtrei), ein nicht mehr bestimmbarer Tanzschritt. Ein Gedicht im 13. Jahrhundert (Lassbergs Liedersaal 11, 385) erwfthnt ihn: Ein rap (Rabe) vil h6her minnen pfiag, der gie hin ze dem tanze mit sinem r6senkranze trat er den firgamdray, des frönte sich der liehte mai, die rein begunden risen. 5. Vielleicht verwandt damit ist der trei, der in einem unechten Neidhart- liede (228, 45) vorkommt: D6 sprach Enzeman : war umb geviel iu nicht der tanz? nu was e; doch ein niuwer trei, in het iuwers vaters wlp mit 6ren wol getreten. 6. Wiederum ist das Wort trei zu finden in dem obgemeldeten Tanznamen Treialtrei und in dem von Neidhart (48, 20) erwähnten Treir6s, das vermuthlich ein Tanzlied war. 7. Oofenanz ist eine Verstümmelung des französischen Convenance, d. h. Zusammenkunft; vermuthlich deshalb auf eine Tanzart angewendet, die bei ge- selligen Zusammenkünften der Ritter zur Winterszeit eine große Rolle spielte. Dar sul wir den gofenanz des vire tages legen. [Neidh. Bartseh 25, 362.] Wol dan in die Stuben tanzen d& hoeret man den gonvenanzen. [Neidh. Bodm. 11, 85.] 8. Ridewanz ist wahrscheinlich eine Entstellung des französischen Retro- wange; das war ein Tanzlied oder Volkstanz, den schon ein französischer Hofdichter im 12. Jahrhundert erwähnt : Retrowange novelle dirai et bone et belle de laurige pucelle ke meire est et ancelle. [Wackemagel, altfr. Ldr. Nr. 42.] Der Name, welcher nicht auf das Spiel mit der Rote (rotuenge) hinweisen kann, mag vom provenzalischen retroensa herkommen, was (nach Diez, Troubadours S. 1 17) ein Tanzlied mit Chorrefrain bezeichnet. Das soll jedenfalls das in Deutschland entstellte ridewanz andeuten. Die Tanzweise, die man am Hofe etwas besser fran- zösisch rotruwange und rotuwange (s. Tristan 8077) nannte, hieß in der Mundart der Bauern ridewanz (Neidh. 41, 4) und ridewanzen. >D& gesach man michel ridewanzen.« [Neidh. 33, 3.] Digitized by Google 33 Schwerlich ist das Wort von dem noch jetzt üblichen böhmischen Nationaltanze Redowa (Rejdoyak) herzuleiten. 9. Der Minnesinger Lichtenstein (Bartsch 33, 315) nennt eines seiner Lieder den Frauentanz: Disiu liet diu hei^ent vrouwentanz, diu sol niem^n singen, em sl vrd. Man kann den »Frauentanzc nicht gut als eine besondere Tanzart, sondern nur als zuföllige Bezeichnung für ein Minnelied nehmen. AuBer den hier genannten getretenen Hoftänzen wurden bei den Rittern auch zuweilen Reigen,^ die uralte Lieblingsbelustigung tanzender Bauern, aufge- führt; durch Lenzeslust ließ sich die höfische Gesellschaft verlocken, zu Spiel und Tanz aus den Sfilen in die umfriedeten Baumgärten und Lindengänge zu ziehen, wo der bemessene Schleifschritt der feierlichen Umgänge zuweilen mit minder sanf- tem Tempo vertauscht worden sein mag. Eine lange Kette (Reihe) von Mädchen und Rittern in bunter Reihe folgten einem Vortänzer, und in zierlichen Tanzschritten vorwärts schreitend, machten sie allerhand Windungen. Abbildungen vom höfischen Tanz in Deutschland sind nur wenige vorhan- den, vom Bauemtanz aus derselben Zeit gar keine. Diese wenigen sind: 1 . Die schon oben erwähnten RunkelsteinerBilder [Fresko-Cyklus des Schlosses Runkelstein, herausg. von Seelas und Zingerle] . Auf Taf. 20 ist die Dar- stellung eines höfischen Tanzes. 2. Das Miniaturbild des Heinrich von Stretlingen in der Manessischen und Naglerschen Handschrift. [Beide sind mitgetheilt von Fr. von der Hagen in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1852, Tom. I und ü. Auch in Hagens Bil- dersaal Taf. 16 und 4^. Daraus wiederholt in Weiß, Kostümkunde H, Fig. 243.] Sie zeigen ims einen Tänzer mit der sonderbaren Drehung des Fußes, der für das mittelalterliche Tanzen charakteristisch zu sein scheint. 3. Miniatur der Manessischen Handschrift zu Hildebold von Schwangau [Hagens Bildersaal Taf. 22], darauf ebenfalls jene Fußstellung zu schauen ist. Auf einem französischen Monument-Relief eines Kapitals aus Saint-Semin zu Toulouse, 12. Jahrhundert (mitgeth. im Dict. de TArch^ol. YIII, 125) ist der Tanz der Tochter der Herodias zu sehen: das Mädchen hält in einer Hand eine Glocke und ist im Vorschreiten begriffen ; die Fußspitzen hat sie so eigenthümlich einwärts gewendet, dass sie einander beinahe berühren. < Trojanerkr. 28, 200 £; wart nie schoener reige und dar nAoh balde springen gemachet von deheiner schar, wart da mit hubisohen dingen si wunden sich dan unde dar an in beschouwet unde erkant, und brAchen sich her unde hin. man sach vU manffe wt;e hant man h6rte lüten under in ir vin^er d& blenkieren. tambüren, schellen, pftfen. die tnte wandelieren lis üf den fae^en slifen begunde man sus unde sd.^ Neidh. (MSH. in, 28} : Zippel zehen, hupfen n&ch der gigen, wandelieren hm und her des sint sie meister. Neidh. (MSH. 111,287): Zippelzehen, schoken dar, Btnchen mit den versen. B6hme, OeBch. d. Tuimb. 3 Digitized by Google 34 Im h f i s che n Tanze kamen auch AllSSChreitllllgeil vor, wie aus mehrfachen Klagen der Minnesinger zu schließen ist. So rügt ums Jahr 1370 der Te lohn er [Liedersaaim, 295] das wilde Tanzen als einen von den Bauern auf den Adel über- gegangenen Unfug. Zu Neidharts Zeit habe man neue Unsitte in Geberde und Ge- wand bei den Bauern gefunden, nun sei sie aus der Bauern Hand über die Edeln gekommen. Vormals habe man sachte (leise, sanft) tanzen sehen, darnach aber habe der Reigen sich erhoben. Jetzt sei das nichts als ein Auf und Nieder, das er nicht zu bezeichnen wisse ; doch vergleiche er es am besten dem Volke, das beim Traubentreten (Weinpressen) auf- und niederhüpft, oder einer K uh , die mit dem Schwänze die Fliegen und Bremsen von sich jagt, oder dem Hirsche , der sich reibt. Er erinnere sich noch wohl der Zeiten, da man sanftere Reihen pflegte, dabei einer während des Tanzes ein lautres Glas voll Weins auf dem Haupte führte. Dieses fiele jetzt einem Tanzer schwer, der, vom Glas zu schweigen, Mantel, Rock und Gugelhut (Kapuze) vom Halse schüttele, so un- schicklich wild sei sein Tanz. Im Ganzen ersehen wir aus den französischen Namen der ritterlichen T&nze und der Tanzmanier: dass der höfische Tanz wenigerdeutsch war, als der Volks- tanz. Deutsche Fürsten und Ritter versdiim&hten das Einheimische als bfturisch und holten lieber fremdländische Mode herbei , eine Sucht, die seitdem den Deutschen leider zu sehr anhaftete und der bis heute nicht abgeholfen ist. — Trotz alles Schmuckes mit fremden Manieren und im fremdländischen Kostüm zeigt der Hof- tanz in seiner Etikette eine größere Einförmigkeit , als der ländliche. Daher er- ' fahren wir aus Gedichten des Neidhart, Tannhäuser und Anderer, dass die Ritter sogar gelegentlich am 't'anz mit den Dorfschönen unter der Linde sich ergötzten. Bei der Unkenntnis der Tanzmelodien aus der höfischen Zeit lässt sich über die Beschaffenheit des damaligen Tanzes kein sicheres Urtheil fällen. Über die Bauerntänze der mittelhochdeutschen Periode sind wir besser unterrichtet, als über die höfischen Tänze, weil sie von einigen höfischen Dichtem^ die sich gern mit den Bauemdirnen vergnügten , ausführlich geschildert werden : das waren vor allen Neidhart, Tannhäuser und Ulrich von Lichtenstein; auch manche andere Ritter und ritterliche Sänger mischten sich gern unter die Lustbarkeiten der Bauern und ihrer Tänze unter der Dorflinde , wo es nicht so steif zuging und bei denen sie ungebundener Heiterkeit sich hingeben konnten. Beim Bauemtanze wurde viel gesprungen,^ oft so sehr, dass den Dirnen die Röcke in die Höhe flogen und sie mit den Köpfen zusammenstießen, und ehr- bar ging es freilich nicht immer zu. Für ein ehrbares Mädchen galt es darum nicht für rathsam, in den wilden Tanzjubel sich zu stürzen. Eine sorgsame Mutter hält ihre Tochter davon zurück und treibt ihr im Nothfall mit dem Rechen oder Spinnrocken die Tanzlust aus (Neidh. MSH. II, 106 imd 11, 123); denn manche Jungfrau, sagt sie mahnend, habe schon beim Tanz ihre Ehre verloren. Die Tochter aber kehrt sich nicht daran. Waren die Mädchen erst unter der Linde angekommen, so galt es, mitzutanzen ; denn wenn sie nicht mitspringt , von der vermuthet man (wie Tannhäuser in MSH. 11, 78 sagt) : »diu treit ein kinta. i Göli n, 6 (MSH. n, 79) : Hdhe Sprünge, geile bakke knüsse. Tanh. IV, 29 (MSH. n, 87) : Seht an ir beinel, reit brün ist ir meinel. Tanh. XI, 2 (MSH. H, 93): La sitüli blekken ein w6nik dur den willen min. Digitized by Google 1. hoppaldei. 5, 2. heierlei. 6 3. firlefei. 7. 4. fulefrana. 8, 35 Die Minnesinger erwähnen folgende Namen von Bauerntänzen, leider ohne weitere Beschreibung : mürmum. 9. achsel roten. trypotei. 10. houbet schoten. gimpelgampel. 11. rimpfenreie. krummer reie. 12. stampf. Die Namen mögen theils ihrem Tansrhythmus nachgebildet , theils aus dem Trailern sinnloser Laute oder sonst durch einen Zufall entstanden sein, wie in unserer Zeit s. B. der Ausdruck Tingel-tangel, oder in einer Neidhart-Handschrift die Singweise Tissel-tassel. Wir wollen zur Erklärung Folgendes beibringen. 1. Ein sehr beliebter Reihen scheint der Hoppel-rei gewesen zu sein, denn er wurde gesprungen von den Bauern, als ob sie fliegen wollten.^ Im Namen und im Hüpfen verwandt war jedenfalls der Hoppaldei, der bald ge- sprungen, bald getreten ward, und bei welchem sie wie wilde Bftren umherfuhren. ^ Ein Yolksm&ßiger Tanz muss er gewesen sein , da er als Gegensatz zum Hoftanz ▼on Neidhart genannt wird, der den Bauern tadelnd sagt : sie möchten lieber Hop- paldei tanzen, nicht aber Hof tanze nachmachen.' Den Namen hoppelrei und seine Varianten hoppaldei und hoppeldei halte ich nicht aus der Fremde aufgenommen (wie Liliencron in Haupts Ztschr. 6, 81 be- hauptet) , sondern für gut deutsch, yon »hoppenc, hüpfen abgeleitet. Weil nach erster Belegstelle der hoppaldei von je zwei und zwei getanzt wird, scheint er nicht ein Reigen, sondern ein Paaren tanz gewesen zu sein, also eine Axt Hopser oder gar unser Walzer. Er muss der Umbildung fi&hig gewesen, also ein Gattungsname sein, da neue Hoppeldei- Weisen erwähnt werden. Auch Fischart (Gargantua 1590 S. 375) spricht von neuen Hoppeltänzen. Hoppeldei heißt noch ein Kinderspiel, das Paradieshapfen (Rochholz, altsmann. Kinderlied 394). 2. Heierlei (MSH. III, 189^) erinnert an den beim Tanz so oft gehörten Aus* ruf der Freude: »hei^heila (MSH. HI, 283^). Weil diese Rufe beim Hoppeldei er- tönten, so möchte man folgern, dass der Heierlei ein ähnlicher Tanz war, vielleicht ein rascher Reigentanz im ^4'^^^^ J. J^ J ®^' -^^^^ Geiler von Kaisersberg kennt den Heigerleis (Deutsches Wörterbuch IV, 2, 814). 3. Der Firlefei (erwähnt in MSH. m, 252*) ist wohl der noch später vor- kommende Firlefanz, ein rascher schwäbischer Tanz, der 1533 in einem Berg- reihen (UhlandS. 647) angeführt wird: do pfif er ir den firlefanz wol nach der dörfer sitten. Ganz ähnlich klingend ist der Tanzname Tirlefei, den Fischart (Gargantua c. 8) neben dem Tuteloy anführt. Wenn firle und gefirle in schlesischer Mundart so viel als hurtig, behende heißt, so möchte man bei firlefei, firlefanz , tirlefei auf einen raschen Bauemtanz schließen. 1 Neidh. XVI, 2 (MSH. 11, 113) : Sus machent umb den giegen ie zwei und zwei ein hoppel-rei reht sam ri wellen vliegen. 2 Neidh.Xin,8(MSH.III, 198): Ze hant dd wart der hopi)eldei gesprungen, si vuoren umbe sam die wilde bem. Neidh.LXXU,5(MSH.m,236): Dd traten si den hoppaldei 8 Neidh. (Hagens Hs. 121, 9): Si solten hoppaldei pflegen, wer gap in die wirdikeit, da^ si in der spiUtuben hovetanzen künnen? 3* Digitized by Google 36 4. Fulefranz ist Termutlilich gleich mit Firlefanz und nur durch einen Schreib- oder Lesefehler entstanden. 5. und 6. Mürmum (M8H. m, 260) und Trypotey (nach Weinhold in einem Neidhart von 1537 erwähnt) sind bis jetzt unerklärt. 7. Gimpel-gampel (MSH. m, 215) bezeichnet einen muthwilligen Springs tanz. Nach Ghimms Wörterbuch heißt Gampel , m., lustiges Springen und Treiben, Schweiz. : »wie junge Hunde in lustigem Gampel um die Mutter tanzen« (J. Gbtthelf 8, 137). Nebenform dazu ist Gamel, Lust, MuthwiUe, vom althd. gaman, Spiel. Gimpel- Gampel ist dazu im Ablautungsverhältnis gebildet, wie Klingklang, Singsang. 8. Der krumme reie wurde von den Tanzenden insgesammt bald ge- sprungen, bald gehinkt und scheint sehr wild gewesen zu sein, denn in einem Tanzliede von Neidhart 60, 29 (MSH. m, 312^) heißt es: Da schrien sie AUe zugleich nach einem Spielmann: »Mach uns den krummen Reihen, den man hinken soll. Der gefällt uns Allen wohl, und Löchlein ists, der ihn fahren soll.a Der Spielmann nahm die Pauke (Handtrommel) , die Reifen fest er wand ; da nahm auch der Löchlein ein Mädchen an die Hand. » O du lustiger Spielmann, mach uns den Reihen lang!« Juheia, wie er sprang I Herz, Milz, Lung' und Leber sich rundum in ihm schwang. 9. und 10. Achsel-rotten und Houbet-schotten sind zwei süddeutsche Bauemtänze, die um 1230 der Minnesinger Göli (MSH. 11, 79. 80) erwähnt. Ein Mädchen , die Sommer und Anger grüßt, freut sich der schönen Früh- lingszeit , dass sie nun wieder Kränze tragen und als Schmuck den Kopfschleier (houbet rise) an ihr Haar binden könne. Sie rühmt sich dann, dass sie könne des Reihen Weise und auch den Achsel-rotten leise (leichtauftretend) nach der Geige geschwind tanzen.^ Dazu kommt ein Jüngling nach dem Tanzplatz, hübsch und mit geringeltem Haar, flink und gewandt auf den Füßen, mit denen er ge- füglich zispet, walket und ribet. Er jauchzt J»Har nora iou !« und kann meisterlich tanzen den Houbet-schotten und singen des Reigens Noten. ^ — Ich vermuthe, der Dichter Göli hat bei dieser Schilderung der süddeutschen Tanzsitten den jetzt noch in Tyrol und Oberbayem mit Geberdenspiel aufgeführten SchuhplatÜ-Tanz vor Augen gehabt, bei welchem das »Haupt geschüttelt« und die v Achsel gerüt- telt« wird. Schwerlich kann rotten hier so viel heißen als auf der Rotte (einem damals beliebten Zitherinstrumente) spielen. Eine andere Handschrift (Haupts Neidhart -Ausgabe XVni, 19 und XXII, 14) hat die Lesart sahsei noten«, was Unsinn ist und zur dunkeln Stelle noch mehr Verwirrung bringt. 11. Auf die Bewegungen beim Reihen, auf Krümmen und Zusammenziehen deutet Rimp f e n-rei e, der erwähnt ist in MSH. m, 252^ : da er niune zende vlös einhalp ü; dem wange, dö im min her Enzeman streich den rimpfenrei. 12. Der Stampf. So ist ein Lied Neidharts (Musik-Beilagen Nr. 4) und ebenfalls die Melodie dazu überschrieben. Darunter ist nicht ein Stempel, sondern 1 MSH. n, 79: Wol kan ich des reien wise und euch den ahsel rotten lise n4ch der gigen tanz ich vil geschwinde. 2 MSH. n, 80: Har nora ioul den ahsel rotten kan er wol ze prise, meisterlich den houbet schotten, singet wol des reigen noten. Digitized by Google 37 sweifelflohne ein Bauerntanz mit Aufstampfen der Foße gemeint; solch ein fester dOrperlicher stampf endigte snmeist mit scharfen Hieben. 13. Die Stadel-wise (Scheunen -Weise) erwähnt Burkart Ton Hohenrels (Bartsch, Liederdichter 34, 131): Diu tU 8Üe;e stadel Wlse künde starken kumber krenken, eben tr&tens unde Ilse« Prof. Karl Weinhold hfilt sie für einen süddeutschen Bauerntanz mit sanftem Charakter. Möglich wäre , dass damit wenigstens eine ruhige Tanz-Melodie ge- meint ist. (Vergleiche dazu den Scheunentanz bei Hochzeiten in Unterfranken Kap. Xm.) 14. Der Minnesänger Göli [Bodmer Ms. n,57] schildert einen Tanz, der bei Gelegenheit eines Frühlings- oder Osterspiels Ton Zwölfen ausgeführt wurde. Der Vortänzer Friedebold führt dabei das Ostersachs (Ostermesser) , die Genossen tragen lange, zweischneidige Schwerter und so suchen sie den Reigen eines zweiten Anführers fechtend zu durchbrechen. Jeder der zwei feindlichen Reigen hat in seiner Mitte die begeisternden Schönen, die singend ihre Anführer rühmen und den Gegner höhnen : »Er ist unter Falken nicht ein Aar, kaum ein Löwenklau unter den Thieren. Wer wittern könnte, wie er will, den schlüge der Hagel selten.« Dazwischen schlagen die Schwerter schallend auf harten Stahl, «ein rüstig Spiel, bei dem man zur rechten Hand des Daumens wohl bedarf, f Wo wurde getanzt? (Tanz-Orte.) Die Tomehme Gesellschaft der Ritter tanzte stets in den Sälen ihrer Ritter- burgen. Das Volk auf dem Lande machte durch Tanz und Spiel sieh lustig im Freien: auf öffentlichen Plätzen (Tanzplatz, Platztanz), auf den Straßen und auf dem Anger an der Heide, besonders im Frühling und überhaupt in der schönen Jahreszeit. Jedes Dorf hatte seine Linde, um welche der Reigen sich drehte [MSH. III, 199^ und 187^], wie das noch heute auf manchen Dörfern in Thüringen und Bayern zu finden ist. Zur Winterszeit flüchtete man in die Stuben , die zu diesem Zwecke von allem Geräthe geräumt wurden. Wir sun den winter in stuben enphähen, wol üf , ir kinder, ze tanz sun wir gdhen 1 [Burkart von Hohenvels, MSH. I, 201*.] Manchmal ging es selbst in die Scheuern zum Tanze, wenn es in der Stube zu heiß war: Uns treib ü; der stuben hitze, regen jagte uns In ze dache ; ein altiu riet uns mit witze indieschiure nach gemache. [Burkart von Hohenvels, bei Bartsch 34, 121.] Für die große Theilnahme des Volkes an Tanz und Spiel im 12. und 13. Jahr- hundert zeugen nicht nur die vielen Andeutungen der Bfinnesinger, sondern auch die ständigen Anstalten und Localitäten zum Tanz in Dorf und Flecken, ja selbst in Städten (wie Frankfurt a/M.], wie solche in Zins- und Kopialbüchem des 14. Jahr- hunderts mehrfach erwähnt sind, als: Tanzlaube (tanz loube), Tanzlinde, Tanzbühl (Anhöhe, Hügel zum Tanz), Tanz höfe, Spielhöfe; Tanzweg, der nach dem Tanzplatz führte, hat in vielen Städten seit Alters existirt. Digitized by Google 38 In den Städten und Märkten erbaute man erat seit dem 14. Jahrhundert be> sondere Tanzhäuser, in denen zunächst die öffentlichen Hochzeitstänze der Ge- schlechter und später auch der Bürger und Zünfte abgehalten wurden. Sie waren zuweilen mit dem Rathhause verbunden. Im bayrischen Oberland sieht man noch jetzt neben manchem Dorf wirthshaus ein Tanzhaus stehen, was freilich oft nur ein mit Brettern belegter Tanzboden über einer Wagenremise ist. Ein Hochzeitsspruch des 15. Jahrhunderts [Hazzi, Statistik I, 425] sagt: »Nach diesem dürfen auch die ehrenfeste Hochzeitgäst hinaus gehen auf das Offentr- liche Tanzhaus, sie dürfen ein Tanz thun, zwey oder drey.« — «In einem Raht- oder TantzhauB hub Samson die Säulen umb«, schreibt der bayrische Histo- riker Aventinus. Sqgar auch die Kirchen, ihre Vorhallen und die Kirchhöfe waren in alter Zeit ein beliebter Platz zum Tanzen , und die Geistlichkeit hat auf Synoden und von der Kanzel herab vergebens gegen diese Unsitte, die bis Ende des Mittel- alters sich erhielt, geeifert. ^ Wie Würde getanzt? Man tanzte a) im schönsten Schmuck, b) viel und maßlos, c) oft roh und schamlos. a] Nichts war natürlicher, als dass Mädchen und Frauen zum Tanze sich be^ sonders schmückten. Einen besonderen Festschmuck zum Tanz lieben sogar alle Naturvölker bei ihren Keulen- und Thiermaskentänzen ; so auch die Haib- und Ganzkulturmenschen bei ihren BaUfesten. In der ritterlichen Gesellschaft des Mittelalters war es Sitte, dass die Frauen vor dem Tanze sogar neue Toilette machten. Im schönsten Kleider- schmuck mit Kränzen und Spiegel ging es dann zum Tanze. ^ Die Mädchen und Weiber der Bauern legten, wenn es zum Tanze ging, ihre Werktagskleider ab und nahmen das schönste wohlgefaltete Gewand aus dem Schrein. Wie oft schildern nicht die Dichter die Dorflust und den Streit zwischen einer tanz- lustigen Tochter und einer besorgten Mutter, welche die Kleiderkammer oder den Kasten nicht öffnen will. Das Haar mit Seidenborten umwunden, im Kleide mit modischer Schleppe, in der Hand oder auch an einer seidenen Schnur , die am Halse hing, einen kleinen Spiegel, vor allem aber mit einem Blumen kränze auf dem Haupte, so eilten in den fröhlichen Zeiten des 13. Jahrhunderts die länd- lichen Schönen auf den Tanzplatz. ^ Ein Kranz schmückte das Haar der tanzenden Mädchen. Darüber von vielen nur zwei Stellen : Nu nimt si üf die beide ir gang in des meien kleide da si bluomen z* einem kränze brichet, den si zuo dem tanze tragen wil. [Steinmar, Bodmer 11, 107.] »Nemt, frowe, disen kränz«, also sprach ich z' einer wolgetAnen maget : »s6 zieret ir den tanz mit den schcenen bluomen, als ir s'üfe traget.« [Walther, Pfeiffers Ausg. Nr. 6.] > Man vergL Begin. can. I, 70. Synod. dioec. HerbipoL 1298 eap. 3 bei Hartiheim 4, 26. Concil. Vesontin. 1480 . 2 MSH. n. 80». in, 188«. 225». 246. 271». 8 MSH. m, 188. 200. 212b. 221». 260b 277. Digitized by Google 40 Si sprang m^ danne eins klafters laue und noch h6her, danne ie magt gesprungen. Auch Göli (MSH. II, 57) rügt die hohen Sprünge ohne Tugend (höhe Sprunge sonder duhte) und erwähnt das Umwerfen (Niederlegen) der Frauen und Mädchen : Des mag Elle und Else wol entgelten, Fridebolt sie hin geleit. Dass es beim mittelalterlichen Tanz nicht immer zum saubersten zugegangen, beweisen femer nicht allein die Klagen der Prediger^ und Moralisten, sondern auch eine Reihe obrigkeitlicher Erlasse.' Kapitel IV. Tanzwutb. im Mittelalter. (14. und 15. Jahrb..) Es war um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als Europa von einer der fürch- terlichsten Seuchen heimgesucht wurde , wie sie die Welt jemals gesehen hatte. Aus China kommend, durchzog sie Asien , die Krim, Italien, Frankreich, Eng- land und erreichte im Jahre 1349 auch Deutschland, wo allein 2000 Dörfer yoU- ständig ausstarben. Der »schwarze Tod« (so nannte man diese Krankheit, die keine andere als die asiatische Cholera war) forderte seine Opfer nach Mil- lionen und seine Wirkung auf das sociale Leben war von großer Bedeutui^. Da traten nun jene Auswüchse des rohesten, mittelalterlichen Aberglaubens zu Tage und es schien, als ob der Böse selbst unter die Massen gefahren sei, die im tollen Wirbel sich aufrieben. Damals zeigte sich nämlich jene merkwürdige Erscheinung, die von den Schriftstellern als Tanzwuth oder Tanzplage beschrieben worden ist. Im ganzen Rheinland auf- und abwärts bis Aachen und in den Niederlanden erschienen Scharen von Männern und Frauen, welche in bacchantischer Ausgelassenheit unter wilden Sprüngen und Verrenkungen sich drehten. Hand in Hand schlössen sie Kreise und tanzten ohne Scheu vor den Umstehenden in wilder Baserei, bis sie wuthschäumend zur Erde stürzten. Immer mehr wuchs die Zahl der Neugierigen, die sich an dem wunderbaren Schauspiel weideten, aber immer mehr auch die Zahl der Ergriffenen. Der Anblick der rothen Farbe, die Töne der Musik und manche andere Sinneseindrücke beförderten sichtlich den Ausbruch der dämonischen Be- wegungen, welche allen Heilmitteln der Arzte , aUen Beschwörungen der Priester zu trotzen schienen. Man nannte sie Johannistänzer, weil nach der einen Mei- nung dies Übel bei der Feier des St. Johannisfestes seinen Anfang genommen, richtiger aber wohl deshalb , weil die Befallenen den heiligen Johannes anriefen und sich dem Schutze desselben befahlen. Als später 1418 in Straßburg die Tanz- wuth losbrach, benutzte man die Kapelle des heÜ. Y e i t zu Beschwörungen , und von diesem Umstände hießen die Ergriffenen Veitstänzer. * Abdruck in Kap. VII. 3 Unter Kap. VIII zusammengestellt. Digitized by Google 41 Die Form der Aufzüge, wie solche in den Chroniken beschrieben sind, blieb immer dieselbe: Voran gingen einige Sackpfeifer, dann folgte eine Herde Neugieriger, dann die Befallenen in ihren wunderbaren Sprüngen und Tftnzen, endlich die jammernden Angehörigen, die yergebliche Anstrengung machten, die unglücklichen Opfer zurück zu gewinnen. Bisweilen versuchte man durch Schlftge und Stöße die Besonnenheit bei den Tänzern wieder zurück zu rufen, und bei einigen schien dies in der Ihat zum Ziele zu führen. Bei manchen dagegen stei- gerte sich die Ausgelassenheit bis zum vollständigen Verlust des Bewusstseins ; schäumend und brüllend tanzten sie , bis sie todt niederfielen , oder sie stürzten sich blindlings in das Wasser, oder zerschmetterten den Kopf an den Wänden. So währte der Spuk in mannigfachen Variationen bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts, wo er sich dann allmählich verlor. Lassen wir jetzt ausführlich aus verschiedenen Chroniken uns von dieser Tanzwuth erzählen. Voran stehe die Limburger Chronik (Ausgabe von Vogel S. 72), die also berichtet : B Zu mitten Sommer Anno 1374 da erhob sich ein wunderlich Ding auf Erd- reich, und sonderlich in Teutschen Landen, auf dem Rhein und auf der Mosel, also dass Leut anhüben zu danzen und zu rasen, und stunden je zwei gen ein, und danzeten auf einer Statt ein halben Tag, und in dem Danz da fielen sie etwan dick (oft) nieder, und ließen sich mit Füßen treten auf ihren Leib. Davon nahmen sie sich an, dass sie genesen wären, und liefen von einer Stadt zu der andern und von einer Kirche zu der andern, und hüben Geld auf von den Leuten, wo es ihnen mocht gewerden. Und wurd das Ding also viel, dass man zu K ö 1 n in der Stadt mehr denn fünfhundert Däntzer fand. Und fand man, dass es ein Ketzerei was, und ge- schah umb Geldes willen, dass ihr einTheilFrauw und Mann inUnkeuschheit moch- ten kommen und die vollbringen. Und fand man da zu Köln mehr denn hundert Frauwen und Dienstmägd die nit ehrliche Männer hatten. Die wurden alle in der Däntzerei kindertragend, und wann dass sie danzeten, so bunden und knebelten sie sich hart umb den Leib, dass sie desto geringer (dünner) wären. Hierauf sprachen ein theils Meister sonderlich der guten Art, dass ein theil wurden dan- zend, die von heißer Natur wären, und von andern gebrechlichen natürlichen Sachen. Dann deren was wenig, denen das geschah. Die Meister von der heiligen Schrift die beschworen die Dänzer einestheils, die meinten, dass sie besessen wären von dem bösen Geist. Also nahm es ein betrogen End und währte wol sechzehn Wochen in dissen Landen oder in der Maaß. Auch nahmen die vorgenannten Dänzer Mann und Frauen sich an, dass sie kein roth sehen möchten. Und war eitel Täuscherei und ist Vorbotschaft gewest an Christum nach meinem Be- dunken.a Das glaubwürdige Magnum Chronicon Belgicum erzählt beim Jahr 1374, wie es aus dem Latein übersetzt hier folgt : »In diesem Jahre kam aus Deutschland eine ¥ninderliche Sekte nach Aachen und ging von da durch den Hennegau nach Frankreich. Leute, beiderlei Ge- schlechts, vom Teufel gereizt, tanzten allenthalben herum, Hand in Hand, wohin sie nur kamen, auf den Straßen, in den Häusern und Kirchen, mit großen Sprüngen und vielem Geschrei und schämten sich dessen gar nicht. Wenn der Tanz geendigt war, klagten sie über Brustschmerzen und mussten mit Tüchern ge- rieben werden, schrien dabei, sie müssten sterben, wenn es nicht geschähe. Zu Lüttich wurden sie endlich durch Segensprechungen von dem Übel der Tanzwuth befreit.« Eine Kölner Chronik (gedruckt 1499) berichtet vom Jahre 1374 : »Ind vill Digitized by Google 42 lade, beide man indfrauwen, junkindalt, hadden die krankheit. Ind gingen uiB huia ind hof , dat deden ouch junge meide, die yerlielTen ir alderen , Tronde vnd maege ind lantschaf . . . Item also gegart mit den twelen (Handtüchern) danzten ai in kirchen ind in clnsen ind np allen gewijeden steden. As ei danzten, so sprangen si allit up ind riefen: Here sent Johan, so so, vrisch ind vro, here sent Johan 1 f Als im Jahre 1418 der Veitstanz im Elsass aashrach, war der Magbtrat zu Straßbarg wegen Heilang dieser Krankheit sehr besorgt, ließ die Kranken in die St Veits-Kapelle zum Rotenstein bringen , wo sie gepflegt and gemartert wurden. Von diesem damaligen Tanze finden sich in einem Chronicon Aigent. Mspt. 318 folgende Reime: St. Veitstanz. An. 1418. Vielhundert fiengen zu Strasburg an Zu tantzen vnd springen, Fraw ynd Mann, An offen Marck, Gaffen vnd Straffen, Tag vnd Nacht, ihren viel nicht äffen Bis jn das Wüten nieder gelag St. Veits Tantz ward genannt die Plag.^ Closners Straßburger Chronik beschließt den Bericht über die Oeißler- fahrten 1349 mit folgenden Worten : j»So sie waren uffgestanden zu ringe (im Kreise) , so stundent ihr etwie manche, die die besten Sänger waren, vnde fiengen einen Leis an zu singende, den Bungend die brüder nach, als man zu tanze noch singet.«^ Aus Justingers Bemer Chronik vom Anfang der Stadt Bern bis 1421, herausg. von StierUn (Bern 1819. 8®), S. 142 erfahren wir allerdings von einem die Geißlerfahrten bespöttelnden, travestirenden Tanzliede, das die Bemer gemacht hatten : »Damach an Sant Stefans Tag (1350) zogen die von Bern us und slugen sich für Loubeck und für Mannenberg , und waren bi inen die von Frutigen und von Thun, und wan es glich nach dem großen tode was, die dann davon kommen, die waren frOlich und sungen und tanzten. Also waren meh dan tusent gewapneter mannen an einem tanz. Die sungen also und spotteten der geißler, die vor unlangem after laut gangen waren : Der unser büß weU pflegen, der sol roB und rinder nemen, gens und feiste swin 1 damit s6 gelten wir den wln.c Das hier umgedichtete lied ist nichts als das Geißlerlied von 1349, das sich vollständig erhalten hat (s. Abdruck bei Hoffmann, Gesch. d. Kirchenliedes Nr. 62) und also beginnt : » Swer siner sMe welle pflegen, der sol gelten vnde widergeben, s6 wird slner s^le r&t, des hilf uns lieber herre got!« 1 Förstemann, Geißlerfahrten 8. 236. Heck, Tanzwuth S. 7. 2 Aus dieser Stelle folgert Wackemagel (Litt.-Ge8ch. 8. 266, Amn. 38) : es sei die Melodie zu dem Geißlergesange »Wer seiner 8eel will pflegen« einem frflheren Tanze entnommen, von einem Tanzleioh des Volkes sei die Form auf den geistlichen Gesang übertragen worden. Digitized by Google 43 Wenn die Bewohner von Bern schon ein Jahr darauf (1350} eine Parodie zmn Tanz singen konnten , so lässt das yermnthen , dass die Melodie dazu schon bekannt nnd bereits vor 1349 zum Tanz gesungen wurde. — Aufier dieser aUgemeinen großen Tanzkrankheit von 1374 und 1418 berich- ten vor und nach dieser Zeit auch Chroniken einzelne lokale Fälle : »Zu Erfurt versammelten sich im Jahr 1237 ganz unvermuthet und auf ein- mal über 100 Kinder auf der Qasse, Knaben und Mägdelein, fingen an zu tanzen und tanzten zum Thore hinaus in einem fort durch den Steigerwald bis nach Arn- stadt, wo sie ganz matt und ermüdet an den Mauern auf der Gasse nieder und in tiefen Schlaf fielen. Sie wurden von den Eltern auf dem Wagen zurückgeholt. Viele aber hatten ein Zittern bekommen , welches sie lebenslang nicht wieder ver- lieren konnten.«^ xlm Jahre 1615 wurde zu Basel ein Dienstmädchen von einer so schreck- lichen Tanzwuth ergriffen, dass sie einen ganzen Monat hindurch sich krank und die Fußsohlen abtanzte. Sie schlief und aß nur sehr wenig, tanzte aber immer in einem fort , bis sie sich ganz von Kräften gesprungen hatte , in ein Hospital ge- bracht und dort kurirt wurde. Während ihrer Tanzwuth aber hat die Basler Obrig- keit zwei starke Männer der Tanzenden zugeordnet, die roth gekleidet waren, mit weißer Feder auf dem Hute und ex officio einer um den andern mit der Tanz- wüthigen tanzen mussten.a Derselbe Basler Chronist bemerkt hierzu: »Warum es der St. Veitstanz heißt , das sollt ihr wissen , dass dieser heilige Mann von seinem Vater übelge- schlagen wurde , dieweil er die Götzenbilder verachtete , damit aber nichts aus- gerichtet wurde. Da wollte er es anders anfangen und ließ immer hübsche feine Mägdlein herbeikommen , unter Musik und Tanz seinen Sohn zur Abgötterei zu verführen und das abgöttische Wesen ihm angenehm zu machen.« [Joh. Groß, Basler Chronik S. 241.] »In deutschen Landen sind der Plagen viel gewesen. So wurden etliche Leute geplagt, dass sie tanzen mussten oft Tag und Nacht aneinander, oft zween und drei Tag imd Nacht. Es ist eine Fabel : St. Veit , der 14 Nothhelfer einer, habe bei seinem Märtyrertode Gott gebeten, da er jetzt den Hals solle hinreichen, so wünschte er , dass die an seinem Abend fasten und seinen Tag feiern , vor dem- selben Tanz bewahrt bleiben möchten, und alsbald ist eine Stimme vom Himmel kommen: Vite, du bist erhört U^ [Agricola, deutsche Sprichw. Nr. 497.] So viel steht fest: der Veitstanz (eine Tanzwuth) war im Mittelalter zur wirklichen Seuche geworden. Seine Entstehung mag mit den Geißler fahrten zusammenhängen. Beide waren die Folge der vorangegangenen großen Pest (schwarzer Tod). Durch die Pest, die man für eine Strafe Gottes hielt, waren die Gemüther überaus beängstigt worden und unter den Verzweifelten der religiöse Wahnsinn entstanden, dass man durch Selbstpeinigung das schreckliche Leiden von sich abhalten und Gottes Wohlgefallen wieder erlangen könne. Deshalb geschahen zur großen Pestzeit 1349 solche Aufzüge, und wurden DPesttänze« noch später abgehalten. So tanzten die Wertheimer um eine Wald- tanne, bis der schwarze Tod ihr Städtchen verließ. ^ In der Baseler Landschaft bei Pratteln liegt eine große Wiesenstrecke , genannt die Hexenmatte, weil dort 1 Bothe, Thüringer Chronik. Falckenstein, £rf. Chronik S. 84. Binhard, Thüring. Chronik, Leipzig 1613, S. 180. L. Beohstein, Thür. Sagen 3, 131. 2 Der Veitstanz wurde zuweilen auch Modesttanz genannt; Modest war St. Veits Lehrer (s. Heinsius, K-irchen-Historia HI, 370). 3 Herrlein, Spesshart-Sagen 1851, S. 39. Digitized by Google 44 nach VolkBglauben die Walpurgistänze stattfKnden. Nach Volkserinnerung wurden dort auch große Pesttftnze während der Pestzeit abgehalten, durch welche man sich zu zerstreuen suchte.^ Noch heute bestehen Überreste jener Pesttftnze. Das sind 1) der alle sieben Jahre, zum Andenken an die glücklich überstandenePest bewaffnet aufgeführte Metzger- eprung in München. 2) Der Schaff lertanz (s. Beschreibung unten). 3) Auch die Echternacher Springprocession soll hierher gehören. Zum Beschluss dieses Kapitels gebe ich den Geißlergesang von 1349 mit seiner von W. Bftumker neuerdings aufgefundenen Melodie. Geißlergesang 1349. * ^ Nu ist die bet - te - fart so h^r, Crist reit sel-ber I ^ =1=1= :;r:^^-^ -9 — # gen Je - ru - sa- lem ; er fürt ein krüz an st - ner haut, nu m 3=3= rJTj j jT^ ^ hei - fe uns der hei-lant. Ky - ri - e - leis. Nu ist die bettevart so gut, hilf uns herre durch dtn heiliges blut, das du an dem krüze vergoßen hast, und uns in dem eilende geloßen hast. Nu ist die straße also breit, die uns zu unser lieben frowen treit, in unsere lieben frowen lant : nu helfe uns der heilant. 5. Wir sullent die büße an uns nemen, da; wir gote desto bas gezemen aldort in stnes Täters rtch : deß bitten wir dich alle glich. So bitten wir den heiligen Christ, der alle der weite gewaltig ist. Text: (Straßburger Chronik. Abdruck bei Wackemagel, Kirchenlied 1841 S. 605. Die Melodie ist uns glücklicherweise erhalten zu einem alten Wallfahrtsliede, das nur eine Umdichtung jenes Geißlergesanges ist und in der Geistl. Nachtigall, Erfurt 1666, steht; daraus neuabgedruckt in W. Bftumker, kathol. Kirchenlied und seine Singweisen. II, Nr. 183. Die Anfangsstrophe dort lautet: Nu ist die Himmelfahrt also heilig, Christ reit selber gen Jerusalem ; Er führt ein Kreuz in seiner Hand, Nu helfe uns der Heiland. Kyrioleb. Worterklftrung: 1, 1 bettefart = Bittfahrt. 3, 2 treit = trftgt. 4,2 bas gezemen = besser gefallen« 1 Boohholz, Alemann. Kinderlied 377. Digitized by Google 45 Kapitel Y. Todtentanz im Mittelalter. Ein sonderbares Spiel der Melancholie und Weltveraclitung war im 15. und 1 6 . Jahrhundert die häufig vorkommende bildlicheDarstellung der Sterblich- keit des Menschen, bestehend in einer Reihe von Bildern in Stein und Marmor gehauen, oder in Handschriften gezeichnet und gemalt, auf denen der Tod als Knochengerippe oder als Sensenmann Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes zum Tanz auffordert und mit sich führt. Mit solchen in Stein gemeißelten Bildern des Todtentanzes die ansehnlichsten öffentlichen Gebäude und selbst die Wohnungen reicher Besitzer zu schmücken, also das Memento mori zu verkörpern, war Sitte in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Deutschland, wo sie nament- lich sehr verbreitet war, hat sie zunächst aus Frankreich erhalten, ohne dass man genau weiß, woher sie gekommen sei. Aller Vermuthung nach haben die geist- lichen Schauspiele des Mittelalters (die Mysterien und Moralitäten) auf diese grelle Sitte geführt , die Kirchenaufzüge haben zu den gemalten und gemeißelten TodtentSnzen Anlass gegeben. Die Idee des Todes und dessen Darstellung hat schon bei alten Völkern am heidnischen Kultus , ja selbst an den heidnischen Festen und Lustbarkeiten An- theil gehabt. Das Todtengerippe , welches vor den Gästen des Trimalchio tanzte, führt uns in die ersten Zeiten des Christenthums zurück, wo der Tod nicht mehr den Menschen einladet , das Leben schnell und heiter aufzunützen , sondern wie alles Vergängliche zu verachten und die Zeit nur als das unzulängliche Kaufgeld anzusehen, wofür man die Ewigkeit eintauscht. Solche christliche Vorstellungen sind überall in den mittelalterlichen Dichtungen, vom tief ernsten »Dies irae« des Thomas von Celano bis zur Com^die de la mort von Theophile Gautier, zu finden. Wenn man nicht vergessen will, dass im Mittelalter Alles, was damals Religion und Moral hieß , versinnlicht wurde — dass man Morgens über das Evan- gelium predigte und Nachmittags dasselbe darstellte , so gut es gehen wollte — und dass in diesen vorgeführten Geheimnissen der Religion (Mysterien) und in den personificirten Tugenden und Lastern (in den Moralitäten) ja das christliche Theater seinen Anfang genommen hat, so wird man sich gar nicht wundem, dass man auch den schauerlichen Tod als Gegenstand für die Schaustellungen heranzog, aus denen dann die Bilder des Todtentanzes hervorgingen. Was weiß man über den ersten Todtentanz? Man erzählt: Ein Abenteurer, Namens Maccaber, kam mit denEngländem, die 1424 Frankreich überschwemm- ten, nach Paris und bezog einen uralten, vielleicht noch aus der Römerzeit stam- menden Thurm in der Nähe einer Kapelle^ um welche ein Begräbnisplatz angelegt worden war. Dieser Maccaber, den man als ein halbes Skelett schildert, scheint durch sein Äußeres großen Eindruck auf des Volkes Einbildungskraft gemacht zu haben und man schrieb ihm übernatürliche Kräfte zu. Besonders aber bekam er einen Ruf, als er 1424 eine Pantomime, einen geistlichen Aufzug veranstaltete, der einige Monate lang wiederholt wurde, es war dies der nach ihm benannte Maccaber- oder Todten-Tanz. Unendlich viel Männer und Frauen jedes Alters wurden von einer Figur, die den Tod vorstellte , zum Tanze aufgefordert, der auf dem Elirch- Digitized by Google 46 hofe, wo der Erfinder wohnte, stattfand. Vom August 1424 bis 1425 dauerte der grauenhafte Taumel ; immer wuchs die Menschenmenge , welche tanzend oder zu- schauend daran Antheil nahm. Die Kirchen blieben leer, weil Alles zumTodten- tanz eilte, und die Engländer, namentlieh der Herzog von Bedford, waren nicht die Letzten, welche mit ihren Damen den Spuk mitmachten. Die Lust hatte dann ein Ende, trat aber nochmals 1429 hervor. Soviel und nicht mehr weiß man von des Todtentanzes Ursprung. Maccabers versinnlichte Darstellung des allen Menschen drohenden Todes war nichts anderes, als ein früher gewiss schon in den Kirchen aufgeführtes, aber durch Verbot daraus verwiesenes Mysterium. Es mag also wohl die Entstehung der Todtentänze auf einen etwas früheren Zeitpunkt zurückzuführen sein und mögen wohl die schrecklichen Pestzeiten in der Mitte des 14. Jahrhunderts bald nachher zu diesen ernsten Schaustellungen angeregt haben. Wenigstens kennt man schon aus den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts ein spanisches Gedicht des Titels: »Allgemeiner Todtentanz, in welchem alle Leute von allen Ständen auftreten.« Weil aber keine Spur von der vorherigen Existenz eines abgebildeten Todtentanzes bis jetzt gefanden wurde, so lässt sich annehmen, jenes Gedicht war der Text zu einem mimischen Kirchenaufzuge ; aus der Beschaffenheit des Textes selbst lässt sich vermuthen , dass bei der Darstellung Gesang , Rede, Tanz und Instrumental- musik mit einander verbunden waren. Von bildlichen Todtentänzen hat zunächst Frankreich eine große Zahl auf- zuweisen. Sie sind von dem französischen Musikschriftsteller und Archäologen G. Kästner (f 1867) aufgezählt und erklärt in seinem darüber geschriebenen gründ- lichen Werke «Les danses des mortsc (1852). In Deutschland und der Schweiz sind noch viele Abbildungen von Todtentänzen erhalten. Die meisten existiren, wenn nicht mehr in Gestein, so doch noch in Holzschnitten. Zuerst kam der berühmte Todtentanz von Bas el mit Holz- schnitten 1490 heraus: der Dotendantz mit Figuren. Über andere in Bern, Lü- beck (Marienkirche) etc. ist eine ganze Litteratur vorhanden. ^ Zur Erklärung der Einzelbilder des Todtentanzes entstanden allerhand Reime, meist ernst und drastisch, zuweilen für Sittenkunde sehr belehrend. In Dresden auf dem Neustädter Kirchhofe ist noch eine steinerne Abbildung eines Todtentanzes wohlerhalten zu sehen. Sie ließ 1534 — 37 der ernste und durch viel Familientrauer düster gestimmte Herzog Georg über die Thore seines neuerbauten Schlosses anbringen. Dort am Georgenthor war sie 200 Jahr lang zu sehen, bis sie nach dem großen Brande 1701 entfernt und 1733 auf der Neu- stadt-Dresdner Kirchhofmauer angebracht wurde. Das Ganze stellt in einem Basrelief von 27 Figuren aus Sandstein alle Stände, Geschlechter und Lebensalter dar, wie solche im Todtenmarsch begriffen sind. Der Tod, ein furchtbares Gerippe mit Stundenglas und Tuba, eröffnet den Zug und schließt den Reigen, kommt aber auch in der Mitte des Zuges vor. Ihm folgt der geistliche, dann der weltliche Stand, den Schluß macht das weibüche Geschlecht. Die einzelnen Figuren sind 1) der Tod, 2) der Papst im Priesterornat mit drei- facher Krone auf dem Haupte und dreifachem Kreuz in der Hand, 3) ein Kardinal mit Kardinalshut und einfachem Kreuz, 4) ein Erzbischof, den Bischofstab in der Rechten, 5) ein Bischof mit der Tiara und Stola, 6) ein Prälat mit kurzem Pallium, 7) ein Domherr mit der Alba, 8) ein Mönch mit geschornem Kopfe, den Strick um ^ Vergl. G. F. Maßmann, Litteratur der Todtentänze im Serapeum. 1840. Der- selbe, Basler Todtentänze. 1840. K. Goedeke, Qrundriss S. 381 ff. W. Wackemagel, Basel im 14. Jahrh. (1851). Digitized by Google 47 den Leib und ein Brevier in der Hand, 9] der Tod als Tambour, mit Knocben statt der Klöppel, 10) der Kaiser mit geschlossener Elrone, das Scepter in der Rechten, das Schwert an der Seite, 11) ein König mit offener Elrone, kunsem Mantel, Scepter und Schild, 12] der Hersog (Georg von Sachsen selbst), das goldene Vließ auf der Brust, einen Rosenkranz in der Hand, 13) ein Graf, mit Mütze auf dem Kopfe, einem kleinen Mantel über den Schultern und Degen an der Seite, 14) ein Ritter im Harnisch und mit dem unter sich gekehrten Schwert , 1 5) ein Edelmann mit Federhut und Degen, 1 6) ein Rathsherr in römischer Sleidung, 1 7) ein Handwerks- mann mit Schurzfell, Winkelmaß und Spitzhaue, 18) ein Soldat im ledernen KoUet, mit Partisane und Degen, 19) ein Drescher mit dem Dreschflegel, 20) ein Bettler mit Stelzfuß, 21) eine Äbtissin im Ornat und Schleier, 22) ein schön geputztes Frauenzimmer, 23) ein Bauemweib, eine Hocke mit Gänsen auf dem Rücken tragend, 24) ein venetianischer Kaufmann mit Geldsack in der Hand, 25) ein Knabe, welcher darnach greift, 26] ein Greis im zerrissenen Gewände, den der Knabe führt, 27) der Sensenmann. Ähnlich wie hier angegeben , sehen wir auf allen Holzschnitten und Kupfer- stichen den Todesgott, wie er beim Reigen den Vor tanz führt und an hohler Knochenhand eine ganze Reihe von Menschen aller Stände und Lebensalter hinter sich drein zieht. Im Münchner Todtentanz (Münchner Hdschr. Cg. m. 270 fol. 193) heißt es: »Ich muß des Todes Rayen treten.« Der Ejiochenmann daselbst spricht: Ich tantz euch vor, fraw chailTerin, nun springt mir nach, der Ray ist meinl Ir müßt mit mir den Rayen springen . . . . . Habt ir nun mit frawen hochgespnmgen, des müest jr an dilTen Rayen huTTen. Der von Seb. Beham in Holz geschnittene und Ton Hans Sachs mit Reimen begleitete Bauerntanz (1528) bildet eine Art Parodie des Todtentanzes. Wacker- nagel (Basel im 14. Jahrhundert) behauptet mit Recht : »Die Grundlage der Bilder und Reime zum Baseler Todtentanz ist in Aufführung theatralbcher Art zu suchen. In Basel wurde 1550 durch das Drama »der weit spiegela von Valentin Boltz der Tod ganz mit dergleichen Handlungen , wie jene Bilder zeigen, auf die Bühne gebracht.« Der längere Fortbestand solcher Schaustellung lässt vermuthen : der schwarze Mann, ein beliebtes Lauf- und Fangspiel der Knaben in Sachsen und der Schweiz, sei lediglich ein harmloser Nachläse der alten Todtentanz-Dramatik. Vielleicht dass sich auch das Kartenspiel »der schwarze Peter«, das in Basel der schwarze Mann heißt, daher schreibt. Wackernagels Vermuthung wird gestützt durch folgenden Reim unter dem Bilde eines Kindes, das durch den Todesgott von der Mutter hinweggeführt wird: O w6, liebe muoter mtn ! ein fwarzer man ziuht mich dahin. Wie wiltu mich als6 verl&n? muo; ich tanzen und kan nicht g&n. Lehrreich sind solche Abbildungen nicht allein für Kenntnis der mittelalter- lichen Sitten, sondern specieU für die Musikgeschichte sind sie von Bedeutung, weil sie uns zeigen, über welche Musikinstrumente man im 14. bis 16. Jahr- hundert verfügte und wie dieselben ungefähr beschaffen waren. So hat G. Kastner aus den Todtentänzen ein ganzes mittelalterliches Orchester zusammengefunden und auf Grund von Dokumenten gründlich besprochen. Es Digitized by Google 48 waren y außer den Sängern und dem Kapellan, bei den Splelleuten nicht weniger als folgende Instmmente damals in Gebrauch genommen : Flöten, Schalmeien und Oboen, Dudelsäcke, Homer und Trompeten (Zinken) , tragbare Orgeln, ein-, zwei- und dreisaitige Schlaginstrumente, Zithern und Guitarren, Harfen und Psalterien, Leierkasten (Vielle), Pauken, Tamburins, Cimbeln, Schellen, Holzklappem, Kastagnetten und Trommeln. Zum Schluss sei bemerkt, dass der französische Forscher und Musiker G. Kästner ein Oratorium des Namens Danse des morts komponirt und der französische Komponist Saint-SaSns durch eine Mark und Bein erschütternde symphonische Dichtung nDanse macabrec Aufsehen erregt hat. Kapitel Tl. Deutscher Tanz im 14. bis 16. JahrlmiicLert. Im Mittelalter wurde viel getanzt, die Tanzlust war zweifelsohne größer und die Tanzvergnügungen waren zahlreicher, aber auch, denEIraftnatureh entsprechend, ausgelassener und zügelloser, als in unseren Tagen. Wie viele Tänze uns auch aus dieser Zeit genannt , aber selten beschrieben werden, im Grunde gab es doch nur zwei Haupttanzarten, deren Unterschied darin beruht, dass der niedere Theil des Volkes in Stadt und Land nur zur Winterszeit im geschlossenen Räume , im Sommer aber im Freien tanzte. Da seit Alters das Tanzen mehr ein Hüpfen und Springen war, so konnte diese Tanzart sich nur im Freien erhalten; dagegen musste die Stube den Tanz ruhiger, sanfter und von schleifender Art machen. So entstanden jene zwei Tanzarten, die wir schon aus der Minnesingerzeit her kennen und die jetzt noch fortdauerten : der springen de und der umgeh e nde Tanz. Die sommerliche Art wird R e ien , die ruhige winter- liche schlichtweg Tanz genannt. Um das reiche Material nicht durcheinander zu werfen, werde ich dasselbe auf folgende vier Fragen vertheilen und ordnen : 1. Was wurde getanzt? (Tanzarten.) 2. Wann wurde getanzt? (Tanzzeiten.) 3. Wo wurde getanzt? (Tanzorte.) 4. Wie wurde getanzt? (Tanzmanier und Tanztracht.) Treten wir nun der ersten Frage nfiher: »Was wurde getanzt?a so erfahren wir von mancherlei Tänzen damaliger Zeit bei Hoch und Niedrig. Weil im Mittel- alter die Stände augenfällig abgestuft und sehr geschieden waren, so scheint es mir zweckmäßig zu sein, dass wir bei Darstellung ihrer Tanzlustbarkeiten nach Rang und Stand unterscheiden: A. Bauemtänze (Volkstänze). B. Handwerkertänze (Zunfttänze) . C. Bürger- und Geschlechtertünze (Patrioiertänze). D. Hof- und Adelstänze. Digitized by Google 49 A. Beschreibung der Bauerntänze (Volkstänze) im 14. — 16. Jahrhundert. Fischaxt (Gargantua 1582, Kap. 7) schildert die Belustigungen, die sich als Pariser Student Gargantua und seine Gesellen zur Fastnachtszeit nach dem Mittags- imbiss machten. Lärmend zogen sie hinaus unter die Linde und haben dort ge- tanzt und gereihet, geschrieen, gesungen und gesprungen. Die Tanzinstrumente werden aufgezählt, die wilde Fastnachtslust wird beschrieben und dabei sind 8 V o 1 ks- tä nze jener Zeit genannt. Lassen wir seine Erzählung davon wörtlich folgen: 7>0 weit von dannen jr Hof f däntz. (Es ist einmal gut, das jr etwas guts zu hof habt, welches die hoflebenschender nit schelten mögen.) Auch jhr Nömbergisch Geschlechterdäntz^ die kein herumspännlein ley den können : Hier ist ein ander Tantzschul, auch ein anderer Schweitzerischer Büffel , der mit einer elen- langen handhabigen Fochtel vnd mit ausgestreckten Contrakten, vngebogenen Ar- men daher vor dantzet oder vortritt. Hie gilts den Scharrer, den Zäuner, denKotzendantz, denMoriscendantz, den schwarzen Knaben, der gern das braun mägdlein wolt haben, wenn maus ihm geb. Nun Meydlin fort, dran sprungweiß an Spiß, wie ein junges Wild im Spißhartl Seh, seh, meinleydiger kund, wie schöne, hoch au ff hebende langschreytende Storckenbeyn zum dantzenlff An anderer Stelle [Gargantua 1591, Kap. 8, Bl. 99} erwähnt Fischart abermals Volkstänzeydie vom Spielmann verlangt werden mit der Geige oder auf der Sack- pfeife: »mach uns den Tuteley, den Sprisinger und FirlefeyU Noch mehr Tanznamen bringt Fischart in dem Verzeichnis der Gesellschaft s- und Kinderspiele (Gargantua, Kap .25), dort sind unter den fünfhundert Spielen und Unterhaltungen auch genannt: J»der hüpfelrei, der wechseldantz, der Todendantz, Morifcendantz und Allemant d'amour.a Lernen wir vorerst die ditmarsis ch en V olkstänze kennen, welche die alte Tanzmanier besser darstellen und älter sind, als die um Straßburg geschauten ; dann werden wir auf Erklärung der bei Fischart genannten Tänze eingehen. Nach dem Berichte des Chronisten Neocorus^ um 1590 gab es vor Alters bei i Joh. Adolf Kdster, genannt Neooorus, geb. um 1550, schrieb als Pfarrer zu Buflum um 1590—1600 seine »Chronik des Landes Dithmarschen«, die von F. C. Dahl- mann herausgegeben wurde zu Kiel 1827. Die betreffende Stelle über Tanz I, S. 177 mag hier im plattdeutschen Orignnal folgen : »Niehtes weiniger ist wo vorwunderen, (den up dat de Gesenge edder Geschichte deste ehr gelehret und beter beholden worden und lenger im Gebruke bleven, hebben se de alle fast den Dentsen bequemet), dat se nha Erfordering der Wort und Wise des Gesanges, item der Seidenspeie, darup se ock ehre besondere iJentze hebben, den Trede tho holden imde den Vott tho setten weten, und mit allen Geberden vorffeliken können, dat velen frombden Nationen solches nicht allein thothosehende lefFlicn, sondern tho doende unmdgelich. Sind averst der Dantzleder drierley Artt. Erstlich dama twe unde twe danzen, welches se einen Biparendantz heten, den se erstUken kort vor der jungesten Veyde Ao. 1559 angevangen tho dantzen, imd vormalß ffanz unbewust gewesen, alß van frembden Orden ingeföhret. Wowol itt doch eine sonderlike Manere iß und se ock sonderlike Lede dartho gebruken. Damha de lange Dantz, darin se alle mit einander so dantzen willen, nha der Bege anvaten und diese iß twierley. •JBrst> lieh deTrymmeken-Dantz, somittTreden und Handgeberen sonderlich uthfferichtet wert, dergbken sin : Her Hinrich und sine Bröder alle dre etc. Item : Mi boden dre növische Mediin. Diese averst iß bi velen nicht mehr im Gebnike, demna, dewüe he gar dorch- uth affkamen und also vorgeten werden mag, ick dieses alhir berdre. De ander lange Böhme, G«soh. d. Tanzes. 4 Digitized by Google 50 den Ditmarsen zwei Arten des langen Tanzes, wobei sich alle Tanzenden nach der Reihe anfassten (also Reigen). Erstlich der Trimmeken-danz, der mit vielen Tritten und Handgebärden ausgerichtet ward. Zu Neocorus* Zeiten, Ende des 1 6. Jahrhunderts , war er schon außer Gebrauch. Nur wenige Lieder wurden dabei gesungen ; dergleichen waren : 1. Her Hinrich und ßne brOder alle dre [MB. 24]. 2. Mi boten drei hOvische mediin. (Text verloren.) Es war der Trimmekentanz ein getretener Tanz (der Vortrab bevor der Sprung losging) und bezeichnet der Name durchaus keinen kriegerischen Trommel- tanz (wie fälschlich früher von Müllenhoff ^ erklärt worden ist) , sondern er ist so be- nannt, weil er mit vielen Tritten und Handgebärden ausgeführt wurde. Trimmeke heißt eine Person, die sich ziert ; betrimmed [engl, trim) ^ fein, geziert in Gebärden und Mienen (s. Bremisches Wörterbuch 5, 109 und MüUenhoffs Abhandlung über Schwertertanz. Festgabe 1871, S. 128). Demnach ist ein Gebärdentanz, ein mimischer Tanz unter Trimmekentanz zu verstehen. Die andere Art des langen Tanzes erging sich fast nur in Hüpfen und Springen, daher Springeltanz genannt, und hatte heitern Charakter. Zu dieser Art wurden die meisten ditmarsischen Lieder gesungen. Bewahrt davon sind: a| Dat gelt hier jegen den famer [MB. 23]. b) Ik weet mi eine fchone maget [MB. 22^]. Die Ausführung beider Arten der Langtänze beschreibt Neocorus wie folgt: »Ein Yorsinger (der sich auch wohl einen Gehilfen zur Ablösung nimmt) steht und hält ein Trinkgeschirr in der Hand und hebt also den Gesang an. Wenn er einen Vers ausgesungen, singt er nicht weiter, sondern der ganze Haufe, der entweder den Gesang auch kennt, oder wohl gemerkt hat, wiederholt denselben. Und wenn sie es so weit gebracht haben, da der Vorsänger es gelassen, hebt dieser wieder an und singt abermals einen Vers. Sobald diesergestalt nun ein oder zwei Verse wiederholt sind, springt und thut sich Einer hervor, der vor tanzen und den Tanz führen will, nimmt seinen Hut in die Hand und tanzt gemächlich im Gema<^e Banz geit fast in Sprunge und Huppende. Dieser Art sin de aller meisten Ditmersche Lieder und Gesenge, wu hemha dersulven etliche, dar it vogliken gesehen kan, schölen gesettet werden, den Leser etlicher Historien kordioh tho berichten. It kan averst nicht unföglich jenne Trymmeken-Dantz de Vordraff und dise de Sprung, bi wo sonst in in andern Dentzen ^ebruklik, genöhmet werden, wo se dan also ock etlichen in Gebruke gesettet werden. Diese langen Dantze averst werden also geföret: De Vorsinger, de wol alleine edder ock wol einen tho sicknimbt, de den Gesang mit singen kan, da he ehne enüichter und helpe steit und hefft ein Drinkgeschirr in der Hant, hevetalso den Gesang an. Und wen ne einen Versch nthgesungen, singet he nicht voider, sondern de ganze Mupoi so entweders den Gesang ock weeä edder wol darup ffemerket, repetert und wedderhalet densulven Versch. Und wen sie it so veme ^ebracnt, dar it de Vor- singer gelaten, hevet he wedder an unde singet wedder einen Versch. Wen nun dieser Gestalt ein Versch edder twe gesungen und wedderhalet, springet edder gifit sick einer hervor, so vordantzen unde den Dantz vören will, nimbt sinen Hot in de Hant und danzet gemeklik im Gemake ummeher, vordert se dieser Gestalt upthom Danze (in den Geest- orden nimbt he wol ock einen Gehulpen tho sick, de ehme den Dantz vören und re- feren helpe), unde darup vaten se na gerat up der Rege an, doch dat ofit ehrlichen ersonen de hoge Hant gegunnet wert Als sick nun de Vordanzer richtet nha dem Gesänge unde Vorsinger, also richten sick de Nadenzer nha ehrem Vörer und alle Personen solches in so groter Einicheit, wes Statz und Standes se sin, dorch einander, dat ein Vordanzer in de twe hundert Personen an der Rege vören unde regeren kan.n ^ Prof. K. Müllenhoff hat später in meinem Mspt diese Stelle selbst berichtigt. Digitized by Google . 51 (Zimmer) umher und fordert auf diese Weise die Übrigen zum Tanze auf. Darauf fassen Alle nachgerade der Reihe nach sich an, doch so, dass angesehenen Personen die hohe Hand gelassen wird. Wie sich nun der Vortänzer nach dem Gesänge richtet, so richten sich die Nachtänzer und alle Personen, wes Standes sie seien, nach ihrem Reigenführer in so großer Einigkeit, dass ein Vortänzer bis in die zweihundert Tänzer regieren kann.« Soweit Neocorus. Man muss den Untergang der alten Tanzart des mitOebärdenspiel verbundenen Reigens bedauern. Sie war nicht blofi eine angenehme, maßvolle Leibesbewegung und reizvolle Schaustellung, sondern eine lebendige Begleitung des Liedes nach seinem Inhalte und seiner Form. Sie allein war fähig, Träger des Wortes und der Melodie zu sein. Der ernste getretene Tanz, sowie der ihm folgende Springtanz, beides Reigen, nach Neocorus lange Tänze, gingen allgemach hier wie in ganz Deutsch- land unter durch Einführung und Bevorzugung des Paarentanzes, »Biparen- danzes, darnach zwei und zwei tanzen«, der in Schleswig erst um 1559, nach der jüngsten Fehde von Süden her Eingang fand, vorher aber bei den Ditmarsen ganz ungekannt war. Es war der Paarentanz eine ganz andere Tanzmanier, obwohl dabei auch besondere Tanzlieder gebraucht wurden, meldet Neocorus. Ostfriesischer Tanz (Im 16. und 17. Jahrh.). Cadovius Müller, Pastor in Stetesdorf , hat in seinem »Memoriale linguae Fri- sicae« (1691} ein altes ostfriesisches Lied mitgetheilt. Es beginnt »Buske di Remmer«.^ C. Müller erzählt : Es sei kein anderes echt friesisches Lied mehr vor- handen, als dieses. Wie alt es sei und wer es gemacht, das habe ihm Niemand sagen können ; er habe daran nichts ändern mOgen , sondern Alles genau , wie es ihm diktirt worden , aufgeschrieben. Es sollten zwar noch einige Strophen dazu gehören, weil er aber Niemand getroffen , der sie gründlich gewusst , habe er das Lied so weit hergesetzt, als er es habe erfahren können. Auch die eigene alte Melodie (s. MB. 26} theilt er unverändert mit. »Nach diesem einzigen Liede (sagt Müller} haben die Ost fr lesen auch ihren einzigen und eigenen Tanz gehabt, welcher von vier Personen (zwei Männern und zwei Frauen oder Jungfrauen} ausgeführt wurde, und zwar nach dem Takt, darbey sie gar sonderbahre Actiones und Bewegung des Leibes, der Arme, Hände, Beyne, Kopfes und aller Glieder hatten und machten.« — Der Tanz sei daher schwer ge- wesen und habe Schweiß gekostet und jetzt (1691} sei er mit der alten Sprache auch verschwunden. Man habe dabei die Hurtigkeit der Friesen sehen können, die ihre Glieder nach dem geschwinden und langsamen Takt meisterlich bewegt hätten. Die Frauen hätten gleiche Posituren mit den Männern machen und mit gleichen Mienen ihnen alles nachthun müssen. Die Männer hätten beim Tanze mit den Händen zusammengeschlagen bald vorn , bald hinten auf dem Rücken, bald vor den Beinen, »welches Alles (r, föhrt C. Müller fort, »die Weibsbilder mitthun und mitmachen mussten, welches, wie ich's einstens gesehen, mir zwahr lächerlich, doch nicht ungeschickt vorkam.« Dann bemerkt Müller noch : «es sei zu erinnern, dass sie bei dem langsamen, traurigen Ausgange des Liedes ihre vornehmsten Posituren gemacht hätten.« 1 Neuabdruck des Liedes im Osterprogramm des kgl. Gymnasiums su Aurich 1867 durch Dr. K. Volckmar. Daher bei Böhme, Altd. Ldb. Nr. 295. 4* Digitized by Google 52 KrinzleintaiUE. Kranzsiiigeii beim Abendtanz und Kranzlieder. Das Yolksmäßige Kranzsingen (zum Unterschiede von dem bei Minne- und Meistersingern vorkommenden Singen um einen Dichterkranz) ist durch historische Zeugnisse und durch vorhandene Überreste alter Kranzlieder nachgewiesen. Der fromme Bruder Heinrich Suso (f 1365) berichtet aus seiner Jugend, die in das erste Viertel des 14. Jahrhunderts fftllt, dass das Kränzlein ersingen zum Neujahr in Schwaben an etlichen Orten Gewohnheit sei: dass da die Jünglinge Nachts ausgehen bitten des Qemeiten (d.h. um etwas Fröhliches) , sie singen Lieder und sprechen schöne GFedichte, damit ihre Liebsten ihnen Kränzlein (schapeltn) geben. ^ Seb. Franckin seinem Weltbuch (1542, Bl. 51^) zählt unter den Gebräuchen inF ranken am Johannistag auch folgenden auf: »Die Mädchen machen Rosen- häfen, d. h. sie nehmen irdene Töpfe voller Löcher, kleben letztere mit Rosen- blättem zu, stecken ein Licht in den Topf wie in eine Laterne, und hängen ihn in die Höhe zum Fensterladen heraus; da singt man alsdann um einen Kranz Meisterlieder. Sonst auch oftmals zur Sommerzeit, so die Mädchen am Abend in einem Ring herumsingen, kommen die Gesellen (Bursche) hinzu und singen um einen Kranz (gemeiniglich von Nelken [Nägelein] gemacht) reimweis vor. Welcher das Beste thut, der hat den Kranz.« (Original s. unter Johannistanz.) Das Kranz-Singen oder »Singen vmb Krentz an den Abendreyen« wird ver- boten durch das alte Amberger Stadtbuch 1554 : »Keine Jungfraw oder Maid soll den Handwerksgesellen vnd Knechten an einem Abendreyen einen Kranz zu er- singen geben. «^ Dass das Kranzsingen einen verliebten Sinn hatte, ist ohne Zweifel und darum war es so streng verboten. Jünglinge suchten dem Mädchen den Kranz abzu- gewinnen, weil ihnen dessen Besitz ein Recht über das Herz und die Liebe des Mädchens einräumten. »Wess Herz von Liebe brennt , der soll einen Kranz von Rosen tragen« heißt es in einem Tanzliede des Tanhusers [MSH. II, 83]. Ver- führerische Tänzer locken das Mädchen gar, mit ihnen in den einsamen Wald zu gehen und dort der Minne zu pflegen, weil sie durch den ersungenen Kranz dazu ein Recht zu haben glaubten: Vro maget, het ich iuch in einem holz, »Knappe, l&t iuwer wünfchen stän, da; nsme ich für den kränz, diu red ist gar verlorn ; den ir zesame hänt gelesen solte ich mit iu ze holze gÄn, von maniger hande bluot. mich st»che liht ein dorn ; s6 flüege mich diu muoter min, da; waere mir Ithte zom.« [Tanh. MSH. ü.] Die wachsamen Alten meinten freilich: dass die Mädchen und Bursche mit einander in den Hain (das Holz) zum Tanze laufen , das würde man ehedem nicht gebilligt haben : 1 »AIb zu Swaben in seinem (des Sdsen) lant an etlichen steten gewonheit ist an dem eingenden jar, so ^ant die jungling au; des nachtes in Unwissenheit und bittent des gemeiten, da; ist, sie smgent lieder und spreohent schöne ffetioht, und bringent ez zu wie sie mugent mit höflicher weis, da; in iriu liep schapelin gebent.« (Susos Leoen, Kap. IX. Diepenbrocks Ausgabe S. 24. Schmeller LEI, 375.) ' S. unter Polizei-Verboten unten. Digitized by Google 53 £; was hievor unbillich da; nun megde tuont, da; si ze holze liefen reigen Bam die knaben. [Stamheim, Bodmer 11, 56.] Die Scböne belobte ihren Tänzer und belohnte ihn mit dem Kranze, wenn er am besten sprang : 2>Se hin, lieber Nikkei mein, Junkfrau Metz, seit gebeten, nim von mir das rosenkrenzelein, ich will den reien mit euch treten wann du hast von mir das lob, umb euren kränz, den ir auf fürt, mit Sprüngen ligstu allen ob.« wenn ir meiner kunst wol spürt, der ich das pest heut hab getan, ich hof uns werd zu lohn der han. [Rappolt Manz.] Kränzlein-Tanz heißt noch jetzt in einigen Gegenden des bayerischen Hoch- gebirges ein Hochzeitstanz , wobei den Jungfrauen der Kranz (Sinnbild der Jung- frauschaft] mit List von jungen Leuten abgetanzt wird. [Schmeller, bair. Wörter- buch ü, 391.] YolksmäBige Kranzlieder,dieRäthsel enthalten und die heiterste Blüthe des Räthselwesens erschließen, und die nicht um den Schulpreis, sondern um den schönem Dank gesungen werden, kommen erst im 15. Jahrhundert zum Vorschein. Dazu gehören die beiden Kranzlieder »Ich kumm außfrembden landen her« (MB. 15) und »Hiet uß, arm und rlcha (Fragment in Breisgauer Mundart des 1 5 . Jahrhunderts, bei Uhland Nr. 2) . Sehr verbreitet und sehr beliebt mussten zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Tanz- und Kranzlieder sein, da in der Reformationszeit viele geistlich um- gedichtet wurden und wir dadurch die Melodien erhalten haben. So ist zum prachtvollen Straßburger Kranzlied »Ich kum aus frembden landen her« die Melodie in doppelter Lesart noch vorhanden (s. MB. 15): Einmal hat Dr. Luther den Anfang des Textes und die Melodie benutzt zu seinem Weihnachts- liede: »Vom Himmel hoch da komm ich herc (1535). Zweitens steht in J. Otts Liederbuch (Nürnberg 1544] ein Elranzlied mit Melodie, das vom Straßburger die zweite Strophe bildet: »Mit Lust tret ich an diesen Tanz« (s. MB. 15^). Von letzterem wieder ist auch die Melodie in einer geistlichen Umdichtung von Herm. Vulpius erhalten : Ein geistlich Reigenlied »im Ton , wie man umb Krenz singtc ; nach einem andern Druck heißt es »im Ton Aus frembden Landen komm ich her.« Der Anfang dieser geistlichen Parodie heißt: »Nun kum hertzu du junge schar.« Noch eine große Zahl von Tanzliedern, besonders Abendtänze (Abendreihen) wurden zu geistlichen Abendreihen gemacht (s. MB. 16 — 21). Vom Kranzsingen^ einem alten, sehr verbreiteten Gebrauche, giebt uns ein schwe- discher Rundtanz noch heute Zeugnis: »In dem Kreise der Tanzenden steht ein Mann oder Mädchen und windet einen Kranz. Die Tanzenden singen : Das Mägdlein (Bursche) steht hier mitten im Tanz Und pflückt sich Blumen wiinderfein. Sie (Er) windet draus den schönsten Kranz Wohl für den Herzgeüebten sein. Das Mädchen setzt darauf einem Burschen den Kranz auf, und die Andern singen : Digitized by Google 54 Komm du mein Geliebter her, Den ich mir hier ausersah, Willst du dies und wohl noch mehr , Reich die Hand und sprich ein Ja I Das Paar tanzt im Kreise herum und das Spiel begmnt dann von vom.«^ Drotter oder Drotter war ein am Ende des 15. Jahrhunderts beliebter Tanz. Stolle in der Erfurter Chro- nik (bei Haupt Vm, 318) erzählt : »Zu derselben czit (um 1480) ging uß der trottartt tantcz, der vor ny geseen was vnnd weret noch biß her.« Auch Brant im Narrenschiff (Kap. 85, Zeile 94) erwfthnt ihn. Da heißt es : Ynd dantzen jm noch synen reyen ^ bibst, keyser, künig, bischOff, leyen, der mancher noch nit hat gedacht, das man den vordantz jm hatt bracht, das er muiz dantzen an dem gzotter den westenwelder vnd den drotter. Der Name kommt jedenfalls her von trotten, was synonym ist mit treten, und erinnert an einen getretenen Tanz. Welcher Art er war, ist nicht näher be- kannt. Namentlich in der Reitkunst kommt das Wort vor, und bezeichnet Dr o tt, wie Schritt, Trab, Hoflin, Zelter u. s. w. verschiedene Gangarten des Pferdes. Gargantua (257) nennt sein Pferd »mein Trotterc. In den Fastnachtsspielen 436, 15 heißt es: »So wolt ich frischlich vmbher trotten. a Feyerltanz. Aventinusin seiner bayrischen Chronik, 1530 abgefasst, 1560 gedruckt, sagt S. 34 : »Mußten die Leut aUerley Täntz vnd Lieder lernen, den DrOtter, Feyerl- tanz ynd Reigen.«'^ Der DrOtter ist uns schon bekannt. Reigen als Gattungsname für geselligen Tanz bedarf keiner Erklärung. Was aber Feyerltanz gewesen sei, ist noch nirgends erklärt. Ihn für den Veüchentanz zu halten , den schon Hans Sachs in seinem Schauspiel Neidhart mit dem Feyhel (Veilchen) vorführt, wäre zu gewagt. Gegen die Herleitung von Feuer (üur) sträubt sich die Etymologie. Mit großer Wahrscheinlichkeit bezeichnet Feyerltanz einen Zauber tanz (von Fee, mhd. feie, daher feien = bezaubern, Feierei = Zauberei). Recht wohl könnten damit die wunderbare Wirkungen erzielenden , altmythischen 'Olnze um das Jo- hannisfeuer, Sprung über dasselbe, damit der Flachs gerathe u. s. w. , gemeint sein. An anderer Stelle bezeichnet veiertanz so viel als fürtanz = Vor tanz: Er ist ein ridewanzel in dem geu veiertanzel: sin gewalt der ist an dem reien under den kinden manecvalt. [Benecke, MSFr. 442,8.] * Rieh. Dybuk, Runa 4, 66 (1842). Übersetzt von K. Weinhold, Frauen 8. 360. ' Na«h der fabulösen Angabe des Aventinus sollen diese drei Tänze gar von einem alten Könige der Gallier, Bardus U herstammen, der um 2170 v. Chr. lebte, als Freund der Poesie der Barden, die nach ihm den Namen (Barden) bekamen. Digitized by Google 55 Firlefanz und Hottostan. In einem Liede der Bergreyen 1536 Nr. 42 (bei Uhland Nr. 245, Str. 7) werden diese zwei Bauemtänze erwähnt : Do pfiff er ihr den Firlefanz wol nach der Dörffer sitten, do tanzten sie den Hot tost an. Der Uottostan ist ein noch unerklärter Tanz. Noch in einem Lieder- Quod- libet um 1620, Grillenschwarm genannt (Hoffm. Weimar. Jahrb. UI, 126) kommt folgender Tanzreim vor : Tanzen wir, tanzen wir den Firlefanz von Schwaben. Es sind nicht all in diesem Reihn die wir sollen haben. Daraus entnehmen wir, dass der Firlefanz ein schwäbischer Volkstanz war, vermuthlich aus ^j^ Takt, wie die meisten Schwabentänze. Weil firle, gefirle in schlesischer Mundart soviel als hurtig, schnell bedeutet, mag es ein schneller Tanz gewesen sein. Überdies scheint mir der Firlefanz derselbe Tanz zu sein, den die schwäbischen Minnesinger im 12. Jahrhundert als firlef ei (vgl.oben S. 35 Nr. 3) erwähnen, und der bei Fischart als Firlefey angeführt ist. Noch jetzt hat man das Wort Firlefanz, verderbt aus fair Tenfant, und es bezeichnet so viel als Kinderei, Tändelei^ eiteln Schmuck. Der Zinner (Zenner^ Czewner) war im 15. — 17. Jahrhundert ein vielbekannter Reigentanz , scheinbar von sehr lustiger, ja leichtfertiger Art. Worin er bestanden ^ ist nicht sicher festzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er ein Reigen, bei dessen Ausführung die Tanzenden durch Verflechten der Hände und Arme eine Art Z aun bildeten. Einer stand als Solotänzer in der Mitte des Kreises und es galt, ihn nicht durchkriechen zu lassen, ähnlich wie solches noch in einem Kinderspiel J»Zaunbildena oder «Katze und Maus« geschieht. Bestätigt wird meine Annahme durch folgenden Bericht. In einer schlesischen Chronik des 15. Jahrhunderts wird der Czewner im Jahre 1406 als ein damaliger neuer Tanz angeführt. Der Berichterstatter, freilich erst um 1830, bemerkt dazu : «Nach der ungefthren Beschreibung bestand er in zwei Reihen von Tänzern, welche um die jedesmaligen Springer einen Zaun machten und sich tanzend herum be- wegten, wie es bei manchen Touren der Polonaise geschieht.« ^ Außer dieser Stelle, sowie bei Fischart (1590] und in Lautenbüchem um 1552 finde ich diesen Tanz angeführt bei Hans Sachs 1560 : Da wir herritten wie Zigeuner als weiten wir danzen den Zeiner. In einem Fastnachtsnarrenliede [Bergreyen 1536, daher bei Uhland 242, Str. 3] heißt es von den Schellenbändern an den Knieen der Narren : 1 J. G. Berpoann, »über Schlesische Modet&nze im Jahr 1406.« Aufsatz in der All- gemeinen Geschichtskunde des I^eußisdien Staates 1(1830), S. 280. Digitized by Google 56 Wo die am tanz herklingen, ir keiner wil sich säumen nit am z e u n e T frei zu springen. In Herzog Ferdinands italienischen Reisen 1503 [Freyb. Samml. IV, 333] heißt es: »In einer ComOdi zu Florenz haben 12 nackhent nymphä und so viel latyri (zum Schluss) durch einander, wie einen Zeuner, getanzt.« Noch wird er in Chr. Weiße*s drei Erznarren (1673) angeführt als ein 1530 in Danzig und 1602 in Leipzig von nackten Personen dargestellter, iudecenter Tanz [Citat s. Kap. VII unten] . Die Musik zum Zeuner habe ich in zwei Lesarten gefunden und beigefügt in MB. 59 und 137. Sie sind entnommen dem Lautenbuch von Heckel 1562 und einem Buch für Cither 1590. Aus der Musik ersehe ich nur so viel, dass ein damals beliebtes Lied »Ich zeunt mir nechten einen Zaune (XJhland 51; Böhme, Alt- deutsches Liederbuch Nr. 141) nicht zum Zeuner gesungen wurde, weil dieses eine ganz andere Melodie hatte. Der Scharer oder Schartanz ist noch jetzt im bayerischen Hochlande ein Hochzeitstanz zuEhren des Brftutigams« Dabei bezahlt eine gewisse Anzahl (eine Schar) von Tanzpaaren, die sich verab- reden , die Musik , und so geht*s nach Lust und Ordnung halber weiter. [Wolf, Ztschr. f. Myth. U, 130.] Das scharenweise Tanzen soll also den Unterschied vom Solotanz und von den einzeln bezahlten Schnadahüpfln bezeichnen , nicht etwa das Scharren mit den Füßen. Damit stimmt auch Schmeller (bairisches Wörterbuch DI, 381) überein : JiSchar heißt im bairischen Oberland die Reihe oder Tour , nach welcher Mehrere, sich einander ablösend, irgend etwas vornehmen, namentlich die Tanztour, der Reihen. Beim Schar-tanzen gilt daselbst die Sitte, dass bei jeder Schar (nach- dem sie an die Musikanten gewöhnlich mit 12 Kreuzer bezahlt ist) in der Regel nicht mehr als vier Personen tanzen dürfen. Ist die Schar (Tanztour) zu Ende, so zahlen tmd tanzen andere vier, oder auch nur drei, zwei oder ein Pärchen. So kommen alle genügsamen Tänzer nach und nach an die Reihe. Für die Ungenüg- samen, bei denen jede Schar nur neue Lust zu einer gleich nachfolgenden zweiten, dritten u. s. w. entzündet, besteht zu Recht das Nachzahlen , bei steigender Taxe für jeden folgenden Tanz. Sich sehen lassen, indem man für sein Geld allein mit seinem Dirnel dahintanzt und die neidischen Zuschauer recht lange ungeduldig warten lassen , gehört mit zu den heftigsten Wünschen des ländlichen Ehrgeizes und der bäurischen Prahlerei. »Was a steifTe Bua is, schwingt sei Beudel i de Luft und schnellt a paar Vierezwaenzgel, wenns a Taler wan (wären) , unte de durstinge Qeige^ daß's e Freud is. Dann beginnt das Drehen und Takttreten, Händeklatschen und Jauchzen und Singen, daß d' Leut i vierze Tagn no z'vo zelln habn , wie de Kreil si augfüert had am Omunde Eirdo (Kirchtag).« Eine Melodie des Scharers hat sich in einem Lautenbuch von 1562 erhalten (s. MB. 62). Wenn sie »welsch« Scharer genannt ist, soll die Beifügung nur eine Anpreisung des neuen Artikels sein, nicht aber das Importiren aus Welsch- land anzeigen. Der schwarze Knabe war ein Volkstanz, welcher nach Fischarts Andeutung (s. S. 49) von einem schwarzen Knaben handelt, der gern ein braunes Mägdlein haben wollte , aber nicht bekam. Digitized by Google 57 War das nun ein Fangspiel? oder ein Lied vom braunen Mflgdlein, das man sum Tanze sang? Nach der Notiz ist die doppelte Annahme zulässig. Ein Text wird nicht angeführt. Die Tanzmelodie für Laute ist uns erhalten (s. MB. 61) . Uhlands Vermuthung (Schriften 4, 189], dass der Ausdruck einen schwarzen Knecht, einen Landsknecht der »bände noirec bezeichnen könnte, ist hinfällig. Auf dem Kupfer- stich des Baseler Todtentanzes von Merian 1621 ist dem Tode folgender an den Kylbe-Pfeifer gerichtete Spruch in den Mund gelegt : Was wöUn wir für ein Tftnzle haben, den Bettler oder schwarzen Knaben? Nicht unmöglich ist es, dass ein in der Schweiz und in Sachsen von Kindern noch gekanntes Fangspiel, genannt der schwarze Mann, mit dem schwarzen Knaben in Verbindung steht oder gar ein Überrest jenes Tanzes des 1 6 .Jahrhunderts ist. Die Ausführung in der Schweiz ist nach Rochholz, alem. Kinder- lied 376 folgende : »Eine Art Ringelreigen wird getanzt unter Hersagen des Reims : »Schwarzer M&, läng mich nit an!« Die Spielenden stellen sich der Größe nach in eine Reihe, zählen sich ab. Wen die Zahl 9 trifft, der wird schwarzer Mann. Sein Spielgebiet wird ihm mittels eines in den Boden gesteckten Stabes mit darüber gehängter schwarzer Mütze angewiesen; zwei Steine oder Bäume bilden die Gebietsgrenze. Ein Jedes, das er innerhalb seines bestimmten Kreises er- haschen kann, ehe es das Ziel erreicht hat, muss sich zu ihm gesellen und mit fangen helfen. »Förchts üch Tor'm schwarze Mä?« ruft er in den Haufen. Die Ver- wegenem antworten mit Nein und wagen sich aus der Freiung heraus. »Was macht ihr, wenn der schwarze chumt?a fragt er weiter. »Usflüge machen«, schreien die Andern.« Prof. Rochholz hält dieses eben beschriebene Spiel für einen Über- rest der Pest- oder Todtentänze (s. oben S. 47). Bettler-Tanz hieß ein deutscher Volkstanz des 16. Jahrhunderts, der seine Melodie dem alten Volksliede vom Bettler (Uhland Nr. 288; Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 46) entlehnt und davon seinen Namen erhalten hat. Der Anfang des Textes lautet : Der reich Mann war geritten aus. Da kam ein Bettler für sein Haus, Der bat die Frauen um ein Gab, Dass sie ihm gab' von ihrer Hab. Das Heiaho 1 Der Inhalt des Liedes handelt von einem in Bettlergewand verkleideten Aben- teurer, der in Abwesenheit des geizigen gestrengen Ehemannes bei der Frau ein- kehrt^ um eine Gabe sie anspricht und in Ermangelung aller Lebensmittel, die eingeschlossen sind, von ihr die höchste Liebesgabe empfängt. Dass die Tanz- melodie dazu (MB. 58) \mklich die für Laute figurirt gesetzte Gesangweise des Volksteztes war, ist aus der Nebeneinanderstellung beider zu erkennen. Wie der Tanz ausgeführt war^ ist aus dem 1 6. Jahrhundert nicht zu erkunden. Dass es ein wildlustiger Tanz war, ist zu folgern, weil er 1 580 durch Landesverordnung in Kursachsen verboten wurde. Es war jedenfalls ein alter Hochzeitstanz. Wir er- fahren aus späterer Zeit seine Ausführung : »Alle Paare tanzen eine Ronde , links Digitized by Google 58 oder rechts herum, indessen ein einxelnes Paar in der Mitte des Kreises Stellungen und Spiele ausführt« (Voss, Tanz 330) . Wer denkt hier nicht an das bekannte, in Thüringen und Sachsen noch übliche Pfänderspiel, der polnische Bettelmann, der für sich ein Stück Brot und für seine Frau einen Euss, oder umgekehrt, von der im Kreise sitzenden Spielgesellschaft verlangt I Ich vermuthe , dass aus jenem verbotenen Bettlertanze das besagte Pfänderspiel entstanden und noch ein Überrest ist. Auch das Kusswechseln beim betreffenden Pfänderspiel könnte noch ein Nach- klang des alten Bettlerliedes sein, dessen Inhalt vielleicht schon im 16. Jahrhundert durch Vorführen eines Bettlers und seiner GOnnerin dramatisch im Tanzspiel dar- gestellt wurde. Auch soll nach Voss (358) es im Mittelalter einen »Philippinen- tanz c gegeben haben, der ein Herrentanz war, im Gegensatz zum Bettlertanz. Ganz derselbe Tanz wie der eben beschriebene heiüt im österreichischen der Bußl-Tanz (d. h. Kuss-Tanz), der ebenfalls bei Hochzeiten zur Aufführung ge- langt (s. Voss 334) . In Böhmen heißt dieser mit Spiel verbundene Ringelreigen Kolo. Voss (Tanz 334) beschreibt ihn so : »Eine Anzahl Tanzender bildet eine Ronde und bewegt sich links oder rechts herum, indessen einzelne Paare oder Per- sonen abwechselnd in der Mitte des Kreises verschiedene Spiele und Gruppen aus- führen und dann Walzer oder Polka herum tanzen.« Vom Bettlertanz ist meines Erachtens zu unterscheiden der Betteltanzy der zu Anfang oder am Schluss von Hochzeiten noch jetzt in Bayern (s. Kap. XIII) vorkommt. Seinen Namen hat er davon, dass während des Tanzes die Zeche einge- sammelt wird, somit ist es ein Umzug zur Gabeneinsammlung, verbunden mit Tanz. Es mag dieser Brauch sehr alt und oft sehr wild und lärmvoU verlaufen sein ; denn es entstand eine sprichwörtliche Redensart »da ging der Betteltanz losa. Darunter versteht man Hader, Streit und Prügelei, womit oft Tanzgelage endigen. Die schone MflUerin. Zu diesem Tanze diente die Melodie eines unsaubem Liedes, das im 16. Jahr- hundert viel gesungen wurde und den Schwank behandelt, wie eine schöne Müllerin einen liebebedürftigen Domherrn, der sie einladet und bezahlt^ hintergeht, indem sie eine Eselin in sein Bett bringen lässt. Die erste Strophe lautet nach dem Am- braser Liederbuch von 1580 Nr. 20, J. Ott* s Liederbuch 1544 Nr. 48 und Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 4 4 : Ich weiü eine stolze müllerin, die deucht sich hübsch und klug. Vom Oberland bis an den Rhtn wo findt man ihren fug? In einem dorf sie saß, gen march da tet sie laufen, tet ir hüner verkaufen, als ir gewonheit was. Die Tanzmelodie ist die Volksliedweise , nur für Laute zurechtgemacht, wie solche in Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts oft vorkommt. (MB. 57.) Digitized by Google 59 Der Benzenaner oder der »BentEenawer in Tantz-Weisec war das zu einem Tanz verwendete Lied von dem berühmten Helden in der Schlacht bei Kopfstein 1504 : »Nun wend ir hören singen« [s. Uhland, Volkslieder 174 ; Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 381]. Die Melodie ist in der Baseler Handschrift 1 544 für Tanz umgearbeitet , indem sie aus dem geraden Takte in den Tripeltakt gesetzt ist (s. MB. 60) . St Jacobs-Tanzy der im 16. Jahrhundert als St. Jacobis-Dantz angeführt wird, hat mit dem Jacobi- Festtanz nichts zu thun, sondern bezeichnet eine Tanzmelodie, die zu dem im 14. bis 16. Jahrhundert viel gesungenen, berühmten Liede der Jacobsbrüder ge- hörte und anhebt : Wer das elent bawen wel, der heb sich auf und sei mein gfel wol auf sant Jacobs ftraßen. zwai par schtch der darf er wol, ein schüßel bei der 'flaschen. Text bei Uhland Nr. 302 ; Wunderhom, Erks Ausgabe 11, 338. Melodie im Alt- deutschen Liederbuch Nr. 610. Lobetänze. Sie sind eigentlich Verlobungs- und Ehevermittler und scheinen nur im Meiß- nischen gekannt und slawischen Ursprungs zu sein. Erwähnt und zugleich erklärt sind sie in Spangenbergs Predigt der Ehespiegel 1570, wo es heißt: »Unsere Vor- fahren haben öffentliche T&nze auch darumb gehalten , damit ihre Kinder von den Nachbauen! gesehen werden, Ehestifftungen fürzunehmen. Daher in Meißen und anderswo, jährlich zu gewissen Tagen, jetzt auf diesem, dann auf dem andern Dorf, durch der Oberkeit Verordnungen dieLobe-Tänze gehalten werden.« Schon in einem Fastnachtsspiel des 15. Jahrhunderts: »Ein Spiel von Frau Jutten«, sagt Lucifer : Alle meine liebe hellekint, die mit mir in der helle sint, Krentzelin und Fedderwisch, dazu Nottis ein teufel frisch, Astrott und Spiegelglanz, macht mir einen Lobe tanz. Eine Notiz im historischen Büderhaus des J. D. Ernst sagt: im Jahr 1458, am heiligen Himmelfahrtstage ging ein Bürger zu Pirna in Meißen mit seinen Haus- leuten und etlichen Schülern hinaus zum Loschwitzer Lobe tanze. Der Name kommt auch in amtlichen Verordnungen (s. unten) vor und außer- dem in einem Lied, das 1730 als Nr. 83 im Bergliederbüchlein und daraus im Wunderhom IV, 128 abgedruckt steht: Ich brach mir die Röslein abe zu einem Kranze, Ich schickt sie meim Feinsliebchen zum Lobetanze. Digitized by Google 60 Die sächsischen Wenden nannten den Lobetanz Li o s tan z , auch Sperlin gs- kirmess (robliaza kermuscha], und hielten dies Tanzfest zur Zeit der Hixsenreife ab. Es war zugleich das wendische Erntefest. Aus einer Chronik des 15. Jahrhunderts (?) werden um 1406 (wohl 1604?)^ folgende damals üblichen neuen Modetänze angeführt : 1. der Zwölfmonatstanz, 6. der Vortanz, 2. der Todtentanz, 7. der Czewner (Zäuner), 3. Polnischer Tanz, 8. der Taubentanz, 4. Capriolentanz, 9. der Schmoller, 5. Dreh tanz, Wir geben die Erklärung dazu, wie sie der Berichterstatter (1830) nicht ur- kundlich, aber doch scheinbar auf chronikaler Grundlage beifügt. 1. Zwolfmonatstanz. »Zwölf Paare traten in einen Kreis , ohne sich die Hände zu reichen. Sobald die Musik von ein paar Pfeifen, einem Dudelsack und einer Trommel ertönte (die indess nur dazu da war, den Takt anzugeben), stampften die Tänzer mit dem rechten Fuße auf, klatschten in die Hände und gingen dann unter frohem Jauchzen erst mit dem in den Kreis gekehrten , dann mit abgewandtem Gesichte , mehreremale rings herum^ Dann gruppirten sich vier Kolonnen, die wahrscheinlich die vier Jahres- zeiten bedeuten sollten, und wiederholten dieselben Touren im Kleinen , doch so, dass eine Kolonne nur immer allein tanzte. Zwischen diesen stampfte die ganze Versammlung von neuem gemeinschaftlich mit den Füüen auf und klatschte in die Hände. Zuletzt reichte man sich die Hände und schloss mit einem lauten Jubel- geschrei.« Scheinbar sollten durch die zwölf Tänzerpaare die zwölf Monate und durch aller- lei Bewegungen und Aufzüge das Ab- und Zunehmen des Mondes figürlich dar- gestellt werden. 2. Der Todtentanz kommt im 15. bis 17. Jahrhundert vor und war auf Hochzeiten in Schlesien, Ungarn, Berlin und der Mark Brandenburg beliebt, so dass ich slawischen Ursprung vermuthe. So schauerlich auch der Titel des Tanzes klingt, war er doch recht amü- sant: es war ja eine Art Kotillon, ein Gesellschaftsspiel mit Kuss. Ein Tänzer oder eine Tänzerin wird durch das Loos bestimmt, die Rolle der Tanzleiche zu übernehmen. Wer durch das Loos getroffen wird, begiebtsich in die Mitte des Saales. Alle andern scharen sich Paar an Paar, und jubelnd und jauch- zend unter fröhlichen Klängen der Musik beginnt der Tanz. Plötzlich verstummt Alles: die in des Saales Mitte gestandene Person fällt nieder und stellt sich to dt, derweil die tanzende Gesellschaft einen auferweckenden Todtengesang anhebt (MB. 305) . War nun der Todte ein Mann, dann gehen alle Ftauen nacheinander zu ihm und küssen ihn. Er muss aber aufpassen, sich nicht dabei zu bewegen. Spielt 1 L. v.Ledebur, Allgem. Geschichtskunde des Preuß. Staates I (1830), S. 278—80. Artikel von J. G. Bergmann, »Schlesisohe Modetänze im Jahr 1406.« Der Artikel ist sehr wenig vertrauenerweckend geschrieben. Die Jahrzahl 1406 halte ich für einen Lese- oder Schreibfehler, vielleicht 1604. Die Tänze dort' sind kaum dem Anfang des 15. Jahrhundert, sondern erat dem 16. Jahrhundert angehörig. Digitized by Google 61 eine Frau die Rolle einer Tanzleiche, dann kommen alle Männer her, ihr einen Kuaa zu geben. Wenn endlich die ganze Qesellschaft ihren Euss gegeben hat^ l&llt die Musik ein mit fröhlicher Weise, der Todte steht auf und die Andern führen einen großen Rundtanz um ihn her aus. Gewöhnlich wird der gleiche Tanz noch einmal wiederholt, wozu man wieder eine andere Tanzleiche (jetzt von abwechseln- dem Geschlecht) durch das Loos erkiest. Der ungarisch-dacisohe Simplicissismus (1683) erzfthlt: »Sonaten habe ich in jeder Ungarischen Stadt bei einer Leich einen sonderbaren Tanz gesehen. Da legte sich Einer mitten in die Stuben , streckte Hand und Fü£ voneinander, das Angesicht war ihm mit einem Schnupftuch verdeckt , er lag da und regte sich gar nit. Da hieß man den Spielmann den Todten-Tanz mit dem Bockpfeiffer machen. Sobald dieser anhub, gingen etliche Manns- und Weibspersonen singend und halb weinend um diesen liegenden Kerl, legten ihm die Hand zusammen auf die Brust, banden ihm die Fuß, legten ihn bald auf den Bauch, bald auf den Rücken und trieben allerlei Spiel mit ihme, richteten auch solchen nach und nach auf und tanzten mit ihme. Welcher gar abscheulich anzusehen, weil sich dieser Kerl nit im Geringsten sich regte, sondern eben wie sie ihme die Glieder richteten, also gleich- sam erstarrt dastund. Und habe solches abscheuliche Spiel auch auf den Hoch- zeiten, gleichsam als eine Recreation oder Fastnachtspiel prakticiren gesehen. Bin aber sicher berichtet worden , dass einmal Gott einen solchen Spieler gestraft und der, so der Todte sein sollen, wahrhaftig gestorben und todt liegen blieben.! 3. Polnischer Tanz. »Er war wahrscheinlich der heutigen (1 830) Polonaise ähnlich, wenigstens wird er als der ruhigste und gesetzteste Tanz gerühmt und erfordert, wie die alte Chronik (1406) sich wörtlich ausdrückt, große Reverenz, liebliches Neigen mit Buken und Knippen und Knappen.« Dass die Musik aus ^4*^^^ &^ ^^^ <^®Q heutigen Rhythmus der Polonaise hatte, ist zu bezweifeln. Ende des 16. Jahrhunderts hat der »pohlnische Tanz« geraden Takt (MB. 136. 174. 175). Jedenfalls war dies kein Volkstanz, ebensowenig der folgende. 4. Der Capriolentanz. »Er wird beschrieben als ein Tanz, »bei welchem in hohen und niedem, halben und ganzen Capriolen zwerch und überzwerch gesprungen wurde , und wozu viel Übung gehörte. Die Musik dazu scheint Anglaisentakt gewesen zu sein. Bei diesem Tanze gab es Veranlassung zu allerlei unartigen Sprüngen.« 5. Der Drehtanz war »vermuthlich ein dem Walzer ähnlicher Tanz oder eine Art von Ronde (Rund- tanz) ; wenigstens konnten Viele auf einmal tanzen.« 6. Der Tortanz war wohl keine besondere Tanzart, sondern ist damit der erste Tanz gemeint, den man Ehrenpersonen einräumt. 7. Der Czewner. Seine Beschreibung habe ich schon oben S. 55 unter Zäun er beigebracht. Digitized by Google 62 8. Der Tanbentanz, iMiessen Eigenthümlicbes höchstwahrscheinlich in dem hüpfenden Zusammenklopfen der Füfie (nach Art der Masureks) bestand«, ist noch jetzt in Russland üblich und wurde durch Trippeln das zärtliche Liebesg^en der Tauben darin nachgeahmt. 9. Der SchmoUery »wobei die tanzenden Paare in scheinbarem Unwillen einander den Rücken zu- kehrten und sich dann endlich wieder versöhnten«, machte gewöhnlich den Be- schluss der Hochzeitstftnze. ,,8cliwftbiscli.<< Eine Spur davon, dass im 16. Jahrhundert schon »Schwäbischa — also unser Walzer — getanzt ward, finden wir in der Schrift: »Der Hoffartsteufel.a Er schil- dert den Spiegel und das Spiegeln und sagt dabei: »Und ist nun unter andern Stücken der Hoffart, dass man bei Manns- und Weibspersonen findet, die ihre eigene Übung vor dem Spiegel haben , hin und her treten , hinten und vom sich schauen, sich recken, lenken, biegen, den Schwäbischen Tritt, so zumOepräng gehört, versuchen, sanft und leise mit zerbrochenen Tritten auf tausend Gülden umher schwanzeliren.« [Voss S. 140 bemerkt dazu, dass Tritt die alte Bezeichnung für Pas ^ Tanzschritt sei, und vermuthet mit Recht hier den ))schwäbiBchen Tanz«.] Franziska von Buchwald, geborene Freiin von Neuenstein, erzählt, dass sie bei Gelegenheit der Vermählungsfeier der k. Prinzessin Friederike Sophie Wilhel- mine mit dem Erbprinzen von Baireu th im Jahre 1731 am Hofe zu Berlin die Freude hatte, mit dem Kronprinzen (nachherigen König Friedrich 11.] Schwäbisch zu tanzen, und dieser ein ausgezeichneter Tänzer sei. Unter Schwäbisch ist doch nichts anderes als Walzer zu verstehen, meint Voss. Ich stimme bei. Der Belhen-ans bedeutet ohne Zweifel den letzten Tanz, die letzte K6r (Tour) , was an andern Orten bis heute Kehraus oder Kehr ab (MB. 77) genannt wird. Erwähnt ist er in einem Trachtenbuch des 16. Jahrhunderts. Die Stelle (abgedruckt in : »Die gute alte Zeit« S. 429) lautet: »Adi. 23. Juli 1560 habe ich (Veit Conrad Schwarz, Buchhalter der Herren Fugger in Augsburg) und Hanns Amman der jüngere, Raien-auß auf deß Se- bastian Zachen Tannz auf der Kaufleut Stuben, da dann auch seine Hochzeit was, gethan. Den Krantz heftet mir die wohlgebome Junckfraw Veronica Fuggerin auff, Herrn Antoni Fuggers Tochter.« Von der musikalischen Beschaffenheit der Bauerntänze können uns die im 15. und 16. Jahrhundert gesungenen Tanzlieder einen Begriff geben. Wenig zu- treffend wird der unter den Lautenstücken mitgetheilte »Bawrentantztf (MB. 65) die Tanzweise charakterisiren, weil die Laute kein Baueminstrument war und dort ein Stück fast wie das andere, der Bawrentantz wie der Burger- und der Hofetanz klingt. Ein besseres, zuverlässigeres Bild gewähren uns jedenfalls drei Bauern- tänze des 16. Jahrhunderts aus Frankreich (s. MB. 129). Wir dürfen wohl schließen : so ähnlich waren auch damals die deutschen Bauemtänze beschaffen. Digitized by Google 63 einfache und natürliche Musik, die aher nichts von besonderer Grobheit und Tölpelhaftigkeit aufweist. Die auffallende Derbheit und DOrperhaftigkeit könnte sich am Ende doch wohl nur in der Ausfahrungsart , nicht in der Musik selbst darstellen. Die Musikbegleitung zum Tanz wie zum Reigen ward zumeist von der Geige, der Pfeife und Trommel, sehr oft auch von der Drehleier ausgeführt. Häufig wurde aber auch nach dem Gesänge getanzt, welcher theils vom Chor ange- stimmt , theils und noch öfter von einem Vorsänger vorgetragen wurde und zwar so, dass die Gesammtheit den Kehrreim (Refrain) nachsang. Es gab besondere Tanz- und Reigenlieder, davon sich manche erhalten haben, die wir Kap. XV besprechen und in den Musikbeilagen vorführen werden. B. Handwerker- oder Zunft-Tänze im 14. bis 16. Jahrhundert. Zu den Kennzeichen einer gesunden und fröhlichen Vorzeit und zu den be^ sondern Beweisen des Wohlstandes und Flores der Handwerker gehüren ihre öffentlichen festlichen Aufzüge und Tänze, von denen einige alljährlich, andere nur bisweilen gehalten wurden. Besonders hat sich die alte gewerbfleißige Reichsstadt Nürnberg eines lustigen Festlebens der Handwerker zu rühmen und sind die Chroniken dieser freien Stadt voll von Berichten über solche Handwerkerfeste. Da sehen wir mit obrigkeitlicher Erlaubnis aufziehen und zum Beschluss der Festlust ihre Tänze aufführen : Becken und Lebküchner, Leinweber und Barchentmacher, Bortenmaoher (Posamentirer] , Fischer (Fischerstechen auf der Pegnitz), Metzger (Fleischer], Büttner (Schäffler), Messener (Messerschmiede] , Hufschmiede, Rothschmiede (Kupferschmiede] , Zirkel- schmiede (Zeugschmiede), Schellenmacher, Plattner (wozu Drahtzieher, Harnisch- macher und Nadler gehörten), Lederer (Gerber, Weiß- und Rothgerber] , Schneider, Schuster , Schwabenweber (Tuchmacher) , Schreiner (Tischler) , Schlosser (wozu Platt-, Löth- und Feuerschlosser und Uhrmacher zählten), Kannegießer (Zinngießer), Töpfer ; sogar die Gänserer (Gänsehirten) fehlten nicht bei Aufzügen. Die meisten Aufzüge der Handwerker, wie wir sie bei großen öffentlichen Festlichkeiten in den meisten Großstädten bis vor Kurzem noch sehen konnten, haben für die Tanzgeschichte weiter kein Interesse und blieben in ihrer Form Jahr- hundertelang immer gleich: Die Innungen, Meister, Gesellen und Lehrjungen eines besondern Handwerks , ziehen festlich geschmückt , mit ihren Innungsabzeichen. Fahnen und Kränzen , auch Trinkgeschirre tragend , mit Musik von Pfeifen und Trommeln, durch die Stadt nach einem bestimmten Hause, wo sie fröhlich zechen und tanzen. Wie in Nürnberg, so war es auch in andern größern Städten. Von Augs- burg und dessen Tanzlust schreibt P. v. Stetten in seiner Geschichte der Stadt Augsburg (n, 161): »Sobald in unserer Stadt durch Handlung und Gewerbe Wohl- stand emporkam, so zeigte sich auch guter Muth und Fröhlichkeit. Selbst das ge- meinste Volk belustigte sich mit Zechen und Tänzen auf offnen Straßen in fröh- lichen Gesellentänzen der Geschlechter , um Kränze und Hahnen zog es jauch- zend in der Stadt umher, zechte vor den Thüren der Häuser an zubereiteten Tischen und Bänken und beging dabei mancherlei Unordnung , dass endlich die Obrigkeit für nöthig fand, dergleichen Ausschweifungen Einhalt zu thun und im Jahr 1512 dergleichen Gesellen-, Kranz- und Hahnentänze gänzlich abzustellen.« Digitized by Google 64 Im Gänsen darf man annehmen, daas es bei den Handwerkertänzen nicht roh und sittenlos hergegangen ist. Die ehrbaren Meister und Altgesellen jeder Zunft wachten streng über Btlrgersitte und wurden einzelne Ausschreitungen auf Grund des Zunftgesetzes, das in der Innungslade aufbewahrt lag, hart bestraft. Die Polizei hatte höchstens FQrsorge zu tragen, dass nicht bei den Innungsfesten zu großer Aufwand gemacht wurde und dass man nicht mehr als eine festbestimmte Zahl von Pfeifern und Posaunenbläsem dabei haben durfte. Die Sittenprediger und Straf- redner haben wohl viel zu tadeln an Kirmes-, Pfingst- und Hochzeitst&nzen der Bauern, wenig Stoff zu ihren Zornausbrüchen fanden sie bei den Handwerker- tänzen. Die Zeit, zu welcher diese Handwerkerfeste gehalten wurden, waren gewöhn- lich der dritte Pfingsttag, die Fastnachtszeit [Aschermittwoch), auch zuweilen Johannistag. Besonders wichtig im Handwerkerleben war der Dinzeltag, schwäbisch Denzeltag, bei Fischart erwähnt als Dintzeltag. Es war der Tag der jährlichen Versammlung einer Zunftgenossenschaft, wo unter Leitung der gewählten Vor- stände (Vierer, Altgesellen etc.) die Angelegenheiten der Zunftgemeinde, z. B. Auf- nahme neuer Meister , Verhängen von Handwerksstrafen , Freisprechen der Lehr- linge etc. abgethan wurden. Hier und da wurde dieser Tag mit einem religiösen Akte (gemeinsamen Anhören eines »Meßambts«} eröffnet, fast aberall aber mit einem gemeinsamen Mahle und fröhlichem Tanze beschlossen. In dem Augs- burgschen »'s Jahr einmalflr 1764 heißt es vom Monat September: »Auch thut man, wie ich hör und seh, Das Jahr einmal dem Geld recht weh. Da vil Handwerker kostbar dänzlen. Und ob die Jungfern ihre Kränzlen Allzeit beibringen unverletzt? Bleibt hier die Antwort ausgesetzt.« [Schmeller I^ 387.] Bezeichnend für das bezügliche Handwerk hatten die Messerschmiede ihren Schwertertanz, ,, Büttner (Böttcher) ,, Reiftanz, ,, Tuchmacher ,, Fahnen tanz. Die Metzger, in Erinnerung an die altheidnischen Opferpriester hatten einen Tanz um einen angeputzten Fe st ochsen, oder eine vorangetragene, geschmückte, große Wurst. Vom Schwerter- nnd Beiftanz bei Handwerkeraufzügen geben uns die Chronisten vieler Städte Bericht und Be- schreibung. Voran steht der Schwertertanz der Nürnberger Messerschmiede. Die Messerer sollen schon 1350 vom Kaiser Karl IV. ein Privilegium erhalten haben, in Nürnberg um Fastnacht ihren Schwertertanz zu halten. In alten Chro- niken sind vom Jahre 1490 bis 1615 viele solche Aufzüge der Nürnberger Messer- schmiede beschrieben.^ Diesen Schwertertanz hielten sie alle sieben Jahre, setzten Kosten halber ihn wohl zuweilen aus und hielten ihn auch wieder schneller hinter- einander. Gewöhnlich ritt eine Rathsperson (der Stadtschreiber) mit einem Spieß- 1 In Siebenkees, Materialien zur NOmb. Gesch. U, 197 ff. sind viele verzeichnet. Digitized by Google 65 jungen und 8 Einspftnnigem ihnen yoraus. Vor dem Rathhanse angekommen^ tanz te n sie und hielten mit erhobenen Schildern eine Fechtschule. Dieser Schwerter- tanz der Nürnberger Messerer war noch um 1850 in Gebrauch, wie Panzer (Bai- ' rische Sagen 11, 247) berichtet Ähnliche Schwerttänze wurden im 16. Jahrhundert auch anderwärts, so zu Frankfurt a. M.^ und Prag von den Federfechtem und Marxbrüdem bei öffent- lichen Aufzügen ausgeführt. So war es auch in Augsburg.2 In Sachsen wurden solche von Messerem und Fleischern zu Fastnacht gehalten. ' In einer Verordnimg des Bathes zu Köln über Fastnachtfeier 1487 werden neben den Mummereien auf das Strengste die damals als Fastnachtspiele beliebten Schwert- und Reif tanze verboten.^ Der Schwerttanz und ein damit verbundener Reif tanz werden unter den Fastnachtslustbarkeiten erwähnt, die 1518 zu Zwickau abgehalten wurden^ wo damals Herzog Johann glänzend seinen Hof hielt. In Tobias Schmidts Zwickauer Chronik (11, 275) heißt es : »Die Lustbarkeit begann mit einem Turnier, zu welchem mehrere Fürsten (darunter Friedrich von Weimar), Grafen, Edelleute, Bischöfe und Äbte sich einfanden. Darauf wurde zu Ehren der Fürsten und Frauen die Comedia Eunuchus aus dem Terentio ordentlich imd wohl gespielt. Als Zwischen- spiel gab man eine Aktion, in welcher sich 7 Weiber um einen Mann zankten und schlugen, und eine zweite, in welcher 7 Bauembursche um eine Magd freiten. Das ging Alles wohl und lustig ab. »Darauf erschienen 20 Fleischer, welche mit einem in eine Kuhhaut ein- genähten Menschen Fangball spielten, zur großen Ergötzlichkeit der Zuschauer. Dann hielten 24 Männer einen Schwerttanz. Auf dem Schlosse aber hielten ihre Zwölfe ein Fußtumier, worauf Abends 26 Männer auf dem Schlosshofe einen Reif tanz hielten. Jeder dieser Tänzer hatte eine Laterne auf dem Kopfe.« Die Bewohner der jetzt oberösterreichischen Stadt Braun au kamen sonst, so lange sie zu Bayern gehörten, alljährlich nach München imd hielten vor den ansehnlichsten Häusern auf der Straße einen einfachen Tanz mit entblößten Schwer- tern, welchen sie Schwerttanz nannten. (Zeitschrift f. Kulturgesch. I, 462.) Der Schwertertanz gehörte auch zu den Festlichkeiten, die 1 62 zu Ehren der Anwesenheit des Böhmenkönigs Friedrich in Breslau veranstaltet wurden . 3 6 Kürschnermeister und Gesellen führten denselben vor dem Könige auf. Sie zogen um die Vesperzeit mit schönen weißen Hemden , mit großen bauschenden Fechtärmeln , blauen Strümpfen und weißen Schuhen , nach Trommel und Pfeifen aus ihrer Herberge. Unterhalb der Kniee an beiden Schenkeln hatten sie Hosen- bänder mit großen Schlitten seh eilen und auf den Köpfen Lorbeerkränze. Nach ihrem Vorgänger folgten drei Knaben, deren jeder ein Scepter in der rechten Hand trug; darauf andere drei Knaben: der eine mit einem Paratschwert, der zweite mit einem Fechtschwert, der dritte mit einem Paar hölzerner Tussaken (ehemals kurze Säbel, böhmischen Ursprtings), alle in weißen Kitteln, mit Feldbinden, blau und weißen heidnischen Schürzen, schachweise (wie das Schachbret carriert) mit rothen Stufen, auf dem Haupt mit großen grünen Kränzen. Hinter jedem Paar Meister und Gesellen gingen zwei Knaben in gedachter Kleidung, einen Reifen mit blau und weiß bemalten Streifen und von Holz gemachten Rosen darauf, in den Händen* 1 Leraner, Frankf. Chronik. 2 von Stetten, Gesch. der Stadt Augsburg H. 9 Hasche, Gesch. Dresdens m, 65. * E. Weyden, Köln vor 50 Jahren. S. 223. Böhme« OeHch. d. Tanzes. Digitized by Google 66 Auf beiden Seiten gingen vier Trabanten mit geäzten und veigoldeten Partisanen (Spießen) und passirten vor Ihrer Majestät Hofstaat. Da hielten sie ihren Schwertertanz, schlössen einen Zirkel und fochten mit Schwert undTussaken. Ein alter Fechter schlug im Paratschlagen dreien Knaben, so niedergekniet, einem ' jeden einen Dreier vom Kopfe herab, ohne aUe Versehrung. Ein anderer schlug das Parat auf einer gemachten RosevonSchwertern; andere fochten auf kleinem gemachten Rosen aus Tussaken. Des Abends zwischen 7 und 9 Uhr hielten sie einen Laternentanz, da ein jeder seine Laterne mit brennendem Licht auf den! Kopf getragen und bei demselben (wurde) in zweien Wehren gefochten. ^ Ähnliche Bügel- oder Reif tanze, mit brennender Laterne auf dem Kopfe, führte das Kürschnerhandwerk in Da nz ig 1646 bei der Durchreise der Gemaldin Wladislaws IV. auf. Eine Wiederholung derselben erfolgte 1698, als der König August n. von Polen seinen Einzug in Danzig hielt. ^ Die Büttner in Nürnberg hielten bisweilen ihren Reif tanz. Sie hatten rothe tuchene Hosen , weiüe Hemden , grüne ungarische Kappen mit Bändern auf der Seite. Es war ein Cortisan oder Lustigmacher dabei. 1704 haben sie ihn bei Anwesenheit des Kaisers Joseph I. gehalten, die letztenmale 1763 und 1775.' Noch bis heute geben in Salzburg alle sieben Jahre die Küfer und Kleuzer (Spalter des Holzes zu den Dauben der Salzkufen) ihren Raiftanz zum Besten.^ Ebenso besteht bis heute noch der Sehäfflertanz in Mfinchen. Er ist ein Tanzspiel, welches die Münchner Böttchergesellen (Schäffler) vermöge eines kaiserlichen Privilegiums im ersten Regierungsjahr eines neu angetretenen Landes- fürsten und dann alle sieben Jahre in der Fastnachtzeit vor den Häusern gewisser Herrschaften und vor denen ihrer Hauptkunden, der Bräuer, Bier- und Kaffee- wirthe , aufzuführen pflegen , und zwar in der ehemaligen Tracht der Edelknaben, nach der Melodie eines eignen Liedes, welches heißt : »Gr^dl in der Butten Und wenn du mir nit mehre giebst, Wie viel giebst du Oar? (Eier) Als um en Batzen zwoa: I gieb nit mehr, i gieb nit mehr, So b'halt du deine Butten Als um en Batz'n zwoa. Und alle deine Oar.c^ Es ist dies eine Art Contretanz^ der große Achter genannt, wobei sie große, mit Buchsbaum und Bändern gezierte Re if e in den Händen halten und damit ver- schiedene Figuren bilden. Vor dem feierlichen Gesundheittrinken werden die vollen Gläser auf die innere Fläche der Reif bogen gestellt und mit diesen im Kreise herum geschwungen. Damit schließt der Auftritt. <^ Der Fahnentanz wurde von den Tuchmachern in Nürnberg zum Neujahrstag veranstaltet. Sie hielten erst einen Umzug durch die Stadt und zogen alsdann auf das Rathhaus nach Wöhrd (Vorstadt von Nürnberg), um dort zu tanzen. Sie führten dabei Krone, Scepter 1 Aus Pol, Breslauer Chronik, abgedruckt bei Czerwinski, Tanik. S. 176. 2 Taubert, Tanzmeister 88. 3 Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte III, 195. * Lori, Bergrecht 395. SchmeUer, bairisches Wörterbuch II, 365. ' Panzer, bairische Sagen I, 232. ^ Buchholz, Beschreibung von München S. 118. SchmeUer, bairisches Wörterbuch in, 327. Panzer, bairische Sagen II, 232. . Digitized by Google 67 und zwei burgtindische Kreuze , welches auf einem PriTÜegium Kaiser Karls V • beruhen soll , mit welchem sie den Zug nach Afrika machten. Solche UmzOge hielten sie 1652, 1688, 1707, 1722, 1768.1 Der Zllmertanz der Metzger in Nürnberg wird bei Gelegenheit des Schönbartlaufens (ein Masken- fest, 1349 entstanden und 1539 verboten) erwähnt. In einer 1 70 1 zu Altorf gedruckten Beschreibung dieser Fastnachtsbelustigung heißt es vom Jahr 1349 : »Die Messerer tanzten mit bloßen Schwertern; die Metzger stellten einen sogenannten Zämertanz an. Sie hielten einander bei ledernen Ringen, die wie Leberwürste anzusehen waren.« Es scheint eine Art Reigen gewesen zu sein, wenn nicht gar ein Druckfehler vorliegt, so dass Zftunertanz zu lesen w&re. Von den Bäckern und Lebküchnern Nürnbergs, wozu auch Mühlknechte und Pfragner (Lebensmittelhändler) kamen, wird erzählt (Siebenkees HL, 98) : dass sie 1614 am 17. Juli Sonntags in ihren besten Kleidern und mit Seiten wehren, ihre Fahnen und vergoldete Trinkgeschirre vorantragend, unter Vorantritt von 18 Spielleuten einen Umzug durch die Stadt hielten, vor den Häusern der Raths- herren und Altmeister, sie zu ehren , sich in zierlicher Ordnung aufstellten , dann nach dem Stieg vor die Stadt zogen, dort eine Mittagsmahlzeit und darnach mit den dazu geladenen Jungfrauen einen offenen Gassentanz hielten, d. h. sie tanzten im Freien. Die 18 Spielleute im Zuge waren 4 Trom- meter voran, dann kamen 4 Geiger, hinter ihnen 1 Harfner und 1 Cithersohläger, dann 1 Sackpfeifer und 3 Schalmeien, und zuletzt 3 Trommeln. Sie haben »wacker geblasen, geschlagen und gepfiffene. Handwerksburschen und Dienstknechten war im Mittelalter in Städten — abgerechnet die Zunft- und andere Tänze während der Pfingstwoche — das ganze Jahr hindurch zum Tanzen keine Gelegenheit geboten , weil in Wirths- häusem nicht Tanzmusik gehalten wurde. Wollten beide Klassen von jungen Leuten sich dieses Genusses erfreuen , so mussten sie beim Rath eine besondere Erlaubnis dazu einholen, die ihnen in der Regel abgeschlagen, oder wo es ja er- laubt wurde, ward auch jedesmal das Verbot neu eingeschärft.^ Welche geselligen Tänze die Handwerker tanzten, ist nicht gesagt. Eigenartige Handwerkertänze — außer den obgenannten Schwerter- und Bogen- tanzen zu Festaufzagen — hat es nicht gegeben. Die Handwerker tanzten ohne Zweifel die damals in Deutschland üblichen Tänze: zur Winterzeit in geschlossenem Raum den getretenen Vortanz und den darauf folgenden lustig springenden. Nach tanz, zur Sommerzeit im Freien den Reigen. Zu den Fastnachtsbelustigungen der Vorzeit gehörte in Nürnberg das Sehembart-lanfen. Anno 1349 zu Pfingsten entstand in Nürnberg ein Aufruhr gegen den Rath; da die Metzger und Messerschmiede sich dabei tapfer auf Seiten des alten Rathes 1 Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte HI, 217. 2 Bürgermeisterbuch von Frankfurt a/M. 1431, fol. 57*»: »Handwercker- vnd dienst- knechten ciu gönnen (soll erlaubt sein), stoben (Spinnstuben, Trinkstuben P) vnd dancze hie czushen vnd 12 tage« (d. h. in den letzten zwölf Tagen des Jahres soll es Hand* werkersknechten [nicht Gesellen] erlaubt sein, Stuben und Tänze hier anzusehen, zu besuchen). — Bürgermeisterbuch U66, foL 38 : »Den handwergsknechten die stoben vnd lange messer verbieden vnd jme dants auch verbieden.« 5* Digitized by Google 68 gehalten , ertbeilte Kaiser Karl IV. ihnen die Erlaubnis : alljfthrlich zu Fastnacht im Schembart zu laufen und einen Tanz zu halten. Der Schembart ^ war ein Maskenaufzug und bestand gemeiniglich aus 24 — 32 Personen in gleicher Tracht, meist weißen enganliegenden Hosen, Jacke, Kappe, kurzen Stiefeln und Handschuhen. Manchmal war das Kleid von oben nach unten getheilt und jede Seite andersfarbig, zuweilen trugen die Mftnner Hüte, zuweilen Mützen mit Federn darauf. In der einen Hand hielten sie einen mannslangen Spieß, in der andern einen kolossalen grünen Pinienapfel, den Feuerkolben, aus welchem ein blinder Schuss fuhr. Sie trugen am Halskragen oder am Gurt oder an den Ärmeln und Hosen Schellen, einzeln oder in Reihen. An der rechten Seite hatten die SchembarÜäufer eine Tasche. Dem Zuge voraus gingen einige als Schalksnarren gekleidete Personen, die mit ihren Pritschen die Jugend neckten und Baum schafften. Bisweilen ritt oder lief ein Mann voraus, der einen Sack mit Nüssen hatte, die er unter die Buben warf, die sich weidlich darum rauften. Er machte auch großes Geschrei, dass die Leute an die Fenster liefen und den Schön- bart vorüberziehen sähen. Unterweilen lief oder ritt einer voraus, mit einem KOrb- lein voll Eiern, so mit Rosenwasser gefüllt gewesen, und wann die Weiber und Jungfrauen haben zum Fenster heraus gesehen oder unter den Hausthüren ge- standen, hat er sie mit solchen Eiern geworfen, das hat gar schön geschmeckt (d. h. gerochen) . War der Zug auf einem Platze angekommen, so begann ein Tanz. Drei oder mehrere in die Stadtfarben gekleidete Spielleute bliesen auf; bei ihnen stand ein Mann, der einen mit allerlei bunten Kleinigkeiten behangenen Baum trug. Dann erschienen einige Paare auf Pferdepuppen, die an ihren Leib befestigt waren und mit denen sie sich wie Reiter geberdeten. Die Männer hatten Kolben, Pritschen und Peitschen. 1350 erschien einer auf einer Ochsenpuppe, ein anderer auf einem Einhorn war als Jungfrau gekleidet. 1449 tanzten die Metzger vor das Splitterthor hinaus, damit die umreitenden Feinde vor dem Walde sie sehen konnten. Nach Beendigung des Tanzes zog der Schembart zu der Wohnung des Stadt- pfänders oder Polizeidirektors, wo ihm ein Trunk gereicht ward. Hierauf theilten sie sich in das Geld , das sie auf dem Umgange eingesammelt , und verzehrten die Fische, die man ihnen verehrt hatte. Die Metzger und Messerer überließen ihr Recht zum Schembartlaufen gegen eine Summe seit 1467 an andere Gesellschaften, meist junge Patricier. 1507 maßten sich einige reiche junge Kauf leute und Wallonen an , eigenmächtig und ohne Einwilligung der Metzger Schembart zu laufen, woraus eine Fehde entstand, die jedoch bald beigelegt wurde. Sie stellten eine herrliche Gasterei an, bei wel- cher der eine den türkischen Kaiser in prachtvollem Anzüge darstellte. Seine Diener ritten bei dem Zuge hinter ihm, es folgten Türken^ theiis in Goldstoff, theils in Carmoisinseide mit goldnen Säbeln, Spießen und reichen Fahnen . Dann kamen Pferde mit kostbaren Kästchen bepackt , in welchen Ringe und andere Kleinodien von ^ Der Name Schembart ist sehr wahrscheinlich eine Verstümmelung von Schön- Bart, womit die Maske oder Larve bezeichnet ist. Andere suchen ihn von einem alt- slawischen Götzen Sompras und einem ihm gewidmeten Waldfeste herzuleiten, zu welchem die wendischen Weiber massenhaft in den ,Wald liefen, was man Sempert laufen hieß. Noch im 15. Jahrhundert berichtet eine Handschrift aus Budissin (Bautzen] : »Zu dieser Zeit (1447) hatten die mannbaren Frauen, jung und alt allhier, eine böse Gewohnheit an ihnen, dass sie den Donnerstag vor Fastnacht sich versammelten und rannten nach dem Semper.« Digitized by Google 69 Goldi Perlen und Edelsteinen lagen. Die aus mehreren hundert Personen be- stehende Gesellschaft versammelte sich außerhalb der Stadt , zog zum Splitterthor herein , über den großen Markt nach dem Rathhause , von wo der Mag^trat den Aufzug in Augenschein nahm. Die Kisten mit den Kleinodien wurden in die Losungstube getragen und auf einem mit Sammtdecken belegten Tisch ausgebreitet. Die Gesellschaft überreichte diese Kleinodien ihrem Sultan zum Geschenk, der sie sofort unter die Rathsherren vertheilte. Im J. i 52 3; wo die Reformation in Nürnberg eingeführt wurde, lief ein Mann im Schembart, dessen Kleid aus Ablassbriefen bestand und der Packete von Ablass- briefen mit herabhängenden Siegeln in den Händen trug. Auch Schlitten erschienen bei dem Schembart, worauf große Tische mit den Musikanten, dann Rennschlitten, auf welchen Gehamischte saßen , die mit Tumierstangen aufeinander losfuhren. Das hieß man Gesellenstechen. Im J. 1 539 fand der letzte Schembart statt. Auf dem Rathhause ward ein Tanz mit Gesellenstechen gehalten. Die Gesellschaft erschien in größter Plracht, von den Geschlechtem (Patriciem) liefen 125 in Atlaskleidem und weißen Hüten mit goldnen Flügeln ; 49 andere Personen aus yomehmen Familien Hefen in Teufels- masken , es folgten die Plattner (Panzermacher) auf Schlitten und sie hielten ein Gesellenstechen. Auch führte man ein Schiff mit, welches die Hölle vorstellte, in welcher ein Priester zwischen einem Doctor und einem Narren saß. Der Priester sah aber dem Dr. Andreas Oslander so ähnlich, dass ihn Jedermann sofort erkannte. Der Doctor führte Klage und seitdem unterblieb der Schembart für immer, wie uns Hans Sachs, Werke I, 407 erzählt. Der Schembart war in Deutschland die ein- zige öffentliche Begehung der Fastnacht, in andern Städten fand sie obschon mit Masken in geschlossenen Räumen und Sälen statt. C. Bürger- und Geschlechtertänze. Seitdem das deutsche Bürgerthum hinter festen Stadtmauern sich gebildet und durch Gewerbefleiß im 14. — 16. Jahrhundert die Städte sich aufgeschwungen, so lange giebt es auch Bürgertänze, die in besonderen Tanzhäusem abgebeten wurden und von denen der Zunftgenossen und der Bauern sich durch Wohl- anständigkeit und Luxus abheben. Die Theilnahme an den Bürgertänzen wird dienenden Knechten sowie auch dem Edelfräulein schon im 14. Jahrhundert in Augsburg verboten: »Es sol auc& chain frälin noch chain dienender chnecht rayen mer gan, da die bur gerin an rayent.«* Ähnlich lautet ein Verbot der Nürnberger Polizei im 14. Jahrhundert : j»£s en sol auch da kain dienstmagt ze hochzeiten raien noch tantzen an der burgerin raien oder tantz, oder sie mu; geben zween Schillinge. ^ Die Tänze in größern Städten , in Residenzen der Könige und Fürsten, ab- sonderlich aber in den freienReichsstädten bieten ein schöneres Bild dar. In diesen, den Sitzen der Künste und Wissenschaften, den Asylen des hohen Adels, der großen Bürgergeschlechter und der reichen Kaufmannsgilde, erhielt der deutsche Tanz seine edle und sittliche Ausbildung^ und nach und nach eine die Ehrbarkeit und Gesundheit nicht verletzende Mannigfaltigkeit. Die Stadtobrigkeiten versäumten nicht, durch eine strenge Ordnung nicht nur unter den hohem, 1 Augflburger Stadtbibliothek, Mspt Anno 1276 angefangen. > Nürnberger Polizei-Ordnung, bei Baader S. 61. Digitized by Google 70 flondem auch unter der Bürgerklasse dasNöthige beizutragen, indem sie jede Aus- gelassenheit , jede der Zucht und Ehrbarkeit zuwiderlaufende Handlung auf den Tanzsälen auf das Strengste ahndeten oder straften. Deshalb lesen wir in Chroniken so oft, dass Kaiser und Könige, wenn sie wegen Reichsangelegenheiten sich in Reichsstädten aufhalten mussten, so gerne in den Herrentrinkstuben und auf den Rathhäusern mit schönen Frauen und Töchtern der Patricier sich durch Tanzen zu erheitern suchten. Und wie oft hielten nicht benachbarte Fürsten solcher Stftdte nach abgehaltenen Turnieren oder nach abgeschlossenen Verträgen ihre Ehrentänze darin, und wie oft ehrten die Stadtobrigkeiten nicht Fürsten und die edle Ritterschaft, wenn sie in den Zeiten des Faschings ihre Kränzchen hielten, mit der Einladung zu einem auf dem Rathhause veranstalteten Tanze. So erwähnt die Regensburger Chronik von Gemeiner (11, 1 68) auf das Jahr 1373 einen Faschingstanz, zu welchem Herzog Stephan von Bayern sich eingefunden hatte. Im Monat Mai des Jahres 1393 wird in Regensburg ein brillanter Tanz erwähnt, der bei Gelegenheit eines auf dem Herzogshofe gehaltenen großen Turniers abge- halten wurde und mehrere Nächte dauerte. Demselben haben die benachbarten Bayernherzöge Johann, Albrecht der junge und Ernst, aber auch die Landgrafen von Leuchtenburg, die Grafen von Schwarzenburg, von Ortenburg, fünf Pappen- heim, drei Rechberge und mehrere vom hohen Adel, zusammen 224 Helme beige- wohnt. Plötzlich entstand auf dem Tanzsaale Zwist; ein junger Pappenheim hatte einem vom Hofgesinde Herzog Albrechts eine Ohrfeige gegeben. Albrecht wollte sich rächen und einem Söldner die Hellebarde aus der Hand reißen ; jedoch dieser hielt seine Waffe fest. Nun wollte der Herzog im Zorn mit seinem Hofgesinde den Saal verlassen ; allein die Söldner ließen ihn nicht hinaus, bis der Rath ankam, um Mord und Todtschlag zu verhüten. Der Rath begab sich zum Herzog und bat, bis des andern Tages Ruhe zu halten, den Zorn zu vergessen und die Sache in Güte bei- legen zu lassen. Der Herzog ward empfindlich und glaubte sich gefangen ; der Rath erwiderte jedoch : dass er bloß aus Fug und Glimpf und zum Schirm der Stadt so gehandelt hätte; auf dies hin Ueß Albrecht sich beschwichtigen und den Zwist in Güte vergleichen. So mächtig war damals die moralische Kraft und dai^ Ansehen einer reichsstädtischen ObrigkeitI Sehr oft erwähnen die Chroniken der Geschlecht er tanze, die auf dem Rathhaus zu Ehren hoher Gäste oder zur Hochzeitsfeier der Patricier gehalten wurden, aber sie können keine dabei vorgefallenen Ungebührlichkeiten berichten. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begannen allmählich Zucht und Ehr- barkeit zu sinken in Folge vorausgegangenen Kriegs , der sich auf Reichstagen anhäufenden Fremden aus allen Ländern , insbesondere der von den Türken ver- triebenen und emigrirten Fürsten und Adeligen des griechischen Kaiser- reichs (nach 1454], deren zur Schau getragener orientalischer Luxus und ungebun- dene Lebensweise auf die höhern Stände der süddeutschen Städte nachtheilig wirkte. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts, in welches die Kirchenreformation fällt, lösen sich aber erst alle sittlich religiösen Ordnungen bei den Bekennem der alten wie auch der neuen Lehre ; auch die von Stadtobrigkeiten gesetzten Tanzordnungen wurden schnöde übergangen, Niemand wollte ihnen mehr gehorsamen. Im Mittelalter spielten in den süddeutschen Reichsstädten (wie Augsburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt a.M.) die Geschlechter eine große Rolle; darunter verstand man Patricier oder jede aus einem rathsfähigen Geschlecht entsprossene Person. Sie sind mit ihrem Kastengeiste, mit ihrem Glänze und Prunkleben längst dahin , bis auch die »freien Reichsstädte« zum Besten eines Staatsganzen aufgehört haben. Ihre Tänze und Lustbarkeiten sollen uns beschäftigen. Digitized by Google 71 Da wir im Allgemeinen wissen , dass in der abgeschlossenen Gesellschaft der Geschlechter Wohlanstand , Zucht und Ehrbarkeit herrschten , so dürfen wir auch annehmen , dass die Geschlechtertänze die edeln , m&ßig heitern Tancweisen , vor allen wohl den getretenen Tanz pflegten. Wenn nach einer Andeutung bei Fischart es bei den Nürnberger Geschlechtertfinzen »keinUmspannen« giebt, so folgt daraus, dass hier der höfische, getretene Tanz vorzugsweise in Übung sein musste (s. S. 49) . Weil an den Geschlechtertänzen sehr oft auch fürstliche Personen Theil nahmen, z. B. Kaiser Maximilian 1518 in Augsburg, so dürfen wir auf Anstand und Noblesse derselben schließen. Wohl mögen zuweilen auch Volkstänzein kleinem Kreisen Aufnahme gefunden haben , gewiss sind diese nicht in ihrer Ur- wüchsigkeit aufgetreten. Die Tanzbelustigungen der Geschlechter — unter dem Namen »Geschlechter- tänze« — wurden stets in einem Tanzhause abgehalten. Das war ein öffent- liches, auf gemeinsame Kosten unterhaltenes Gebäude, das in der Regel nahe beim Rathhause stand und zugleich als JiTrinkstube« und für sonstige gesellige Zu- sammenkünfte der vornehmsten Familien diente. Tanzhäuser gab es schon im 13; und 14. Jahrhundert; in der Geschichte Augsburgs von P. v. Stetten wird ur- kundlich erzählt, dass schon 1396 das alte Tanzhaus abgebrochen und ein neues erbaut wurde, das dann nach mancherlei Schicksalen wiederholt aufgebaut werden musste; das letzte wurde 1632 als bauftllig abgebrochen.^ Mit den Geschlechtertänzen waren Maskeraden verbunden. Paul v. Stetten (Geschichte Augsburgs ü, 161) schreibt über den Hergang solcher Lustbar- keiten : »Wenn der Rath die Erlaubnis ertheilt hatte, einen Geschlechtertanz ab- zuhalten, so wurde die ganze Gesellschaft durch die jüngsten Männer aus derselben, in einer besondem altmodischen Tracht dazu eingeladen , die denn auch , sowohl alte als junge, sich gern dabei einstellten. Die Tanzlustigen erschienen in eigenen dazu schicklichen, theils possierlichen Kleidern oder Masken, jedoch ohne verdecktes Gesicht. Ihre Tänze waren gut ehrlich deutsch, die von dazu be-r stellten Pfeifern geblasen wurden. Wie man aus vorhandenen Gemälden ersehen kann, wurde getanzt nach Zinken, Pfeifen oder Schalmeyen, Dudel- säcken, Zittern, Trommeln und Posaune. Der letzte dieser Geschlechter- tänze wurde in Augsburg 1577 gehalten.« Außer den ständigen, jährlich wiederkehrenden Geschlechtertänzen wurde auch auf allen vornehmen und gemeinen Hochzeiten getanzt und diese wurden zur Zeit des höchsten Flors der Bürgerschaft mit großer Pracht, Aufwand und Üppigkeit begangen. Darin zeichneten sich in Augsburg die Fugger'schen vor allen andern aus , so dass um dieselbe Zeit wenig fürstliche Hochzeiten so glanz- voll begangen wurden, wie ihre. Sie veranstalteten dabei nicht nur Tänze, son- dern auch Schlittenfahrten, Stechen, Ringelrennen, Mummereien oder Mas- keraden, ja große Aufzüge, bei denen Menschen und Pferde in mancherlei Klei- dung und Gestalten gehüllt waren. Die Schilderung einer Hochzeit des Geschlechtes Limburg zu Frank- furt a. M. im 15. Jahrhundert mag hier Platz nehmen. Auf Grund einer Hand- schrift von 1482 erzählt um 1612 Faust von Aschaffenburg (Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 64 — 69) wie folgt: JiWann zwei Geschlechter Kinder zusammen verheirathen, geschieht solches, wie christlich löblich und gebräuchlich, mit der Eltern oder ihrer nächsten Freunde Rath , Gonsens und Beförderung ; darauf hat > Mehr vergL oben S. 38 und Mone, Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins. IX. Jahrg. Digitized by Google 72 Ton Alters der Brftutigam seiner Qespons einen schönen Ring mit einem Diamant oder Rubin versetzt zu einem Tranring gegeben, sie aber ihm ein Fatmetlein (Taschentach) verehret. . . . Auf angestellten ehliohen Ehrentag, nach angehörter Predigt göttlichen Worts (denn es heifit a love principium) werden sie öffentlich vor der ganzen Kirchen und Gemeinde zusammengegeben, darauf eine liebliche Musica mit Orgeln, Zinken, Geigen, Harfen und vier Stimmen gehalten. »Darauf wird der Bräutigam^ zwischen zweien seinen und seiner Gespons nächsten Freunden, wie auch sie, so sie ledig, zwischen zwei Jungfrauen, ist sie aber Wittwe, zwischen zwei Frauen begleitet, wie zuvor an die Kirchen, also jetzo aus der Kirchen auf der Gesellschaft Haus Alt-Limburg, allein dass jenes ganz still und ohne einige Musica, dieser (Heimweg aus der Kirche) aber mit Trummen und Pfeifen vor dem Bräutigam und mit Harfen und Violen vor der Braut zunächst her geschiehet. • . »Vor Zeiten (noch vor 50 Jahren) ist die Trum dem gemeinen Mann auch frei, den Geschlechtem aber die Geigen, Lauten, Pfeifen und Trommeten alleili gewesen; jetzo ist es verkehrt, weil dieses gemein geworden gegen jenem. Der Trumm und Pfeifer darf sonst keiner, als wem solches vergünstigt, gebrauchen. £s haben auch die Geschlechter vor Alters ihr eigenen Spielleute gehalten, die sonst Niemand (hat) gebrauchen dürfen, sie habens ihm denn vergünstigt. »Solche Procession in und aus der Kirche ward gehalten, so ledige Personen zusammengeheirathet ; waren es aber ein Wittwer und Wittwe, so durften sie keinen Junggesellen und Jungfirau in der Procession gebrauchen, sondern die kamen erst zur Mittagszeit aufs Tanzhaus und verharreten bei solcher Freude die übrigen Tage. »Wenn sie nun (nach der Kirche) in das Hochzeitshaus (die Herrenstube) kamen und die Herren und Junkherm dem Bräutigam, die Frauen und Jung- frauen der Hochzeiterin Glück gewünscht, that man noch vor Imbiss ein züch- tiges Tänzlein. Es durfte aber Keiner einen Tanz anfahen oder führen, es wäre denn ihm durch zween Junggesellen , so von dem Platzmeister deren zween ihnen anbefohlen, eine Frau oder Jungfrau eingehändigt. Denn der Platzmeister wie die nächsten Freunde zu beiden Seiten (haben das] Amt, die Leut, Manns- und Weibs- personen ihren Ehren und Stand nach zu Tisch zu bringen und im Tantzhaus zu versehen, dass keine Unordnung im Tanzen und andern Gebräuchen, auch kein Ungeladener eindringt. »Unterdessen ward das Essen zugerichtet, und hat der Hofmeister die Tisch zu decken und den Credenz (die Trinkbecher) aufstellen lassen, wobei jederzeit zwei ansehnliche Bürger, solche in Verwahr und Acht zu haben, verordnet. Wenn sol- ches fertig , gab man mit der Trummen ein Anzeige zum Tisch sich zu machen. Da setzte sich dann , nach dem empfangenen Handwasser, welches der Stuben- knecht halten musste, ein jedes zu Tisch, die Frauen an ihre und die Herren an ihre Tisch zusammen. Das Essen war nicht häufig, sondern wenig und gut auf- getragen ; auch guter Wein und Bier ward durchaus getrunken. Bei solchem Im- biss waren ein oder zwei Lautenschläger und Harfenisten (heutigen Tags um 1612 die Violen und Harfen zur Musica gebraucht werden). War das Mittags- imbiss gehalten, das nicht länger als 3 Stunden verzog, so fügte sich jedermann zum Tanz. Da ging Alles ganz herrlich und tugendlich zu und durften über fünf Paare nicht tanzen, wegen der langen Schleif oder Schweif, so die Frauen an den Röcken tragen etlich Ellen lang. Sobald es dunkel worden, wurden die Fackeln angezündet und wurden die Vortänz und Reihen, aus der Platzmeister Anord- nung je durch 2 Junggesellen verrichtet und ausgetheilt; deren einer tanzte dem, Bo den Vor tanz empfangen, mit der Fackel vor, der andere beschloss den Reihen. Digitized by Google 73 Die Vortftnz geschahen also dass man einer Jnngfrau oder Frau , so man ehren wollte, einen Junggesellen oder Ehemann braohte ; der führte den Reihen des Tags oder wie man ihm vortanzte des Abends. Solches Tanzen hat nit allein adelig und prächtig, sondern auch zierlich gestanden. »Nach geschehenem Abendimbus und verrichtetem Tanz und Vorreihen, welches nit bald Iftnger als bis 12 Uhr wahrte, reichte man Confekt und Wein um. Bei dem Confekt gingen drei nach, alle mit Windlichtem, deren einer einen ver- goldeten Becher mit neuem , der andere ein Glas mit fimem (altem) Wein , der dritte ein Glas mit Bier trug. )>So solches umgetragen worden, gingen diejenigen, so zum Beilager sonderlich durch Braut und Bräutigam angesprochen, mit zum Beilager, und nachdem noch ein Tänzlein oder zwei geschehen, und darinnen die Braut durch den nächsten Freund entführt, gingen die andern nach Haus. »Das Beilager ward gewöhnlich in der Braut Haus gehalten ; da ist ein GoUatz von allerlei Schleckwerk (Näscherei), köstlich von Zucker allerhand Fraktion, Marcipan, Kuchen, Gebacknes, welches allerhand Geschöpf von Gethier und Vögeln, auch allerhand Heirath-Figuren hat, köstlich und zierlich auf Fastnachts- form aufgestellt, dazu, nachdem die Braut ihrem Bräutigam in einem schönen Bett und Kammer, mit Tapezereien schön geziert, durch die nächsten Freunde beigelegt und ihr die sammtne, mit Gold und Perlen gestickte Schuh durch die Junggesellen abgezogen, die Freunde und Gebetene sich setzen, ein Trünklein bei solchem CoUatz noch thun, welches Zuckerwerk gemeinlich die Frauen mit sich heimtragen und alsdann zu Haus sich verfügen. »Auf den zweiten Abend, wenn Alles verrichtet und man sich zum Heimzug an- schickt, wird vom Hofmeister der Küchentanz angestellt. (Beschreibung s. unten.) »Den dritten Tag hat man Nachmittags eine Gartenfahrt gehalten: da sind die neujen Eheleut zur Sommerzeit in einen schönen Garten mit ihren nächsten Freunden gegangen ; da hat nichts gemangelt, was zur Freude dienen konnte ; zur Winterzeit aber in ein schönes Haus, um Tanzen und andern Kurzweil zu treiben.« Den Tanz auf einer Geschlechter-Hochzeit zu Augsburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschreibt der schlesische Ritter Hans v. Schweinichen , wie folgt: »Wenn Ihre fürstlichen Gnaden tanzten, so tanzten allemal zwei vornehme Rathsherm vor. Sonsten ist der Brauch, dass allemal zwei Personen, so lange rothe Röcke mit weißem Ärmel anhaben, vortanzen, und darf sonst keiner, er sei wer er wolle, einen Tanz anfangen. Es tanzten also die zwei voran und sobald sie sich drehen, so mögen sich die, so nachtanzen, auch verkehren, sowohl, wenn sie sich miteinander im Tanze h e r z e n , so mag der Junggeselle die Jungfrau auch herzen . Es werden die gemeldeten Personen (Vortänzer) oft mit Geld bestochen, dass sie ein- ander in einem Reihen etliche Male herzen, dass nur der Junggeselle die Jungfrau desto öfter herzen mag (kann) ; wie ich ihnen selbst also gethan. Bekennen muss ich, dass ich mein Lebtage kein schöner Frauenzimmer bei einander gesehen, als da ; denn sie waren über siebenzig, und der Braut zu Gefallen, alle weiß in Damast und dergleichen gekleidet ; auch mit Ketten und Kleinodien über die Maßen ge- zieret. Und war in einem schönen Saal, welcher mit Gold und Silber gefunkelt und waren über etliche hundert Lichter, groß und klein , darinnen, dass man ver- meint, es wäre mehr im Himmelreich oder das rechte Paradies allda. Mir ist sehr wohl gewesen, denn wie gemeldet, die Jungfrauen waren schön und gaben aus- erlesene höfliche gute Worte.« Bei Hochzeiten der Geschlechter in Ulm im 14. Jahrhundert hatten die Stadtpfeifer mit Trommeten , Zinken und Posaunen zu Tisch zu blasen und beim Digitized by Google 74 Tanse üch im Betreff der Vorreilien nach dem zu richten, welcher dieselben aus- brachte. Bei Hochzeiten der Zunft genossen dagegen mussten sie der lauten In- strumente sich enthalten. Im 15. Jahrhundert war es daselbst Gebrauch, zu Hochzeiten nicht mehr als drei Spielleute zu dingen, deren Bezahlung allein dem Wirthe oblag, bei dem die Hochzeit gehalten wurde. Auswärtigen , namentlich Geistlichen war es frei- gestellt ^ bei Gelagen, wo sie zugegen waren, noch weitere Spielleute zu dingen. Dieses Freigeben der Anzahl von SpieUeuten scheint ausgeartet zu sein, denn 1411 stellt eine Verordnung die Zahl derselben auf vier fest. [Jäger, Ulm.] Die Mummereien zur Fastnachtzeit waren schon von den ältesten Zeiten in Augsburg üblich ; der starke Verkehr mit Venedig, dem ältesten Sitze dieser Freu^ den y war wohl die Ursache der Einführung. Nach den Baurechnungen in Augs- burg erging schon 1371 ein Verruf : »Da; nieman sein Antlitz verdeck zu Vasnacht«. Im Jahr 1400 am St. Agathentag hat der kleine und alte Rath gesetzt: »Es soll nieman mit verdecktem Antlitz in der Fastnacht g^ , welcher Pfaff das überfert, die wil man bessern, als in dem Stattbuch geschrieben stant.a [v. Stetten, Ge- schichte von Augsburg 1788 11, 162.] Zu den Fastnachtslustbarkeiten gehörte in Nürnberg das Schönbartlaufen (Maskenumzüge mit Tanz , siehe oben S. 67). Heidnischer Tanz. In Frankfurt a. M. kommt es 1462 vor, dass der Rath auf Fastnacht einen fremdländischen oder heidnischen Tanz erlaubte.^ Was darunter zu verstehen sei, blieb mir dunkel. Da man im Mittelalter unter Heiden fast durchgängig die Muhamedaner, also auch die Araber (Mauren] in Spanien verstand, so dürfte man hier einen Moriskentanz vermuthen. Nicht als ein ständiges Vergnügen der Bürger und Geschlechter , sondern als eine Extravaganz der Geldaristokratie muss hier der Eotzentanz^ genannt werden, den Fischart erwähnt, aber nicht näher beschreibt. Vermuthlich war er ein Tanz, wie er mit Kotzen oder Kotzen und Kützen, d.h. feilen Dirnen, unzüchtigen Frauenzimmern in öffentlichen Frauenhäusem^ des 16. Jahrhunderts getanzt wurde, vielleicht eine Art Cancan. Schirazula-Marazula, ein Tanz, der 1583 in der Orgeltabulatur vorkommt (s. MB. 151), ist nirgends erklärt. Ich möchte das Wort für eine entstellte Schreibweise des italienischen Scaramuzza halten, den Voss (S. 370) als einen zweitheiligen Tanz im 2/^ Takt beschreibt, der von einer Person ausgeführt wurde. Der Scaramuzza war im 1 Das Frankfurter Bürgermeisterbuch 1462, fol. 69^ schreibt: »Den heidenschen dancz gönnen czu tun, so daß sie sich nit vermalen.« 2 Dass in Frauenhäusern wirklich audi getanzt wurde, dafOr statt vieler nur einen Beleg. Der lockere Kaufmannsdiener bei den Fuggem in Auffsburg, Veit Con- rad Schwarz, hat in seinem Tagebuche notirt: »A di. 23. Februar 1561 was ich mit M. Hainhofer, M. Herz und Ph. SSingenmeister in der Mummerev gen Nacht. Es was ver- boten, da niemant in die Mummerey sollt gehn, so fueren wir darin. Wir hetten 2 Stadt» pfeiffer, kamen zue etlichen Junkfrawhöfen,da hätt man uns nit unffeme. Wir t an z t en und Sprüngen wie die Kälber, denn es wasen belle figlie (schöne Töchter) da, die uns nit übel gefielen. Wir vermeinten, wir wollten uns halten, damit wir nit erkannt würden, und gedachten den Reimen auszulöschen, der spricht »vier Dins laßt sich nit verbergen, nemlich die Lieb, der Huest, das Fewroder Wasser und aer Schmerz«, aber — es war von Haus aus lurtsch« (Scheible, Kloster 6, 430.) Digitized by Google 75 17. Jahrhundert eine italienische Maske: ein Alter, der vom Arlechino durch- geprügelt wurde. Demnach wftre bei dem entstellten Wort auf einen possen- haften Tanz einer Masken£gur zu schließen , der in Süddeutschland aus Italien her gekannt war. Welche Tänze von den Bürgern und Geschlechtem im 1 4. bis 1 6. Jahrhundert getanzt wurden, ist nicht sicher zu ermitteln. Es waren vorherrschend bei den Ge- schlechtem, die so gern nach oben blickten, die getretenen Hof tanze; selten mit Umarmen oder Umfassen der Tänzerin, was streng verboten war : also unsere Rund- tanze hatten in diesen Kreisen noch keine Stelle. Man findet in Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts vielfach Notationen mit der Überschrift »ein schOner burger- dantzc [MB. 71). Die Musik ist niemals eine andere, als die der übrigen deutschen Tänze: Vor- und Nachtanz giebt es bei jedem. Der bürgerliche Tanz nach der Mitte des 16. Jahrhunderts kannte schon alle damals bekannten französischen Tänze. Im Lebenslauf von Thomas Platter, der ein armer Hirtenknabe aus Wallis war, als fahrender Schüler mehrere Länder durchreiste, als Tischlergeselle in Basel Vorlesungen über hebräische Sprache hält, dort Schulmeister und endlich 1541 sogar Rektor am Gymnasium wurde, erfahren wir aus dem 16. Jahrhundert von allerhand »kurzwil, sunderlich ze nacht mit dem hofieren mit instrumenten vor den häusem, mit den cymbalen, drümlein und pfiffen darzu, so einer allein verrichtet ; demnach mit den schalmeyen, so gar gemein; item violen, eiteren, so domolen (damals] erst ufgiengen; idem von den dentzen, so man haltet in fümemmen burgerhüsem, dohin die demoisellen gefiert werden, und danzt man nach dem nachteßen by nachtliechtem branle, gaillarde, la volte etc.«^ D. Fürsten- und Adelstanz. Unter den Hoftänzen begegnet uns am frühesten der Tanz bei Turnieren. »Wenn vor Zeiten von tapf em Leuten Turniere gehalten wurden , so wurden insgemein nach deren Endschaft mit vornehmen Frauen, so dem Turniere zu- geschaut, ein Tanz veranstaltet, um zu erweisen, dass einem Ritter nicht weniger wohl anstehe nette zu tanzen, als tapfer kämpfen und streiten zu können. »Unter fortwährendem Tanz wurden den tumierenden Rittern die Preise (Danke genannt) ausgetheilt. Es ist aber bei solchen Turnier-Tänzen allzeit sehr prächtig und gravitätisch zugegangen.« (Taubert, Tanzmeister S. 80.) Diese Ritterspiele sollen in Deutschland zuerst durch König Heinrich I. auf die Bahn gebracht und dergleichen Feste sechsunddreißig abgehalten worden sein ; das erste Turnier fand 935 zu Magdeburg, das letzte 1487 zu Worms statt. Qe- wohnlich waren fürstliche Hochzeiten mit den Turnieren verbunden. Der Reichsherold Georg Rüxner giebt in seinem DThumierbuch« (Frankfurt a/M. 1530, fol.) die Beschreibung und Abbildung dieser 36 Turniere und endigt jedesmal mit Erwähnung der bei diesen festlichen Gelegenheiten aufgeführten Abendtänze, wobei auch vielmals des Fackeltanzes gedacht wird. ^ 1 Thomas und Felix Platter. Ein Beitrag zur Sittengeschichte. Basel 1840. S. 149. 2 Rüzners Angaben sind fabulös, großentheils erdichtet resp. erlogen und werden in A. Schultz, höfisches Leben zur Zeit der Minnesinger II, 90 (1880) eebüm>end abgefertigt Gleichwohl habe ich einige der von mir kopirten Schilderungen Eier stehen lassen als Dichtung unter der Wahrheit und als Zeugnis für Beschaffenheit des Fackeltanzes im 16. Jahrhundert. Digitized by Google 76 loVnd als die Stund käme, hatten sich Fflrsten vnd Jungfrawen fast versammelt, darub man ufblies vnd ruft ein Schweigen, also ward verkündet, daß die Fürsten würden anfahen zu danzen, vnd man wolt jedem Fürsten einen Vordanz geben, darum solt männiglich zQchtig vnd platz machen, damit man niemants schlagen oder schädigen dürfte. a An anderer Stelle heißt es : »Wenn der Kaiser gedantzet, haben ihm erstlich zween Grafen mit Windlichtern (Fackeln) vorgedantzet , darnach gefolgt andere vier Grafen vnd auf die wiederumb vier Grafen mit Windlichtem, auf welche der Kaiser gefolget , vnd nach demselben noch vier Grafen mit Wind- lichtem. Ein jeder hat pflegen einen Vordantz mit der Frawen oder Jungfrawen zu thun, die ihm einen Dank (Preis) geben.« »Das erste Turnier wurde unter Kaiser Heinrich I. im Jahre 935zuMagde- bürg gehalten, welchem 2091 Helme beiwohnten. Als nun alle Turniere ge- schehen und ihr Ende erreicht hatten, ward auf den Donnerstag Abend der Tanz gehalten. Die Frauen und Jungfrauen schickten sich mit höchstem Fleiß, dass sie alle und eine jegliche besonders, als wohl zu glauben ist, nach adeligen Sitten, mit dem Zierlichsten angethan und gekleidet waren. Der Tanz begann und die Dftnk e (Siegespreise] wurden an die vier neu erwählten TumiervOgte ausgegeben. Den ersten Tanz gab man dem Herzog Arnold von Bayern mit des Kaisers Tochter. Dann that ein jeder Fürst , Graf und Herr einen Tanz in guter Ordnung mit der Frau oder Jungfrau, die ihm den »Danka gegeben, und "wurde der Abend mit Züchten und Freuden vertrieben.« Auf dem fünften Turnier, gehalten zu Braunschweig im Jahre 996, er- hielt Markgraf Heinrich zu Brandenburg — als neuer Christ — mit der Gemahlin des Markgrafen Ludolf von Sachsen und Herrn zu Braunschweig, Hilda, gebomen Gräfin zu Flandern, den dritten Tanz. Von dem sechsten Turnier, welches 1019 zu Trier gehalten wurde, und auf welchem 646 Helme zugegen waren, wird berichtet : »Nachdem das Turnier, das Gestech in hohen Zeugen und alle Sachen ihr Ende erreicht hatten, ward der Tanz, den Frauen und Jungfrauen zu Ehren und Gefallen, auf den Donnerstag vor- genommen. Nachdem die Dank des Gesteckes der hohen Zeuge und die Dank an die vier neu erwählten KOnige und Vögte des Turniers ausgegeben, gab man den ersten Tanz dem Kaiser (Konrad ü.) mit Herzog Eberhards Gemahlin von Lothringen. Den zweiten Tanz gab man Magnus von Sachsen mit der Kaiserin, welcher zwei Grafen [Endreß von Neuenburg und Gerlach von Hohen-Castell] mit Wind- lichtern vortanzten. Dann folgten die Grafen Tschoffart zu Leiningen, Eisen- bort zu Seyn, Heinrich zu Werdenberg und Friedrich zu Wertheym, so der Kaiserin Kleid nachtrugen. Darnach tanzten wieder zwei Grafen mit Windlichtern: Otto zu Nassau und Heinrich zu Gülch. Nun kamen die Grafen zu Hanach, Heinrich zu Zweynbrücken und Heinrich zu Fiemberg. Endlich beschlossen diesen Tanz die Grafen Reineck und Wilhelm zu Katzenellenbogen mit Wind lichtem. »Den dritten Tanz gab man dem Herzog Eberhard von Lothringen mit Herzog Karls Gemahlin von Bare. Den vierten Tanz gab man dem Herzog Welph von Beyern mit Grafen Heinrich Gemahlin von Loüen und Brüssel. Den fünften Tanz gab man dem Herzog Heinrich von Friesland mit dem Grafen Bälde win Gemahlin in Hennegau. Den sechsten Tanz gab man dem Herzog Karl von Bare mit Grafen Otten Gemahlin von Scheyern. »Darnach tanzten alle Fürsten , Grafen und Herren sammt den Rittern und denen vom Adel , besonders die so Dank und Kränze empfangen hatten , und ein Jeder mit derselben Frau oder Jungfrau einen Vortanz, von der er einen Dank em- pfangen, damit er sie dankbarlich ehrt. Also war der Abend mit Tanzen, Freuden Digitized by Google und allerlei Kurzweil vertrieben^ damit endet sich auch löblich und ehrlich Ritter- spiel des Turniers.« »Auf dem siebenten Turnier Anno 1042 tanzte Kaiserliche Majestät mitBercht- holds von Henneberg Gemahlin ; der tanzten 1 Grafen vor, darunter 6 mit Wind- lichtem und nach der Kaiserlichen Majestät abermals 4 Grafen mit Windlichtem.« [Philander von Sittewald, Straf Schriften S. 412.] Auf dem zwölften Turnier, zu Nürnberg 1198 gehalten, erhielt Herzog Ludwig von Bayern den zweiten Tanz mit der Gemahlin des Landgrafen Hermann von Thüringen, den dritten erhielt Markgraf Wenzel von Merhen (Mähren) und den vierten Landgraf Hermann (der Sängerfreund] von Thüringen mit der Gemahlin des Herzogs Lützelmann von Deck. Auf dem einundzwanzigsten Turnier 1392 zu Schaff hausen erhielten: den sechsten Tanz Burggraf Friedrich von Nürnberg mit der Gemahlin des Landgrafen von Hessen ; den siebenten Tanz Graf Wilhelm Fürst zu Henneberg mit der Tochter des Burggrafen Friedrich von Nürnberg. Wegen allzugroßen Aufwandes einzelner Fürsten , Grafen und Herren wurde die zu kostspielige Pracht der Eleidung bei den Turnieren untersagt. Dem acht- undzwanzigsten Turnier, gehalten 1479 durch die Ritterschaft des Landes Franken zu Würzburg am Main mit einem fürstlichen Geschlecht, 6 gräflichen, 9 freien und 146 adeligen Geschlechtem geht folgende Verordnung voraus: »U.U. Nachdem einem jeden Ritter guter Sammet und Perlin zu tragen behal- ten ist, so haben wir doch hierin beschlossen, dass Niemand Röcke oder Schauben mit Gold gestickt, noch von gesticktem Sammet tragen soll, womit er sich auf die- sem oder anderen Turnieren zu schmücken fümehmen wollt. Wem das überführt wird, der soll von allen Rittern und Edeln verachtet sein, auch im Turnier zu kei- nem Vortanz oder Dank zugelassen werden. Durch die Hauptleute ist zu ordnen, wer die Tänze ausgeben, auch den Wein, das Confekt und die Kerzen halten soll. Dass auch die Hauptleute von den Bürgern das Tanzhaus bestellen, damit nicht Jedermann eingelassen werde um des Raumes willen, wie solches die Räumlichkeit erheischt.« [Voss, Tanz 118.] Für das dreißigste Turnier, gehalten durch die Ritterschaft am Rhein mit 436 Helmen, wurde verordnet: »den Fürsten 32 Kerzen am Tanze vorzutragen.« Der Fackeltanz^ den wir beim Turnier kennen lernten , war durch das ganze Mittelalter an den meisten Höfen bei fürstlichen Hochzeiten gebräuchlich. (Es ist dies eine alte Ceremonie, welche die Deutschen vielleicht von den Römern und diese wieder von denG riechen angenommen haben , bei denen am Schluss der Hochzeitsfeierlichkeiten die Neuvermählte in das Haus des Gatten geführt wurde unter Vorantritt eines fackeltragenden Jünglings , der den Hymen vorstellte ; Fackeltänze führte im 4. Jahrhundert Konstantin d. Gr. bei Verlegung der Residenz nach Byzanz als Hof ceremonie ein.) Wenn die fürstliche Braut mit ihrem Bräutigam tanzte, pflegte der Hofmarschall sie mit dem Marschallstabe zu diesem Tanze anzuführen. Es ge- schah derselbe unter Trompeten- und Paukenschall. Bisweilen pflegten auch 12 Pagen mit brennenden weißen Wachsfackeln voranzuschreiten, öfters mussten dies an königlichen und fürstlichen Höfen auch Kammerjunker, Kammer- herren und Generale thun und die Hofdamen der fürstlichen Braut die Schleppe nachtragen. Bei den heidnischen Preußen gehörte zu einer Hochzeitsfeier unter anderem folgender bei Voss (der Tanz S. 114) angeführte Gebrauch: »Die Braut Digitized by Google 78 verließ auf einem ihr vom Bräutigam bestimmten Wagen das elterliche Haus. So'* bald sie an der Grenze ihres neuen Heimatsortes ankam , rannte ein Bursche mit einem Brandfeuer und einer Kanne Bier dreimal um den Wagen, gab der Braut zu trinken und sprach : Wie du das Feuer bei deinem Vater verwahrt hast, also wirst du es auch hier thunla Dass femer in Schweden noch bis heute im Volke der Fackeltanz vorkommt (siehe MB. 350), spricht für germanischen Ursprung. Ob nun dieser deutsche oder der griechisch-römische Brauch zur Ein- führung des Fackeltanzes bei Hochzeiten Anlass gab, ist unentschieden. Am Ende ist gar keine Entlehnung anzunehmen nöthig : es können ja recht wohl die ge- nannten indogermanischen Völker seit Alters ihn kennen und vom Orient mitge- bracht haben. Der »Fackeltanz« ist noch bis heute am Königlich Preußischen Hofe bei Ver- mählungen gebräuchlich, und haben Meyerbeer und andere Kapellmeister dazu besondere Gelegenheitsmusik dieses Namens komponirt. Umständlichen Bericht über denselben giebt der am Hofe Friedrichs I. thätig gewesene Oberceremonienmeister von Besser in seiner Beschreibung der preußischen Hoffestlichkeiten in den Jahren 1700, 1706 und 1708. Es mag die betreffende Stelle (nach Czerwinski, Tanzkunst S. 187) hier folgen: »Auf der Hochzeit der Prinzessin Luise (Tochter Friedrichs I.) mit Friedrich, dem hessischen Erbprinzen, tanzte erstlich die Braut mit dem Bräutigam, dann mit dem Landgrafen, dann mit ihrem Vater, dem Kurprinzen, den drei Markgrafen, mit jedem drei unterschiedene Tänze, und allemal unter Trompeten- und Pauken- schall und in Begleitung nicht allein der sechs Kammerfräulein, die den Schweifihrer Mante trugen, sondern auch vierundzwanzig der vornehmsten Hof leute, vonweichen sechs Paar vor und sechs Paar hinten mit brennenden weißen Wachsfackeln tanzten und von den beiden Marschällen mit ihren Silberstäben angeführt wurden. »Auf eben diese Art tanzten auch die andern hochfürstlichen Frauenzimmer, und weil es darüber schon spät worden, die Braut auch allbereits von den vielen Tänzen sowohl als auch der großen Last ihres Kleides in etwas ermüdet war, so eilte man endlich gegen drei Uhr des Morgens zu den Toiletten und Brautbette, deren Schönheit und Kostbarkeit aus aUe dem Übrigen leicht abzunehmen und dannenhero auch die Neu-Verehlichten gleichsam nicht länger davon abzuhalten, mit Stillschweigen allhier übergangen werden soll. Nur muss man hier noch einer alten Weise gedenken, die bei den meisten Hochzeiten pflegt beobachtet zu werden , und nach welcher noch die Braut mit verbundenen Augen drei Personen (Kavaliere) aus den im Brautgemache um sie herumtanzenden Reihen er- ^eifen und ihnen dero Krone (Brautkranz) zustellen musste — zu dieser ver- meinten untrüglichen Wahrsagung, dass jedwede von diesen Ergriffenen noch das- selbige Jahr Ihrer Durchlaucht in der Verehlichung nachfolgen werde.« ^ Am Kurfürstlich Brandenburgischen Hofe war der Fackeltanz nachweislich schon im 16. Jarhundert eine hergebrachte Sitte. Die völlige Feststellung der jetzt noch am Königlich Preußischen Hof üblichen Ceremonie ist aber unter König Friedrich Wilhelm n. (1786 — 1797) erfolgt. Die Grundsätze derselben sind ge- druckt in einer kleinen Schrift F. v. Raumer s »Der Fackeltanz bei hohen Ver- mählungen im Königlich Preußischen Kurbrandenburgischen Hause.a Wir geben hier das Reglement, wie es mit hoher Erlaubnis Rudolf Voss in seiner Geschichte des Tanzes (S. 123) nachdrucken durfte : ^ Diese alte Sitte des Austanzens des Brautkranzes, noch 1708 gekannt, ist später bei Hofe abgekommen. Digitized by Google 79 »Solcher geschieht allemal nach Beendigung der Ceremonieltafel und bildet den Schluss der Feierlichkeit. Die Musik des Marsches besteht in Trompeten und Pauken. Der Ober- Marschall oder dessen Stellvertreter tritt mit dem großen Marschallstabe voran, nachdem er mittelst Verbeugung die Erlaubnis von des Königs Majestät eingeholt, AllerhOchstwelcher mit der Königin Majestät unter dem Throne steht. »Es folgen zwGlf Staatsminister, oder, wenn deren nicht so viel sin<\, Wirkliche Geheime Käthe, je zu zweien, nach der Anciennität, doch nimmt der Minister- Präsident die erste Stelle ein, mit den weißen Wachsfackeln. Diese hohen Staats- beamten versehen solche Funktionen als einen Ehrendienst, weshalb sie nur zum Beginn den Königlichen Majestäten eine Reverenz, gleichsam als Meldung zu solchem Dienst, machen. — Den ersten Umgang macht das hohe Brautpaar allein, die Schleppe der Durchlauchtigsten Braut tragen vier Hofdamen, unter denen der Regel nach zwei Damen Ihrer Majestät der Königin sind, weil eine König- liche Prinzessin bei der Vermählung die Königliche Krone auf dem Haupte trägt. »Nach diesem Umgang halten die Fackelträger an und stellen sich auf, es tritt der Hohe Bräutigam aus und die Durchlauchtigste Braut fordert Se. Majestät den König mittelst Vemeigung zum nächsten Umgang auf. Ahnliche einmalige Umgänge macht die Hohe Braut mit den andern Fürstlichen Herrschaften, je nach deren Rang, wobei also hinsichtUoh der Königlichen Prinzen die Nähe zum Thron ent- scheidet , wenn nicht aus Courtoisie eine Änderung eintritt, wie solche hinsichtlich der Durchl. Eltern des Hohen Brautpaares angeordnet zu werden pflegt. »Hierauf tritt die Hohe Braut aus und der Hohe Bräutigam macht den ersten Umgang mit Ihrer Majestät der Königin, deren Schleppe von vier Damen getragen wird und femer mit den andern Prinzessinnen, deren Schleppe zwei Pagen tragen. »Am Fackeltanze (wie an der Ceremonieltafel) nehmen nur Hohe Mitglieder Europäischer Souveraine oder Deutscher altreichsfürstlicher Häuser Theil, welche schon vor dem Jahr 1580 dem regierenden Reichsfürstenstande im Deutschen Reiche angehört haben. »Nach Beendigung aller Umgänge tragen die- Minister die Fackeln dem ganzen Zuge der Hohen fürstlichen Personen bis in das Königinnen-Qemach vor, wo die Pagen die Fackeln abnehmen und bis zum Eingange des Appartements des Hohen neuvermählten Paares vorleuchten. c Eine dem Fackeltanz verwandte Art von Hochzeitstänzen waren in Preußen die sogenannten Qesangtänze, die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts bei Hochzeiten in Preußen vorkommen und wozu Qelegenheits-Texte, d. h. Brautlieder, meist ohne dichterischen Werth, zahlreich a\if den Bibliotheken in Königsberg und Thorn sich erhalten haben. (Proben sind bei Czerwinski S. 189 abgedruckt.) »Keine Würde und kein Stand konnte sich davon befreien; Kriegsleute, Richter und selbst Geistliche mussten sich dazu bequemen. Nachdem die Tafel aufgehoben und zum Tanze Platz gemacht worden, nahmen die Herren ihre Degen und Mäntel. Die beiden Brautführer, von denen jeder eine brennende Fackel in der Hand hatte, machten vor Bräutigam und Braut jedem eine Reverenz und forderten sie damit zum Tanze auf. In einem alten Gedieht, das von einer vor- nehmen Hochzeit handelt, heißt es von der Braut : Die Graffen sie ansprachen fein, Ob sie wöU thun ein Däntzelein Mit jrem Herrn und Bräutigam, Sie neyget sich gantz tugendtsam. Digitized by Google 80 »Hierauf forderte man die nächsten Verwandten und bo der Beilie nach alle Übrigen zum Ehrentanze auf, der unter Trompeten- und Paukenschall vor sich ging. Bei diesen Gesangtänzen wurde zuerst während des im gemäßigten vier- theüigen (Y2) Takte geschriebenen Gesanges, wie es scheint, ein zierlicher Schritt getanzt, wobei es allerdings nicht sein Bewenden haben konnte, sobald der nur von Instrumentalmusik vorgetragene Bräutigamstanz, der Platz- meistertanz und vollends gar der im lebhaften ^4 Takt gesetzte Nachtanz mit seinen stürmisch dahin eilenden Rhythmen eintrat. Bei diesem letzteren legten die Kavaliere ihre Mäntel und Degen ab und Alles tanzte miteinander. Eine eigne Art damals üblicher Nachtänze war die Serra (Säge), die in Form und Musik manches Anmuthige darbot, aber schon früh auf den Hochzeiten der Vornehmen durch die Gavotte und später sogar allgemein durch die zierliche und von der Mode begünstigte Menuett verdrängt wurde, c [Czerwinski, Geschichte der Tanz- kunst 188—190.] Ganz ähnlich schildert J. Christoph Wagenseil (geb. 1653, f 1705 ala Professor des Staatsrechts und der Geschichte zu Altorf] den Ehren tanz bei Hochzeiten. In einer seiner Vorlesungen, darin einer Hochzeit des kaiserlichen Hofes gedacht wird, heißt es : »Über Tische sitzen die Herren ohne Mantel und Degen; sobald man aber von der Taffei aufstehet, nimmt jedermann seinen Mantel und Degen. Erstlich wird der Ehren tantz gehalten, darzu die Brautführer mit zwei Fackeln den Bräutigam auffruffen, welcher allein mit der Braut tantzet und lässt sie wieder fahren, wenn die Courante zweimal aufgespielet worden. Dann tantzen die Gesandten, dann des Bräutigams und Braut nechste Anverwandten den Ehrentantz mit Trompeten- Schall. Wenn der Ehrentantz vorüber, legen die Cavaliers, welche vorher in der Keyhe herümb gestanden, den Degen und Mantel ab, und nimmt ein jeder eine Dame und tantzet mit ihr auff teutsche Manier. Tum enim cubiculum intrant, sponsae mater, aut quae matris vice functa est, Sponso cum gravi obtestatione Sponsam committit. Hiermit wollen sie ihm ihre Tochter übergeben, und zweifeln nicht. Er werde sich gegen dieselbe verhalten, als einem redlichen Cavalier zusteht.« (Vulpius, Curiositäten, 10 Bd. S. 223.) Worin die Hoftänze bestanden und gewiss Jahrhunderte lang bestanden haben, ist von uns schon oben zur Minnesingerzeit erwähnt : es waren vorzugsweise getretene Tänze, wobei es kein Umspannen (Umfassen) der Paare, sondern nur eine Führung mit angefasster Hand gab. Der lustige Reigen gehörte dem Volke. Dass die Musik zu den Hof tanzen bis ins 16. Jahrhundert eine andere gewesen sei, als die bei den Tänzen der übrigen Sterblichen, habe ich nicht ersehen können aus den Proben, welche unter diesem Titel in Lauten- und Orgelbüohem vorkommen, z. B. 1536 bei Newsidler: »Ein guts Hofetentzlein, ein hofetants zum durchstreichena (eine Spielmanier der Lautenisten), 1562 bei Heckel : »ein Hofftantz«. Der Leser überzeuge sich selbst davon in den Musikbeilagen 69 und 150. Vom 16. Jahrhundert ab waren es die FürstenhCfe Deutschlands, welche aus- ländische Tänze einführten und ausschließlich bis Ende des 18. Jahrhunderts tanzten. ^. Dass in höchsten Kreisen zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf die zierliche Ausführung der Tänze großer Werth gelegt wurde, beweist unter anderem ein Brief des Kammerjunkers und Hofmeisters Kaspar v. Teutleben an die Mutter des Prinzen Johann Ernst d. J., Dorothea Herzogin zu Sachsen (in Weimar) . Derselbe schreibt (10. Juli 1612, Frankfurt am Main) : DDesselben Tages waren die Churfürsten von Mainz und Köln bei dem Chur- Digitized by Google 81 fürsten yon Sachseii zu Gast, bei welcher ConTersation eine solche Vertraulichkeit gewesen, dass es mflnniglich mit Freude gesehen, denn 1 . 1. 1. Churf ürftlichen G . G . G. sich nicht allein besprochen, treuherzig getrunken, einander umfangen, sondern haben , bei der Musica stehend, also mit zusammengefügten Händen um einen Ring getanzt und als der Reyen mit gewaltigen Liiftsprüngen , sonderlich yon dem Churfürsten von Mainz geendet, bat der Churfürst von Sachsen meinen Herrn, Se . Fürstliche Gnaden sollten einen Galliard^ tanzen. Darauf Se. Fürstliche Gnaden aufs Beste entschuldigten, aber der Churfürst wollte nicht ablassen, son- dern sagte : £w. Liebden haben wol ehe getanzt , dass nicht drei Churfürsten da- bei und in gutem Vertrauen so fröhlich gewesen. Alsbald legte mein Herr den Mantel von sich und verrichtete den Tanz mit solcher Zier und Wohlanstand, dass es Jedermann rühmte ; tanzte auch nicht weiter, als die Churfürsten in einem Triangolo standen. Und wenn Se. Fürstliche Gnaden von einem kam, sagte er : sa sal Darauf ging eine Capriole dahin, doch mit feiner Mensur und anmuthiger Grazie.« [Mitgetheilt bei Voss, der Tanz S. 120.] 2. Wann wurde getanzt? (Tanz-Zeit.) Zu jeder Zeit, wenn eine tanzlustige Gesellschaft sich zusammenfand, be- gann der Tanz. Vor allem lockte der Lenz dazu und wenn die Feierstunde Abends nahte , schmückten sich Dirnen und Weiber und eilten in das Freie zum Reigen, zum Abend tanz. Die rechte Tanzzeit föUt in den Lenz. Ganze Tage der fröh- lichen Sommerzeit wurden vertanzt, und kam der Winter, wo alles fröhliche Leben auf dem Anger zu Ende ging, so gab es ein Klagen. Doch fehlte auch den winter- lichen Gesellschaften, den Govenanzen (von convenire, zusammenkommen), der Tanz nicht ; freilich zur Entwickelung der damit verbundenen Spiele fehlte der Raum in den Stuben, und aus Kirchen und Scheunen mochte die Kälte vertreiben. Dem großen Haufen des Volkes waren die Sonn- und Feiertage die be- quemste Zeit zu ihren Tanzlustbarkeiten, wie dies noch heute der Fall ist. Denn da ruhten die Arbeiten des Hauses und Feldes , und von weit imd breit strömten die Scharen herbei zu beliebten Tanzplätzen. Die Kirche eiferte wohl gegen diese Sabbath-Entheiligung, allein was half es? Das Fredigen war vergebens und schon Bruder Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert (f 1272) ergoss umsonst seine Beredtsamkeit. Er beruft sich auf den heiligen Augustin (vergl. S. 93, Anm. 4) und nennt das Tanzen an Sonn- und Festtagen eine Todsünde. In seinen Fre- digten (edirt von Kling, S. 64) sagt er wörtlich: J»lr sült dar umb nit tantzen an dem ruwe tage oder spilen oder toppein (Würfelspiel), da^ ir nit zu tunde habet.« Daselbst 342 : »Viel lieber ist ihm (Gott) ein Liebesdienst am Sonntag, als am Montag; viel mehr leid ein Tanz, einTomey (Turnier) u. s. f. am Sonntag, noch mehr, wenn ein Heiligentag auf den Sonntag fällt, noch viel mehr an dem Ostertag.« — Derselbe Prediger hält den Sonntags- tänzem vor, dass Feldarbeiten am Sabbath noch geringere Todsünde sei , als das Tanzen. [»Es war vü nimmer sünd, an dem suntag ze ackern, wan (denn) reyen ze füeren an dem tantz.« Münchner Cod. germ. ms. 478 fol. 2.] Auch ein Weisthum von Mörsfeld unfern Frankfurt a. M. aus dem 15. Jahr- hundert verbietet das Sonntagstanzen: »Item welcher auf denen Sonntagen oder andern hohen festen öffentliche, ärgerliche täntze auf den gaßen anfahen würde: 1 Wenn hier in solchem Kreise, von einem achtzehnjährigen Prinzen dieOalliarde getanzt wurde, so ist das ein Beweis, dass dieser Tanz an und für sich einen mäßig n>öhlichen Charakter gehabt haben muss, aber nicht — wenigstens nicht zu Anfang des 17. Jahrhunderts — durch Ausgelassenheit verrufen und verpönt war. B d h m e , Gesch. d. Tanzes. 6 Digitized by Google 82 tlem soll die höchste hußet duroh die Qericht-SchOffen Euerkannt werden. [J. Grimm, Weisthümer I, 490.] Allein trotz alles Predigens ließ das Volk sich den Tanz am Sonntag nach der Kirche nicht nehmen , durch den es sich für eine Woche voller schwerer Ar- beit entschädigen woUte, und es that recht daran. Als besondere Tanzzeiten far das Volk galten durch das ganze Mittelalter: 1) Kirchweihfest (Kirmestänze) ; 2) Pfingstfest (Pfingsttanz, Maitanz) ; 3) Johannisfest (Johannistanz) ; 4) Erntefest (Schnittertänze) ; 5) Fastnacht (Fastnachttänze , Maskentänze) ; 6) Kathrinentag war der letzte Tanztag im Jahre. Außerdem wurde ein Tänzchen gemacht : bei Hochzeiten, bei Flurumzügen und bei Handwerkeraufzügen. 3. Wo Würde getanzt? (Tanzorte.) Für das gern tanzende Volk gab es im frühem Mittelalter noch keine be- sondern Locale, also keine Tanzsäle , namentlich ist niemals von Tanzen in Wirthshäusem die Rede. Das Volk tanzte meist unter freiem Himmel. Die zum Tanzen im Freien bestimmten Räume führten den Namen Tanzplan oder Tanzrain. Solche Tanzplätze, die seit dem 1 4. Jahrhundert urkundlich angeführt werden , gab es in Dorf und Stadt. Auf diesen freien Plätzen stand in der Mitte eine gepflanzte linde , um die herum getanzt wurde ; oder man errichtete für die Kirchweihe oder Pfingsten einen besondem bedeckten Tanzboden , der mit Laub- werk überdacht und mit Maien geschmückt war und Tanz laube oder Tanz - h ü 1 1 e benannt wurde. Sie wurden von der tanzlustigen erwachsenen Dorfjugend (den Burschen) ge- baut und die Maie dazu (wo keine gepflanzte Linde vorhanden war) aus dem Walde geholt, natürlich mit obrigkeitlicher Einwilligung. Seit dem 14. Jahrhundert hatte man in vielen Städten bleibende Tanzhäus er, darinnen die Hochzeiten und Tänze der Bürger abgehalten werden, so z. B. wird 1396 in Augsburg einTanzhus erwähnt, auch in Heidelberg. Im 15. und 16. Jahrhundert mehren sich die Tanzhäuser und werden alte erneuert, so dass jetzt jede Stadt ihr Tanzhaus hatte, das oft mit dem Rathhaus verbunden war. Auch in vielen Dörfern findet man schon Ende des 1 4. und Anfang des 1 5 . Jahrhunderts ein sogenanntes »Spielhausa, das ebenfalls zum Tanzen diente, während es zu- gleich zu andern Zwecken verwendet wurde. Die Patricier in den Städten besaßen meist ihre eigenen Qesellschaftslocale (so z. B. in Frankfurt a. M. seit 1 350 ein solches, das als Trinkstube und zu Festen der Geschlechter diente). In manchen Städten pflegten die Patricier die Raths- stube zum Tanzen zu benutzen.^ Sogar die Juden hatten in deutschen Städten seit dem 14. Jahrhundert ihre besondem Tanzhäuser, darin sie, damals von christlicher Gemeinschaft ausge- schlossen, ihre geselligen Feste begingen. In Frankfurt a. M. kommt schon 1390 «der Juden Tanzhus« vor, das bereits 1360 als »der Juden Spilhus« ange- führt ist. 2 1 Über Tanzpl&tze in Stadt und Dorf vergl. Mone, ZeiUchrift XI, 256. 2 ILrieek, Bürgerthum im Mittelalter I, 420. Berliner, Aus dem innem Leben der Juden im l£ttelalter S. 8. Digitized by Google 83 Auch die Zunftstuben dienten den Berechtigten sum Taasen. Die Be- nutzung derselben wurde in manchen Städten so häufig, dass einzelne Zünfte neben ihren Zunftrorstehem noch einen besondern Leiter der Tanzrergnügungen wählten, welchen man »Tanzmeistera hieß. Solche gab es z. B. in Straßburg und in Freiburg. ^ Das Tanzen ün Freien blieb da und dort. bis in neuere Zeit üblich, beson- ders in der Pfingstwoche durch das ganze Mittelalter. öffentliche Räumlichkeiten zur Abhaltung von Tanzfesten und Hochzeiten hatte man in allen deutschen Städten bis Ende des 18. Jahrhunderts; sie gehörten aber stets dem Rath, nicht einem Wirthe. An Tanziocale, von Wirthen des Ghewinnes halber erbaut, und an Tanzen in Dorfschänken hat man yor dem 17. Jahrhundert nicht zu denken. Wohl schlich sich vorübergehend im 16. Jahrhundert in Bayern der fQr Sittenverderbnis bedenk- liche Brauch ein, dass Wirthe um des Geldes willen auf eigene Kosten Tanzböden für Buben erbauten und »Buben tanz ea veranstalteten. Letztere wurden aber 1553 durch ein bayrisches Polizeimandat überall wieder aufgehoben.^ 4. Wie wurde im 14.— 16. Jahrhundert getanzt? a. Tanzmanier. Beim Volke , besonders auf den Dörfern, war neben dem Reihen das paar- weise Tanzen gebräuchlich. Diese Art zu tanzen verboten stets die Behörden; das sogenannte Verdrehen und Um schwingen der Tänzerin (d. h. dass die Tanzpaare im Wirbel sich drehten) wurde nicht gestattet. In hohem Kreisen (z. B. bei den Patriciem in Frankfurt a. M.) hielt man im Mittelalter es nicht für züchtig , wenn die Tanzpaare , anstatt sich bloß die Hände zu geben, einander mit den Armen umfingen.' In Ulm kam es zu Ende des 14. Jahrhunderts auf, dass je zwei und zwei mit einander tanzten. Der Rath verbietet diesen Paarentanz (1404) bei Strafe von 5 Pfund Heller und fahrte das Aneinandertanzen (in der Reihe tanzen, den Reigen) wieder ein.* Neocorus in der Ditmarsen- Chronik (I, 177) unterscheidet den zeither all- gemein geltenden langen Tanz von dem Biparendanz, den zwei und zwei tanzten und der erst kurz vor 1 559 von außenher eingeführt worden sei (s. S. 49). Außerdem zeichnete das mittelalterliche Tanzen sich dadurch von dem unserigen aus, dass die Tanzpaare in der Regel nicht alle zugleich tanzten, sondern jedes seine Tour allein machte. Die ArtundWeise zu tanzen, wie sie um diese Zeit in Deutschland statt- fand , hat Johann von Münster in seinem »gottseligen Traktat vom ungottseligen Tanz 1594« (2. Auflage 1602) ausführlich geschildert. Der gelehrte Verfasser, badischer Rath und Obervogt zu Pforzheim , sucht darin aus alten Autoren , aus Bibelstellen und Koncilbeschlüssen die Verwerflichkeit des Tanzens darzustellen. 1 Mone, Zeitschrift XVI, 383. XVII, 65. 2 Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 451. Nicht klar ist, was unter Buben hier zu verstehen sei, ob Bauernbursche oder ledige Mannspersonen, die ein Mädchen zum Fall gebracht haben. Eine unmoralische Absicht scheint dfen verbotenen Bubentänzen unter- gelegen zu haben. 3 Archiv für Frankfurt. Geschichte N. F. HE, 146. Zeitschrift für Kulturgeschichte I (1856), S. 452. « Jäger, Ulm S. 527. 6* Digitized by Google j 84 Er kommt dabei natürlich auf den deutschen Tanz seiner Zeit zu sprechen und sagt darüber wörtlich : »Die deutsche allgemeine Tanzform bestehet hierinnen, dass, nachdem bei den Ffeiffem und Spielleuten der Tanz zuvor bestellet ist, der Tänzer auf das Zierlichste, Höflichste, Prächtigste und Ho£^üiigste herfürtrete und aus allen allda gegen- wärtigen Jungfrauen und Frauen eine Tänzerin, zu welcher er eine besondere Affektion trägt, jme (sich) erwähle, dieselbe mit Reverentzals mit Abnehmung des Hutes, Küssen der Hände, Kniebeugen, freundlichen Worten und andern Ceremonien bittet, dass sie mit ihm einen lustigen, fröhlichen und ehrlichen Tanz halten wolle. Diese hochnöthige Bitte schlägt die begehrte Frauensperson nicht leichtiglich ab, so unangesehen auch der Tänzer, der den Tanz von ihr begehret, bißweilen ein schlimmer Pflugbengel, oder ein anderer unnützer Tollgesoffener Esel, und die Frauensperson eine stattliche von Adel oder eine andere ansehnliche und reiche Frau oder Jungfrau ist. Es wäre denn, dass sie um eines Verstorbenen willen trauert oder Leid trüge. In dem Fall ist sie, und auch eine Mannsperson entschuldigt. Sofern noch bei dem, der den Tanz begehret, so viel Verstand übrig ist, dass er diese Entschuldigung annehmen will. Ist aber der Kerl gar yoll und toll , der den Tanz begehret , so muss die Frauensperson eben wohl fort. Will sie nicht tanzen, so mag sie schleiff en. Will sie im Tanz nicht lachen und fröhlich springen, so mag sie weinen und sauer aussehen und traurig tanzen. Denn er ver- lässt sie nicht, weil er sie bei der Hand hat, sondern er ziehet mit ihr immer fort zum Tanze, wie mit einem Widder zur Küche. Darüber lachen etliche, die dabei stehen und zusehen, etliche aber, denen die Frauensperson verwandt ist, sehen übel aus und dürfen bißweilen mit diesem unzeitigen Tänzer Händel und Streit anfangen. »Ist aber die Frauensperson also daran, dass sie aus wahrer Erkenntnis Gottes den Tanz hasset und dem Tänzer den Tanz abschlägt, oder aus andern Ursachen mit ihm zu tanzen sich weigert, so ist das Ei zertreten. Dann fängt der Tänzer an zu fragen, oder beschickt die Frauensperson durch seine Freunde, was sie für Ui^ Sachen habe, ihm den Tanz zu verweigern, ob er nicht redlich, ehrlich, oder gut genug dazu sei u. s. w. Zuweilen wartet der Tänzer nicht solang, dass er die Be- schickung kann fümehmen , sondern schämt sich auch nicht , die Jungfrau oder Frau , sobald sie ihm den Tanz verweigert hat , wider alle Billigkeit , Redlichkeit und Recht, auf das Maul zu schlagen. Etliche geben dem Schläger Recht und vertheidigen seine lose Sache mit dem Spruch: einem ehrlichen und redlichen Manne muss und soU man keinen Tanz weigern ; darum ist der Person Recht ge- schehen. Andere halten dieses (wie denn billig ist) für eine unbescheidene , ty- rannische That, dass sie werth sei, dass die ganze Gesellschaft sich derselben an- nehme und sie räche. Daraus dann endlich solch Werk erfolget, das ohne Blut- vergießen und stetigen Hass nicht wohl oder kaum kann beigelegt und verglichen werden. »Wenn aber die Person bewilligt hat , den Tanz mit dem Tänzer zu halten, treten sie beide herfür, geben einander die Hände und umfangen und küssen sich, nach Gelegenheit des Landes, auch wohl recht auf den Mund, und erzeigen sich sonst mit Worten und Gebärden Freundschaft, die sie vor langer oder kurzer Zeit gewünscht haben einander zu erzeigen. Damach wenn es zum Tanz selbst gekommen ist, halten sie erstlich den Vor tanz, derselbe gehet mit ziemlicher Gravität ab. Denn in diesem nicht soviel ungebührlichen Tummeins geschieht, wie in dem Nach tanz zu widerfahren pflegt. Es kann aber in diesem Vortanz das Gespräch und die Unterredung , derer die sich lieb haben , besser gebrauchet Digitized by Google 85 werden, als in dem Nachtanz. Dies aber haben sie gemein, dass die Tänzer, wenn sie zum End des Gemaches , in welchem sie tanzen , gekommen sind , wieder um- kehren , und sich zu beiden Seiten , zur rechten und zur linken , so lang wenden und treiben, vorgehen und folgen müssen, bis der Pfeiffer aufhört zu spielen, und ihn gelüstet, ein Zeichen zu geben, dass der Vortanz ausgetanzet sei. Damach ruhen sie ein wenig , stehen aber nicht lange still. Sind es gute Freunde , so reden sie miteinander von den Dingen , die sie gern hören. Ist aber die Freundschaft nicht so groß, so schweigen sie still und warten bis der Pfeiffer wiederum aufblaset zum Nachtanz. »In diesem gehet es was unordentlicher zu, als in dem vorigen. Denn allhier 4esLauffens, Tummeins, Handdrückens, heimlichen Anstoßens, Springens und bäurischen Rufens und anderer ungebührlicher Dinge , die ich Ehren halber ver- schweige , nicht verschonet wird , bis dass der Pfeiffer die Leute , die wohl gern, wenn sie könnten , einen ganzen Tag also tollerweise zusammen liefen , durch sein Stillschweigen geschieden hat. Da hört man dann oft einen schrecklichen Fluch über den Pfeiffer , dass er viel zu bald den Tanz ausgespielet oder auch manchmal den Tanz zu lang gemacht hat. Denn sie schämen sich aufhören zu tanzen , ehe und bevor der Spieler aufgehört hat zu pfeiffen. Die Strafe wird ihm bisweilen auch zugelegt , dass er noch einmal um dasselbe Qeld (wie sie reden) aufblasen muss. Da gilt es dann mit Tanzen aufs neu. Wenn aber der Tanz zu Ende ge- laufen ist, bringt der Tänzer die Tänzerin wiederum an ihren Ort, da er sie her- genommen hat, mit voriger Reverentz, nimmt Urlaub (Abschied) oder bleibet auch wohl auf ihrem Schoß sitzen und redet mit ihr, darzu er durch den Tanz sehr gute und keine bessere Gelegenheit hat finden mögen.« Lassen wir von zwei ausländischen SchriftsteUem jener Zeit die Schilderung der deutschen Tanzsitten vervollständigen. Mich, de Montagne, ^ der auf seinen Reisen durch die Schweiz und Deutsch- land 1580 auch nach Augsburg kommt und dort einige Zeit verweilt, schreibt unter anderm : »Montags gingen wir zusammen in die Kirche unserer lieben Frauen, um das reichste , aber auch das hässlichste Mädchen der ganzen Stadt mit einem Faktor der Fuggerschen Handlung trauen zu sehen. Die Fugger haben es ihrem Reichthum zu danken , dass sie allenthalben in der Stadt sehr geschätzt und obenan gesetzt werden. . . Wir gingen auch in das Fuggersche Haus, wo wir zwei Säle sähen, von denen der eine mit Marmor gepflastert und der andere zur ebenen Erde mit alten und neuen Medaillen geschmückt war. Wir sahen auch tanzen, es waren lauter Deutsche. Sie hören alle Augenblicke wieder auf, führen die Damen auf ihre Sitze zurück, die sie auf einer Seite des Saales abgesondert haben und die mit Tothem Tuche beschlagen sind, und nehmen die Tänzer sich dann eine andere. Die Mannspersonen haben ihre eigenen Sitze, die von denen der Damen ganz abgesondert sind, denn es scheint, als hätten sie nicht gern viel mit ihnen zu thun. Ihr Tanz war dieser: Sie nahmen das Frauenzimmer bei der Hand, die sie ihr auch zugleich küssten, legten sodann ihre Hand auf die Schulter der Dame, um- fassten sie und drückten sie dermaßen an sich, dass die Wangen zusammenkamen. Das Frauenzimmer legte unterdessen ihre Hand auf seine Schulter und in dieser lätellung gingen sie herum. Sie tanzten und unterhielten sich ganz öffentlich. a Der Italiener Aloysius von Orelli, der seit 1555 in Zürich wohnte, schildert in Briefen an seinen Bruder zu Locamo die Sitten der Züricher in der ^ Mich, de Montagne, Versuch über allerlei Gegenstände. Deutsche Übersetzung. HaUe 1777. 1. Bd., S. 218. Digitized by Google Mitte des 1 6. Jahzhunderts und kommt dabei auf das Tanzen in Zflricli; er schreibt: »Verschiedene Gesetse tragen Spuren des Ernstes, der bei Anlass der Qlaubena- änderung auf die Denkart wirkte und in das gesellscbaftliehe Leben überging. So ist z. B. das Tanzen verboten, welches ehedem die lieblingslustbarkeit aller Stande und fast aller Alter war; nur an Hochzeiten bleibt es noch erlaubt, aber mit Ende des Tages muss auch der Tag geendet werden. Je seltener dies Ver- gnügen , mit desto rascherer Hitze wird solches genossen. Die jungen rüstigen Gesellen suchten eine Ehre darin , einer den andern im Spiingen zu überwerfen, wobei denn nicht selten begegnete, dass die Tänzerin in ihres Mittänzers Fall ver- wickelt ward , und durch ihre nicht immer anstSndige Lage Anlass zu einem all- gemeinen Gelächter gab. Das Umwerfen ward verboten, aber bei der Hitze des Tanzes vei^aß man das Mandat. Wenn einer umgeworfen wurde, so wirkte das ansteckend und man suchte sich durch eine geschickte Behendigkeit zu rächen. Um diesen unartigen Manieren Einhalt zu thun, sandte die Obrigkeit besondere Gensoren auf den Tanzsaal : das waren die Stadtdiener mit der Stadtfarb. Sie hatten den Auf- trag, beim ersten, mit Absicht bewirkten Fall das Aufspielen der Musik zu ver- bieten und so der ganzen Lustbarkeit ein Ende zu machen. Falls die Musikanten sich von der Gesellschaft zum Fortspielen bewegen ließen, musste der Stadtbediente sie in das Gef&ngnis führen , oder sie hatten im Schonungsfall angemessene Strafe zu erwarten. Man weiß nur zwei Beispiele , wo der Stadtdiener von seiner Auto- rität Gebrauch zu machen genöthigt war. Seitdem sind die Tänze so züchtig- lich, dass die unangenehmen Aufseher als überflüssig wieder abgeschafft wurden. Die Musik beim Tanzen ist für Ohren, die nicht daran gewöhnt sind, un- leidig rauh ; denn wo es recht vornehm hergeht, besteht das Orchestre aus 1 Trom- mel, 2 Feldpf eifern, 2 Violinisten und 1 Harfe. Bei einer gemeinen Hochzeit dürfen nur Pfeifen und Trommel gebraucht werden.«^ Unter den beschriebenen Tanzsitten wird den Lesern der Kuss auffallen, der vor Alters vor dem Tanze üblich und ebenso nach dem Tanze hergebrachter Lohn der Tänzer von der Dame war. Wir haben oben aus zwei Berichten erseh«L, dass das Küssen beim Tanz in Deutschland zur guten Sitte gehörte. Auch in. England, wo noch jetzt unter dem Landvolke in vielen Gegenden diese Sitte be- steht, wird ihrer schon bei Shakespeare (in Heinrich VUI. 1 . Akt, 4. Scene) gedacht : i^Unziemlich wär*s, zum Tanz euch aufzufordern und nicht zu küssen Ic Aus einem Dialog zwischen Sitte und Wahrheit über den Gebrauch und Missbrauch des Tanzes und der Minstrelschaft (Buch ohne Jahrzahl) oitirt Czer* winski (Tanzgeschichte S. 231) folgende Stelle : »Doch hör ich sagen : welcher Narr Macht wohl im Tanz sich heiß. Wenn er von Damenlippen nicht Gewinnt des Tanzes Preiste b. Tanztracht. Von der Männertracht beim Tanze sei nur angeführt, dass vornehme Herren über ihrem taffetnen Wams goldene Ketten und auf dem Kopf ein mit Zendel geschmücktes Barett trugen, also stets mit bedecktem Haupte ^ Aloysius von Orelli , Ein biographischer Versuch nebst Fragmenten aus der ita- lienischen und Schweisergeschichte. Zürich 1797. S. 462. Digitized by Google 87 und mit Degen tansten. Konrad SohwartE (Fuggen Faktor) notirt im Jahre 1560r »Am 10. Januar fueng ich an, das erstemalen W6hren (Degen) su tragen und nachdem ich nun auf tu fumem Hochzeitten geladen waa, dass ich mich also mit dem Tanzen darob mit den schönen Jungfrauen fluz flbet, da reizet mich voUet der Planet Venus dazue, dass ich mich unterstuend, im Gesicht zu buelen, wie ein Esel umb ein Bund Hew.c (Er war damals 18 Jahr alt, als er das schrieb.) Bei Edelleuten gehörten durchbrochene (zerhowene) zottichte und lange Ärmel zur Tanztracht. Ein Züricher Mandat yon 1532 verlangt: beim Tanz keine zerhauenen Hosen zu tragen, nicht mit blofiem Leibe zu tanzen, bei Redouten (Maskeraden) keine unehrbar Putaengewandt anzuziehen und nicht beim Tanzen umzuwerfen. Was die Frauen zur Tanztoilette Alles brauchten, erfahren wir aus der S. 98 mitgetheilten Predigt des 15. Jahrhunderts gegen Tanz. Sie mussten haben kost- bare Kleider (von Schleppe weiter unten) , Schnuren, Qürtel und Schleier, als Kopfputz Kränze (Schapel) mit goldenen Kronen oder Kränze aus Buchsbaum, spitze enge Schuhe, praohtroUe Ringe (Fingerlein), als Armschmuck Spangen mit Kleinodien, falsches Haar (Locken aus den Haaren »von andern toten frowen«) und endlich Salbe und Schmiere mit Farbe (also Schminke). Über den Aufwand für die Schuhe spöttelt Fischart 1591 im Qargantua so: »Zu Schuhen wordten auffgepracht vir hundert sechs elen Sammet vnd so vil planen Atlas, welche fein artlich zerfetzelt, zerschnitten vnd zerstochen waren, auch mit Parallelischen gleichweitstehenden Linien, vnd ainförmlichen Cylindem vnd Rollen zusammengehenkt. O, es dantzet sich mächtig wol darauf, besser als inn den Baslerischen roten vnd Schwäbischen weißen Stifeln, oder auf den Ungarischen vnd Lotharingischen Plockschuhen (Holzschuhen). Ist es nit war, ir Maidlin mit den weißen orten (Spitzen an den Schuhen) vnd schmalen rimen, so macht mir ein knöpf anden.a Gegen die rothledernen Tanzschuhe oder Tanzstiefel der Mädchen schilt der schlesische Pfarrer zu Schellen walde, Florian Daul von Fürstenberg, in seinem »Tantzteuffeld Frankfurt a. M. 1657, Bl. 43^ : »Ein jeglich Magd wil die schönste vnd gebutste seyn am Tantz; sie tragen schöne fewer rote Stiffeln von Reus- sischem Leder, nieder Schuh mit weißen Höhen (Spitzen).« Die Frauen aus dem Adel- und Ritterstande, später auch die Patricierfrauen in den Städten, trugen beim Tanz langwallende Oberkleider (swanz, swenzeltn), die ein rasches Schreiten und Drehen unmöglich machten. Bei der damaligen Tanz- manier der getretenen Tänze, die nur ein taktmäßiges Promenieren und Schleifen war, konnten solche Schleppkleider passiren. Ein Sittenprediger des 14. Jahr- hunderts wurde durch diese Mode zu der Äußerung veranlasst, dieser Pfauen- schweif sei der Tanzplatz der Teufelchen, und Gott würde, falls die Frauen solcher Schwänze bedurft hätten, sie wohl mit etwas der Art versehen haben. Noch zwei Jahrhunderte später, als diese Kleidertracht wiederkehrte, durften auf patricischen Hochzeiten zu Frankfurt a. M. »über fünf Paar nit tanzen, wegen der Schleppen, so die Frauen an den Röcken trugen etlich Ehlen lang«. Der vielbegehrte Schapel (ohapelet) war die festliche Kopfbedeckung; bei Jungfrauen vornehmen Standes war er ein aus Filigranarbeit gestaltetes und mit Perlen und Edelsteinen besetztes Krönlein ; bei der Dorfjugend bestand der Schapel bloß aus einem Blumengeflecht oder Blumenkranz, auf dem Kopfe getragen. FiTi sonderbares Verbot, das gegen das Tanzen ohne Mantel gerichtet war, begegnet in den Akten des Hansgerichts der Freistadt Regensburg um 1625—1709. Digitized by Google 88 In seinem Aufsatz über Tanzen [Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 455] hat der Verfasser (Schuegraf) aus Protokollen dieses Gerichts viele FsUe berichtet, die gegen dies Verbot yerstofien haben. Strafe sollten und mussten zahlen: der Eine, weil er etliche mal sich verdrehet und ohne Mantel getanzet, der Andere weil er auf einer Hochzeit ohne Mantel getanzet ; ein Dritter, weil er sich mit Verdrehen und sonst wider eines ehrbaren Raths Ordnung und Verbot ungebührlich ver- halten habe. Beim Tanzen den unbequemen Mantel abzulegen, war nur am Hofe und beim Adel gestattet, wie der S. 81 mitgetheilte Brief des Kaspar von Teutleben an die Herzogin von Sachsen bezeugt. War der Mantel das Ehrenkleid des Bürgers, so wurde er bei Ehrentänzen gewiss nicht abgelegt. Wo dies Ablegen aber doch massenhaft geschah (wie hier in Regensburg), so konnte das nur eine Überhebung und jedenfalls ein Spott gegen den wirklichen Zopf der Polizei sein. Auch die Waffen waren beim Tanz abzulegen.^ Herzöge, Fürsten und Bitter hatten sie im Mittelalter bei ihrer Ankunft in einer Reichsstadt bei den Haus- wirthen niederzulegen und durften, so lange sie sich dort aufhielten, keine j» Wehre« tragen, auch nicht bewaffnet zu Tanze gehen. Das war z. B. in Regensburg eine sehr alte Verordnung, die in späterer Zeit wieder erneuert wurde. In einer Verordnimg dieser Stadt von 1418 heifit es: »dass jedem fremden Gast sogleich sein Harnisch abzunehmen, und weder ihm noch seinem Ross bevor etwas zu essen zu geben seit. Die »Frauenzimmer« bei den Geschlechtertänzen und Turnieren trugen gproße, runde, mit Federn geschmückte Hüte, welche auch bei den Männern gegen Ende des 16. Jahrhunders ziemlich allgemein in Aufnahme kamen. — Etwa vom Jahre 1510 datirt die Mode der geschlitzten Kleider: es blühen da die Farben, namentlich Gelb und Roth^ in üppigster Weise, in Streifen getheilt und in ganzen Stücken. Weil das Tanzen nicht Sprünge und heftige Bewegung forderte, so sehen wir auf Bildern (z. B. bei J. Falk, deutsche Trachten) selbst alte Herren, denen die lange und weite, ganz schwarze »Schaube« bis auf die Füße fällt und mit breitem Pelzkragen die nackten Schultern bedeckt, noch den Damen die Hand reichen und ein Tänzchen wagen. Die Handschuhe erscheinen in diesem Jahrhundert durchaus als stete Be- gleiter der Herren und Damen, wenn sie sich außer Hause befinden, doch war es nicht Sitte, sie im 2iimmer anzubehalten ; auch beim Tanzen trug man keine Handschuhe. Die Erfindung und Einführung des Strumpfes zu Anfange des 16. Jahr- hunderts, das Paradiren mit diesem neuen Gegenstande der Mode, der »ohne eine Spur von Falten, wie das Fell einer Trommel in straffer Enge zu befestigen war«, musste unbedingt eine Änderung in der bisherigen Tanz weise hervorrufen. Bis dahin war der Strumpf, wo er wirklich existirt hat, nur ein Theil oder Anhängsel des Beinkleides und im frühern Mittelalter von der langen Ober- kleidung verborgen und unbeachtet geblieben, und bei den Schleppkleidem der Frauen ohnehin keiner Berücksichtigung würdig gehalten. Seine charakteristische Form wird erst jetzt durch Erfindung der Strumpfstrickerei ermöglicht. Der ge- strickte Strumpf leistete erst den Ansprüchen voÜe Genüge, welche die Schönheit des Beins an ihn machte [Voss, Tanzgeschichte S. 140]. Die Einführung dieses ^ So ist es noch jetzt seit langer Zeit bei dem deutschen Heere strenger Brauch, dass die Soldaten vor Beginn des Tanzes Sporen und Degen abzulegen haben. Digitized by Google 89 neuen Modeartikels konnte nicht ohne Einfluss auf den Tanz bleiben. Wir finden denn auch in der That die Anfftnge anderer Tanzweise in einem allegorisch-mytho- logischen Spiele, das von der Königin Maria yon Ungarn (der geistreichen Schwester Kaiser Elarls V.) mit ihren Damen ausgeführt wurde. Die Damen waren als Nym- phen gekleidet. Bei diesen Tflnzen sich mit Röcken kleiden, die nur bis zum Knie reichten, hieß sich »k la Nymphale a kleiden. Die Mode, mit dem Beine zu ko- kettiren, dem der Strumpf wie angegossen sitzen musste und zu dessen Be- festigung mit Sorgfalt Kniebänder angelegt wurden, hat Shakespeare in der Bolle des Malvolio in »Was ihr wollt« geistreich persiflirt. Auch hüllten die galanten Damen ihre Beine »an deren oberer Hälfte« in niedliche Höschen aus gold- und silberdurchwirktem Stoffe , die sie mit purpurrothen Schnüren Terzierten, und die sie nicht getragen haben würden, wenn sie nicht die Absicht gehabt, dieses beim Tanz zu zeigen. [Gzerwinski, die Tänze des 16. Jahrhunderts S. 15.] Bildliche Darstellungen Tom Tanz der Vorzeit, um die Be- schreibung zu iUustriren, haben wir nicht beigefügt, wollen aber solche dem Leser nachweisen. Von der höfischen Tanzmanier bei einem Geschlechtertanz giebt es ein höchst interessantes Gesammtbild, »der Tanzsaala Ton Martin Zaisinger um 1600. Nach einer kolorirten Handzeichnung Ton A. Dürer giebt Hefner (Trachten- buch m, 26) eine zum Tanz gehende Nürnberger Patricierin mit langer Schleppe, die nur beim getretenen Tanze zulässig war. Die Zeichnung trägt von des Meisters Hand die Erklärung: »Wie die Nürnberger Frauen auf den Tanz gingen.« [In A. Reißmanns illustrirter Geschichte der deutschen Musik, Ab- bildung 29, ist das Bild wiederholt.] Vom Bauerntanze im 16. Jc^rhundert kann man sich eine lebendige Vor- stellung machen, wenn man den köstlichen Holzschnitt (Bl. 90] von Albrecht Dürer anschaut, und wie ihn Hans Sebaldus Beham in schönen Kupferstichen (Bl. 166 ff.) dargestellt hat. Die übermüthige Lust haben die genannten Künstler treflnich wiedergegeben. Den springenden Tanz der Bauern auf ein erKirmes des 16. Jahr- hunderts in seinen grotesken Fußstellungen hat Hefners Trachtenbuch (11, 145) einer Zeichnung in der Kunstsammlung zu Weimar entnommen, die eine Kirmes darstellt und von Martin Schöngauer (16. Jahrhundert) sein soll. Beißmanns deutsche Musikgeschichte hat diese Abbildung yon 4 Tanzpaaren unter Figur 30 und 31 aufgenommen. Überdies findet man vom Bauemtanz mehrfach Vignetten auf fliegenden Blättern und Büchertiteln des 16. Jahrhunderts, ja schon in Brants Narrenschiff, Basel 1494, über dem Kapitel »Tanz«. — Im Ganzen wurden die Tänze im 14. und 15. Jahrhundert immer wilder und roher. Wir hörten schon S. 34 den Teichner klagen, dass man früher viel sanfter getanzt und derBrcigen noch kein solches wildes Hüpfen, wie jetzt, ge- wesen sei. Am beliebtesten waren im 14. und 15. Jahrhundert die Springtänze, in denen das Umwerfen der Frauen die Polizei Terbieten musste, ohne durchzudringen. Die Unsitte des Umkehrens der Mädchen ist erwähnt in der Überschrift zu Kapitel 61 von Brants Narrenschiff: »Das Best' am Tanzen ist, dass man um- kehren kann.« Sogar die Unsitte des Entblößens ist erwähnt. Das, wilde, unschickliche Tanzen der Bauern des 15. Jahrhunderts ist geschildert im Ring Ton Heinrich Wittenweiler (neu herausgegeben Stuttgart Digitized by V:iOOQLC 90 1§51]. Dieser güddeutsche Dichter zu Anfang des 15. Jahrhunderts führt una auf eine Bauernhochzeit und beschreibt S* 170 den rohen grotesken Tanz dabei in Abscheu erregender Weise also : »Colman und £ro Laychdenman hofieren schölten vor hin an und dem preutgom tanczen vor mit der praut yil höh enbor; die Oenepferin und Orabinsgaden schölten in den zagel haben (Schwanz bilden) . secht, do huob sich erst ein swingen, ochsendringen, kfilberspringen I der spilman pfe3rff, da; nie gestaub nie gedont noch nie geflog. do chnatens (trampelten sie] hin, do trattens her, nicht anders sam (wie) diewildenper (Bär). we wie, wie höh seu (sie) Sprüngen, ir armen auf swungen I der ein der schre : hie ju, hy jo I der ander : jo, wie get es so? Storkenpäyn der was tu jung und mass ym selber einen sprung also höh, in daucht er fluog. de; tet er wider einen zuog also geswind, da; er gesass (niederkam) mit dem hindern in dem gras« die mäczli (Dirnen) warent also rüg (roh) und Sprüngen her so gar gefüg, da; man in (ihnen) oft, ich wayss nit wie, hin auf gesach bis an die knie. Hildens haubtloch (Ausschnitt des Kleides) was Tauüeuge, Fathe. « Pathenkind* Bftbme, OeMh. d. Tautet. Digitized by Google 96 durch jm gesanck Tenrumt vnd geznynneTt der geaang vnd lop gottes: wann die in der yesper vnd in der kirchen sollen singen, die eint hj dem tants. sie tund anch wider das sacrament der e : wann es werden da vil efrowen abgewifit von liebe irs hußwirts, dem sie dar nach gram vnd Tngehorsam werden, sie tund auch wider die firmunge, jn der sie ein zeichen des crutzes an ir stim enpfangen haut vnd gekaufft von Christo : da; werffen sie abe vnd nement ein zeichen des tufels, da; ist die gezirde ires heubts, damit sie sich Teil bietent, glich als ob sie Christus nit gekaufft hette: damit smehen sie got. sie tund auch wider die penitenz, in der sie vereinet waren mit Christo in der vasteiu sie tiLnd wyder das war sacrament des altars, do sie haben gegangen zu dem tisch gotes vnd da; hymmelsch brot enpfangen, vnd nu entzünden sie das ertrich gotes mit dem heischen fuer, vnd sint damit glich dem Judas, der mit dem herren aß vnd ine dar nach verriete. 6. zum sechßten ist tantzen tot lieh vbel getan: wan da beschicht manig sunde. zum ersten in geen, sten vnd geberden des libs. wan da bewegen sie ir fuß vn- ordenlich mit springen, mit vff hupfen vnd lauffen. sie streckent auch vß ir arme wyt vnd breit vnd ir gezirten hende mit kostbam brisen^ vnd fing er- lin 2, mit langen zerhauwen zottechten er mein vnd mit spitzen engen wißen sch&helin, mit der zeugunge' sie verblenden die hertzen der knaben, als Judith tet dem fursten Olifemes, der gefangen ward in b&ser begirde, do er sach die hübsche der frowen Judith, sie tund keinen tritt an dem tantz, er werde gezelt von dem tufel, das er ine furbring an dem jüngsten tage, als manchen Sprung sie tund, als manig staffeln springen sie in die helle, zum andern male sundent sie in jrre zierung vnd schmuckunge mit schieiern, gurtein, kostbarncleidern vnd andern dingen, daran sie funfferley (lies: vierley] sunde t&nt. die erst, da; sie selbs da von hoffertig werden vnd die andern versmahen. die ander, da; sie reitzen die hertzen der die sie sehen zu vnkuschen gedencken etc. die dritt, sie machen ir nachbum vnd ir gespilen zu schänden, die sich Schemen mußen, da; sie solichs nit haben vnd machen da; sie solichs begem wider jr sele selikeit. die vierde , da; die solichs nit band clagen da; jren mannen vnd heischen von jne solichs jne auch zu vberkommen. sie stein die frucht etc. , sie vberkommen bulen vnd brechen ir e, vffda;sieden andern glichen mögen, solicher Sünde aller werden die schuldig, die sich zu vil vngew6nlich zierent. auchjr ein teil salben vnd schmirn sichmitfarwe. die verbergen ir antzlitter , die jne got geben hat vnder die farwe, ob sie villicht bleich sint von siechtagen, von vnkuscheit, oder süßt, vnd smehent got jm Schöpfer da mit vnd wellent beßer meister sin dan got. man lißt in der konig buch von der bösen frowen Jesabel, die sich zierte als der konig Jehu zu der stat jn reit, aber der konig gab ir den Ion. wan als er jnreit, do stunde sie hohe in eim fenster irs sales vnd rette jm etwas smehelichen: do gebot er zweyen edeln, die stürzten sie oben herabe vnder die reisigen, vnd die pferde hertraten sie so gar, da; nütz von ir bleib dann die himschale vnd die hende. des glichen vnd vil wirß be- schicht allen vppigen frowen, die sich also vff schmücken, auch ziernd sie ir heubte mit krentzen, mit cronen, mit guldin schappeln,^ mit perlen etc., glich als man tut den pferden, die man verkeuffen wil, vnd den roßen, vff den man tumyern wil: der heubt ziert man mit strußfedem, blumen vnd grünem buchßbaum. sölich zierung ist ein bereitunge, da; der tufel vff vnd jn sie sitzt vnd wider got vicht vff jne vnd vil seien damider siecht vnd sticht: also sint sie pferde des tufels. auch geben sie einander zu tragen cleinet^, fürspenglin^, oder 1 brise B> Einfassung^, Schnure. ^ fingerlin a Ring. > Ziehwerk, kreuzweise Riemen und B&nder zum Befestigen der Schuhe. ^ schapel » Kranz von Blumen, Kopfiichmuck. & Kleinod. < Spangen am Arm. Digitized by Google 99 schepelin^: die sint ein seichen des gesigs, den der tufel durch sie Tolbracht hat wider Ciistum, gottes son, vnd jme soliche menschen abe gestritten vnd gewonnen hat. Bolich (deinet hant sie vast liep vnd Ußent sie yngem Ton jne, zu eim seichen, das sie wiUiclich ynd gern vnder des tofels baner vnd dinst sint. auch tragen sie hare in locken von andern toten frowen, da; doch zumal ein getorstig^ ding ist Ton jne, vnd ist wunder, wie sie des nachts dar jnne getorren' schlaffen, so doch ir keine des tags gern an trüge ein hemd einr toten frowen. das ist ein warezeichen, das jne der tufel solich kunheit gibt zu sime dinste : wan sie machen da mit hömer an die heubter, die sie mit schnum herte^ rmmebinden. m. Wie swer groß sflnde tantzen sy, mögen wir mercken yß der räche vnd straffunge der alten vnd n&wen e.^ a) wir lesen Ton dem ersten tantz, den die b&cher beschribent, da; dar nach volgt gar ein große räch, wan als der heilig Moises Yon got dem herren hatt zwo t«feln mit den X gebotten enpfangen vnd von dem berg Syna ginge, da hatten die Juden ein kalp gegoßen vß golde, das betten sie an, vnd hatten wol gessen vnd getruncken, vnd machten dar nach ein spü vnd tantzten vmme daskalp.^ do wart Moises so zornig, da; er das kalp zerbrach, vnd tot mit sinen gesellen der andern Juden XXXTTT tusend Juden vff,ein mal. also selten alle obersten vnd fürweser hindern, wem vnd strafen tantzen, besunder so man ist an dem dinst des herren in der kirchen, oder so man viem ^ sölte. wann solich vnordenlich freude mit tantzen vnd vff hupfen ist gewon- lieh ein wissagung etlicher b5sen zukunfftigen dinge, als wan die merswin in dem mere sich geylen^ vnd vber die schiff vffspringen, so wißen die schifflute wol, da; zuhaut dar nach ein groß vngewitter kommet, b) auch da Herodias tantzt vor dem tisch Herodis, dar nach zu hant wart Johans teuffer sin heubt abe geslagen in dem kercker etc. dar vmme spricht der Quldmunt : »wo man tantzt vnd springt, da ist der tufel. c got hat vns die fuß nit dar vmme geben, das wir mit den tufeln springen : dann wo vnd wan man vff hupft, so freuwent sich die tufel. die tentzer vnd tentzerin tragen da; harnasch vnd waffen in den harsch^ des tufels, als wan ein fürst sich förcht da; ein ander mit jme kriegen wil, so gebut er allen den sinen, da; sie ir harnasch zeugen^<^, damit sie vnd er strittent wider die kinder gottes. c) auch als die alten edeln lute , so si nit me vechten jaögen, ir wapen vnd har- nasch vffg^ben den jungen, jren kinden, also tunt auch die alten wibe : die geben ir wapen jm tOchtem vnd schicken sie in die schar vnd here des tüfels. sie ent- zünden das fuer vnd sint glich als die füchß Sampsonis, den das f&er ge- bunden was an die swentz vnd in die frucht lieffent vnd verbranten die: also verbrennent die tentzerinne mit dem fuer, da; sie an jren swentzen, an jrme libe vnd gezirde tragen, die frucht guter wercke jn den, die sie töten mit böser be- girde. die tentzerin t&nd glich als die vnertigen dorffhunde, die lauffen vff vnd nider in dem dorff vnd beUent, aber die edeln hundelin ligen in dem huse stille swigende : also tunt auch die edeln jungfrowen, des ewigen konigs töchter. ein vertilge reyende^^ hündin kan man mit banden vnd ketten kUme da heim beheben : also tut ein frowe, die böse liebe hat : sie ist vnstetig vßweiffig ^ Xränzlein. ^ verwegen. ^ den Muth haben. ^ dicht ^ e » Recht, Gesets, Testament Durch das ganze Mittelalter war die allgemeine Annahme, dass der erste Tanz der um das goldene Xalb gewesen sei. Daher auch dieser dargestellt ist auf dem Titel- bild zum Narrenschiff und vielfach von Dichtem und Predigern erwähnt ist. 7 feiern. ^ sich erlustigen. ^ Kriegshaufe, Schar, ^o ausrüsten. ^^ Iftufische tanzende. Digitized by Google 100 vngedultig vnd vngerttvig vnd mag nit da heim bliben. wan ein swinhirte die swin samein wil, so macht er eins schryen, so lauffen die andern alle zusammen: also tut der tufel : wann er sin hers wil samein , so lesset er ein tentserin singen etc. ein figur in apocalipsi : als sant Jo. sähe, da; ein engel busunte, do sähe er pferde Tnd die yff den pferden saßen hatten furige pantser an , die wamd swefeleht vnd ir heubt als lewen heubter, yß jrme munde ginge da; fuer, rauch vnd swefel. die pferde sint die gezirten frowen vnd tochter , vnd die vff den sitzen sint die , die von jne gefangen werden mit b6sem lust : die hant gluendige pantzer der f&rigen begirde, der vppikeit vnd verlaßenheit an vnd smackent ^ vbel vor got, als vor vns der swefel. vß der pferde munt get das fuer : da; sint die vnkuschen lieder vnd wort, die do reitzent zu vnluterkeit, vnd der rauch der vppikeit, der do vil übeler rucht vor gotes angesicht, dann vor vns kein schelm ye geriechen mocht. dar vmme was ein tentzerin, die an dem tantz entzündet wart mit dem wilden heischen fuer vnd brant glich vß als ein kertze. item ein ander, die bete nit me dan eyn liet hörn singen an dem tantz , dar vmme must sie XVin tag in dem fegefuer sin. item in welschen landen warn vil frowen, tochter, knaben vnd manne, die tantzten vff einr starcken brücken, vnd do es an dem besten was, do brach die brück vnder jne vnd vielent alle in da; wasser vnd hertruncken zu förchten an sele vnd an libe. IV. Hie ist zu mercken: tantzen ist in vierley wise totsünde. a] zum ersten so ein geordente geistlich person offenlich tanzt, als münch, nunnen vnd pfaffen etc. die tund totsünde von ergernisse wegen, b) zum andern male von der z y t wegen, wann eins tantzt zu messezyt oder zu andern ziten, so man zu andacht in der kirchen by dem dinst gottes sölte sin. c) zum dritten von der stat wegen, so man tantzt in kirchen, jn kirchhöfen oder in andern gewichten steten, do man got vnere herb&t vnd der heiligen stat. d) zum vierden von des endes der wyse^ vnd meynunge^ wegen: als von liplichs lustes vnd vnkuscher begirde wegen, oder so man vnzuchtige bubsche vnkusche geberde hat mit griffen, vmmehelsen etc. oder vnzimlichen meynungen zu bösen gelüsten, mit vnzuchtigem vffspringen, sich entblftßen, dardurch man hermanet wird zu fleischlicher begirde. vnd welche da; wissent von eigener wißheit oder herfarunge, von predigen oder süßt ander vnderwisunge^ da; es so sunde ist, vnd dannoch da; nit lassen wöllent vnd haben es willen me zu tunde, die söllent nit zu dem sacrament gen: wan sie tund damit ein nuwe tot- sünde vnd machen jne selbs vnd andern luten williclich stricke zu der totsünde mit jrme geschmücke, gesange oder geberde, dann es spricht der wyse : Dwer liep hat die sorgfeltikeit, der verdirbt dar jnnc, das ist : wer ein vbel ding williclich tut vnd das nit fluhet oder mydet , der tut totsund. ist es aber das ein frow oder tochter etwen selten vnd mit vn willen sich müscht vnder die tentzerin, so getar^ ich nit sprechen, da; sie totlich Sünde : ich getar sie auch nit sichern, da; sie nit tot- lich Sünde, wan sie reytzt die ümstender vnd zuluger zu bSser begirde vnd bewert da; laster mit sterkunge des tantzes vnd tentzerin. doch möcht es wol etwan sin^ da; eins entschuldigt würde von totsund, so es tantzt jn sinr einfeltikeit vnd vn schult vnd auch luterkeit der meynunge : da; ist so es n&tzt ^ anders da sucht oder meint, dann allein da; es spylt vnd frSlichen tantzt, vnd kein vfflugen hat yff kein bofiheit oder Sünde gegen jme selbs oder andern luten, vnd da von nutzit' weiß ob etwa; bößs von tantzen komen möge. ^ riechen. > Endzweckes. ^ Absicht ^ wage. ^ nichts. Digitized by Google 101 Der grofie Satiriker Dr. Sebastian Brant hat bekanntlich ein berühmtes Buch geschrieben, genannt »das Narren schiff«, Basel 1494, darin er unter dem Bilde einer Schifffahrt alles Narrenhafte, Verkehrte und Lasterhafte seiner Zeit vorführt. In Kapitel 61 kommt er auch auf den Tanznarren zu reden und, weil er jedenfalls zu seiner Zeit viel leichtfertige Tftnze gesehen, spricht er sich stark gegen das Tanzen aus. Es mag der Urtext von diesem Kapitel nach Zamcke*B Ausgabe hier folgen : Von dantzen. Ich hieltt nah die für narren gantz. Die freüd vnd lust hant jn dem dantz, Vnd louffen vmb als werens toub, ^ Mud fuß Z& machen jnn dem stoub. Aber so ich gedenck dar by. Wie dantz mit sünd entsprungen sy, Vnd ich kan mercken vnd betracht, Das es der tüfel hat vff bracht Do er das gülden kalb erdaht, Vnd schiUr, das gott wart gantz veracht. Noch vil er mit zt wegen bringt. Vß dantzen vil vnratts entspringt: Do ist hochfart vnd üppikeyt Vnd für louff der vnlutterkeyt. 2 Do schleyfft man Venus by der hend, Do hatt all erberkeyt^ eyn end. So weys ich gantz vff erterich Eeyn schympf, ^ der sy eym ernst so glich, Als das man dantzen hat erdocht, Vff kilchwih,^ erste meß ouch brecht, Do dantzen pfaffen, mynch vnd leyen, Die kutt mflß sich do hynden reyen ; Do loufft man vnd würfft vmbher^ eyn, Das man hoch sieht die blofßen beyn ; Ich will der ander schand geschwigen. Der dantz schmeckt bas dann essen fygen ; ^ Wann Kuntz mit M&tzen dantzen mag, Tun hungert nit eyn gantzen dag. So werden sie des kouffes eyns, ^ Wie man eyn bock geb vmb eyn geiß. Soll das eyn kurzwil syn genant. So hab ich narrheyt vü erkant. Vil wartten vff den dantz lang zytt, Die doch der dantz ersettigt nit. 1 tobend. ^ Vorsichgehen oder Vorläufer der Unlauterkeit. > Ehrbarkeit. ^ Scherz. Ich wüsste auf Erden keinen Sehers, der einem Ernst so gleich wäre als der Tanz. ^ Kirehweih. ^ Umherwerfen der Tänzerin. 7 Tarnen schmeckt manchem besser als Feigen essen. 8 Des Kaufs einig, werden sie ein Paar, wie man Bock und Geiß lusammenthut. Digitized by Google 102 Die Überschrift zu dem über Kapitel 61 stehenden Holsschnitte lautet : »Das best am dantsen ist, das man Nit yemerdar dit für sich gan Vnd euch by syt Tmb keren kan.« Auf dem Holzschnitte sieht man das auf einer Säule stehende goldne Kalb, um- tanzt von einer Schar Narren und Närrinnen. Der letzte scheint ein Mönch zu sein, der seine Dame unschicklich hoch emporwirft. Über die unzüchtige Tanzmanier im 15. Jahrhundert hOren wir um 1480 den Sittenprediger Dr. Joh. Geiler von Kaisersberg (f 1510 zu Straßburg] also eifern : »Als Herodes einst ein köstliches Gastmahl gab, ließ er das Metzlein Herodias Tor sich rufen, die mußte zu seiner Ergötzlichkeit tanzen. Das war nicht des Tanzens, wie man hier (in Süddeutschland) pflegt, wo man durcheinander läuft, als sey man unsinnig, und die Männer die Weiber auf schwenken, dass man sieht, was weiß ich, wohin; sondern als man in welschen Landen tantzet, da nur ihrer zwei zusammentanzen, wobei es gar züchtig zugeht. Aber mit unserm Tanze geht man nur um, wie mit einem Gaukelwerke. Da heißt es : das ist ein köstlich Ding, dass man Einer den Vortanz giebt. Der ihr den giebt, dem giebt sie ein Kränzlein; des rühmt er sich und spricht : es war 20 Gulden werth. Mit solchem Gaukelwerk geht man um I«^ In seinen lateinischen Predigten über das Narrenschiff (1498) spricht er über die Gefahr des Tanzens. »Es kommt unser schlauester Feind (der Teufel) über die elenden Menschen durch des Tanzens Kampf. c^ Als tadelnswerth beim Tanz, wodurch der Teufel über uns komme, führt er an: das Umarmen (am- plexari), das Küssen (osculari), den schöfferdantz (Schäfertanz); femer durch » 8 chä ndli cheGesänge, dies pflegt bei denen zu geschehen, welche wir Deutsche Heigerleiß nennen oder ein scheibenförmig (rundes) Tänzlein, dabei Eine vorsingt und die Andern folgen.«' Über die Unsitte des Entblößens beim Tanz spricht er in starken Worten : »Aber auch ganz schandbar werden sie (die Tänzerinnen) bis zu den Schamtheüen durch die Heftigkeit und Gewalt der Um- drehung entblößt, so dass dasjenige fast offenbar wird, was Gott und die Natur in das Verborgene gesetzt haben.« ^ Auf die Tanzlust bezieht sich folgende Stelle in Kaisersbergs Postille, Straßburg 1522, S. 73. Nachdem er über Einführung und Werth des Tbchgebetes gesprochen, fährt er fort: »Und was ist denn euer Laiengratias? Wohlan l das ist »Pfeif aufl mit der Trommel bumberlybum, bumberlybum I« Es ist ein ge- meines Sprichwort: Vor Essens und mit nüchternem Bauche ist kein Tanz, aber nach dem Imbiss. Das ist euer Laiengratias Ic Wieder an anderer Stelle seiner Predigten (Abdruck im Schaltjahr Seite 544) zürnt Geiler von Kaisersberg über Gemeinheit beim Tanz wie folgt: »Es werden vil gefunden, die tanzen also bübischer weis mit Werken und Geberden, dass nicht genugsam von ihrer Üppigkeit zu sagen ist. Man treibt zu i Brosamlin Dr. Kaiserspergs , nachgeschrieben vom Frater Paulin. Straßburg 1517. S. 53. * InTadit astotissimus noster hostis miseros homines per ohoreae bellum. B Item in eantibus turpibus; hoc in his fieri seiet, (^uae nos Theutones appeüamus heygerleyß, Tel »ein scheiblecht tentzlin«, ubi una praecmente aUae subse^uuntur. ^ ^ ^ Sed et turpissime etiam usque ad pudenda propter yehementiam et unpetum cir- cuitionis denudantur: ut ea fere pateant quae Dens et natura in obstrusiora reposuerunt. Digitized by Google 103 unsem Zeiten solche nnsiemliehe Üppigkeit unter dem Tsnsen, das tot nie er- sehen noch erhört ist worden. Desgleichen bringt man soviel Tänze auf die Bahn, die Tor nie in Brauch sein gewesen, dass sich nicht genug darob su verwundern ist. Als da ist: der Schäfertanz, der Bauerntanz, der welsch Tanz, der Edel- leute-Tanz, der Studententanz, Kefilertanz, Bettlertanz und in Summa, wenn ich sie alle wollte erzählen, hätt ich wohl eine ganze Woche genug zu schaffen. tDamach findt man Klotz, die tanzen also säuisch und unflätig, dass sie die Weiber und Jungfrauen dermafien herumschwenken und in die Hohe werfen, dass man ihnen hinten und Tomen hinaufsiehet bis in die Weich . . . und haben es bisweilen die Jungfrauen (so anders solche noch Jungfrauen zu nennen sein) fast gern, wenn man sie also schwenket, dass man ihnen ich weiß nicht wohin sieht. Pfuil der großen Schand und Unzucht, dass du dies Ort muth- willigerweis entblößest, das doch Qott und die Natur will verborgen haben. O Schand über Schand! wie gar bist du in die Welt geschloffen in Junge und Alte l Fürwahr, wo die Welt sich nicht bessern wird und dem üppigen Leben ab- stehen, so wird es gewisslich Gott der Herr strafen, wie er denen zu Sodom und Gomorra gethan, die er allein um ihr Üppigkeit und Unkeuschheit halber mit Schwefel und Pech gestraft hat. sNoch hätt ich schier den Tanz vergessen, nämlich den Beihentanz, da werden auch nit minder Unzucht und Schande begangen, als in den andern, von wegen der schändlichen und schandbaren Hurenlieder, so dareinge- sungen werden, damit man das weiblich Geschlecht zur Geilheit anreizet.c Der alte Barfoßer-Mönch J. Pauli schrieb: »Es soll kein frommer Mann seine Fraw noch sein Tochter zum Danz gehen lassen. Du bist sicher, dass sie dir nicht als gut wider haimb kombt, als sie dar ist gangen. Sie begehren oder werden begehrt vnd haben jhre Hand inn einer vnreinen Hand.«^ Ein anderer Prediger meinte : »Nirgends geht Weibern und Mädchen so ge- wöhnlich etwas verloren, das sie nicht verlieren sollten, als auf dem Tanzplatze.«' Der Philosoph ComeUus Agrippa von Nettesheim (1482 — 1535) sagt in seinem lateinischen Buche iDe vanitate scientiarumt (1526) über den damaligen unsitt- lichen Tanz : »Man tanzt mit unehrbaren Gebärden und ungeheuerm Fußgestampf , nach lasciven Weisen. Bei buhlerischen Umarmungen, legt man unzüchtige Hände an Mädchen und Matronen ; sie küssend und Lasterhaftigkeit für Scherz ausgebend, schreitet man sogar dazu, schamlos das zu entblößen, was die Natur verbirgt und die Sittsamkeit verhüllet.« Gewiss sind in dieser Schilderung eines so aufgeklärten Mannes keine Übertreibungen.' Wenden wirunsnunzudenprotestantischenTheologen, so widersetzen sich gar viele dem Tanze underklären denselben schlechterdings für unzulässig und sündlich. Nur wenigen Theologen des 16. Jahrhunderts ^t bestenfalls der Tanz 1 Citirt und zu seiner eigenen Ansicht gemacht von dem kaiserlichen Rechtslehrer Christoph Besold, Thesaurus praetious. S. 210: Vom Bansen. < »Saepe*ibi Matrona diu servatum decus perdit Saepe infeliz Virguneula dedioit, quod melius ignorasset« B. Loriohii Instit Princip. 206. 8 Auch französische Schriftsteller schelten das Tanzen. Wilhelm von Lvon schrieb: »Der Tanz ist ein Cirkel, dessen MiUelpunkt der Teufel ist, der alle Mädchen und Weiber an seiner linken Hand zum Zeichen der Bosheit führt« (Speidelii Speeul. Jurid. Polit 244). Ein anderer Franzose L. Vives sehreibt in seinem Buche »Le femme chr6- tienne« S. 34 : »der Tanz ist der Gipfel aller Laster«. Ebenso nennt Lambert Danäus in seinem Trait^ des Tanzes 8. 37 den Tanz »einen Inbegriff aller Gattungen von Giften, die der Teufel durcheinander gemischt habe, um die Herzen mit schändlichen Lüsten zu entzünden.« Digitized by Google 104 al s eine les media d. h. für eine Sache, die man thun oder lassen kann, ohne Sünde. Sie meinten aber dennoch, er sei zu entbehren, und löblich sei, nicht su tanzen. Der Schweizer Reformator Calvin hielt das Tanzen für ein Merkmal leicht- fertiger Gesinnung und verführter Geilheit (seine Erklftrung zu Matthäus 14). Die Sittenverderbnis beim Tanz musste damals groß sein, dass dieser sonst vorur- theilslose Mann sich zur Abneigung und Aburtheilung des Tanzes, auch des unschul- digsten fortreißen ließ. Darum mussten die Calvinisten, besonders in Genf, lange Zeil dem Tanze gänzlich entsagen. Weniger streng spricht der deutsche Reformator Luther sich über das Tanzen aus. In seiner Eirchenpostille (Dominica 11 post Epiphaniam fol. 207) bei Erklärung des Textes von der Hochzeit zu Kana schreibt er : >Man fraget ob das Tantzen, von welchem viel Böäes herzukommen scheint, unter die Sünden zu rechnen sei? Ob es bey den Juden üblich gewesen , weiß ich nicht. Weilen es aber bey uns, gleich wie Gäste einladen, sich gebührend mit Kleidern zu schmücken, essen, trincken vnd frölich seyn, LandnutÜich (Landessitte) vnd gebräuchlich ist, weiß ich es nicht zu verdammen, wenn es nur nicht über« mäßig, unzüchtig vnd zu viel geschiehet. Dass aber Sünden vnd Laster dabey vorgehen, ist nicht der Tantz, sondern den unordentlichen Begierden der Tantzenden zuzuschreiben : Sintemalen auch wol über Tische vnd in der Kirchen dergleichen geschehen kan. Gleichwie es nicht des Essens vnd Trinckens Schuld ist, dass etliche zu Sewen darüber werden ; wo es aber züchtig dabey zugehet, lasse ich der Hochzeit ihr Recht und Brauch. Vnd tantze immerhin , der Glaube vnd die Liebe lassen sich nicht austantzen, so du keusch vnd mäßig dabey bist. — Die Kinder tantzen ohne Sünde ; das thue du auch, auch tantze als ein l^nd , so wird dir der Tantz nicht schaden. So nun Tantzen an ihm (sich) selber Sünde wäre, so müsste maus ja den jungen Kindern auch verbieten.tr An anderer Stelle^ in seinen Schriften sagt Luther: »Weil Tantzen auch der Welt Brauch ist, des jungen Yolcks, so es züchtig, ohne schandbare Worte oder Gebärde, nur zur Freude geschieht, ist nicht zu verdammen; denn ein Christ lässt der Welt ihr Recht, dass nicht die hoffärtigen Heiligen sobalde Sünde daraus machen, wann man es nur nicht in Missbrauch bringet.a An dritter Stelle^ äußert sich Luther : »Man solle Tanzes halber Niemandes Gewissen beschwären , verstricken und verdammen, so es zu Freuden und Ehren der Hochzeit, item Zucht ohn schampere (unzüchtige) Weise, Worte und Ge- berden beschicht und kein Überfluss, Unmaß, Missbrauch, noch sewisch Wesen im Tanzen geübt wird.a Ähnlich spricht Luther an vierter Stelle ' über den Hochzeitstanz billigend sich aus : )»E8 ist keine Sünde, dass ein junger Geselle oder Jungfrau nach einer Braut oder Bräutigam dencket, es werden desswegen vomemlich Wolleben ange- stellet, da fromme ehrliche Leute zusammen kommen, vnd mit einander essen vnd trincken. Ja man richtet darum Tantze an, welche mit sichten zu verdammen seyn, wenn es fein züchtig, sittsam und ehrlich dabey zugehet.« Noch an fünfter Stelle^ sagt der Reformator : »Dass man eine Braut zierlich schmücket, isset, trincket — gehet wohl hin. Auch dass man schön tantzet, man muss darüber kein Gewissen machen, wo man nur dabey von guter Zucht und Scham nicht abweichet.« * Luthers Werke, Jenaer Ausgabe, Tom. IV, foL 133. « Luthers Werke IV, 666. » Luthers Werke V, 671. 331. * Erklärung zu Oenesis Kap. 24. Tom. IV, 256. Digitized by Google 105 Auch folgendei lateinische Ausspruch wird Luther xugeschrieben : i»Choreae sunt institutae et concessae, ut civilitas discatur in frequentia etc.t Caspar Oruner's Traktat »Ein Ratschlag wider die gotlosen Tentz« (1525) ist eine Predigt über Markus 6 (Enthauptung Johannis und Tanz der Tochter des Herodes). Der Verf. sucht darin aus biblischen Beispielen und Erfahrungen des alltSg- lichen Lebens die schrecklichen Folgen des gottlosen Tanzes nachzuweisen und bittet und ermahnt (verbieten will er nicht, weil er nicht könne) , dass num sich vor gottlosen Tänzen hüten solle. Unter anderem kommt er auf die H o c hz e its- tänze zu reden und sagt: »Man siht wol, wie es in die gewonhait kummen ist. Sölt man Hochzeyt haben ynd solt nicht ein tantz da sein , so maint man , es wer ▼nrecht. So doch vil mer denselben tag, da zwajr Zusammen in die Ee tretten, hertz- lich gebet gegen Oot von nötten wer .... Ich besorg, es werdt auch wenig auß- gericht mit tantzen vnd hupffen auff den hochzeyten, wie yederman wol weyß, was fürschandt, spot vnnd last er, für bOse gedancken, hurerey vnd eebruch, für zorn vnd haß, für stechen, hawen vnd würgen oft darauO entstehet; da- rumb warne ich, wer sich warnen lassen wil.a Nachdem Grüner den Tanz der Mirjam am rothen Meer und des David vor der Bundeslade als unverwerflich hin- gestellt hat, ffthrt er fort : »Darauß mag wol ein Christenhertz ericennen : welche tentz frucht bringen, oder welche schaden gebem; dann welcher tantz nicht zu lob vnd herligkait Oottes gericht ist, mit lobgesengen gottes, zu eeren seinen heiligen namen, der ist vnd wirdt streflich für Got, er gleyß für der weit, wie fein er wolt.t Der berühmte evangelische Prediger Cyriakus Spangenberg (geb. 1528 zu Eisleben, gest. 1604 zu Straßburgj hat in seinem »Eh espie g el« oder LXX Braut- predigten (Straßburg 1570, S. 285] eine umständliche Abhandlung vom Tanze seiner Zeit geliefert^ besser als mancher Tanzmeister es hätte thun können. Zu- gleich haben wir darin das ruhige , unbefangene Urtheil eines Seelsorgers. Wir geben daraus die für Sittenkunde wichtigen Stellen hier wieder : »Wie wol ich nicht willens bin, das tantzen jetziger Welt zu vertheidigen, so kann ich mir doch auch die Beschreibung des Tantzes, die Agrippa (f 1535] und etliche andere setzen, nicht gar gefallen lassen, da sie sagen: Tantzen ist nichts anders denn eine Bewegung zur Geylheit, ein Spiel das allen Frommen übel ansteht, vom leben- digen Teuffei, Gott zur Schmach, erfunden. Wol mag dieses mit Wahrheit ge- sagt werden von den meisten dieser Welt , die nicht viel besser sind , aber doch sollen in gemeynen nicht alle Täntze also verdampt werden. Denn wenn man sich recht in die Sache schicken wolt, so dörffte ich sagen : Tantzen ist eyn Freude und Kurzweil eines ordentlichen Reyens, von Gott seinem Volke erlaubet und vergönnet zu seiner Zeit. Darumb muss man nicht sagen, dass alle Täntz vom Teuffei herkommen, wie in der alten Papistischen Postille steht : Es sei ein sonderlicher Teuffei »Schickt den Tantz« (Schicketanz] genannt, der alle Täntze anrichtet, — das ist zu viel gesagt. »Gott kann wohl leyden, dass alle junge Leut tantzen, springen und fröhlich sind; aber das wüste Umlauf en, unzüchtige drehen, greiffen und maullecken gefällt ihm gar nicht, ist Sünde, ist Unrecht. Ists nun bräuchlich gewesen auf der Juden Wirthschaft zu tantzen, so haben sie freylich zu Cana auch getantzt und hats der Herr Christus nicht gewehret ; denn er ist nicht ein solcher Starrkopf, der etwas sonderliches haben wolte, sondern hat ihm (sich's] lassen gefallen, was zum Ehren ländlich und bräuchlich war. Er kann von seinen Christen wohl einen guten Mut leyden, in ehrlichen Sachen. Er ist fröhlich gewesen mit den Fröhlichen und hat ihm gefallen lassen, was zum Ehren geschieht. Dieses nun besser zu verstehen. Digitized by Google 106 wollen wir nnderBcheidlich vom Tantsen sagen^ wann es Sünde sey oder nicht. In der heiligen Schrift findet man viererlei Tänze : 1. Ein Qeistlichen Tans. 3. Ein Bürgerlichen Tanz. 2. Ein Qötzen-Tanz. 4. Ein Buben-Tanz. »Eratlich ein geistlicher Tanz, welchen fromme heilige Leute bey dem wahren Gottesdienste Oott zu Lob und Dank gethan , durch den heyligen Geist getrieben. Also lesen wir von Mirjam, Moses Schwester, da Pharao mit seinem Heer im rothen Meer ersoffen war, da nahm sie eine Pauken in ihre Hand und alle Wei- het folgten ihr nach hinaus mit Pauken am Reyen und Mirjam sang ihnen für: Lasset uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche That gethan, Mann und Boss hat er in das Meer gestürzetl Das war recht gottseliger geistlicher Tanz ; viel- leicht haben auch die Mfinner in ihrer Ordnung für Freuden Oott zu Lobe getanzet u. s. w. Ebenso der Tanz zu Silo. Davids Tanz beym Empfang der Bundes- lade. . . . »Der dritte Tanz heysset ein bürgerlicher Tanz, und geschieht alsdann, wo Mann und Frawen, junge Oesellen und Jungfrawen Öffentlich zusammen kom- men zu rechter Zeit in Züchten und Ehren, mit Wissen und Erlaubniss der Ober- keit und ihrer Eltern ; als auf Hochzeiten und ehrlichen Oesellschaften , bey der Wiederkunft eines Lsindsherren u. s. w. Solche Tänze sind nicht wider Oott, wenn sie recht und ehrlich gehalten werden. Als David den Riesen Ooliath er- schlagen hatt, da giengen die Weiber dem König Satil entgegen mit Gesang und Reyen, mit Pauken, mit Freuden und Oeygen. Das war ein bürgerlicher Tanz des Volks Oottes, von wegen des Siegs. Auch zu Christi Zeiten ist Pfeiffen und Tan- zen im Brauch gewesen, da er saget Math. XI: Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzet .... »Unsere Vorfahren haben solche öffentliche Tänze auch darum gehalten, damit ihre Kinder von den Nachbauem mochten gesehen werden, Ehestiftungen fürzu- nehmen. Derhalb inMeissen und anderswo, jährlich zu gewissen Tagen, jetzt auf diesem, dann auf dem andern Dorfe durch der Oberkeit Verordnungen die »Lobe - Tänze« gehalten werden. »Und solche ehrliche bürgerliche Tänze könnte man wol halten, wo nur allen die Oberkeit ein ernstes Einsehen mit haben wollt, und sagen wie an anderen Orten geschieht: Wollt ihr tanzen, so sollt ihr züchtig und eins seyn; so aber Jemand Unzucht und Hader anrichten will, den wird man in den Thurm stecken. Dann sonst mengen sich viel unnützer Buben ein, die keine Ordnung halten wollen. Einer will sein Wehre nicht ablegen, spricht: er sey Hofgesinde ; der ander will das Drehen nicht lassen, spricht: er sey frembd. . . . »Darum sage ich: Tanzen ist an ihm selbst keyn Sünde, wenn man sein recht braucht; was aber der Mangel sey, dass wenig Leute ohne Sünde tanzen, wollen wir weiter nun hören. »Der vierte Tanz, davon man in Schriften findet, mag ein Buben-Tanz heylTen, und ich wollte nicht fehlen, wenn ich ihn auch einen Huren-Tanz nennete. Und ist dieser Bubentanz nichts anders, dann da man auf nichts anders zusammen kompt, dann Fleisches Kützel und MuthwiU zu büßen. Wie dann ge- meiniglich geschieht an denen Tänzen , welche junge Gesellen und Jungfrawen ohne der Oberkeyt und der Eltern Erlaubniß halten. »Item an den Abend-Tänzen, da man nichts ehrliches sucht, sondern nichts thut als unzüchtig tanzen , springen , drehen, greiffen u. s. w. An solchen Digitized by Google 107 Tftnzen verleuret manch Weib ihre Ehre und gut Gefrücht. Maaiche Jungfraw lernet alda, das ihr besser wftre, sie hätte es nie erfaren. Snmma, es geschieht da nichts ehrlichs, nichts gOt&ichs. tWer solche 'nbue billigt , ist ein Bube , und wer sie vertheidigt , ist ein Schalk. . . . Denn was ist da anders, dann ein wildes, ungehewr yiechisches rennen, lauffen und durch einander zwirbehi, da siehet man ein solch unsüchtig auff- werfen und entblöffen der Mägdlein, da; einer schwöret, es hätten die Un- fläter, die solchen Reyen führen, aller Zucht und Ehre Tergessen, wären taub und unsinnig und tanzten St. Veitstanz und ist in der That auch nit yil anders. >Nun seind gemeiniglich jetzt alle Tänze also geartet, gar wenig aus- genommen, da; ich warlich auch andere Tänze, die bald nach geschehener Malzeit auf den Wirthschaften gehalten werden, nicht viel zu loben finde; denn das junge Volk ist gar vom Teufel besessen , dass sie keine Zucht, Ehre noch Tugend mehr lieben; die jungen Gesellen meynen, wenn sie nicht ihre Fechtel oder Degen neben dem Tanz an der Seyten tragen, sich ungepärtig genug stellen, hoch springen , schreyen und wüten und drehen sollten , sie hätten nicht recht getanzt. Ich schweige der unzüchtigen Red und Gebärde, so die Esel am Tanz treiben. Und da ein frommes Kindt daran eyn Abschewen hat, und sich mit sol- chen groben unflätigen Teufelsköpfen zu tanzen beschwäret , dörfen sie ehrlicher Leute kinder ins Angesicht schlagen, und grofi pochen und dröwen fürgeben. »Damach ist auch ein Umstand und Vergessenheit, wann man zum Tanz- hau ß gehet und über den Markt für der Kirche überziehen muss , darinnen man bisweilen dazumal den Gatechismum mit den Knaben und Kindern übet, da; man da keynen Underscheid hält, da die Spielleute selbst sollten so bedächtig sein, und der Bräutigam und Werber auch ihnen solches ernstlich befelhen , dass sie alda mit Trummein und Pfeiffen stille und innehielten, bis sie für der Kirchen über wären, damit das Singen und Gottesdienst mit solchem Getümmel und Ge- stürme nicht gehindert werde. >Und hat Gott auch zwar bisweilen solche leichtfertige Tänze gräwlich ge*- straffet: Denn umb 1277 haben etlich yil Leut zu Utrecht auf einer Brücken über der Maaße einen leichtfertigen Tanz gehalten und viel Üppigkeit getrieben , da ist letzlich die Brücken gebrochen und ob 200 Menschen ersoffen. »Anno 1 352 hat Johann von Miltiz, Bischoff zue Naumburg und Zeitz, an St. Jo- hannis des Täufers oder des Evangelisten Tage etliche Frawen und Jungfrawen vom Adel zu sich geladen, mit denselbigen einen Tanz gehalten, und etwan mehr Leicht- fertigkeit geübt, denn einer solchen Person wohl anstehet, ist derhalben am Keyen zwischen zweyen Weibern , mit denen er zugleich getanzt, umb gefallen und plötzlich gestorben.« Spangenbei^ kommt S. 293 ff. nochmals auf die Abendtänze und Nacht- essen bei den Hochzeiten zurück und bringt noch folgende charakteristische Schil- derungen! »Wenn man sich am Reyen und Tanzen wol müde gelauffen, gejaget, ge- drehet und gerennet hat, so findet man sich alsdann eben wieder spat genugsam zu Tische und hält das Nachtmahl. Da gehet es also vil wüster, unmäßiger und unzüchtiger zu , als vil der Abend unschamhaftiger und trunkener ist , denn der Morgen ; da isset mancher und trinket ohne Hunger und Durst zu ungelegener Zeit, wäre besser, er schUeffe dafür und ist diese Abendmalzeit schädlich, beyde, dem Bräutigam und den Gästen. Ist das auch ein schändlicher Mißbrauch, dass auff demselbigen Abend Jungfrawen und Gesellen zusammen unter einander ge- mengt gesetzt werden, weil aber das Gesellige sich gemeiniglich voll gesoffen, und Digitized by Google 108 toll gelaufen hat , ist wol zu eraehten , was grob , unflätig und unverschampt sie pflegen zu seyn, mit Worten und Geparden, und ist dahin kommen , dass auch unter den Jungfrawen ihr vil selbst unhypsch genugsaifl seyn kOnnen, mit Worten , und den Scherz am meysten treiben und fördern , dass es auch bisweilen an einem andern ort (will nit sagen wo) zu yü were, dass stehet jetzt zumal übel. »Denn was geschiehet auf den Abendmalzeiten, wenn man den ganzen Tag gesoffen hat , anders , dann dass eyner schlaft über Tische , der ander zerbricht Gläser, der dritte schreit und singet, der vierte hadert und zankt, der fünfte be* weint das Trunken-Elend, der sechst giebt fechten und springen für, der siebente wil aus der Kunst disputiren , und ist ein solches Leben durcheinander , dass man nicht weiss, wer Koch oder Keller ist. Und da auch gleich dieKnabenausder Schule kommen mit ihrer M u s i c a , ein gutes Stücklein zu singen, und die Leute fröhlich zu machen, haben sie kein Gehör, werden bisweilen wohl übel abgeweiset und darzu übel geschlagen. Also hat Bachus das tolle Regiment zu Abends alleine, wenn man ihm den Tag zuvor gedienet hat, daran ist ja nicht viel zu loben. »Alsbald nun die Abendmalzeit geschehen ist, so muss es von neuem wieder gehupfet und gesprungen seyn. Behüte Gott alle frommen Gesellen für solchen Jungfrawen, die da Lust zu Abendtänzen haben, und sich da gerne umb- drehen, unzüchtig küssen und begreif fen lassen, es muss freylich nichts guts an ihnen seyn , da reizet nur eins das ander zur Unzucht , und Addern dem Teufel seine Bolze. j»Wenn man sich abermal müde getanzt, so hebet man an etlichen Orten an, Freuden-Fewer zu machen und Fasse zu brennen, möcht aber lieber unter- lassen werden von den trunkenen Leuten. Werden bisweilen auf den Abend zum Wirtschaften Sing-Tänze gehalten, da beyde Mann und Weib, jung und alt zusammentreten und einen Reyen füren, Cirkelweiae^ ist nicht verdamlich, dafem man unzüchtige Lieder davon ließe, aber jetziger Zeit lasset man sich be- dünken , wer die allergarstigsten , unverschamptesten , lausigsten Possen kan am Reihen fürsingen, und es auf das aller unzüchtigste machen, der sey der beste und frölichste gewesen. Bleiben unflätige Säwe und des Teufels Fürlauff in allere ley unzüchtigen Worten, Gesängen, Reimen und Räthseln. »So ist auch an etlichen Orten Brauch, dass man nach vollbrachter Freude Braut und Bräutigam zu Bette bringet, da ist ohn noth, dass man mit Trom- meln und Pf elf fen groß Wesen mache und alle Vollzapfen mitlauffen und ihren Unlust mit treiben. Ja wenn nun die g^ten jungen Leute einmal also aus dem Gewühl in die Ruhe kommen, so findet man solch unbändige Leute, welche rotten- weise vor die Kammer ziehen, daselbst wüste und grobe Lieder singen, bisweilen gar die Kammer aufbrechen , sie wieder aufheben und zum Trunk mit Gewalt füren ; das sind nit Menschen, sondern Teuffei. »Da seind dann auch etliche, die laufen mit der Trummel die ganze Nacht umb durch alle Straßen und gassen und machen mit ihren! geschrey eine ganze statt oder flecken unruwig , und wenn sie auf dem Markt Buden , Tische, Bänke und alles umbgestoßen haben, Wagen, Karren in Bach gefürt, zerlegt und umgestürzt, verfüret oder zerbrochen haben, und in den Häusern über den Kachel- ofen gestiegen, herabgefallen, Tische, Thür, Fenster und Bänke zerschlagen, und nichts dann schaden gethon , und bis an hellen Morgen geschwermet und wie der lebendige Teuffei sich gehalten haben, rühmen sie solches gar meisterlich und wollen noch gar herrlich darumb gelobet seyn. — Pfyl der heillosen groben Un- fläter, wäre nit Wunder, dass sie die Erde verschlünge, ist auch unmöglich, dass sie solten selig werden, sie müssten denn ernste Buße thun.c Digitized by Google 109 Melchior Ambach, Prediger su Frankfurt a/M., weiß in seinem Traktat: «Von Tantsen , Vrtheil Au£ Heiliger Schrifft vnnd den alten Christlichen Lerem gestelt« (Frankfurt a/M. 1545] viel auf den Tanz zu schelten und erklärt ihn für Sünde. JÜAeher, was ist doch Tantzen anders, denn eine begebung zur geilheit, ge- fallene des lästere, bewegung zur vnkeuschheit, vnd ein spiel, das allen frommen ybel ansteht. Wie offt hat ein frommes Weib (spricht Franciscus Petrarcha} jr lang behalten ehr am Tantz verloren l Die Jungfraw erlernet , das ihr besser, sie hats nie erfaren. Wie vieler guter leumbden vnd schäm ist am Tantz vmbkommen 1 Wie viel gehn vom Tantz vnzüchtiger vnd wanckelmütiger, aber keiner keuscher I Durch Tantzen ist schäm vnnd keuschheit offtmals bestritten , gestürmt vnd ge- stürzt worden. Vnd wer kan alles vbel, das äugen vnd obren bey dem Tantz schöpffen, vnzüchtig gesprech vnd greiffen, mit sich bringen, erzelen? Leicht- fertige, Hurische geberden vbet man nach süßem seitenspiel vnd vnkeuschen Lie- dern; dabegreiffet man frawen vnd Jnngfrawen mit vnkeuschen henden, man küsst einander mit Hftrischem vmbfahen, vnnd die glieder, welche die natur verborgen vnd schäm bedeckt hat, entblößt offtmals geilheit, vnd vnder dem Mantel einer kurtzweil vnd Spieles wird schand vnnd Laster bedeckt. Wo geschieht mehr vbermuts, trutzes, mordes, Verachtung anderer, erhebnng vnd fürtragen sein selbst, denn eben am Tantz? Wie kan nun dieses ein guter Baum sein, der solche schendliche, ergerliche, ehrlose vnd Hellische frucht tregt? Zeige mir aber ein Welttantz je beschehen, der nit diese fruchte zum theil oder alle mit sich bringet So nie kein gute frucht aus der Welt tantz entsprungen ist, sondern alleweg bOses erwachset, kann je der Baum nicht gut sein, vnd derhalben auch nit auß Gott. Ja tantzen ist eigentlich ein vbung, nit vom Himmel kommen^ sondern von dem lei- digen teuff el, Gott zur schmach erfunden.« An anderer Stelle heißt es : >Man be- trachte doch das Tummeln, die Herumschweifung, das Auswerfen der Beine, das Hintersichhüpfen , das Hintersichlaufen darnach Vorsichlauf en , sich in die Luft schwingen, sich wie ein Rad umdrehen , die Erde mit den Füßen klopfen, wie ein getriebener Topf (Kreisel) herumhaspeln und wirbeln. . . Für den verfluchten Ten- zen kann kein Pfarrherr den Katechismus handeln und lehren ; der Tanz hat mehr Platz als Gotteswort, c Der eifernde Pfarrherr zu Schellenwalde, Florian Daule von Fürstenberg in seinem 1567 gedruckten »Tantzteuffel d. i. wider den leichtfertigen, unver- schempten Welttanz vnd sonderlich wider die Gottes Zucht vnd ehrvergessenen Nachttänze« sagt unter anderm von den Tanzenden bei Nacht -Tftnzen, dass sie dabei »offt durcheinander unordentlich gehen und lauffen wie die bisenden Küh sich werffen und verdrehen, welches man jetzt verkOdern heißt. So geschiehet nun solch schendlich, unverschämt schwingen, werfen, verdrehen und ver- ködern, von den Tantzteuffeln, so geschwinde, auch in aller Höhe, wie der bauer den flegel schwinget, dass bißweilen den Jungfrauen, Dirnen und Mflgden die Klei- der biß über den Kopf fliegen. . . . Welche Jungfraw, Magd und Dirne am meisten am Tanze herum gefüret, geschwungen, gedrehet und beschawet wird, die ist die fümembste und beste und rühmen und sagen die Mütterlein selber : Es bt ein be- dräng vmb meine Tochter amTantze, jedermann will mit jr tantzen, sie hat heut am Tantz guten Markt gehabt. Auch sticht der Narr unsere jungen und alten Wittwen, die treibens ja so körbisch, wilde und unfletig, als die jungen Mägd- lein, seind bey den Nachttenzen sowol die ersten als die letzten.« Im 17. Jahrhundert wurde immer wieder von Theologen gegen das Tanzen gepredigt und geschrieben. Zunächst in der alten rohen Weise von J. L. Hart- Digitized by Google 110 mann in seinem Tanzteufel 1677, wo es unter andenn heißt: »Tanzen ist eine un- flätige Bewegung und ein schftndliohes Schauspiel, wodurch man geärgert wird. Tanzen ist Sünde. Tanzen ist eine Bewegung des Gefallens, ein Spiel, das allen Frommen übel steht. Tanzen ist eine Übung, nicht vom Himmel kommen, son- dern von dem leidigen Teufel, Oott zur Schmach erfunden. Tanzen ist ein Haufen Unreinigkeit. Tanzen ist ein fauler Baum. Tanzen bt ein leichtfertiger Schimpf, Bosheit und eitel Finsternis. Tanzen üt eine besondere böse Lust. Tanzen ist ein Unmafi, ärgerlicher, ehrloser, schändlicher und muthwiUiger Missbrauch. Tanzen ist ein satanischer Aufzug, ist ein Teufelswerk, c So ähnlich wird fortgeschimpft in dem Buche von Wiegeleb: »Was vom Tantze zu halten sey.« Halle 1697. Nicht weltfreundlich, sondern pietistisch angehaucht ist die Schrift von August Hermann Francke (Pastor zu Glaucha, Vorstadt von Halle): »Oründ- und aus- führliche Erklärung der Frage : Was von dem Weltüblichen Tantzen zu halten?« Halle 1697. — Der Pfarrer zu Wolkenburg C. M. Seidel läßt drucken ein »Christ- liches und erbauliches Gespräch vom Zechen, Schwelgen, Spielen und Tanzen«. Halle 1698. — Zum Schlüsse des Jahrhunderts erscheint 1700 in Leipzig von S. Berensprung »Kurze Vorstellung, was von dem weltüblichen Zechen und Tanzen nach der Regel Gottes Worts und nach Beschaffenheit des wahren Chri- stenthums zu haltena. Beim Theologen Gerhard (in seinem Commentar zu Deuteronomium S. 340) liest man eine lange Abhandlung über die Frage : Ob das Tanzen wider das sechste Gebot und folglich verboten sei? Die Antwort ist : 1. Dass die unehrbaren, unzüch- tigen, geilen, aus einem bösen Quell herrührenden und nicht in guter Absicht an- gestellten Tänze zu verwerfen sind. 2. Doch sind schlechterdings nicht alle Tänze als lasterhaft und unzulässig anzusehen und also nicht zu verdammen. Tanzen hat seine Zeit und wir lesen, dass die Heiligen ohne Sünde getanzt haben. Tanzen ist an und für sich eine indifferente Sache. — Nach ihm kommen alle freisinni- gen Theologen dahinaus, das Tanzen nicht absolut zu verdammen, sondern zu erlauben. Der Theolog Osiander glaubt: »Man muss der Jugend ihre Tänze zulassen, jedoch unter gewissen Bedingungen. t (Osiander, Cent. 4, lib. 3, 397.) Ebenso ver- theidigt der freisinnige Theologe Dr. Grünberg den Tanz als erlaubt, aber be- dingungsweise. Desgleichen: Lange, Vom Tantzen. Gießen 1704. Zopf, De Pseudadiaphoria saltatoria. Essen 1735. J. M. von Brocke, Generalsuperintendent von Altenburg, der das Tanzen für erlaubt hielt, da die heilige Dichterin Mirjam, der KOnig David u. A. auch getanzt hätten, wurde deshalb von einem Dorfpfarrer J. M. Crasselius zu Sana, unfern Altenburg, heftig angegriffen, bis der galante Mann abgesetzt wurde, nachdem der Lärm darüber von 1697 — 1699 gedauert hatte. Ebenso verlor des Tanzes wegen ein anderer Prediger, J. W. Kellner von Zinndorf in der Oberlausitz, seinen Dienst. (Er gab seine Geschichte selbst heraus unter dem Titel »Acta publica vom Tantz- Greuel.« 1716.) Jener geistliche Herr, Crasselius, nannte in Schrift und Predigt das Tanzen eine Sünde und verweigerte das heilige Abendmahl unter seinen Pfarrkindem jedem, der tanzte. Eine gemäßigte Stimme für das Tanzen vernehmen wir in dem Buche von Chr. Weise, die drei äigsten Erznarren, Leipzig 1673. ^ Die Stelle (p. 283} lautet : 1 Das Buch befindet sich unter den Neudrucken deutscher Litteraturwerke von Dr. W.Braune. Halle 1878. Nr. 12—14. (S. 160.) Digitized by Google in tHierauff gedachten sie an das Tantzen und meynte Eurylas (der Verwalter} , es wäre einQ Manier von der klugen Unsinnigkeit, dass eines mit den andern herumb springe und sich müde machte. Aber Gelanor (der Hofmeister des florindo) führte diese Entschuldigung an: Es ist nicht ohne, sag^e er, es scheinet etwas liederlich mit dem Tantzen ; doch die gantze Jugend kömmt den alten Leuten eitel und lieder- lich vor. Und darzu kan es auch von Alten mit Maße gebrauchet werden ; denn die Bewegung ist dem Menschen nicht schädlich , absonderlich wenn im Tnncken ein klein Exceßgen vorgegangen, da sich der Wein desto eher verdauen und auO dem Magen bringen lässt, und also desto weniger exhalationes das Gehirne beschweren. Zwar etliehe Theologi sind hefftig darwider, doch sind etliche nicht so wider- wärtig und tantzen eins mit, dass ihnen die Kappe wackelt. Die Wahrheit davon zu sagen, so haben auch etliche alte Kirchenlehrer gar seharff geschrieben : Chorea est circulus, cujus centrum est Diabolus. Doch ist es der alten Väter Brauch, dass sie das Kind ofTt mit dem Bade ausschütten, und da sie den Missbrauch tadeln selten, den rechten Gebrauch (zugleich) verdammen wollen. Denn solche leicht- fertige Täntze, wieder Zeuner-Tantz bißweilen gehalten wird, und wie Anno 1530 zu Dantzig einer von lauter vermummten nackichten Personen angestellet worden ; oder wie Anno 1 602 zu Leipzig auf dem damahligen Rabeth ein Schneider- geselle mit einer unzüchtigen Breckin^ vor allen Leuten nackend herumbgesprun- gen ; oder wie auf Kirmsen und andern gemeinen Sozmtagen Knechte und Mägde zu- sammenlaufTen, oder auch in Städten heimUche Bantzwinckel gehalten werden : die soll man mit Prügeln und Staupbesen von einander treiben. Und da heißts: Non centrum modo , sed ipsum circulum possidet Diabolus. Aber dieses alles auf die sittsamen und züchtigen Ehrentäntze bey Hochzeiten und Gastereyen zu appliciren, ist etwas zu seharff gebutzt.c Wie wenig platonisch die Väter und das Ministerium der freien Reichsstadt Essen dachten, erhellt daraus, dass dort jedes Kind, ehe es zum erstenmal com- municirte, Öffentlich dem Tanze entsagen musste. [Acta ecclesiastica IV, 950.] Im 18. Jahrhunderte, das einen Lessing, einen Schiller und Goethe hatte, wurde nach den Verboten und Predigten der Geistlichen gegen das Tanzen nicht gefragt, sondern fortgetanzt, freilich war auch das rohe, ungeschlachte Tanzen des 15. und 16. Jahrhunderts nicht mehr. Recht vernünftig, brav und klug räth Jean Paul, man solle sich in diesem Erdenleben zeitweilig einen und den anderen Spaß machen. Der Mann hat menschlich gedacht und gesprochen und deshalb noch nicht unchristlich. Unser Heiland war fröhlich mit den Fröhlichen ; dass er je getanzt habe , ist nicht be- richtet, aber er war auf der Hochzeit zu Kana, wobei jedenfalls von Tänzerinnen nach orientalischer Art getanzt wurde, und ließ durch ein Wunder Wein aus Wasser werden. Es ist jedenfalls eine arge Heuchelei, mit verdrehten Augen gegen jede Äußerung von Heiterkeit, gegen jeden Genuss eines frohen Augenblicks zu eifern, den Tanz als einen »Hopsgang zur Hölle« darzustellen und zu verlangen : der Mensch soll ewig nur seine wissentlichen und unwissentlichen, wirklichen und nicht wirklichen Sünden in Gedanken erwägen. Was bei solcher Weltentsagung herauskommt, bezeugt das mittelalterliche Treiben in den Klöstern und kann man noch in manchen Bruder- und Schwestergemeinden sehen, in denen sich durch ein zweites Wunder der Wein in Essig verwandeln würde. Kaum hält man es für möglich, dass noch im Jahre des Heils 1867 zu Luxem- 1 Breckin »i Hündin, hier liederliche Frauensperson. Digitized by Google 112 bürg ein Traktat »über das QeflQirliche der Tanzbelustigungen von einem aufrich- tigen Freunde der cbrisÜichen Jugend« in kateobetischer Form erscheinen konnte. Darin bringt der Verfasser einen Wust mittelalterlicher Naivetät und Narrheit zu Tage. Da wird unter anderm von Sünde und Ärgernis durch Tanz gesprochen und die Meinung durchzuführen gesucht : »dass wir nicht tanzend , sondern selbstver- leugnend dem Herrn folgen sollen«. Auch eine für Tanzende wichtige Bäthsel- frage wird gestellt : »Wo findet man keinen Raum zum Tanzen? Antwort : Auf dem schmalen Wege, der zum Leben führt, a »Tanz ist Teufelswerk, der Feuerheerd der Leidenschaften.« »Also ist der Tanz (wie er jetzt ist), so man ihn in der Gesammt- summe seiner verderblichen Wirkung betrachtet, ein wahrhaft mörderisches Un- gethüm.« Die Spitze aller Auslassung gegen Tanz ist aber daselbst die Beantwortung der Frage : »Wer soll den Tanz meiden?« Wir lassen dies Curiosum abdrucken : »Wer soll den Tanz meiden? Die Sünder — denn er wird die Vollendung ihres Untergangs. Die Kinder — denn er macht die Unschuld altem. Die Alten — denn er steht ihnen närrisch und ärgerlich an. Die Leichtsinnigen — denn er hat für sie nähere Gefahr. Die Bedachtsamen — damit sie nicht leichtsinnig werden. Die Schlechten — damit sie nicht öffentlich Ärgernis geben. Die Ehrlichen — damit sie nicht unter die Schlechten sieh mischen. Die Gesunden — damit sie nicht Gesundheit und Leben dabei lassen. Die rohem Jünglinge — auf dass sie nicht vollends vervöldem. Die ordentlicheren — damit sie keinen Geschmack an Unordnung bekommen. Die Frommen — damit sie keine Weltkinder werden. Die Weltkinder — damit sie es nicht bleiben mögen.« Es mag nun genug sein an allerhand Auslassungen gegen das Tanzen. Wie die heidnischen Schriftsteller, ebenso differiren die christlichen in ihren Urtheilen über Tanz. Lange war die Streitfrage, ob Tanzen als etwas Indifferentes oder als etwas Moralisch-Erlaubtes anzusehen sei. Während eine Legion Geist- licher es sehlechterdings verwarf, nahm eine andere Legion es in Schutz. Kurz, die Kämpfe für und gegen Tanz wurden in der Kirche immer heftiger, bis zuletzt die weltliche Obrigkeit denselben ein Ende machte. T' Kapitel VIII. Obrigkeitliche Verbote gegen das Tanzen. (14. bis 17. Jahrhundert) Zahlreich sind die Verbote der Obrigkeiten gegen Tanzmissbräuche und un- schickliche Tanzarten im 14.-^17. Jahrhundert. Ich will nur einige davon hier anführen, die mir gerade zug&nglioh waren und für eine Tanzsitten -Qesehic)ite nicht fortbleiben können. 1. Vom Raien durch die Stat. (Nürnberger Polizeigesetz des 14. Jahr- hunderts.) DAuoh haben die Burger gesatzt : da; fürba; niemant weder hantwerk Digitized by Google 113 leut noch hantwerk knecht, noch dienstknecht durch die stat rayen, noch mit pfeiffern gen sullen, vw^genomen an herren vasnacht (Sonntag vor Fastnacht), am gailn montag (Tags vor Fastnacht) ynd an der rechten vasnaoht. wer es anders darvber prech oder vberfüre, der must zu pu; geben ein phunt haller. wer de; gelts nicht het, den sol man in den stok setzen vnd sol darnach als lang von der stat sein vntz (bis} er e; gibet vnd welcher spilman dabey was, der sol ein or (eine Stande) in dem pranger (Halseisen) sten.a [Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichten, 676.] 2. Von tantzen bey der nacht. (Nürnberger Polizeigesetz des 14. Jahr- hunderts.) »Auch sol fürbaa; niemant, e; sey fraw oder man noch der letzten or (nach der zwölften Stunde) dheinen (keinen) tantz nicht haben, on des rata wort (Einwilligung) vnd der frager (regierende Bürgermeister) sol de; dheinen gewalt haben zu erlauben, on de; rata wort, ynd in we; hawse man also tantzet, e; sey fraw oder man, der sol geben zx phunt haller, vnd wer darin also tantzet, der sol icliche person geben zwen guidein. 3. »Auch sol fürba; niemant, e; sey fraw oder man, niht lenger tantzen, dann zwischen den zwein malen, ynd man sol auch aufhören, wenn man vesper ZTsamme sieht, vnd in welchem hawse man darnach tantzt, der must geben X pfont haller, vnd jede person ein pfunt haller, die da tantzt. a [Siebenkees, Materialien n, 677.] 4. Saalfelder Stadtrecht (14. Jahrhundert): Verbot der Reigen zu Fastnacht vor den Thüren und Absingen unsauberer Tanzlieder. »Wer zu den winachten singet vor den husem, der sal di stad rumen einen manden und deme richter und der stad einen yierdung gebe, ader wer da reiget zu dem nuwen jare umme gelt, da; ist di selbe bu;e.< — »Wer an der vasnacht reige wil, mag her nicht spile- mans gehabe, so sal her subirlich und hubische lit vorsinge, wer da xin- hubische lit vorsunge, herwesreman, frowe, knecht, mait adir juncfrouwe, der sal den bürgern gebe einen virdung (V4 Pfund Heller) , und alle di da nachsungen, so sal iderman gebe fumf Schillinge, da sol nimant vor bite.a [Wackemagel, Literatur- geschichte S. 259.] 5. Verbot der Gesellentänze. (Nümbei^er Polizeiordnung 1485.) »Unnser Herren vom Rate haben gemerckt vnnd zu hertzen genomen vngeordnet überfiüssig- keit unnd cost, die sich mit den tenntzen, so die erbem gesellen hie haben, bey etlichen zeitten vast vnd vnbequemlich gemert haben, vnd darumb got zu lobe, hochfart zu vermeyden, auch umb einfi gutten gemeynen nutzes willen, So setzen vnd gebietten sie ernstlich vnd wollen: Wer nu farbas einen gesellen- tantz haben sol vnd wü. das weder dieselben noch kain ir freunde, auf dieselben zeyt in ^^S^^MHKf wonhafftig ist, nymand zu tisch laden, bitten vnd auch vn- gebeuei^T^' ossen geben snllen, dann den peiffern, hegein (d. h. Tanz- einladem) vna ^assawuern, die inn auf dieselben zeit zu dem tantz hoffiren vnd dienen ; den sollen vnnd wollen ir gut freunde, so yderman do heymen gessen hat, ine zu eren siech tiglich mit jne zu dem tantz geen, das mugent sie thun. Dieselben noch nyemant von iren wegen sollen auch fürbas darumb weder stattknechten, pittebi, lochhütem (Geftngniswärtem im Rathhaus) noch andern keinen wein mere geben, als ytz vnd eÜich zeyt beschehen, sonder das gantz vermeyden, vnd nur erbem frowen vnd mannen, die weil der tantz wert, schlechtigo- liehen obs (Obst) vnd trincken geben. Wol mag man den hawßwirt mit ainem viertel weins vereren, vnd den stattknechten vnd püttein mit zwen vnd dreyßig Pfenningen vereren. Item es sol auch nymant, so man ain tantz hat, den statt- pfeyffern vnnd pusawnern auf das mayst nit mer dann ir yeden einen halben Bahne, (Huch, d. Tanies. 8 Digitized by Google 114 gruldin geben^ vnd dem hegelin halb als yü. Unnd wer das obgesckribeii stuok, ains oder mer, überfüre und darumb gerügt wurde, der müßt fünff guldin zu puß geben, on gnade.« [Siebenkees, Materialien ü, 482. Nürnberger Poliaeiordnungen, herausgegeben von Baader S. 90.] 6. Verbot schändlicher T&nze im 15. Jahrhundert (Baader , Nümb. Polisei- ordnung S. 91). »Nachdem an eynen erbem rate stattlich hat gelanngt, das yil vngewonlicher schenntlicher unzymlicher vnd newer tenntze teglichen ein- prechen vnnd getriben werden, das nit alleyn Sünde vnd dem allmechtigen got on zweyfel myßfällig ist, sonnder auch manigerlay unerlicher leychtfertigkeit, und darzu nachrede bey frowen und mannen geperen mag, dasselbig zu fürkomen, gebieten unnser herren von rate ernstlich und vestiglich : daß hinfüro eynicher hofirer oder spilman eynichen sollichen tanntz annders dann was gewonlicher tenntz, die von alter herkomen seindt, nit pfeyffen, schlahen noch machen, auch nymant, wer der sey, frow oder man, dieselben nit tanntzen^ an den tenntzen an einander nit halsen oder umbfahen sollen. Denn wer das überfüre und änderst hielte, darumb fürbracht oder gerügt wurde, vnnd sich des mit seinem eyde nit benennen möcht, so must der hofirer oder spilman von eyner yeden überfaren fardt vier phund haller, und der oder die, so sollich tenntz getanntzt betten, zway phund newer haller on gnade zu puß geben.« 7. Der Rath der Stadt Nur nb er g in der zweiten HSlfte des 16. Jahrhunderts erlässt ein »Verpodtcc, dass Niemand eine Frau oder Jungfrau an den Hochzeiten und andern Tftnzen herumschwingen, verdrehen und ohne Rock in Hosen und Wammes tanzen solle. Es lautet dasselbe vollständig (nach Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte I, 172) : »Nachdem nit allein an Einen Erbam Rathe stattlich gelangt, sonnder auch öffentlich am Tage und vor Augen ist, welcher massen bey den Hochzeiten und andern Tftntzen alhier ein ganz un- geschickter und unbescheidner Misbrauch gehalten, indem das Frawen und Junk- frawen, von denen so mit ihnen tanzen, übermäßig herumbgeschwungen und verdreet werden, da muß dann nit geringe Ergemuß und Nachrede erfolgen etc., so haben sie unsre Herren diesem unzimblichen Misbrauch nit länger zusehen wollen etc., ernstlich gebietende : daß sich fürohin ain jeder, wes Standes er sey, bey allen Tenzen, so allhie, auch zu Wördt, Oostenhof, inn den Oärten und an andern Orten umb die Stadt Nürnberg etc. gehalten werden, alles unzüchtigen Tanzens, dazu alles Herumbschwingens und Verdrehens, desgleichen allein inn Hosen und Wammes ohne ainich darüber angethon Klaidt zu tanzen, gänzlich enthalten soll etc. Dann wer soUiches in einem oder mehr Stücken über- faren darumb fürgebracht würde und sich dessen mit seinem Aide nit reinigen mocht, der sal ainem Erbem Rathe zur Straf 2 fl. unnachläßig zu betzallen verfallen seyn.« 8 . Abe n dt an z e, verboten im Amberger Stadtbuch 1554. [Schmeller I, 449.] »An den Abendtänzen sol sich ein jeder des XJmbschwingens , Umbdrehens oder Umbwerffens der Maid oder Tenzerin, und auch in bloßen Hosen und Wammes zu tanzen genzlich enthalten.« Dasselbe Gesetzbuch verlangt im 98. Artikel: »daß kein Burger seine Schnitter und Arbeiter mehr mit Drumeln, Pfeiffen vnd Seitenspiln herein in die Stat vnd darausfüm und folgend Abendtänz mit ihnen anfangen und halten soll.« [Schmeller m, 499.] 9. Kranzsingen (Singen vmb die Krenz) an den Abendreihen verboten im Amberger Stadtbuch 1 554. »Kain Jungfrau oder Maid soll den Handwerksgesellen und Knechten an einem Abendreyen einen Kranz zu ersingen geben.« [Schmel- ler ü, 391.] Digitized by Google 115 10. In der bayeriflckenLandeBordnuiig von 1616, Bd.y, Art. 5 »ist den Weibs- personen füran das springen (beim Reigentanz) verbotten«. [Scbmeller III, 591.] 11. Maitänze und Kreuzfahrten der Scknlkinder verboten. »Den 8. May 1614 hat ein Erbar Rath vom Rath-Hause herab den Teutschen Schulhaltern vnd Schul- halterin die Cr eutzf arten mit ihren Schulkindern weder Inn noch ausser der Statt zuhalten, — deßgleichen auch die Reihen vnd Crantz singen auch die großentäntze, dabey allerley vnzucht vnd vppigkeit getrieben, die Jugent sehr geärgert vnd zur Büberey angeführt vnd gereitzt wird, bei straff 10 fl. verbieten lassen.« [Aus einer Nürnberger Chronik. Siebenkees, Materialien HI, 117.] 12. Tanzverbote aus den städtischen Rathsbüchem zu Freiburg i. Br. sind mitgetheilt von G. Schreiber, das Theater in Freiburg, 1837, S. 10 ff. Sie lauten : a) 14. Juli 1556. Dieweil sich das Abendtanzen auf den Oassen wieder einreißen will, ist (vom Stadtrathe) erkannt : das abzustellen und öffentlich zu ver- bieten ; auch den Almosenknechten zu befehlen, darauf Acht zu haben , die Spiel- leute anzunehmen und in das Spitals-Gefängniss zu legen. b) 14. Juni 1559. Es ist erkannt: bis Samstag bei Strafe von zehn Schilling öffentlich auszurufen und zu verbieten alle Abendtänze in der Stadt und den Vorstädten. Item »um das Eränzlein zu singen« zu verbieten und den Jung- frauen nicht länger den »Reihen zu springen« zuzulassen dann bis zum Salve. c) 28. Juli 1568. Es ist auch erkannt: die Abendtänze in und außerhalb der Stadt, desgleichen »um das Kränzlein singen« um ein Pfund Rappen zu verbieten; und dass die Spielleute, so zu Abendtänzen helfen, gefänglich ein- gesetzt werden. 13. In der Churfürstlich Sächsischen Polizey-Ordnung vom 1. Oktober 1555 findet sich ein Kapitel über »Unordentliche Tänze« und lautet wie folgt: »Es ist am Tage, daß Tanzen, so vor alters zu ehrlicher Ergetzlichkeit und Freude vor- nehmblich des jungen Volkes gehalten worden, zugleich in Stedten und Dörfern, mit unziemblichen Verdrehen und anderer Leichtfertigkeit, zur Unzucht und Ergernüß mißbraucht wird. Da es auch an manchem orte besser wäre , es würde kein Tanz gestattet, sonderlich aus der Ursach, daß die Mannes-Personen mit ihren Kleidern nicht bedeckt, sich am Tanze sehen lassen, und sich sonst mit ihren Gebärden ganz unzüchtig und ärgerlich verhalten. Derhidben ordnen, wollen und setzen wir: es sey in Stedten, Flecken oder Dörfern, da hinfüro Tänze gehalten werden, daß sie züchtig und schamhaft geschehen, Mann- und Weibspersonen züchtig und gebührlich bekleidet und bedeckt sein, und das unziemliche Ver- drehen , Geschrei und andere ungebürlichen Geberden gänzlichen nachbleiben und von keinem, wes Standes der sey, in seinen Gerichten gestattet werde. Würde aber Jemand sich unterstehen , dieses unser Gebot zu übertreten , So soll er von denen Gerichten desselben Orts, oder im Mangel des, er und der, dem die Ge- richte zustehn, von uns imnachläßlich gestrafet werden. Denn was Ergernüß die Mannes- und Weibes-Personen mit unverschämten Gebärden geben, das darf Nie- manden erinnert werden. Und soll ein jeder, der dieß unser Gebot am Tage über- tritt, das erste Mal 10 groschen, das andre Mal 20 gr., das dritte aber mit Ver- weisung von denen Gerichten gestraft werden.« 14. Landesordnung Gemeiner Stände des Marggrafthums Oberlausitz, den 20. November 1551. »Alle hochzeitliche und andere ehrliche und erlaubte Tänze, so aufm Rathhause oder sonsten in Häusern und anderswo geschehen, sollen sich um den Abend um 9 Uhr enden und darbey das scheußliche Verdrehen und andere Unzucht gänzlich verboten sein bei der Pön und Schock Geldes , die ein 8* Digitized by Google 116 jeder VerbrecheT der Herrschaft schuldig sein soll. — Aber die L ob e- und 8 p inn e- Tänze, desgleichen die 6 WOchner-, Spinner- und Rockentänze, als auch die Geldspiel , die auf Karten und Würfel geschehen , sollen hiermit allenthalben bei Vermeidung vermeldter Strafe eines Schocks Geldes abgeschafft sein, und nach der Sonne Untergang soll in den Schenkhäusem keine Weibs -Person, so darein nicht gehörig, befunden werden, «r 15. Kursächsischer General -Artikel vom 1. Januar 1580, Abschnitt XVIII. Von denen Tänzen. »So lassen wir, bb auf fernere Verordnung, geschehen, da es gebräuchlich, daß der Tanz alle Sonntage nach verrichteter Vesper-Predigt, vom Pfingst-Dienstage an bis auf Michaelis , auch einen Tanz auf jedes Dorfs Kirmeß, und einen Tag in der Fastnacht, bei Tag und Sonnenschein, bei gewisser Pön ehr- lich, ohne einiges Verdrehen und unzüchtiges Geberde, an einem öffent- lichen , gemeinen Orte , und in keinen Winkeln zu halten verstattet werde ; doch die ärgerlichen Lob e-Tänze, Bettler-Tänze, und was dergleichen an etzlichen Orten bishero mehr ärgerliches gestattet worden sein mag, da Knechte und Mägde einen weiten Weg mit einander, darzu bei nächtlicher Weile, nicht ohne Verdacht der Unzucht wieder heimgehen , gänzlich bei namhafter Pön verbieten und ernst- lich darüber gehalten werden.« Wiederum werden >die ergerlichen Lobetentze und Bettler-Tentzec verboten in der Sächsischen Landesordnung von 1609, Abschnitt Xm, S. 150. 16. Auch in der Greifswalder Hochzeitsordnung von 1592 geschieht »des awerflödigen umbdreihensc Erwähnung. 17. Verbot von Johannistänzen und Sonnewend- Feuer 1622 in Nürn- berg. tl622 Sonntag den 23. Juli hat ein £. Rath vom Rath-Hauß verlesen vnd verbieten lassen , dass die jungen Buben vf den morgenden Sanct Johannestag vf den gaßen nachHoltz vnd alten Beßen vmbsingen, keine Symmet-Fewr (Summetfeuer) anschüren, darvber nicht springen, darbey nicht pfeiffen noch jauchzen oder tantzen. Auch vor die Heußer vnd in die gassen nicht grüne maien stecken , vnd in Summa bey diesen schweren gefehrlichen theuren Zeiten keine vppig vnd Leichtfertigkeiten treiben. Auch die Alten des Zechens in Meth vnd Wein in den Wirthsheussem sich enthalten selten , darumb es ein gar stiller Jo- hannestag gewesen.« [Aus einer Nürnberger Chronik. Mitgetheilt in Siebenkees, Materialien m, 252.] 18. sAnno 1620 den 5. Juni, am andern Pfingsttage ist der Schneidersgesellen dieser Statt ihr Jahr-Dantz, den sie seit viel Jahren zu Pfingsten gepflegt zu halten, eingestellt, und den 18. Juni hernach alle Gassen-Täntze, Rosenbrennen, Summet -f euer, vnd vmbsingen der Buben nach Holtz vnd stumpfeten Besen zu Summetfeuer vf St. Johannes tag vnd alles Geschrey vnd Leichtfertigkeit, wegen des gefehrlichen Zustands vnd Kriegswesen im Römischen Reich , vom Rathhauß herab verrufen, vnd bei 50 fl. straff verbotten worden.« (Daselbst 213.) 19. Anno 1653 den 20. Juni verordnet der Rath in Nürnberg: »Denmach bißhero die Erfahrung bezeugt, daß alter heidnischer böser Gewohnheit nach jähr- lich an dem Johannestag auf dem Land, sowohl in Städten als Dörfern von jungen Leuten Geld und Holz gesamlet und darauf das sogenannt Sonnenwend- oder Zimmetsfeuer angezündet, dabei gezecht und getrunken, um solch Feuer gedanzet, darüber gesprungen, mit Anzündung gewisser Kräuter und Blumen und Steckung der Brand aus solchem Feuer in die Felder und sonsten allerhand abergläubische Werk getrieben werden — als hat ein E. E. Rath der Stadt Nürn- berg nicht unterlassen sollen noch können, solche und andere Ungebührlichkeiten, abergläubische und heidnische Werk und gefährliche Feuer bei bevorstehendem Digitized by Google 117 Johannestag abzustellen.« [Neuer literaiiscber Axueiger 1807, S. 318; Qrimniy Mythologie 351.] 20. Der Raul zu Magdeburg erließ 1544 eine Verordnung, VerlObnisae und Hochzeiten betreffend, in welcher es heißt : »Ins künftige soll man mit dem Bräu- tigam und der Braut um 10 Uhr Vormittags aufs späteste in die Kirche und vor 11 Uhr zu Tische gehen, ohne auf Jemand zu warten, jedoch denen vom Bathe, im Fall dieselben etwas zu spät kämen, die ihnen gebührende Stelle offen lassen. Um 2 Uhr soll die Braut, auch nach Gelegenheit der Bräutigam, sich mit den Gästen auf das Gildehaus zum Tanze verfügen. »Die Tänze soll man halten, wie von Alters her, züchtig und ehrlich, ohne Verdrehen, Umschlingen und andere böse Geberden. Das Schleudern und Verdrehen beim Tanze wird bei einer Mark (nach heutigem Gelde 14 Mk. 80 Pf.) Strafe verboten. Desgleichen will ein ehrbarer Rath auch in Häusern , auf dem Marsch und sonst bei allen Tänzen Zucht gehalten wissen, bei derselbigen Strafe. Sollte aber Jemand solche Strafe verächtlich halten und vorsätzlich, gegen den will ein ehrbarer Rath nach Gelegenheit eine höhere Strafe zu gebrauchen sich vor- behalten. »Um 5 Uhr ist das Tanzhaus wieder zu verlassen, um sich, noch vor dem Schlage sechs, aufs neue zu Tisch zu setzen. Wollten die Bräute auch des Abends tan- zen, dann mögen sie das im Hause oder in der Nachbarschaft thun, aber, bei zwei Mark Strafe, nicht in einem Gildenhause. Das Gzerlingsgudt (kalte Küche), so man auf den Abend pflegt zu geben, auch Feuerwerke und das Schießen, ingleichen das Tanzen um die Kufen (große offne Braugefiäße, große Salzfässer? Wein- fässer hier wohl nicht) soll ins künftige bei der Hochzeit ganz abgeschafft sein.t [Nicht urkundlicher Text, sondern übertragen bei Voss, der Tanz S. 170.] 21. In der Reichsstadt Eßlingen wurden 1545 dieNach-Hochzeitenund Nachtänze aufs Neue verboten. Eine wiederholt bekanntgemachte Hochzeits- Ordnung (1556, 58, 60, 92, 1604 und 1611) sagt: »Tänze werden nur bei ge- schlossenen Thüren, in guter Zucht und Ehrbarkeit und zwar nicht länger als bis 10 Uhr Nachts gestattet.« »Des Schießens, Trommeins und öffentlichen Tanze ns auf Trinkstuben und Wirthshäusem sollen die Gäste sich ganz enthalten« (1536); doch dürfen sie mit Lauten, Geigen und anderem ziemlichen Saitenspiel und Pfeifen einen ehrbaren Tanz thun.a Während des 30jährigen Krieges erschienen auch in Eßlingen Verbote gegen den allzugroßen Aufwand, das übermäßige Tanzen und andere Unordnungen auf den Hochzeiten (1631, 36 und 40). Die erneuerte Hochzeitsordnung von 1659 sagt : »weil während des Krieges neben anderen Sünden und Lastern auch der Aufwand bei Hochzeiten überschwänglich gestiegen sei«, »es darf aber ein ehr- licher Tanz stattfinden, der vor und nach dem Nachtessen bis 10 oder IOY2 Uhr fortgesetzt werden könne«. [Nach Voss, Tanz S. 170.] 22. Eine Hochzeits-Verordnung zu Prenzlau (in der Mark) aus dem Jahre 1555 ermahnt: »dass die, so zu einer Hochzeit gehören, einen ehrlichen christ- lichen Tanz, und im Verdrehen und Umschweifen Zucht und Maß halten mögen«. 23. Eine Polizeiordnung der Grafschaft Hoya (Hannover) vom Jahre 1558 gebot den Knechten und Jungen : »bei Hochzeiten ihre Schwerter und Spieße in der Kirche und im Festhause abzulegen, weil sich der Todtschläge zu viele ereigneten«. 24. Zu Magdeburg unterblieb 1562 auf Veranlassung des Superintendenten Hezhausen das Herumführen der Mauritiusfahne, sowie das Ausstecken derselben, Digitized by Google 118 weil bei der yorjfthrigen Procession srwisehen den Bäckern, Schmieden und Fischern Schlägereien vorgefallen waren. Auch wurde der von Alters her, am Donnerstag vor Fastnacht (gumpigen Donnerstag) übliche, von den vornehmsten und ange- sehensten Familien auf dem Seidenkrämer-Gildenhause veranstaltete Abendtanz abgeschafft. [Voss, Tanz S. 173.] 25. In der freien Reichsstadt Landau (Rheinpfalz] erließ 1570 der Rath, auf Antrag der Geistlichkeit, eine Verordnung gegen »das unordentliche und schändlicheTanzen. Jedermann darf nicht zum Tanz laufen, noch viel weniger selbst tanzen, oder sich unberufen dazu drängen bei Strafe eines Pfundes Pfennigec (= ca. 9 Mk.). Von den Strafgeldern erhielten der Bürgermeister und der Mar- schall den dritten Theil. Den Schlüssel zum Tanzhause (auf dem Eaufhause) hatte der Bürgermeister in Verwahrung. Ein Weinknecht wurde zur Aufrechthaltung der Verordnung bei jedem Tanze bestellt. Später ist auch wohl außerhalb des Tanzhauses getanzt worden, da sich aber »allerlei Unordnungen bei den Hochzeit- tänzen in Scheuern und auf den Zunftstubena ereigneten^ so erging der Be- fehl, »künftig wieder im Kaufhause zu tanzen, jedoch müsse der Bräutigam, um die Zucht und Ordnung zu erhalten , einen Stadtknecht dazu bestellen , und dann dürfe nicht länger als bis 4 Uhr getanzt werden. a [Nach Voss, Tanz S. 172.] 26. Auch der Rath in der kleinen Stadt Beigern an der Elbe (bei Torgau] erließ 1572 ein Verbot: »Frauen und Jungfrauen sollen sich ehrbar und züchtig am Tanze zeigen, und die Mannspersonen sich des Verdrehens und anderer der- gleichen Leichtfertigkeit enthalten. Welcher Mann oder Gesell oder Frauen und Jungfrauen über dies Verbot und des Stadtdieners vorgehende Verwarnung unbe- scheidener Weise verdrehen oder auf werfen wird, der soU alsbald gefänglich eingezogen, und darüber auch vom Rath jedes mal und so oft es geschieht um 20 Gr. gestraft werden. FiS sollen auch hinfüro alle Nachtänze im Rathhause gänzlich abgethan sein«. [Voss, Tanz S. 172.] 2 7 . In einer Hochzeitsverordnung zuDresdenl595 heißt es : »Die Mahlzeiten sind so zu halten, daß man gegen Abend um 8 Uhr aufs längste zum Tanzen komme, allda etliche Ehrentänze züchtig und ohne Üppigkeit des Verdrehens, Ein- springens und Hin- und Widerlaufens auf Zeit und Maß wie folgt thun und hal- ten kann. Wie denn auch hinfür die Weiber und Jungfrauen, wie von Alters bei den Armen und nicht bei denHändenzuund vom Tanz geführt werden sollen, was derjenige, welcher die Hochzeit ausrichtet, anordnen soll. Auch soll der Tanz im Sommer nicht über 10, im Winter nicht über 9 Uhr währen. Der Nachrichter erhält 6 Groschen und die zugeordneten Wächter , daß sie zum Tanz des Rath- hauses Thüren in Acht haben, und Niemand als die geladenen Gäste dahin kom- men lassen ; wie den Freunden, so nicht Hochzeitsgäste sind, auf das Rathhaus zu kommen oder gar zu tanzen ganz verboten sein soll.« [Nach dem Abdruck bei Voss, Tanz S. 173.] 28. In Frankfurt a. M. wurde 1604 einer Seuche wegen alles Tanzen durch Polizeiordnung verboten und dabei bemerkt: »Schon längst (seit 1563) war das unzüchtige Umschwungtanzen bei ernster Strafe verboten; jetzt aber soll Niemand mehr, wer er auch sei, Spielleute zum Tanz und zur Üppigkeit ge- brauchen. Welcher Spielmann zum Tanze geigt, soll in den Thurm kommen.« [Nach Voss, Tanz S. 173.] 29. Tanzen ohne Mantel wiederholt verboten in Regensburg 1625 — 1707. Decret vom Regensburger Senate 1709, betreffend das Tanzen ohne Mantel. [Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 456.] »Demnach Ein Wohl Edler, Hoch- und Digitized by Google 119 Wohlweiser Herr Stadt-Cammerer vnd Rath mit Dero sonderbahrem Mißfallen Yemehmen müssen: was massen auf denen in öffentlichen Würthshäusern, wie auch anf der Waag (ehemalige Herren -Trinkstube) haltenden Hochseiten eine große Unordnung in dem Tanzen wiederum einzureißen beginne, dergestalten, dass Ihrer viele von denen Manns-Personen nach althergebrachter sittlicher Observanz, weder zu denen Ehren- noch anderen gemeinen Tfinzen den Mantel mehr umbehalten wollen, ja wohl gar Einige, gleichsam zum Spott allerhand Unziemliches damit treiben und die Mflntel bald um den einen Arm zu schlingen, bald von den Schul- tern völlig ab- und rings den Leib herum gewickelter zu nehmen , sich nicht ent- blöden ; Unnebenst auch keinen Scheu zu tragen , in die öfters noch nicht völlig verbrachte einzelne Ehren-Tänze sich ungebührlich einzuthun ; und nicht weniger ohne einigen Respekt gegen die nicht unselten von höherer Condition, Würde und Ehren, auf dem Tanz-Boden mit anwesende Hochzeit-CHste, viele Unziemlichkeiten zu unternehmen; dieses unartige Beginnen aber der alten Zucht und Ehrbarkeit, mithin aller bürgerlichen Wohlanständigkeit zuwider lauffet : Als (Also) befehlen Ihre Wohl Edel Vest- und Herrlichkeit allen vnd jeden ihrer Jurisdiction untergebenen Bürgern, Schutzverwandten und Inwohnern, beydes verheurathet und ledigen Standes, dass Sie oder die Ihrigen, auf Hoch- zeiten, bey und unter dem Tanzen, deß ersten Tages die Mäntel vom Anfang bis zu Ende, wie sichs geziemt, ehrbarlich umbehalten, und der in Ehren zu- lässigen Frölichkeiten mit gehöriger Modestie sich also gebrauchen sollen , damit die ehemalige gute Ordnung erhalten und Niemand der Ungebühr beschuldigt werden möge. Der- oder diejenigen aber, so diesem obrigkeitlichen ernstenGe- both zu wider leben, sollen mit 3 Reichsthaler, wohl auch, befindenden Dingen nach, mit höherer Straff angesehen werden, womaoh sich jeder männiglich zu achten. Deeretum in Senatu den 25. Februarii 1709.a 30. Sächsische Verordnung. Dresden den 10. Juli 1650. »Wir Herzog Georg von Sachsen thun hiermit kund und männiglich zu wissen, daß unser Ober- Hof- und Feldtrompeter und lieber Getreue, Hans Arnold, unlängst für sich und im Namen der gesammten Hof- und Feldtrompeter, auch Hof- und Feld- Heer-Pauker durch glaubwürdige Unterschriften unterthSnigst vorgebracht : dass die Thürmer und Hausleute, wie ihnen etwa disfalls vergönnet, auf Thürmen, sowohl auf Comödien und Gaukelspielen, sondern aller und jeder Orten, da es ihnen beliebt, vornehmlich in Gelagen, Bürger- und Bauer -Hochzeiten, Kind- taufen, Jahrmärkten, Kirchmessen und Lobetänzen und dergleichen Convivien sowohl etliche die Posaunen, als ob es Trommeten wären, mit allerhand Üppigkeit und Lieichtigkeit gebrauchen. Also gebieten wir hierauf allen und jeden unserer Prälaten, Grafen, Herren etc., insgemein unsem Unterthanen und Sehutzverwandten, sie wollen diejenigen untüchtigen Gesellen und andere, welche sich der Trommeten außerhalb der Thürmer und Comödien, bei Bürger- und Bauerhochzeiten, oder auch sonstens ungebührend gebrauchen, nach Gelegenheit uns zu unserer Resolution und ernsten Bestrafung der Verbrecher unter- thänigst Bericht einschicken, sich auch hierinnen bei Vermeidung der im Kaiser- lichen Privilegium ausgedrückten Pön (Strafe) der 20 Mark löthigen Goldes anders nicht verhalten.« 31. Durch Nürnberger Polizei -Verordnung von 1662 wird bei Hochzeiten der Bedienten- oder Aufwärtertanz gänzlich verboten. Bei Übertretung des Verbotes mussten Bräutigam und Braut sechs Gulden und jeder Spielmann einen Reichsihaler Strafe zahlen. — Dieser Tanz hatte offenbar Ähnlichkeit mit dem Küchen tanz bei Hochzeiten der Geschlechter (s. S. 189). Digitized by Google 120 32. Nürnberger Polizei -Verordniing von 1662. (Betre£Fend die SpieUeute.) »Und sollen sowohl die Stadtpfeif er ^ als die Organisten, Gantoren, Calcanten und Andere, so zur Musik bei der Mahlzeit gebraucht werden, schuldig sein, nach vollendeter Mahlzeit, und wenn man das Handwasser gereicht hat, noch zwei oder drei geistliche Stücke auszuführen. Sodann haben sie ihre Instru- mente von sich zu legen, und femer nichts mehr zu thun. Für die genannten Stücke soll ihnen nichts absonderliches bezahlt werden, dieselbige sich vielmehr an ihre Belohnung (5 Batzen bis 1 Gulden) und ziemlicher Mahlzeit sättigen lassen, und darüber weder von dem Bräutigam, noch von anderen Gefreunden nichts weiter zu fordern, noch zu nehmen. Es soll ihnen auch nicht mehr Speise und Trank mit nach Hause gegeben werden, unter wes Schein und Namen es immer geschehen mCge, bei Strafe von zehn Gulden, die auf den widrigen Fall, Geber und Nehmer zu bezahlen schuldig sein sollen. Es ist auch dem Uochzeiter frei- gestellt, der Musikanten soviel er will zum Aufwarten zu gebrauchen, außer der erhaltenen Privatkopulation, dass es (wie bekannt) bei vier und sechs Musikanten verbleiben soll.« 33. Eine Königlich Sächsische Kreisdirektions -Verordnung vom 26. Januar 1839 verbietet Laub- und Durrtänze. Unter Laub- oder Labtänzen sind die Lobe tanze zu verstehen (siehe oben S. 59 und 106). Durrtänze, d. h. Durchtänze, waren Tanzbelustigungen, bei denen der Wirth denen ein Quantum Bier als Belohnung gewährte, welche am längsten beim Tanzen aushielten, also fortwährend und »durch tanzten«. Somit galt es hier einer rohen Wette und Kraftprobe, wobei es an Ausschreitungen kaum fehlen konnte. 34. Das Tanzeinstellen wegen Landestrauer begegnet uns am Ende des Mittelalters nicht schon als Gebot, sondern als Wunach und Bitte an die Tanz- begehrenden. Im Jahre 1493 nach dem Tode des Kaisers Friedrich HI. wird in Frankfurt a. M. das Tanzen nicht gestattet. ^ Seitdem wurde es zur Gewohnheit, dass nach dem Tode des Reiehsoberhauptes das Tanzen in öffentlichen Lokalen, auch in »Stubengesellschaften« verboten und nur in Privathäusem gestattet war. Kapitel IX. Ausländische Tänze in Deutschland im 16. bis 18. Jahrhundert. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, wie die Lauten- und Orgelbücher sowie die damaligen Strafpredigten bezeugen, finden wir in Deutschland ausländische besonders aus Frankreich und Italien eingeftlhrte Tänze. Dazu gehören : Galliarde, Volta, Pavane, Passemezzo, Courante, Sarabande und sogar die undeutsch benannte AUemande. Noch andere kommen im 17. Jahrhundert hinzu, als da sind: aUe Arten Ballets, Giguen und vor allen die Menuetts. Diesen folgen im 18. Jahrhundert 1 Frankfurter Bürgermeisterbuch 1483 fol. 51 pr. Michaeli : »Als Ambrosius Bedefelder Schar£f genannt vnd gesellschafft furgenomen haben, gönnen (erlauben); aber dantz zu halten nachdem v. g. her Bo. kej. abgegangen ist, aißmds guüich bitten vnderwegen zu lassen.« Digitized by Google 121 neben allerlei Abarten von Menuetts noch die Anglaise, Eooseaise, Fran9ai8e und endlich die Contredanses. Von diesen fremdl&ndiechen Tänsen, die im 16. — 18. Jahrhunderte nicht bloß an deutschen Höfen , sondern auch in Yomehmen bürgerlichen Kreisen getanzt wurden, erlangen mehrere eine Bedeutung in der Geschichte der Instrumen- talmusik, indem man ganze Reihen solcher Tansmelodien aneinandersetzte und diese i^Folgen« kunstvoll gesetzter Tänze als Suite für Klavier und als Partita für Orchester herausgab und aufführte , davon noch Proben schönster Art in den Werken unserer Altmeister Bach und Händel erhalten sind. Jene ausländischen Tänze , die auf Sitten- und Kunstgeschichte großen Einfluss ausübten , erfordern jedenfalls in der Geschichte des Tanzes in Deutschland nähere Beschreibung, die hier folgt. Vorher aber erst noch einige Worte über die Quellen zur Kenntnis der französischen Tänze. Die Franzosen sind so glücklich, schon aus dem 16. Jahr- hundert eine wohlgeordnete Sammlung von Instrumentalmusikstücken in der D Sammlung Philidor« zu besitzen, die in Partitur mit Angabe der Stimmen alle seit der Regierung Franz' I. bis Ende des 17. Jahrhunderts am Hofe gespielten Musikstücke, als Tänze, Carrouselmusiken , Jagdmusiken, Fanfaren etc. enthält. Sie ist angelegt von dem in hohem Alter 1730 verstorbenen kgl. Kammermusiker und Verwalter der kgl. musikalischen Bibliothek in Versailles, Andr6 Danican Philidor. Nach der Revolution wurde sie wieder zusammengebracht und soweit sie erhalten, in der Bibliothäque du Conservatoire zu Paris aufgestellt. Band I bringt die ältesten seit 1540 gespielten Tänze der Bretagne, des Poitou, der Champagne und Lothringens, sowie die für besondere Veranlassung komponirten Musikstücke unter der Regierung Heinrichs m. (1574—89) bis Ludwig XIV. 1643. — Band n und in bringen die Musik der Ballete, die von 1582 — 1649 bei Hofe getanzt wurden. In Band IV — XVL findet man die großen Ballets^ die zu Anfang der Re- gierung Ludwigs XrV. und vor Einführung der Oper in Frankreich bei Hofe zur Aufführung gelangten. Verloren ist Band 17 und 26 , welche Kompositionen der großen Bande der 9 Violinspieler der Vierundzwanziga unter Ludwig XTTT. und XIV. und Band 25, der nur Musik der KomponiBtenfamilie Philidor enthalten hat. Diese Sammlung war mir nicht zugänglich und für meinen Zweck auch nicht nothwendig. Um zu den ausländischen Tänzen des 16. Jahrhunderts illustrirende Noten- beispiele zu beschaffen, entnahm ich solche aus den ältesten Drucken franzö- sischer Tänze bei Attaignant, Paris 1529 und 1530, aus deutschen Orgel- und Lautenbüchem des 1 6 . Jahrhunderts, darin fremde Tänze genug vorkommen, dem Tanzlehrbuche von Tabourot 1588, dem engl. Dance-Master des 17. Jahrhunderts, sowie der Harmonie universelle von Mersenne 1636. Vor allem aber bot mir fol- gendes interessante Buch vom Braunschweiger HofkapeUmeister Praetorius reiches Material: Mich. Praetorij Terp sie höre. [Musarum Aoniarum i^uinta.] Da- rinnen Allerley Frantzösische Däntze vnd Lieder, Als: 21 Branlen, 13 andere Däntze mit sonderbaren Namen, 162 Couranten, 48 Volten, 37 Baletten, 3 Pas- samezze, 23 QaiUarden vnd Reprinsen. — Mit 4 , 5 vnd 6 Stimmen, Wie die- selbigen von den frantzösischen Dantzmeistem in Franckreich gespielet .... vnnd von Fürsten Taffein, auch sonsten in Conviviis zur recreation vnd ergötzung gantz wohl gebraucht werden können. Anno 1612. (Am Ende des Registers:) Bei Michel Hering inHamburgzu finden. Über die Autoren der von ihm 4 — 6stimmig gesetzten französischen Tänze erklärt Praetorius: »Nebenstdem ist femer zu wissen, dass die Melodeyen vnd Digitized by Google 122 Arien dieser Däntse von den FrantzOsischen Däntzern vnd zugleich meistentheils sehr guten Geigers (au£F ihre Sprach Violons genant) oder Lautenisten com- poniret vnd gedichtet seyn, vnd ihre Pässe (=Pa8) in Däntzen, Couranten, Baletten ▼nd Auffzügen etc. darnach richten ; vnd wenn sie ihre Discipulos als große Herren, Adels vnd ander Standes-Personen, im Dantzen vnterweisen, zugleich mit auff der Geigen oder Lauten dieselbe Däntze darzu spielen vnd musiciren. »Vnter diesen seyend noch jetziger zeit Vier, des Königs in Franckreich »Violons vnd Däntzer«, welche zugleich auch dameben gute Gomponisten, im Leben. Als: 1) de la Motte, welcher an die 20,000 Kronen mit Dantzlehren erworben, 2] de la Fond, 3] de la Grenec, 4} Beauchamp. Item, Richehomme und Le Bret, beyde zwar von KOnigl. May est. keine Bestallung, sonsten aber in dantzen und componiren nichts weniger excelliren. Überdaß seynd in die 300 Meister zu Preis, so dantzen lehren, vnd zum Theil auch componiren. Aber biß an die oberzehlte gelangen sie nicht. Also seynd nun dieser Meister vnd deroselben Vorfahren auffgesetzte Melodien vnd Arien von solchen allerhand Dantzen, meistentheils von des Durchleuchtigsten Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Friedrich Vlrich^ Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg, meines gnädigsten Fürsten vnd Herrn Dantzmeister Anthoine Emeraud mir communicirt worden, darzu ich dann den Baß vnd andere Mittelstimmen nach meiner Wenigkeit gesetzt vnd meinen Namen (MPC = M. Praetorius, Cantor] bey dieselben gezeichnet.« Zu welchem Zwecke Praetorius solche '[Düize bearbeitet und verOffenÜicht hat, darüber sagt er in der Einleitung : »Demnach bißdahero die Neun Geistliche (Musas Sionias) . . . durch Gottes Gnade absolvirt, habe ich sowol auff vornehmer Leute , der Musik Liebhaber , vielfeltige ermanung , als auch aus selbsteigener be- wegniß nicht für vngeziemlich, ja auch für nOthig befunden, auch die Weltliche (Musas Aonias) so weit es Zucht vnd Ehrbarkeit leiden wollen, in gebürliche auffacht (Obacht, Beachtung) zu nemen, vnd denselben gleichfals meinen bereit- willigen Ehrendienst zu leisten : In betraehtung , man nicht allein vor Fürstlichen Taffein , sondern auch bey ander ansehnlicher Leute ehrlichen Conventibus , Con- viviis, Hochzeiten vnd derogleichen Frewden-Gelagen , zu zelten vnd zwar guten theils ein Weltliches, nicht ohne sonderbare anmutige Belustigung mit vnterlauffen zu lassen pflegt.« Also nicht für öffentliche Tanzböden und zum Gebrauch der Musikanten beim Tanzaufspielen, nicht zu Concerten, die es damals noch nicht gab, sondern zur Unterhaltungsmusik vor fürstlichen Tafeln, sowie bei ehrsamen Zusammen- künften , Schmausereien , Hochzeiten und anderen Freudengelagen wollte er Ma- terial liefern. Beginnen wir nun die Einzelbesehreibung der ausländischen Tänze in alpha- betischer Reihenfolge. Die Allemande bezeichnet den »deutschen« Tanz. Der französische Ausdruck für Musikstücke im C- oder ^i'I'&^t begegnet uns erst seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts und zwar zunächst 1580 in Phüidors Sammlung, 1588 in Tabourofs Orch6so- graphie, 1636 bei Mersenne und in französischen Lautenbüchem. In deutschen Lauten- und Orgelbüchem führt derselbe Tanz noch seinen heimischen Namen »Deutscher Dantz« oder »Ein guter deutscher Tantza. Alle diese Tonstücke des 16. Jahrhunderts haben zwei größere Theile : Pars I im geraden, Pars II im Tripel- takt. Dieser zweite Theil ist in französischen Musikbüchern weggefallen, und hat Digitized by Google 123 die Allemande bloß noch geraden Takt. In deutschen Lautenbüchern , z. B. bei Hainhoffer 1603 stehen Texte zu den deutschen Tänzen (s. MB. 44], während in Frankreich zur Allemande nie gesungen wurde, und auch in Deutschland fiel später das Singen weg, als die Allemande ein reines Instnimentalstück wurde. Die Musik zur Allemande (MB. 82) besteht in der Regel aus zwei gleich ge- bauten Perioden von je ackt Takten, oder vier Takten mit Wiederholung, und be- ginnt stets mit Auftakt: Musik Vi "^ ^ - w -w j J j J j »-: Text: Hebung 1 2 3 4 1 2 3 Hier haben wir in der Vi erzähl der Takte die Grundform fast aller deutschen Volkslieder, Märsche und Tänze vor uns, wie sie im Mittelalter bestanden hat und noch jetzt besteht. Der im germanischen Vers vorherrschende Auftakt ist eine Eigen- thümlichkeit, die in der sprachlichen Betonung der ersten Silbe ihren Qrund hat. Nicht zufUlig erscheint es mir, dass in der Allemande (wo sie gesungen wird) die ur- deutsche Hildebrandstrophe vorliegt, bestehend aus vier Langzeilen, jede mit 4 -)- 3 Hebungen , wie ich durch Zahlen unter den Noten angedeutet habe. Die Musik der Allemande (im V4Takt) geht meistens aus Dur und ist durchweg ruhig und gefällig. Die Allemande — so sagen die Musiklexika und Ästhetiker — zeigt das Bild eines zufriedenen Gemüthes ; ihr Tempo ist behäbig, die Harmonien sind gewählt, ernst und wohl vorbereitet. Wenn die Franzosen uns Deutsche nach dem ihnen zunächst sesshaften Stamme der Alemannen benennen, so darf man auch beim ))deutschen« Tanz (Allemande) vor allem an den Tanz jener einfachen Natur- söhne in Schwaben und der Schweiz denken, der den Charakter jugendlicher Fröhlichkeit uud heitern Temperaments besessen haben mag, wie er ihn noch hat. Auffallen muss es aber, dass die schwäbischen Tänze und Tanzlieder heut- zutage und nachweislich schon im 1 8. Jahrhundert im Y4Takt geschrieben sind, dass ferner alle Tänze, die in Süddeutschland bis nach MozarVs Zeit »Deutsche« ge- nannt wurden, den Walzertakt haben, während die alte Allemande im 16. und 17. Jahrhundert den geraden Takt festhält. Wie ist dieser Widerspruch wohl zu erklären? Jedenfalls ist der Name Allemande nicht von einem Deutschen aus- gegangen, sondern nur eine willkürliche Bezeichnung für einen ernsten ruhigen Kunsttanz, durch französische Tanzmeister im 16. Jahrhundert entstanden. Man kannte in Frankreich damals sehr wahrscheinlich den deutschen , getretenen Tanz im ^2 ^^^ » ^^®' ^^^ ^^^ gehörenden , aus Tripeltakt gehenden Springtanz ignorirte man (weil man dafür die Courante hatte) und bezeichnete nur den ge- tretenen Tanz im ^4 Takte als deutschen, als Allemande. Über die Ausführung der Allemande lassen wir uns durch den französischen Tanzlehrer und Domherrn Tabourot belehren, der in 'seiner Orch6sographie 1588 [Gzerwinski, Übers. S. 82] sagt: »Die Allemande ist ein bei den Deutschen ge- bräuchlicher Tanz von mittlerem Tempo , von dem ich glaube , dass er zu den ältesten unserer Tänze zählt, denn wir (?) stammen von deii Alemannen ab. Er ist ein geselliger Tanz, den Sie (sein Sdiüler Capriol) mit mehrern Andern zugleich tanzen können, indem Sie eine Dame an der Hand führen und andere Paare sich hinter Ihnen aufstellen. Alle entweder nach, vor- oder rückwärts im geraden Takte drei Pas und eine Grue (Fußhebung) ohne Sprung tanzen. An einigen Orten wird nur ein Pas und eine Fußerhebung gemacht. Sind Sie am Ende des Saales angelangt, so wenden Sie um, ohne die Hand der Tänzerin loszulassen, Digitized by Google 124 lind die Ihneii folgen machen dasselbe , sobald sie eben dort anlangen. Wenn die Musiker zu spielen aufhören und die erste Partie des Tanzes beendet ist , bleiben Alle stehen, unterhalten sich einstweilen jeder mit seiner Dame, und beginnen so- dann den n. Theil, der dem ersten gleich ist. Wenn Sie zu der dritten Abtheilung kommen, so haben Sie dieselben Pas im schnellern Tempo und gedrängter zu machen, wobei Sie kleine Sprünge hinzufügen, wie bei der Courante, und wie Sie aus der beigedruckten Tabulatur ersehen.« Hier sind die Noten. Arie zum I. und n. Theil. ^^ } i f r I r ^ r' '^ j j j j ■jzz i ^^ ^ JJlr ^ r r g SL ^M Zum HL Theil (der wie Courante getanzt wird). rrr i -^^JJ i i ^■ Ijjjj 2ZZ3Z <9 ,g & rJ (schnell). Aus dieser Beschreibung ersehen wir : die alte Allemande ging aus ^2 ^^^ und war nichts anderes als der getretene deutsche Tanz des frühem Mittelalters. Der zweite Theil, den der wenig musikalische Tabourot fälschlich im geraden statt Y^Taktgiebt, ging schneller und wurde gesprungen (also Springtanz). Diese alte Allemande, davon MB. 82 und 138 noch hübsche Beispiele bringen, verschwand allgemach im 17. Jahrhundert aus den Tanzkreisen, wurde aber bis in das 18. Jahr- hundert in Ciaviersachen erhalten. In den Suiten geht die ernste Allemande der beweglicheren Courante voran, die stolze Sarabande folgt und die rasche Gigue schließt die Folge. Wie in Frankreich und Deutschland kannte man auch in England zur Zeit Shakespeare's (1564 — 1614) die Allemande und verstand darunter einen um- gehenden, getretenen Tanz zum Unterschied vom Springtanz. Eine gleichzeitige Parallelstelle zum Hamlet, die der Schriftsteller Steevens nachgewiesen, sagt: »We Germans have no changes in our dances: An almain and an upspring, that is all.« Ebenso gehörte auch in Spanien die Allemanda zu den üblichen Tänzen des Mittelalters, deren Aufhören der große Freund dieses Tanzes, der Dichter Lope de Vega (1562 — 1635) in seinem Roman »Dorothea« bedauert. Unbekümmert um die fremde und verkehrte Namensgebung da draußen tanzte in der Heimat das Schwabenvolk seinen gewohnten Kundtanz JiSchwä- bischff oder Schleifer im angestammten ^4 Takte fort und so bis heute. Nach Verschwinden der alten Allemande im ^2 Takte wird es im 17. und 18. Jahrhundert Brauch, unter einer Allemande oder einem i»DeutschQnc einen Tanz im Tripeltakte zu verstehen. Die Allemande mit Touren^ ist ein Kunsttanz spätem Ursprungs, der wie der schwäbische Schleifer aus 8/4 oder Yg Takt geht. Sie wurde zuerst um das Jahr 1680 am Hofe des französischen Königs Ludwig XIV. zu Versailles ge- tanzt. Die Tanzenden stehen paarweise hintereinander oder auch sind zwei Herren jeder zwischen zwei Damen einander gegenüber placirt. Der Schritt ist der des langsamen Walzers, besteht nur aus drei sogenannten pas march^s und wird ganz ^ Ver^. A. Waldau, böhmische Nationaltänze 1859. I, 65. Czerwinski, Tanz- gesehichte S. 153. Voss, Tanz 326. Digitized by Google 125 geschliiFen, bald Torwfirts, bald zurück. Der Tanz ist unstreitig einer der schönsten und gemüthlicbsten, doch sind die Touren zum Theil schwierig auszuführen, wenn die Grazie nicht verletzt werden soll, da der vorzüglichste Reiz in der un- gezwungenen Haltung und Yerschlingung der Arme liegt. — Im Grunde ist die Allemande nichts anderes als der am Hofe Ludwigs XIV. mit Touren arrangirte deutsche Walzer. Diese Allemande sollte eine Art künstlerische Einverleibung der deutschen Provinz Elsass in das französische Reich (1680) sein. Wiederaufnahme fand sie 1703, und noch unter Napoleon I. machte sie auf Pariser Theatern Furore, sodass sie in den Zwischenakten oft aufgeführt werden musste. Die Bonrr^e ist ein altfranzösischer Volkstanz, der aus der Auvergne stammt, aus ^4 oder sehr gemftfiigtem % Takt geht, stets mit zwei Achtel Auftakt beginnt und den Rhythmus V^ f] \ J oder /3|J^"3 | J^ durchweg festhält. Die Musik hat zwei Reprisen von je acht Takten (MB. 83). Es hat dieser Tanz etwas Gelassenes, Unbekümmertes und liebenswürdig Nachlässiges in seinem Wesen ; fließend gleiten seine simpeln, halbheitem Melodien dahin. Freilich in Suiten und Partiten wurde die Musik freier behandelt und diesem Tanze, wie auch andern Tanzmelodien, das Nationale genommen. — Das Chenmitzer Musiklexikon vom Jahre 1749 zählt die Bourr6e zu den langsamen französischen Tänzen und sagt : sie sei nebst Menuett und Gourante der dritte Fundamentaltanz, weil sie die Floretts (besondere zierliche Pas] in sich schließe, sei leicht zu lernen und lustig zu tanzen. — Die Tanzschritte der Bourr^e sind kurz und munter und wurden später in der Allemande, Anglaise und Ecossaise angewendet, wo man sie »pas fleuret« nannte. Man tanzte die Bourr^e einfach und figurirt und hatte verschiedene Arten, z. B. Bourr6e d'Achille, Bourr6e de Versailles etc. [Czerwinski, Tanzkunst 90. Die Aus- führung lehrt Klemm, Katechismus der Tanzkunst 56 — 61.] Bergamasca oder Bergamasker Tanz ist ein italienischer Tanz, der seinen Namen von der in der Lombardei gelegenen Provinz Bergamo hat, deren Bewohner in Manieren und Sprache als größte Tölpel in Italien galten. Als eine Art Bauemtanz lässt ihn Shakespeare im Sommer- nachtstraum (5. Akt) tanzen, nachdem Zettel den Herzog gefragt, ob er einen bergamaskischen Tanz zu sehen wünsche. Somit war die Bergamasca schon im 16. Jahrhundert gekannt. Musikstücke dieses Namens kommen noch am Ende des 18. Jahrhunderts in Violinsonaten vor. Sie gehen bmb 2/4 Takt und bestehen aus zwei Theilen mit je acht Takten. Der Braille ist unter allen französischen Tänzen der älteste, weil er der Urtanz aller Nationen, d. h. ein mit Gesang und Spiel begleiteter Chorreigen ist, was in Deutschland Leich und Reigen hieß. Die Schriftsteller über Tanz und Musik mühen sich vergeblich um eine richtige Beschreibung dieses Tanzes, weil er nach Zeit und (hegend so vielgestaltig in seinem CQlarakter war. Fest stehen folgende Punkte über Ausführung des Branle : 1. Die Tänzer bildeten einen Kreis, fassten einander Hand an Hand und machten allerhand Verbeugungen. Darum nennen Praetorius und Rousseau ihn einen veralteten rondoartigen Tanz mit ländlichen Tonweisen, den ihrer Viele, einander an der Hand führend^ in die Runde tanzten. (Walther.) Digitized by Google 126 2. Zu jedem Branle wurde gesungen, d. h. der Tanz war von Gesang be- gleitet, wie man das noch heute in Südfrankreich auf dem Lande sehen und h5ren kann. 3. Eigenthümlich in den dazu gesungenen Tanzliedern war der fröhliche Refrain, d. h. Wiederkehr des ersten Themas nach verschiedenen Zwischen- sätzen. Das gilt noch jetzt von Wort und Weise aller echten Volkslieder. 4. Die Bewegung war nicht so heftig, wie in den Galliarden und Couranten, sondern gelind; es wurde getanzt allein »mitdenKnieen, ohne Sprünge«. (Praetorius 167.) 5. Die Musik ging jederzeit aus geradem Takte bei mäßigem Tempo. Wir sehen hieraus, dass unter Branle nichts anderes als der J»getretene Tanz« oder Reigen der Deutschen zu verstehen ist Das Wort Branle (ältere Form »Bransle«) ist abzuleiten vom französischen »branslerc, sich regen, sich bewegen. Mit diesem Tanze, davon es schon im 16. Jahrhundert in Tabourot's Orch^so- graphie (1588) verschiedene Gattungen giebt, wurden ehemals in Frankreich alle Bälle angefangen, wie jetzt mit der Polonaise. Zur Zeit Ludwigs XIV. war die stän- dige Tanzordnung : J»Branle, Gourante, Gavotte und Menuett.« Noch zu Matthesons Zeit (1700 — 1730) waren die Branles in Opern ge- bräuchlich. In Suiten sind sie niemals vorgekommen. Musikproben siehe Bei- lagen Nr. 84—87. 141. 189. 190. Der Canarle (Canary, Canarienvogeltanz) war ein schon im 16. Jahrhundert in Frankreich ge- kannter, noch mehr aber im 17. Jahrhundert unter Ludwig XIV. und auch in England beliebter Tanz, der den befiederten Bewohnern der canarischen Inseln ab- gelernt und wahrscheinlich von spanischer Herkunft ist. Treuherzig bemerkt M. Praetorius , als er eine Probe mittheilt (s. MB. 88) über die Abstammung dieses Tanzes: »Aus der Insul Canariena. Richtiger urtheilt Tabourot 1588 in seiner Orch6sographie [Czerwinski, Übersetzung 123] : »Manche behaupten, dass dieser Tanz auf den canarischen Inseln gebräuchlich und allgemein verbreitet sei. Andere meinen (und denen schließe auch ich mich an) , dass derselbe einem für eine Maske- rade componirten Ballete entnommen wurde, bei welchem die Tanzenden als König und Königin von Mauritanien, oder auch als Wilde, mit vielfarbigem Feder- schmucke geziert, verkleidet waren. »Der Canarie wird folgendermaßen ausgeführt : Ein junger Mann wählt eine Dame und tanzt mit ihr nach der entsprechenden Musik bis an das Ende des Saales, wo er seine Tänzerin verlässt und rückwärts tanzend an den Ausgangspunkt zurück- kehrt, stets die Dame im Auge behaltend. Sodann nähert er sich ihr wieder , wo- bei er gewisse Passagen ausführt, worauf er abermals zurückweicht. Die Tänzerin führt hiemach dasselbe aus, indem sie unter Passagen an den Tänzer herankommt und wieder zurückweicht, was nun abwechselnd von Beiden solange geschieht, als die verschiedenen Passagen dies möglich machen. Die Passagen sind zwar sehr heiter und lustig, aber auch fremdartig; bizarr und wild.« — Ahnlich beschreibt dieses Vor- und Rückwärtshüpfen durch den Saal von einem Tanzpaare Feuillet in seiner Choreographie 1700. Die Musik der Canarie*s (MB. 88 . 89) bewegt sich im schnellen '/g oder %Takte, deren erste Note gewöhnlich punktirt ist ( J!^). Sie hatte zwei Reprisen, ohne Auftakt. Nach der Vorschrift Matthesons (volÜiommener Kapellmeister 227) müssen Digitized by Google r" 127 die Canarie'Sy die er zu den Giguen rechnet, große Begierde und Hurtigkeit mit sich führen, aber dabei ein wenig einflftltig klingen , was dadurch hergestellt wird, dass alle vier Absätze jedesmal im Haupttone schließen. Die Chaconne (ital.Ciacona] ist ursprünglich ein in Italien beliebter Tanz gewesen. Dann benennt man auch mit diesem Worte ein längeres ausgeführtes Tonstück, im '/4Takt und stets in Durtonart, darin ein obligater Bass von 4 — 8 Takten, nachdem er Anfangs allein vorspielt, fortwährend wiederholt wird, aber zu demselben dann allerhand Melodien nach Art der Variationen in der rechten Hand ausgeführt werden (MB. 90). Dieser feststehende Bass (Basso ostinato genannt) darf jedoch auch im Verlauf des Stückes in die verwandte Molltonart versetzt und ebenfalls mit Variation in der Gegenhand versehen werden. Händel und Bach haben dergleichen Bässe reizend und tiefsinnig, durchweg aber meisterlich durchgeführt. Auch in Glucks Alceste ist die Chaconne verwendet. Die Chaconne soll von den Arabern nach Spanien gebracht worden sein und von dort aus weitere Verbreitung gefunden haben. Ihren Namen will Mattheson von einem Eigennamen Chacon ableiten. Nach Anderer Meinung soll sie durch einen Blinden (ceocone) erfunden worden sein, woher ihr Name stamme. Sie wurden von Personen beiderlei Geschlechts paarweise getanzt. Das Tempo war etwas langsamer als das der Menuett. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war sie besonders beliebt und fasste seitdem festen Fuß auf allen Bühnen, obwohl die Sittenrichter wiederholt gegen sie eiferten. Ahnlich an Charakter und Ausführung ist die Passacaglia [s. unten] . Über das Tempo beider sind alte Autoren nicht einig, Mattheson will die PassecaiUe etwas rascher als die Chaconne gespielt haben. Die Conrante oder Corrente war ein altfranzGsiBcher Tanz im gemäßigten ^2 ^^^ ^4*^^^^^' ^^^ '^^ niemals Volkstanz, sondern nur Kunsttanz der feinem Gesellschaft vom 16. bis 18. Jahr- hundert. Die Tanzmelodie ergeht sich in lieblichen , zierlichen Läufen , die (nach Mattheson' s Annahme) süße Hoffnung, Sehnsucht und Verlangen aussprechen, zu- gleich etwas Herzhaftes und Erfreuliches enthalten. Sie besteht aus einer kurzem und längern Reprise , beginnt mit einem kurzen Auftakte und schließt mit dem schweren Takttheile. Ihr Vortrag ist mehr gestoßen als geschleift. — Als Tanz- weise wurde sie gesungen , gegeigt , auf der Laute und auf dem Ciavier gespielt. Für die Laute war sie im 16. und 17. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland sehr beliebt. Alte Musikproben gebe ich in MB. 91 — 94 und 151 . — Als die Cou- rante in die Suite Aufnahme fand , wurde ihre Musik freier behandelt. Proben giebt es zahlreich bei Händel und Bach. Auch in Glückes Orpheus Nr. 39 steht ein Beispiel. Wie ihr Name (vom lat. currens saltatio) andeutet, war die Courante ein ge- tretener Tanz, ein Umgang mit der Dame, unter vielen Verbeugungen, Auf- treten auf die Fußspitzen und andern künstlichen Pas. Nach erfolgter Reverenz führte der Tänzer seine Tänzerin mit gebogenen, gestrichenen und hüpfenden Pas in einem Oval oder im Viereck herum, zu dem Platze zurück, abermalige Reverenz und der Tanz war zu Ende. Digitized by Google 128 Sie mu8B im 16. Jahrhiindert aaders als später getanzt worden sein, darum die Beschreibung ihrer Ausführung beiTabourot (1588] nicht zu der in spätem Werken stimmt. Irrthum ist jedenfalls die Angabe Tabourots , dass der Tanz raschen ^2 oder ^4 '^^^ habe, da doch gleichzeitig und vor und nach ihm alle Couranten den raschen ^2 ^^^^ Vi ^^®^ ^/4 '^^^ aufweisen, z. B. schon die in Philidor*s Samm- lung Bd. I. stehenden, von Heinrich 11., Karl IX. und Heinrich in. (also ca. 1550 — 80) getanzten Couranten. Im 16. Jahrhundert war die Courante eigentlich mehr ein kleines panto- mimisches Divertissement als ein Tanz, dessen Einleitung den Tänzern dazu diente, ihre persönlichen Vorzüge und Fähigkeiten, sowie ihre tanzkünstlerischen Talente zu zeigen. Auffallend und an den Walzer gemahnend ist nach der Erzählung Tabourot's (1588, Übersetzung 8 1) etwas in der Ausführung der Courante. Nachdem er seinem Schüler die Tanzpas gezeigt hat, sagt er : jdZu meiner Zeit (also vor 1 530) hatte man auf die Courante eine Art Spiel, ein Ballet eingerichtet. Drei junge Leute wählten drei Mädchen und stellten sich mit ihnen in die Reihe auf. Der erste Tänzer führte seine Dame an das andre Ende des Saales und ließ sie dort stehen, während er zu den andern zurückkehrte ; der zweite und dritte Tänzer thaten dasselbe, so dass die Damen an dem einen, die Herren am andern Ende des Saales allein standen. Sobald der dritte zurückgekehrt war , begann der erste mit allerlei Sprüngen und verliebten Gebärden, wobei er seine Beinkleider streckte und sich das Hemde zurecht zog , sich wieder seiner Tänzerin zu nähern , die ihn aber mit der Hand abwehrte und ihm den Rücken kehrte, darauf er wieder zurück- ging und sich trostlos zeigte. Ebenso thaten die beiden Anderen. Hierauf aber tanzten alle drei 'ihren Damen entgegen und baten mit gefalteten Händen um Gnade und Verzeihung: dann ließen sich die Tänzerinnen von ihren Herren in die Arme schließen und tanzten mit ihnen die Courante zu Ende.« Im 17. Jahrhundert wurde die Courante durch die Tanzakademie zu Paris timgearbeitet und zum Ceremonientanz umgeschaffen und nahm in der fein- gebildeten Welt dieselbe Stelle bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts ein, wie ehe- dem die Pavane und die kurz nach der Courante folgende Menuett. Die Aus- führung des Ceremonientanzes (der Courante) hat Czerwinski in seiner Geschichte des Tanzes S. 131 ff. beschrieben. Die Wiedergabe liegt mir fem. Bemerkt sei zum Schluss noch, dass einige Franzosen die Entstehung des Walzers aus der Courante herleiten wollen. Die QaUlarde (ital. Gagliarda, franz. GaiUard) war nach ihrem Ursprung ein altitalienischer Tanz von lustigem Charakter, aber auch in Frankreich, Spanien, England und Deutsch- land im 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebt. Ihr Name wird abgeleitet vom italienischen »gagliardoa, was so viel heißt wie lustig, stark, kühn, üppig. Dieselbe Herleitung hat der Franzose, denn sein »gaillarda heißt lustig, ausgelassen. Nicht falsch ist die Herleitung des Namens Galliarde quasi Valiarde vom lateinischen validus = stark, wie Taubert (Tanzmeister 1617, S. 369) und Walther (Lexikon 1732) annehmen, da das lateinische und das italienische Wort eines Stammes sind. i>E» ist ein gar lustiger starker Tanz«, meint Walther. »Er hat ein gar fröhliches, straffes Wesen. Weil demnach der GaiUard mit geradigkeit vnd guter Disposition, mehr als andere Täntze verrichtet werden, hat er ohne zweifei den Namen daher bekommen«, sagt Praetorius [Syntagma 1619. HI, 24]. Weil dieser Tanz bei den RCmem hauptsächlich im Gebrauch war, vielleicht dort seinen Ursprung hatte, nannte man ihn ehedem geradezu Romanesca, und Digitized by Google 129 in Frankreich Romanesque, römischen Tanz, und es erklären altere Autoren (wie Brossard, Tabourot), dass die Musik der Galliarde und Romanesca, sowie die AusfClhrung beider Tftnze dieselbe sei. Die Musik der Qalliarden stand stets im % oder Y4 Takt, mit stark mar- kirtem Volltakt beginnend, dabei die erste Note im zweiten Takte doppelt lang oder punktirt, ». B. : V2 J J J I iJ. J J II J J J I o J f ^ ^«««^ in der Galliarde 5 Fußstellungen (Pas) nothwendig, weshalb sie auch JDcinque pasa genannt wird. Dem entsprechend musste die Musik sein, wie das folgende Noten- beispiel aus Tabourot (Orch^sographie 1588] best&tigt: p^ rr 45 123 45 12 45 j j j i .,.j i rrr i -J i J JJi..ti La tra-di-to-re mi fa mo-ri-re Über das Alter dieser Qalliarden-Melodie erzählt Tabourot: »Als ich in Poi- tiers tanzen lernte (um 1530?), spielte unser Tanzmeister eine Galliarde, welche j»La traditore my fa morire« hieß. Sie ist eine der schönsten der damals üblichen Galliarden.ff Das Tempo der Galliarden war mäßig geschwind, wiirde mit der Zeit aber rascher genommen. Schon Tabourot bemerkt (S. 43 der Übersetzung) , dass dieser Tanz seiner Zeit (1588) sehr stürmisch getanzt werde, früher viel ruhiger ge- wesen sei. Die Melodie war fließend und hatte in der Kegel zwei Reprisen von je vier oder acht oder zwölf Takten, wobei die Tänzer unter grotesken Sprüngen das Zimmer nach allen Richtungen durchschleiften. Nach Frisches Wörterbuch wurde die Galliarde nach der Länge und nach der Breite des Saales mit Schleifen der Füße und Capriolen getanzt. (Die ausführliche Beschreibung der schwer aus- zuführenden Tanz-Pas, wie sie Tabourot giebt, gehört nicht hieher.) Das Alter der Galliarde ist nicht zu bestimmen. Musikstücke dieses Namens kommen schon 1529 in den älteren Notendrucken vor, für Klavier und mehrere Instrumente oder Singstimmen; femer finden wir sie in allen Lautenbüchem, in Orgeltabulaturen 1577 als Newe G^alliarden, GaiUard Fran9ais stark vertreten. Sie wurden gesungen und gespielt zum Tanze, oft beides vereint. In den Musikbeilagen Nr. 46^ 95—100. 112. 140. 142. 170. 172. 173. 178. 179. 184^. 185 findet der Leser eine Anzahl Galliarden. Die Galliarden wurden auch wegen des darin vorkommenden »Umkehrensc Volten genannt (s. unter Volta S. 140 fg.). M. Praetorius (Sjmtagma Mus. m, 24) behauptet von diesem Tanze : J»Auch wird er von den Italienern Saltarello genannt, wenn sie Texte von Liebesliedem dazu setzen , welche sie in Maskeraden singen und zugleich tanzen , ohne weitere Instrumente dabei zu gebrauchen.« Diese Behauptung ist nur insow;eit richtig, als jeder SaltareUo, dem deutschen Springtanz entsprechend, aus dreitheiligem Takte geht. Ein Saltarello bildete daher im 16. Jahrhundert stets den zweiten Theil (den Nachtanz) zum vorangehenden ruhigen Tanz im geraden Takt, das war eine Bavane oder ein Passemezzo. Heutzutage heißt jeder römische Straßentanz im raschen ^9 Takte Saltarello und ist derselbe Tanz wie bei den Neapolitanern die Taran- tella. Bemerkt sei, dass man in Deutschland auch den Spottnamen »Geißtanz« für Galliarde findet. Bftlim«, Gtieh. d. TftüMs. 9 Digitized by Google 130 Die CfaTOtte ist ein altfranzOsischer Tanz, dessen Ursprung von den Gavots, den Bergbewohnern der Dauphin^ hergeleitet wird.^ Im 16. Jahrhundert kommt sie noch nicht vor, wenigstens nennt 1 588 die Orch^sographie sie noch nicht. Um 1600 — 1612 kam sie durch französische Tanzmeister nach Deutschland und aus der Hand solcher hat Praetorius in einem Bransle simple sechs Gavotten mitgetheilt.^ Es sind heitere, muntere Melodien im geraden Takte, wie sie zu Beigentftazen der französischen Bauern gesungen und daher zu jedem Bransle benutzt wurden. Der Charakter des Tanzes ist munter und zärtlich, das Tempo etwas lebhaft. Die im 1 S.Jahrhundert und schon vorher in französischen Opern vorkommenden Gavotten (MB. 200) haben als Eigenthümlichkeit, dass sie nach Art vieler fran- zösischer Nationalgesänge stets mit zwei Viertelnoten Auftakt beginnen , also den Rhythmus ^1^ 3jJiJ"^«jJl] j:jj J ^ darstellen. Die Musik hat zwei Theile von je acht Takten, die sich wiederholen. Beispiele der alten Gavotte sind zu finden bei Händel, große Altarie im Josua ; Gluck, Orpheus Nr. 36, Alceste am Schluss. In jüngster Zeit ist die Gavotte wieder in moderne Suiten eingeführt und als Salon-Tanzstück, sogar alsKoncertstück beliebt geworden. Zu der vielgehörten Ga- votte J»Air Louis XTTT.t, komponirt von H. Ghys 1868, findet man die wahre hi- storische Unterlage unter MB. Nr. 166. Die Gigne oder Gique (spr. Schihk) , italienisch Gig a, englisch Ji'g. Darunter verstand man einen alten Tanz von fröhlichem Charakter, im muntern Tempo und stets im ^j^ oder ^^/g Takt, oder ^j^ Takt mit 12 Achteltriolen notirt. Sie kommt als Musik- stück vor der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht vor; seitdem aber wurde sie in England^ Schottland, Frankreich, Italien bekannt und beliebt, hat sich als Ton- stück in Partiten und Suiten auch in Geigen-Koncerten bis spät ins 18. Jahr- hundert erhalten und ist — was zu beachten — als Schiffertanz in Irland und England noch heute in Gebrauch. Die Urheimath des Tanzes ist bis jetzt noch nicht festgestellt. Französischen Ursprungs ist sie keinesfalls , da sie weder in Tanzlehrbüchern (z. B. bei Tabourot 1588) unter den damaligen französischen Tänzen erwähnt ist, noch auch in der Terpsichore von M. Praetorius 1612 vor- kommt. Ich halte die Jig, schott. Jegg (spr. Schik], nach ihrem Ursprünge für einen keltischen Tanz. Darauf weist ihr Verbreitungskreis und besonders der Um- stand hin, dass sie noch heute bei Völkern gekannt und volksthümlich ist, die keltische Überreste in Sprache und Sitten bewahrt haben: bei den Iren und Schotten. Mattheson (vollkommener Kapellmeister 1739, S. 227) scheint diesen Ursprung zu ahnen, in- dem er die englischen Giguen die gewöhnlichen nennt, und Walther* s Lexikon 1732 bezeichnet die Gigue geradezu als »Englischen Tanz«. Walther nennt die Gigue oder Chique eine Instrumental-Piäce , allerdings habe ich unter allen ge- sammelten Giguen nie eine für Gesang bestimmte gefunden. War dieser Tanz ^ »Qavotte : Ist ein Landt (?) , darinnen eitel Bawren wohnen , von welchen dieser Dantz erst herkommen. Vnd diese Däntze werden aUe begriffen vnter dem Namen Bransle simple, weil sie alle üIbo: wie sie in der Heye folgen, nacheinander gespielt vnd ge- dantzet werden.« M Praetorius, Terpsichore 1612. 2 Davon einige in MB. Nr. löf— 103. Vergl. Nr. 198. Digitized by Google 131 aber wirklich niemals gesungen, sondern nur für die Qeige bestimmt, so dürfte man daraus folgern, dass sein Name von dem Saiteninstrument der Fiedel oder Geige entlehnt sei, die seit dem 12. Jahrhundert nach ihrer Ähnlichkeit mit einem Schinken oder Thierschenkel gigue heißt. ^ Als Tanzstück in englischen Tanzsammlungen hatten die Qiguen durchweg einen muntern, lebhaften Charakter (Presto-Tempo) , bestanden in der Regel aus zwei Reprisen von je 8 Takten. Die Musik zeigt nur glattfließende flüchtigePassagen mit folgenden Rhythmen (s. MB. 105. 106. 202) : '/« -fj] 1 m II •/« / 1 j / m I mm 11 "/* m i^^ Mattheson (vollkommener Kapellmeister S. 227) unterscheidet vier Arten dieser Tanzweise, gibt jeder aber einen andern Charakter, womit er Unerwiesenes behauptet und sich widerspricht : »aj die engl is ch e n Giguen oder die gewöhnlichen haben zu ihrem Abzeichen einenhitzigen und flüchtigen Eifer, einen Zorn , der bald vergeht; b) die welsche Giga (ital.), die nicht zum Tanzen (?) sondern zum Geigen gebraucht wird, wovon auch ihre Benennung herrühren mag (I), zwingt gleichsam zur äußer- sten Schnelligkeit und Flüchtigkeit, doch mehrentheils auf eine fließende und keine ungestüme Art, etwa wie der glatt fortschießende Strompfeil eines Baches.« c) Die canarischen Giguen nennt er hüpfend, mehr davon siehe unter Canarie (S. 126). d) Die spanischen Loures, die Mattheson als hochmüthig einhergehend und also abweichend im Charakter schildert, gehören wohl nicht in diese Gattung, au<3h ist ihr Name gar nicht spanisch. Die Loures sind altfranzösische Volkstänze , ursprünglich für den Dudelsack ; denn Loure be- zeichnet im Altfranzösischen eine Sackpfeife , J»LoureurWo Arm in Arm zwei Tänzer sind verschlungen Und sich umarmend um sich selber drehend Mit ihren Füßen einen Anapäst erzielen. a Der Anapäst ist in Noten also wiederzugeben : *'• j^ ij .1 i j •"• ^•'i'/'OJnjjijjjii Gegen die unsaubere Volte und Galliarde erheben sich mit Recht anklagende Stimmen. Johann von Münster (über ungottseligen Tanz 1594) schreibt: »Wie fleißig auch die Franzosen die fünf Pas lernen und ihren Gaillard damach zu richten, Digitized by Google 141 ihre Füße und Beine bisweilen hierher, bisweilen daher, dann vom, dann zurück, dann an dieser, dann an jener Seite in die Höhe und wiederum herunter mit be- sonderer Geradigkeit zu lenken und Capriolen dazwischen zu mengen auf das Höchste sich bemühen, dasselbe ist auch jetzt mehr Leuten in Deutschland bekannt als gut ist. Denn nunmehr ein jeder in Deutschland den Qaillard tanzen will. Insonderheit aber ist unter ihnen ein unflätiger Tanz, la Volta geheißen, welche den Namen hat von dem französischen Wort Toltiger, d. L in einem Wirbel herumfliegen. In dem Tanz nimmt der Tftnzer mit einem Sprung der Jungfrau (die auch mit einem hohen Sprunge, aus Anleitung der Musik, herkommt) wahr und greift sie an einem ungebührenden Ort, da sie etwas von Holz oder anderer Materie hat machen lassen, und wirft die Jun^&au selbst, und sich mit ihr , etlich vielmal sehr künstlich und hoch über die Erde herum, also auch, dass der Zuschauer mei- nen sollte, dass derTSnzer mit der Tänzerin nicht wieder zur Erde kommen könne, sie hätten denn beide ihre Hälse und Beine gebrochen.« Mit dieser Beschreibung der damals aus Frankreich eingeführten, sehr be- liebten Volte , als eines üppigen und zügellosen Tanzes stimmt der etwas spätere Schriftsteller J. Fraetorius in seinem Buche »Blocksberg -Verrichtungen« (1668, S. 279) überein: »Von der neuen Gaillardischen Volta, einem welschen Tanze , da man einander an schamigen Orten fasset und wie ein getriebener Topf (Kreisel) herunter haspelt und wirbelt, und (welcher) durch die Zauberer aus Italien und Frankreich ist gebracht worden , mag man auch wohl sagen , dass zu dem , dass solcher Wirbeltantz voller schändlicher unflätiger Oeberden und unzüchtiger Be- wegungen ist, er auch das Unglück a,\d ihm (sich) trage, dass unzählig viel Mord und Missgeburten daraus entstehen. Welches warlich bey einer wolbestelten Po- licey ist wahrzunehmen und auffs allerschärffste zu verbieten.« Damit wäre die Beschreibung der ausländischen Tänze zu Ende. Wie alles Hübsche und Schöne , sind auch sie dahingegangen. Bevor wir jedoch ganz Ab- schied von ihnen nehmen, werfen wir noch einen Blick auf die nachhaltige Wirkung derselben nach ihrem Aufhören und auf die Überreste derselben in Frankreich. Solches aufzuspüren, nach so vielfachen Modificationen einer Melodie, nach einer Art Seelenwanderung immer noch ihr Fortleben zu erkennen, fordert freilich einen Musikhistoriker und zugleich einen Kenner der gegenwärtigen Volks- musik und Volkspoesie der Franzosen. Ich begnüge mich mit einigen Andeutungen, die ich bei Czerwinski (französische Tänze S. 17 und 18) fand. Den Branles begegnet man in Frankreich auf jedem Schritt in den K inder- spielen (ganz wie in Deutschland), aber auch in den Schlusstanzfiguren eines Balles, denn die Cotillonflguren sind eine Art von Branle, der Carillon de Dun- kerque nicht minder , dessen klassische, aber wenig ehrerbietige Worte wohl noch aus jener Zeit stammen , wo unsere Voreltern ohne falsche Scham das derbe aber rechte Wort für jede Sache gebrauchten. — Das französische Nationallied «Vive Henri IV.« stammt von einem Branle coup6, genannt Cassandra, der weit älter ist als die Regierungszeit dieses Königs (MB. 84) . Die Bourr^e (MB. 83. 191) , aus der Auvergne 1587 nach Paris geführt, ist wohl gänzlich aus der vornehmen Gesellschaft verschwunden, lebt aber als Volkstanz noch immer in einigen Gegenden Frankreichs fort. Eine Melodie der Bourr6e hat sich mit einer am Ende des 18. Jahrhunderts beliebten Parodie »Tentation de Saint-An- toine« erhalten. Digitized by Google 142 Aucli die gesungene Payane , bei welcher die T&nzerin ihren Partner küsste, hat ihre Spuren hinterlassen , denn die Dorfmusikanten Frankreichs kennen noch eine eigenthümliche Melodie (vielleicht aus dem 16. Jahrhundert?), in der ein an- haltender und scharfer Triller auf der Geige den Dorfschönen das Signal für die Umarmung giebt. Diese bildet oft das Hauptvergnügen auf dem Dorfballe, wenn mitten im Tanz beim Ertönen des Trillers die Schlossfrau oder die Gattin irgend eines Würdenträgers, die sich herabgelassen hat, mit irgend einem Bauemlümmel zu tanzen, diesen küssen soU. Die Volte scheint ganz verschwunden zu sein, da sie sich mit unsem Sitten nicht in Einklang bringen ließ. Zwar ist es auch bei uns noch brftuchlich, dass der Herr die Dame umschließt und an seinen Körper drückt; die Dame, die sich so drücken, stoßen, ziehen und heben läßt, wäre aber sicherlich entrüstet, wollte der Tänzer sie so fassen, wie es bei der Volte geschah. Übrigens ist es fraglich, ob heutzutage alle Tänzer die Kraft hätten , mit der Tänzerin solche Forcetouren zu machen. Sollen wir nun den Deutschen schelten, dass er fremde Tänze einführte und an ihnen sich mehr als 300 Jahre amusirte? Vom nationalen Standpunkt aller- dings würde solches Importiren fremder Kultur entschieden Tadel verdienen, wenn dadurch einheimische Kunst unterdrückt worden wäre, letztere war aber im Betreff des Tanzes nicht vorhanden. Was auch die Deutschen, in der Kulturentwickelung den romanischen Völkern nachrückend, von dem Auslande aufgenommen und gelernt haben , so ist doch nicht zu leugnen, dass sie es mit Hinzukommen des deutschen Elementes zu etwas Anderem, zu etwas Eigenartigem umgestalteten, wie solches jede jüngere Kulturnation mit ihren Nachbarn und Vorgängern that und thun dari'. Was schadet es , wenn die Anregung zum Bessern und Schönen vom Auslande kam? Unser kosmopolitischer Sinn war es von je her, der vom Schönen aller lAude das Schönste suchte , aufnahm und weiter zu bilden suchte. Und gerade in der Tanzkunst konnte der etwas schwerföUige Germane von seinen beweglichem Nach- barn, von den geschmackvollen Tanzarten der Südländer etwas profitiren, und kann es heute noch ; denn sein einförmiges , sinnloses , betäubendes Herumhüpfen im Kreise, sein plumpes Einherschreiten und wüstes Stampfen kann recht wohl durch das Mannigfaltige , Leichte , Zierliche und Graziöse der französischen Tänze ver- edelt und verschönert werden. Kapitel I. Der Tanz in Deutschland im 17. Jahrhiindert. In diesem, durch den unseligen dreißigjährigen Krieg und viele andere Kämpfe getrübten Jahrhunderte war natürlich die Tanzlust dahin , durch Noth und Elend das Tanzen beschränkt oder durch obrigkeitliche Verbote zeitweilig ganz aufgehoben. Beim andauernden Kriege mit seinen furchtbaren Gräueln verstummten Pfeifen und Geigen auf längere Zeit in Deutschland. Wo man aber doch zuweilen noch tanzen konnte (denn die Tanzlust lässt sich selbst durch Krieg nicht ganz ausrotten), ge- schah es durch die Soldaten, die aus fremden Ländern in ganz Deutschland lagen und gewiss in Dorf und Stadt manche tanzlustige Dirne dazu bereit fanden. DDa gieng Alles zu unterst und oberst, da es der Eine auf Welsch , der An- dere auf Deutsch, der Dritte auf Grab ati seh (Kroatisch, hier die Bezeichnung Digitized by Google 143 für die Slawen unter den kaiserlichen Truppen) , der Vierte auf Polnisch machte, und wer nur an die Maie kam, der musste dem andern mit einem gebräuchlichen Fluche (etwa: der ist des Teufels, der nicht mit macht) nachfolgen.« Diese ver- schiedenen Tanzarten und noch mehr sahen die Landleute von den Söldnern und mussten wohl oder übel mitmachen. Jedenfalls hat der dreißigjährige Krieg auf die Tanz weise nur verwildernd eingewirkt. Doch hatten die Ausartungen unter solchen Umständen nichts Auf- fallendes und wareUi nicht von Dauer. Der Sinn für alte Sitte und Gebräuche ging nicht ganz verloren, denn nach dem Kriege fanden sich viele der besseren Tanz- weisen allmählich wieder. Aus der Zeit bald nach den etwas überwimdenen Trübsalen wird uns über- liefert, dass bei Hochzeiten imd Convenienzen der Reicheren in den Städten manche Gesellschaftstänze zur Aufführung kamen. Nach den Tafelfreuden wurde zu dem Klange von Pfeifen und Schalmeien, Zinken und Trompeten getanzt. Von einer Tanzbelustigung, die von dem Helden des dreißigjährigen Krieges, dem König Gustav Adolf von Schweden improvisirt wurde, erfahren wir: »Als Gustav Adolf im Jahre 1632 das Pfingstfeet zu Augsburg feierte, wohnte der König dem öffentlichen Gottesdienst (30. Mai) nicht bei, sondern ließ sich sowohl Vor^ als Nachmittags von seinem Hofprediger Dr. Fabricius in seinem Kabinette pre- digen. Abends aber bei der Tafel bekam er jählings Lust zu tanzen, dass die Geschlechter-Töchter in den neben anstehenden Fugger' sehen Häusern (in welchen der Honig sein Quartier genommen hatte) erschienen, mit welchen sich sowohl der Kpnig, als die andern anwesenden fürstliehen Personen etliche Stunden lang mit englischen und deutschen Tänzen belustiget.« Zu Ende des Kriegs trat leider das »Verwälschen der Deutschen« immer mehr hervor. ^Frankreich hat es weit gebracht, Frankreich kann es schaffen : Dass so manches und manches Volk Wird zu seinem Affen.« [Logau.] Man hatte wälsche Kleider, wälsche Barte, wälsches Haar, wälsche Hüte , wälsche Degen , wälsche Hosen, wälsche Strümpfe, wälsche Stiefel, wälsche Mäntel , wäl- sche Gebärden und bei diesem wälschen Übelstand natürlich schon längst wäl- sche Tänze. Und das alles nannte man ä la mode, ja man ging sogar älamode in die Kirche zum Koncerte. Die Alamode-Periode beginnt ungefähr 1640. In einem Spottgedichte sagen die Alamode-Herren von sich : »Die wir doch das unser spendiren Auf musiciren, fechten, ringen, Auf tanzen al amodisch springen, Auf reiten, rennen, Schlitten fahren Thun wir keine Unkosten sparen.« Man tanzte jetzt, neben einigen schon im 16. Jahrhundert angeführten Tän- zen : die einfache Courante, die Gagliarde und Volte, die Bourr^e, den Passepied, den Passemezzo, die Dauphin (wahrscheinlich Name für eine der vielen Gagliarden) und die Canary . Die neuerfundenen Gesellschaftstänze, die am Ende des 1 7 . Jahr- hunderts aus Paris kamen und in höhern Cirkeln bald beliebt wurden , waren die Menuett und die etwas später kommende Polonaise. Die Beschreibung dieser ausländischen Tänze siehe im vorigen Kapitel. Auch der Walzer, obgleich noch qicht unter diesem Namen, hatte trotz aller Verbote gegen das Verdrehen (Drehen des Tanzpaares um seine eigne Axe) Digitized by Google 144 sich festgesetzt. Denn auf ihn passt eine Schilderung der Tanzweisen vom Jahre 1671, welche ich in dem vortrefflichen Buche von R. Voss (der Tanz) angeführt finde : »Die Franzosen erfinden alle Jahre neue Tänze auf besondere Manier (ob- gleich sie selbst ihre eigenen Tänze oft nicht tanzen kOnnen) und bleiben nicht immer bei derselben Leyer als wir Deutsche : die wir gemeiniglich , wie bekannt, nur allzeit um einen Kreis herum ^ Paar und Paar einander nach- tanz en.a »Bei den französischen Tänzen (so wird weiter erzShlt) war es Sitte, da meistentheils nur immer ein Paar tanzte, dass zuerst der Herr die Dame zum Tanz aufforderte , sodann führte die Dame den Herrn zum Platze zurück und forderte einen anderen Herren auf (also Damen-Engagement) . Nach Beendigung des Tan- zes führte der Herr die Dame zurück. — Zwischen den heutigen französischen Tänzen, die man Ballet und Sarabande nennt , welche uns Deutschen wohl nun- mehro bekannt sind, und denen alten Qaukeltänzen, welche vordessen bei den "^Römem in Gebrauch gewesen und Saltationes mimicae genannt worden, ist meines Erachtens kein großer Unterschied.« — Die französischen Tänze tanzten natürlich nicht die Bauern, sondern der Bürgerstand in den Städten und der Landadel« Der Glanz der Geschlechter (Patrioier) erlosch mehr und mehr in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts; dafür tritt der höhere Bürgerstand, aus den Hervor- ragendsten aller Stände gebildet, an ihre Stelle und ist der Erbe der alten und Pfleger der neuen Tänze: in aUen gebildeten Klassen des Bürgerstandes tanzte man von jetzt ab ein und dieselben Tänze. Zur Erlernung dieser Kunstr^ und Mode- tänze kommen in deutschen Städten mehr und mehr die Tanzlehrer in Aufnahme. Nur auf dem platten Lande und in abgeschlossenen Bergthälem blieben noch die alten Volkstänze in Übung. Wie auch im 17. Jahrhundert gegen das Tanzen gepredigt und ge- schrieben wurde, ohne dass es etwas fruchtete, kann man auf S. 1 10 nachlesen. Zu den Hoffesten mit Ballets kam eine ganz besondere Lustbarkeit im 1 7. Jahrhundert, die auch im 18. wieder Aufnahme fand. Das waren die sogenannten jiWirthschaftena. Solche Bauem-Wirthschaften und Bauem-Hochzeiten waren an mehreren Höfen gebräuchlich. So gab Kaiser Leopold I. zu Ehren des anwesenden Czaren Peter des Großen 1698 eine solche Wirthschaft, in welcher über 300 der höchstgestellten Personen des Hofes mitwirkten. Das Eigenartige dieser Tanz- feste bestand darin, dass die regierenden Majestäten den Wirth und die Wirthin repräsentirten und dass den Herren und Damen des Hofes bestimmte bäurische, nach den regierten Landestheilen verschiedene Kostüme angegeben wurden , in denen sie zu erscheinen hatten. Im Jahre 1728 am 9. Februar gab Friedrich Au- gust, König von Polen und Kurfürst von Sachsen, zu Dresden im Riesensaale dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen zu Ehren eine Wirthschaft, zu welcher eine Bauernhochzeit das Sujet hergab. Das Schloss war als ^»Gasthaus zum weißen Adler« bezeichnet. König August spielte den Wirth und die Fürstin von Teschen die Wirthin, umgeben von 24 der schönsten Personen des Dresdner Hofes, welche Knechte und Mägde darstellten. Mehrere ländliche Tänze, als Quadrülen bearbeitet, kamen durch die Herren und Damen des Hofes im Kostüm verschiedener Landschaften zur Aufführung. Massenhaft war bei diesen imitbten ländlichen Festen, wie dies in Wirklichkeit auf dem Lande zumeist der Fall ist, die Ver- sorgung des Tisches mit Speisen und Getränken. In Folge dieser Nachahmung ländlicher Tanzfeste an den Höfen mussten zwanglosere Tanzweisen, als dort sonst gebräuchlich waren, in die ceremoniellen Tanzfeste Eingang finden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass durch diese Ge- legenheit die deutschen Rundtänze an den Hof kamen. Digitized by Google 145 Kapitel II. Der Tanz in Deutschland im 18. und 19. Jakrh. Vom Tanz im 18. Jahrhundert, wie er an deutschen Höfen und in deutschen Städten getibt ward, lässt sich nicht viel Erfreuliches, sondern für unser National- gefühl nur Empörendes berichten ; der Deutsche war damals (zur Schmach, aber zur Steuer der Wahrheit und zur Warnung für alle Zeiten sei's gesagt) , der Deutsche war das ganze Jahrhundert hindurch der Affe der Franzosen. Die Gesellsohafts- zustände der besseren Stände und der Höfe waren französische, und wie der Deutsche damals in allen politischen Dingen der Spielball der fremden Nationen war und in seiner Kleidertracht und in seinen Sitten die Franzosen nachahmte, so waren auch seine Tänze meist ausländische. Der lieblingstanz der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert war die Menuett. Neben ihr erfreute sich der zu Ende dieses Jahrhunderts entstandene Walzer als deutscher Tanz großer Beliebtheit. Von den fraheren französischen Tänzen sind die Oalliarde und der Branle ausgeschieden, welchen letztem die schon zu Anfang des Jahrhunderts bekannt gewordene Polonaise vertritt. Da- gegen treten als neue hinzu : die figuzirte Courante, die Menuett zu zwei und vier Personen, die Gavotte, die BourrSe in vielen Arten und mit vielerlei Bezeichnung, z. B. Bourr6e de Versailles, Bourr^e d'AchiUe. Auch die Chaconne soll getanzt wor- den sein. Im Jahre 1755 tanzte man zuerst den Cotillon (Fran9abe in einzelnen bestinunten Touren). Ungefähr 1764 treten die Contretänze (aber nicht die heutigen) unter dem Namen der Englischen Tänze (Country-dances) auf, zu acht Personen im Viereck zu tanzen. Aus diesen entstanden die Quadrillen. Nun folgen nacheinander dieAnglaise (zuerst Rigaudon genannt) , die Eoossaise und die Fran9aise. — Zu den hohen theatndischen Tänzen zählt man in dieser Zeit die Sarabande, die Gigue, die Chaconne und die Entr6e. Die alte deutsche Tanzart, paarweise hintereinander zu tanzen , wurde nur noch auf dem Lande beibehalten. Über den deutschen Volkstanz des 18. Jahr- hunderts mag ein Zeitgenosse und gelehrter Kenner, Dr. Gräter, das Wort führen, der in seiner Zeitschrift »Bragur« 1 794 also schreibt : »Alle unsere deutschen Volks- tänze, so alt sie sein mögen, sind von zweierlei Art: entweder Schleifer oder Reihentänze. il. Der Schleifer, auch unter dem Namen »deutscher Tanz« bekannt, wurde sonst vom Volk in enge und weite getheilt , je nachdem die Melodie im reißenden % oder im geschwinden % Takte ging. Er war ein lustiger, schneller Rund tanz (denn die zärtlichen Walzer oder langsamen Dreher sind noch nicht lange her, auch mehr unter den feinem Klassen Mode geworden). Wie ist der S chleif er entsprungen und was ist seine Bedeutung? Man beachte das tanzende Landvolk und unverkennbar ist es, dass ein liebesbündnis ihn veranlasst zu haben scheint, dass im Ganzen eine Nachahmung der Liebesgesohichte sein Zweck ist. Erst geht der Bursch dem Mädchen nach, das zu entfliehen sucht ; bald erhascht er sie und will sie festhalten, allein sie reißt sich aus seinen Armen los. Er wiederholt daher seinen Versuch ; sobald er sich ihr nähert; dreht sie sich um und will von ihm nichts vrissen. Doch er ist standhaft und unverdrossen ; wohin Baiima, a«0e]i.d.TnBM. 10 Digitized by Google 146 er sich wendet, steht er wieder vor ihr, fleht um Gegengunst und es scheint, als wolle er eher sterben , als von ihr lassen. So vieler Liebe und Treue und Stand- haftigkeit erliegt endlich das Mädchen, die Spröde reicht ihm die Hand. Voll Freude umschlingt er die Erhörte und lässt sie nicht mehr aus den Armen , so schamhaft sie auch gegen seine Umarmungen sich sträubt und während des ganzen Tanzes mit der Rechten sich los zu machen sucht. Das Drehen oder Walzen soll wohl ursprünglich nichts anderes als das Ringen mit dem sich sträubenden Mädchen bedeuten. — Aus dieser Bestimmung des deutschen Tanzes, der als Sinnbild einer Liebeswerbung erscheint ^ ergiebt sich der eigenthümlich fröhliche Ausdruck der Musik und der Gegenstand ihrer früher dazu gesungenen Texte von selbst. Die Schleifer haben immer zwei Theile, sowohl in Musik als Tanz. Der erste stellt die Werbung, der andere das Glück des Erhörten und das jungfräuliche Sträuben des Mädchens dar. Noch jetzt, wo die Bedeutung des Tanzes nicht ganz vergessen ist, geht man doch aus hergebrachter Gewohnheit während des ersten Theils der Musik nur im Reihen herum und mit dem zweiten fängt man an, sich zu drehen und zu schleifen. »Jeder Schleifermelodie lag sonst ein besonderer Text zu Grunde (die reine Instrumentalmusik zum Tanze ist viel jünger, als die uralten gesungenen Tanz- stückchen oder Tanzgesänge !) . So war es noch im 17. Jahrhundert an vielen Orten unter den Deutschen und ist es noch bei den Wenden und (anderen) Slawen Sitte : der Bauembursch s i n gt allemal einen Vers vor und erst dann fangen die Musi- kanten an. Aus dieser Sitte erklärt es sich, dass von vielen alten Tanzliedern bloß die Anfänge, so weit sie zur Angabe einer Schleifermelodie nöthig waren, unter dem Volke erhalten geblieben und zuweilen nur abgerissene Strophen aus anderen Liedern sind. i>Der Inhalt der Tanzliedchen weist noch bestimmter auf die oben erwähnte Bestimmung des Schleiftanzes hin. Man wird nämlich kein einziges darunter finden, das nicht entweder die wirkliche Liebeswerbung selbst und Heirath oder Genuss, oder die Gesinnungen und Antworten eines von beiden Theilen aiiszudrücken ver- suchte. Meistens ist Falschheit oder Untreue der Liebenden, oder Glück des ledigen Standes, Klage über die Kälte und Sinnesänderung der Geliebten oder stolze Gleich- gültigkeit bei erhaltenem Korbe der Inhalt dieser Tanzliedchen.« Als Beweis hat Gräter einige der ältesten Schleif erliedchen aus Schwaben mitgetheilt. Dann fährt er fort : »Gewiss sind dergleichen Texte Beweis genug für das Lustige, ja Sinnlich- Frivole in solchen idten , zum Glück vergessenen Tanzgesängen. Alle Schleifer- melodien sind lustig und fröhlich, haben durchaus nichts Ernstes oder gar Schwer- müthiges ; Alles ist Scherz und munteres Spiel, Sprung und Freude. »U. Ganz anders verhält es sich mit dem Reihentanze. Dieser ist einfacher, ernsthafter und ohne Zweifel älter als der Schleif tanz. Sonst kannte man ihn an allen Orten , vorzugsweise war er auf Kirch weihfesten gebräuchlich , ist aber von dem lustig hüpfenden Schleifer verdrängt worden. Beim Reihentanz umschließt man sich nicht, dreht sich auch nicht paarweise herum. Es ist mehr ein Auf- zug als ein Tanz zu nennen und soUte wohl auch nie eine Liebeswerbung dar- stellen, vielmehr eine feierliche Procession sein. Ist der Schleifer ganz Ausdruck der Freude, so scheint der Reihentanz nichts aU Verehrung zu sein und hat offen- bar seinen Ursprung in den Aufzügen bei den altheidnischen Götter- festen. — Die Musik bestand nur aus einem Theile und wurde so lange wiederholt, bis es endlich genug dünkte. Gewöhnlich war sie sehr simpel, verstieg sich selten über den Umfang von vier bis sechs Tönen und ist wahrschein- lich zur Pfeife (Sackpfeife) und Trommel erfunden worden.« Digitized by Google 147 Weil die Reigentanz -Melodien ganz unbekannt geworden, hat Dr. Gräter in seiner Zeitschrift »Idunnac 1812 einen altenReihentanz mit Text mitgetheilt , der sich noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts bei den Salzsiedern in Schwäbisch-Hall erhalten hatte (MB. 312). Als Ohren- und Augenzeuge be- merkt Qräter dazu Folgendes : iDie Salzsieder dort haben alle drei Jahre ein Fest, das sie den »Hof« nennen und woran alle lustigen Siederbursche Theil nehmen. Jeder ladet eine Sieders-Tochter zu der Festlichkeit ein, die in altfeierlicher Tracht und mit eignem Kopfputz erscheinen und HoQungfem heißen. Die Festlichkeit dauert drei bis vier Tage, ja zuweilen acht Tage. Mit Beginn des ersten Tages frdh 8 Uhr musste jeder Hofbursche im Kuchenhause (d.h. in einem dazu bestimmten Gasthofe) sein. Dann gingen die Ältesten nebst dem Hofmeister in die Mühle zu den hierzu bestimmten Weibern, welche einen großen Kuchen mit Blumen krOnten. Um 10 Uhr, mit dem ersten Laut der Vaterunser-Glocke der Michaels- kirche zogen sftmmtliche Hofbursche vom Kuchenhaus unter klingendem Spiele nach der Mühle , um den Kuchen abzuholen und in Procession durch die Straßen zu tragen. Dabei blasen sie auf der Querpfeife einen alten Marsch (s. MB. 344) . Unter vielen Lustbarkeiten ist auch ein feierlicher Keihentanz zu erwähnen, der auf einer kleinen, von uralten Linden beschatteten Insel aufgeführt wurde. Mitten auf der Insel saßen die Musikanten (ebenfalls Salzsieder) unter einer großen Linde auf ein paar umgestürzten Gelten und Kufen, ihre Instrumente waren Querpfeife und Trommel. Rund um die Musik war ein längliches Rundtheil gezogen, in welchem man tanzte. Der Tanzende nahm die Hof Jungfer nur züchtig beim Finger und kam ihr während des Tanzes niemals näher. Der Text zur Musik war allen bekannt und hieß : Mei Mutter kocht mir Zwiebel und Fisch^ rutsch her, rutsch her, rutsch her ! Er wurde aber niemals gesungen, sondern bloß in Gedanken wiederholt, um die Tanzschritte darnach zu regeln. Zu den ersten drei Noten wirbelt die Trommel und so auch beim Ende und Wiederanfang. Bis auf den Wirbel machten die Tan- zenden just drei große Schritte und bei jedem Wirbel zwei kleine, wobei der Bursche sich gegen die Jungfer kehrte. — Der ganze Tanz ist durchaus ernsthaft und still. Sprechen , Lachen , Jauchzen würde zur Unehre gereichen , bloß freundlich sein dürfen die Tanzenden. Der Tanz blieb sich fortwährend gleich, nur dass der Kreis zuweilen in eine Schlangenlinie verwüidelt wurde.« — Dieser Reihentanz mag (nach Gräter*s Meinung) schon über 500 Jahre in unveränderter Gestalt zu Schwäbisch-Hall bestehen und giebt in seiner Feierlichkeit ein hübsches Bild vom Geiste und der Gesittung in der Vorzeit Hier nehme ich Gelegenheit, über die lange Lebensdauer und die letzten Überreste der Volks-Reigen mich auszusprechen. Der Reigen oder Chor- tanz war bei allen Völkern gekannt, sogar bei den Naturvölkern in rohen Anfängen vorhanden. Er ist ohne Zweifel die älteste Tanzweise der Menschheit. Ein Rei- gen oder Ringeltanz war der auf offnen Straßen und Plätzen aufgeführte Hormos der Griechen, wie ihn Lucian de saltatione 11 beschreibt. Er wurde von Jüng- lingen und Mädchen gemeinschaftlich getanzt ; man reichte einander die Hände, so dass die Figur wie ein Halsband aussah , woher sein Name »Hormos«, d. h. Hals- band. Ein JüngUng, in kraftvolle^ Bewegungen jugendlich tanzend, führte den 10* Digitized by Google Beigen an. Dun, folgte «itttam dia Juagfcau, Ha Oetehlfsekt weiUich tapsen leh- rend, 80 daaa dieaear Taa& ein aua Sittannkeit undKraJt gßwaof^ßu^n Sjana wai. — FrObieitig wnid^n die Choxtä^ae ein SeaftandtMl dea Kultus, aind^ aus der An- betung dex Qöttev li^svoigegangen und mü ihx verbunden geweaen. Die seli^ giOaen Tftnae der Griechen^ und schon vorhes dar bei den Ägypten^ und Juden, waren feierliche AufaOge, waren Eeigen. Auoh die Kirohentftme der ezatea Chriaten waren Ideigen. Ala solche haben wir una die tob, Bonif aciua verbotenen Chorreigen der Mädchen in der Kirche au denken, die ein Übeibleibael dei noch nicht vei^esaenen heidniadien Opfer-Reigen der Qesmanen u^avan.^ Reigen, sur Unterhaltung tanxten die Bauern sur höfischen Zeit und sind a]a solche nicht nur der »krunzne Reie«, wobei gehinkt wuade, sondein auch die S. 35 fg. erwähnten Hoppeldei, Heierlei, Firlefei, Fulafrana» Oimpelgonpel und W&naldsi anzusehen. Reigen waren die Bauemtftnae der Ditmarsen, die wir unter dem Nanxen »langer Tanze und »Trimmekentanzt kennen Iamten(S. 49 fg.). Reigen war der Tanz der 0«tfrieaen »Buake di Remmerc (S. 50}. Auch die la- iander kennen den Reigentanz, »Hringbcot« bei ijlmen geheißen (8. 14). Reigen waren die fftrOischen Tänze, zu, w^hen alte Heldenlieder der Nibelungenaage noch 1818 gesungen wnxden (S. IS, MB. Nr. 356). Mit Reigen feierten noch vor zweihundert Jahi^n (1640) mannbaae Jung- frauen auf WesterlandfOhr (Sohl0swig}.vor der Weatkirchplorte das Neujahr: sie tanzten es singend ein und das war ein ^beiarest des alten Julfeatfeier. Auch ehrte man den FrühUngsgeist Koome mit Tanz, BhmienaahmuidL und Schmaua. (MoUenhoff, Sagen 319.) Noch zu Anfange dieses Jahrhunderts tanzten die Lau sann er den Reigen allabendlich unter den Kastanienbäumen des Münsters. »Nous nlrons plus au boisa begann die eine Weiae, die alles Volk dabei sang (Rochholz 371). Ein Ringeltanz, in der Volksmundart Choraula (Ghorreihen), wurde hn Waadtisande noch am Anfang unseres Jahrhunderts bei Trauungen vor den Kirchthüren gesungen. Der Text des dabei üblichen Liedes im Patois mit französischer Übersetzung ist abgedruckt im vHelvetischen Ahnanachc 1810, S. 119. Zur Maienzeit, welches die rechte Zeit zum Tanzen im Freien ist, wurden das ganze Mittelalter hindurch Reigen aufgeführt, wie hunderte von Stellen be- weisen, z. B. »£ren den meien, singen und reien.« [Renner 1648.] Im Luzemerlande nannte man das Maifest, bei welchem ein Reigen durch das GMlu getanzt wurde , das vGäuerlenf. Audi bei d»n Deutsohbündnem bestand nach Rochholz (Kinderlied S. 371) bis vor kurzem ein Mai re igen in der Weise, wie ihn Salia in seinem gleichbenannten Gedichte geschildert hat. — In der Umgegend 1 Reihen oder Reigen (mhd, reie, mittdld. reige, angela r4va,. engl, row, alt- hodid. riga und rige b gescfalosBener Kreis, gleichen Stammes mit richten und recken, rihljan, in letzterm Sinne noch heute beim Turnen gebrauahl^ bedeutet unprün|dieh so viel ds Chor tanz (dioraa, oido, seiies), also die Aufatellimg mehrerer sum Tanzen. So heißt es z. B« im Vocabularium von 1618: Baien ». vixginaUs circuhis, virginum vel pueDarum corona, chorea. In Grafik Diutiska I, 386: Nu sach er komen einen reigen, d& nengen leigen (Laien) beide vrouwen unde man n4ch weiitttehai siten an. Digitized by Google 149 von Bonn haben die Banemmädohen aus Kefinioh imd Poppehdorf an SammeT- abenden noch 1820 und 1847 den groten Reigentanz anfgeiübrt. Die dabei ge- sungenen Lieder sind in MB. 323 — 25 und 328 — 30 zu finden. Von einem großartigen, wunderlichen Ghorreihen der Senner und Senne- rinnen BU Greyerz im Kanton Froiburg hat sieh eine anmutibige Sage ethalten, die in Kuenlin, Ritterburgen H, 2S8, und dttaus bei Uhlasid (Schriften HI, S08) und ausfahrli geführt von zwei Burschen zu Pferde, vor das Amthaus, die Pfarrwohnung etc., wo die Theilnehmer mit Bier und Kuchen beschenkt werden. Tans beschließt das Fest. [Reimann, Volksfeste 157.] Etwas Ähnliches ist des MairOsleins Umzug im Elsass, über welchen ich in den MB. Nr. 27 Einiges erzählt habe. Frühlingstanz hieß ein Fest der Salzsieder zu Salza im Magdeburgischen. Am Mittwoch nach Pfingsten zogen sonst alljährlich nach altem Brauch die Salz- wirker oder Kottleute mit großer Feierlichkeit, eine Fahne voran, auf den Hummel- berg. Sobald der Zug den Gipfel erreicht hatte , kniete der FiJmenträger nieder, schwenkte die Fahne und pflanzte sie dann dort auf. Das Tanzen um diese Fahne hieß Frühlingstanz. Die Festtheilnehmer erhielten von der Ortsobrigkeit ein Quantum Bier, zu dessen Ankauf zwei Hufen Feld bestimmt waren. Allgemein herrschte einst in Deutschland und den Niederlanden die Sitte, zu Pfingsten die Häuser mit »grünen Maien« (Biaibäumen) zu schmücken und Blumen vor das Haus zu streuen. An vielen Orten Thüringens und Norddeutsch- lands wurden die Maien von den jungen Burschen über Nacht gesetzt und zwar allen Mädchen von unbescholtenem Rufe wurde der Maibaum von ihrem GeUebten am 1. Mai vor die Fenster gepflanzt. Dasjenige Mädchen, dessen Ruf nicht ganz rein war, erhielt einen Strohmann hingesetzt oder Häckerling vor die Thüre gestreut. Während der Dauer des Maimonats wurde Abends um die Maibäume ge- tanzt. Die Frühlingszeit war und bleibt ja immer die rechte Tanzzeit. »Die Tanz- lusta, sagt Uhland, Schriften m, 401, »ist ein Theil der allgemeinen Erregung, welche das erneute Leben der Welt in sinnlich kräftigen Menschen weckt: Sommer- grün, Vogelsang, Liebeslied, Reigentanz bildeten ein Ganzes der natürlichen Sommerlust; der Sprung zuckt in den Gliedern, Sang und Klang entbinden ihn.a Vieles von den Maigebräuohen und Maitänzen ist auf das so naheliegende Pfingstfest und seinen Pfingsttanz übergegangen. Bevor ich diesen beschreibe, Digitized by Google 15S will ich erst eines mit der Maienlust Terbundenen alten Brauches gedenken, näm- lich der Maüehen. Mailehen. 1 Eine sehr alte, mit dem Tans des Volkes verbundene Sitte, die am Bhein vor- kam, wo sie zum Theil noch in Brauch ist, ist die der sogenannten Mai -Lehen. Sie bestand darin, dass am Vorabend des 1 . Biai oder auch am Ostermontage unter die versammelten |Bursche eines Ortes die Jungfrauen desselben versteigert wurden. Das ersteigerte Mädchen (Mailiene) durfte dann das ganze Jahr hin- durch nur mit ihrem Ersteigerer tanzen. Das erlöste Geld ward in manchen Orten für Tanzmusik oder für Bewirthung der Maifrauen (d. h. der versteigerten Mäd- chen) verwendet. In St. Ooar am Rhein aber , wo der Gebrauch des Mai-Lehens bis ins 18. Jahrhundert hinein bestand, floss das Geld in die Stadtkasse, wie dort das Versteigern auf dem Rathhause statt hatte. (Aus letzterem Umstände mOehte man schliefien, dass diese Sitte auf ursprangliche Leibeigenschaft hindeute.) Wie diese alte , beliebte , halbgesetzliche Gewohnheit der Mai-Lehen noch jetzt im Ei feilande ausgeübt wird, soll hier ausführlich erzählt werden: »Am Abend des 1 . Mai versammeln sich in einigen Dürfem die jungen Bursche auf dem Hauptplatze des Dorfes oder auf einer nahegelegenen Anhöhe, um sieh die Mädchen zum Tanze bei den Kirchweihen oder sonstigen Festen zu bestimmen. Nach gepflogenem Rathe ruft einer derselben mit lauter Stimme : »Der und Die sollen Mailienen sein! Seid ihr das alle zufrieden ?c worauf die Gesellschaft im volltönenden Chore mit Ja zu antworten pflegt . Ist keine Übereinstimmung vor^ banden und wird die Stärke der verneinenden Stimmen für hinreichend gehalten, so wird ein neuer Rath gepflogen und ein neuer Ruf verkündet die neue Bestim- mung , bis reiner voller Zuruf die Einhelligkeit bekundet. Auf ein allgemeines lautes Ja wird dabei viel gehalten. Wie an diesem Tage die Bahn Jedem eröffnet ist, diejenige Tänzerin sich zu erwerben^ die er zu haben wünscht, so tritt auch für ihn die Verpflichtung ein, der Erworbenen das Jahr hindurch treu zu sein. Sie und keine Andere soll er zum Tanze führen, nur mit ihm und keinem Andern ohne seine Erlaubnis darf sie tanzen. c Auch an einem Sitt enge rieht fehlte es nicht: ergiebt sich, dass ein Mäd- chen, als es bei der letzten Kirchweihe den Vortanz unter der Dorflinde erhielt, dieser Ehre nicht mehr würdig war, so wird die Linde oder das Geländer um die- selbe reingewaschen, auch das Pflaster um dieselbe aufgebrochen und erneuert. Dass das Maüehen, die Verlobung auf ein Jahr, schon im 14. Jahrhundert üblich war, ganz so wie wir vom Eifellande berichteten, bezeugt folgendes Lied über die Mädchenversteigerung aus dem Ring von H. Wittenweiler S. 169 : 1 . »Wem schol (soll) ichs geben, anders niempt (Niemand) dann mir, ze f roden seinem leben ?f sey (sie) ist meins herczen gir. was ist das? sagt uns, herre, was? |; » Jächel Gumpost, seyst ein gesell, |: »es ist fro Gredel Erenflftch; so hab sey dirlc :| wem fflgt sey (fügt sie) bas?« :| nu mäss mirs got gesogen I wie sehon wil ich ir phlegen I 1 Litteratur über Mailehen: W. Menzel in Pfeiffers Germania I, 65. PaUhausen. Topographia Bavariae 68. Soldau, Hexenprocesse 248. v. Memig, Gesch. der Burgen und Klöster in den Rheinlanden, Köln 1837; 4. Heft, S. 8. Kretsobmer, Volkslieder U^ Nr. 277 (Valentinchen). Erk, Liederhort Nr. 138 und 139. Uhland, Schriften m, 390 ff. Rochholz, Alemann. Kinderlied 380. Simrock, Mythologie 539. Lersner, Frankfurter Chronik I, 59. Feyerleins Nachträge 11, 108. Zeitschrift für Kulturgeschichte 1857, S. 95 und 105. Digitized by Google 2. »Wem schol Ichs geben, anders niempt dann mir, ze frOden seinem leben ?(( sey ist meins herczen gir. wa; ist da;? sagt uns, herre, was? |:DRüfli Lechspiss, pist ein gesell, |: »es ist die schon fro Gnepf erin; so hab sey dir l« :| wem fftgt sey bas?c : | nu mftss mirs got gesegen 1 wie schon wil ich ir phlegen I Das Lied wurde so lange fortgesetzt, als es Mädchen und Bursche zu paaren gab, denn der nachfolgende Satz lautet : et cetera so gie (ging) da; lied, bis da; yeder seinen biet (hatte), die da warent an dem tancz. da mit so was die fröde gancz. Beachtenswerth erscheint, dass hier ein Schreiber (also ein Beamter) die Ver- lobung ausruft , denn die Einleitung heißt : »da mit der Schreiber anevieng und sprach«. Die Verwandtschaft dieser ländlichen Mailehen zu dem ritterlichen Sommerdienste (Maibuhlen, Badebuhlen, Knappenehen j ist nicht zu verkennen, be- merkt Uhland (Schriften III, 391) und beschreibt auch diese Gebräuche. Wir wählen aus seinen Citaten zur Erklärung nur die gewichtvollste Stelle, Agricola^s Sprichwörter Bl. 129 : »Im Meien gehen hfiren und buben zur kirchen. Mense Maio nubant malae. Zwischen Ostern und Pfingsten heirathen die unseligen. Knappen- und Pfaffen-Ehe werden im Meien gemacht. Im Meien Hochzeit halten. Daß hum und buben sich disen Monat herfür lassen und ein Knappen oder Pfaffen Ehe machen, die weret nit lenger dann der Sommer, im Winter so sie weder haus noch hoff haben, lauft eins hie, das ander dort hinauß. Deren Meien Ehe haben auch vil die frommen Lantzknecht.cr — Eine Stelle bei Neidhart (MSH. in, 217^) scheint die Knappen-Ehe mit einem Schlafbuhlen auf ein Jahr anzudeuten : »Swa; ich gelobet hän, da; wil ich halten war, er gab mir in mtne hant ein guldln vingerlin ; da; was der triuwen sin ein pfant, da; ist e; ouch der mtn : des wil ich disen sumer lanc sin sl&fgeselle sin.« Noch bis in jüngste Zeit sind Lieder zum Mailehen am Rhein (MB. 325) und von den Deutschen in Littauen (MB. 326) gesungen worden. Pflngsttanz. War das liebliche »Fest der Maien« gekommen, so konnte man an den meisten Orten Norddeutschlands bis vor Kurzem den Pfingsttanz schauen, der auf freiem Tanzplan von der tanzlustigen Jugend abgehalten wurde. Er dauerte sonst vom Pfingstdienstag bis -Donnerstag. Zu ihm wurden die Mädchen von den Burschen mit Musik eingeholt. Jeder Hinzukommende wurde mit einem »Will- komm« begrüßt, d. h. es wurde ihm unter Musik ein Becher mit Bier entgegen- gebracht, der mit einem bebänderten Kranze geschmückt war ; dieser Kranz wurde während des Trinkens vom Becher herab genommen und erst über den Becher, dann über das Haupt des Trinkenden geschwungen. Das Einholen und Aufrichten des Maibaumes (mochte es Birke oder Tanne sein) war schon mit mancherlei Lust- barkeit verbunden ; Musik und Tanz, wie Verkleidung durften dabei nicht fehlen. Digitized by Google 155 In Thüringen biefi dei Tanz zn Pfingsten auch Plantanz. Plan war und ist dei in den Dörfern Thüringens und Frankens zum Tanzen bestimmte, unter freiem Himmel hergestellte, geebnete oder mit Bretterboden belegte Platz, wo der Maibaum steht. Dort wird zu Pfingsten oder zur Kirmse von den angeputzten Platzjungfern und Platzburschen der Plantanz oder Platztanz aufgeführt. Nur jedes ehrbare Mädchen und jeder unbescholtene Junggesell konnten zu dieser Ehre gelangen ; gefallene wurden ausgestoßen oder sie wagten sich überhaupt nicht x mehr unter die Jungfern und deren Lustbarkeiten. Ein aus der Mitte der Bursche erwählter Platzmeister regelt und ordnet den Tanz, wirbt Tänzer zu Extra- touren, bringt Burschen und Mädchen das gefüllte Glas mit labendem Bier, leider oft auch zur Unzeit nach Erhitzung, bestellt die Musik und dergleichen Geschäft- liches mehr. An manchen Orten heißt der Pfingsttanz auch Birkentanz: es wird eine junge Birke jubelnd ins Dorf gebracht, aufgerichtet und um dieselbe getanzt. Statt der Birke wird anderwärts eine Tanne genommen. In der Oberlausitz und Provinz Sachsen heißen die Pfingst- und Kirmestänze auch Laubtänze (nicht Lobetänze], weil sie zur Sommerzeit in besonders dazu erbauten Tanzlauben von grünem Reisig und geschmückt mit einem Maibaum in der Mitte des Tanz* platzes abgehalten wurden. In einigen Dörfern des alten Pleißnerlandes zwischen Leipzig und Altenburg heißt der in einem eigens hierzu erbauten, gedielten und mit grünen Laub- und Nadelholzreisem ausgeschmückten Brettersaale abgehaltene Pfingsttanz der Quaß oder Pfingstquaß. ^ Der Siebensprung ist ein uralter, bib vor Kurzem noch in Schwaben, Bayern, am Rhein, in West- falen, am Harz und in der Mark aufgeführter Tanz, der jedenfalls aus der Heiden- zeit stammt und religiöse Bedeutung hat, d. h. ein Opfertanz der Germanen zur Frühlings feier war. Auf seinen Ursprung als Frühlingstanz scheint der Um- stand hinzudeuten^ dass er in Westfalen zum ersten Ostertag getanzt wurde ; in christlicher Zeit wurde er jedoch meist am Erntefeste imd auf Kirmsen, sogar bei Hochzeiten zur Aufführung gebracht. Wie er in Schwaben zum Erntefeste ausgeführt wurde , will ich nach E. Meier (Schwäbische Volksgebräuche Nr. 161) beschreiben. Der Tanz wird nur von einem Paare getanzt, wobei der Herr die schwierigste Rolle hat. Tänzer und Tänzerin wandeln während der ersten acht zu wiederholenden Takte der Musik herum ; sodann muss der Tänzer in bestimmten Zwischenräumen folgende sieben verschiedene Bewegungen ausführen : zwei mit den Füßen (mit je einem Fuß eine) , zwei auf den Knieen (indem er erst das eine, dann das andere niederlässt) , zwei mit den Ellenbogen (die er nacheinander auf den Boden stößt) und eine mit dem Kopfe (mit der Stirn den Boden berührend) und so wieder zurück. Seine Tänzerin tanzt in der Zeit allein um ihn herum. Während des Tanzes wird vom Tänzer gesungen : »Mach mir nur den Siebensprung, mach mir's alle siebe', mach mir, dass ich tanze kann, tanze wie ein Edelmann : 's ist einer.« [s. MB. 314. 315.] ^ Der Quas » Schmaus. Sanders, deutsches Wörterbuch 2, 615. Das Wort erinnert an den Pfingstquak im Elsass, einen in Laub und Blumen herumziehenden» Gaben einaammehiden Bursehen. Am Schluss geht es zu Schmaus und Tanz. Digitized by Google 156 Bei den leteten Worten d'b ist einer« lie^ der Tänser anf den K&ieen ttnd berOhrt die Erde mit der Stim, wm die letite Bewegung ist, wShrend sein iCSdeken um ihn kerumtanst. Hierauf wird der Vers wiederholt, aber mit der Svhiuwwetidung »*B sind Bweif , und so s&hlt der Tänser fort bis sieben. Nun geht es wieder rflok- wärts , indem der TOnser sählt »'s sind sechs«, >*s sind fUnfc , bis auf den ersten. Gans gleich wurde dieser Tans in der Mark sonst cur Kirmes getanst, wo der Reim wenig abweichend lautete : »Mach mir nur den Siebensprung, Mach mir's fein all* sieben I Mach mir's, dass ich tanzen kann, Tanzen wie ein Edelmann : 's ist Einer la [Hier beginnen die Sprünge.] Aus der Mark hat mir Herr Voss die Melodie zum Springer in zwei Lesarten mi^theilt [s. MB. 316. 317]. Am Niederrhein tanzte man die Siebensprünge sonst bei Hochleiten und zur Kinnes, wie Kuhn (westfälische Sagen ü, 150) und Montanus S. 60 melden. In der Umgegend von Bonn sang man dazu (Simrock, Mythologie 551): »Könnt ihr nicht die Siebensprüng, KOnnt ihr sie nicht tanzen? Da ist mancher Edelmann, Der die sieben Sprung nicht kann. Ich kann se, ich kann se.« Aus der Umgegend von Düsseldorf, wo sie zum Schluss der Hochzeiten und Kirmsen von einem Alten noch bis 1840 zuweilen getanzt wurden, hat ein nach Amerika ausgewanderter Rheinländer Herr Stiebler die Melodie aus der Jugend- erinnerung niedergeschrieben und inMendel-Reißmann'smusikalischem Lexikon 12, 436 mitgetheilt (s. MB. 314). In Westfalen war der Siebensprung ein alter Hochzeitstanz. Nach Mitthei- lung von Kuhn (westfälische Sagen und Gebräuche 11, 44 und 150) besteht »dieser wunderliche, nun sehr selten gewordene Tanz darin, dass sich der Tänzer bald auf das rechte, bald auf das linke Knie, bald auf den rechten, bald auf den linken Ellenbogen, jetzt auf die linke, dann auf die rechte Hand wirft und endlich mit der Nase die Erde berührt«. Nach bestimmter Weise singt man dazu : »Kennt ihr nicht die Siebensprüng*, Kennt ihr nicht die sieben? Seht ihr, wie ich tanzen kann, Ich tanze wie ein Edelmann. HoppU Bei der Wiederholung des Sprunges wird die Zahl angegeben. In »Bremer Kinder- und Ammenreimen« 1836, S. 27 findet sich das Tanz- liedchen so : »Danz mi mal de seven Sprünge, Danz mi mal de seven l« Meenst dat ik nich danzen kann? Kann danzen as en Edelmann. Spring hoch up I Zwei ho UändischeLiedchen zum Siebensprung mügen sichhieranschliefien: Digitized by Google ». 157 Hed4e niot gehoozd vaa de zeugen? Ze sQggen, dftt ik niet daasen en kan, Ik kan dansen aa eenen edelmana.«^ tiEif wie kau de zerenspTong, Ei, wie kau ae taiuien? la der dan geen eene man. Die de aeven sproog en kan? Bat eene. «2 In Bayern ^ (Schmeller, bayeriaehes Wörterbuch m^ 591) aind die Worte rar alten Tanzweiae sebv unartig umgestaltet : Machta mi auf die sieben SprOng, Mir und meiner Schwarsen I Hat de Narrin *s Hemd verbrennt, Hinten bei der F .... n. Auch in den Harzgegenden wurdeder Sieb enap ring er auf allen Hoch- zeiten angefahrt. Dabei tanzte ein Paar siebenxnal sehr geaohwind im Kreise herum. Jauchzend rief man: »Der Siebenspringer is hierl« Zwei Männer klopf- ten mit den Fingern auf den Boden und jaudbzten immerfort : »Ilse Siebeapringer, use HochtietU Darnach klopften sie, die Musik nachahmend, mit den Ellenbogen, dann mit den Ejueen, dann mit den Hacken und endlich mit den FußspUzen auf den Boden. Dann fielen sie wieder , wälzten sich und schlugen dreimal mit dem Kopf auf dsA Boden. Nun war der Siebenaprung vollbracht und Alles rief : »Use Siebespsinger is noch, am Leben.« [PrOhle, Harzbilder S. 8.] In. Buchers Yowpiel rar Fassions^Aktion, tanzen die sieben Todsünden die sieben Sprtlngev La Weitzmann's »Lob des Munderkingersa heißt es: »Am Hoohseitfeste Da tanzt er diey ehrbare Tanz, Dev Sprünge dum sieben in goldgelber Weste.c [Sohmeller m, 591.], Mit diesem Tanz ist ein gleichnamiger Ostergebrauch in Westfalen nicht zu verwechseln : »Auf der Haa« bei Iserlohn stand noch im vorigen Jahr- hunderte eine alte Eiche , um welche her in gewisser Entfernung sieben Löcher waren. Am Oste rtag zog das Volk, dorthin : man fasate den Baum an und machte die »siewen Sprüngec. Wer alle sieben Löcher traf, glaubte, daas er noch sieben Jahr« lebe, in dieser Zeit eine Frau bekomme, galt überhaupt für einen Glücklichen.«^ In fcflheaten Zeiten mag ein Ostertana um die Eiche herum stattgefunden haben, wie die um Eichen geführten Reigen am Ostertag in anderen westfälischen Gegenden beweisen. [Grimm, Mythologie 64.] hört. ^ Medeilandlohe Bake»- en Kindenrymen II, 9. * Kalff, Lied in de middeleuwen 536. In Zwolle eehö * Zwei Behauptungen von. Sdiuegmf (Zeitschriflt sQr Kulturgesehiehte I, 463) muss ich als unbegründete zurOdtivseiBea: dus dea Siebensprung abwechselnd aus */a und ^/^ Takt gehe und daas folffendes Schnadahüpfl dazu ffesungen worden sei: »Dram nim idi a Jungs finaen Ding Und mach halt mit ihr die sieben Sprung.« [SohmeUer m, 591. ) Dieses Sdmadahüpfl^ ist enteehieden neuem Datums und mag sieh im Wechseltakt be> wegen. * Woeste in Kuhn, westfllisehe Gebrftuche IL, 150 und in Wolfs Zeitsehrift für Mythologie III, 304. Digitized by Google 158 Die Echtemaeher Springprocesdon ist ein Überrest altheidnischen Tanzes zur Frühlingsfeier und jetzt eine seltsame Form der Heiligen-Verehrung. Sie wird jälirUch am 18. Mai abgehalten und geht von einer an der preußischen Grenze gelegenen Brücke eine halbe Stunde in das Städtchen Echter nach zum Grabe des heiligen WiUibrodus. Jeder fromme Theil- nehmer ist bestrebt, das Ziel durch eine Art Dauerlauf mit Vor- und Rückspringen zu erreichen. Er muss nämlich die ganze Wegstrecke so zurücklegen, dass er nach dem Takte eines alten Marsches (Jubelmelodie genannt, s. MB. 311) erst einen Sprung rechts , einen links und dann einen vorwärts macht. Über den Ursprung dieser Ceremonie ist man verschiedener Meinung. Man sagt, die Procession ge- schähe zum Gedächtnis an eine von St. Veit abgewandte Veitstanz-Epidemie. An- dere meinen, sie geschähe, um die Wiederkehr einer Viehseuche abzuwenden , die vor fünfhundert Jahren (1370) in den Rheinlanden gewüthet habe. Die dritte und meines Erachtens richtige Deutung bringt Simrock (Mythologie 563). Es scheint um jene Zeit ein heidnisches Sieges fest des Sommers über den Winter stattgefunden zu haben, das die christliche Kirche auf den Triumph des Christenthums über die geistige Finsternis bezog. Der eine Schritt rückwärts be- deutet das Sträuben des Winters, dem es auf kurze Zeit gelingt , einen Theil der schon verlorenen Herrschaft wieder zu gewinnen. Die zwei Schritte vorwärts be- deuten den unvermeidlichen Sieg des Sommers. So veranschaulicht die hüpfende und springende Schaustellung den Kampf mit den Mächten der Finsternis und deren entschiedene Niederlage. Über den Verlauf des Festes giebt es jährlich Zeitungsberichte. Im Jahre 1873 betheiligten sich 11,588 Menschen, nämlich 1500 Beter, 8636 Springer, 1195 Sänger, 68 Musiker, 36 Geistliche und 18 Fahnenträger. Im Jahre 1869 fanden sich zu dieser Procession 1 3,236 Personen ein, darunter 7230 Springende. Ein Sänger- chor von über tausend Stimmen sang die Willibrodus-Litanei, während 1 30 Musiker durch Abblasen der Jubelmelodiedie Bemühungen der Springenden unterstützten . Für unsem Zweck muss die überlieferte Jubelmelodie von hohem Interesse sein, die ich in zwei Lesarten mühsam erlangt habe (s. MB. 311). In ihr ist ein Stück uralter deutscher Volkstanzmusik erhalten , wenngleich sie gar modern uns entg^genschaut. Sie ähnelt ganz den alten Reigen melodien (z. 6. »'s ist gar nit lang , dass geregnet hatoc oder «Mei Mutter kocht mir Zwiebel und Fischer) , noch mehr gleicht sie den Singweisen zu Kinderreigen (z. B. »Es regnet auf der Brücke«, »Fuchs, du hast die Gans gestohlenf.) Was folgt aus dieser Gesichts- ähnlichkeit , fast Gleichheit der Melodien? Es liegt die Vermuthung nahe : dass die genannten Kindermelodien, sowie die jetzt bloß gesungenen Volkslieder einst getanzt wurden und Reigenmelodien waren, also von hohem Alterthum sind. Johannistftnze.^ über die Entstehung derselben giebt es zwei Ansichten. Nach der einen sind sie von jenen römischen Tänzen abzuleiten, die zu Ehren der Pales (der Be- i Grimm, Mythologie ^S. 581 ff. Mannhardt. Mythen 420. Wolf, Beiträge zur Mythologie I, 43, 82, 19011, 375, 381 ff. 391. Mannhardt, Götterwelt 201, 234. Panzer, bair. Sagen und Gebräuche I, 213 ff. 11, 239. Bavaria I, 374. U, 242, 260, 298. UI, 298, 936. IV, 202. Meier, Schwäbische Sagen 423. Birlmger 2, 96 ff. Zingerle, Tyroler Sitten Nr. 7^5 ff. Vemaleken, Mythen 307. Toppen 71. Mühlhause 248. Wuttke, Volksaber- fldaube 77 ff. Kuhn, Nordeutsche Sagen und Gebräuche 79 ff. Kuhn und Schwartz , West« fälische Sagen und Gebräuche II, 135, 173—175. Nork, Festkalender 406^438. Nork, Mythologie der Sagen 566^568. Uhland III, 399. H. Pröhle, kirchliche Sitten 48. Zin- gerle, Johannissegen 36. Simrock, Mythologie 533 ff. Digitized by Google 159 schützerin der Herden) gehalten wurden, weil die Römer diese ihre Palilia im Frühling feierten und gleiche Gebräuche, z. B. Springen über ein Stroh- feuer und Tanzen um dasselbe, vorkommen (s. Ovid's Fasten IV, 721 ff.). Diese Ansicht hat viel für sich ; denn weil in Ältester christlicher Zeit in Italien, Frank- teich, Spanien die Johannistänze schon vorkommen, so konnten die südeuropäischen Völker sie direkt den Palilien entlehnt haben. — Nach der andern Meinung sind die Johannistänze und Johannisf euer nur ein anderer Name für das bei den alten Germanen um gleiche Zeit gefeierte Fest der Sommersonnenwende mit seinem Sunnewend- Feuer; die alten heidnischen Gebräuche sind auf dieses christliche Fest übertragen worden. Für Deutsehland ist wohl letztere Herleitung die richtige, während für Südeuropa die Pales-Feste das Vorbild waren. Jedenfalls gehören die Johannistänze zu den ältesten christlichen Festtänzen. Die Kirche nahm Ge- legenheit, am Feste Johannes des Täufers von dem Tanze der Tochter jener ver- schmitzten Königin Herodias zu predigen, den bekanntlich Johannes mit seinem Kopfe bezahlen musste. Die Zeit im Jahre, wo die Sonne ihren höchsten Gipfel erlangt hat und wieder herabsinken muss (solstitium) , hieß in altdeutscher Sprache sunnewende, ge- wöhnlich im Plural gebraucht sunnew enden. An diesem Tage wurden seit alter Zeit zur Verehrung der Götter Feuer angezündet und um dieselben getanzt. Weil diese altheidnische Feier mit dem christlichen Johannistage zusammen traf, heißen jene Feuer auch Johannisfeuer. In oberdeutschen Urkunden des 14. und 1 5. Jahrhunderts heißen sie aber noch beim alten Namen sunwentfeuer, sunbent- fewr und noch jetzt unter dem Volke in Bayern und Osterreich Sunwentsfeur, Suwent-, Siwent-, Sibet-, Simetfeuer; in Oberfranken Kannesfeuer (verstümmelt aus Johannesfeuer). Von dem ursprünglich wahrscheinlich dem Fro gewidmeten Opferfeste der Sommersonnenwende sind die durch ganz Deutschiandy ja fast durch ganz West- europa (wie Grimmas Mythologie 585 — 86 nachweist) gehenden Johannisfeuer übrig geblieben. Des Abends werden, womöglich auf Anhöhen, große Feuer an- gezündet , Scheite und alte Besen werden dazu vorher durch das ganze Dorf ge- sammelt und Niemand weigert sich, solches Brennwerk zu geben. Man tanzt dann um das Feuer, die brennenden Besen schwingend und hoch in die Luft wer- fend, und springt sodann durch das Feuer. Wer hindurchspringt, kann Schätze sehen, oder bekommt kein Kreuz weh. So hoch man springt, so hoch wird der Flachs, und anderer Aberglaube mehr. Liebespaare springen Hand in Hand durch das Johannisfeuer, man nennt dies das »Feuerjucken«. Am Lech in Bayern singt der Bursch wohl auch dabei : »Unterm Kopf und oberm Kopf Thu ich mei Hütel schwinge. Madl, wenn du mi gern hast : Durchs Feuer musst mit mir springe.« Während Alt und Jung um das Feuer singend tanzen, schwingen die Knaben an manchen Orten eine Henne über das Feuer (Andeutung des alten Opfers) und die Burschen schleudern brennende Holzscheiben, in der Mitte mit einem Loche, hoch in die Luft, oder es werden mit Stroh umflochtene brennende Räder den Berg hinab gerollt. (Rad und Scheibe sind das alte Sinnbild der Sonne.) Durch das ganze Mittelalter bis in das 1 8. Jahrhundert wurden die Freuden- feuer am Johannisabend lustig umtanzt und durchsprangen. In frühern Zeiten betheiligten sich noch die höhern Stände, selbst Fürsten und Könige an den Digitized by Google *8f TSniea um die JoliBimeflfeuer. MJabrel471taast6KönigFiiedxiokIILmitBehfineii Fnmen za Regensburg, bei Gelegenheit eines Reichetags daeelbat, um das auf OffenÜicheBL Markte angesflndete Simetfener. (Nach D.SehiUiag S. 58, SchmaUer m, 261. )r — Die Frankfurter Annalen zum Jahr 1489 exsahlen: »In der Nacht St* Johanjiia deaTeufera ward ein großer Soheiterhaufen vor dem Hause der Bürger- meister auf dem Markte au fVankfurt a. M. errichtet und ^iele bemalte Fahnen waren auf disn Holahaufen gestellt, die des EOniga am höchsten, und um das Hols waren grüne Reiser angefaraekt und es ward ei^ groBer Reigen von den hohen Herren in Gegenwart des K ließ der Hersog von Liegnitz Johannisabends ein Freudenfeuer auf dem Kynaat halten , wobei er selbst mit seinem Hof zugegen war. (Sehweinichen I, 347.) Johannistftnae sind erwfihnt in der Vorrede der Katharina Zell zu ihrem Gesangbfichlein von Christo (Btraftburg 1534, Abdruck beiWackemagel, Kirchen- lied 79S^) : »Darumb lieber Christ, wer du seyest : dieweyl du doch dein kind vnd gesind bisher wyeste schandtliche lieder an den reyendentzen vnd sunst hast lassen singen, vnd eben yü mehr auff die Fest Christi vnd der heyligen. Wie auch auf S&nct Johanns des Teuffers tag (da billig alle Christen mehr trauren solteiL, das es so übel in. der weit g^tanden, vnd noch, daa der, so die warheyt geredt vnd gelert, hat myessen daromb sterben) : So laß sye doch nun . . göttliche Lieder singen»« Seb. Framsk im WeUbuch 15d4Bl. 51^ berichtet über die Johannifr-Gebrtoche in Franken. Folgendes: »An St. Johanstag machen sie ein Sinetfewer, tragen auch sondeie krftna auf, weiß nicht aus was Aberglauben, von Beyfoß und Eisenkraut gemacht, und hat schier ein jeder ein Uaw kraut, Rittersporn genannt, in der Hand. Welcher dardurch ins Fewr rihet, dem thut das ganz Jar kein Aug weh. Wer vom Fewer heim zu hauß hinweggehen wil, der wirft diß sein kxaut in daa Fewer, sprechend i es gehe hinweg und werd verbrennt mit disem kraut all mein Unglück I Das bischöflich Ho^sind (in Würzburg) wirfft auf disen tag bey jren Freudenfewr auff dem berg hinderm schloss feurige Kugeln in den Fluss Moganum (Main), so meisterlich zugericht, als ob es flie- gende trachen wären.« — »Die Maid machen auf diesen Tag Rosen-Häfen, also : sie lassen sich machen Häfen (thOneme TOpf e) voller Löcher ; die Löcher kleben sie mit Rosenblättem zu, und stecken ein Licht darein,wie in eine Laterne, henken nachmalS' diesen in der Höhe zum Laden heraus. Da. singt man alsdanff um einen Kranz Meisterliedsr, sonst auch oftmals im Jahr zur Sommerzeit, so 1 Annales Francofurtenses von F. Herp (bei Senkenberg sei 2, 22): »In vigüia S. Job. Bapt. rogus ingens fuit factus ante domum eonsulum in foro (Francofartensi), fti- eruntque multe vezilla depiota posita in straem lignonim et veziUum regia in supremo poiitum, et cirea Bgna rami virentes positi fuitque magna Chorea draninorum r^e mspiciente.« Digitized by Google 161 die Maid am Abend in einem Ring herum singen um einen Kranz, ge- meiniglich von Nftgelein (Nelken) gemacht, reimweise vor. Welcher das Beste thut, der hat den Kranz. c Zu Conz in Lothringen lieferte (1823) jedes Haus ein Bund Stroh, das man auf dem Stromberge vor dem Volke am Johannisabende um ein bereit gehal- tenes mächtiges Rad wand, bis man vom Holze nichts mehr sah. Dann wurde dasselbe auf ein Zeichen des Maire durch junge Leute mit einer Fackel angezündet und mittels einer Stange in Bewegung gesetzt und \inter Schwingen von Stroh- fackeln bergab in die Mosel getrieben. Gelangte es brennend in den Fluß, so verhieß das eine gesegnete Weinernte. Mädchen und Frauen, an denen das Rad vor- aberrollte, grüßten es mit Freudengeschrei. [Aus »M^moires des antiquairesa 1823.] Aus einem Elsässer Dorfe (Wilwisheim) berichtet die Zeitung lÜber Land und Meer« 1864, S. 675: »Der Johannistag war ein großer Festtag. Die jungen Mädchen reihten sich im Halbkreise; sie trugen einen Rosen- und Rosmarin- Strauch, der mit bunten Bändern gebunden und mit Gold- und Silberflitter heraus-» geputzt war. Die jungen Burschen steckten ebenfalls Blumensträuße in das Knopf- loch und jeder hatte einen Ring , eine Medaille oder ein kleines Kreuz in der Tasche. Kinder trugen armvoll Reisig herbei und steckten dies vor dem Halbkreise der jungen Mädchen in Brand. Dann sangen letztere ein altesKlaglied. Die Burschen näherten sich ihnen, man tauschte Strauß und Juwelen , theilte sich in Paare und sprang über die flammende Lohe. Ließen sie sich im Sprunge nicht los, so deutete das auf Hochzeit, das Gegentheil auf einen Todesfall. Abends versammelten sich Burschen und Mädchen im Dorfe zum Tanze, zu welchem sie durch das Johannisfeuerspringen gewissermaßen bereits engagirt waren.« In dem Büchlein über die Mirakel der Mutter Gottes von Bogen (167 9) wird erzählt, dass man in dieser Gegend «das Sonnenwend-Fewer nit bälder (eher) an- zindet, untz (bis) selbes auf dem Bogenberg flammen gesehen wird, wo denn die gebenedeiete Muetter Gottes (Marienbild) von der Jugent mit von Sonnenwend- gürtlen geflochtenen Kränzen gegrüeßet wird, und der jungen Mägdlein Chor und Flor viler Orten umb das Sonnenwendfewr einen Reyen (Reigen) mit Gesang oder Dantz schließet.« (Schmeller HI, 262.) — Eine Predigt des 1 6 . Jahrhunderts auf Jo- hannes, gehalten von Gregorius Stringenitus (geb. 1548, gest. 1603), führt auch die Johannisfeuer an und bemerkt: das Volk in Meißen und Thüringen tanze und singe um die Johannisfeuer, einer habe ein Pferdehaupt in die Flamme ge- worfen und dadurch die Hexen zwingen wollen, von dem Feuer für sich zu holen. [Eccl. franc. I, 425. Grimm, Mythologie 350.) Die Johannistänze mögen schon unter den Superstitionen und Paganien der fränkischen Capitularien von 742 und 743 gemeint sein. Auf der Leptinischen Synode (743) eifert nämlich Bonifacius gegen die auf heidnische Weise gefeierten Dienste in den Kirchen, als Tanzen, Singen, Gastereien, und setzt ein Verbot die- ser Missbräuche durch. Mehr als ein Jahrtausend ist seitdem gegen diese Freuden- feuer geeifert, und sind dieselben neuerdings als feuergefährlich und holzvergeudend erkannt worden. Gleichwohl erfahren wir aus Zeitungen und Reiseberichten, dass dieselben in manchen Gebirgsgegenden (z. B. in Böhmen, Schlesien, Sachsen, Bayern) noch immer auflodern. Der heidnische Ursprung der Johannisfeuer ist nicht zweifelhaft: sie sind den urverwandten Völkern gemeinsam und älter als 'das Christenthum, das sie erst abzustellen versucht, dann sich angeeignet und geleitet hat (Grimm, Mytho- logie 588). Die weltliche Obrigkeit nahm sie früher (gleich dem Umziehen des Isis-Schiffes) als hergebracht in Schutz. In den letzten Jahrhunderten hat eine Böhme, Qeicli. d. Tanzes. 1 1 Digitized by Google 162 lobliche Polizei sich glücklicherweise vergebens bemüht (s. die Verbote der Sonnea- wendsfeaerunterdenPolizeiordnangenKap.VHIjS.llß), dem Volke auch diese, nach dem Erlöschen der heidnischen Erinnerungen ganz unschuldige Freude zu verleiden. xJohannisfeuer sei unverwehrt, Die Freude nie verloren : Besen werden immer stumpf gekehrt, Und Jungens immer geboren.« (Qoethe.) Teits-Tanz. Sanctus Vitus (St. Veit) soll in der Diocletianischen Christenverfolgung den Märt3nrertod erlitten haben. Sein Gedächtnistag ist der 15. Juni. Was hatte die- ser christliche Heilige mit den nach ihm benannten Veitstänzen zu thun? Gar nichts. Veitstanz von St. Veit herzuleiten, ist nutzloses Mühen. Der Name ist aus der Umformung eines slawischen Wortes »Swante-wit«L entstanden , was den slawischen Sonnengott und so viel als heiliges Licht (vom böhmischen »swatea heilig und iswieta Licht] bezeichnet. Die Übertragung des Namens macht des Gleichklangs wegen sich leicht : aus Swantewit wurde Sante Vit.^ Die Verehrung des Swantewit reicht tief in die vorchristlichen Jahrhunderte hinauf. Er gleicht dem germanischen Wodan (Gode , nordisch Odin) , denn beide Gottheiten standen der Ernte vor, beide ritten auf einem weißen Boss. Wenn es von Odin heißt, dass er in den zwölf Nächten auf weißem Bosse daher tobe, so glaubte auch der Slawe, dass Swantewit auf dem weißen Rosse , das ihm der Kultus hielt und das nur vom Oberpriester bestiegen werden durfte, Nachts gegen die Feinde des Heiligthums zum Kampf ausziehe. Der Hauptsitz des Kultus war zu Arkona auf der Insel Rügen , weshalb auch gerade dort zuerst zu Veits P]hren 879 durch Mönche von Corvey eine Veitskapelle entstand. Aber auch Böhmens Hauptstadt besaß einen Tempel dieses Gottes , der in christlicher Zeit in die Domkirche zu St. Veit umgetauft wurde. So ist mit Tendenz aus einem slawischen. Götzen ein christlicher Heiliger gemacht worden, und es ist nicht zufällig, dass die Johannisfestlichkeiten (24. Juni) acht Tage nach St. Veits tag (15. Juni) folgen. Viele Johannisbräuche sind dadurch auch auf den heiligen Veit übertragen worden. Das Wesentliche der Johannisfestlichkeit in Böhmen besteht noch jetzt in dem Anzünden lichter flammender Feuer, um welche herum getanzt und wobei Lie- der gesungen wurden. In diesen Gesängen mag ursprünglich der Swantewit [hei- liges Licht) oft angerufen worden sein, welcher Ruf nach der Bekehrung zum Christenthum in »Swiety Janie« (heiliger Johannes) verwandelt und die Johannis- feuer »Swatojansky oben« genannt wurden. Dass aber alle Johannisgebräuche vormals dem Swantewit galten, bezeugt ein alter Schriftsteller, erstmals ge- druckt 1718.2 * Diese ümfonnung hat schon Helmold (Chronica Slavorum I, 6, § 3—4) nachge- wiesen ; dieselbe Überzeugung theilen auch andere Forscher, wie Mone (Heidenthum I, 185) ; F. Nork fProf. Korn) im Festkalender 398 und Mythologie der Sagen 562; Wuttke, Volksaberglaube 34. ^ Scriptores rerum^ Germanicarum, Frankfurt 1718, p. 508: »De Chorea Swante Witi: fieri solet annuatim in festo Joannis baptistae — ubi scamna in circum, quae transiliunt, proferunt, et serio cautum, ne quis rubro amictus conspiciatur , quem inva- dunt. Toto mense praecedente Joannem sunt timidi, et choreas ducentes ümore liberantur. Add. Bodm. IIb. V de republ. c. 5. Nunc ad descriptionem idoli his obiter insertis progrediemur. Inter multiformia Slavorum idola excelluit Swante Wiet etc.« Digitized by Google 163 Erwiesen ist, dass man dem Sonnengotte das Hauptfest in der Mitte des Juni feierte, wo sich seine Elraft in der Länge des Tages und der steigenden Hitze am meisten entwickelt und die Sonne ihren höchsten Stand im Zodiakus erreicht hat. Dass auch Tänze bei den Slawen zum Kultus des Lichtgottes gehörten, beweist folgende Stelle bei Eckhard, welche bei Erwähnung des Jutrebog (Gottes der Mor- genrOthe] angeführt wird : »Auf jedem Hügel war ein Bild des Götzen, mit einem besondem Namen bezeichnet, zur Verehrung ausgestellt , welches die Slawen an Festtagen anbeteten und auch durchTanz verehrten; denn eine uralte Sitte ist es, die Götter unter Gesang durch Beigen und Tanz zu ehren , wie die heilige Schrift hie und da durch Beispiel der Ägypter, Israeliten und Baalsdiener deutlich beweist. Daher glaube ich, dieser ganze Gebrauch gehe aus dem Heiden thum hervor, wenn die Bauern fast in allen Gauen dieser Gegend (Jüterbogk) und der Mark Brandenburg bei der Feier von Hochzeiten ein altes Bad (Symbol der Sonnenscheibe) vor dem Hause oder auf dem Hügel anzünden und bei dessen Um- drehung, wie bei einem brennenden Scheiterhaufen, festliche öffentliche Tänze aufführen.«! Wie die schwindelnden Rundtänze der Druiden den Kreistanz der Sterne ver- bildlichen sollten, wie bei den Galli (Priestern der Kybele in Rom) die Tänze zu Ehren der Sonne oft in heilige Raserei ausarteten, so waren jedenfalls die slawischen Rundtänze eine Versinnlichung des Umlaufs der Gestirne um die Sonne. Die alten Rundtänze (Kolo = X^P^^) ^^' Slawen zu Ehren ihres Lichtgottes be- schreibt Anton in seinem Versuch über Sitten und Gebräuche der Slawen II, S. 97 : »Man giebt sich zur Bildung eines Cirkels die Hände (daher der Name des Tanzes, Kolo = Rad, Cirkel) , springt drei geschwinde Schritte auf die linke , dann einen langsamen auf die rechte Seite. Wenn Männer allein ihn tanzen, so bleiben sie nach den drei linken Schritten etwas stehen und schleudern mit dem rechten Beine gegen den Mittelpunkt des Cirkels. Wird der Tanz mit Singen vorgenommen, so singt der eine Theil des Cirkels eine Strophe vor , und der andere wiederholt sie. Der slawische Tanz ist äußerst wild, was man bei den Krainern und Kroaten besonders findet.« Diese Beschreibung der zu Ehren des slawischen Lichtgottes aufgeführten Rundtänze erinnert doch unwillkürlich an die Ausführung des Sieben- Sprungs und der Echte rnacher Springprocession, die wir für Überreste altgermanischen Göttertanzes halten. Letztere Annahme wird durch Überein- stimmung der auffallenden Tanzmanier nur noch mehr bestätigt. Die im Lichtdienste der Böhmen am Sonnenfeste (Koleda] üblichen Rund- tänze (Kolos) haben durch Verwechslung des slawischen Gottes und des christlichen Heiligen dem Veitstanze seine Berühmtheit gegeben. Wie waren die Veitstänze, die man so oft mit den Johannistänzen zu- sammenstellt und verwechselt, beschaffen? Jedenfalls waren. sie unsinnig, wild und ausgelassen, sonst hätte man nicht einer gewissen Nervenkrankheit von dieser 1 Eckhard, Monumenta Jutreboe. p. 59: »In quolibet colle simulamim quoddam doli peculiari nomine insienitum colenaumque expositum erat, quod Slavi diebus festis venerabantur et etiam saltando colebant, qui mos est antiquissimus deos inter cantandum choreas ducendo saltationeque honorandi, quod sacrarum^ pandectarum codex passim exempliB Aegyptiorum, Israelitarum et Baalitiurum manifestissime oommonstrat. Uti omnino nunc ritum ex paganismo promanare arbitror, quando rustici in omnibus fere pagis hujus regionis marchionatusque Brandenburgensis celebratis nuptiis rot am anti(]uam ante domum vel in colle accendunt et in circuitu ejus in formam pyrae ar- dentis solennes et publioas saltationes instituunt« 11* Digitized by Google 164 Sitte den Namen Veitstanz gegeben (s. S. 40 ff.). Unzüchtig mag es dabei auch hergegangen sein, das meldet schon die Limburger Chronik. Von strengen Sitten Wächtern finden wir in der Cynosura ecclesiastica vom Jahre 1 6 3 8 die Warnung : »St. Veitstanz soll propter concurrentem superstitionem nicht geduldet werden.« BosenkroneDtaDz, Sronentanz oder Tanz unter der Krone. Er ist offenbar, wie der Johannistanz, noch ein Überrest des altheidnischen Freudenfestes bei der Sommersonnenwende. Dieses Volksfest mit Tanz, ge- nannt Kronentanz, war früher in verschiedenen Gegenden Deutschlands heimisch, hat am längsten sich am Niederrhein erhalten und ist bis vor kurzem in Holland und Belgien noch gebräuchlich gewesen, wie wir gleich berichten werden. Dem Umstände, dass dabei unter einer mit Bändern geschmückten, da und dort über die Straße aufgespannten Blumenkrone getanzt wurde, entstammt der Name dieses alten Straßentanzes, der meist zur Sommerzeit, zuweilen auch an Kirmsen im Herbst aufgeführt wurde. Am Sonntage nach Cathedra Petri (29. Juli) wird zu Geeraerdsbergen in Belgien ein Tanz unter der »Roczenkroon« gehalten, die hoch über der Straße schwebt; sobald sich ein bestimmtes Paar unter ihr befindet, lässt man sie fallen. Dann folgt ein allgemeines Ballspiel. [Wolf, Wodana I, 103. Wolf, Beiträge I, 87.] — r In Hekelghem, einem Dorfe bei Brüssel, versammelten sich am St. Peterstage (29. Juli) die Burschen und Mädchen des ganzen Dorfes und machten zwei Blumenkränze, den DKoozenhoeda (Rosenhut) und die »Kr oo na (Rosen-^ kröne). Dann losen die Mädchen mit Strohhalmen. Die den längsten zieht, erhält den Rosenhut, wird erste Königin und wählt sich ihren König. Die den zweit- längsten Halm behält, bekommt die Krone und wählt sich gleichfalls ihren Genossen. Abends ist Schmaus und Tanz im Wirthshaus. — In Brüssel werden an den Festtagen St. Johannis des Täufers, Petri und Pauli und bei der großen Kirchweihe in den untern Stadttheilen Maien gepflanzt, Kränze, Kronen und Fahnen in den Straßen ausgehängt, und Abends tanzen die Nachbarn »unter derKronec, die inmitten der Straße schwebt. Am letzten Kirchweihtage zündet man unter der Krone ein Freudenfeuer an, zu welchem vorher die Knaben einsammeln. Loderte das Feuer, so begann der Tanz in geschlossenem Kreis, innerhalb dessen einer oder zwei Büßer standen, und alle sangen : 'k heb eenen ezel aen myn band, zyn ooren zyn lang ; wat zal ik hem te eten geven? de winter is lang. drey keeren beschummeld brood, gelyk eenen ezel toebehoort. o gy ezel, o gy kwezel, zoekt uw brood I (»Ich hab einen Esel an meiner Hand, seine Ohren sind lang. Was soll ich ihm zu essen geben? Der Winter ist lang. Drei Krümchen verschimmelt Brot, wie einem Esel zugehört. O ihr Esel, o ihr Büßer, sucht euch Brodl«) Mit diesen Worten stößt man ein Paar Itozer in die Mitte des Kreises, und die bisher darin standen, sind abgelöst. [Wolf, Zeitschrift I, 176.] — Auch im französischen Flandern (Dün- kirchen) werden Reigentänze unter dem Roozenhoed aufgeführt. Ein Tanzlied Digitized by Google 165 daher hat E. de Cousaemaker Seite 324 seiner VolksUedersammluiig mitgetheilt. (MB. 33t.) In Halle hängt man am Johannismorgen Kronen von Laub und Blumen an Schnüren quer über die Straße; die Kinder tansen darunter, sperren den Vorübergehenden den Weg mit Blumengewinden und erhalten dafür ein kleines Geldgeschenk. Diese Kronen sind in Thüringen und Sachsen verbreitet. [Sommer, Thüringische Sagen S. 156.] In Sachsenburg machen die Kinder zu Johanni den sogenannten Rosenstock. Am Abend sperren sie die Straße mit einer Leine und hängen Kränze aus Birken und Blumen an. Dabei setzen sie Birken vor die Häuser und stellen einen großen Baum auf, um welchen getanzt wird. Wer die Straße passiren will, zahlt etwas ; davon werden Musik und Birken bezahlt. In der Umgegend von Fürstenwalde feiert man um dieselbe Zeit ein so- genanntes Hutschiefien oder den Rosenbaum. Es wird ein Mast aufgerichtet, an dem sich Wimpel, Sjranz und Krone befinden ; auf demselben werden Tücher und dergleichen befestigt und darnach geklettert. Beim Rosenbaum erhält der beste Kletterer einen Blumenstrauß an den Hut.^ — Zu Greifswald sind noch die Pfingst- tanze unter goldgezierter Blumenkrone in Gebrauch.^ Lehensch winken nebst »Kronentanzt waren im Erzstifte Köln zwei beliebte Tänze, die 1617 von der Geistlichkeit verboten wurden, weil man sie bei Ehebündnissen sogar in den Kirchen zu halten pflegte. [Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 461.] Der Kronentanz ist zweifellos hier der Johannisfestbrauch, »unter der Krone tanzen«. Lehenschwinken (Schwingen der Lehen) steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem rheinländischen Gebrauch der Mailehen (siehe S. 153) in Verbindung. Schwerlich war es ein mit der Lehnsherrlichkeit zu- sammenhängender Tanz. Am Lambertusabend (17. September) findet zu Münster in Westfalen ein Tanz um Lichter und unter Kränzen statt, der meines Erachtens mit dem Kronentanze gleichen Ursprung hat, oder aber ein Überrest jenes heidnischen Emtefestgebrauchs ist, zum Dank für die Gaben ein dem Wodan geweihtes Stück stehengebliebener Halme zu umtanzen (s. S. 9 und 168). Das Lambertusfest ist jetzt nur noch ein Jugendfest: über die Straßen von Haus zu Haus sind mit Lichtem besetzte Kränze gezogen; unter ihnen tanzt die ganze lebenslustige Jugend um brennende Kerzen oder um eine mit Blumen umwundene und mit Windlichtem verzierte Pyramide , zum Takte sogenannter La mbertusli eder, das sind Gesänge ohne viel Poesie, aber in hochdeutscher Sprache nach sonder- baren Weisen, die wie Klänge aus der Heidenzeit herübertfinen. [Reimann, Volks- feste 457.] Früher wurde dieses dem heiligen Lambertus, Bischof von Lüttich, gewidmete Fest viel glänzender gefeiert, zumal der schöne Dom zu Münster diesem Heiligen geweiht ist. Damals folgte ein langer Zug von Mönchen aus verschiedenen Klöstern derProcession und hing fast an jedem Hause eine mit Blumen geschmückte Pyramide; besonders stattlich war die auf dem Markte, um welche man tanzte. Frohnetänie. Versteht man unter Fr ohne die Dienste, welche Unterthanen ihrer Herr- schaft umsonst und gegen geringes Entgelt zu leisten verbunden waren, also Zwangsdienste, so wird es auffallen, dass man zur Frohne gar tanzen musste. Als 1 Kuhn, Norddeutsche Gebräuche 391. 3 GreifBwalder KreisblaU 1857, No. 66. Digitized by Google 166 alten Rechtsbrauch zur Anerkennung der Lehnsherrschaft scheint man in der Vor- zeit feierliche Aufzüge gehalten zu haben und sind Beste davon unter dem Namen Frohne-Tänzebis Anfang dieses Jahrhunderts (1804) erhalten. 1. Zunächst sei es der Frohnetanz beiLangenberg, den wir nach dem Be* rieht des wackem Sammlers Haltaus (Glossarium Germanicum medii aevi p. 542, übersetzt in Vulpius, Curiositäten m, 319 ff.) beschreiben wollen: »Zwischen Zeitz und Gera liegt ein Ort, genannt die Pflege Lange nberg. Dort müssen seit vielen Jahrhunderten die Bauern mehrer Dörfer der Herrschaft Gera und des Amtes Eisenberg in nicht geringer Anzahl und zwar von jedem einzelnen Hofe Paar und Paar (also Männer und Frauen) sich ungebeten an einem gewissen Tage bei Strafe eines neuen Schocks bei einem von einem Zaun umgebenen Lindenbaum ein- finden, ihre Namen vor den dasitzenden Herren angeben und nachher tanzen, wobei der Landknecht (Amtsdiener) den Tanz anfängt. Der Herr (ehemals wohl der Lehnsherr) lässt unter die Tanzenden für 3 Gülden kleine Kuchen vertheilen ; das Bier und die Spielleute bezahlen die Tänzer selbst. Der Tanz dauert so lange, bis der Zapfen fliegt (d. h. so lange Bier vorhanden ist J»quam diu fluit cere- visiac) . Wer nicht zur Frohne tanzt (qui non saltat ex officio) , wird vom Länd- knecht gepfändet und muss sich mit einem Ortsgülden (Y4 Gulden) lösen. Von der ältesten Zeit biszumJahrlGBGwurdedieserTanzamzweitenPfingsttage, dann am dritten, und seit 1728 am Mittwoch nach Pfingsten gehalten, bis er 1804 aufge- hoben wurde. Ehemals bestanden die Tanzenden aus 85 Paaren. Es trat sogar 1703 der Pfarrer M. Jakob Günther, weil er Inhaber eines Bauerngutes war, mit als Frohntänzer auf. Seit 1728 weigerten sich die unter dem Amt Eisenberg stehenden Unterthanen, den Frohntanz weiter mit zu machen. Ich (Haltaas] habe diesem Tanze 1 749 beigewohnt und die Gebräuche von dem Actuarius erfahren. Aber von dem Ursprung einer so seltenen Gewohnheit konnte Keiner etwas Gewisses sagen. Es scheint dieser Gebrauch die Anerkennung der Ober- herrschaft und der auf den Gütern haftenden Abgaben und Lasten bezeichnen zu sollen.« ^ Limmer in seiner Geschichte des Voigtlandes vermuthet, der frühere Langenberger Frohnetanz sei der Überrest eines heiligen Gebrauchs, eines gottesdienstlichen Tanzes aus der alten Sorben- und Germanenzeit. Für seine Ansicht spricht die Nähe von früher heiligen Orten, ferner der Umstand, dass die Tanzen- den mit Brot und Bier vom Schlosse bewirthet wurden, was an die alten Opfer- mahle erinnert. Weil aber auch die Gerichtspflege bei Slawen und Germanen als eine gottesdienstliche Handlung angesehen und, gleichzeitig mit dem Opferfest verbunden, unter freiem Himmel abgehalten wurde , so kann füglich der Langen- berger Frohnetanz ein Überrest eines heiligen Gerichtsverfahrens sein. Das scheint auch aus einer älteren Beschreibung desselben, die Limmer a. a. O. mittheilt, hervorzugehen : »Der Geraische Landrichter mit dem Aktuarius und den Langenberger fünf Schöffen nebst beiden Schulzen aus Politz und Stoblach, alle in schwarzer Amtskleidung und dergleichen Mänteln , saßen an einem Tische unter freiem Himmel zu Gericht. Vor ihnen standen vier Hellepartirer, und die bewaff- nete ehrbare Mannschaft von Langenberg schloss um sie einen weiten Kreis , wo- ^ rauf alsdann der Frohn (Amtsdiener) eine Tänzerin sich erkieste und mit dieser * Diese Ansicht theilen auch : Wildvoeel, Chronoscopia legalis. Exerc. IV c. 4. Pet. Maller, Jurispr. Element. Coroll. 2 ad disp. 18. Klinger, Dorf- und Bauemrecht I, Kap. 18, § 171. E. Gerhard! Disp. de Servitutibus in faciendo consistentibus § 8. Hübners Geographie. Dresden 1773, 4. Bd., 1225. Digitized by Google 167 den Reihen eröffnete.« [Diese Erklärung der Frohntänze als ursprünglich hei- lige (fr6ne) Tänze bei Gerichtssachen hat viel für sich.) Unhaltbar ist die Herleitung des Langenberger Zwangstanzes aus einem sagen- haften Lokalereignis : »Als Kaiser Heinrich der Vogler einst am dritten Pfingsttage durch Langenberg reiste und von den Einwohnern wegen des steilen Berges , der von da nach Leipzig zu liegt, Vorspanne verlangte, verweigerten die übermüthigen Bauern dieselbe, weil sie in ihrem Vergnügen, altherkömmliche Tänze unter einem Baume jzu halten, sich nicht wollten stören lassen. Darauf soll der Kaiser als Oberherr verordnet haben, dass sie alljährlich um dieselbe Zeit zur Strafe tanzen müssten.« Diese viel nachgedruckte Lokalsage, auf welche man den Ursprung des Langenberger Zwangstanzes zurückführen will, hört sich hübsch an, aber sie erklärt nicht, warum auch anderwärts Ftohnetänze vorkommen. Das Wahrscheinlichste bleibt , dass die Prohntänze alte Gebräuche waren , um die Bauern alljährlich an ihre Lehenspflicht zu erinnern. 2. Dieselbe Bewandtnis mochte es auch mit dem Altenburger Frohntänze haben : »Wenn der Herzog von Gotha nach Altenburg kömmt, müssen zur Frohne 25 Bauern im größten Schmuck vor ihm im Schlossgarten tanzen, a So erzählt Moser in seinem deutschen Staatsrecht (U, 567). Wie lange dort dieser alte Ge- brauch gedauert, ist nicht bekannt. 3. Auch imRudolstädtischen sind vormals Frohnetänze üblich gewesen. Nachrichten davon im Reichsanzeiger 1795, S. 1238. 4 . Li Fr an k f u r t a. M. werden Frohnetänze zum dritten Pfingsttag im Freien erst 1567 erwähnt, sind aber jedenfalls viel älter. [Kriegk, Städtewesen im Mittel- alter I, 355.] 5. öffentliche Tänze bei Sitzungen des unter freiem Himmel gehaltenen Schöffengerichts waren in Halle bis 1482 üblich. 6. unweit Heidelberg will man Frohnetänze gesehen haben. Nähere Beschreibung fehlt. Ernte- oder Schnittertftiize. Die ländliche Bevölkerung war vor Zeiten, als der Nährstand sich noch nicht das ganze Jahr hindurch dem Genuss hingab, vorzugsweise auf die Ernte und Erntefeste angewiesen, wenn es den Freuden des Tanzes galt. Wenn mit Ja- c bi der Komschnitt begann, dem dann der Weizenschnitt und die übrige Emte- arbeit folgte, so hob für den Schnitter eine lustige Zeit an : es galt einer bedeut- samen Feier und zu dieser sahen sich gleichsam amtlich auch die hohem Stände eingeladen, denn in die Erntezeit fallen ja auch die Gerichtsferien (Schnittferien). Die Volkslust wurde von oben herab manchmal wohl engherzig betrachtet und Tänze und Aufzüge der Schnitter wurden verboten. Das Amberger Gesetz- buch von 1554 (Artikel 98) will, »dass kein Burger seine Schnitter und Arbeiter mehr mit Drumeln, Pfeiffen und Seitenspiln herein in die Stat und daraus- füm, imd folgend Abendtänz mit ihnen anfangen und halten soll« [Schmeller m, 499]. In einem Bayreuther Ausschreiben, die Abschaffung der sogenannten »Bitt- schnittert betreffend, durch deren Schwelgerei der Sabbath entheiligt werde, wird gerügt : »dass an Sonn- und Feyertagen sowohl bey hellem Tag als nächtlicher Weile und Mondschein »Bitschnidter« meistentheils von ledigem Gesinde an- gestellt werden, denen man nach vollbrachter Arbeit Essen und Trinken geben und einen Tanz halten muss, bey welchem die ganze Nacht ein Jauchzen und Geschrey verübt und große Ärgemiss gegeben wird.« Digitized by Google 16S Dmm m betondere Bchnittertänze nk eigenaidger Miuik und Gesang je gegeben lutbe ^ mtehte ieh geiadesra TeiBeineii , wie es ebenidb keine eigentlieke iehniUer- und Aibeiteiüeder un Volke je gegeben bat. Die Scknitter nngen wobl, aber eben nur ihre Volkslieder; die Schnitter tanzten, aber eben nnr bekannte und beliebte VoIkstSnze ihrer Zeit. Wie alt mflgen wohl die Entefest tanze sein? Seit der Uizeit, so lange sie Ackerbau trieben , mOgen die Dentsdien nach dem Kinheimsen der FeldfrQdite dem Emtegotte ihre Opfer dargebradit und bei diesem Knltns ihre imeiliehen Pro* censumen, ihre religiösen Reigen Wodan zn Ehren angefahrt haben. Anf diese darf man wohl den Ursprung der Ernte- und Sehnittertinae, die später aus- arteten f zurflckführen. Wenn die Sdinitter in manchen Gegenden Norddeuts^- lands noch heute zu Ehren des Wode oder der Frau Gode tanz en und singen und Ahrenbflschel auf dem Felde fflr Gode stehen lassen (s. 8. 9) , so sind das Über- bleibsel der heidnischen Ernte -Opfer. [Vergl. Kuhn, westfidiscfae Sagen II, S. 159 und 450.] Erinnerungen an den alten Opferreigen der. Schnitter sind in folgenden Ge- brfluchen lange erhalten geblieben. Am Franken-Juragebirge war es vordem Sitte, wenn die Frucht abgeschnitten wurde, mehrere Halme mit Ähren stehen zu lassen, sie oben mit dazwischen gesteckten Blumen, Grflsem und anderen ab- geschnittenen Ähren in einen schönen Busch zusammen zu binden und den Raum von diesem Büschel bis zum Boden ganz mit Blumen und Ähren zu fallen. Das war das St. Mäha-S^tädala (d. h. des Mäher- und Emtegottes Scheuer]. So- bald es aufgerichtet war, tanzten die Schnitterinnen einen Reigen herum. Dabei erklang (zu Wflstenstein) der Spruch : O heiliger Sankt Mähal B' scher' übers Jahr meha (mehr) : So viel Kömla, so viel Hömla, So viel Ährla, so viel Jähria, So viel Köppla, so viel Schöckla, Schopp dich Städala, scbopp dich Städalal O heiliger Sankt Mähal Vergaßen die Schnitter diesen Brauch, so mahnten die Alten : »Seid nicht so geizig, lasit dorn heiligen Sankt Mäha auch was stehen und macht ihm sein Städala voll«. War das geschehen , so setzten sich alle Schnitter auf den Acker ; man sagte : Vs Aokerle muß beruht werdena. [Panzer, bayrische Sagen I, 216.] Ähnlicher Gebrauch ist der No thhalm im südliehen Bayern und Schwaben. Auch InderKheinpfalz bleibt nach vollendeter Ernte auf dem Felde, auf Bäu- men und Sträuchen noch ein kleiner Theil des Ertrags zurück. Ursprünglich er- innernd an die altheidnischen Dankopfer , wo der verleihenden Gottheit ein Theil des Ertrags an Speise und Trank gewidmet wurde, ist daraus der Zehent an die Kirche entsprungen. In ganz Deutschland ist das Erntefest ein kirchliches Dankfest, das mit Gottesdienst eingeleitet, mit Besuch und Schmaus fortgesetzt und mit einem Tanz von Seiten der Jugend in der Dorfschenke beschlossen wird. Sobald das Getreide eingeheimst war, bekamen sonst die Schnitter ein Fest, d. h. einen Schmaus und Bulotst meist Tans. Dieses Sohnitterfest heißt in Würtemberg Sichelhenket, in Bayern Siohelhängen, in Norddeutschland Erntebier oder Erntekranz; der Schmaus wird gleich an dem Tage gegeben, wann das letzte Getreidefuder unter den üblichen Ceremonien von den Emtearbeitem eingefahren worden ist. In Digitized by Google 169 manchen Gegenden Süddeutschlands benannte man das Schnitter -Gelag mit dem alten Ausdruck Schnittlag, auch Schnitthahn, weil vor Alters jedenfalls ein gebratenes Huhn zum Schmause der Schnitter gehörte. In Schwaben wurde früher gern der Bartholomäustag^ (24. August) ziun Sichelhenket (Erntefest) gewählt. In Norddeutschland (z. B. im Mecklenburgischen) gehörte zur Eröffnung des Ernte- bieres der wildlustige Käken- oder Küchentanz (s. S. 207). Wiederum ein ländliches Fest der Ackerbauer fand statt, sobald das letzte Korn im Jahre gedroschen war. Die Sitte verlangte, dass dann der Hofbesitzer seinen Dreschern einen Schmaus mit Tanz gab. Dieses Drescher fest nannte man in Bayern und am Rhein Dreschflegelhängen, im Würtembergischen Flegel- henket, in der Oberpfals hieß es Drischlag (d. h. Drescher-Gelag, ähnlich wie man ein Schnittlag hatte) . Wie in den meisten Gegenden Deutschlands das Erntefest zuletzt mit Tanz- belustigung gehalten wird, so besteht in einem Theil der Oberpfalz (Grafschaft Cham) noch ein Herbstfest, das gehalten wird, wenn der Bauer seine Felder zu- gebaut und die Saat vollendet hat, und das den Namen » Saat bahnen« führt. Diese Volksbelustigung besteht darin, dass junge Burschen, welchen die Augen verbunden werden, auf einen mit einer Schnur an einen Pfahl gebundenen Hahn mit einem von Stroh geflochtenen Schlägel schlagen. Bei diesem rohen Spektakel des Hah- ne n s chl agen s (wahrscheinlich einer Nachahmung der Hahnenköpferei bei den be- nachbarten böhmischen Bauern zu ihren Hochzeiten und Kirmessen) belustigen die Zuschauer sich so lange, bis es endlich einem handfesten Burschen gelingt, das arme Thier mit einem Schlage zu tMten , nachdem es vorher, wenn es ermatten wollte, öfters mit frischem Wasser übergössen wird. Je größer das bäurische Be- sitzthum, desto reichlicher strotzen beim Saathahnen im Hause die Tische mit Speisen aller Art und desto behender geht der immervolle irdene Bierkrug die Bunde. Aller Orten herrscht die ungetrübteste Gastfreundschaft, fröhliches Jauch- zen und Abends Tanzmusik. Besonders wird der Armen an diesem Ackerfest- tage gedacht und keiner geht ohne ein Gericht von Speisen aus dem Hause. — In der Dienstordnung der ehemaligen Hofmark Scheuern (unfern Regensburg) vom Jahre 1500 heißt es: »So man gesäet hat den traid, kom vnd fosen, so gibt man den knechten vnd dimen den S a t h a n , ye vieren ain g a n s vnd yedem ain trinken (die ein Thopf) wein kelhamer aus gnaden.« Ursprünglich musste wahrschein- lich ein Hahn aufgetischt worden sein. [Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 469.] Zu den mit dem Ackerbau in Verbindung stehenden Arbeiterfesten gehören auch die Belustigungen beim Flachsbau: das sind die Abend-Reigen nach dem Flachsriffeln im Herbst und noch später die Schwingtage. Flachstanz oder Haartanz. So heißt ein ländliches Fest im Innkreise. Während die Mädchen, im Freien sitzend, damit beschäftigt sind, den gerauften und unter Jubel und Gesang nach Hause geführten Flachs seiner Samenhülsen zu^^entledigen (was man riffeln, griff ein, raffen heißt) , kommt ein lustiger Buisch der Nachbarschaft in die Küche , wo die Mahlzeit vorbereitet wird, spricht einen Reimspruch und bekommt von der Wirthin des Hauses etwas Backwerk (gewöhnlich gebackenen Hirsebrei] in ein Tuch ge- 1 St. Bartholomäus ist an die Stelle Wodans getreten und auf seinen Ehrentag sind einzelne Züge des großen Festes übertragen worden, welches den Schluss des Sommers und der Ernte bezeichnete. Digitized by Google 170 blinden. Dies Geschenk hat er den Mädchen ganz in der Nähe vorzuzeigen und dann damit schnell wieder in das Haus zurückzulaufen. Ereilen ihn die Mädchen vor dem Hause, so wird er als Strohmann angeputzt, an den Tisch gebunden und darf weder am Schmaus noch Tanze Theil nehmen. Erreicht er aber das Haus früher als die Mädchen , so wird er Tischkönig und Abends Vortänzer bei dem Beigen, den man Haar tanz nennt. (Nach Reimann, Volksfeste 337.) Schwlngtage waren ehemals ländliche Arbeitertage zur Herbstzeit am Niederrhein , die Abends mit Schmaus und Tanz beschlossen wurden. Ausführliches darüber erzählt Mon- tanus, Volksfeste am Niederrhein, und nach dieser Quelle Düringsfeld, Festl. Jahr 297. Das Flachs- und Hanfschwingen (d. h. das Reinigen der Flachsfasern von den Bruchstücken des Stengels mittels Schwingstock und Schwingmesser) ge- schieht durch Frauenhand. Zu dieser Arbeit wurden oft 20 — 30 Mädchen und Frauen aus der Nachbarschaft eingeladen, die am bestimmten Tage mit ihrem Schwingstocke kamen und ohne Lohn mithalfen ; bei dieser klappenden Arbeit sangen die jungen Mädchen schon allerhand alte Lieder zu ihrer Erheiterung. Abends , nach geschehener Arbeit, stellten die Dorfburschen sich ein zu S p i e 1 und Tanz und brachten am Schluss die ziemlich entfernt wohnenden Mädchen nach Hause. Übermaß des Genusses von Meth bei solchen Gelegenheiten führte zu blutigen Schlägereien, bis die Obrigkeit solche Lustbarkeiten (ähnlich den Spinn- stuben) verbot. Eigenthümlich war es, dass die Burschen es beinahe als Noth- wendigkeit ansahen, auf dem Heimwege das Mädchen ihrem etwaigen Neben- buhler zu entführen und sich damit zu brüsten. Sonderbar und gewiss auf hohes Alterthum deutend war die bei diesem Feste übliche Musik von einem mit Katzen- darm überspannten Pferde Schädel, auf dem man noch 1778 neben dem Hack- bret zum Tanze schnurrte. Der Hnttanz ist ein in Bayern (Altmühlthal) und im Salzburgischen noch erhaltener Volkstanz, bei welchem die Paare unter einem ausgespannten Seile , auf welchem ein mit Bän- dern verzierter Hut hängt, im Kreise herumtanzen. Während des Tanzens wird in einiger Entfernung ein Schuss gethan: derjenige Tänzer nun, der in diesem Augenblicke unter dem Seile sich befindet, erhält den Hut als Geschenk. (Schmel- 1er n, 257.) In Schwaben war bis vor Kurzem der Huttanz ein ländliches Fest auf Kirmsen. Der Hergang ist dabei etwas anders, als der eben beschriebene: »Es wird ein Hut an einer Stange mit einer Schnur hinaufgezogen. Unten wird die Schnur befestigt und ein Stück Zündschwamm daran gebunden. Darauf tanzt man um die Stange bis an ein abgestecktes Ziel , wo der erste Tänzer einen ge- schmückten Wedel (Zweig), welchen er trägt, dem durch das Loos bestimmten zweiten Tänzer Übergiebt u. s. w. Derjenige Tänzer, welcher, sobald die Schnur abgebrannt ist und der Hut fällt, im Besitz des Wedels ist, gewinnt den Preis.« In Schiettau bei Halle fand sonst zu Pfingsten ein Wettreiten nach einem auf- gestockt en Hute (Tuch oder dergleichen) statt; die Maibursche wurden mit Musik in das Dorf geholt. Ebenso in der Gegend von Kalbe an der Saale. In Edersleben bei Sangerhausen war am zweiten Pfingsttage Hutreiten und nachher Tanz, wobei gewöhnlich der Schimmelreiter auftrat. Zu Pfingsten fand im Sater- land (Oldenburg) ein Schießen nach dem Vogel statt. Wer das Letzte herunter- schoss, ward König und erhielt den geschmückten Hut, den er bei dem Abends Digitized by Google 171 Btattfindenden Tanz trug und bis zum nächsten Jahre behielt. [Kuhn, Norddeutsche Gebräuche Nr. 61. 62.] Ghrimm (Mythologie 161) glaubt: der Hut, bei FrOhlingstänzen als Preis ge- geben, kann recht wohl auf den Schimmelreiter Wodan mit seinem breiten Hute zurückführen. Der HahDentanz ist in manchen Gegenden Deutschlands eine Volksbelustigung gewesen. Er ist in der Baar, hoch oben im badischen Schwarzwalde im Quellgebiet der Donau, bis vor kurzer Zeit abgehalten worden und insofern interessant, als das Gewinnen des Preises nicht vom Zufall, sondern von der Stärke und Gewandtheit der Tänzerin abhängt. Der Schauplatz ist gewöhnlich eine Scheune, die Zeit nach der Ernte. In der Mitte des Raumes auf einer Stange ruht ein lebendiger Hahn. Von dieser Stange geht ein Querholz aus, an welchem ein symbolisches Dreieck hängt, und in diesem wieder steht ein mit Wasser gefülltes Glas. Jetzt dreht sich der lustige Walzer um die Stange in mancherlei mimischen Bewegungen. Hat ein Pärchen die Stelle unter dem Dreieck erreicht, so wirft die Tänzerin sich rasch mit einem Knie auf die Tenne und hebt mit ihren nervigen Armen ihren Tänzer hoch empor. Berührt dieser nun mit seinem Kopf das Dreieck, so fällt das Glas und — der Preis des Tages ist gewonnen. Derlei sah man noch um 1840 in HOslach, einem Dorfe unfern Stuttgart, während der Kirchweih. Der Haushahn, schön mit Bändern aufgeputzt, saß auf einer kleinen Tanne, welche auf dem Platze des Dorfes in der Erde befestigt war. Um diese herum tanzten Bauemburschen und Mädchen, welche letztere fleißig in die Höh geworfen wurden. Eine brennende Lunte war dabei, welche den Gewinn des Hahnes bestimmte. Im AUgäu war der Hahnentanz noch 1850 gebräuchlich, fand aber ohne Hahn statt. Die Belustigung besteht darin, dass Burschen und Mädel auf einer Wiese um eine Saide oder um einen Baum herumhüpfen. Von dieser Säule geht ein Arm aus und darauf steht ein Glas mit Wasser. Welcher Bursch es vermag, mit einem Sprung den Teller so zu berühren, dass das Wasserglas umMlt, und seinen Kopf damit überschüttet, der ist der Löwe des Tages. Er wird sogleich mit einem Stücke Zeug zu einer Weste und das Mädel mit einem Halstuche, beides als der ausgesetzte Preis, belohnt. Darauf wird mit Musik ins Wirthshaus gezogen, wo 9 Lang aus« getanzt, gewalzt und gehopst wird. [Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 408.] In W i e n wurde sonst in den letzten Tagen der Fasten der Hahnentanz veranstaltet. Die Zeitung für die elegante Welt 1801 S. 445 berichtet darüber: »An dem dazu bestimmten Tage wird in der Mitte des Zimmers, wo der Tanz ge- halten werden soll, ein großer Hahn, mit Blumen und Bändern geziert, auf- gestellt. Die dazu bestimmten Mädchen haben künstliche Sträuße in Vorrath, die sie ihrem Tänzer an den Hut stecken. Nachdem man sich einige Stunden mit Tanz, Essen und Trinken unterhalten hat, kommt das Mädchen, das die Anführerin des Tanzes macht, mit einem großen Strauß hervor. Um den Hahn herum werden mehrere Schwärmer gesteckt und angezündet ; während dem stellen sich die Paare in Ordnung. Sowie das erste anföngt zu tanzen, giebt die Reigen- führerin ihren Blumenstrauß an das nächstfolgende Paar, und dieses wieder dem folgenden. Tanzend nehmen sie nun einander denselben so lange ab, bis der letzte Schwärmer verknallt. Das Mädchen, welches in diesem Augenblicke den Strauß in den Händen hält, wird Eigenthümerin des Hahnes , was ihr und dem Tänzer Digitized by Google 172 Bur Ehre gereicht. Ihm kommt aber diese Ehre theuer in stehen, weil er die ganze Gesellschaft iind die Spiellente im Trinken freihalten mnss, wofür er aber auch Tänze allein anführen darf.« Im Mittelalter war der Hahnentanz in Stadt und Land üblich, z. B. in Frankfurt a. M. gab der Bürgermeister jährlich zu Fastnacht einen solchen. Beleg- stellen dafür, dass schon Anfang des 14. Jahrhunderts um den Preis des Hahnes (Hahnentanz) getanzt wurde, sind folgende Gedichtfragmente dieser Zeit : Pfeif auf, spileman ! ich wil tanzen um den han und wil den ersten r e i e n springen. oder: Beit ein weil, spileman ! ich wil tanzen um den han. (Vergleiche auch Seite 53 und 63.) Hartmann tadelt in seinem Tanzteufel 1677 die beim Hahnen- oder GOckerstanz, ebenso beim Hammeltanz übliche Tanz- manier als unstatthaft, »da unter dem Tanzen die Knechte den Mädchen in die Arme springen und von denselben werden in die Höhe gehoben«. Der Hahn war dem slawischen Lichtgotte Swantewit (S. 162) geheiligt, weil er das neue Licht, den anbrechenden Tag verkündigt. Möglich, dass damit der Hahnentanz und das Hahnenschlagen zusammenhängen. Da es aber nach Grimm zulässig ist, in dem Hahn ein Opferthier der Germanen zu erkennen, so ist auch möglicherweise der Hahnentanz ein Überrest von altgermanischer Opfer- Ceremonie. Der Holzäpfeltanz hat sich in Baden auf einigen Dörfern in der Umgegend von Heidelberg bis 1850 als Volksfest erhalten, das jährlich zu Maria Himmelfahrt (15. August) gefeiert wurde. Die Jünglinge des Dorfes, die am Feste Theil nehmen wollten, legten am Vorabend einige Holzäpfel vor das Fenster ihrer Mädchen, als ein Zeichen der Einladung. Die wohlhabenden Mädchen holten sich nun die Hüte ihrer Tänzer und schmückten sie mit Bändern, künstlichen Blumen und Citronen. — Des Sonntags nach geendigtem Gottesdienste versammelte sich das ganze Dorf in einem ziemlich kleinen, geschlossenen Hofraume. Da sitzen in der Mitte um einen Tisch die Musikanten, auf der Mauer ein Junge, der in der Hand den Preis des Tages hält: einen mit Bändern geschmückten Hut für den Sieger und ein Paar Strümpfe fOr die Tänzerin. Zu vier Seiten des Kreises stehen vier Ortsbürger mit Gewehr als Kampfrichter, von denen der eine den Zweig eines Walnussbaumes in der Hand hält. Ehe der Tanz beginnt, geht ein Mann mit einem Sacke voll Holz- äpfel rings im Kreise herum und leert die Äpfel auf dem Boden aus. An einem Baum außerhalb des Hofes hängt eine geladene Flinte mit einer brennenden Lunte. Wenn der Tanz beginnt, erhält der Erste in der Reihe den Walnusszweig und behält ihn in der Hand bis zum nächsten Kreiswärtel , der ihn abnimmt und an den zweiten Tänzer übergiebt. So wälzt sich nun der fröhliche Haufe unter Scherz und Lachen der Tänzer und Zuschauer über die am Boden liegenden Holz- äpfel hin, wobei hie und da ein Pärchen auf die Erde zu liegen kommt, bis die Flinte losgeht und diejenige Person den Preis davonträgt, in deren Hand in demselben Augenblicke der Zweig sich befindet. Die Gesellschaft begiebt sich auf den Tanzboden im Wirthshaus, und der Sieger — muss die Übrigen bewirthen. (Reimann, Volksfeste 167.) Digitized by Google 173 Der Hammeltanz^ ein ländliclies Fest in dem badischen Dorf Homburg und Umgegend, unterscheidet sich in der Tendenz wenig vom Holzäpfeltanz. Ein Tuch an einem Stabe, Ge- schenk der Tänzerinnen, bezeichnet den Schauplatz. Ein stattlicher Hammel, mit Kranz und Bändern geziert, wird von Knaben herbeigebracht. Im Sonntags- putz versammeln sich die jungen Bursche und Mädchen des Dorfes und der Tanz beginnt im Freien nach der ländlichen Musik. Ein Pärchen walzt im Kreise herum, dann ein zweites, ein drittes, bis die Reihe durch ist und wieder von vom beginnt. In einem doppelten Reife, der an einer brennenden Lunte befestigt ist, hängt ein mit Wein gefülltes Glas, und demjenigen Tänzer, welcher gerade an der Reihe ist, wenn das Glas fallt, wird der Hammel als Preis. Der Sieger hat die Gesellschaft in der Schenke zu bewirthen. [Reimann, Volksfeste 13.] Jakobitänze der Hirten. Am St. Jakobstag (25. Juli) fing der heidnische Erntemonat an, und St. Ja- kob war in christlicher Zeit der Patron der Ernte und zugleich der Herden. Darum findet auf dem katholischen Rigi (Scheideck) an diesem Tage ein Bittfest für die Gesundheit der Herden statt. (Lütolf , Sagen S. 123.) — In den Bemer Alpen brannten am Jakobitag weithin große Feuer. Das waren Zeichen , mittels deren die während vieler Wochen isolirt lebenden Sennen sich gegenseitig von Alp zu Alp, sowie den Ihrigen im Thale , GrOße zusandten und zum Besuch einluden, was auch am Jakobssonntage meist geschah. Man brachte Wein, Fleisch und Ge- backnes mit auf den Berg , Dinge , die der Älpler während des ganzen Sommers entbehrt, und 'dieser bewirthete seine Gäste mit seinen Leckereien : Nidli, frischer Butter, Milch und Zieger oder köstlichem Vorbruch, Fust«rli und Käsbiddere. Da wird auf den grünen Hüttenlägem geschwungen (Schwingfest), getanzt, gesungen imd gejohlt. Das heißt »Bergdorf et«. Der Alpenbewohner denkt so wenig wie der Ostschweizer bei seinen Johannisfeuern , dass sie einst den himmlischen Wesen gegolten hatten , in deren Schutz ihre Voreltern und deren Herden lagen. [Henne am Rhyn, Volkssagen 533.] Ein Überrest der alten Hirtentänze ist jedenfalls der noch in der Oberpfalz und Unterbayem vorkommende Huet-Tanz. Er wird an dem Tage abgehalten, an welchem die Gemeinde mit den Vieh -Hirten (Hutleuten) für den kommenden Sommer einen Vertrag im Wirthshaus abgeschlossen hat, das ist zumeist am 1 . Mai (Walpurgis), wenn die Hutzeit beginnt, d. h. das Vieh wieder ausgetrieben wird. Die Knechte und Mädchen , welche den Trieb ihres dienstherrlichen Viehes be- sorgen , sind feiertäglich angezogen , und nach vollbrachtem Austreiben auf die Kuhwiese eilen sie zum Tanzplatze , wo die Hirten und sie mit Tanzen sich er- götzen. [Schuegraf, Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 463.] Es ist nicht bloß ein Hirtentanz , sondern eine Tanzbelustigung für die ganze Gemeinde , zu welcher gewöhnlich Freibier geschenkt wird. In Frankfurt a. M. kommt bis in das 18. Jahrhundert der Kühtanz vor; das war eine spöttische Benennung für einen am Pfingstdienstage im Freien auf einer Wiese (Pfingstweide) gehaltenen Tanz der Bauern, Hirten, Kuhmägde und Feld- schützen, zu welchem sie von ihren Herren Geld und Kuchen geschenkt bekamen. [Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter I, 355.] Digitized by Google 174 Schftfertänze.^ Sie waren ehemals am Bartholomäustag [24. August) in Thüringen (Ilmenau, Blankenhain] , aber auch in dem mittelfränkischen Orte Rothenburg an der Tauber gebräuchlich, und bis auf die Gegenwart hat sich der »Schaf erlaufe zu Mark-Qrö- ningen (in Schwaben) als Volksfest erhalten. Sie scheinen uralt zu sein, man hält sie für Überreste altgermanischer Opferfeste am Schluss der Ernte. Zu Rothenburg an der Tauber kommen alljährlich die Schäfer und Hirten der ganzen Umgegend zusammen , versammeln sich in der Bartholomäuskirohe, ziehen von da in die Wolfgangskirche und aus dieser wieder in Procession nach dem goldnen Lamme, wo sie sich's wohlschmecken lassen. Dann begeben sie sich auf den Markt und halten einen Tanz, zu welchem kein Handwerker oder Bür- ger zugelassen wird, sondern wo sich einer eindrängen will, wird er sogleich in den Brunnentrog geworfen. Bei diesen schwäbisch -fränkisch -thüringischen Volksfesten der Schäfertänze mag es in alten Zeiten, nach Art der Satumalien, nicht immer decent hergegangen sein, denn eine Stelle in der Cynosura ecclesiastica vom Jahre 1638 verbietet: »Bei den Schäfertänzen ist sonderlich alle Leichtfertigkeit und schandbare Ent- blößung gänzlich abzuthun.fc Ein altes Liedchen aus dem 15. Jahrhundert »Der Schäfer von der neuen Stadta(MB. 12) istjedesfalls ein Springtanz mit Gesang gewesen, aber doch wohl nicht bloß von Schäfern getanzt worden. — Auf dem weltberühmten Breslauer Wollmarkte tanzten in früherer Zeit die Schäfer bei den Wollsäcken, die dazu- mal noch nicht elegant geordnet in Zelten standen. Ein Liedchen, die Schäfer- Courante genannt und anhebend »Es reisen drei Schäfer zu Breslau hinaus« (Erk, Volkslieder 11, 4/5, 40], scheint auf diesen Breslauer Schäfertanz hinzudeuten. — Ein andres lustiges Liedchen »Wenn der Schäfer scheeren willcc (Erk I, 5) dient jetzt noch zuweilen als Trinkspruch. Die volksthümliche Melodie könnte eine alte Tanzweise gewesen sein, aber keinesfalls haben die Schäfer nach diesem Liede, das ein Spottlied auf ihren Stand ist, getanzt. Kirmestänze. Das Kirch weihfest oder Kirmsf est wird in thüringischen und sächsischen Dörfern alljährlich gewöhnlich im Herbste an einem Dienstage gehalten und dauert drei Tage. An vielen Orten fült es auf den Tag des Heiligen oder Schutzpatrons, dem die betreffende Kirche geweiht ist, besonders im Mai und Juni. Gar keine Kirmsen finden zur Erntezeit und im Winter statt. Über den Verlauf der Kirmslust und Kirmsbräuohe lassen wir einen thü- ringischen Berichterstatter (W. Reynitzsch) in Gräter's Zeitschrift »Bragura HI, S. 111 (1792) reden, der die Kirmse in dem gothaischen Dorfe Wolfsbehringen nach seinen Jugenderinnerungen, also aus der Zeit von 1730 — 40, schildert: »Mitten im Dorfe, am Kirchhof, auf einem kleinen Hügel ist ein mit Linden besetzter Platz, rundum mit großen Steinen eingefasst, damit Niemand darüber fahren oder reiten kann. Man heißt ihn den Gemeinde-Anger. In der Mitte um die Hauptlinde ist ein großer Stein als Tisch, den vier kleinere Steine als Füße tragen. Hier versammelt sich die Gemeinde zu öffentlichen Berathungen, hier 1 Ausführliche Beschreibung findet man in : M. Braun , Adliches Europa S. 828. Sprenger, de aedif. in Stat. Lnp. detin. Rotenburgum p. 450. Reimann, Volksfeste 310. Gartenlaube 1861, S. 341 (Schäferkuf in Markgröningen). Zeitschrift für Kulturgeschichte n, 1857, S. 97 (Sch&fertanz zu Rothenburg an der Tauber). Digitized by Google 175 werden vom Gemeindeschreiber die herrschaftlichen Verordnungen vorgelesen, aber auch die Hochzeits- und Kirmestänze gesprungen, wo man sich paarweise rund um den mittlem Baum und Stein fortwftlzt. Die jungen Burschen wählen aus ihrer Mitte den Platzmeister, bestimmen ein gewisses Haus zur Herberge (Burschenhaus), wo sie sich versammeln und den herkömmlichen Gesetzen unterwerfen, deren Übertretungen der Platzmeister durch schon bestimmte Strafen vollzieht. »Nach feierlichem Kirchzug unter klingendem Spiel, unter Trompetenschall zieht der Platzmeister neben dem Platzknechte und einigen Burschen von Haus zu Haus. In der einen Hand hält er ein mit Bier gefülltes Glas, in der andern einen Bosmarinstengel. Nach dem Eintritt in das Haus bringt er dem Hauswirth aus dem Glase eine Gesundheit zu, das der Bauer mit den Seinigen auf aller Bursche Wohlsein austrinkt und gefüllt wieder zurückgiebt. Der Platzmeister nebst seinem Knecht bittet um einen Ehrentanz, der in der Stube mit der Tochter oder Frau vom Hause gemacht wird , und empfängt bei seinem Abziehen einen großen runden Kuchen. Ein Knecht sammelt alle Kuchen in ein Sieb und fährt sie auf einem Schubkarren hinter dem Zuge her. Beim Pfarrer wird der Anfang gemacht, wenn er und seine Gäste bei Tische sitzen, und so geht es dann weiter zum Schul- meister u. 6. f. »Nachmittags beginnt der feierliche Tanz unter der Linde. Unter Voran- tritt der Spielleute , mit Spitzruthen in den Händen ziehen die Bursche unter die halbgrünen Linden, hüpfen nach einer gewissen Melodie etlichemal im Kreise um den großen Stein und theilen sich dann einzeln in das Dorf aus, um die Jung- frauen (Platzjungfern, »Blotzjungfemcr} zum Tanz abzuholen. Jedes Mädchen heftet ihrem Tänzer ein Seidentuch auf die linke Achsel, geht sodann in weißen Hemdärmeln und Mieder hinter ihm her nach dem Gemeinde- Anger zu. Dort wer- den sie am Steintisch (auf welchem große hölzerne Kannen, auch Eimer voll Bier stehen) mit dem Passglas empfangen und wird ihnen zugetrunken. Nachdem sie daraus Allen Bescheid gethan, geht der Tanz an. Der Platzmeister hat den Vor- reihen, d. h. er tanzt mit einem Mädchen ganz allein und den Andern voran. Die Mädchen auf dem Plan tanzen anfänglich mit leichter Wendung um ihre Tänzer herum, dann greifen sie sich m die Arme und schwenken sich so ringsum paarweise hintereinander her. Bisweilen tanzen die Mädchen auch allein, die Burschen um sie herum und singen dazu. Die Lustigkeit währt bis Abends 10 Uhr. Jeder bringt sein Mädchen in ihr Haus zurück und geht zur Ruhe heim. Am folgenden Morgen acht Uhr versammeln sich die Bursche zu einem MorgenimbisB, der aus Warmbier und Kuchen besteht. Vor- und Nachmittag wird getanzt. »Aber der dritte Tag ist der feierlichste: es erfolgt der Kirmesumzug. Mit Goldpapier werden Hüte und Röcke besetzt ; Jedermann bewaffnet sich mit Degen und Pistolen. Man bindet etliche Seidentücher und -Bänder an einen Stock oder Baum , welchen der Platzknecht als Fahne voranträgt. Alle besteigen ihre Pferde und reiten mit den Spielleuten auf das Feld zur Herde, um dort einen Hammel [das Opferthier?) abzuholen. Unter Musik wird derselbe mit rothen Bändern geschmückt, von dem Metzger , der ein großes Schlachtmesser anhängen hat, auf das Pferd genommen, unter Feierlichkeit nach dem Dorfe unter die Linden gebracht und dort unter Tanz und dem Jubelruf »Juh, juh, juhU geschlachtet. Abends giebt es einen Schmaus, man spielt um Äpfel und Nüsse ; der Hammel und ein Gericht Schweinefleisch beschließen den Kirmesschmaus und damit die Kirms.tf Einer Schilderung der Thüringer Dorfkirmse unfern Hildburghausen (von Digitized by Google 176 Dr. Hohnbaum 1819 in Büsching b wöchentlichen Nachrichten 4. Bd., S. 399 ff.) entnehmen wir noch folgende Zusätze : »Schon am Vorabend des festlichen Tages versammeln sich die jungen Bursche des Dorfes und singen vor den Thüren der reichen Einwohner folgendes Liedchen (MB. 322) : 1. So treten wir herfüre 5. Nun wollt ihr uns denn kennen, [Aus den Reben wächst der Wein] So wollen wir uns nennen. Vor dieses Bauers Thüre. [Aus den Reben wächst der Wein: ^- So kennet uns denn recht: Steh auf, du wackres Mägdelein ! ] Wir sind die (Name desDorfs) Knecht. 2. Morgen um den Maien 7 g^ ^^^^^ ^ ^^^^ ^^^^^^^ [Aus den Reben wächst der Wem] ^^^ ^^^^^^^ ^^ ^^ Franken. Da tanzen wir den Reihen. [Aus den Reben wächst der Wein : g. So wünschen wir aus Herzens Grund Steh auf, du wackres Mägdelein 1] viel tausend guter Nacht und Stund, 3. Sie rückt sie hin, sie rückt sie her, Sie meint, sie wollt uns zwei geb'n. ^- Adieu, zu tausend guter Nacht: 4. Zuletzt wird anderthalbe draus, ^^^ Fkden Jüchen) sind zurecht Die ganzen schlagen wir nicht aus. gemacht. »Das Fest eröffnet am Morgen ein feierlicher Gottesdienst mit Gesang, Musik und Predigt. Nach dem Gottesdienste versammeln sich ungefähr sechs bis acht Paar junger Bursche und Mädchen, die »Platzburschea und »Platzjungfernc genannt. Erstere tragen Sträuße und seidene farbige Bänder und Tücher auf dem Hute, die bis auf den Rücken herunter hangen. Letztere sind im bloßen Kopfe, mit hochaufgebundenen und glatt zusammengestrichenen Haaren, auf deren Spitze ein Kränzlein mit rosenrothem Bande ruht, mit weißen feinen Hemdsärmeln und Schürzen, rothem Mieder und Strümpfen. Sie versammeln sich im Gemeinde- hause, von wo aus sie unter Anführung des Schultheißen oder Schöffen des Ortes und unter dem Zulauf der gaffenden Menge, mit Musik den Plan (Tanz- platz im Freien] beziehen, in dessen Mitte eine hohe Tanne (die »Maye«) steht, deren Spitze oben mit einem grünen Tannenbäumchen und mit farbigen Bändern geschmückt ist. Nachdem hier AUe in einen Kreis zusammengetreten, spricht der Schultheiß den Kirmesschutz, d. h. er hält eine kleine Anrede, in welcher er den Anwesenden bekannt macht, dass ihnen das fürstliche Amt die Erlaubnis zur Beziehung des Planes ertheilt habe, dass sich Alle in den Grenzen des Anstandes und der Sittlichkeit halten mögen und was dergleichen gute Lehren mehr sind. Hierauf werden die »Gesundheiten« des Fürsten, der Fürstin, des Amtmanns etc. ausgebracht und einige Salven aus einigen verrosteten Flinten gegeben. Nun erst beginnt der Tanz der Platzburschen und Platzjungfem unter dem Spiel der Dorf- musikanten, um die Maye herum. Allmählich mischen sich auch Andere in den Tanz, und nachdem dieser ungefähr eine Stunde fortgesetzt worden, zieht die Versammlung zurück in das Gemeindehaus, wo die ganze Nacht hindurch bis an den frühen Morgen getanzt wird. jAm zweiten Kirmestag finden an manchen Orten noch eigene Spiele statt, z. B. das sogenannte Kuchenlaufen. Ein Kuchen wird auf einen Topf in ge- messene Entfernung gesetzt, nach welchem Bursche und Mädchen um die Wette laufen. Wer zuerst ans Ziel kommt, erhält den Kuchen. — Auch eine männliche und eine weibliche Puppe (Hansel und Gretel) werden auf ein wagerecht liegendes Wagenrad angebracht, am Rad wird gezogen und die Figuren kommen dadurch bald oben bald unten hin und in allerhand possirliche Stellungen.« Digitized by Google 177 In den gehörten Scluldeningen der Thüringer KirmBe trifft Alles zauunmen, was Altere Berichterstatter von den Opferschm&usen der keltisch -deutschen Völkerscaften schreiben, und man sollte daraus schließen, dass die Opfer der Alten erst am dritten Festtag Abends geschehen sind. Auch der Platz hat Kennzeichen der ältesten deutschen Heiligthümer : die Linden, die in allen Dörfern die heiligen Haine vorstellen, die äußerliche Einfassung mit großen Steinen, der Opferaltar in der Mitte etc. Die ganze Eirmesfestlichkeit deutet auf das alt- deutsche Erntefest oder Michelfest (d. h. das große Fest, woraus ^ÜLschlich Michaelsfest geworden) . An das Opfer erinnert der feierlich eingeholte und ge- schlachtete Hammel, an die Opfergaben der große runde Kuchen, Äpfel und Nüsse. Von dem Zusammenhange der Kirmes mit dem altgermanischen Erntefeste sammt seinen Opfertänzen ist auch Simrock (Mythologie 567) überzeugt. Er bemerkt: »Bei der Kirmes sollte man den Zusammenhang mit dem Heidenthum nicht ver- muthen, und doch lässt BlcT, lassen die Blotzknechte und Blotzjungf ern (von )>bluotan(r, opfern) bei Panzer, bayrische Sagen II, 242, nicht daran zweifeln. Bei uns (am Khein) heißen diese Blotzknechte Reihenjungen.c ^ Auf die Kirmes wurde Manches übertragen, was ursprünglich den Mai- und Pf in gst festen gehörte. So in der Eif el die Mädchen Versteigerung. Auch scheint das Kirmesbegraben, das an zwei ausgestopften Puppen »Hansel und Gretel« vollzogen wurde, dem Begraben der Fasnacht (Winterbegraben) nach- gebildet. Am Niederrhein geschieht es an der Figur des krummbeinigen Zachäus , der bis dahin auf dem vor der Schenke aufgerichteten Baume, einer Nachbildung des Maibaums, zur Einkehr der Kirmesgäste geladen hatte. Er ist aber christ- lichen Ursprungs. Er ist nämlich aus dem Texte, der den Kirmespredigten zu Grunde gelegt wurde, Lukas 19, 1 — 10 genommen, worin erzählt wird, wie der kleine Zachäus auf einen Maidbeerbaum stieg, um den vorüberziehenden Heiland sehen zu können. Der Trümmertanz war (nach Schmeller, bayerisches Wörterbuch I, 491) ein Kirchweihtanz, an der Unterdonau in Niederbayem unter freiem Himmel abgehalten, wobei alle Tanzpaare auf grünem Plan einen großen Kreis bilden, in welchem ein jedes Paar seine Tour ganz allein herum macht und den Beifall des zuschauenden Kranzes zu verdienen strebt. Weil Trümmer (so meint Schmeller) die einzelnen Theile eines Ganzen bezeichnet, möge obiger Name für diese ein- zelnen Solotänze gebraucht worden sein. Derselbe Tanz, den man in Niederbayem Trümmertanz nennt, heißt in fränkischen Dörfern Platztanz. (So behauptet der bayerische Oberlieutenant Schuegraf (Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 466.) Die Ausführung ist ganz so, wie beim Thüringer Kirmestanz (siehe oben S. 175, Zeile 31 — 34). Fenertanz zu Wintersanfang. Auch zur Zeit der Wintersonnenwende (Julzeit) scheinen seit Alters bei den alten Qothen und Schweden Freudenfeuer um tanzt worden zu sein. Von einem Feuertanz der Skandinavier erzählt Olaus Magnus^: »Es ist an den Höfen der nordischen Könige und Fürsten Sitte , zur Winterszeit aus Tannenholz zahl- 1 Simrocks Herleitung »B 1 on , Blotzknechte« von bluotan, opfern ist gesucht Ebenso fem liegend ist Rochholz' Ableitung »Bio", Blon« vom ahd. Verbum blonen d. h. strotien, womit der mit Kränzen schwerbehangene Maibaum zu verstehen sei. Ich nehme das Nächstliegende als richtig an: Bio" bezeichnet so viel als Plön, mundartlich für Plan. Blotzjun^em sind Platzjun^em, die am Platztanz » Plantanz Theil nehmen. 2 De gentium septentnonalium variis oonditionibus, Romae 1555. Bfthm«, Ocieh. d. Tanxei. 12 Digitized by Google 178 reiche Feuer anzuzünden, welche ein solches Getöse hervorbringen, dass man von weitem meint, es stürzten Balken und Dächer zusammen. Damit aber jenes Ge- töse nicht unnütz erscheint, bewegen sich die tapfersten Männer, einander die Hände reichend, tanzend mit solcher Heftigkeit in Kreisen zwischen den Feuern herum, dass nothwendigerweise , wenn die Kette reißt, der Letzte in eines der Feuer fällt. Unter dem Beifall Aller wird so ein in das Feuer Gefallener auf einen erhöhten Sitz gebracht und erhält als Schadloshaltung der etwaigen Ver- letzungen durch das Feuer oder als Strafe , weil er das Feuer verunehrt hat , ein oder zwei große Schalen Bier. Wenn er sich durch den heilsamen Trunk erquickt hat, kehrt er schnell zu seinen Mittänzem zurück, da durch die Bewegung, durch Feuer und Durst getrieben, sich die Tanzenden nicht ungern der bestimmten Strafe unterziehen. Diejenigen aber, welche sich so durch die Flammen zu springen ge- übt haben, dass sie nicht mehr in das Feuer gestoßen werden können, werden mit einem größeren Trünke geehrt. Auf diese Weise erhalten die Krieger eine solche Kraft und Gewandtheit , dass sie in ernsten Kriegsfällen mit Gleichmuth größere Anstrengung ertragen können.« [Vergl. Francisci curiöse Schaubühne. Daraus Taubert, Rechtschaffner Tanzmeister 1617, S. 77.] Weihnachtstänze des christlichen Mittelalters sind mir nicht bekannt geworden, obwohl bei den Umzügen der Berchta (Frau Holle] , sowie des Christkindes und des Knecht Ruprecht in den engen Stuben zuweilen Rund gemacht wurde. Einen sonderbaren Weihnachtsbrauch, der aber kein Volkstanz und nur lokaler Natur war, will ich hier erwähnen, nämlich den Pomwitzeltanz. Es war ein kirchliches Fest der Kinder im 15. und 16. Jahrhundert in der Stadt Hof und vielleicht ein Überrest slawischen Heiden thums. Wiedemanns handschriftliche Chronik der Stadt Hof (abgedruckt in Vulpius, Curiositäten 11, 468) erzählt: »Am heiligen Christtage zur Vesper, da man nach alter Gewöhn- heit das Kindlein Jesus wiegte (wie man es nannte), schlug der Organist das Re- sonet in laudibus »Joseph, lieber Joseph mein , hilf mir wiegen das Kindlein einor, welches der Chor sang, und schickten sich solche Gesänge wegen ihrer Proportion (ihres ^4 Taktes halber) fast gar zum Tanze. Da pflegten denn die Knaben und Mägdlein in der Kirche aufzuziehen und um den Altar zu tanzen, wel- ches auch wohl alte Lappen (Laffen, Narren) thäten, sich der fröhlichen freuden- reichen Geburt Christi äußerlicherweise dadurch zu erfreuen und derselben sich zu erinnern, welches man damals Pomwitzeltanz^ zu nennen pflegte.« Aus verschiedenen Gegenden Deutschlands erhalten wir Berichte über den Schwertertanz der Bauern Im 17. — 19. Jahrhundert. i . Wie die uralte Sitte des Schwertertanzes beim Landvolke sich das ganze Mittelalter hindurch bis ziir Neuzeit erhalten hat, bezeugt zunächst der Schwerter- tanzderDitmarsen, der also beschrieben ist: »Die Ditmarscher, als die wahren und ächten Absprießlinge der alten Deutschen, haben diese so nützlich als ergötz- Cche Leibesübung beständig beibehalten und auf ihre Nachkommen fortgepflanzt. Das Eärchspiel Büsum kann sich den Ruhm beilegen, dass es fast die einzige Pflanz-Schule gewesen und noch diese Stunde ist , woraus so vortreffliche Tänzer Vergl. Pertsch, Orig. Bonsidelens. (Wunsiedel) p. 340. Digitized by Google 179 entsproBsen , die , obgleich sie >de infima plebe natic , doch wegen ihrer Geschick-^ lichkeit und Accuratesse eine besondere Lobeserhebung verdienen, und da ich so- wohl in meiner Jugend, als noch letzthin im Jahr 1747 ihre Tänze mit angesehen, so wird man mir wohl als glaubwürdigem Zeugen nichts vorzuwerfen haben, wenn ich nachfolgende und aus den Alterthümem bestärkte Beschreibung davon mache . Ihre Kleidung betreffend, so tragen die Tänzer weiße Hemden mit verschiedenen bunten Bändern allenthalben gezieret und bewunden , und an jedem Beine haben sie eine Schelle hängen, welche nach den Bewegungen der Beine einen angeneh- men Schall von sich geben. Nur der Vortänzer und der, so in der Mitten, tragen einen Hut; die übrigen tanzen mit entblößtem Haupte, weil sie auf die Beiden ein beständig Augenmerk haben und nach ihren Bewegungen sich allenthalben richten müssen. Zu Anfang hält der Vortänzer oder König (wie sie ihn nennen) eine kleine Rede an die anwesenden Zuschauer, darin die Vortrefflichkeit und das Alterthum ihrer Tänze gerühmt und die Zuschauer gewarnt werden, sich vor den bloßen Schwertern in Acht zu nehmen, damit sie keinen Schaden bekommen mögen. Hierauf nimmt nun der Schwertertanz bei Rührung der Trommel seinen An- fang mit solcher Geschwindigkeit, Accuratesse und Munterkeit, dass es zu be- wundem. Bald tanzen sie in der Runde, bald kreuzweise durcheinander^ bald springen sie mit vieler Behutsamkeit über die Schwerter, bald legen sie solche in einer künstlichen Stellung, welche einer Rose nicht unähnlich, und tanzen um solche Rose in einem Kreise und springen darüber, bald halten sie die Schwerter in die Höhe, dass einem Jeden eine gevierte Rose über dem Kopfe steht. Endlich wissen sie ihre Schwerter so künstlich ineinanderzufügen und zu verwickeln, dass ihr König oder Vortänzer nicht nur darauf treten, sondern dass sie denselben auch mit Behendigkeit in die Höhe heben und halten können, der sodann abermalen eine kleine Danksagungs-Rede hält, dass man ihrer Lustbarkeit beigewohnt und überdem den Tänzern mit einer billigen Verehrung an die Hand gegangen. Wenn sie nun ihren König wieder herunter auf den Erdboden gesetzt , so wird dieses Schauspiel durch ein abermaliges Tanzen, sowie zu Anfang geschehen, geendigt und beschlossen.« 1 2. Femer ist in Hessen 1651 vor dem Landgrafen Ludwig ein Schwerter- tanz aufgeführt worden, wie die Hessische Chronik des Justus Winkelmann S. 375 erzählt. In Hessen war es Brauch, dass die Schwerttänzer ebenfalls Schellen an die Kniee banden und dazu sangen : »Also sollen meine Gesellen Ihre Schellen Lassen klingen. Wie die Engel im Himmel singen.« 3. Der Schwertertanz in Westfalen (Umgegend von Büren] wurde noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts derart ausgeübt : »Erwachsene Jünglinge gehen bei herannahendem Frühjahr von Ort zu Ort, von Haus zu Haus, legen ihre Schwerter entweder kreuzweise oder nach andern beliebigen Formen. Zu einer kriegerischen Musik springen die Tänzer über die Schwerter und in die Zwi- schenräume , ohne eine Schwert zu berühren. Geschieht dies gleichwohl , so hat der Tänzer allen Ansprach auf den Beifall der Zuschauer verloren. Auch werden während des Tanzes die Schwerter in die Höhe geworfen und wieder aufgefangen. 1 Dahlmann, Ditmars. Chronik des Neoooras 11, 566. Zusati aus Viethens Nach- lasse (am 1790 gesohrieben). 12* Digitized by Google 180 Mit diesem kriegerischen Spiele werden auch Leibesübungen verbunden: man springt durch Reife, über emporgehaltene Stangen u. s. w., um dadurch Beweise körper- licher Geschicklichkeit zu geben. Nur insofern ist das gegenwärtige Schwertspiel von dem alten des Tacitus verschieden , dass die Schauspieler kleine Belohnung von den Zuschauem annehmen, wofür sie sich mit ihren Mädchen frohe Tage machen.«^ 4. Im österreichisch-bayerischen Alpenlande hat sich bis in neuere Zeit das Spiel des Schwertertanzes beim Landvolke erhalten. In J. Gebhards österreichischem Sagenbuche (Pest 1863) wird des Schwertertanzes als eines im Salzkammergut üblichen Volksgebrauches gedacht. 5. Verbürgte Kunde vom Schwertertanz in Steiermark giebt erst Dr. Ant. Schlossar auf Grund einer aus dem Jahre 1808 erhaltenen Niederschrift über einen Schwertertanz, der bei Anwesenheit und zu Ehren des Erzherzogs Johann in dem obersteirischen Marktflecken Aussee stattfand. Sogar der dabei gesprochene Text ist aufbewahrt. Die Schilderung lautet : »Die Darsteller, zwölf an der Zahl mit einem Fasching (Faschingsnarren) , bedecken sich mit grünen Hüten, welche reich mit »Huschen« und Bändern geziert sind, und tragen einen grünen Rock, ein rothes Leibchen, schwarze Beinkleider, rothe Strümpfe und Bundschuhe ; über der rechten Schulter eines Jeden befindet sich ein weißes Tuch, welches unter dem linken Arme in eine Schleife gebunden wird ; über dieses Tuch wird um die Mitte des Leibes ein Schellenkranz gelegt, um den Takt beim Tanze zu markiren. Jeder hat in der rechten Hand einen Säbel. Die einfache Musik besteht nur aus zwei Feld pfeifen und einer Trommel. Der Erste (der Anführer) tritt mit dem Fasching zur Thür des Saales herein und spricht : Ich tritt herein wol also fest Und grüße Ihro kaiserliche Hoheit aufs allerbest. Absonderlich begrüß ich Eins ums Andre ; thät ichs nicht, War ich kein rechter Obersteirer nicht. Obersteirer bin ich genannt, Ich führ meine Kling in der rechten Hand. Tritt, Jungfrau, herein in dem grünen Kranz, Spielleut, machts auf den Schwertertanz. Der Fasching ruft: »Herein, Obermayer 1« Dieser erscheint und spricht: Warum heiß ich Obermayer? Ich iss den Tag wol neun Pfund Eier« Nun Pfund Eier wol nicht allein, Süße Milch und saure Schoten (Schotten, Molke) , Die jungen Madbi sind mir auch nicht verboten. Ich heiß auch der Hans Kanix, Zum Raufen und Schlagen bin ich der Best. Herein, Junggesell 1 (Der Gerufene erscheint.) Wo kommst du her? (Junggesell :) »Wol aus der HöU.a etc. 6. Der Fecht tanz war ein bis Ende des 18. Jahrhunderts im Westfälischen (Umgegend von Büren) gebräuchlicher Gebärden- und Gesellschaftstanz, an welchem (trotz seines kriegerischen Namens] auch das weibliche Geschlecht Theil nahm. Man stellte sich in lange Reihen, machte nach einer lustig hüpfenden 1 WestphÜisches Magazin von Weddigen I (1789), S. 207. Digitized by Google 181 Mosik einige Wendungen, ging dann mit aufgehobener Rechten auf einen an- genommenen Gegner los, und so ward nach der Musik bald mit fechtenden, bald mit friedlichen Gebärden durchgetanzt. (West^Üisches Magazin I, S. 207.) Hochzeitstanze waren bei allen Völkern des Alterthums üblich imd sind es noch bei allen Na- tionen der Gegenwart. Schon aus der Iliade 18, 491 ff. erfahren wir, dass zu Homers Zeit (He Griechen Saitenspiel und Tänze auf ihren Hochzeiten hatten. Ebenso besaßen die Römer ihre Hochzeitstänze. Nachdem sie bei ihren hochzeit- lichen Festen allerhand Ceremonien beobachtet, im Tempel vor dem Altar die Götter und Göttinnen um gesegneten Erfolg und Gedeihen zu Hochzeit, Beilager, Heimführung und ganzem Ehestand angerufen hatten , wurde endlich nach ver- richtetem Götteropfer die Hochzeit mit einem köstlichen Freudenmahle und lus- tigem Tanze beschlossen. So haben auch die Germanen ihre Hochzeitstänze (Brauttänze, Ehrentänze) gehabt und sind solche das ganze Mittelalter hindurch bei bürgerlichen und bäuer^ liehen Hochzeiten gehalten worden. Man hatte eine besondere Person für die Ein- ladtmg zum Tanz, den Tanzbitter oder Hegelein. DenBesohluss der Hochzeits- schmausereien machte ein Tänzchen, denn erst »Nach dem Essen geht*s zum Tanza. Die HochzeitsfeierUchkeiten im frühesten Mittelalter dauerten oft mehrere Tage lang. Die Unterhaltung dabei bestand vor und nach der religiösen Feier- lichkeit in Essen , Trinken , Spiel und Tanz. Die Festlichkeit begann mit einem Reigen, worauf das Zusammengeben des Brautpaares folgte» Lietzteres geschah entweder auf bürgerliche Weise durch den Hausvater (welche Trauungsart lange bis nach der Reformation bestand) oder es fand priesterliche Einsegnung statt. Dürfen wir aus einer Stelle , die wir in Heinrich*8 Ton Freiberg iTristan und Isolde« (633) gelegentlich der Hochzeit Tristan's mit Isolde Weifihand lesen, einen Schluss ziehen, so wurden die Tr a uung en der Vornehmen damals (13. Jahrh.) wäh- rend des Hochzeitstanzes vorgenommen . Tristan und Isolde tanzen vor, die übri- gen Paare schließen sich ihnen an. Während Alle fröhlich tanzen, tritt der Bischof in seiner vollen Kirchentracht herein und die Tanzenden lösen ihre Reigen, um einen Kreis (Ring) zu bilden. Der Vater der Braut führt sie mitten in den Ring, Tristan stellt sich neben sie und der Bischof giebt ihm die Geliebte zum Weibe. — Einen andern Beweis dafür, dass die Trauung der Vornehmen häufig während des Tanzes geschah, liefert ein altes Deckengemälde in der Incoronata zu Neapel, das der alte florentiner Meister Giotto gemalt hat. Es steUt eineTanzfestlichkeit auf einer Hochzeit dar. »Während im Hintergrund unter Trompetenschall die Trauung vor sich geht, tanzen im Vordergrunde zu den sanften Tönen einer Viola und Oboe die Ritter und Damen einen Reigen. Die Häupter und Blicke der Tänzerinnen sind züchtig gesenkt, die Tänzer fassen in ritterlicher Courtoisie kaum die Finger- spitzen ihrer Damen , die Bewegungen erscheinen ebenso zierlich und anmuthlg, als ruhig und decent.« [Czerwinski 167.] Wurde zur Trauung ein Zug in die Kirche beliebt, so wurde er unter Ge- sang, Tanz und BallspieU (also mit einem Tanzleich) abgehalten, wie dies in alter Zeit im Morgenlande (Concilium Laodicense vom Jahre 363, can. 53) ge- 1 Daher die Sitte des Brautball-Abholens lu Ostern. VergL Franek, Welt- buch 1534, S. 128 den Kirchgang zur Hoehieit Digitized by Google 182 brauchlich war. Im Oedichtdes 1 2 . Jahrhunderts lAthis und Prophilias« (C* 83 — ^95) wird ein Brautzug geschildert, wie die jungen Mädchen und Frauen hüpfend und springend einander den Ball zuwarfen, von der Braut singend, Sus (So) giengen die jungen hupfinde unde springende, von der briitin singende, einander werfinde den bal. Dieser Ball war von weichem Leder gemacht und mit Haaren gefüllt und wie eine Kugel groß : dit spil was geheimen bal in römischer zungen. [Weinhold I, 390.] ^ Um auf die alterthümlichen Brautfahrtfreuden der Vorzeit zurückschließen zu können, lassen wir uns einige skandinavische Hochzeitsbräuche aus Dybeck's Runa (Stockholm 1842) durch Professor Karl Weinhold (die deutschen Frauen im Mittelalter I, 390) erzählen: »In Upland und anderwärts in Schweden wird der Brautlauf gewöhnlich im Herbst abgehalten. Vor dem Brauthause stehen junge Tannen, an denen bis auf den Wipfel alle Äste abgeschnitten sind. Der Brautzug geht von den Hofreitem (hofriddare) geleitet zur Kirche , wo vier junge Mädchen während der Einsegnung einen Himmel (Decke) über das Brautpaar halten. Auf dem Heimgange reiten die Reiter zwischen dem Zuge und dem Hause hin und her ; man setzt sich zu Tische und am Schluss des £ssens fordert der Geistliche, der stets dabei ist, zu einer Sammlung für die Wiege auf. Darauf beginnt der Tanz, den der Geistliche mit der Braut eröffnet. Nach einer Weile geht die Braut, von der Brautfrau (frammor) begleitet, fort, um sich umzukleiden, und theilt dann kleine Geschenke an die Gäste aus, was man den Willkomm (väl^nad) nennt. Nun heißt sie Junge fr au (ungmor), und der Wegtanz (bortdansingen) beginnt, bei welchem die Männer und Mädchen den Frauen die Braut streitig machen . (S chein- entführungen waren bei griechischen und römischen Hochzeiten und sind noch in manchen Ländern heute zu finden.) Den Beschluss macht am ersten Tage der allgemeine Tanz, der bis tief in die Nacht dauert. Am Morgen werden cüe Reste des Mahls verzehrt und ein Klotz in die Stube gestellt, auf dem für die Spielleute und Aufwäscherin gesammelt wird, während die Gesellschaft darum tanzt (das ist der Klotztanz). Gegen Mittag trennt sich die Gesellschaft, indem die Männer einen scherzhaften Raubzug in die umliegenden Höfe unternehmen. Die Tänze sind meist von Gesang begleitet und haben besondere Namen. Jetzt kommen Wort und Weise schon sehr ins Vergessen. Der Tanz, den die Braut mit dem Geistlichen tanzt, heißt Höglorf und ist mit einem Liede begleitet, das an die Braut gerichtet ist und nicht ganz feine Scherze enthält.« Eine altgermanische Sitte war, dass bei Vermählungen das Brautpaar einen Becher zusammen leerte und durch diesen Trunk (den Minnetrank) die Ehe für geschlossen erachtete. Gegen diesen Brauch als einer Unsitte eifert eine Sy- node^ (um 1277): «Wir haben bemerkt, dass etliche mit Willen nnd Absicht die Ehe gegenseitig bloß dadurch beschließen, dass sie unter dem Namen der Ehe trin- ken in dem Glauben, dadurch gegenseitig zur Ehe sich verbunden zu haben, doch dadurch vereinigen sie sich bloß fleischlich.« — Noch im 16. Jahrhundert war es in 1 Es war ein Brautleich, mit Ballspiel verbunden. 2 SynoduB Andegavensis um 1277, can. 3 : »InteUeximus nonnuUos volentes et inten- dentes matrimonium ad invieem eontrahere, nomine matrimonii potare et per hoc cre- dentes se ad invieem matrimonium contraxisse, camaliter se commiscent.« Digitized by Google 183 einigen deutschen Gegenden Sitte, dass der PrieBter dem Bräutigam vor dem Altar aus dem Kelche einen gesegneten Trunk, den Johannes-Segen reichte (Seb. Franck, Weltbuch 1534). — Die Sitte des gemeinschaftlichen Leerens eines Bechers durch das Brautpaar hat sich in einem norwegischen Hochzeitsbrauche erhalten. Im nördlichen Guldbrandsthal heißt der dritte Tag des Hochzeitsfestes der Klotzt ag. Da wird nämlich ein gewaltiger Fichtenklotz in die Brautstube gewälzt. Zuerst steigen Bräutigam und Braut hinauf und trinken sich einen Becher zu; dann folgt die ganze Gesellschaft paarweise nach, indem zugleich jedes Paar, nachdem es vom Klotz gestiegen ist, dreimal um ihn herumtanzt. Zuletzt wird der Klotz unter Scherz in den nächsten Bach gewälzt. Auch in schwedischen Landschaften ist das Zutrinken auf dem Klotze Sitte, während die Gesellschaft singend und schreiend darum tanzt. Der Tanz heißt Klotztanz (stabbdansen) . Bei Hochzeiten der Fürsten und Vornehmen wurde durch das ganze Mittel- alter der Fackeltanz aufgeführt, d. h. ein feierlicher Umzug der hohen Hoch- zeitsgäste sammt dem Brautpaare mit brennenden Fackeln, wobei am Schluss der Brautkranz (die Krone) ausgetanzt wurde (s. S. 78). Im Schwedischen war der Fackeltanz bei Hochzeiten der Reichem noch bis vor kurzem im Gebrauche. Einem solchen CeremonieU verdanke ich den schwedischen Fackel tanz (s. MB. 350), jedenfalls ein sehr altes nationales Musikstück, das der berühmte Akustiker Kauf- mann aus Dresden auf seiner Reise in Schweden aufgeschrieben hat. [Vergl. auch den französischen Fackeltanz MB. 190.] Die Schilderung eines bürgerlichen Hochzeitsfestes mit Schmaus (Guldenmahl) aus dem 18. Jahrhunderte in Regensburg mag nach der Zeitschrift für Kulturgeschichte (I, 470) hier folgen. Diese »Guldenmahlec waren bei gemeinen bürgerlichen Hochzeiten ehe- mals gebräuchlich. Die Zahl der Gäste war bis auf höchstens 54 zulässig; für jede mehr am Tische sitzende Person musste Strafe an das Hansgericht erlegt werden. Man speiste um 12 Uhr Mittags. Die Gesellschaft ordnete sich an vier abgesonderte Tafeln. An der ersten saß die Braut neben der Ehrenmutter obenan, sammt den Frauen; an der zweiten der Bräutigam imd derEhrenvater mit den ange- sehensten Mannspersonen ; an der dritten die Jungfrauen, an deren Spitze sich die Kränzeljungfer (Brautjungfer) befand; endlich an der vierten alle diejenigen Männer und Frauen, die an den andern Tafeln keinen Platz mehr fanden. Waren die Stühle einmal besetzt, so mussten die übrigen erscheinenden Gäste wieder nach Hause gehen. Nur der Bräutigam musste in diesem Falle seinen Platz einem Gaste überlassen, und speiste dafür auf dem Zimmer des Wirths. Sobald sich die Gäste gesetzt hatten , forderte man jedem das Mahlgeld ab, welches einen Gulden betrug. Daher diese Hochzeitsschmäuse »Guldenmahle« hießen. Erst nachdem bezahlt war, wurde aufgetragen. Die Zahl der Speisen war bestimmt, die Portionen waren alle gleich groß und so reichlich, dass auch der Hungrigste sie schwerlich hätte ganz verzehren können. Man stellte sich einen Teller an die Seite und hob sich dann auf, was man nicht essen konnte. Die Über- reste wurden DBescheid-Essen« genannt und zum Schluss der Tafel nach Hause geschickt. Wer sich etwa kein Bescheidessen anhäufen imd beim Tellerwechsel die Reste zurückgeben wollte, hätte sich einer allgemeinen Kritik Preis gegeben. Ehe die Tafel aufgehoben wurde, sprach der Pastor, der die Trauung verrichtet hatte, ein lautes Gebet, sowie er dies auch zu Anfange des Mahles that, dann wurde mit Musikbegleitung ein geistliches Danksagelied (Choral) angestimmt. Nach gesungenem Liede drängten sich die Dienstmädchen herein und überbrachten die Geschenke ihrer Herrschaften. Die Braut empfing diese stehend. Ihr zur Digitized by Google 184 Seite zeichnete ein Procorator jedes Geschenk auf. Man reichte der Magd einen Fokal mit Wein , aus welchem sie auf die Gesundheit des Brautpaares Bescheid that , d. h. trank. Die Geschenke wurden dann in großen Körben zur Schau ge- stellt und am hellen Tage nach der Wohnung der Neuvermählten getragen. Alsdann kam der Brautführer und führte dem Bräutigam die Braut zu, welcher sie auf dem Tanzsaale erwartete. Das Brautpaar tanzte umringt von Gästen und allen Mägden den Ehrentanz, d. i. eine Menuett ganz allein. Erst wenn diese geendigt war, fing der allgemeine Tanz an. Dieser dauerte bis 10 Uhr Nachts, wo dann ein Diener des Hansgerichts (Stadtgerichts) unter dem Namen Marktknecht mit einem lauten Spruche ankündigte : es sei nun die Hochzeit zu Ende. Nach dieser Aufkündigung wurden noch drei Tänze aufgespielt , wovon der letzte im ^/4Takt war und der Kehraus genannt wurde. — Noch vor den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wäre es für ein honettes Frauenzimmer ein großes Verbrechen gewesen, den Kehraus mitzutanzen ; später setzte man sich über diesVorurtheil hinweg imd man hüpfte und tobte beim Kehraus wie ein wildes Heer durch- einander. So ändern sich in kurzer Zeit Sitten und Gebräuche 1 Der Kehraus oder Grorsratertanz ist ein alter Reigen, der gegen Ende der HochzeitsfesÜichkeit und vor dem Braut- austanzen von allen Theilnehmem sonst getanzt wurde und noch jetzt als um- gehender Tanz nach Art der Polonaise überall zum Beschluss der Tanzlust gekannt ist. Er hat nach Taubert (Tanzmeister S. 87) seinen Namen daher, iweil er gemeiniglich zum Kehrab, Beschluss, Valet irgend einer Hochzeit oder sonst frOh- Uchen Gelags angestellt wird, dabei sich die sämmtlichen Gäste zu guter letzt noch einmal recht lustig machen und also das Gastgebot fröhlich endigen, gleichsam fein sauber abkehren.« Die Melodie gebe ich nach Überlieferung aus Thüringen und Sachsen, und gleichlautend aus Niederschriften zu Anfang dieses Jahrhunderts, in MB. 355. In Thüringen und anderwärts singt man seit Alters zum Kehraus oder Grofi- vatertanz folgende Worte, die ich nach Taubert (um 1710) wiedergebe : I. Theil. Langsamer, getretener Tanz im ^^ Takt. »Und als der Großvater die Großmutter nahm, Da war der Großvater ein Bräutigam, (Und die Großmutter war eine Braut, Da wurden sie beide zusammen getraut).« n. Theil. Rascher Springtanz, schneller Rundtanz im V4 Takt. »Mit mir und dir ins Federbett, Mit mir und dir ins Stroh, (Da sticht dich keine Feder nicht. Da beißt dich auch kein Flohl)« Von diesem Texte singt man die zwei eingeklammerten Stellen jetzt nicht mehr ; denn die Zeiten sind vorüber, wo Fischart ein Lied von der »Flohhatz und Weiber- tratz« schreiben und noch Goethe den »großen Floh eines KOnigsa poetisch be- handeln durfte. Die Ausführung des Kehrab geschah um 1700 in Sachsen ähnlich wie der Reiftanz, nur d^s man statt der Tannenreife hier Schnupftücher gebrauchte, um den Reigen herzustellen. Wie alt mag wohl der Großvatertanz sein? Zurückverfolgen lassen sich Text und Melodie bis ins 17. Jahrhundert. Sebastian Bach hat den zweiten Theil der Melodie vom Großvatertanz in seine Bauem-Kantate 1741 auf- Digitized by Google 185 genommen und aus der Jugend-Erinnerung niedergeschrieben (dehe MB. 161). Den Text kannte 1710 Taubert als schon alten, also gewiss ihm in seiner Jugend, um 1670, bereits bekannten. Jedenfalls ist der Tanz aber älter. Auf hohes Alter- thum deuten a) die überraschende Ähnlichkeit seines zweiten Theils mit den ältesten Reigenmelodien, b) der Taktwechsel. Wenn auch die siebenbfirgischen Sachsen ihren Großvatertanz besitzen (MB. 354), so wäre es doch zu ktlhn, zu ▼ermuthen, dass sie ihn im 12. Jahrhundert, als sie aus Niederdeutschland aus- wanderten, mit in die neue Heimath gebracht hätten. Auffallend ist, dass weder Text noch Singweise im 16. Jahrhundert irgendwo literarisch erwähnt sind, und dass es schon Ende des 16. Jahrhunderts einen Eehrab (MB. 77) gab, der ganz andere Melodie hatte. Auf die in ihrem Alter noch ^unerforschte Volkstanzweise giebt es zwei lange und langweilige Eunstdichtu gen: 1) »Als der Großvater die Großmutter nahm, da wusste man nichts von Mamsell und Madam«, Gedicht von Langbein 1812, zuerst gedruckt in Becker's Taschenbuch zum geselligen Vergnügen 1813, S. 100. Überschrift: iDas Großvaterlied. Nach der bekannten Tanz weise.« — 2) »Und als der Großvater die Großmutter nahm, da war der Großvater ein Bräutigam etc.«, Gedicht von Elamer Schmidt, 1794 zuerst gedruckt im »Neuesten Berlinischen MiLsen-Almanach« 1802, S. 99. Manche haben Elamer Schmidt für den Verfasser des Volksliedtextes halten wollen ; nur schade, dass 1710 schon Taubert aus seiner Einderzeit ihn kennt. Ein sonderbarer Gebrauch bei Hochzeiten in den Ortschaften an der Ahr ist der sogenannte »Nachbarstanzc. Nach Beendigung des Tanzens der Hochzeitsgäste kommt das gesammte gr6ßere Jungvolk des Ortes und fordert den »Nobers- daanzct. Es wird demselben nun Weißbrod, Branntwein und einige Musikanten verabfolgt und damit zieht das Völkchen in ein anderes Haus , wo eine Stube zum Tanzen geeignet ist, und macht sich dort fröhlich. »Wenn die Hochzeitsgäst sich laben , solin die Nachbarn auch was haben«, denkt man. Zwei märkische Hochzeits tanze aus dem 1 8 . Jahrhundert, und zuweilen noch jetzt üblich, sind nach ihrem dazu gesungenen Texte benannt : a) SchurtdenEedelut (Scheuert den Eessel aus). Sämmtliche Gäste rei- chen sich am Schluss der Hochzeit die Hände und , oft nur ein Musiker mit der Geige voran, rennen und toben sie in einer langen Reihe im Haus, ja oft im gan- zen Dorfe umher. Die Musik (MB. 352) geht aus ^4 '^^t im Polonaisen -Tempo, hat zwei'Theile mit Wiederholungen, der erste mit vier, der zweite mit sechs Takten. An diesen Tanz schließt sich unmittelbar : b) lEränzchen ist verloren« (MB. 353). Der Bräutigam , welcher, in derThür stehend, von dem Umgange zurückgeblieben ist, empfängt in dem zurück- kommenden Zug seine Braut und nimmt ihr den Eranz vom Eopfe. Nun gilt die Braut erst als Frau und hat mit jedem jungem Mädchen einmal herum zu tanzen. Eränzeltanz heißt in einigen Gegenden des bayerischen Gebirges ein Hochzeitstanz, wobei der Brautkranz ausgetanzt, d. h. der jungen Frau abge- nommen und unter Tanz einer der anwesenden Jungfrauen aufgesetzt wird . E r a n z 1 - Jungfer hieß die mit einem Eranz auf dem Eopf geschmückte Jungfrau , die auf Hochzeiten, in Eirche, bei Tisch und Tanz als nächste Umgebung der Braut figurirt. Weiteres über Hochzeitstänze in Bayern, Schwaben, Franken und Meck- lenburg s. Eap. Xm, S. 191 f. 195. 200f. 203. 206f. Zum Beschluss der Hochzeitstänze mag der gelehrte und lustige Leipziger Tanzmeister Taubert (S. 34) sprechen : »So haben auch die alten Teutschen keine Digitized by Google 186 Katsen-Hocbzeiten angestellt, sondern an ihren hochseitlichen Freudentagen gleichfalls ihre Lust und VergnOgung bei dem Tanzen gesucht. Wenn sie sich ganz satt und müde gesprungen hatten, nahm die Brautführerin gleich wie dort (Genesis 29, 23) Laban seine Tochter Lea bei der Hand und brachte sie zu dem Bräutigam in die Kammer. Fast auf eben solche Axt, wie noch heut zu Tage (1 700) an einigen sächsischen Orten in Gebrauch ist : wenn nämlich die beiden Braut- diener die Braut mitten aus dem Tanz nehmen und sie in Comitat der sämmtlichen Hochzeitsgäste zu ihrem Bräutigam in die Kammer führen, als welcher sich eine Weile vorher dahin zu Bette verfügt hat, um sie mit ihrem ganzen Braut- schmucke zu ihm ins Bett zu legen. Die sogenannte Brautmutter aber nimmt einen großen Auflaufer- oder »Propheten-Kuchen«, wie er genannt wird, schlägt denselben auf dem Brautbette mit der Hand in Stücken, als wollte sie gleichsam den Stab über die Jungfer und das Urtheil sprechen : Virgo fuit, nunc uxor erit, post denique mater. Hoc faxit Dominus, qui regnat trinus et unus.« Kapitel Xm. Allerhand Volkstänze, die noch jetzt zuweilen getanzt werden. Ich mache es mir zur angenehmen Pflicht, aus allen Gauen Deutschlands die alten Volkstänze zu beschreiben, die unlängst außer Kurs gesetzt wurden und nur noch wenig gekannt sind. Was ich zu dem Behufe aus sittengeschichtlichen Büchern und gelegentlichen Zeitungsnotizen zusammengetragen und selbst vor Jahren durch Anschauung kennen lernte, findet der freundliche Leser hier zu- sammengestellt und er mag sich einstweilen damit begnügen, bis Andere nach mir noch mehr bringen. Ich meine, dass es die höchste Zeit war, aus Anschauung die alten Volkstänze zu schildern und die Beschreibungen davon zu sammeln , da es, wie der gesungenen alten Volkslieder, bald keine mehr giebt. Solche Volkstänze sind gegenwärtig nur noch hier und dort auf dem Lande und zwar möglichst weit von der Alles beleckenden Weltkultur in entlegenen Dörfern zu finden. In diesen Bauemtänzen nun, was Stellungen, Figuren und Wendungen anbelangt, variirt eine Provinz von der andern und sind die Namen für einen und denselben Tanz landschaftlich verschieden. Auf Kirmsen und Hochzeitsfesten kann man zuweilen noch alte Tanzarten sehen ; die nach altdeutschem Brauch mit Gesang und Gebärdenspiel verbundenen Tänze werden immer seltener und bald wird es kommen, dass sie als ein Historisch- Gewesenes nur noch in Büchern stehen und das Volk selbst sie gar nicht mehr tanzt. Lehrreich für den Freund der Sittengeschichte und jeden Gebildeten ist es jedenfalls , etwas Näheres von den verschollenen oder im Absterben begriffenen Volksbelustigungen zu erfahren. Amüsant für Zuschauer sind solche Landtänze ; deshalb Heßen sich oft Fürsten an ihren Höfen zur Kurzweil in der Faschingszeit und bei Maskeraden solche Bauemtänze im Nationalkostüm vorführen. Und in der That sind viele ländliche Tänze in ihren Wendungen und Figuren oft anziehender, Digitized by Google 187 als die französischen Kunsttänze. Weiß doch mancher junge Dorf- Oalan seine Fhyllis beim Dorfhochzeits- oder Kirchweihfesttanze so graziOs herumzuschwingen, dass man glauben mOchte, er habe bei einem Tanzmeister solche Kunst erlernt. Nun, beginnen wir unsere Rundfahrt durch Deutschland , um nach alten Volks- tänzen zu suchen. a) Volkstänse in Ober- und Hiederbayem.^ Die Kirchweih im Monat September ist vor allem ein Freudentag fOr das tanzlustige Volk , denn am »Kirtac darf nach Herzenslust vom Schluss der Vesper an bis an den frühen Morgen getanzt werden.^ Dabei kommen alle landesüblichen Tänze nach einander an die Reihe, die wir unten anführen wollen. Die allgemeine Klage über Abnahme und Erlöschen wahrhaft yolksthümlichen Lebens in Tracht und Wohnung, Brauch und Sitte drängt sich ebenso lebhaft bei der Wahrnehmung auf, dass die alten, charakteristischen und schönen Tanzweisen auch auf dem Lande immermehr verdrängt werden von den modernen Touren städtischer Bälle ; Polka, Fran^aise, ja selbst Polka-Masurka werden (natürlich in grässlicher Übersetzung ins Plumpe) von den bayerischen Bauern gestampft, deren natürliche Geschicklichkeit in den zierlichen alten Tänzen oft sogar eine ge- wisse Grazie entfaltet hatte. Nur selten finden sich noch Spuren von den früher allgemein üblichen Reihentänzen im Freien »auf g^ner Wiese um den jungen Maien«. Im ganzen schwäbischen und bayerischen Vorland kommt beim Kirchtag der Name Betteltanz in verschiedenem Sinne vor: a) Am Lechrain führt jeder Bursche ein Mädchen, das noch keinen Schatz hat, am Nachkirchtag nach der Kirche zum Tanz, und schickt für die Gunst dieses Tanzes der Mutter einen Krug Bier und ein Paar Brezeln. Dieser Tanz heißt dort der Betteltanz ; dadurch wird die Härte verhütet, dass Mädchen ohne Liebsten gar nicht zum Tanz kämen ; denn jeder Bursche tanzt nur mit seinem Schatz. Anderwärts freilich hat der Knecht die Dirne* des Hauses zum Kirta zu führen , wenn er auch einen andern Schatz hat, oder der Sohn die Tochter des Nachbars (unfern Tegemsee) . — b) Andern aber ähnlichen Sinn hat der Betteltanz im Ampergrund. Der von den Spielleuten be- stellte Tanzordner (Aushalter) mit seinem Ehrenzeichen, dem bändergeschmückten Stab , stellt sich in die Mitte ; nun wählen zuerst die Burschen , dann die Mäd- chen einen Partner für drei Touren , thun einen Schluck aus dem Bierkrug des Aushalters und zahlen für beide Freiheiten 3 Kreuzer. Auch hier wird den Mäd- chen , die keinen Schatz haben , Gelegenheit zum Tanz gegeben. Während der übrigen Touren stehen solche denn gar traurig an der Thüre und spähen sehn- süchtig herein; oft müssen sie dabei schweren Spott ertragen. Sie suchen sich da- her meist sobald als möglich einen Burschen, den sie »gen Bier haben«, d. h. der sie zum Tanz und Bier führt. Bemerkt sei , dass sonst und jetzt in manchen Ge- birgsgegenden jedes Frauenbild vom Tanzboden gewiesen wurde , die lediger- weise ein Kind gehabt hat. Die noch üblichen Tänze im Vorland sind: der schwäbische Langaus, ein gar sittiger, bildsamer Tanz, ein Ländler für Ein Paar, das getrennt tanzt, wo- bei das Mädchen sich mit gesenkten Augen stille drehend fortbewegt , indess der 1 Nach Bavaria I, S. 380—383. 2 In den meisten Gegenden Bayerns darf ohnehin nur an wenigen Tagen getanzt werden. Tanzzeiten sind außer Kirchweihfest noch Fastnacht, weißer Sonntag, Cä- cilia, Pfingstmontag, Martini und Kathrinentag, sowie die Jahrmarktstage. Digitized by Google 188 Bursche es umkreist und auf allerlei Weise , jedoch lange nicht so stürmisch wie im bayerischen Ländler , seine Freude und Liebe pantomimisch ausdrückt. [Ba- varial, 381.] Ein sehr kunstvoller, früher fast in jenem Vorland (Oberbayem) allein üb- licher Tans war der sogenannte Sechser-, Achter- oder ZwOlfertanz, eine Art Quadrille, deren zwei Haupttheile, im Menuettschritt getanzt, oft über 20 ver- schiedene Touren umfasste. Im zweiten Theil wurden diese Touren mit Ländler- schritt rasch wiederholt und zuletzt wurde die Tänzerin von den Burschen der Reihe auf verschlungenen Händen getragen, was lEngeltragena hieß. Die eigentlichen Virtuosen dieses Tanzes sind aber ausgestorben ; nur selten begehrt ein ehrsamer alter Bauer noch heute (1860) von den Spielleuten vergeblich diesen vergessenen altfeierlichen Tanz, dessen zierliche Windungen unser ungeduldiges Geschlecht nicht mehr erlernt. [Bavaria I, 381.] Am häufigsten werden getanzt : a) der Dreischritt-Walzer, der in den meisten Gegenden erst seit Anfang dieses Jahrhunderts an die Stelle der sonst üb- lichen Tänze im Quadrillenstil getreten ist und in sehr langsamem Tempo aus- geführt wird ; er führt seinen Namen zum Unterschied von dem durch 6 Schritte (Pas) auszuführenden Wiener Walzer, geht aus langsamem Ys l'&kt und wird auch Schleifer genannt; — bj der bayerische Ländler, der insbesondere von dem lebhaften Gebirgsvolke an der Mangfall und der Loisach mit furchtbarem Stampfen und unaufhörlichem Pfeifen, Jauchzen und Singen begleitet wird. In dem Gebiete unfern Tegemsee wird dies »Platt Ina mit großem Eifer und naturwüch- siger Grazie geübt; es geht dabei immer sehr laut her: Jauchzen, Pfeifen und Ge- sang des höchst tanzlustigen Volks übertönen oftmals die gellenden Klarinetten und Trompeten, die gewöhnlich zum offenen Fenster hinausgeblasen werden, um neue Gäste anzulocken. Auch auf dem linken Ufer des Innthals ist die Tanzlust außerordentlich groß; man tanzt dort nicht nach Scharen, sondern alle Paare tanzen bei jeder Tour zu- gleich. Das sogenannte «Austanzen der Mädchena mußte im Jahre 1846 vom Landgericht in Rosenheim aus Gesundheitsrücksichten verboten werden , da gute Tänzerinnen selten ein paar Minuten an ihrem Platze blieben, sondern unausgesetzt den ganzen Abend und die Nacht durch tanzten.^ — Einen auffallenden Gegen- satz hierzu bildet die Ramsau, wo an den drei einzigen Tanztagen [Eirchweih, Fastnacht und £athrey] oft alle Buben nur 3 — 4 Tänzerinnen haben, weil die meisten Mädchen dort gar nicht tanzen können. Auf diesen Kirtagen tanzt man gewöhnlich nach Scharen, d. h. je 4 Paare, die für eine Schanze (das sind 3 Touren) 1 fl. 12 kr. bezahlen. Einzel tanze werden ungern gesehen. Der prahlerische Bursche, der (den SpieUeuten das Tam^ geld zuwerfend und den Andern die Zeit wegnehmend) mit seinem Schatz allein oder höchstens mit einigen Freunden, denen er die Theilnahme gestattet, den An- dern vor der Nase herum tanzen will , wird gar bald mit Trutzliedem gestraft, deren unausbleibliche Folge zuletzt eine erfreuliche Rauferei ist, welche in vielen Gegenden so nothwendig an den Schluss einer rechten Kirchweih gehört, wie Messe und Vesper an den Anfang. Das Verbot solcher Trutz- und Tanzliedchen lässt sich natürlich so wenig durchführen wie das Verbot, Spielhahnfedem (diese permanente stillschweigende Aufforderung zum Raufen) auf dem Tanzboden zu tragen. — Häufig hat jeder Bursche einen Tanz für sich, und alle Andern, die daran Theil nehmen, der Reihe nach zu zahlen. Früher war es allgemein ^ Ganz ähniichwie die sächsischen »Durrtfinie« (Durchtanze), s. oben S. 120. Digitized by Google 189 üblich, »nach Tbchenc zu zechen und zu tanzen (d. h. es bildeten sich Gruppen aus Verwandten und Freunden, welche den Wirth und die Spielleute aus ge- meinsamer Kasse bezahlten; dies patriarchalische Sgusammenhalten weicht aber immer mehr der modernen Neigung nach Vereinzelung in Genuss und Leistung. — Häufig kommt es vor, dass die angesessen verheiratheten Bauern an einem bestimmten Tage ihre Eheweiber feierlich zum Tanz zu führen haben (z. B. Fast- nachtsdienstag, dem »unsinnigen Pfinstag«) oder dass sie sich auch zum Eirta eine besondere Schanze von drei Touren aufspielen lassen, wovon die Ledigen ausgeschlossen sind. Einige interessante ältere Tänze sind der im Salzburgischen noch übliche »Auf und ab«, wobei jedes tanzende Paar ein bestimmtes Brett nicht verlassen darf; dann der Spieltanz am Sonntag vor der Kirchweih, in welchem die beiden angestellten Platzmeister zur Einübung der Andern sämmüiche ortsübliche und früher oft complicirte Tänze ausführten und dann noch nachtanzen ließen. Acht Tage nach der Kirchweih erfolgte der Hut-Tanz, bei welchem ein Hut als Ge- winn ausgewürfelt wurde; beide sind im Land an der Sempt und Isen noch üblich. Endlich kommt im Lande an der obem Paar auch noch der im Taktwechsel ausgeführte Tanz »der Nagels chmie de vor, nach der Melodie d^s folgenden Schnadahüpfls getanzt und jedenfalls aus der Oberpfalz herüber gewandert (s. S. 193) : »Heirath i en Krama, muß i aufs Land, Heirath i en Schinta, is mers a Schand, Heirath i en Nagaschmid, han i Tag und Nacht kan Fried : Gnigelt, gnagelt, gnagelt muß sein.« [Bavaria I, 382.] Während anderwärts jeder Bursche seinen Schatz offen und frei zum Tanze führt , den Ehrentag seiner Liebe am Kirta feiert und sein Mädel in einem beson- ders dazu bereit gehaltenen Stübl bewirthet, besteht in ganz Niederbayem die selt- same Sitte, dass die Burschen ohne ihre Mädchen zum Tanz gehen; diese kommen dann in Begleitung von Freundinnen nach und halten bescheidentlich am Tanzplatz unfern der Thüre, der Ladung zum Tanze gewärtig. Dies harrende Stehen heißt »Staanenc und keineswegs sind Alle so glücklich , geholt und erlöst zu werden; im Gegentheil, da die Sitte daselbst fordert, alle Liebschaft und Zu- neigung streng geheim zu halten, so lässt oft der zärtlichste Liebhaber sein Mädel im Winkel warten, holt sie zu einem flüchtigen Tanz und lässt sie dann nach einem Schluck aus seinem Kruge wieder laufen. Auch im Gebirge, z. B. im Isarwinkel, kommt die Sitte vor, dass der Bursche nicht selbst sein Mädel zum Tanz führt, sondern von einem Freunde, den er dafür bezahlt, holen lässt. Eine eigenthümliche schOne Kirmesfeier ist der sogenannte Almenkirta, den die Sennerinnen auf der Alm am Sonntag nach Jakobi (25. Juli) , besonders in den Seitenthälem des Traungaues mit großer Lustigkeit begehen. Es wird oben in den »Kaserne gekocht was sich nur aus Mehl, Milch und Butter bereiten lässt. Die Buben bringen Bier und Branntwein aus den Thälem hinauf und nun wird nach der Zither die ganze Nacht hindurch getanzt und gejubelt, und zwar mit desto größerer Freiheit und Sorglosigkeit, als es ober dem Wetterkreuz bekanntlich keine Sünde gibt. (Bavaria I, 383.) Schnliplattl-Tanz^ auch Schuhplattler und Haxenschlager genannt, ist ein schwer zu beschrei- bender Nationaltanz der Alpenbewohner in Salzburg, Tyrol und dem bayerischen Digitized by Google 190 Oberlande (unfern Tegemsee). Es ist ein Ländler für nur ein Paar, wobei das Mädchen mit sittig gesenkten Augen stül sich fortdreht, der Bursch indes sie um- kreisend auf allerlei Weise ^eine Freude und Liebe pantomimisch ausdrückt. Dabei stampft er mit den Füßen, klopft mit den Händen nach dem Takte der Musik auf Schenkel , Eniee und Fußabsätze , macht auch wohl einen Purzelbaum oder schlägt Räder, springt über das Mädchen hinweg oder lässt sie unter seinem Arme sich drehen und dreht sich wieder unter dem ihrigen durch , nimmt sie aber nur selten, dann aber feurig, in die Arme und zuletzt, wenn er die altüberlieferte Kunst ehren will und Kraft genug dazu besitzt, schwingt er sie in die Höhe, hoch über sein Haupt und lässt sie wieder zierlich herunterflattem. Es ist eine Liebeswerbung in Gebärden. — In dieserWeise wird er gewöhnlich am Bartholomäus tag (24.Aug.) in den oberbayerischen Alpen getanzt, besonders unfern Tegernsee auf der Vallep (Jägerhütte am Berge), wo der in jahrelang enMühen abgehärtete Jäger Yon seinen Felsen heruntersteigt und die sonst von der Welt abgeschiedene Sennerin den ein- zigen fröhlichen Tag im Jahre begeht. Fanny Lewald giebt eine Schilderung von diesem Tanze in der Augsbuxger Allgemeinen Zeitung 1859, Beilage 238, darin sie ganz richtig bemerkt: sEs ist nur ein Vorurtheil, wenn man den Tanz der SüdvOlker Europas graziöser nennt. Auch unser gestrampfter Gebirgsländlerist graziös, und kräftiger spricht sich gewiss keiner aus. Man kann nichts Lieblicheres sehen , als wenn das Mädel aus den Armen ihres Buben entschlüpft, sich mit niedergeschlagenen Blicken wie eine surrende Spindel so um sich selbst dreht, während der Bub, im Gefühl seiner MannesherrUchkeit und des Sieges im voraus gewiss, in die Mitte des Kreises springt, den die drehenden Mädchen bilden , und nun das Strampfen , das Klatschen , das Taktschlagen auf Schenkel und Waden, das Jauchzen mit künstlerischer Sicherheit vollbracht wird, wobei der Tänzer die sich weit weg von ihm drehende Tänzerin niemals aus den Augen verliert , um im rechten Augenblick wieder auf sie hinzu- fliegen, sie in den Arm zu nehmen und mit ihr herum zu walzen. Ehe er dies aber wagt , stürzt er schnell vor ihr auf die Kniee und dann erst umschlingt er sie. Es liegt eine starke Sinnlichkeit darin, gleichwie im Saltarello, Fandango und Bolero, nur das Chevalereske des Südens fehlt.« Ganz derselbe Tanz wie der Schuhplattler ist der »Schwäbische Langaus«, auch der »Schweinauera in Bayern genannt. Auch unter dem Namen Neu - bairisch kommt er vor. Ein sehr beliebter Tanz im ehemaligen Fürstenthum Passau heißt : Vogel, hupf auf d' Höh. »Nirgends sieht man ihn mit solcher Lebhaftigkeit und sitt- lichen Grazie tanzen, als hier,« so behauptet 1856 als Augenzeuge der bayerische Oberlieutenant Schuegraf in der Zeitschrift für Kulturgeschichte!, 465. »Bald wird gehüpft, bald gestampft, jetzt mit den Händen in einander und auf die Kniee ge- klatscht , darauf gedreht und endlich gewalzt. Viel Ähnliches mit ihm haben der Schartanz im bayerischen Oberlande und der Thüringer Kirmestanz. c Der Hopfenvogel war ein altes Singstückchen zu einem ländlichen Tanze in Bayern, nach Art der Schnadahüpfln. Es fing an (nach Schmellers bayerbchem Wörterbuch H, 222) : »Bist denn du der |: Hopfenvogel? :| Bist denn du der {: Steig auf d' Leut? :| Steig auf mi, hast a net weit.« Im Salzburgischen heißt derselbe Tanz der »HoppetvogeU, darin man zierlich nach der bestimmten Singweise nachzuahmen sucht, wie ein Vogel hüpft und nach Digitized by Google 191 Futter scharret. £m schwäbischer Tanz , wobei nach Art der Vögel gehüpft und nach Futter geschrieen wird , heißt Hoppenvogel. Hoppich heißt ein Tanz der DeutschbOhmen am Riesengebirge [Schmalfuß, Die Deutschen in Böhmen S. 77]. Lassen wir von den Hochzeitstänzen in Oberbayem (Bavaria I, 403 — 5) uns etwas erzählen. Die Hochzeitsschmausereien in Nieder- und Oberbayem wer- den durch allerlei oft langdauernde Tänze unterbrochen, in denen der Jubel des Tages am lebendigsten ausbricht. Schon vor dem Mahl wird in manchen Gegen- den der sogenannte Hungertanz gehalten, bei denen sich die Partner so zu- sammenfinden, wie sie dann den ganzen Tag über bleiben. Derselbe wird häufig Yon dem Kranzpaar eröffnet ; vor Beendig^ung desselben darf kein Bissen genossen und kein Bier eingeschenkt werden. In Tegemsee wird schon vor Anfang des Mahles (bis i Uhr) fleißig getanzt und dabei die Musik nach Scharen bezahlt. (Scheinbar will man sich guten Appetit und gesunden Hunger ertanzen.) Ebendaselbst ist beim Auftragen des Krautes der Kraut tanz üblich, während desselben die Braut gestohlen zu werden pflegt. Mädchen , die bei diesem sitzen bleiben , heißen Krauthüterinnen oder sie »bringen den Hund heimt, eine schwer zu verwindende Schmach. Nach dem Mahl wird der erste Ehrtanz gehalten, den die Braut mit dem Kranzherm (Brautführer) oder dem Ehrvater oder dem Hochzeitlader zu beginnen hat. Beim Anfang desselben spielen die Musikanten lauter falsche Noten und kommen aus dem Takte , die Braut vermag plötzlich nicht mehr aufzutreten und beginnt zu hinken ; es kommt nicht eher Alles wieder in Fug und Schick, bis die Braut auf Anrathen des Hochzeitladers den Musikanten einen Pfennig, dann einen Kreuzer und endlich einen blanken Oulden verabreicht hat, damit sie sich eine Salbe kaufen sollen. Der Hochzeitlader nimmt ihr das Quldenstück aus ihrem Schuh mit den Worten heraus: »Schau, bei euch ist ein Nagel durchgegangen Itf — Nach dem Ehrtanz und freiwilligen Hinken der Braut wird in manchen Gegenden das Ehestands-Aus- und Eintanzen gehalten, indem zwei Buben, zwei Jung- fern, zwei Männer und zwei Weiber drei Touren als Partner zusammen ausführen. Ein schöner poesievoller Tanz im Lechrain war der sonst übliche Kunkel- tanz. Gegen Mitte des Mahles vor dem Braten ziehen alle Gäste unter Vorantritt der Musik nach dem Hochzeitshaus. Dort auf der Tenne oder dem Vorplatz bringt die stärkste Kranzeljungfer die Kunkel herbei mit einem zierlich geflochtenen, bebänderten und mit der Spindel besteckten Rocken. Andere Mädchen fassen die Enden der lang niederhangenden Bänder und unter diesem Gitter der gespannten Bänder tanzt nun , das Brautpaar voran , die ganze Gesellschaft. Darauf wird die Kunkel im festlichen Zug nach dem Wirthshaus gebracht und dort an der Seite der Braut aufgestellt. Gegen Ende des Festes tanzt der Bräutigam mit der ältesten Ehrmutter, der Hochzeitlader dagegen mit der Braut. Der Bräutigam muss viele necki- sche Anspielungen und Fragen sich gefallen lassen, z. B. ob er denn nicht tauschen wolle mit der Tänzerin, und endlich wird ihm die Braut gegen ein Löse- geld von dem Hochzeitlader übergeben, der mit der ehrwürdigen Partnerin weiter tanzt und endlich dieselbe unter großem Gelächter auf einem Schubkarren (»eine Nadeltruhea) packt und eilfertig zur Thür hinausfährt. In dem letzten Fest tanz der Braut mit dem Kranzelherm nimmt dieser ihr am Schluss den Kranz vom Haupte und überreicht ihn auf einem Teller dem Bräutigam, zu welchem poetischen Symbol jedoch die prosaischen Worte gesprochen werden : »Nun wünsch' ich besten Appetit, Herr Hochzeiteria — Anderwärts wird Digitized by Google 192 nur der Rosmarinzweig in dem Kranze der Braut von den Eranzjungfem oder dem Hoclizeitlader geknickt und dem Bräutigam überreicht. Nach dem geschilderten Überreichen der Braut an den Bräutigam tanzen neben dem jungen Paar die zwei Kranzjungfem mit den zwei Jungfemkneehten (d. h. zwei besonders flotten^ auserkorenen Burschen), darauf tanzt der Brautführer der Reihe nach mit allen anwesenden Weibern und Mädchen (nur die Mutter der Braut darf auffallenderweise in manchen Gegenden am Feste gar nicht theilnehmen, sie steht in Werkeltagskleidem unter den Zuschauem). Am Schluss der ganzen Feier, wenn das Brautpaar sich entfernt, harren auf dem Gange an der Hausthüre (dem »Fletza) Wirth und Wirthin und tanzen zum Abschied noch eine Tour mit Braut und Bräutigam, und die Ehre dieses F 1 e t z - tanze s darf keinem Wirthspaar verweigert werden. Dabei wird der Wirth häufig auch durch den Hochzeitlader vertreten, namentlich wenn er durch zu eifrige Labung am Bier, zu wohlbeleibt oder zur späten Stunde nicht mehr im Stande ist , sein Ehrentänzlein mit Sicherheit und Würde auszuführen. Abweichend ist die Tanzordnung im Traunkreise : vorerst wird schon während des Brautstehlens zwei bis drei Stunden getanzt, dann nach der Befreiung der Braut folgen die Ehr tanze. Zuerst tanzt die Eranzljungfer mit der Braut allein drei Reigen, worauf sie den symbolischen Rosmarinzweig der Braut knickt und dem Bräutigam überreicht ; es folgt eine Schanze (drei Touren) der Burschen unter sich, darauf des Hochzeitladers und der Braut; sodann tanzen Ehrvater, Ehrmutter, Kranz- jungherm und Eranzjungfem ; und endlich die Läufer ihren besondem Ehrtanz, der immer mit einem Tusch schließt. Erst wenn der Ehrtanz vorüber, kleiden sich die Weiber um und die Freitänze beginnen. An den sogenannten Freitänzen dürfen außer den Hochzeitsgästen auch Andere, die nicht zur Hochzeit geladen waren, theilnehmen ; von der Fröhlichkeit des Tages und der Tanzgelegenheit angezogen, finden sie sich ein und haben sich auf eigene Kosten mit ihren Tänzerinnen zu unterhalten , auch die Musik zu be- zahlen. b) Tänse in der Oberpüftls. Wie überall so ergOtzt sich auch hier die Jugend zum Eirchweihfest am Tanz , der just nicht mit besonderer Zierlichkeit ausgeführt wird. Der Enäul von Theilnehmern bewegt sich in enger Stube auf einmal herum , so lange die Musik dauert. Dabei fasst der Bursche die Dirne bei den Schulterblättern, während sie beide Hände um seine Hüfte schlingt und sich eng an ihn anschließt. Die gewöhnlichen Tänze sind hier der langsame Halb-Bayrisch {^/^ Takt), der schnelle Walzer (% Takt), der Dreher im 2/4 Takte (I). An der Altmühl sagt man Schleifer für Walzer und Noppet für den Dreher im geraden Takte. Theilweise haben sich selbst bei unserm Bauemvolke die Polka, Schottisch und Regdowak (Redowa) eingebürgert. [Bavaria ü, 315.] Eine höchst originelle Tanzweise , die in der Oberpfalz allenthalben Geltung hat, ist das sogenannte Ein treten, d. h. Wechsel von Schleifer undDreher (^4 Takt) in einem und demselben Tanzabsatze. An der Altmühl und namentlich im Schambachthale wird diese Tanzart bis zur Virtuosität getrieben. Je nach dem Rhythmuswechsel unterscheidet man: Einfacher, Zweifacher (Doppelter) und Dreifacher. Geläufiger sind aber die Namen dafür, die von den Versen her- stammen, nach deren Silbenmaß das Tanzmaß sich regelt, als da sind : der Nagel- schmied , das Eisenkeilnest , der rothe Thurm , der Schamerthaler , das schwarze Mäuserl, das Gso-Loch, a seides Firta, an oanzigs Henl, Dimdei heißt mein Wei etc. Digitized by Google 193 Der Einfache wird nach folgendem Rhythmus getanzt, in welchem ein Takt gesdüifPen und ein Takt gedreht wiid, wofOr der folgende Text das Maß giebt : 'A J J J I % J J I J j Jl U\ J J jl J Ji j J Jl J il. 1. An oanzigg Henl, 2. An oansigs Henl An oanzigs Ei: Und des a Scheck : Wie well'n ma haus'n, Und thout's net leg'n, 8an nnsa swei. Na ihoon mer's weg. Ein Doppelter hat zwei % ^i^d dann zwei y^ Takte, also folgenden Rhythmus: V*J J JIJ J JiMAJ JIJ Jli v*r r rir r rii V4r rir iii Folgender Sprach giebt den Takt an : Hon i mein Lein in da Leit'n g'sat, Hat mir*n da böhmischa Wind vowaht. BOhmischa Wind, i bitt di schSf LasB mir mein Lein in da Leifn stelT . Im Dreifach wechseln je drei Takte Walzer mit drei Takten Noppet^ nach folgendem Rhythmus : 'AJ J /3IJ J JIJ./J1 v*J JIJ /3 l/-? Jll ,/ j j j I j j -n I vo JIJ JIIJ ili Das G'sangl dazu »A seides Fürtaa (Vortuch, Schürze] lautet : 's D6andl hat a seides Fürta um, N^, na , seides is net ; Bei da Mitt mueß ma's n^hma, Na thöut ma's scho k6nna, Ob's a seides is oder nit. Zu den complicirten Tänzen mit Taktwechsel gehört »der Nagelschmid« (s. S. 189), wofür folgender Text den Rhythmus angiebt : Heirath i an Schneida, L^-it'tL, ■/•JjJJiJJiJJJijni M.oiiirf.L«.d. .f; J JIJ J Jl/] J Jl J Jl Heirath i an Nogelschmid, » , , p. , , p. , . p. . . . , , Gibt Tag und Nacht kein Fried: /OJjlJjJlJjJIJ*'!! G'nigelt, g'nogelt, g'nogelt muoß sei*. Die ersten sechs Verse entsprechen je zwei Takten Walzer ; der Refrain giebt vier '^/4 Takte zum Dreher. ' Böhme, 0«BCh . d. Tanxes. 1 3 Digitized by Google 194 Jede dieser Tanzweisen hat natürlich ihre eigene Musik, ^ die der Bursch innehaben muss, wenn er nicht Qefahr laufen will aus dem Rhythmus zu fallen. Der flotte Tänzer der Oberpfalz kündet sich nicht in seiner naturwüchsigen Grazie der Bewegung und jener Lebendigkeit an, wie sie etwa der südbayerische Gebirgler in seinem »Langaus« bewfthrt, sondern vorzugsweise in der Sicherheit des Takt- wechsels beim Doppelten und Dreifachen, beim Riedenburger (2 mal ge- schliffen und 3 mal gedreht) und Schamerthaler (4 mal geschliffen, 3 mal ge- dreht} und den übrigen zahlreichen Varietäten des »Eintretensa, wie man diese Gattung Tänze nennt. Zwiefacher, 2 ein alter Bauemtanz im Wechseltakt, ist nicht nur in der Ober- pfalz gekannt, sondern wurde auch von den fränkischen Bauern nördlich von Nürnberg bis Bamberg viel, aber seit 1830 sehr selten getanzt. Diese, aus besagter Gegend kommenden fränkischen Bauern, welche durch reiche, aber absonderliche Tracht sich auszeichneten, sind jedenfalls Wendenabkömmlinge ; wegen ihrer Kohl- und Gemüsezucht heißen sie in Nürnberg nur die ^»Enoblauchbauem«. Offenbar ist dieser Zwiefacher (davon MB. 290 eine Probe giebt) noch ein Rest wendischen oder überhaupt slawischen Nationaltanzes, der mit den Einwanderern von Böhmen nach der Oberpfalz und Franken gekommen ist. Denn auch unter den heutigen Czechen (in Böhmen) giebt es einen solchen alten Tanz mit Taktwechsel (MB. 293), der bei- nahe Note für Note mit einem Oberpfälzer übereinstimmt. — Die Ausführung die- ses fränkisch-oberpfälzischen Bauemtanzes entspricht bei den Stellen aus % Takt unserem Walzerschritt. Während des ^4 Taktes führen die Paare ein bärenmäßiges Wiegen und Schwenken aus, bei welchem der Körper ohne Vorwärtsbewegung, ab- wechselnd sich auf den linken und rechten Fuß stützt. In der Oberpfalz heimisch sind noch der Drisch lag 3, wobei der Tänzer den Takt mit den Füßen stampft. Ferner an der böhmischen Grenze der Bocks- hammer'sche, wobei ehedem der Bock (Dudelsack) das Hauptinstrument war. In der Umgegend von Waldmünchen an der böhmischen Grenze war sonst der Bojarsche (Bayerische) gebräuchlich, der aus zwei Drehern und zwei Schleifern bestand. [Schuegraf, Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 465.] 0) Tänze in Schwaben. Im bayrischen Kreis Schwaben und Neuburg kann man an Kirchweih- festen , Hochzeiten und dem gumpigen Dienstag (Fastnacht) noch manche älteren Tänze zu sehen bekommen. Man unterscheidet sie dort in »gerade« (wozu der Ländler im ^4» &^^^ auch im ^4 Takt gehört) und in »offene« Tänze; Letzteres ist der deutsche Tanz (s. S. 203), der nach alter Sitte immer nur von einem Paare und zwar von jedem Partner einzeln und frei (nicht angefasst) getanzt wird ; der Tänzer bewegt sich in mannigfaltig wechselnden Figuren um seine Tänzerin, die mit sehr kleinen Schritten und sittsamer Haltung sich um sich selbst drehend einen ^ Zwölf OberpfSlzer Bauemtänze hat der Münchner Kapellmeister Max Kunz in der Musik-Zeitschrift Cäcilia (27. Bd. 1848) in Noten mitgetheilt, ohne Textunterlage und ohne Beschreibung der Ausführung des Tanzes, der bald Zwiefacher, bald »Gr ad und Ungrad« genannt wird, aber stets Wechseltakt aufweist (MB. 291. 292.) 2 Zwiefach tanzen, d. h. nach der Sltem bayrischen Manier, deren Musikweise in dem bekannten Volkslied »der Nagelschmid« nachgeahmt und ausgedrückt ist (SchmeUer, bayer. Wörterbuch IV, 299). 3 Drisch lag hat man wohl, als Dreischlae (3/4 Takt) zu nehmen, wobei mit den Füßen dreingeschlagen wird. AhnUch ist das Vierfach tanzen, die Tanzweise, bei welcher man zum Walzen mit Händen und Füßen den Takt schlägt. (SchmeUer, I, 632.) Digitized by Google 195 Kreis beschreibt. Nur selten fassen sie sich an den Hftnden und höchstens am Schlüsse umfangen sich beide zu einem eigentlichen Walzer. Dieser offene Tanz nach schwäbischer Sitte (also Schwäbisch), sehr ruhig und bemessen ausgeführt, sieht sich sehr gefällig an. (Bayaria 11, 832.) Ein dritter, höchst eigenthümlicher Tanz gehOrt fast ausschließlich dem obern Allgäu an und scheint besonders von den Leuten der obern Pfarreien mit eigner Vorliebe und Fertigkeit getanzt zu werden; er heißt der Fischinger-Tanz oder »die drei ledernen Strumpf« nach den Anfangsworten des Liedes , das nach eigener Melodie zu diesem Tanze gesungen wird. Es wird von einem, sich gegen- überstehenden Paare ausgeführt und zeigt in einer Beihe von Pantomimen eine ▼ollständige Liebesgeschichte, mit schüchternem Qruße beginnend und durch Scherz und Zärtlichkeit, wie durch Schmollen und Streiten zu endlicher süßer Vereinigung führend. Bursche und Mädchen etwa drei Schritte von einander ent- fernt, schlagen bei jeder Figur zuerst mit beiden Händen auf ihre beiden Hüften, klatschen dann die Hände zusammen , worauf eine wechselnde Bewegung kommt, und zuerst ein Grüßen mit dem Kopf, worauf wieder der Hüften- und Händeklatsch, dann ein Überskreuzschlagen mit den Händen , worauf sich das Paar die Bechte reicht und einen dreimaligen Kreis tanzt. Der Schlag an die Hüfte , das Hände- klatschen und der dreimalige Kreis bleiben sich bei jeder Figur gleich, dem Kopf- nicken folgt aber dann ein Drohen mit dem Zeigefinger der rechten Hand, während die Linke sich in die Seite stemmt , femer ein Aufheben der ganzen Hand , ein Verschlingen der Arme und Auflegen der Rechten auf die Schulter des Partners, Vorstrecken des Fußes auf dem Absatz, zierliches Vorbeugen des Leibes nach rechts und links mit freundlichem Kopfnicken und zuletzt ein Kuss. Als Varianten kommen vor : Drohen mit der Fauste Zupfen an Ohr und Nase und statt des Kusses zuletzt ein Handschlag. Zu dem Tanze wird von den Zuschauem ein Lied ge- sungen, welches ziun Theil in der symbolischen Sprache der Schnadahüpfl die Bewegungen begleitet und erklärt und den Verlauf einer Liebesgeschichte erzählt. (Bavariall, 833.) Bei Hochzeiten finden wir auch in Schwaben den Kunkel- oder Wickel- tanz, bei welchem die mit Band, Kranz und Amulett gezierte Kunkel für die Braut eine wichtige Bolle spielt; wir haben ihn schon oben S. 191 unter Alt- bayem beschrieben. Der Tanz nach der Sichelhenk am ersten Sonntag des September heißt Arat- Tanz (Ärntetanz), auch Hammeltanz; doch fehlt jetzt meist der fette Hammel, der sonst dabei verkegelt oder verloost wurde. (Bavaria II, 833.) Auch der Kissele-Tanz, der früher bei Kirchweihen und allen zahlreicher besuchten Tanzfesten häufig vorkam, ist in der neuem Zeit sehr selten geworden. Es ist ein altvaterischer Beigen , bei welchem ein Mädchen mit einem Kissen in dem Bing der Tanzenden hält und durch rasches Niederwerfen des Polsters und den Kuss, den sie dem zugleich mit ihr darauf knieenden Burschen giebt, den Tänzer bezeichnet, mit welchem sie im raschen Walzen der langsamen Bunde ein Ende macht. (Bavaria II, 834 .) i»Aus der Hand tanzen« war sonst in Kaufbeuem, der ehemaligen Beichs- stadt im Allgäu, allgemein gebräuchlich. Zuerst wurde allgemein gewalzt, dann lieD der Tänzer das Mädchen allein sich drehen und er drehte sich ebenfalls allein ihr entgegen. Hierauf griffen sie einander in die Arme und walzten wieder fort, oder das Mädchen drehte sich an der rechten Hand des Tänzers, worauf sie wieder sich anfassten und mit andern Paaren im Kreise herumwalzten. (Schuegraf, Zeit- schrift für Kulturgeschichte I, 468.) 13* Digitized by Google 196 Ein altes volksihümliches Fest, das sich su Hindelang in den AUgftuer Alpen erhalten hat, ist der Tanz der Laub Schnitterinnen mit den Sennen, ein Schauspiel, mit welchem im vorigen Jahrhundert die Landesfürsten und andere hohe Gäste begrüßt wurden. Das Verhältnis, das diesem Festspiel su Grunde liegt, ist folgendes. Im Sommer gehen im gansen Allgäu die Mädchen häufig in die Berge, um dort das Laub yon den Bäumen su streifen, welches sie dann in großen Säcken über den Schultern nach Hause tragen, zur Winterfütterung für die Ziegen. Dabei geschieht es manchmal, dass sie an den Alpenhütten oder sonst am Wege den Sennen und Hirtenbuben begegnen, yon diesen angehalten werden und oft nach der Maultrommel, Schwegelpfeife und Zither (oder auch ohne alle Musik) einen Tanz thun müssen. — Dieser Scherzbrauch des jungen Volkes wurde nun am Fuße des Lnbergerhoms unfern Hindelang in einem Maskenspiel dargestellt. Da kamen ein Dutzend Mädchen oder mehr mit ihren Laubsäcken, welche sie quer über dem Hals und den Schultern mit in die Hüften gestemmten Armen trugen, den buschigen Bergwald herab über die Osterachbrücke, wo ihnen dann plötzlich aus dem Dickicht ein Schwann von Hirten entgegensprang, sie drohend umringte und zwang, zu Gesang und Hirtenpfeife die Tänze der Gegend aufzuführen. Die Burschen erschienen dabei in der echten, uralten Sennentracht: in der offnen Zwilchjoppe^ dem weiten Hemd darunter, schwarz- leinenen, ganz kurzen Beinkleidern am grünen Hosenträger und den breiten Gürtel um die Lenden, dazu leinene Strümpfe ohne Socken , rohe Lederschuhe mit Holzsohlen, und am Kopf niedere runde Hüte von Filz, mit Alpenblumen bekränzt. Die Dirnen trugen rothe Mieder, blaue Schürzen, graue Röcke, Roll- strümpfe und ausgeschnittene Schuhe, und über ihren Rücken hing am schwarzen Band der niedere Schattenhut von Stroh. (Bavaria 11, 835.) Bei dem pantomimischen Spiel der Begegnung, des Übeifalls und Erschreckens, des Drohens und Sträubens und endlichen Nachgebens zeigten diese alemannischen Römer und Sabinerinnen jene seltene Lust und jenes seltene Talent su drama- tischer Darstellung, welche das Völklein auf den bäuerlichen Bühnen, so lange dieselben hier blühten, in so hohem Grade bethätigte, wie wir es noch im Ammer- gauer Passionsspiele bewundem. d) Tänze in Franken. Die Maientänze in Oberfranken (zwischen Saale und Main, im baye- rischen Vogtlande) sind in den letzteren Jahren (1850 — 60) nach langjährigen Verboten wieder in Schwung gekommen und der Ungunst des Maiklimas halber in den Hochsommer verlegt worden, weshalb statt der aufgerichteten Maie eine schattige Linde den Mittelpunkt des Plan es bildet, der für den Reigen zugerichtet wird. Lassen wir (aus Bavaria III, 349) einen sachkundigen Gewährsmann diese Volksbelustigung beschreiben : »Um freistehende Linden, Eichen und Flatterespen wird im Quadrate die »Brücke, ein breites Brettergerüste, mit Einfassung, be- kränzter Eingangspforte und dem bekannten Musikantenhäuschen versehen, aiif- geschlagen. Der Stanun des Baumes ist umkränzt, das Gezweige mit rothen Bändern, der Gipfel mit allerlei Zieraten, bemalten Fähnchen von Blech etc. verziert. Letztere stammen noch aus der Zeit der hohen, bis ziun Gipfel von allen Ästen befreiten Fichtenstämme her, welche früher (bis 1850) umtanzt wurden, deren Aufstellung nun aber verboten ist. — In jedem Hause werden festliche Vorbereitungen getroffen, neue Gewandstücke angekauft, Küchlein gebacken etc. An einem Sonntage gegen 3 Uhr Nachmittags beginnt der Aufzug, nachdem in dem Versammlungshause zuerst drei Reigen getanzt worden sind. Eine Anzahl Digitized by Google 197 Bursche (drei Mann hoch) eröffnet diesen ; dann folgen drei Kellera (Kellerer)» ebenfalls Dorfbursche in Hemdftrmeln und weißen Schürzen, in den Händen volle, mit B&ndem geputzte Biersprenger (Gießkannen) ; hierauf die Musik. Dann kommen die Platzpaare. Der erste Bursche hat eine mit rothen Maschen durchflochtene Birke (Maie) im Arm; sämmtliche Paare sind in Hemdarmeln, die Bursche tragen auf den Mützen hohe Sträuße aus Marienkraut und Nelken, gleichfalls mit den überall schimmernden rothen Bändern zusammengebunden ; die Platzmädchen das festtägliche Maschentuch und buntseidene Busentücher. Unterwegs wird einige mal Halt gemacht ; die Mundschenken yerrichten ihr Amt und der gelbblechene »Maßeich« geht durch den Zug yon Mund zu Mund. Unter Vorantritt der Musik und endlosem Jauchzen der Bursche wird sodann die Brück einigemal umschritten, dann beginnt der Tanz, an dem vorläufig nur die Platzpaare Theil haben. Ist der erste kurze Schleifer beendigt, so wandert die Maie in den Arm des zweiten Burschen und so fort, bis sie endlich mit dem letzten Paare herumwirbelt. — Eine kurze Pause folgt diesen Vortänzen, dann ist die Brück jedem Tanzlustigen zugänglich und bald dicht gefüllt, da ein Theil der versammelten Jugend der be^ nachbarten Dörfer diesen Augenblick mit Ungeduld erwartet. Je mehr Paare theil- nehmen, desto erwünschter ist es den Platzburschen, da mit jedem neuen Tänzer ein neuer Beitrag in ihre Kasse fließt und die Ausgaben verringert. Dieser Maien- tanz währet zwei Tage und zwei Nächte lang (sonst drei!) und die Paare werden nicht müde, mag die drückende Mittagssonne oder das Abendroth oder der Morgen- stern durch das Laubwerk glitzem.a Der Plantanz zum Kirchweihfest in Oberfranken. Die größte Summe offenkundiger, helllauter Freudigkeit drängt sich beim Landvolk auf den Kirohweihtag (Kirwa, Kärrwa im Vogtland) zusammen. Ein reicher, festlicher Schmaus und fröhliche Qäste im Hause, Musik und Tanz in der Schenke bilden seine Qeleitsehaft. Vor allem gehört zur Kirmeslust der »Plan- tanz«, der im Fichtelgebirge und seinen Vorlanden, im Frankenwald und im Bambergischen üblich ist. Am förmlichsten wird er noch im Mistelgau abgehalten und von dort entlehnen wir unsere Schilderung (Bavaria HI, 350). »Die Verabredungen zum Plantanz nehmen schon mehrere Tage vor der Kirchweih ihren Anfang. Die unbescholtenen Burschen des Dorfes wählen unter sich den Platzmeister (den Seneschal des Festes) und hiemächst sucht sich jeder eine wackere, jungfräuliche Dirne alsPlatzmad aus. Am Vorabende wird der Platz (Plan, BlcT) unter der Dorflinde oder um den Kirehweihbaum geebnet und zum Tanze taugsam gemacht, der Baum selbst aber mit Bändern und Fähnchen geschmückt. Im Frankenwald ist die Linde am Plane meist so zugestutzt, dass ihre Krone zwei oder drei ringförmige Absätze bildet; im ersten Ring wird ein hölzernes Gerüst aufgeschlagen, welches die Musikanten aufzunehmen hat. »Sind diese Vorbereitungen getroffen, so wird am Sonntage selbst nach dem Gottesdienste auf einem zierlich geschmückten Wagen und mit Musik der feine Sand herbeigefahren, der auf den Estrich des Platzes ausgebreitet wird. Nach- mittags d Uhr ziehen die Platzburschen mit Musik von Haus zu Haus, sammeln Kücheln, finden sich endlich (jeder mit seiner Platzmad) beim Dorfschulzen ein und ziehen von hier aus ins Wirthshaus , voran die Musik, dann der Platz- meister mit der bemalten hölzernen Pritsche, und endlich die Paare. Jeder Bursche hält mit der Rechten die Mad, in der Linken aber ein zierliches, grünes Trinkglas, das am obem Ende eine Reihe eingeöhrter Glasringlein enthält, die beim Schütteln Digitized by Google 198 und Schwingen einen fröhlichen Klang geben. Der Zng bewegt sich nach dem Yg Takte der Musik im gemessenen Contretansschritte, bis er auf dem Tanz- boden in der Schenke anlangt, wo die ersten drei Reigen aufgeführt werden. Dann erst geht es auf den Platz, und hier muss wieder jeder Bursch die drei ersten Touren mit seiner Platzmad tanzen, wonach ihm erst die Wahl unter den übrigen freisteht. Außer den Platzburschen und ihren gewählten Genossinnen darf Niemand den Plan betreten. Namentlich darf es kein anderer Dorf- bursche wagen, mitzutanzen, während bei den Mädchen, die den Platz sehnsüchtig umstehen, doch hie und da eine Ausnahme gestattet ist. »Wenn es dämmert, wird der Plan geräumt und auf dem Tanzboden des Wirthshauses wird nun erst der Tanzlust der Übrigen Rechnung getragen. Für die Platzburschen und Platzmade ist aber gewöhnlich ein eignes Gelass vor- behalten, wo sie nach erklecklichem Abendimbiss wieder ihren Tanz in aristo- kratischer Abgeschlossenheit unter sich fortsetzen. Zu den Originalitäten des Mistelgauer Plantanzes gehört insbesondere die gewandliche Ausstattung der Burschen und Mädchen. Jene krempen ihren Schlapphut nach vorne hinauf, und auf der kühnen weitabstehenden Spitze prangt ein stattlicher Blumenstrauß mit herabflattemden, bunten, golddurchwirkten Seidenbändem — ein Geschenk der Platzmad. Eine breite, fast bis an die Knöchel reichende Linnenschürze, am Rande mit rothgestickten Zieraten, wird unter dem Rocke hoch über den Hüften gebunden. Die Platzmad aber wird alsbald nach dem Yormittagsgottesdienste in bekannter Weise »bebändert« , und der Bursche verehrt ihr einen Blumen- strauß, den sie ans Mieder steckt und der ihr bis mindestens an die Stime gehen muss. »Was die T anzart selbst betrifft, so gelten neben dem guten altenDreher und Schleifer noch etliche Verunstaltungen modemer Tanzweisen. Beim Walzer beginnen sämmtHche Paare den Reigen auf einmal; der Bursche druckt das Mädel ganz nahe an sich, als gälte auch hier der Glaube wie beim Copuliren, dass der böse Feind nicht Platz dazwischen finden dürfe, und also drehen sie sich auf einem Raum von wenig Quadratschuhen fast buchstäblich um ihre eigne Achse. Bei jedem Satz- wechsel der Musik klatschtder Tänzer in dieHände,schutzt die Dame hoch auf und lässt sie dann eine Weile neben sich hertanzen, bis er sie wieder bei der Hüfte erwischt. (Ähnliche Tanzweise gilt imVogtlande.) Der Schleifer (»Abstoßerc, Sächsischer) hat selbst im Ballsaale des Kleinstädters Berechtigung, während sich hinwieder Polka und Masurka auf das platte Land verirrten und sich nunmehr der Bauem- manier bequemen müssen.« Lebhafter ist der Tanz in der fränkischen Schweiz: der Bursche hebt abwechselungsweise seine Tänzerin, springt und stampft mit den Füßen nach dem Takte, während sie allein sich im Kreise bewegt, oder lässt sie unter dem Arme wegtanzen. Im Frankenwald hat der Plantanz auch sein Recht und wird sogar von Städtern ausgeführt. In Stadtsteinach holen die »Blotzburschen« mit Musik ihre Dirnen zusammen, tanzen mit ihnen drei Reigen um den Maibaum vor dem Stadtthore, geleiten sie auch wieder beim Klang der Geigen und Klarinetten heim und erhalten dann von den Eltern der also Geehrten eine Bewirthung mit Bier, Brod und Käse. Der Blotzmeister wird schon 14 Tage vorher gewählt und hat das Recht des Vortanzes. Am platten Lande des Frankenwaldes führt der Nachtwächter mit seinem be- kränzten und bebänderten Spieß den Chorus der Platzburschen an. Ihm folgt der Ortsvorsteher, der dann am Plane selbst den Kirchweih fr ieden verliest. £he- Digitized by Google 199 dem war dieser Kirchweihfrieden ^ lediglich die Publikation des Polizeimandats, welches für Ordnung und Anstand Maß gab ; neuerlich bedürfen die Erlasse der Polizei- imd Bezirksämter keines Dolmetschers mehr, und da eben die Wäldler den alten Brauch nicht fahren lassen wollen, so haben sie den Kirchweihfrieden ins Scherzhafte gezogen. Ein poetischer Dorfschulze hat ihn sogar in zierliche B^imlein gebracht, davon hier eine Probe folgt : »Nun ihr lieben jungen Leut, Die ihr hier versammelt seid, Ich bitt', seid ein wenig still. Und hört, was ich Euch jetzt befiehl I Das Zechen ist ein alter Brauch, Ihr habt deshalb das Recht heut auch Euren Plan aufzuführen, Die Jungfrauschaft damit zu zieren. Deshalb hüpfet und springet. Tanzet, trinket und singet, Seid munter und lustig jederzeit, Aber mit geschmückter Ehrbarkeit 1 Bicht't Euren Tanz nach gutem Sinn, Wie David tanzte vor der Arche hin, Nicht nach dem Sinn des Herodi s Weib, Denn jener Tanz war der Bosheit Zeitvertreib. Auch soll er nicht dem Tanze gleich. Den Israel, an Manna reich, In Wollust und in Ungemach Dem goldnen Kalbe hat gebracht. Euer Tanz soll züchtig, rein, Wie bei der Hochzeit zu Kana sein. Ausgeschmückt mit Tugend und Ehren, Dann kann es Euch Niemand wehren. Ihr Jungfrauen aber habt vor Allen Nur Qott dem Höchsten zu Gefallen Zu thun, was eine Susan na. Da man ihre Unschuld mit Füßen trat. Eine keusche Judith soll Euch lehren Nichts an die bOse Welt zu kehren. Seid bescheiden, wie Esther war, Dann bleibt Ihr in Ehren immerdar.« etc. [Aus der Umgegend von Teuschnitz. Bavaria lU, 353.] ^ Ein Kirchweihfrieden d. d. 19. Juni 1790 lautet nach Bavaria in, 352: »Im Namen und von wegen Sr. hochfOrstl. Gnaden Franz Ludwig Bischofens zu Bamberg und Wirzburg, des neu. röm. Beichs Fürstens, auch Herzogen zu Franken, lasset Stadt- vofft zu Kronach bei heutiger Kirchweihe zu Num den gewöhnlichen Kirchweihfrieden publiciren und Kraft dessen Jedermänniglichen zu wissen machen., dass all diejenigen, welche die Kirchweihe besuchen, sich aUes Qotteslästem , Fluchen, schwören, Sakoa- mentiren. Hauen, stechen, schlagen und schießen sowohl inner- als außerhalb dem Dorf enthalten, auch einige Ungelegenheiten, wie die immer Namen haben, nicht anfangen sollen. Wer sich unterstehen sollte, wider dieses Verboth zu handeln, derselbe solle nach des Verbrechens Beschaffenheit zu empfindlicher Strafe gezogen werden etc. Sign. Christoph Stenglein, Stadtvogt« Digitized by Google 200 In dieser Weise geht der Spruch des ehren- und bibelfesten Friedensverkan- ders noch ein hübsches Stück weiter , bis er endlich mit einem Hoch auf den König, auf die PfarrgeisÜichkeit und die Pfarrkinder, imd auf den vortrefflichen Gastgeber schließt, und damit das Zeichen sum Beginn des Plantanses giebt. InMittelf ranken giebt es natürlich bei öffentlichen Hochseiten auch Tanz. Hat der Geistliche in den vorwiegend protestantischen Landen den Segen ertheilt, so verlässt der Hochzeitszug in bestimmter Ordnung die Kirche. Damach geht es ins Wirthshaus und die profane Feier beginnt zuvörderst mit dem sogenannten »Brautltanzc. »Jeder ledige Bursche sucht sich hiezu seine Tänzerin. Die Dirne, welche keinen Brautltänzer bekommt, ist nicht nur an sich höchst unglück- lich, sondern sie muss sich auch lange Zeit hindurch manch bittere Neckerei ge- fallen lassen. Die ersten drei Touren des BrauÜtanzes gebühren dem Brautführer und der Braut. Ist er ein gewandter Bursche , so muss er vor jeder Tour ein Trutzliedl zum Besten geben, welches zumeist Anspielungen aiif die Schatten- seiten des Ehestands enthält. Wir schalten hier einige Proben ein : a) £iz (jetzt) Spielleut, wenn d'er gestimmt seid. So machte es drei auf, £iz will 1 drei tanzen AILoa*^ mit der Braut. b) Heunt brät mer der Braut c) Zwoa hab'n mer k\z scho", A Brätle so braun ; Und der dritte kömmt glei, In dreiviertel Jahren Und wenn der nu* tanzt is, Hänga d*Windel an Zaun. Na' st6ihts jeden frei. d) Frisch Boub*na (Buben) kommt 'rei'^. Wenn d'er lusti wollt sei*. Und führt eure Dirndel Beim Arem herei"^. Der letzteren Aufforderung wird auch sofort Folge geleistet , und nachdem der Brautltanz etwa Y2 Stunde gewährt, beginnt das Mahl.c [Bavaria UI, 964.] Sind die Hochzeits-Ceremonien, das Schmausen und Tanzen vorbei, was oft bis 11 Uhr Abends dauert, so entfernen sich die Brautleute und wird ihnen »heim- gespielt«. Die Musikanten geben ihnen das Geleit mit einem Marsche oder Ländler , und wenn jeweils die Geiger und Bläser eine Pause machen, heben die Bursche an und singen nach hergebrachter Weise die Strophen : 1. Ham (heim), ham, ham, Heunt geigt mer der s letzt' mal ham. £iz hast du g'heiret, ^ hast an Mu (Mann), t^z halt ihn, dass er bleib'n ku" (kann) . Ham, ham, hami 2. Ham, ham, hamI Heunt geigt mer der 's letzt' mal ham. j^iz hast du g'heiret, 6iz hast a Weib, £iz halt sie, dass sie bei dir bleib. Ham, ham, hamI Digitized by Google 201 3. Hain, luun, haml Heunt geigt mer der 's letzt' mal harn. Hast g'moant, mer geigt der Semmel und Wein? iAz geigt mer di ins Elend nein. Ham, ham, haml 4. Ham, ham, haml Heunt geigt mer der 's letzt' mal ham. Hast g'moant, mer geigt der Semmel und Weck? £iz geigt mer dir a Kind ins Bett. Ham, ham, haml Unter dem Klange dieses Kassandra-Spruches betritt die Braut die Schwelle ihrer neuen Heimath, um bald zu erfahren, was Wahres dran sei. Höchstens dass ihr noch der folgende Tag den Übergang von der Poesie des Hochzeitsfestes zur werkelt&gigen Mühsal vermittelt. [Bavaria IQ, 966.] Im Rothenburgschen (Mittelfranken) war ehedem der sogenannte Mägd- leinstanz bei Hochzeiten unerlässlich und hatte bis um 1840 noch seine Oel- tung, obwohl schon weiland der hochw. Pfarrer Brandner zu Wettringen in seinem Berichte an Bürgermeister und Rath zu Rothenburg d. d. 24. Juni 1686 dagegen eiferte : »Sonderlich ist auch dieser abentheuerliche Brauch allhier , dass nachdem der Tantz nach erster eingenommenen Trachten und richten aufgeführet , sich die Bauerntöchter vnd Dienstmägde zusammen rottiren, vnd mit der Braut vnd übrigen Hochzeitmägden einen sogenannten Braut- und Mägdleinstantz halten, da denn die jungen Gesellen vnd andere Hochzeitsgäste nicht mittantzen derffen. Der Bräutigam muß ihnen ein paar maaß wein sampt etlichen Wecken verehren, das trinken sie des Abends auß, locken dazu ettliche Elnechte, vnd treiben große Üppigkeit,« [Bavaria HI, 963.] Etwas anderes ist der Mädchentanz als Gegensatz zum Burschentanz in Thüringen. Beides sind Tänze im Freien, Plantänze. Beim Mädchentanz laden die jungen Landmädchen zu ihrem Tanzvergnügen ein , fordern auch ihre Tänzer zu jedem einzelnen Tanze auf. Diese Sitte hat sich auch in die Salons der Städte verbreitet und führt den Namen Damen-Engagement. Das wichtigste Gemeindefest des Jahres ist in Mittelfiranken , wie überall auf dem Lande, das Fest der Kirchweihe. Mit Schluss des Vormittegsgottesdienstes beginnt die profane Feier desselben , welche hier dasselbe Gepräge hat wie im übrigen Bayern. Wir heben darum hier nur lokale Eigenthümlichkeiten hervor, »In den Thälem und Vorhöhen des Hahnenkammes wird am Vorabend des Kirchweihfestes von den Burschen des Dorfes eine hohe, schlanke Fichte geschält, mit Kränzen und Bändern geziert und vor dem Wirthshause aufgestellt. Der Platz um dieselbe wird so weit geebnet, dass darauf der Tanz am Sonntag Nachmittag aufgeführt werden kann. Am »Maitanzc (so heißt auch der Kirmestanz) dürfen bloß ledige unbescholtene Bursehen und Mädchen theünehmen. Darauf bezieht sich auch das »Gsängle«, mit welchem das Zeichen zum Beginn des ersten Reihen gegeben wird : »Des Mala 'rum tanza Is wacher (wahrlich) ka' Schand, Da kun mer betrachta Den ledia (ledigen) Stand U Digitized by Google 202 Ergiebt sich nachgerade, dass diesen Maientanz ein Mädchen mitgemacht habe, welche zu dieser Frist bereits ihre Jungfrauenehre yerloren hatte, so wird der Baum in der Nacht heimlich umgesftgt. Er ist verunehrt und darf nicht bis zum nächsten Kirchweihabend stehen bleiben, wie sein ehrlicher Vorgänger, der erst nach vol- lendetem Jahresdienste feierlich ausgegraben wird. j»Die Tanzstelle um den Kirchweihbaum heißt Pia tz und hier und da wird noch ein förmlicher »Blo'-Tanz« (Plantanz] in bekannter Weise wie in Oberfranken auf demselben aufgefCLhrt. Gewöhnlich wird beim BlcT-Tanz ein Bauernhut und ein seidenes Halstüchlein oder Schnur-Riemen ausgetanzt. Der Platzmeister hat das Vorrecht der ersten drei Reihen; ihm folgt je ein weiteres Paar. Der tanzende Bursch erhält eine Haselruthe , welche er beim Abtreten seinem Nachmanne über- giebt. Unterdessen wird ein Lichtstümpfchen angebrannt. Wann es verlöscht, fallen die ausgesetzten Preise dem Burschen, welcher just die Ruthe hält, und seiner Dirne zu. Sofort wird unter allgemeinen Freudenrufen der Plan geräumt, der Sieger tanzt drei Reihen mit seinem Mädel allein und hebt dabei das Qsängle an : £iz wölln mer halt tanz'n Drei Reiha allein, Schö" wölln mer's auch macha, Der Platz is uns g'räumt. Um*n Ring *rum, um n Ring 'rum Q6its Tanza recht guet, Wie der Wind g^it, wie der Wind g^it So setz i mei Huet. Meine Herrn, kummt 'rein, I zahl ich (euch) a Maß Wein, I zahl ich a Maß Bier, Dass der (ihr) a Freud hat an mir I Hiemach beginnt der Tanz im Wirthshaus unter allgemeiner Betheiligung. « [Ba- varia HI, 973.] Was die Tanzweise betrifft, so besteht sie hier (1865) zumeist aus Walzer (3/4 Takt) und Dreher (2/4 Takt), ohne sonderlichen Schwung und ohne volks- thümliche Eigenheit. Nur im nachbarlichen Altmühlthale von Pappenheim bis Gunzenhausen und namentlich auf der Eichstädter Alp ist noch der sogenannte Doppelte mit Taktwechsel im Schwange, den wir bereits in der Oberpfalz kennen lernten. — Hier hat insbesondere das Tanzen mehr Bewegung, und der Bursche weiß seine Tänzerin so flink und fleißig in die Höhe zu schützen, dass diese um des Anstandes willen in der Lage ist , neben den sonstigen landesüblichen Gewand- stücken noch ein eigens für den Tanz bestimmtes engeres Unterröcklein an- zuziehen. Das ist der sogenannte j»Hanselc von rothem Wollenzeug, bis zur halben Höhe reich und zierlich mit grünen Schnüren ausgenäht. [Bavaria lU, 974.] Am Kirchweihmontag ist an vielen Orten der Hahnentanz gebräuchlich. Vordem wurde hierbei regelmäßig ein Hahn ausgetanzt, was jetzt selten mehr ge- schieht, aber die Bezeichnung blieb gemeinüblich. (Vergl. S. 171.) Der Zwei tritt oder Schreiter war ein höchst einfacher, aber unschöner Rundtanz im raschen 2/4 Takt ; die Tanzenden haben einander die Hände auf die Achsel gelegt, der Tänzer dabei den rechten FuD zwischen die Füße seiner Tänzerin gestellt, und dieser Gestalt drehen sie sich rasch bis zur Erschöpfung herum. Er war in Dorfschenken heimisch und wohl in ganz Deutschland gekannt. In Ober-, Mittel- und Unterfranken und am Rhein war er Dr e h e r genannt. [MB. 2 7 1 — 277 .] Digitized by Google 203 Bei dem ehemals im Bayerisehen Walde üblichen Schrot- oder Schreite- tanz, der Eiemlioh seriÖB war, wurde, wie beim Drischlag, mit den Füßen gestampft. [Schuegraf 465.] Der Fuß-ein-Tanz heißt eine erst in neuerer Zeit aufgebrachte, Sitten und Gesundheit gefährdende Art zu tanzen auf dem Lande im Ansbachischen. Man dreht sich n&mlich mit gegeneinander yerschränkten Füßen und wechselseitig an- liegenden Leibern im raschen % "^^^t auf einem Flecke in einem fort bis zur Er- schöpfung. [Schuegraf, Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 467.] Er wurde um 1840 — 50 auch in Thüringen getanzt, wo man ihn, bezeichnend genug, den ^Todtmacher« nannte. Es ist dieser Tanz einer der üppigsten Dreher. In Unterfranken und Aschaffenburg finden sich durchweg bei der Kirchweih mit seinem Plantanz und bei Hochzeiten keine originellen Tänze mehr. [Bavaria IV, 255.] Bei Hochzeiten wäre vielleicht noch der eigenartige Name Scheuertanz (Scheunentanz) zu bemerken, der an die Stadelweise der Minnesinger erinnert. «Ist die Trauung vorüber , so begiebt sich der ganze Zug in die eigens gereinigte und hergerichtete Scheuer. Hier hält vor allem der Schullehrer die übliche Scheuerpredigt, in welcher er dem Brautpaare Qlück wünscht und Segen verkündet. Dann folg^ der Scheuertanz. Braut und Bräutigam haben die ersten drei Rei- hen zu tanzen, ihnen folgen dann die übrigen Gäste , bis endlich das fertige Mahl angekündigt wird.a [Bavaria IV, 248.] e) Tänse in der Bheinp&lz. In dem lustigen deutschen Rhein- und Weinlande der Rh ein p falz wird vom Landvolk wohl viel getanzt, aber das rheinpfälzische Völkchen hat keine eige- nen Tänze, worin seine innere Lust eine äußere Gestaltung gewönne. Von Tänzen sind hier an der Ordnung vor allem der Walzer, als Beigabe Galoppade und Polka. Früher galt der Win ne weh (Menuett) und der Dreher. Neuerdings sitzt in jeder großem pfälzischen Ortschaft ein alter Tanzmeister, der die ganze tanzlustige Umgegend in den modernen Tanzweisen unterrichtet. Die Westricher [s. MB. 294) üben sich vorläufig selber auf der Scheuntenne, und wer am besten pfeifen kann, der macht den Musikanten. Auf ausnehmende Zierlichkeit beim Tanze kommt es dem pfälzischen Dörfler nicht an, denn j»rappelts net, so bollerts doch«. Der Tanz am Kirchweihfeste (Kerb, Eerwe) währt bis zum geschlagenen Morgen. Getobt muss sein und etwas darauf gehen auch. [Bavaria IV, 385.] »Fröhlich Pfalz — Gott erhalt'sla Der Deutsche. So wird in Bayern der Walzer genannt, der jetzt auch auf allen ländlichen Tanzböden Bayerns herrscht. Er kommt hier weniger schnell als in der Stadt, jedoch nicht ohne Geschmack und Anstand zur Ausführung, wenn auch dabei die Bursche den Takt mit den Füßen so energisch treten, dass nicht selten bei solcher Leibesübung der Tanzboden , zumal wo derselbe bloß aus einem Dielboden über einem Viehstalle besteht, durchbricht. In Süddeutschland hieß zu Mozarts Zeit der alte Ländler allgemein »Deut- schertt oder »deutscher Tanzer, und Mozart hat, wie auch Beethoven, eine An- zahl ])deutscher Tänze« komponirt. (MB. 238 — 241.) In Norddeutschland (Berlin) Digitized by Google 204 gab es am Anfang unsers Jahrhunderts einen Tanz »Deutschere genannt, der nicht der alte Walzer, sondern ein Tourentanz im Menuett-Polonaisen-Tempo war. Die Musik s. MB. 245. Kathrein-Tanz heißt in Bayern der letzte Tanz im Jahre vor dem Advent, früher am 8t. Eatha- rinentag (25. November), jetzt am nächstfolgenden Sonntag abgehalten. Daher die Redensart: DKathrei", stell' n Tanz ei" 1« In der Rheinpfalz heißt es: »Eatharein. schließt die Pfeif und Geigen ein la In München hat jeder bürgerliehe Liebhaber sein Mädel an diesem Tage wenigstens zum Biere zu führen, sonst appellirt sie an den Spruch : ^j^^^^ j^ Katrein, Hat an jeda die Sein : Wer se net hat. Der mag se net.« f] Tänze im Vogtland und in Thüringen. Aus dem tanzlustigen Vogtlande , wozu der südwestliche Theil des König- reichs Sachsen und das südöstliche Thüringen gehören, lassen wir die Beschreibung etlicher alter Volkstänze, die noch mit Gesang und Gebärdenspiel verbunden sind, aus Dr. H. Dunger, Runda [Einleitung 37 ff.] hier folgen. Die gewöhnlichen Tänze im Vogtlande sind : 1. Walzer, für welchen dort auch die Namen Schleifer, Strupferund Wiener vorkommen. 2. Dreher nebst seinen Abarten Halbdreher und Schreiter. 3. Der Rutscher oder Hupf er, der dem Galopp entspricht Neben diesen drei Hauptarten kennt man dort auch den Tiroler, den Polka (oder Schlenkerer) und Schottisch. Der Hopser oder Reiter bezeichnet eine Art Zweitritt- Walzer im raschen Tempo (MB. 276). (Auch in der Mark Branden- burg tanzte man zu Anfang des 19. Jahrhunderts den Reuter, eine Art sehr wild gesprungener Zweitritt.) Der Dreher, der eigentliche Nationaltanz und der Stolz des Vogtlandes, ist ein schwer zu lernender, aber sehr anmuthiger Tanz, welcher nach Rutscher- melodien im ^4 '^^^t getanzt wird. Abarten davon sind der Halb drehe r, bei welchem halb gedreht und halb gerutscht wird, und der Schreiter (MB. 277), bei welchem eine mehr hüpfende Bewegung stattfindet, aU beim eigentlichen Dreher. Ein älterer Gebärdentanz im Vogtlande heißt der Vogelsteller oder Winker. Der Text dazu lautet : »Mit den Füßen trapp, trapp, trapp. Mit den Händen klapp, klapp, klapp, Ich sag dir's fein : hüt dich fein I Lass dich mit kei'm Andern ein I er Bei den Silben »trapp« wird dreimal mit den Füßen aufgestampft, sowie bei »klappe mit den Händen dreimal geklatscht. Mit den Worten »Ich sag dir's feine erheben die Tanzenden , einander drohend , erst den rechten, dann den linken Zeigefinger und bei den letzten Worten drehen sie sich auf dem Absätze lun. Dann schließen sich einige Takte Rutscher an, bis das Spiel von neuem beginnt. Auch der Sandmann war ein ähnlicher Gebärdentanz, dessen Text (nach Dunger S. 12) lautet: Digitized by Google 205 »Der Sandmann ist da, juch» jach I Er hat so schOnen weißen Sand, Und ist im ganzen Land bekannt, Der Sandmann ist da, juch, juch! Dort guckt er schon sum Thor herein, Er weiß, wo schOne Mädchen sein: Der Sandmann ist da, juch, juchic Der Trappeltanz, bei welchem die Tanzenden anfangs in langer Kette j»8chreiten«, dann trappeln, ist im Vogtlande (Hohenleuben) gebräuchlich, nach dem Liedchen : j»Hat mein Hund dein' Gans gebissen, Hat ihr'n Flügel 'rausgerissen^ Ist denn das nit jammerschad, Dass die Gans kein' Flügel hat?« Eine Art bayerische Polka ist im Vogtland die Sackmütze, die nach folgen- dem Liedchen getanzt wird : »Seht nur *mal die Sackmütz an. Wie die Sackmütz tanzen kann 1 Sackmütz hin, Sackmütz her I Sackmütz ist ein Zottelbär. « Oder zum Schluss : »Tanz mein Tag kein* Sackmütz mehr.« Den »Hans Adam«, einen Walzertanz in der Olsnitzer Gegend, tanzt man nach dem Texte : »Hans Adam, Hans Adam Is a lustiger Bu : Kann fressen und saufen, Auch tanzen dazu.« Einen langsamen Walzer unter dem Namen Hau Schild tanzte man um 1820 bis 1840 in Sachsen und besonders im Vogtlande nach einem Verschen, das in Studentenlieder Eingang fand : I : Lebt der alte Hauschild noch, Hauschild noch, Hauschild noch? :| Ju, ja, er lebet noch, Liegt im Bett und zappelt noch. Ein älterer Tanz, im Altenburgischen und Vogtland noch gekannt, ist Man- chester, bei welchem die Tanzenden anfangs viermal langsam vorschreiten und darauf in schnellem Tempo sieh rückwärts bewegen und sodann in einen flotten Rutschertakt übergehen. Der Text dazu lautet : »Stock, Stock, Stock, Stock, Macht mei Vater, macht mei Vater, Macht mei Vater Stock I« »Lott ist todt, Lott ist todt, Jule liegt im Sterben. Das ist recht, das ist recht : Krieg mer was zu erben.« [MB. 265.] Der Tanz scheint czech Ischen Ursprungs zu sein, da er unter den altbOhmischen Tänzen bei Waldau (böhmische Nationaltänze I, 86] mit dem Namen Mansester Digitized by Google 206 angefahrt wird und man in Wien statt »Lott ist todtc einen sehr schmutzigen czechischen Text lun 1829 — 30 dazu sang. Um genannte Zeit mag er entstanden sein. Seit 1858 wird er wieder unter den modernen Salontänzen gefunden und von Tanzmeistem gelehrt. Der Rutscher ist ein älterer Tanz, der im Vogtland noch gekannt ist und nach folgendem Verschen getanzt wurde : I. Theil ^/^Takt: Rutsch hin, rutsch her! Rutsch in der Magd ihr Federbett, Rutsch hin, rutsch her, Rutsch in der Magd ihr Bett. n. Theil 3/^ Takt : In dei Bett mag ich nit, Hast zu viel flöh ; Schätzchen, dich mag ich nit, Du siehst nit schö*. Während des ersten Theils stehen Tänzer und Tänzerin sich gegenüber und rutschen mit den Füßen abwechselnd Yor- und rückwärts. Daran schließt sich als 11. Theil ein Walzer. Der Hautitry oder Rumpuff ist ein sehr alter Tanz der Altenburger Bauern, der noch zu Anfang unseres Jahrhunderts zuweilen auf EJrmsen getanzt wurde, viel Kraft und lange Vorbereitung erforderte. Seine Ausführung ist schwer zu beschrei- ben. Durch das Stampfen mit den Absätzen der Stiefeln , durch Händeklatschen, Fliehen und Vereinigen des Tänzerpaares , Drehen auf einer Stelle und zuletzt mit Aufschvrung (Auf werfen} des Mädchens, wozu große Bravour des Tänizers erfordert wird, ähnelt er dem Steyrischen Ländler und dem Schuplattl-Tanz. Vermuthlich ist er , wie die Altenburger Bevölkerung , die noch bis heute auf dem Lande ihre alten Trachten bewahrt, slawischen Ursprungs. (Die alte Musik dieses Tanzes s. MB. 343.) Hallischer Stiefelknechts-Galopp-Walzer oder Herr Schmidt Es war ein um 1820 — 30 in Sachsen und Thüringen sehr beliebter Gesellschaftstanz, zu welchem man die Worte sang : Herr Schmidt, Herr Schmidt, Was kriegt denn Röschen mit? Ein' Schleier und ein' Federhut ; Das steht dem Mädchen gar zu gut. Weil die erste Tanztour, angepasst den Worten »Herr Schmidt«, in ihrem Vor- schieben und Rückziehen des Fußes viel Ähnliches hat mit den Bewegungen beim Stiefelausziehen , daher sein Scherzname. — Seiner Ausführung nach gehört er unter den Zwei tritt. Die Musik (s. MB. 342) geht aus y^Takt. Noch jetzt wird er zuweilen auf Bällen getanzt und in der Regel folgt auf ihn der Großvatertanz. g) Tänze in Meoklenbnrg, Einige alterthümliche Volkstänze, die bei Hochzeiten in Mecklenbui^ noch heute vorkommen, wollen wir beschreiben : 1. Schön dör und stolz (Schön durch und stolz) ist eine Quadrille mit zwei Touren, von zwei Paaren zu tanzen. Bei der ersten tanzen die vier Personen kreuzweise durcheinander (schön durch), während sie bei der zweiten die Arme in die Seite gestemmt (stolz) einhergehen. (Czerwinski 205.) Digitized by Google 207 2. Die Rückelreih heißt der Tanz, welcher die Hochzeitsfeier um Mitter- nacht des Freitags beschließt. »Sein Zweck ist: die Braut auszu tanze n, nämlich aus der Oemeinschaft der Unverheiratheten. Zwei Bursche nehmen sie zwischen sich; um sie schließen junge Mädchen, sich an der Hand fassend, einen Kreis, der wieder ebenso von ledigen Mannspersonen umkreist wird, doch der Art, dass zwei Männer in diesem äußern Kreise sich nicht angefasst haben. Der eine von diesen reitet auf einer hölzernen Scheunengabel, während der andere mit knallender Peitsche ihn dazu antreibt. Sofort drehen sich beide Kreise xun die Braut, und der Bräutigam muß versuchen, die Kreise yon außen her zu durch- brechen und zu der Braut zu gelangen. Ist dies nach heftigem Kampfe ihm ge- lungen, so drehen sich die Kreise yon Neuem und es ist an den verheiratheten Frauen, sich durch dieselben hindurch zu drängen. Die Verwirrung, das Kreischen und Jauchzen bei diesem Beigen, an welchem oft 50 Personen theilnehmen, ist unbeschreiblich, a (Czerwinski 206.) — Dieser Tanz erinnert an die altgermanische Sitte der Entfahrung der Braut und ist jedenfalls sehr alt. 3. Käkentanz (Küchentanzj. [MB. 352.] Unter den Tanzlustbarkeiten des mecklenburgischen Volkes bei Emtebier und bei Hochzeiten spielt der sogenannte Käkentanz (Küchentanz) eine große RoUe. Er ist der erste Tanz der Festlichkeit, bei welchem der Oroßknecht mit der Köchin Yorantanzt. Es ist ein Beigen : eine lange Reihe von Paaren folgt dem genannten ersten, die Musik vorauf. Die Köchin ist mit einer bändergeschmückten Schöpfkelle versehen. So stürmt die wilde Jagd durch alle zugänglichen Räume, über den Hof, selbst in die Scheune und den Viehstall, wenn die Herrschaft nach- sichtig ist. Alle dem Zuge Begegnenden werden attakirt. Die Köchin haut zuerst drauf los ; aber auch die Begegnenden bleiben nicht passiv. Namentlich die alten Weiber in der Küche haben ihrerseits mit Kellen sich bewaffnet und wehren sich tapfer. Auch die nachfolgenden Paare haben Prügelfreiheit und versehen sich mit allerlei dazu dienendem Material, als Plumpsack, einem Stück Holz etc. Wie ein derartiger wilder Tanz, gleich unserer zahmen Polonaise, durch ver- schiedene Räume geführt, den Anfang bezeichnet, so nimmt der sogenannte Rückelreih am Schlüsse der Hochzeiten oft einen ansehnlichen Charakter an. Ältere Leute erinnern sich, dass Tanzende im Herbste des Morgens gegen 6 Uhr aus einem ^j^ Stunden entfernten Dorfe schreiend und jauchzend in einem Nachbar- dorf e erschienen und dann sich wieder zurück ins Hochzeitshaus begaben. Die Tanzenden hatten sich angefasst, bildeten also eigentlich eine lange Reihe. Daraus wird natürlich beim Vorwärtsspringen eine derartige Stellung, dass jeder Tänzer sich im »Rücken« des Vorantanzenden befindet. Daher der Name Rückelreih.» Der Küchentanz gehörte schon im 16. Jahrhundert zu den Hochzeits- gebräuchen. Faust von Aschaffenburg (siehe Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 68) führt ihn an, als er eine Hochzeit der Gesellschaft Limburg zu Frank- furt a. M. im Jahre 1591 beschreibt: »Auf den zweiten Abend, wenn Alles ver- richtet und man hinauseilt, wird durch den Hofmeister der Küchen tanz an- gestellt. Da müssen Alle, der Küchenmeister, Silbermeister, Schanktischdiener und Küchenknecht, der Stubenknecht mitsamt seinem Weibe, den Mägden und Schmutzbuben, in einem Tanzevor denGästen im Tanzhause einen Reihen aufführen. Der Hofmeister tanzt mit einer Fackel voran, die andern folgen Paar an Paar, und jeglich mit seines Amts Waffen, als der Koch mit dem Löffel, der ^ Nach brieflicher Mittheilung von Herrn Professor Dr. Fr. Zamcke. Digitized by Google 208 Schenk mit der Kanne, der Wasserträger mit der Butte n. s. w. So es an Weibs- personen mangelt; wird solches mit einer Mannsperson erstattet; da werden etliche verschwärzt, scheußlieh vermummt und sonst hOf lieber verstellt , in Summa, es wird nichts unterlassen, das die Fretinde ergötzen möchte. So sich nun etwa etUcbe Diener in ihrem Amte nicht fleißig oder dem Hofmeister ungehorsam erzeigt oder sonsten sich übersehen und überfüllt, werden sie gepritscht, welches dann dem tölpischen Gesindel eine Scham ist; es wird ihnen gleichsam Fleiß und Furcht eingetrieben, hinfüro ihren Dienst desto fleißiger und geschickter zu verrichten.« Eigenthümlich ist im Mecklenburgischen noch jetzt die Ausführung des Großvatertanzes (siehe S. 184), welche ich nur für eine Vermengung mit dem Küchentanze halte : »Alt und Jung, jedes mit einem Werkzeug der Wirthschaft bewafeet (nur Besen sind als unglückbringend verboten) , zieht nach der Melodie »Un as de Grotvatere de Grotmoder nahma durch das Haus, durch Thüren und Fenster, in die StSUe und auf den Heuboden.« h) Märkisohe Tarne. Eine große Anzahl märkischer Tänze, die im 18. und zu Anfang des 19. Jahr- hunderts in der Umgegend von Berlin und in Berlin selbst getanzt wurden, führt R. Voss in seinem Tanzlexikon an und fügt auf Grund alter Musikbücher, die in seinem Besitze sind, die Beschreibung der Musik, auch zuweilen die Tanz- ausführung, hinzu. Zu mehreren dieser bäuerischen Tänze hat Herr Voss die Musik für mich gütigst abgeschrieben. Ich will hier nur die interessantesten kurz beschreiben, davon manche slawischen Ursprungs sein mögen, andere holländischen Einfluss verrathen. Die Mühle war ein märkischer Tanz, der um 1800 in ländlichen und Handwerkerkreisen beliebt war und seinen Namen einer harmlosen Spielerei ver- dankt. Im ersten Theile der Musik (MB. 304) hat der Bass unisono. Der zweite Tbeil wird Takt für Takt schneller gespielt; dabei schlägt der Bassspieler mit dem Bogen auf die Decke in Viertelnoten, um das Mühlgeklapper nachzuahmen. Ist das Stück zweimal gespielt, so wird die Mühle geschützt (zum Stehen gebracht) , was der Bassspieler durch einen langsamen kräftigen Strich auf den Saiten zwischen Steg und Saitenhalter bemerkbar macht. Schmiede-Michel war ein scherzhafter Tanz in der Mark, um 1800 und noch in neuerer Zeit üblich. Die Musik (MB. 303) geht aus ^4 T^^^t und besteht im Ganzen aus vier Takten, die immer wiederholt werden. Die Paare sind reihen- weise , Tänzer und Tänzerinnen einander gegenüber aufgestellt und einander die Hände reichend, die sie hoch empor halten. Das erste Paar tanzt durch die Reihe hindurch, die andern Paare folgen eins dem andern nach. Sind alle Paare hindurch, so beginnt das letzte Paar den Tanz durch die Reihe von Neuem u. s. f. Das Tempo des Tanzes ist im Anfange sehr ruhig, wird aber schneller und immer schneller , bis unter Trubel und vielem Lachen die Tanzenden niederfallen oder erschöpft zurücktreten. Der Schäfertanz wurde nur von zwei Paaren ausgeführt. Die Musik ging aus y^ Takt und bestand aus zwei Reprisen, eine zu sechs und eine zu acht Takten. Ist noch zuweilen in der Mark getanzt. Der Schustertanz war am Ende des 18. Jahrhunderts in der Mark beliebt. Die Musik im y^ Takt hat zwei Reprisen. In ihr wurde die Hantierung des Schuster- handwerkes nachgeahmt, das Ziehen des Pechdrahtes durch Triolen und Pausen und Fermaten ausgedrückt. Zu dieser handgreiflichen Programmmusik gab es auch ein Liedchen : Digitized by Google 200 O du schöne Schusterin, Du erfreuest meinen Sinn 1 Alles, Alles, was du thust, Das ist meines Herzens Lust etc. Der Sc hornsteinfeger war ein Tanc im ^4 Takte nach einem sehr zwei- deutigen Liede : »Wenn ich des Morgens früh auf steh und zum Schomsteinfegen geh etc.« (MB. 302.) Dass in der Musik das Fegen und Eratzen des Essenkehrers angedeutet sei, wie R. Voss glaubt , konnte ich nicht finden. Dieser märkische Tanz war noch in neuerer Zeit üblich, aber besonders waren die faulen Schornstein- fegerwitze am Ende des vorigen Jahrhunderts in mehreren Liedern yerbreitet. Der Barbier tanz war eine pantomimische Scene mit Tanz. Das Musik- stück besteht aus 14 Takten Moderato-Tempo (darin der vorletzte Takt das Strei- chen des Messers schildert?) , dann folgen acht Takte Adagio in ^4 Takt, welchem wieder zwei Theile im raschen '^j^ Takte folgen. In neuerer Zeit ist das aus dem 18. Jahrhundert stammende Tanzspiel hier und dort in der Mark noch üblich. Der Leinwebertanz, ein pantomimischer Tanz um 1800, bestand darin , dass im ersten und dritten Takte des zweiten Theils der Musik das »Werfen des Schützens« aogedeutet wurde. Die Musik aus ^4 Takt hatte zwei Theile: acht und sechs Takte. Der Scherenschleifertanz ging aus ^^Takt im langsamen Tempo und bestand aus zwei Wiederholungstheilen , davon der erste sechs , der zweite zwölf Takte hatte. Er ward um 1800 in der Mark getanzt. Vermuthlich wurden dabei die Bewegungen des Schleifers nachgeahmt oder ein Lied vom Schleifersmann dazu gesimgen. Der Spiegeltanz hat seinen Namen vermuthlich daher, dass darin eine Tour mit einem »Spiegel« vorkam, wozu jedenfalls die Fermaten im zweiten Theil der Musik Hinweisung gaben. Die Musik im 2/4 Takt hat vier Wiederholungs- theile zu je 8 Takten. y er ke hr te We 1 1 , ein Tanz, wie die meisten märkischen Tänze im ^4 TiÜLt mit Wiederholungstheilen , der seinen Namen wahrscheinlich von einem dazu ge- sungenen Liede hat. Vier Winde ist der Name für einen Tanz , der zwei Theile aufweist : einen von 8 Takten im ^/^ und einen von 12 Takten im ^f^ Takt. NummerDrei ging aus ^j^ Takt, hatte zwei Theile und ist in neuerer Zeit noch üblich. Dass er seinen Namen von drei kräftigen Strichen in der Musik kurz vor Ende habe , vermuthet Voss. Ich meine, ein Tanzliedchen gab Anlass zum Namen, das anfing : »Ich bin der wilde Mann.« Der Winker oder Mecklenburg war um 1800 in der Mark ein Tanz, der wie Osnabrück getanzt wurde. Der erste Theil der Musik hatte ^/g, der andere % Takt. Doch gab es auch Winker durchweg im 2/4 Takt. Schwedischer Mann ging aus % Takt, hatte eine Einleitung von 4 Takten, dann einen Theil von 8 Takten, der wiederholt wurde. Woher sein Name, ist mir unkund. Am Ende hat man es doch nicht gar mit dem alten Tanze »schwarzer Mann« hier zu thun? Die Ausführung dieses und des märkischen Tanzes ist leider nicht mehr gekannt. Pfeffermühle war ein Hopser im 2/^ Takt aus zwei Reprisen mit 8 Takten und Dacapo , der vor 1800 in der Mark üblich war. Holländische Mühle wurde um 1800 — 30 in der Mark getanzt. Die Musik im 2/4 Takt hatte drei Theile. Das S ch if f e r-H o 11 an di s c h war eine Art Cotillon von vier Personen. Im Böhme, OeBcb. d. Tanzes. 14 Digitized by Google 210 Refrain führen die beiden einander schräg gegenüberstehenden Personen Pas mar- qu^s ans, die dem Pas de Rigaudon fthnlioh, jedoch mit allerhand lustigen Sprüngen verziert sind. Das dumme Ding hieß eine Art Zweitritt in der Mark. Der Tanz geht aus ^/4 Takt, hat zwei Theile von je 8 Takten und wird noch in der Neuzeit ge- tanzt. Im zweiten Theil treten die Tanzenden alle taktmäßig mit den Füßen und drohen einander mit den begleitenden Worten: »Na wart man 1« SchOnthun oder C ha mir tanz, ein märkischer Tanz im ^/4Takt, aus zwei Theilen : der erste hat 6, der andere 10 Takte. Worin die Ausführung be- standen hat, weiß ich nicht. Schwäbischer Bauern tanz wird in den märkischen Tanznotenbüchem angeführt; er geht aus 2/4 '^^^^ ^uid hat zwei Theile (MB. 299). Auch ein alter schwäbischer Bauemtanz (MB. 300] steht daselbst aus Y4 Takt. Das Vorkommen schwäbischer Bauemtänze in der Mark wird dadurch erklärbar, dass unter Friedrich dem Großen yiele Schwaben aus der Umgegend von Reutlingen aus- wanderten und sich im Umkreis von Frankfurt a. O. ansiedelten. Der Kalb er tanz oder Klappentanz , ein märkischer Bauemtanz um 1800, hatte Y4 Takt in zwei Theilen im Menuett-Tempo. Weiber zank heißt ein Tanzstück, das um 1800 in Berlin gekannt war und ein Vorgänger vom sogenannten j»Zankduett« in den »lustigen Weibern von Wind- sor« von Nicolai ist. Die Musik geht in erst langsamem % Takt, dann folgen zwei Theile im raschen % Takt. Das Zanken wird in der Musik dadurch angedeutet, dass ein Motiv von zwei oder vier Takten abwechselnd von Violine und Bass vor- getragen wird. Dreitour ig hatte drei Theile im ^4 Takt; kam noch Walzer hinzu, so gab es zwei Theile im ^4 und einen im Vg Takt. Viertourig bestand aus vier Theilen. Der erste hatte ^4» ^^ folgenden drei aber Walzertakt. Drei Nationen war ein Tanz aus drei Theilen. Der erste Theil war eine Menuett zu 8 Takten, der zweite eine Polonaise zu 4 Takten, der dritte ein Walzer von 8 Takten. Die Musik hatte durchweg ^4 Takt. Kikebusch war ein märkischer Tourentanz, der um 1800 und zuweilen noch in der Neuzeit getanzt wird. Die Musik in zwei achttaktigen Theilen hat ziemlich raschen y^ Takt. Zum I. Theile der Musik auf je 8 Takte tanzen vier Paare eine Ronde, links und rechts herum. Auf die vier ersten Takte des n. Theils tritt jeder Tänzer hinter seine Tänzerin und kikt (schaut] ihr in die Augen , nachdem er sie an der Taille etwas herumgedreht hat. Auf die vier näch- sten Takte wechselt das erste und zweite Paar , paarweise passirend, seine Plätze ; beim Wiederholen dieses Theils wechseln auch das dritte und vierte Paar die Plätze. Dieser II. Theil kommt immer gleichartig zur Ausführung, während auf den ersten sieben Takten verschiedene Touren nach und nach getanzt werden. Todtentanzist eine traurige MoUmelodie im langsamen '/i Takt, bloß von 8 Takten Umfang (MB. 305}. Er wurde noch um 1800 getanzt. Nicht unmöglich wäre, dass diese Melodie vormals bei dem scherzhaften Spiele »der Todten^nzc aufgespielt wurde. Am Schluss sollen noch einige Tanz-Namen erklärt werden, darin das Wort Tanz keinen eigentlichen Tanz bezeichnet, sondern nur im bildlichen Sinne gebraucht wird. Oster tanz der Sonne, das sind die drei Freudensprünge in die Höhe, Digitized by Google 211 welche nach dem Glauben des Mittelalters die Sonne beim Aufgehen am Oster* morgen macht. [Kuhn, westfiOische Sagen 142.] Schweden tanz ist die Bezeichnung fdr die Siege der Schweden im dreißig^ jährigen Kriege. Der Ausdruck ist in historischen Gedichten auf fliegenden Blät- tern des 17. Jahrhunderts gebraucht. Hasen tanz, so viel ab feiges Flüchten. Gebraucht ist der Ausdruck in einem historischen Liede auf Tilly's Niederlage 1630: iFreuden- und dankreiches Evangelisch-Lutherisches Sieges-Lied, über den liguistischen papistischen Tylli- schen Hasentanz aus Leipzig und Meißen.« Sau tanz war kein Tanz, sondern in Bayern ein Mahl, bei welchem gewöhn- lich Schweinefleisch aufgetragen wurde. [Schmeller I, 449.] Froschtanz ist ein Spiel der Kinder, wobei sie die Hände über oder unter den Knieen zusammenschlagen und das Hüpfen der Frösche nachahmen. Vürentanz, zusammengezogen aus »Führ den Tanze (ähnlich wie Schicke- tanz), kommt als Familienname vor MSH. m, 191^, Z. 10. Kapitel XIV. Qesellscliaftstäiize in Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart Sie sind internationaler Natur , werden darum in Deutschland ebenso wie in Frankreich, England, Amerika etc. getanzt, sowohl im Salon von feiner Gesell- schaft, wie in den Wirthshäusem zum Sonn- und Festtagsvergnügen. Wir be- ginnen mit den noch lebenden, also den auf der modernen Tanzkarte stehenden, und wenden uns dann zu den verschollenen Gesellschaftstänzen dieses Zeitraums. IMe Polonaise (italienisch »alla polacca«) dient zur Eröffnung aller Tanzfeste der Gegenwart und ist ein feierlicher Umzug im langsamen ^4 Takte, bei welchem eine ganze Gesellschaft, Paar hinter Paar, im Tanzsaal umher wandelt oder in Schlangenwindungen einher- schleift und mancherlei Touren ausführt. In ihr lebt der alte Branle der Franzosen, aber ebenfalls der getretene Tanz der Deutschen im Mittelalter noch bis heute fort. IhrCharakterist feierlicher Ernst, verbunden mit ritterlicher Zärtlichkeit und etwas Erregtheit. Es ist ein gravitätischer feierlicher Tanz, der zugleich ritter- liche Galanterie, Entzücken glücklicher Liebe und anmuthige Klage der Sehnsucht durchblicken lässt. Weil hier zu einer Musik im 3/4 Takte marschiert wird, so folgt, dass ab- wechselnd bald der linke, bald der rechte Fuß auf schweren Takttheil treffen muss. Dadurch entsteht in der Polonaise das unstete, losgebundene Wesen, was ihr Mannig- faltigkeit und besondem Reiz giebt. Für die Musik der Polonaise ist charakteristisch: a) dass sie stets mit VoU- takt anfängt, b] dass sie durchweg scharfe Accente liebt, besonders in der Melodie das zweite Achtel des Taktes betont, was einen kecken frischen Rhythmus erzeugt : c) dass das Motiv immer zwei Takte umfasst und im zweiten Takte einen merklichen Einschnitt hat, wie hier zu sehen ist, und woraus folgt, dass durch Ver- 14* Digitized by Google 212 bindnng der Motiye Theile von gerader Taktsahl nothwendig sind, also Theile mit 8, 10, 12 Takten; d) dass sie in der Begleitung die sechs Achtel des ^4 Taktes hörbar macht, wobei sie das zweite Achtel i n zwe i Sechse hntel zerlegt, so dass ein dem Bolero Ähnlicher Rhythmus entsteht: V4J /5 j J j J I ®*<^-*» ®)d«» derSchluss eines jeden Theils ohne Ausnahme auf den dritten (idso auf leichten) Takttheil f&Ut und durch einen Vorhalt mit trotzig absetzendem Basse eingeleitet wird, wie z. B. ^^5 ^ ^ S m JL^ y^iff f^ i Zwischen dem schwungvollen Anfange und dem unbefriedigendes Verlangen aus- drückenden Schlüsse spielen die zartesten, edlen KantUenen, die gern in fließenden Sechzehnteln sich auf- und abbewegen, brillant, galant, bis zur Wollust lieblich, keck und stolz. — f) Das Tempo der Polonaise hfilt die Mitte zwischen Andante und Allegro. Über den Ursprung der Polonaise ist man allgemein der Meinung, sie sei ein polnischer National tanz, weil darauf ihr Name hinweist. Dem muss ich widersprechen und behaupte , dass sie niemals polnischer Volkstanz war, sondern hofischen Ursprungs ist. Der volksm&ßige Tanz der Polen, der sonst wie jetzt stets mit Gesang begleitet war, kennt wohl den ^4 Takt, aber mit einem ganz anderen Rhythmus in dem nach der Provinz Masovien benannten Mazurek (Masurka) außerde m den Kra koviak (Cracovienne, benannt nach der Stadt Erakau) im 2/4 Takt J J J J I J M J J I etc. Nirgends findet sich in echt polnischen Nationalliedem und Tftnzen unser Polonaisen-Rhythmus ^/^ J M I J J J etc. Auch ist die Tanzmanier der Polen, jenes Aufschlagen mit den Hacken, muthwilliges Hüpfen und lebendiges Gestiktdiren in der ruhigen Polonaise nicht vorhanden. Überdies waren unsere Polonaisen-Musikstücke lange Zeit bei den Polen verachtet und mit der Bezeich- nung »Deutsch -Polonaise« belegt, weil sie keinen polnischen Nationalrhythmus haben und wahrscheinlich nicht aus Polen stammen. Nach A. Sowinski (Les Musiciens Polonais, Paris 1857) soll die Polonaise von den alten Weihnachtsgesftngen abstammen , welche noch in Polen gesungen werden; er führt als Beispiel einen derartigen Gesang an: »W zlobie lezys^ darin der Rhythmus und der Schluss des Tanzes vorkomme. Allein die ältesten Polo- naisen sind instrumental, obgleich sie später von Gesang begleitet worden sein können ; darum ist die Ansicht eines höfischen Ursprungs wahrscheinlicher. Wann und wo ist die Instrumental-Polonaise entstanden? NachGrove (Dictionary of Music and Musicians, vol. III, London 1883, p. 10) soll sie zuerst zu einer Defilir-Cour des polnischen Adels bei der Thronbesteigung Heinrichs III. von Anjou zuKrakau 1574 aufgeführt worden sein.^ Ich bezweifle, dass dieser i Im Jahre 1573 wurde bekanntlich Heinrich von Anjou zum Köniff Polens er- wählt und er hielt 1574 in Krakau eine große Cour, bei welcher die Eddffrauen unter begleitender Musik defilirten, was seitdem (wie man säet) bei jeder Thronbesteigunff durch fremde Fürsten in Polen Sitte wurde, woraus dann der Brauch entstand, dass die Po- lonaise den Eröffhungstanz bei Hof festen bildete. Digitized by Google 213 Defilirtanz von 1574 Bchon unsere Polonaise im % Takt gewesen sei, bis die No- tation davon beigebracht ist. Wohl kannte man schon zu Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts den »Polenschen Tanz«, davon ich in MB. 136. 174. 175. 196 einige Proben gebe; aber alle Notenbelege aus jener Zeit zeigen uns bloß den ^4 oder ^4 Takt, also nicht unsere Polonaise. In dem großen Lautenbuche von Besardus »Thesaurus harmonious« (Köln 1603, VII. Buch) stehen einige Polonaisen mit der Bezeichnung »Choreae Polonicaec meistens von einem naturalisirten Italiener Diomedes am Hofe des PolenkOnigs Sigismund lU. (1587 bis 1 632 regierend) . Sie haben aber in ihrem Rhythmus nur entfernte Ähnlichkeit mit der spfttem Polonaise. Die heutige Form der Polonaise mag sich Ende des 1 7 . Jahrhunderts aus- gebildet haben, tritt jedoch erst am Anfang des 18. Jahrhunderts zu Tage. Woher aber ist sie gekommen? Ihr französischer Name weist uns entweder auf Frankreich oder auf französische Tanzmeister an Deutsehlands Fürstenhöfen hin. In Frankreich jedoch kannte man im 16. und 17. Jahrhunderts die Polonaise als Gesellschaftstanz nicht. Zur Begründung dieser Behauptung führe ich an, dass der gründliche Tanzlehrer Tabourot in seiner Orchesographie von 1588, darin er alle damals in Frankreich üblichen Tänze beschreibt, die Polonaise nicht erwähnt. Ebensowenig findet sich eine Polonaise in dem fast 300 französisohe Tänze bringen- den Buche »Terpsichorea von M. Praetorius 1612. Auch der fleißige Mersenne, der 1636 in seiner ^Harmonie universelle« alle damals üblichen Tänze in Noten bringt, weiß von der Polonaise noch nichts. Sogar der englische JtDance-Master«, ein von 1650 — 1731 oftmals in London gedrucktes Buch, enthält unter den vielen Tanzmelodien keine Polonaise. Dass in der Regierungszeit Ludwigs XIV. (1643 bis 17^5) die Polonaise in Frankreich getanzt worden sei, darüber könnte nur die Sammlung Philidor Auskunft geben, doch verlautet davon nichts. Erst zu Anfang des 18. Jahr hund e rts beg egnen wir der Polonaise im 5/4 Takt mit ihrem jetzigen Rhythmus J ^ J J J J und zwar in Deutschland und, wenn ich mich nicht täusche, zuerst in Sachsen. Wenigstens hat Seb. Bach ihren Rhythmus schon gekannt und um 1725 Polonaisen komponirt, davon sechs in dem Klavierbuch für seine zweite Frau (Manuskript der Königlichen Bib- liothek zu Berlin) von ihm eingeschrieben sind. Eine daraus habe ich zur Probe (MB. 162) mitgetheilt. — Noch schärfer tritt das rhythmische Gepräge heraus in einer um 1736 zu Leipzig gedruckten Polonaise mit Gesang, die ich folgendem Buche entnehme: »Sperontes,^ Singende Muse an der Heiße in zwei mal 50 Oden. Der neuesten und besten musikalischen Stücke mit den dazu gehörigen Melodien zu beliebter Clavier-Übung und Gemüthsergötzung. Leipzig, auf Kosten der lustigen Gesellschaft.« Neben dieser in MB. 163 zu findenden, echten Polo- naise giebt Sperontes noch einen Air en Polonaise (MB. 164), welche Melodie ganz den Mazurka- Rhythmus hat. Dass damals die Polonaise kaum aufgekommen und auch in Deutschland bis- her unbekannt war, muss man daraus folgern, dass 1732 der in Weimar lebende sehr erfahrene Kapellmeister Walther in seinem musikalischen Lexikon sie noch nicht erwähnt. Mattheson in seinem v Vollkommenen KapeUmeister« (1739, S. 162 und 230) bringt die erste Beschreibung, wie er selbst sagt, von der Polo- 1 Der Pseudonyme Verfasser war ein der Komnosition und Dichtkunst kimdirer, ver- kommener Leipziffer Student JoL Sie^und Scnolze, geb. 1705 zu Loberoau bei Liegnitz. Ver^. Spitta's Forschungen m Vierteljahrsschrift fOr Musikwissenschaft 1885. Digitized by Google 214 naise. Er hftlt sie für polnischer Abkunft, macht auf ihren spondeischen Charakter aufmerksam und bemerkt , dass sie stets mit Volltakt anfange , bringt aber dann unbegreifliche Verwirrung hinzu, indem er zwei Beispiele dieses Tanzes giebt, eins im geraden (?) und eins im ungeraden Zeitmaße. Beide hat er aus dem Chorale »Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ« hergerichtet. Nachstehend folgen die beiden Curiosa, davon das unter a. doch wenigstens den Mazurken-RhythmuB erkennen Iftsst; das unter b. (Polonaise im geraden Takt) doch nur im Gehirn Mattheson's, aber nie in praxi gelebt hat; fabricirte er doch auch Ecossaisen und Anglaisen drolliger Weise im ^4 '^^^ ^^s Chorälen, welche Taktart für die ge- nannten Tänze nie existirt hat. a) Polonaise im ungeraden Zeitmaße. JH J-3 J J I J; j jTjy J JTT7T7? nr eto. b) Im geraden Zeitmaß. 4 ^rJ. j-;77^ | j i j ^ i j jM^^t^ etc. Bald nach ihrem Bekanntwerden im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts scheint die Polonaise in Deutschland ganz populär geworden zu sein. Bezüglich des Landes ihrer Entstehung kann kaum noch ein Zweifel darüber sein , dass es Deutsehland war. Da sie in Frankreich nicht gekannt war, wie wir eben erörtert haben, so liegt die Annahme sehr nahe, dass die Polonaise ein Tanz ä la cour am glänzenden Hofe des sächsischen Kurfürsten August des Starken war und entstanden sein mag, als derselbe 1697 König von Polen wurde; und hier ward sie zum Ceremonientanz (gleich ihrer alten Vorgängerin am französischen Hofe, der Pavane) bei allen Hoffestlichkeiten erhoben.^ Vom Hofe dieses Polenkönigs aus, der abwechselnd in Dresden und Warschau (1697 — 1733) residirte, hat sich dieser Tanz weiter verbreitet. Im Laufe des 18. Jahrhunderts scheint sie wenig Anklang gefunden zu haben, die Vorliebe für Menuetts ließ sie nicht aufkommen. Erst mit Anfang unseres Jahr- hunderts, besonders nach der letzten Theilung Polens 1795 wurde sie populäres Musikstück und Gesellschaftstanz auch in den bürgerlichen Kreisen Deutschlands. Durch seinen charakteristischen Rhythmus wird dieser Tanz zu einer der interessanteren Instrumentalformen für Darstellung eines reichen , besonders che- valeresken Inhalts ; zu diesem idealen Zweck wurde die Polonaise fast von allen Tonmeistern gepflegt. Seit dem ersten Bekanntwerden der Instrumentalpolonaise und gleichzeitig mit dem obgenannten Leipziger Komponisten Sperontes war es Seb. Bach, der um 1 725 — 4 5 Polonaisen komponirte. Sechs Polonaisen stehen im Klavierbuch für seine zweite Frau, um 1725 geschrieben, davon ich eine inMB. 1 62 mittheile; ob sie alle vom Meister selbst komponirt sind, wird bezweifelt. Aber zweifellos ist von ihm die stolze Polonaise in der Orchester- Partita H-moll ; femer von ihm ein Beispiel in den französischen Suiten Nr. 6, sowie endlich eine Polacca in dem Brandenburger Koncert. Händel hat eine Polonaise aus Emoll imConcerto grosso Nr. 3 geliefert. ^ Vidleicht finden sich in der BibUotheca musica Regia zu Dresden noch Stimm- bücher mit Tänzen, darunter Polonaisen mit Angabe der Komponisten aus der Regierungs- seit des genannten KurfOrsten. Herr Prof. M. Fürstenau, aem die Aufsidit über diese Bibliothek vertraut ist, wird darüber die beste Antwort geben können. Digitized by Google 215 Mo zart bringt ein Rondean en Polonaise in seiner Ddur-Sonate. Beethoven hat eine Polonaise op. 89 der Kaiserin Ton Russland 1815 gewidmet und 1797 eine Po- lacca in seiner Serenade für drei Streichinstrumente op. 8 geschrieben. Ganz wunderbar schön sind die von Franz Schubert komponirten Polonaisen für vier Hände op. 61 und 75. CM. von Weber's um gleiche Zeit und etwas früher entstandene Polonaisen op. 21 wurden bald beliebt ; seine Polonaise brillante op. 72 ist noch jetzt als Koncertstück gebraucht. Auch L. Spohr hat in seinem Faust (1818) eine prachtvolle Polonaise geschaffen, die lange Zeit auf Bällen ge- spielt ward, was auch von der lieblichen Polonaise gilt, die Konradin Kreutzer 1834 im »Nachtlager von Granada« geliefert hat. Sogar R. Wagner hat als sein op. 2 um 1830 eine vierhändige Polonaise erscheinen lassen. Von polnischen Komponisten waren zu Anfang dieses Jahrhunderts auch in Deutschland beliebte und berühmte Polonaisen die auf den polnischen Helden Kosciusko gesungene und gespielte (vgl. MB. 248] sowie die von Oginski komponirte sogenannte »Todten-Polonaisea weil deren Komponist nach Vollendung dieses Stückes sich erschossen haben soll, — aber natürlichen Todes 1803 in Florenz starb. Zahlreiche Polonaisen hat der Warschauer Kapellmeister K. Kurpinski zwischen 1810 — 40 komponirt, die nur in Polen und Russland Beliebtheit erlangten. Unübertroffen in ihrer Art sind end- lich die um 1830 — 50 von Fr. Chopin geschaffenen brillanten Koncert-Polo- naisen. »Der ganze Zauber hocharistokratischer Gesinnung, Adel der Seele und jener romantische Zug höchster Verehrung der Frauen, der den Polen auszeichnet, kommt in ihr (der Polonaise) zum beredten Ausdruck ; mancher Roman der Herzen mag sich namentlich in Chopins Polonaisen entwickeln.« (Mendel -Reißmann, Musik-Lexikon 10, 136.) Für den Tanzboden sind unendlich viele Polonaisen komponirt worden : sie waren besonders zu Anfange unseres Jahrhunderts nach der letzten Theilung Polens (1795) und wieder um 1830 (zur Zeit der Polen-Revolution] sehr beliebt. Die Verfasser dieser Tanzstücke sind meist unbekannt gebliebene Stadtmusik- direktoren und Tanzkomponisten in Deutschland und Polen. Man spielte außer der Kosciusko- und Oginski-Polonaise auch die von Spohr und Weber auf deut- schen Bällen. Seit 1850 — 70 hört man viel die Polonaise »Fünfmalhunderttausend Teufel«, komponirt von Graben-Hoffmann zu einem Liede dieses Anfangs. — Auf allen Hofbällen und Gesellschafts-Tanz festen in Deutschland dient noch bis heute die Polonaise zur Eröffnung. Im Ganzen ist aber jetzt die Liebe für Polonaisen nicht mehr so groß, wie früher, ein Blick auf die musikalische Tageslitteratur wird das bestätigen. Woher kommt dies? Es mögen unsere Dilettanten unbezweifelt jetzt mehr klassische Sonaten spielen und mag die Vorliebe für ungarische Tänze von und nicht von Brahms den Polonaisen-Bedarf nicht mehr aufkommen lassen. Der Ländler ist ein echt deutscher Tanz im 3/4 oder Y^ Takte und von mäßig geschwinder Be- wegung, der in Süddeutschland zu Hause ist, namentlich an den Ufern der Donau, Digitized by Google 216 in Österreich, Steiermark, Tyrol, Oberbayem vom Volke ohne Tansmeister muster- haft getanzt wird. Dort hat er sich beim Landvolke seit ältester Zeit bis heute erhalten, auf die eigene Bildung des Volkes sich beschränkt und vor slawischen und französischen Einflüssen sich zu wahren gewusst. Auch dieStyrienne und die neuerdings in Tanzsälen Deutschlands so be- liebt gewordene Tyrolienne gehören zu den Ländlern; sind es doch nur franzö- sische Namen für den steirischen und Tyroler Ländler. (MB. 254.) Ältere Namen für diesen Rundtanz sind Länder er und Oberländler, welche Bezeichnungen recht deutlich auf seine Heimath, das Land ob der Enns (Oberösterreich) hindeuten. Seine Tanzschritte (Pas) sind folgende (dabei bezeichnet 1. den linken, r. den rechter Fuß) : 1. r. L r. 1. r. v«j j j:3ij J J3 Der Charakter des Tanzes ist unschuldige Freude. Deshalb werden seine Melodien in den natürlichsten gefälligen Tonfolgen und leichten Rhythmen sieh dahin bewegen, gleichsam ein Wiegen auf leichten Wellen. Eigenartig ist seinen Melodien das angehängte Jodeln, durch fortgehende Sextenbrechung herzustellen, was nur eine süddeutsche Kehle fertig bringt. XTberhaupt wetteifert die Musik in hoher Empfindung mit den reizenden Tanzbewegungen, die ein Fliehen, Annähern und Verbinden des tanzenden Paares darstellen. Dabei ist nichts Rasendes wie in den unsinnig schnellen Walzern der Neuzeit, sondern rechtes Maß. Der Vortrag der Musik erfordert größte Leichtigkeit und Zartheit, was eben das Wort iländ- lerischa bei andern Tonstücken anzeigen soll. (MB. 206 — 213. 232 — 235. 243.) Der Ländler ist der Vater des Walzers, letzterer aber im Laufe der Zeit durch schnelleres Tempo und leidenschaftlichen Charakter zu dessen Antipoden ausgeartet. Der Walzer ist der echt deutsche Nationaltanz, der unter anderem Namen ursprünglich Süd- deutschland, besonders Osterreich und Schwaben angehörte, seit hundert Jahren aber mit seiner heutigen Benennung im ganzen übrigen Deutschland National- eigenthum geworden und sogar in alle civilisirten Länder der Erde übergesiedelt ist. Er ist ein Paarentanz, und zwar nach seiner Form ein Rundtanz, dessen alter Name »Dreher« (MB. 159. 214 ff.) sehr bezeichnend war. Er stellt die zur Fröhlichkeitsich einigenden, traulich umfassenden Paare in leicht drehender (wal- zender) Bewegung dar, die eine doppelte ist : denn einmal dreht sich jedes Paar tun seinen eigenen Mittelpunkt und zweitens bewegt es sich in einer großem Kreislinie fort, bis es wieder an seinen Ort gelangt. Folgende Figur wird diese Doppelbewegung darstellen : Jede kleine Kreiswendung verlangt 3 Pas: a) Vor- setzen des linken Fußes, b) Nachziehen des rechten, c) Umschwung. Diesem Dreischritt muss die Musik entsprechen, muss also stets im Tripeltakte (Y4 Takte) komponirt sein. Dann gehören wieder zwei Takte zusammen, auf welche der Kreis in 6 Pas vollendet wird : 1. VO J J r. L r. J J J etc. Digitized by Google 217 Über die Entstehung und das Alter des Walzen sind die Meinungen zweifach : a) Nach der verbreiteten und auch n^einer Ansicht ist der seit Ende des 18. Jahrhunderts Walzer genannte Tanz im y^ Takte aus dem alten Dreher oder Ländler (im ^4 ui^d ^g Takte) entstanden. Dieser langsame Tanz unserer Urgroß- eltern war in ganz Deutschland gekannt und mit Ruhe und Gravität bis zu Anfang dieses Jahrhunderts in Stadt und Land getanzt. Sein erstes Vorkommen ist aber nicht zu bestimmen. Man kann schließlich wohl bis zur Minnesingerzeit (12. und 13. Jahrhundert) zurückgehen und schon im Springtanze, dem zweiten Theil eines jeden deutschen Tanzes, der stets im Tripeltakt die vorangegangene gerad- taktige Tanzmelodie wiederholte, den Anfang des Walzers erkennen. b) Die zweite , abweichende Ansicht ist die von Czerwinski (Qeschichte der Tanzkunst S. 208) aufgestellte, nach welcher der Walzer aus dem »Langaus« entstanden sein soll : »Die Entstehung des Walzers reicht bis in jene Zeit hinauf, in der von Tänzern der Versuch gemacht wurde, den Langaus zu tanzen. Lang* aus nannte man diesen Tanz deswegen, weil die Tänzer einen sehr langen Raum mit den wenigsten Umdrehungen zu durchtanzen hatten. Gegen diesen Tanz, bei dem man sich allerdings verdrehen musste, waren wahrscheinlich (?) die fort- währenden Verbote der Obrigkeit gerichtet, die wir S. 1 14 ff. kennen gelernt haben. Der Langaus blieb im 18. Jahrhundert, als das auf ihm lastende Interdikt still- schweigend aufgehoben war, auf dem Lande der herrschende, bis er endlich durch den Walzer verdrängt wurde, oder vielmehr seinen Namen in diesen um- änderte, denn der Tanz blieb derselbe. — Seit dem Jahre 1 787, als die italienische Oper von Vincenz Martin, betitelt »Una cosa rara« (deutsch »Lilla oder Schönheit und Tugend«) in Wien den Preis über Mozarts Figaro davon trug, wurde auch der Walzer in Deutschland allgemein. Vier Personen dieser Oper (Lubia, Tita, Chita, Lilla) , schwarz und rosa gekleidet, tanzten auf der Bühne den ersten Wa 1 s e r. (Das musikalisch elende Machwerk ist unter MB. 237 zu finden.) Bei dem Un- geheuern Beifall, den die Op€ft fand, konnte es nicht fehlen, dass man auch dem eingelegten Tanze die Aufmerksamkeit zuwendete. Er wurde in der Gesellsohaft nachgeahmt und unter dem Namen Cosa rara oder Langaus^ allgemein Mode, bis man später seinen Namen in Wiener Walzer umänderte.« Zu den Vorläufern unseres Dreischritt-Walzers, also zu den Drehern und Schleifern, gehörten in alten Zeiten auch Tanzlieder, wie noch jetzt der volks- mäßige Länderer (Ländler) und der im gleichen Taktmaß, nur etwas rascher gehende schwäbische Volkstanz (kurzweg »Schwäbische) zuweilen mit Gesang be- gleitet wird. Die Texte ließ man mit der Zeit weg, spielte bloß die Tanzmelodie, oder die Spielleute erfanden gleich Tanzweisen ohne Gesang und das waren im 17. und 18. Jahrhundert die altvaterischen Dreher und simpeln Schleifer. Wiederum legte man beliebten Instrumental-Tanzstückchen lustige Texte tmter, wie dies noch jetzt geschieht. Ein solches altes Scherz- und SpottUedchen hat sich mit seiner alten Dreher-Melodie bis auf unsere Tage erhalten ; es ist das bekannte Liedehen »O dulieberAugustinl«, auf einen Wiener Bänkelsänger und Sack- pfeifer dieses Namens gedichtet, der um 1670 lebte (MB. 214). Wenige Jahre später mag dieses Walzerliedchen entstanden sein, in welchem wir noch die alte einfachste Form der Dreher oder Walzer vor uns haben. Vergleicht man die Walzermusik aus dem Anfange unseres Jahrhunderts mit der gegenwärtigen, so wird man den großen Fortschritt der Kunst nicht in 1 Bemerkt sei, dass der Ausdruck Langaus in Wien zu Anfa^ dieses Jahr- hunderts gar nicht gekannt war, wie alte Herren und gewesene flotte Tänzer mir ver- sicherten. Der Wiener kannte und tanzte damals bloß Länderer und Zw ei tritt. Digitized by Google 218 Abrede stellen können. Dort in den Walzern vor 80 Jahren findet man nur das Rohmaterial in ftufieren Umrissen , oft aber von feinem Geschmack und sittiger Einfalt; jetzt alles zugespitzt, rhythmisch-harmonische Scharfang des Walzer- Motivs, reizende, sonst ungekannte effektvolle Instrumentirung. Nicht unbeachtet bleibe, dass der frühere Walzer eine viel mäßigere Bewegung hatte, bevor der Wiener Schnellwalzer aufkam. Jetzt kann er den bacchantischen Tänzern nicht rasch genug aufgespielt werden. Wohin soll diese Tolljagd fahren? Muss denn die Dampfkraft auch den Tanzwirbel treiben? Ver- gisst man denn ganz und gar die deutsche Ruhe und Mäßigung im deutschen Nationaltanz? »Der Walzer war ehedem ein anmuthig dahin gleitender Tanz, ein belebtes flüssiges Menuett (?) , ein volksmäßiger Ländler, seit Weber* s Aufforderung zum Tanze (1819) ist aber ein rasches feuriges Allegro in diesen Tanz gefahren. Die Zeit lief schneller, warum sollten die Leute nicht auch schneller tanzen? Die feurig glänzende Tanzweise kam bald zur Alleinherrschaft; der Straußische Walzer war ein SprOssling des Weber'schen. . . . Seit Webers Aufforderung zu dieser stürmischen Tanzweise ist es unendlich schwer, die ältere , sinnig-gemüthliche Tanzmusik überhaupt noch tanzbar zu finden.« ^ Alle Launen und Bewegungen der steigenden Leidenschaftlichkeit hat auch der deutsche Walzer durchgemacht, ein noch höheres Unmaß von Heftigkeit ist kaum denkbar. Alle Grazie und Würde ist damit zu Ende und der Tanz nicht mehr ein Vergnügen, sondern eine Arbeit. Man hat behauptet, dass nur die Los- sagung der Walzer-Komponisten von den Schranken des frühem Walzer- rhythmus dazu geführt habe, diesem Tanze das Behagliche und das Vergnügen ruhigen Gleichmaßes zu rauben. Ich gebe den Komponisten nicht die Schuld, sondern glaube, dass die Hast und Raschlebigkeit, die all unsem Zeitgenossen in den Gliedern steckt, auch die Komponisten ergriffen und nachgezogen hat; sie sind nicht die Schiebenden, sondern die Geschobenen. Haben denn die Kom- ponistendie Schuld, dass keine graziöse Menuett, keine schelmische Ecossaise mehr ge- tanzt wird? Sie würden deren gewiss komponiren , wenn das Publikum sietanzen woUte. Dass der deutsehe Walzer aus dem ersten Theil der Courante sich ent- wickelt habe, ist eine ebenso unhaltbare Annahme der Franzosen, als die fabulOse Ansicht, dass der Wal zertanz schon im 14. Jahrhundert vorhanden gewesen sein müsse , weil in der absonderlichen Schrift eines damaligen FranziskanermOnches »Le voyage du fräre Audricc ein Kapitel überschrieben ist: »La gpmnde merveille de la Valse d'enfer et p^rilleuse« (das große Wunder von der gefährlichen Walze in der Unterwelt). Diese Walze (Cylinder, Rolle) kennt jeder Ackerbauer und diese ist gemeint, aber nicht kommt in Deutschland, noch weniger in Frankreich, der Name Walzer für unsem Dreher vor Ende des 18. Jahrhunderts vor. Das Wort Walzen (d. h. sich um seine eigne Axe drehen) findet sich schon im Alt- hochdeutschen als walz an, sowie im Mittelhochdeutschen als walzen; nur auf Tanz ist dieser Ausdruck vor Ende des 18. Jahrhunderts nie angewendet worden, nie begegnen wir vor dieser Zeit in der Litteratur einem Walzertanz. Recht bezeichnend für unser nationales Eigenthum ist der im 18. Jahrhundert in Österreich und noch jetzt in Bayern zuweilen gebrauchte Ausdruck »der Deutschea für den im Vs^akt geschriebenen Dreher und spätem Walzer. Mit diesem Titel schrieben noch Mozart und Beethoven deutsche Tftnze. Auch mit der Bezeichnung Allemande für den Schleifer oder Dreher im 18. Jahr- hundert haben unsere westlichen Nachbarn das Heimathsrecht desWalzers anerkannt. 1 H. W. Riehl, musikalische Gharakterköpfe 11, 296. Digitized by Google 219 Über das Sinnliche , das im Walzer wie überhaupt in allen Rundtftnzen der Paare liegt, nrtheilt der deutsche Schriftsteller Weber in seinem »Demokrita nicht mit Unrecht : i>Wenn das Paar sich eng umschlingt, Knie an Knie, Brust an Brust, Aug in Auge , die Hand des Madchens auf der Schulter des Jünglings , und die seinige noch tratdicher auf schwellenden runden Hüften, wenn der reine Athem. der Schönen anweht, wenn man an den heißen Wangen die Wärme fühlt und ein Herz dem andern entgegenklopft, muss da nicht Phantasie und Sinnlichkeit rege werden?« Die in ihre Quadrillen verliebten Franzosen fanden lange Zeit am deutschen Walzer kein sonderliches Gefallen, namentlich nicht an dem rasenden Schnell- walzer und dem Umarmen dabei. Die Hofmeisterin der Königin von Frankreich, Gräfin Genlis, beschreibt um 1835 den Walzer wie folgt: »Ein jimges Mädchen, leicht gekleidet, sich in die Arme eines jungen Mannes werfend, welcher sie an seine Brust drückt und sie mit solcher Heftigkeit fortreißt, dass sie bald ein hef- tiges Schlagen ihres Herzens fühlt und dass ihr bestürzt der Kopf wirbelt; das ist das, was man Walzer nennta^ Nicht minder scharf hat Lord Byron in seiner satirischen Dichtung v Apo- strophische Hymne an den Walzer« über denselben geurtheilt. Ein freieres Urtheil fällt der ästhetisch gebildete Schriftsteller und gewesene Tanzlehrer des königl. sächs. Kadettencorps B. Klemm in seinem »Katechismus der Tanzkunst« über den Walzer: »Er ist der echt deutsche, mit dem Volks- leben innigst verwachsene National tanz, keinem andern nachstehend; denn in keinem herrlicher schwebt die vollendetste Figur der Welt, die Kreisfigur, von jedem einzelnen Paare und von der Schwingung Aller harmonisch dargestellt. Un- befangene Fröhlichkeit und naiv-gemüthliche Hingebung ist sein Charakter.« Wie dem auch sei , der Walzer hat sich in der ganzen Welt Bürgerrecht zu verschaffen gewusst , so dass er gegenwärtig in Deutschland nicht nur ein überaus beliebter Wirthshaustanz , sondern auch in allen Erdtheilen ein geschätztei^ Salon- tanz geworden ist; er wird beides ohne Zweifel noch geraume Zeit bleiben. Der Verunglimpfung des deutschen Nationaltanzes möchte ich eines patrio- tischen Dichters Wort entgegenhalten : »Wie die Walzer (Walzenden) vorüberfliegen, Wie sie sich drehen und wiegen Im leicht durchwirbelten Kranz I Weg mit den fremden Touren, Der Verbildung unleugbaren Spuren l Auch der Deutsche hat seinen Tanz. Da wird auch der Muth so lebendig und frei. Und die Grazie bleibt der Natur getreu.« Als ein Zeichen der Geschmacksverwilderung betrachte ich den im Jahre 1885 zuerst auf Berliner Volkstheatem, dann auf rheinischen Camevals und' in Salons vieler Städte zur Aufführung gebrachten Schaukel-Walzer. Es wird nach einem Liede im ^4 Takt von Ludolf Waldmann, wie auch zu andern Walzermelodien, nicht mehr der ehrlich -deutsche Walzer getanzt, sondern von ^ »Une jeune persomie, Ug^rement drap^e, se jetant dans le bras d'un jeune homme qui la presse contre son sein, et qui Tentratne avec une teile imp6tuo8it^, que bientdt eile iprouve un violent battement de coeur, et qu'^perdue la t^te lui toume? Voila ce que eest qu'une Waise!« Digitized by Google 220 fideler GeBellsoliaft, wenn ihr ganz kannibalisch wohl iat, werden Pantomimen nach dem Takte und Ausdruck der Musik ausgeführt , wobei besonders ein taktbches Hin- und Herwiegen (Schaukeln), Drängen und Fortsohieben der sich am Arm eingehenkelten Tftnzerreihe der Hauptwitz ist. Weil eine derartige Darstellung bei guter Laune einmal etwas anderes ist als das altgewohnte Rundtanzen, so liegt darin für Manche ein Zauber. Der Versuch ist an vielen Orten beiflftllig aufjgenommen, aber auch als Schrecklichstes der Schrecken der modernsten Gesellschaftsunterhaltung hart getadelt worden. Letzteres mit Recht, weil diese Schaukelei nicht immer in den Schranken der Decenz bleibt. Hoffentlich ist der Scherz harmlos und vorüber- gehend. Der gute deutsche Walzer, tmser Nationaltanz, wird dadurch nicht ver- drängt werden. Der Schottisch^ auch schottischer Walzer und Ecossaise -Walzer genannt, ist ein Hopswalzer oder Hopser im raschen 2/4 Takte^ mit dem scharf ausgeprägten Rhythmus: L r. L r. 1. r. Dieser Rundtanz wurde unter dem Namen »Schottisch« um 1 830 — 40 auf Stadt- bällen wie in Dorf schenken viel getanzt, bis ihn die Polka verdrängte, oder richtiger gesagt, er lebt jetzt noch in der P olka fort. Für diese auf eigene Erfahrung gestützte Behauptung citire ich den fachkundigsten Gewährsmann, Herrn Hoftanzlehrer R. Voss, der S. 337 seiner Tanzgeschichte schreibt: »Der Pas des Ecossaiae- Walzers ist auch der des Schottisch und der der späteren Polka.« (MB. 260.) Der Schottisch ist aber als Hopser in Deutschland schon lange vor dem Ende des 18. Jahrhunders vorhanden und seine Musik in dem aus jener Zeit stammenden Volksliedchen »Gestern Abend war Vetter Michel da« (MB. 251) zu erkennen. Ja, es ist vielleicht nicht zu gewagt, ihn schon als Bauemtanz in Sebastian Bach's Jugendzeit zurückzuverlegen, da derselbe in seiner Bauem-Cantate (MB. 160) bereits den ausgeprägten Schottisch giebt, vorausgesetzt, dass diese leichte heitere Melodie im 2/4 Takte nicht Bach's Erfindung, sondern ein vorhandener Volkstanz ist. Unter MB. 253 und 254 gebe ich einige Melodien vom Schottisch, wie man sie um 1830 — 40 in Thüringen hörte. — Auch eine be- sondere Art tanzte man damals in Thüringen, Hacken-Schottisch, weil dabei abwechselnd auf der Hacke (dem Absatz], dann auf der Fußspitze gehüpft wurde. Der dazu gehörende Rhythmus der Musik war % / "^ / •/ | /Jl "^ II J^ "^ J^ ^'i Der Galopp oder die Galopp ade ist ein sehr schneller Rundtanz im 2/4 Takt, der seit 1824 zum Leidwesen der Menschheit aufkam. Er hieß sonst auch Rutscher, weil man dabei das Fortrutschen der Füße auf dem Fußboden hört; auch »Preußische^ ^ »Die heidnischen Preußen sollen, um ihren gewohnten Opferdienst ungestört feiern zu können, ihre Bekehrer durch allerhand Schrecken (z. B. vermummt auf Besen reitend) von dem Orte ihrer Feier entfernt gehalten haben. Man sagt daher, dass der Rhythmus des Gfalopns von diesen Besenreitern der heidniscnen Preußen herstamme. Es ist erklärlich, dass, sobald man auf einem Besen schnelles Reiten nachahmt, die Be- wegung der Beine ein Wegjagen der Füße, unser heutiges pas chass^, wird, welches den Galopp bildet. Bemerkenswerth bleibt nur, dass diese natürliche Bewegung erst im Jahre 1824 zu einem Rundtanze sich ausgebildet hat. Vorher tanzte man ähnliche Tänze, aber nur nach einer Seite hin, also mit Chassis en courante.« [Voss, der Tanz 341.] Digitized by Google 221 wurde er saweflen. genannt. Jedenfalls ist er eine deutsche Erfindung, die nach Paris sich yerpflanzte und mit fremdem Namen zurückkam. Der Name Galopp beseichnet den raschen gleichmäßigen Satz des Pferdes. Schon das wäre hin- reichend, den rasenden Pferdetanz als gesundheitspolizeiwidrig zu verachten. Die Tanzschritte (Pas) im Galopp sind gleich denen im Walzer und Schottisch (jetzt Polka): l.r. 1. i.l. r. l.r. 1. r. 1. r. 1. r. 1. r.l.r. v.r :i\H i!iZ£ri5-'C-'i!ü'ic^C£d'icji;ii Der Bass hat die zwei Haupttheile eines jeden Taktes zu markir en und durch Vor- und Nachschlagen yier Achtel hörbar zu machen, z. B. : ^♦llcüf Der älteste Galopp soll der sein, der um 1825 in der Posse »Die Wiener in Berlin« Torkommt (MB. 261). Seitdem haben Tanzkomponisten im Süden und Norden diese Tanzgattung mit hunderttausenden Ton Musikstücken versorgt,, darunter manche recht frische Melodie mit nichtssagendem Namen (Frühlings- Galopp, Ehestandsfreuden-Galopp, darin zuweilen durch ein Blaswerk das Quäken eines kleinen Kindes nachgeahmt wird; Champagner-Galopp, darin das Pfropfen- knallen gehört wird etc.) — ElavierkünsÜer wie Liszt u. A. haben auch Bravour- Galopps komponirt. Zum Tröste sei bemerkt, dass der Galopp nicht mehr so oft als früher getanzt wird, sondern in jüngster Zeit seit 1870 eine Reaktion gegen ihn eingetreten ist. Die Polka wird irrthümlich für einen böhmischen Tanz gehalten, der um 1835 von einer Bauemmagd erfunden worden sei, ist aber in Wahrheit nur ein anderer Name für den vorher schon gekannten Schottisch. Ihren Namen führt sie nach einem böh- mischen Worte »pulkaa, was so viel als »halb« bedeutet : weil der Halbschritt ihr Eigenthümliches ist, wodurch sie vom deutschen Galopp und Schottisch sich unter- scheidet. Ihre Pas sind: ^. # m'ß. m p x p m #'##« i^SB, 255 — 259.) Die Musik besteht in der Regel aus vier Theilen von je acht Takten. Die Takt- art ist ^4 ^9kt und das Tempo lange nicht so schnell wie beim Galopp. Ihr Rhyth- mus in der ersten Zeit 1840 — 18 50 liebte folgende Gestalten: ^4 ^^ ^f] II XTber ihre angebliche Erfindung und Verbreitung erzählt Alfred Waldau in seinem Büchlein vBöhmbche Nationaltänze« (S. 16 — 18) Folgendes: »Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauemmädchen, das in Elbeteinitz (in der Umgegend von Gitschin) bei einem Bürger in Diensten stand, eines Sonntags Nachmittags zur eigenen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang dazu eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Josef Neruda, der zufällig anwesend war, schrieb die Melodie nieder und der neue Tanz wurde kurze Zeit darauf zum erstenmale in Elbeteinitz getanzt, bald darnach (Ende 1834) in Git- schin mit Beifall aufgenommen und verbreitete sich von da aus über ganz Böhmen. Um das Jahr 1835 fand er durch Studenten in Prag Eingang und erhielt dort wegen des in ihm waltenden Halbschrittes nach einem czechischen Worte pulka (Hälfte) den Namen Polka. Vier Jahre später (1839) wurde die Polka durch das Digitized by Google 222 MusikchoT der Präger Soharfschatsen unter der Leitung des Kapellmeisiers Pergier nach Wien gebracht, woselbst Musik und Tanz sich auüerordentlichen Beifall errangen. Im Jahre 1840 tanzte zuerst Raab, der ständische Tanzlehrer aus Prag, diese böhmische Polka auf dem Th^&tre Od6on in Paris mit ausgezeichnetem Er- folge , worauf dieselbe mit staunenswerther Schnelligkeit Eingang in die eleganten Salons und Ballsäle von Paris fand. (In Norddeutschland verbreitete sie sich 1841 bis 1842. Die Leipziger Illustrirte Zeitung, L Jahrgang 1843, bringt eine Ab- bildung der Polka, wie sie in Böhmen und Deutschland getanzt wurde.) Wie alle Dinge der Mode verbreitete sich von Paris aus dieser lebhafte und anregende Tanz, wenn auch mehrfach modificirt, beinahe über alle Länder Europas, pilgerte sogar über den atlantischen Ocean und fand in New -York ein freundliches Willkommen. Alle Kreise der Gesellschaft beeiferten sich, ihm mit freudiger Vorliebe zu huldigen, und man tanzt ihn gern noch bis zu dieser Stunde. Es giebt keinen Eleganzball, wo nicht Polka auf der Tanzordnung stände. In ihrer gegen- wärtigen Gestalt gleicht die Polka dem bekannten Ecossaisen -Walzer (Schottisch] , nur dass die Pas schärfer markirt werden und der Tänzer den Fuß in die Höhe zieht und hörbar, beinahe stampfend niedersetzt. Die erste Polka, welche im Musikalienhandel erschien, war die von Franz Hilmar (Lehrer in Kopidlno] komponirte. Sie wurde noch 1859 in dem Mailänder Scala-Theater vom Orchester ausgezeichnet gespielt, als die Prima ballerina auf der Bühne den einfach schönen böhmischen Tanz aufführte. In der Folge lieferten gute, echt nationale Polka*s auch J. Labitzky, J. Prohaska, F. W. Swoboda, Lichmann, A. E. TiÜ u. A. Tausend Machwerke von guten und schlechten Kom- ponisten sind seit 1840 in die Welt geschickt und längst wieder vergessen, weil die Mode gern wechselt. Das Mädchen, das den weltberühmten Tanz erfunden hat, lebte später (1859) verheirathet in einem böhmischen Dorfe Konitopy bei Brandeis. Ihr Name ist unbekannt geblieben. — Diese Erfindungs-Geschichte der Polka in Böhmen hat der hocherfahrene Hoftanzlehrer Rudolf Voss (Tanz S. 294) als ein Märchen hingestellt und die Entstehung viel früher gesetzt. Er findet die Pas der Polka schon in dem viel altern Ecossaisen -Walzer und dem Schottisch. Über eine sonderbare Wandelung in der Ausführung der Polka sonst (1840 — 50) und jetzt (1870 — 1886) kann ich meine Wahrnehmung nicht unter- drücken. Wie man sonst, kurz nach ihrem Entstehen (1842 — 45) die Polka tanzte, so tanzt man jetzt Rheinländer-Polka (s. d.) ; wie man jetzt Polka tanzt, so tanzte man einst Schottisch. Somit stimme ich im Wesentlichen Voss bei und halte die Polka nicht für eine neue Erfindung, sondern nur für einen mit der Mode wechselnden andern Namen eines schon früher vorhandenen Tanzes. Bheinlilnder-PolkA^ auch Rheinländer, Bayrische Polka und Jägerschottisch genannt, ist dem Namen nach erst in den 50er Jahren in den hohem Tanzsalons bekannt. Es ist (nach Voss) wesentlich derselbe Tanz, der früher Hüpfel-Polka und Anfang dieses Jahrhunderts Hops- An gl als e (MB. 280), auchFran9oiseund Springer hieß. Die Musik geht aus langsamem ^j^ Takt, hat vier Theile von je acht Takten mit Wiederholung (MB. 258. 259] . Die ganze Tanztour wird auf je vier Takten voll- endet, drei Schritte links, drei Schritte rechts, dann Umschwung im Zweitritt: Langsam. L r. L r. 1. r. 1. L r. r. 1. L r. 3 Schritte links 3 Schritte rechts Umschwung. Digitized by Google 3 223 Die Mazurka (auch Masur, Mazurek) ist ein munterer Nationaltanz der Polen (in Masoyien), der sich aber seit 1840 über den ganzen tanzenden Erdkreis verbreitete und auch in Deutschland zu den beliebten und gefälligen Grotesk-Tänzen gehört. Die Mu s ik (s. MB. 267) bewegt sich im ^j^ Takt, das Tempo ist gemessener als das im Walzer. Charakteristisch ist das Betonen des zweiten Taktgliedes^ was durch einen an- gesetzten Punkt und darübergesetzten Accent angezeigt ist und dem Tanze eine gewisse Unruhe giebt, z. B. '/«JUi Jl J lh^-I3l;i J J II •"^- _ Der Tanz wird gewöhnlich von vier oder acht Personen ausgeführt; wie in der Quadrille nicht mehr und nicht weniger. Die Musik darf nur aus zwei oder vier Theilen mit je acht Takten bestehen, nicht aber aus drei und mehr als vierTheilen. Zum ersten Theile wird ein Rond getanzt ; mit dem zweiten Musiktheile tanzt der erste Tänzer eine Tour vor, welche die übrigen Tänzer nach der Reihe nachahmen. Eine Abart der Masurka war die Varsovienne (Warschauer Tanz) , ebenfalls im langsamen ^4 Takt« gespielt und um IS 50 — ^70 in Deutschland sehr beliebt (s. MB, 263). In der Gegenwart hat man sogar Polka-Mazurka, eine Mischung, deren Tanzbewegung an beide Tanzgattungen erinnert, aber nach einer Musik im mäßigen 3/4 Takte getanzt wird (s. MB. 262) . Als Gesellschaftstanz kam die Masurka (s. MB. 164) schon unter Au- g^t III., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, in Aufnahme und verbreitete sich von Dresden aus , mit etwas verändertem Charakter, über fast ganz Europa. Nachdem wurde sie wieder eine Zeitlang vergessen , bis sie in Deutschland um 1840 — 50 wieder Mode ward, um wieder zu verschwinden. Meisterhafte Charakter- stücke in der Ma zur ka -Form, nicht zum Tanzen, hat bekanntlich Chopin für Klavier komponirt. Der Contretanz (Contredanse francaise). Dieser Kunsttanz ist eine zusammengesetzte Quadrille und besteht aus sechs aneinander gereihten Tänzen , die in Takt und Tonart wechseln und verschiedene stehende Namen führen, die wir unten erklären werden. Der Ausdruck »contre- danse« heifit soviel als Gegentanz (contre) , weil sich die Tanzenden gegeneinander bewegen. Die Ableitung des Wortes vom englischen country-dance (Tanz der Liandleute) ist ein Missverständnis. Die Erfindung des Contre-Tanzes wird einem englischen Tanzmeister zuge- schrieben, der denselben 1710 in Frankreich eingeführt haben soll. Doch erst, nachdem Rameau 1745 in seinem Ballet sles f^tes de Polymnie« einen Contre- danse eingeflochten hatte , der dem Geschmack der Pariser entsprach und darum allgemeinsten Beifall fand, wurde derselbe in den Salons heimisch und fand später auch in den Tanzlokalen des Volks Eingang. — In Süddeutschland wurde der Contretanz schon um 1760 getanzt, nach Norddeutschland kam er, wie er jetzt noch ist, erst um 1806. Die Melodien der Contretänze hatten alle besondere Namen; man wählt von diesen Tänzen sechs zu einer Quadrille fran9aise aus. Als die Quadrille auf diese Weise organisirt wurde, gab es Lieblings-Contretänze , welche le pantalon, T^t^, la poide, la tr^nis, la pastourelle hießen. Die Melodien dieser Contretänze wurden Digitized by V:iOOQLC 224 als Grundfonn gewählt, und allen neu komponirten Stücken derselbe Name ge- geben. 1. So gab es Verse, die su einer sehr alten Contretanz- Melodie improyisirt worden: Le pantalon De Toinon N'a pas de fond. Das Liedchen gefiel und ging selbst in die Salons über. Der Contretanz verlor seinen ersten Namen und Jedermann verlangte le pantalon, indem man so die Melodie des Tanzes nach dem ersten Textworte bezeichnete. Endlich gab man die Melodie und das Lied auf, aber die Tour le pantalon blieb auch zu anderer Musik bis heute. 2. Ein um 1800 berühmter Contretanz le pas d'6t6 (Sommer) musste auf ganx eigenthümliche Weise getanzt werden. Weil Grazie und Lebendigkeit dazu ge- hörten, konnte er nur von Virtuosen ausgeführt werden , die ihn lange zusammen geübt hatten. Deshalb missfiel er auch bald denen, die ihn nicht mittanzen konnten, sie bildeten die Mehrheit und das pas d*6t6 wurde von den BftUen verbannt. Der Name jedoch blieb und hat sich bis heute erhalten. 3. Im Jahr 1802 erschien ein Contretanz von Julien, dessen zweiter Theil mit einer Nachahmung des Hühnergeschreies begann. Die Tour dieses Contretanzes war neu und hübsch, und man nahm sie an. Der Name blieb, um iedle Contretänze zu bezeichnen, die nach den Touren der poule (Huhn) geschrieben wurden, ob- gleich spätere Melodien mit dem Gluck-Gluck nichts gemein hatten. 4. Trenitz war ein ausgezeichneter Tftnzer, der um 1800 die Tour des Contre- tanzes erfand, welche noch jetzt seinen Namen führt. Tausende von Melodien sind nach dieser Kombination von Pas gefertigt worden, alle heißen Trenis. So- bald Trenitz tanzte , drftngte sich Alles in seine Nähe , ihn zu sehen und zu be- wundem. 5. La pastourelle (Hirtentanz) wurde so genannt wegen der Melodie zur Begleitung nach Art der italienischen Villanellen. 6. Der Name Finale für den Schlusssatz oder letzten Contretanz der Qua- drille bedarf keiner Erklärung. Die Erklärung dieser Nameü für die sechs Theile der Contredanse fran9aise verdanke ich dem vortrefflichen Buche von Czerwinski, Geschichte der Tanzkunst 149 — 51. — Die Tanztouren der Quadrille wurden durch nachkommende Tanz- meister vermehrt und verändert und mit allerhand Zuthaten neue Quadrillen ge- schaffen. Die Musik zu den üblichen sechs Theilen bringt verschiedene Taktarten in folgender feststehender Ordnung : I. Theil «/g ; E. 2/4 langsam; m. % (rasch); IV. 2/4; V. V4; VI. 2/4 Takt. (Vgl. MB. 278. 279.) Der Lancier oder Quadrille ä la conr heißt der aus vier Nummern zusammengesetzte Contretanz, welcher 1857 in Berlin durch die Mitglieder des EOnigl. Ballets eingeführt^ und seitdem als Gesellschafts- tanz in Frankreich , England und Deutschland aufgenommen wurde , bis er nach 1870 wieder verschwand. Er wurde im Theater ursprünglich im Kostüm der > Der erste Druck lautet: »Quadrille k la Cour (Las Landers), zusammengestellt von Mitgliedern des Königl. Corps de Ballet zu Berlin.« 8 8. 640. Berlin, Plahn. 1857. Digitized by Google 225 Lanzenreiter (Lanciers , Ulanen] mit Fahnen und leichten Waffen getanzt , daher sein Name. — Seine fünf Theile hießen : I. La Dorset, Vs J D- La Victoria, 2/4; ID. Les MoulinetB, % ; IV. Les Visites, %; V. Les Lanciers [k la cour), ^^Takt. Der CotUlon (d. h. Unterrock) bezeichnete sonst den ersten Grad des Veitstanzes, seit ungefähr 1820 ist er zum Kunsttanz der Franzosen und Deutschen (I) geworden. Er wird mit allerlei zeitvertreibenden Hin- und Herbewegungen der Tanzpaare, Ver- schlingungen, Auflösungen (wie bei der Polonaise mit Touren] eröffnet und daran werden dann Gesellschaftsspiele geschlossen; oder richtiger, er ist ein Gesell- schaftsspiel mit Tanz, den die Vortänzer oder Tanzmeister oft recht geschmack- voll zu arrangiren wissen. Mit der urdeutschen Tanzart , dem L eich (als einer Verbindung von Spiel und Tanz] hat der Cotillon gewiss Ähnlichkeit ; wie viel? ist nicht zu sagen. — Die Musik bestand sonst aus besondem Tanzstacken im raschen Tripeltakte , die getanzt oder chassirt oder auf allerlei Weise gerannt und ge- sprungen wurden. In der Neuzeit benutzt man zum Cotillon eine Reihe beliebiger Walzer , Galopps und Polkas , die so lange fortgespielt werden , bis der Cotillon aufhören soll. Wenden wir uns nun zu den unlängst verschollenen Gesellschaftstänzen unserer Eltern und Großeltern, so werden wir die Wahrnehmung machen, dass Manches ganz abhanden gekommen, Anderes noch unter anderem Namen fortlebt. Die Anglaise^ welche in Frankreich und Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein beliebter Gesellschaftstanz war, ist eine Abart des englischen Volkstanzes von mäßig lebhaftem Charakter. Die Musik (MB. 249) ging meist aus 2/4, sehr selten % Takt. Zur Anglaise lässt sich jeder Hopswalzer (Ecossaise, Schottisch] gebrauchen. Die Ausführung der Anglaise ist der Ecossaise ähnlich^ es bewegen sich die Paare der Reihe nach im taktmäßigen Gange auf und ab, also in die Länge, weshalb dieser Kolonnentanz in Deutschland auch zuweilen La ng-Englis ch genannt wurde. Dann führte jedes Paar, wenn es am bestimmten Punkte angelangt, eine Tanzfigur aus, wobei es sich mit einem andern Paare verbindet. Dem entsprechend besteht die Musik aus einem ersten Theile von acht Takten mit Wiederholung, zu welchem der besagte Kolonnentanz ausgeführt wird. Diesem folgt ein zweiter gleichartiger Theil, der zur Ausführung der Tanzfigur bestimmt ist. Das Trio, eine mehr sangbare Melodie ebenfalls im 2/4 Takt, ist zum Rundtanz (Walzen) bestimmt. Die Melodien haben im Ganzen einen simpeln, lebhaften, leichthüpfenden Charakter , ihr Schlusston fäUt meist auf leichten Takt- theil, was zur Naivetät der Musik passt. Die Ecossaise bezeichnet einen seit Ende des 1 8. Jahrhunderts in Paris bekannt gewordenen Touren- tanz im raschen ^/4 Takte, der mit den schottischen Nationaltänzen (den Reel's und Strathspey's] nichts weiter gemein hat als den geraden Takt. Der Tanz mit seinem verwirrenden Namen Ecossaise ist von französischen Tanzmeistern aufge- bracht. Sein erstes Erscheinen in den Tanzcirkeln der vornehmen Welt fällt in das Jahr 1760, wie wir aus Voltaire' s Briefen ersehen, wo viel von der Ecossaise Böhme, Oesch. d. Tanzes. 15 Digitized by Google 226 die Rede ist, in welcher Mademoiselle Denis, Voltaire* s Nickte, besonders glänzte. — In Deutschland wurden Ecossaisen, schottische Rundtänze schon um 1800 zu- erst getanzt. Die Musik bestand aus zwei Wiederholungssätzen von je acht Takten im raschen V4 oder 2/4 Takt (MB. 250. 252). In dieser Gestalt [% Takt) kommt als Tanzstück die Ecossaise in Frankreich und Deutschland vor, sogar in alten Sonaten an Stelle des Adagio. ^ Die Ausführung der Ecossaise (als Tourentanz) beschreibt Czerwinski (S. 151) folgendermaßen : »Man denke sich, wie in der Anglaise, alle Herren nebeneinander- stehend in einer endlosen Reihe ; ihnen gegenüber, drei bis vier Schritte entfernt, die Damen. Das oberste Paar muss irgend eine Tour aufführen und sich der langen Reihe entlang hinabquälen in allerlei geföhrlichen Evolutionen, z.B. Schubkarren- Tour, Triumphpforten -Tour u. s. w., bis es endlich am untern Ende der Reihe athemlos ankommt. Das zweite, dritte Paar hat ganz das Nämliche nachzumachen. Man tanzt, um zu schwitzen !(( Die ältere Anglaise ist durch die Ecossaise verdrängt worden . Im Ganzen waren beide einander ähnlich oder ganz dasselbe ; der Unterschied bestand nur darin, dass die Ecossaise schneller getanzt ward. Bis etwa zum Jahr 1830 ge- hört die Ecossaise mit ihren vielen Abarten zu den Modetänzen. Aus der französischen Ecossaise , einem Tourentanze , der Anfang unseres Jahrhunderts auch auf vornehmen deutschen Bällen ausgeführt wurde, hat sich um 1830 ein einfacher volksthümlicher Tanz herausgebildet. Schottisch genannt, der wieder mit der schottischen Nationaltanz- Manier nichts zu schaffen hat, aber ein Lieblingstanz von ganz Europa geworden ist, bis die Polka 1840 ihn zurück- drängte (MB. 251 — 254). Der Ecossaisen-Walzer, auch Hopswalzer oder Hopser, war zu An- fang des 19. Jahrhunderts üblich und durch eine Tour in der Ecossaise entstanden, das aufführende Paar tanzte en ronde zwischen den Reihen hindurch. Die Musik hat 2/4 Takt, vier Theile von je acht Takten mit Wiederholung (MB. 252. 253. 260). Die Pas des Ecossaisen -Walzers, in einem Abschnitt von einem Takte, ganze Tour zwei Takte, sind nach Voss auch die des Schottisch und der spätem Polka. Die Hops-Anglaise wurde zu Anfang des 19. Jahrhunderts viel getanzt, hieß auch Fran9oise und Springer (MB. 280). Die Frangaise^ nicht zu verwechseln mit Contredanse fran9aise, war ein der Anglaise und Ecossaise ähnlicher und diesen Tänzen nachgebildeter Tanz. Die Musik bestand aus % Takt in zwei oder vier Theilen von je acht Takten mit Wiederholungen (MB. 280) . Wie zur Anglaise im ^4 ^^^ Ecossaise im ^j^ Takt, so treten auch die Tänzer in der Francaise zu zwei Reihen an, in der einen Reihe die Damen, in der andern gegenüber die Herren. Es werden in älteren Tanzlehrbüchem diese drei ähn- lichen Tänze oft ungenau bezeichnet und miteinander verwechselt. Nur so viel ^ loh bezweifle die Richtigkeit der Angabe in Matthesons »vollkonmienem Kapell- meiBter« (S. 135), dass es zu ^fang des 18. Jahrhunderts auch Ecossaisen (also schot- tische Rundtanze) »im 3/2 Takt von gemessener Bewegung und ernstem Charakter« ge- geben habe. Wenn Mattheson a. a. O. Anleitung giebt, solche aus Chorälen zu kom- poniren, so ist das seine Sache. In Schottland nat es dergleichen als Nationaltänze nie gegeben; wenigstens ist davon nichts aufgefunden worden. Digitized by Google S27 steht fest, dass die Anglaise mit ihrer reihen weisen Aufstellung [die Herren den Damen gegenüber] in die Ecossaise aufgegangen ist und dass die Fran9aise zumeist im % Takt, die Paare sich gegenüber placirt, getanzt wurde. Somit waren zwei Tänze vorhanden, in welchen durch die Verschiedenheit der Aufstellung und der Taktart im Charakter und in der Bewegung viele verschiedene Touren und Gruppen zur Aufführung kamen. Die Fran9aise, obgleich der Gesellschaft längere Zeit als die Ecossaise erhalten, ist durch den Contretanz vollständig verdrängt worden; nur ihr Name ist noch in einigen Kreisen irrthümlich für Contretanz zurückgeblieben. Mit der Fran9aise geistesverwandt waren die um 1830 — 50 in Deutschland getanzten Oalopp-Walzer. Es waren Walzermelodien im raschen ®/g Takte (also im zweitheiligen Zeitmaße) , die nach Art des Galopps getanzt und gerutscht wurden. Darunter gehörte der um 1840 — 50 beliebte Zephyr-Walzer (MB. 286). Quadrille. Quadrille nennt man jeden Tanz von vier Personen oder vier Paaren, die in Ereuzform 4* aufgestellt sind, so dass zwei und zwei sich gegenüberstehen. Dieser aus verschiedenen Touren zusammengesetzte, jetzt in Deutschland seltene Tanz, Gegensatz zum Rundtanz, soll Erfindung der Franzosen sein, war aber im vorigen Jahrhundert auch in Deutschland sehr beliebt, sogar auf dem Lande von Bauern getanzt, z. B. als Vierer und Achter in Bayern, Thüringen und in der Mark. Die Musik geht in der Regel aus lustigem ^4 Takt, zuweilen mit einem Schlusstheil im Walzertakte. Die Zahl der Theile ist verschieden, sie geht von 2 — 6 und richtet sich nach der Zahl der auszuführenden Touren. Aus den vielen hundert Quadrillen mit wunderlichen Namen und unterhaltenden Touren, die vor und nach 1800 gern und oft getanzt wurden und deren eine große Zahl nach ihrer Ausführung bei R. Voss (Tanz) beschrieben sind, will ich nur einige ausheben, die in Deutschland sehr populär waren. Dies sind Kegel-, Kuss- und Lach-Quadrille. Die Lach-Quadrille [MB. 283) heißt so, weil im zweiten Theil die ersten vier Takte durch Achtelnoten das Lachen andeuten. Der vierte oder letzte Theil wird im schnellen Tempo gespielt. Die Euss-Quadrille (MB. 282) hat das Eigenartige und nicht Unartige, dass auf Anleitung der Musik ein Euss gegeben wird. Nach den gewöhnlichen Touren tanzen zwei sich gegenüberstehende Paare (ein jedes sich die Hände kreuz- weise reichend) gegen einander vor, der Tänzer dreht seine Tänzerin (die Hände über ihren Kopf hinweg) herum und es erfolgt bei einer in der Musik stehenden Fermate der Kuss. Beide Quadrillen waren 1800 in der Mark üblich. Die Kegel-Quadrille ist eine deutsche Erfindung, wie gleich die hübsche Musik (MB. 284) uns kundgiebt, welche aus drei Theilen im ^4 Takte und einem angehängten Walzer von acht Takten besteht. Die Quadrille wird von neun Per- sonen (der Zahl eines Kegelspiels) ausgeführt, nämlich von vier Paaren und einem Tänzer, der den Kegelkönig (Centrum) vorstellt. Nach acht Touren hascht der König sich eine Tänzerin und dann tanzen Alle zwei Touren Walzer herum. Der zurückbleibende Tänzer gilt für das nächste Spiel als König. Der Tanz war um 1810 — 30 in Thüringen und der Mark üblich. Ähnlich war die Königs- Quadr ill e , die ebenfalls von vier Paaren und einem Herrn, als König dastehend, um 1800 getanzt wurde. 15* Digitized by Google 228 Tempdte war ein Kolonnentanz im raschen ^4 Takt, der um 1800 — 1850 in Deutschland getanzt wurde, aber nichts von Sturm (Temp^te) merken ließ^ sondern lieblich, und munter sich ausnahm (MB. 285) . Die Ausführung beschreibt Voss (Tanz 377, nach meiner Aufzeichnung in Weimar 1842 beim Tanzunterrichte) wie folgt: »Eine gleiche Anzahl Paare treten (eins hinter das andere gestellt) von zwei Seiten einander gegenüber. Die in der Mitte sich gegenüber befindlichen Paare beginnen den Tanz. Nach Beendigung verschiedener Touren (in der Regel vier, als : Bonden, Chalnen , Crois^s , auch Reverenzen und dergleichen) wechseln beide Paare die Plätze und wiederholen die Touren mit den ihnen nächststehenden Paaren. Am Ende der Kolonne angekommen, wenden sie um und tanzen in derselben Weise mit den ihnen entgegenkommenden Paaren, e Die Imperial (L'Imp^riale) war ein um 1853 entstandener und aus der Seine-Stadt bald nach Deutschland gekommener Kunsttanz unter zwei Personen, im gemäßigten ^4 Takte, der durch Aneinanderreihen von Pas aus dem Contretanz und der Masurka ent- standen war (MB. 266). Seit 1870 wird er nicht mehr getanzt. Sonderbar, dass schon 1577 in B. Schmidts Orgelbuche eine Tanzmelodie mit dem stolzen Titel Imperial vorkommt. Die Kalamaika war ein fröhlicher Tanz im raschen ^4 Takt, der zu Anfange dieses Jahrhunderts beliebt war, von den Slawen in den Karpathen abstammt (aus Kolomea am Pruth) , von da nach Wien, Schlesien, Böhmen sich verbreitete und in ganz Deutschland bis 1830 getanzt wurde (s. MB. 268). Man sang dazu: Kalamaika tanz ich gern Mit den schönen jungen Herrn ; Noch viel lieber ist es mir Mit eim schönen Gardeoffizier. Bedowa (BejdoYak) ein czechischer Nationaltanz im langsamen Walzer-Tempo, der um 1830 — 40 auch in Deutschland und Frankreich als Solotanz beliebt war. Die Musik im ^4 Takte liebt die fortgesetzte Wiederholung einer zweitaktigen Figur (MB, 270). Der Tanz besteht aus dem pas de basque und führt der Herr seine Dame sowohl vor- als rückwärts herum, ohne an eine bestimmte Anzahl von Takten für die einzelne Tour gebunden zu sein. Osnabrück war ein Tourentanz zu Anfang unseres Jahrhunderts, dessen Musik aus zwei nicht wiederholten Theilen von je 8 Takten im % "^^^^ besteht und dem Contretanze sehr ähnelt (MB. 287). Die Tanzpaare waren vor Beginn eines Kreistanzes ein- ander gegenüber placirt und begannen (die Damen links , die Herren rechts) die Touren mit Ineinanderschlagen der Hände, Winken und dergl. Der Langaus ist gar kein eigentlicher Tanz, sondern war nur die ehemals übliche Art zu tanzen, die durch das allgemein in Schwung gekommene Rundtanzen oder Walzen so Digitized by Google 229 ziemlich in Abgang gerathen ist. Das Rundtanzen kam zuerst in Städten auf und wurde dann auch auf den Dörfern allgemein. (Schmeller, bayerisches Wörter^ buch II, 480.) Der Name Langaus kommt daher, dass ein langer Raum in den wenigsten Umdrehungen durchtanzt wurde. Aus dem Langaus ist der Walzer entstanden. In Österreich und Schwaben hat man die Bezeichnung Langaus gar nicht gekannt, und da es eigentlich kein Tanz ist, so konnte ich dafür auch keine besondere Musik trotz alles Suchens auffinden. R. Voss meint: der zu Wien 1787 ent- standene »Cosa rara« sei später (?) Langaus, dann erst Wiener Walzer genannt worden. Kapitel XV. tJTber Tanzlieder. Durch das ganze Mittelalter wurde zum Tanze gesungen, Gesang war die älteste und oft die alleinige Tanzmusik. Dafür zeugen die oben angeführten Ver- bote gewisser Tanzlieder seit Einführung des Christenthums bis in das 16. Jahr- hundert , sowie viele Stellen der Minnesinger, deren ebenfalls gedacht worden ist. Die Tanzlieder wurden von der anwesenden Menge zugleich gesungen, oder aber der Art , dass ein Vorsänger oder eine Vorsängerin das Lied vortrug und die Versammlung bloß in den Kehrreim oder Kehrvers (altnordisch Omquffid, französisch Refrain) einstimmte. Selten wohl ist jede einzelne Zeile vom Vorsänger vorgetragen und dann vom Chor nachgesungen worden. Dieser Brauch des Singens beim Tanz war noch bis in das 17. Jahrhundert allgemein. Jetzt kommt er nur noch vereinzelt auf dem Lande an abgelegenen Orten und häufiger bei den Schnadahüpfln (s. S. 239] in Süddeutschland vor. Im Mittelalter war es bei Germanen wie bei Romanen gebräuchlich, das Ball- spiel mit Tanz und Gesang zu verbinden. Von vielen Belegstellen möge hier nur die aus der oben S. 95 abgedruckten Predigt gegen den Tanz im 15. Jahrhundert angeführt sein: »als sie by dem tantz sputen des ballen vnd ander spile mit steckena. Aus dieser Verbindung von Tanz und Ballspiel ist es gekommen, dass in romanischen Sprachen »ballarec so viel als tanzen und »ballata« (später Ballade) ein Tanzlied bezeichnet und wir heute noch den Tanz der sogenannten bessern Stände einen Ball nennen. Das ist die historische Grundlage des Wortes Ballade tind damit ist ursprünglich nicht ihr Inhalt, sondern nur ihr Zweck bezeichnet. Da sonst die Volksfeste und Tanzgelegenheiten reichlicher als jetzt sich dar- boten und viel getanzt wurde, so kann man daraus auf die Menge der Tanz- lieder schließen, die im Volke vorhanden waren, und wir dürfen ihren Einfiuss auf die Entwickelung der Volkslyrik nicht zu gering anschlagen. Der Inhalt der Tanzlieder war sehr verschieden. Wir finden zunächst Liebeslieder. Sie sind die natürlichste und darum auch die häufigste Begleitung des Tanzes gewesen, welcher ja der Anlass und Quell so vieler liebe war. ^Wieder waren Digitized by Google 230 diese erotischen Lieder nach Ton und Inhalt verschieden, vom schüchternen halb- verhohlenen Preise der Geliebten schreiten sie bis zur offenen Erklärung der Nei- gung und selbst bis zur Äußerung der letzten Wünsche vor. Sie beginnen vielfach mit dem Lobe des Frühlings, denn der Lenz im Herzen und der Lenz in der Natur da draußen treffen ja so reizend zusammen.« (K. Weinhold, Frauen 11, 162.) Neben den lyrischen Ausdrücken des Gefühls stellen sich epische Schilde- rungen einer Liebesbegebenheit (also die Romanze) und selbst durch Frage und Ant- wort dramatische Darstellungen verschiedener Situationen des Liebelebens ein. Sind es zu allermeist Jünglinge und Männer , welche von Lenz und Liebe singen, also die Verfasser von Liebes- und Tanzliedern unter dem stärkeren Ge- schlecht zu suchen, so haben wir auch und gerade bei denReigenliedem Mädchen- lieder zu verzeichnen, darin liebende Nonnen, sowie Kloster- und Burgfräulein ihre sehnlichen Wünsche nach einem rüstigen Gesellen aussprechen (MB. 5 u. 6) . Welche von den vielen uns erhaltenen Liebesliedem sind wirklich zum Tanze gesungen worden? und welche nicht? Das ist nicht immer leicht zu be- stimmen. Zunächst hat man alle die für Tanzlieder zu halten, bei denen durch die Überschrift die Tanzbegleitung angezeigt ist, also z. B. Bergreihen, auch Berg- reihenweise, Tanzweise, Dansliedeken, Ringelreihen, zum langen Tanz etc. Noch viele andere Texte aber mögen beim Tanze gesungen worden sein, denen solches nicht beigeschrieben ist. Hier gilt es nun gewisse Kennzeichen an Melodie oder Textinhalt zu prüfen, die auf Tanzcharakter hinweisen, das ist in der Singweise der lustige, schaukelnde und zum Springen einladende Tripel takt; doch darf man nicht glauben, dass alle Melodien im ^j^ Takt Tanzweisen gewesen sind, denn es gab auch getretene Tänze im geraden Takte. Wenn im Texte selbst von Tanzen und Springen die Rede ist, braucht er deshalb noch nicht zum Tanze gedient zu haben. — Im Ganzen darf man aber annehmen, dass alle Lieder mit Chor-Refrain, ferner die meisten heitern Liebeslieder und viele Liebesballaden im 15. und zum Theil noch im 16. Jahrhundert zum Tanze dienten, und je weiter rückwärts in der Zeit, desto gewisser. Ich halte nach mehrfacher Prüfung dafür, dass z. B. folgende Liebeslieder zum Tanze gebraucht worden sind: »Mir ist ein roth Goldfinger- leinff (MB. 34], »Guckguck hat sich zu tod gefalln« (MB. 35), »Ach Eislein, liebes Elseleina (MB. 31), »Nun schürz dich Gretlein, schürze dicha (MB. 40), »Drei Laub auf einer Linden« (MB. 33). Historische Lieder, alte Heldenlieder und mythische Gesänge dienten ebenfalls in der Vorzeit zum Tanz, so sehr uns das auch auffallen mag. Der Reigen, zu welchem das gesammte Volk sich zusammenfand, war das Mittel, alte Erinnerungen des Volkes wachzuhalten und zu beleben.* In dieser Gattung wetteiferten germanische und romanische Völker miteinander und sind wir Deut- schen überaus reich an geschichtlichen Liedern, wie deren Herausgabe in neuester Zeit zur Genüge dargethan hat. Wir dürfen annehmen, dass die Sagen von den Amelungen, von Dietrich von Bern (Verona) , vom Franken Siegfried und den Burgundenkönigen, kurz alle dereinst historisch gewesenen Lieder der germa- nischen Stämme schon in ältester Zeit zu ihrem Tanz gesungen wurden. Einen überraschenden Beweis dafür geben die färöischen Tanzlieder, unter denen eine reiche Zahl aus der Nibelungensage entnommen sind und die in 1 NeocoruB, ditm. Chronik I, 177 : »Up dat de Gesenge edder Geschichte desto ehr eeleret und beter beholden worden und lenger im Gebruke bleven, hebben se de alle fast den Dentzen bequemet« Digitized by Google 231 neuester Zeit noch gesungen werden. Schon der nordische Forscher Lucas Debes erzählt 1673 in den »wiedererschlossenen Färöemc (Fffiroea reserata] vom dortigen Vorhandensein alter Lieder, die zu einem einfältigen Tanze gesungen wurden.^ Das fand auch der Pfarrer und Botaniker Lyngbye noch 1818 bestätigt, als er auf den FärOem (d. h. Schafsinseln) eine Anzahl alter Sagenlieder niederschrieb und 1822 veröffentlichte. Darunter ist uns das Lied vom Sigurd (Siegfried), das er in seiner alten Sangweise (s. MB. 356) mittheilt, hochinteressant. Der Reisende be- richtet darüber Folgendes : »Nach dem Gottesdienste trat die Gemeinde auf den Kirchhof und fflhrte einen pantomimischen Tanz auf (zwei Schritte nach der Seite , dann jedesmal eine Verbeugung) , wobei sie das alte Siegfriedslied sang : 'Grani trug Gold von der Haide*.« Nach derselben Singweise und mit demselben Kehrreim wurden noch andere färöische und isländische Heldenlieder gesungen , von denen ich nur die Anfänge hier anführen wiQ nach der Übersetzung von P. J. Willatzen (Altisländische Volks- balladen und Heldenlieder der Färinger, zum erstenmal übersetzt. Bremen 1865) : I. Siegfriedslied.^ 1 . WoUt meinem Lied ihr lauschen. Nun wohl ich will euch melden Von mächt' gen reichen Königen, Von kühnen starken Helden. Kefrain : Grane trug Gold von der Halde, Sigurd schwang sein Schwert mit Freude, Fällte den drohenden Drachen, Grane trug Gold von der Halde. n. Brinhilde.5» 1 . Ich hab ein Lied vernommen, Man sang's einst weit und breit, Das pries der Vorzeit Helden, Pries König Budla's Zeit. B^frain : Grane trug etc. 2. Es war in alten Tagen Ein König hehr und reich. Er hatte eine Tochter, Der kein an Schönheit gleich. Refrain : Grane trug etc. m. Högni (Gudrun).* 1 . Gudrun verweilt im Junkaschloss, Versenkt in Gram und Noth; Kein Edling, sei er noch so kühn. Gewann ihr Herz nach Sigurds Tod. Refrain : Grane trug etc. t Veigl. den Berieht oben S. 13 fg. 3 WiBatien, S. 243. 3 Willatien, 8. 266. « Willatzen, S. 306. Digitized by Google 232 Auf die ü&rOischen Gesänge gestützt, dürfen wir wohl annehmen , dass auch die Lieder der Göttersage zum Tanz gesungen wurden. Der Keigen bildete einen Theil des Kultus, begleitet war der Beigen stets vom Gesang und für diesen konnte es keine geeigneteren Stoffe geben als mythische Gesänge, im Inhalt je nach dem Zwecke des religiösen Festes verschieden : Anrufung der Götter und Erzäh- lungen aus der Göttersage. Erhalten hat sich davon nichts. Aber nicht bloß der weiten Vergangenheit waren die geschichtlichen Gesänge entnommen, sondern was Großes und Seltsames in der Gegenwart sich ereignete, ward in ein Lied gebracht und zum Tanz gesimgenl Die Ditmarsen, die im 15. und 16. Jahrhundert gegen dänische Anmaßungen sich tapfer wehrten, sangen ihre Thaten zu ihren Tänzen. So z. B. führt ein Lied auf den Kampf der Ditmarsen von 1504, das anhebt: »De könig wol to dem hertogen sprakc (Müllen- hoff S. 62; Uhland 170 ; von Liliencron Nr. 218] die Beischrift: »wert vor einem Dithmarschen danz gebruketff. Ein anderes dergleichen (Müllenhoff 61 ; von Liliencron 220] »Wille gi hören ein nien sanga ist überschrieben : »Nach Axt eines Ditmarschen Dantzes«. Wenn aus dem übrigen Deutschland nichts dem Entsprechendes bekannt ist, so lag dies wohl daran, dass hier nichts Großes geschah, was das Herz des ganzen Volkes ergriffen hätte. Unmöglich hat man die vielen historischen Lieder auf Städtefehden und einzelne kühne Räuber (z. B. den Stortebeker und Gode Michael, den Lindenschmied, den Schüttensam] zum Tanze gesungen. Doch spielt auch hier bisweilen Politik im Tanzliede. Der Bentzenawer, ein vielgesungenes Lied auf den Helden in der Schlacht bei Kopfstein 1504 wurde zwar nicht auf eine Tanz- weise gesungen, aber man sang und spielte später die beliebte Bentzenauer Melodie zum Tanze, wie der in Lautenbüchern des 16. Jahrhunderts stehende Bentze- nawer-Dantz (MB. 60] beweist. Sagenlleder (Balladen). An die geschichtlichen Lieder reihen sich diejenigen, welche Sagenstoffe be- handeln , d. h. ein sagenhaft gewordenes Ereignis besingen oder eine blutig aus- gehende Begebenheit voll Kampf und Raub , eine That , in der sich der Mensch über das Gewöhnliche erhebt; z. B. »Her Hinrich und sine bröder« (MB. 24), »Die Frau von Weißenburg« (MB*. 32], »Der Herr von Falkenstein« u. a. Solche epische Volkslieder sagenhaften Inhalts standen bei den romanischen Völkern und den Engländern in voller Blüthe und wurden zum Tanz gesungen, waren also »ballata«, Tanzlieder. So ist es gekommen, dass man in der englischen Poesie für jedes epische Lied sagenhafter Stoffe den Ausdruck Ballade gebrauchte, welcher Sprachgebrauch auch in Deutschland zu finden ist. Bttge- und Spottlieder« Nahe lag es, dass neben gesungenen versificirten Erzählungen sagenhafter tmd aus der Tagesgeschichte entlehnter Dinge auch die Darstellung der Gegenwart nach ihren Sitten und Unsitten, eineSchilderung des gewöhnlichen Lebens zum Tanzlied verwendet wurde ; daran schloss sich die Kritik der bestehenden Zu- stände durch Verse : es entstand das Klage- und Bügelied, das wir schon aus dem höfischen Zeitalter kennen. Ein Tanzlied Konrads von Würzburg (MSH. II, 312] beklagt den Verfall des geselligen Lebens. Büge und Spott drang tief in das Tanzlied ein und ist noch heute eine starke Seite der süddeutschen Schnada- hüpfln (siehe unten S. 241). Das ostfriesische Tanzlied von Buhske di Remmer Digitized by Google 233 (MB. 26), ferner »Es hat ein Biedermann ein Weib« (MB. 36) sind solche Spott- lieder. Spottlieder werden noch heute auf den FArOem zum Keigen gedichtet und der Gegenstand derselben muss sie mittanzen. Er wird von starken Männern an den Händen gefasst und gezwungen , in dem Reigen zu bleiben, bis das Lied zu Ende ist. Hat sich dasselbe des Beifalls erfreut, so wird es in den allgemeinen Gesangschatz aufgenommen.^ Zu den Scherz- und Spottliedem scheinen vor allem die auf Pfaffen, Mönche und Nonnen gehört zu haben. Die Liederdichter fanden es ergötzlich, auch hei- lige Leute zum Sprunge zu bringen. Schon Ulrich von Winterstetten ruft die Pfaffen mit den Laien zum Keigen : Pfaffen, leigen, tretet an, dien got der sslden gan. [MSH. I, 147^.] Derselbe (MSH. I, 141 <") sagt: Nu singen, nü singen, dan noch harte springen den reien, den reien pf äffen unde leien. Obschon das Tanzen der Geistlichen des Ärgernisses wegen zur Todsünde gerechnet [s. Strafpredigt des 15. Jahrhunderts oben S. 100) und ihnen sogar das Zuschauen an öffentlichen Tänzen im Bisthum Mainz durch Provinzialstatut vom Jahre 1223 verboten war (s. Mone, Zeitschrift in, 140), so mögen doch wohl zu- weilen auch geistliche Personen von unwiderstehlicher Frühlingslust zum Tanz hingerissen worden sein. Denn auch der einsame Klausner hat seinen Frühlingstaumel : Dort droben auf dem Hügel, Wo die Nachtigall schön singt. Da tanzt der Einsiedel, Dass die Kutt' in d' Höh springt. (MB. 339.) Pater und Nönnchen sind mehrfach stehende Figuren in Tanzspielliedem geworden, und eins ist noch am Niederrhein und in Holland erhalten : »Es ging ein Pater längs der Kant, Hei, 's war in dem Mai I Er führt sein Nönnchen an der Handtr etc. (MB. 327.) Wiederum ist ein Scherzlied auf einen tanzenden, verliebten Mönch schon aus dem 16. Jahrhundert gekannt und in Schlesien erhalten: »Kappelmönch, willst du tanzen« (MB. 338). Die Thlersage scheint in den Tanzliedern , wo sie mit Liebesliedem verknüpft ist , eine große Rolle zu spielen. Ich möchte fast alle noch erhaltenen Überreste davon zu den Tanzliedern rechnen, z. B. 1. Die vielen Lieder von der Nachtigall, z. B. MB. 25. 2. Der Gutzgauch auf dem Zaune saß. (Altdeutsches Liederbuch 167.) 3. Guckuck hat sich zu tod gefalln. (MB. 35.) . 4. Es wollt gut Reiger fischen. (Vogelhochzeit, Ldb. 251.) ^ Lyngbye, f&roiske queder S. 14. Weinhold, Frauen (1851) 8. 378. Digitized by Google 234 5. Es saß ein Eul und spann. (Ldb. 73.) 6. Wol hinter meines Vaters Hof da saß eine weiße Taube. [Ldb. 159.) 7. Ich armes Käuzlein kleine. (Ldb. 172. 173.) 8. Fuchs, beiß mich nicht. (Ldb. 504.) 9. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. (MB. 310.) 10. Es gingen drei Bauern, die suchten ein Bärn. (Ldb. 460.) 11. Buhske di Remmer. (MB. 26.) Bathsel-^ Wunsch-9 Wett- und Lfigenlleder sang man gleichfalls beim Tanz. Als Beleg für die Räthsellieder führe ich an : »Aus fremden landen kom ich her.« (MB. 15.) Für die Wunschlieder von nunmOglichen Dingena dient als Beleg, dass solche beim Tanz gesungen wurden , die ditmarsische Chronik mit dem dort an- geführten Liede zum langen Tanz : »Ik weet mi eine schone magt.c (MB. 22\) Dass sogenannte Lügenlieder beim Tanz vorkamen, beweist ebenfalls die erwähnte Chronik (II, 568) mit dem Liede: »Ik will juw singen, ik will nich legen.« [Müllenhoff, S. 474.] Als Belege für die Wett liede r, die meines Erachtens auch mit Tanz ver- bunden waren und durch ihre Melodie darauf hinzuweisen scheinen, führe ich an : 1) Das alte Lied beim »Sommergewinn«, darin der Kampf des Sommers gegen den Winter in Versen ergötzlich dargestellt ist; »Heut ist ein freudenreicher Tag, Dass man den Sommer gewinnen mag. j Aide 1 ihr Herren mein I Der Sommer ist fein.« (MB. 29.) 2) Das »Buchsbaumlieda, darin der immergrüne Buchsbaum und der Fei* binger (Weidenbaum) um den Vorrang in Versen streiten : »Nim wölt ir hören neue mär vom buchsbaum* \md vom felbinger : sie zogen mit einander daher und kriegten mit einander.« (MB. 30.) Sogar geistliche Lieder wurden auf den Färöem zum Tanze gesungen, und noch vor wenig Jahrzehnten hiel- ten es dort die Geistlichen nicht tmter ihrer Würde, in Amtstracht an diesen frei- lich sehr anständigen und ehrbaren Tänzen, namentlich bei Hochzeiten , Theil zu nehmen (Weinhold, Frauen I, 380). Dass auch in Deutschland geistliche Lieder zum Tanz dienten, konnte ich nicht finden. Viele weltliche Tanzlieder wurden im 15. und 16. Jahrhundert geistlich umgedichtet und ihre Melodien benutzt. Dadurch sind uns glücklicherweise viel alte Tanzweisen erhalten worden. Lange schon vor der Reformation und noch mehr nach derselben legten Geistliche und Prediger gegen die demoralisirende Tendenz mancher Lieder des weltlichen Volksgesanges , gegen rohe Gassenhauer und unzüchtige Buhllieder, welche ungescheut das ausgemalte nackte Bild der Sinnlichkeit zur Schau trugen , gerechten und heilsamen Widerspruch ein. Zum Zweck kirchlicher und häuslicher Erbauung nahm man die Melodien weltlicher Lieder, darunter auch Tanzlieder, die am meisten verbreitet waren, und leg^ ihnen sittUch-religiöse Texte imter, füllte gleichsam das Gefäß mit christlichem Inhalte. Man darf aber nicht denken, dass solche Parodien auf Tanzlieder jemals beim fest- Digitized by Google 235 liehen Reigen gesungen worden seien. Man griff zu diesem Mittel der Umdichtung, um die Lieblingsweisen , von denen das Volk nicht lassen wollte , mit besseren, inhaltsreichen Texten zu versehen und dadurch die schmutzigen Tanzlieder zu entfernen. In diesem Sinne wirkte im 15. Jahrhundert Heinrich von Laufenberg zu Freiburg durch eine Menge geistlicher Lieder nach weltlichen Weisen , deren Textanfänge und zuweilen auch Melodien beigesetzt sind. Seine Umdichtungen und Nachdichtungen, um 1421 — 40 geschrieben, sind glücklicher Weise erhalten durch Abdruck bei Wackemagel (Kirchenlied I)*, wenn auch die Handschrift in Straßburg 1870 verbrannt ist. Eine große Anzahl geistlicher Umdichtungen findet sich in anderen süddeutschen Elosterbandschriften, besonders in der Pf u Hing er des 15. Jahrhunderts. Die Texte (ohne Melodie) haben die Angabe des weltlichen Tones und sind alle bei Wackernagel abgedruckt. Dann kam Luther nebst seinen Mitarbeitern am Werke der Kirchenver- besserung. Er dichtete nicht bloß ältere deutsche geistliche Lieder für seinen Zweck um, verdeutschte lateinische Hymnen und gab ihnen volksmäßig ge- formte, nur den Kern der Urmelodie festhaltende Singweisen, sondern führte auch neue Kirchengesänge ein, in Wort und Weise echt volksthümlich abgefasst, und es ist nicht zu leugnen, dass seine geistlichen Volkslieder das Werk einer kirch- lichen Reform wesentlich fördern halfen. Nur dreimal hat Luther nachweislich auch weltliche Melodien herbeigezogen und, an deren Text sich anlehnend, geistliche Lieder geschaffen. Das sind folgende : »Vom Himmel hoch da komm ich her« (= i)Aus fremden landen kom ich her«) , »Sie ist mir lieb die werthe Magda (= weltlicher Text gleichen Anfangs), »Nun treiben wir den Babst hinaus« (= »So treiben wir den Winter aus«) . Luthers Freunde und Nachfolger im Übersetzen weltlicher Texte setzten mit Eifer, aber auch mit Geschmacklosigkeit das Parodiren weiter fort. So kamen 1 550 zu Magdeburg »Geistliche Ringeltentzea heraus, geistliche Parodien auf Tanzweisen, die in Noten beigedruckt und in meinen MB. Nr. 10. 15 ^. 16. 18 — 20 zu schauen sind. Der Schweizer Kirchenliederdichter Thomas Blaurer hat einen alten Mai r ei gen um 1540 geistlich nachgebildet: »Ich frag, was üch woll ge- fallen, ob mir gebür, dass ich vor andern allen den reigen für« (s. Wackemagel, Kirchenlied 1841. Altdeutsches Liederbuch Nr. 300.) Ferner gab Heinrich Knaust, Dr. jur., zu Frankfurt a. M. 1571 eine ganze Sammlung geistlicher Umdichtungen heraus unter dem Titel : »Gassenhawer, Reuter- vnd Bergliedlin, christlich moraliter vnd sittlich verändert.« Im Vorworte sagt er: »Ich hab in meiner jugent, vor zwentzig Jaren vngef ehrlich, etliche scham- pare Gassenhawer vnd Reuterliedlin in einen geistlichen Sinn vnd Text transferirt, verändert, daß meine Discipeln denselbigen vnder die Noten applicim vnd singen sollten, wenn sie sich im singen üben wolten, daß sie von der B&len Texte abgehen möchten. Denn obwol die alte Compositio gut vnd mir sonst gefeilig ist, so habe ich doch von den Worten nichts gehalten , derowegen auch dieselben verendert.cc Ähnlich verfuhr Vespasius in seinem niederdeutschen Gesangbuche 1572. Hie- hergehören auch W innen berg' s Christliche Reuterlieder, Straßburg 1582. Noch im 17. Jahrhundert erfolgten einige geistliche Umdichtungen, dann hörte das Pa- rodiren auf. Die Zahl der geistlichen Umdichtungen war in Deutschland überraschend ^ Die sorgsam kopirten Melodien hat mir Prof. Wackemagel abzuschreiben er- laubt und sind die meisten davon in mein Altdeutsches Liederbuch aufgenommen. Digitized by Google 236 groß.^ Die meisten dieser Texte sammt Weben sind längst im evangelischen Kirchengesange abgestorben und nur einige (4 — 5) Singweisen weltlicher Lieder (kleiner Tanzlieder) leben noch heute als Chorftle. Auch in Holland wurden im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche Volkslieder geistlich umgeformt; die berühmteste und reichste Sammlung solcher Parodien sind die Souterliedekens (1540). Unter den 132 Liedern nach weltlichen Melodien sind auch Tanzmelodien (Danswtsen) zu geistlichen Parodien verar- beitet worden (s. MB. 79). Schon im 13. Jahrhundert lassen sich lateinische geistliche Gesänge auf Tanzweisen der Franzosen nachweisen. Aus einer Handschrift des britischen Mu- seums ist für ein Gedicht auf die Jungfrau Maria eine Tanzweise angegeben ; die Überschrift lautet : Cantus ad Dominicam post cantum Ailiz (Wolf, Lais 445). Ein französischer Lai (Leich, Tanzgesang) wurde im 13. Jahrhundert mit einem moralisirenden lateinischen Texte bedacht (s. MB. 80). Dass aber viele Tanzlieder, namentlich die mit erotischem Inhalte, im 15. und 16. Jahrhundert wirklich schlüpfrig und unsauber waren, das dürfen wir schon den vielen Strafpredigten glauben, in denen gegen »der tanzreime unfletigen gesangtr und die »vnkuschen schamperlieder« mit Recht geeifert wird. Aber wir können es sogar selbst beurtheilen, da viele derartige schandbare Tanzgesänge in Handschriften und Drucken vorhanden sind. ^ Doch neben solchen eklen Beispielen ist auch eine Reihe allerliebster Tanz- lieder aus dem 15. und 16. Jahrhundert aufbewahrt. Man sehe unten die Musik- beilagen und die vollständigen Texte dazu bei Uhland oder in meinem A^deutschen Liederbuche. Über die Form der alten Tanzlieder etwas Haltbares festzustellen, ist schwer. Alle Untersuchungen über ihre älteste Benennung »Lolch« werden für immer un- sicher und ungenügend bleiben, weil uns gänzlich die Kenntnis der alten Tanz- musik, namentlich der alten Volksreigen abgeht, die das Lebenselement und der Träger der Form, ja die Form selbst war. Die geretteten spärlichen Musikproben 1 In meinem Altdeutschen Liederbuch S. 810—820 sind etliche hundert weltliche Liederanf&nge ihren geistlichen Umdichtungen gegenübergestellt, darunter auch viele umgewandelte Tanzlieder. 2 Als Belege will ich nicht ^anze Lieder schandbaren Inhalts (Schamperlieder) hier abdrucken, kann aber nicht umhin, von einigen die Anfänge zu geben: a) »£a bm mein vatter Eberhart und tranch in eyn ein rympart« , Tanzlied im King des Heinrich Wittenweiler S. 172. — b) Es seit ein meidlem holen wein, des abends also spate, ziehet ein schneeweis hemetlin an, dadurch schien ir der mone.« Rhaw, Bioinia 1545, 1, Nr. 88. — c) »Mich bat ein iungirau seuberUch, dass ich jr eine wachtel fieng, do- heim in irem kämmerlein.« HeiaelbergerHds. 343 fol. 125. — d] Das Lied von der schönen Bettlerin: »Er schüttelt ir den Pflaumenbaum vnd stach ir nach dem hertzen.« Alt- deutsches Liederbuch 97. — e) Die Klage einer verliebten Köchin: »Ein meidlein thet mir klagen, es leit mir an, het ich ein man.« Amt von Aich 1519 fol. 76. — f) Das Lied vom Habersäen: »Im meien, im meien hört man die hauen kräen. Freu dich, du schöns pauemmaidl, wir wölln den haber säen. Pumb, meidlein, pumb!« J. Ott 1534, Nr. 96. — g) »Der Guckuck und die Pumpelmeiß, die pumpdten mit einander.« Bergliederbüchlein 1740. — h) »Es hat ein Schwab ein töchterlem (Halt die Kanne feste !^ das weit nit lenger ein megdlein sein (bei nachte, fein sachte!)« Ambraser Liederbuch 1582, Nr. 237. — i) »Traut Marie, treib mir d' gens in d' wioken.« Forster H, 1540. — k) Die niederlendschen mägdelein die giengen früe ins gras.« Altdeutsches Liederbuch Nr. 86. — 1) »Es wolt ein meidlein grasen gan (Refrain: f— mich lieber Peter!], da wo die roten röslein stan.« Pet Schöffer 1513, Nr. 61. Forster II, 44. — m) »Brauns Mägdlein zieh dein Hemtlein ab.« Liederbuch Pauls van der Aelst 1602, Nr. 24. Digitized by Google 237 aus der spätesten Minnesingerzeit, wo die Form schon aufs höchste verkünstelt war, können uns kein Bild geben von der Beschaffenheit der Tanzmelodien zu dem Leich des Volkes. Ich will hier mein Glaubensbekenntnis über den Leich mit Benutzung der Litteratur^ unserer Forscher und nach eigener Prüfung kurz zusammenfassen . 1. Der Leich war eine musikalische Eunstform, parallel dem Liede und schon ums Jahr 1000 vom St. Gallischen Notker in der viel citirten Stelle als zum Singen bestimmt erwähnt: »da; ze singenne get4n ist als6 liet unde leich.« 2. Der Leich der mittelhochdeutschen Dichter verdankt sein Ent- stehen lediglich der ältesten Tanzmusik, nicht aber (wie man seit Lach- mann angenommen und nachgeschrieben hat) den kirchlichen Sequenzen. Die Leiche und Sequenzen sind zwei in ihrem Ursprung ganz verschiedene, ab- gesonderte Dichtungsarten. Die Sequenzen sind, wie ihre Geschichte bezeugt, durchaus keine Nachbildungen der Leiche ; noch weniger kann das Umgekehrte gelten. Die Leiche sind älter als die Sequenzen. Weil beide aber durch ihren ungleichen Strophenbau einiges Übereinstimmende haben, so ist es gekommen, dass man beide als zu einer Form verschmolzen betrachtet hat. 3. Vom Liede unterscheidet sich der Leich dadurch: a] dass er aus Strophen von verschiedenem Bau zusammengesetzt ist, — b) dass seine Musik also aus mehreren, aneinandergesetzten Melodien bestehen, d. h. durch- komponirt sein muss, — c) dass die Strophen selbst von anderem Bau als die dej Lieder sind ; in der Kegel hat das Lied dreitheilig gebaute Strophen, d. h. zwei Stollen und Abgesang, der Leich dagegen zweitheilige; das Vor- herrschen der Zweitheiligkeit im Leich war jedenfalls durch die Wiederholung des melodischen Satzes bedingt, wie ja noch heute die Tanzmusik aus Theilen mit Wiederholungszeichen besteht; — d) dass der Leich immer viel größern Um- fangs ist, als das Lied. — e) Das L i e d wurde ursprünglich von Einzelnen gesungen und mit der Fiedel begleitet; der Leich wurde stets vom Chore der Tanzenden angestimmt, war also Chorgesang mit Spiel (d. h. pantomi- mischem und Gesellschaftsspiel, auch reicherem Instrumentenspiel] begleitet. 4. Der Leich war die naturgemäße Begleitung der Reigen. Darum waren es Gesänge ohne gleichförmige strophische Abtheilung, ohne gleiche Länge der Verse, im Strophen- und Versbau wechselnd. Das Hüpfen und Springen und das bald weite, bald kurze Schleifen, Wenden und Anhalten und die raschere Be- wegung spiegeln sich in dem Bau ab. Die meisten Leiche der Minnesinger zeigen Buntheit, Freiheit und Willkür der Form. Wie sehr sich auch Uhland (Abhandlung zu Walther von der Vogelweide) gegen diese Annahme sträubt, gleichwohl gesteht er zu, dass es zu schwierig sei, Regel und Grundform der Leiche zu erfassen ; und nach allem Hin- und Herschauen findet er nichts Haltbares, weil eben in dieser Form nichts Regelfestes zu finden ist ; es scheint, als sollten abgeschlossene Strophen darin überhaupt nicht zu Stande kommen. Der dichterischen Freiheit 1 K. Lachmann, Über die Leiche, im Museum für Philologie III, 3, 340. Wolf, Lais und Sequenzen, 1841, S. 150. 195. W. Wackemagel, Altfranz. Lieder und Leiche, 1848, S. 225 n. R. von Liliencron in Haupts Ztschr. 6, 91. Weinhold, d. Frauen im Mittelalter 1851, S. 378. MüUenhoff, altd. Denkmäler, 1864, S. 29. W. Wackemagel, Geschichte der deutschen Litteratur 1862 an vielen Orten. Ferkel, Gesch. der Musik n, 296. Ambros, Gesch. der Musik U, 103 ff. Schubiger, Sängerschule von St. Gallen 1858, S. 39 ff. K. Bartsch, die lat. Sequenzen des Mittelalters in musikalischer und rhythmischer Beziehung. Rostock 1868 (ohne Musik). Digitized by Google 238 war hier weiter Spielraum gegeben, und davon haben die Lyriker des 13. Jahr- hunderts ausgedehntesten Gebrauch gemacht. Mancher Lieich der höfischen Dichter (z. B. der des Tannhäuser} zeigt die Bestimmung, beim Tanze gesungen zu werden, weil der Dichter nach Beendigung seiner Erzählung zum Tanz auf- fordert und so in die übliche Weise des Tanzes übergeht. Weil überdies mehrere Minnesinger ihre in Leichform gebrachten Gedichte geradezu »reiena nennen, und bei der Aufzählung aller möglichen Arten von Liedern immer neben dem Tanzlied gleich der L eich erwähnt wird, so hat man nicht zu zweifeln, dass die Urbestimmung der Leiche keine andere war, als zum Tanz zu dienen. ^ 5. Seinem Inhalte nach kann der Leich verschieden sein. Die meisten haben die Minne (Lob der Geliebten, oder abenteuerliche Erlebnisse des Dichters) zum Gegenstande; aber es giebt auch geistliche Leiche (z. B. der Walthers von der Vogelweide). 6. Die Leichform bildete keine Glanzseite der mittelhochdeutschen Lyrik : künstlich in ihrem Bau und zugleich ungebunden im Räume, führte sie selbst treffliche Dichter ins Weitläufige und Leere. 7. Die Leichform verlor sich schon im 14. Jahrhundert und hat in ihrer Verkünstelung zum Glück auf die deutsche Dichtung keinen nachhaltigen Einfluss ausgeübt. Wenn auch im 15. Jahrhundert noch einzelne Dichter (z. B. Heinrich von Laufenberg und der Mönch von Salzburg) durch Nachbilden und Übersetzen kirchlicher Sequenzen deutsche Verse machten, die noch in der Unform der Sequenzen und des Leiches auftreten, so sind das doch keine selbständigen freien Dichtungen und zählen diese Nachzügler darum nicht in der Geschichte des Leichs. 8. Die Meist er sing er schulen haben den Leich ganz fallen lassen, weil sie damit nichts anzufangen wussten. Sie dichteten und sangen nicht für den Tanz- platz, und der Leich lässt sich nicht von seiner Lebensbedingung (der Musik) los- trennen, die zweifelsohne taktisch sein musste, was die Meistersingerweisen eben nicht waren. Die Texte der Tanzgesänge mögen ihrer Form nach in frühesten Zeiten aus zwei Zeilen bestanden haben, die durch Alliteration, später durch Endreime verbunden waren. Der urgermanischeVers zählte, wie W. Jordan in der Einleitung zu seiner Umdichtung des Nibelungenliedes nachweist, vier Takte, darin Hebungen und Senkungen abwechselnd untergebracht wurden. Zwei solcher Zeilen aneinander gefügt ergaben acht Takte , also die noch heute wie ehemals in aller Tanzmusik beliebte Periode , zugleich aber auch das Maß , das wir in den zwei Langzeilen (oder vier kurzen Zeilen) der Schnadahüpfln finden; letztere dürften darum als die älteste Form aller Tanzlieder zu betrachten sein. Die zwei gereimten Langzeilen sind uns in der Otfrid-Strophe überliefert. Durch deren Dopplirung entstand die in germanischer Dichtung überaus beliebte Hildebrandstrophe mit ihren vier Langzeilen, jede aus 4 4~ 3 Hebungen be- stehend. Diese wurde später noch mit Binnenreim versehen und halbirt, woraus die halbe Hildebrandstrophe hervorging, die noch jetzt als Lieblingsform die deutsche Lyrik beherrscht. Dxirch freie Aneinandersetzung von gereimten , bald langem , bald kurzem Zweizeilern, denen mitunter auch eine (von der Musik geforderte) dritte Zeile sich 1 Dies würde auch mit der Etymologie Übereinstimmen, denn mhd. »leich« und »leichent (hüpfen) entsprechen dem gothischen »laik« Tanz, »laikan« sprlDgen. Digitized by Google zugesellte , entstand in ältester Zeit beim Tanz und für denselben bestimmt der Lei eh. Vorgetragen wurden die zweizeiligen Verse von einem Einzelnen (dem Vorsänger) , worauf dann die umstehende oder mittanzende Menge einstimmte in einen seinem Inhalte nach gta nicht zum Texte gehörenden Zwischen- undSchluss- Satz, der zu jeder Strophe an gleicher Stelle wiederholt wurde und von seiner Wiederkehr den Namen Kehrreim (Kehrvers, Kefrain, nordisch Omquffid) er- hielt. Zur Erläuterung des Gesagten kann das MB. 356 abgedruckte Siegfriedslied der FärOr-Bewohner dienen ; außerdem findet man diese Versform in vielen alt- dänischen und altschwedischen Heldenliedern mit ihrem Omqused. Weil uns leider keine alten deutschen Heldenballaden mit Kehrvers erhalten geblieben sind, mög^n einige gewiss alte Ringelreihen mit ihrer Anfangsstrophe die alte Textform ver- anschaulichen : MB. Sologesang: Kehrvers (far Chor): 823. Nimm sie bei der schneeweißen] Blau, blau Blumen auf mein Hut Hand, > Hätt ich Geld und das w&r gut, * Und führ sie in den Rosenkranz. ) Blumen auf mein Hütchen. 327. Es ging ein Pater längs der Kant,] Hei! 's war in dem Mail Er führt sein NOnnchen bei der > Hei 1 's war in dem Mai — Mai — Mai I Hand. ) Es war in dem Mai. 325. Es steht auf unserer Wiesen 1 Drei Fähndelein stolz! Ein Baum mit Haselnüssen. J Drei Fähndelein etc., der Liebchen und der sind drei. Vergl. auch MB. 321 und 322. Den Vortrag der alten epischen Heldenlieder beim Tanze müssen wir recitirend von Seiten des Solisten oder Vorsängers uns denken, ähnlich dem noch bestehenden Heldenliedervortrage bei den Serben, oder wie die 1885 — 86 in Deutschland reisende russische Vocalkapelle des Dmitri Slavianski d' Agr^neff durch überraschend schönen Vortrag einer nationalen Ballade aus dem 1 1 . Jahrhundert, das Leben und die Thaten eines gegen die Tataren kämpfenden Riesen besingend, veranschaulichte. Die den Sänger umstehenden und lauschenden Zuhörer stimmten bloß den Refrain im Chor an, wodurch ein lyrisches Element hinzukam, tind in der Vorzeit mögen die beim Erzählen des Solisten stillstehenden Chorsänger sich beim Kehrvers unter Gebärdenspiel bewegt haben , wie wir das oben schon von den Is- ländern und ihren Tanzgesängen erzählten. Gegenüber diesem epischen Vortrage der Ballade sangen beim lustigen Frühlingsreigen Alle gemeinsam den Text und hier konnte ohne Einbuße der Kehrreim wegfallen, aber auch beibehalten werden. Die Art der Entstehung und die Form der Tanzlieder lernen wir am besten kennen aus den noch heute in Deutschlands Süden fortlebenden und beim Tanz entstehenden Schnadahflpfln. Schnadahüpfl^ (auch Schnoda- und Schnudahüpfl) ist die Benennung für ein kurzes, aus einem oder zwei Reimpaaren, jedenfalls aus vier Zeilen bestehendes Liedchen, das nach gewissen landläufigen Melodien gesungen und häufig vom Sän- ger und Tänzer aus dem Stegreif gedichtet wird. Der Name ist nicht von Schnit- ter, sondern von schnattern (schnada, schnoda) abzuleiten, weil es ein Gesang- i Ich benutze dankbar den trefflichen Aufsatz über »Schnadahüpfln« von Dr. F. From- mann in dessen »Deutschen Mundarten« IV, 73 ff. Digitized by Google 240 Stückchen bezeichnet , das nicht mit der Gemessenheit und der Auünerksamkeit, wie man ein Lied singt, vorgetragen wird, sondern das man nur zum Tanz her- schnattert, herplappert, herunterschlumpert; daher es auch in Kärnten iiPleppaliedle« (Plapperliedchen) und JiSchumperliedlec heißt. Für diese Herleitung spricht der Umstand, dass das Volk keine Arbeitslieder kennt. Obwohl da, wo das Volk überhaupt singlustig ist, zu den meisten Arbeiten gesungen wird, so hat es doch für die Arbeiten keine besondern Lieder , es giebt also (behaupte ich mit Frommann] keine Mäher-, Sämanns-, Schäfer-, Weidelieder, es giebt keine Fischer- und Winzerlieder, die vom Volke so benannt werden, und ebenso wenig giebt es Schnitterlieder, abgesehen davon, dass das Schnadahüpfl gerade da am wenigsten, gesungen wird, wo man am meisten schneidet : man singt es da, wo am wenigsten, geschnitten wird, im Gebirge. Wenn also Schmeller (bayerisches Wörterbuch III, 499) den Namen Schnadahüpfl auf alte Schnittertänze zurückführen will, so ist diese Ansicht nicht haltbar. In Bayern kommen sie unter folgenden Namen vor : Schnadahüpfl, Schnada- hagn, Schnadagangl, Stückl, Schleifer-, Schlumper-, Schumper-, Schnapper- und Schelmenliedlein. Li Tyr ol heißen sie Schnaderhaggen und Trutzliedla, in Salz- b urg Schnaderhüpfl und Gasseireim, in Oberösterreich Schnaderhüpfel, Gsötzel und Sprüchl, in Niederösterreich Gsötzln, Gsangln, Gstanzln, in Steiermark und Kärnten Schwatz- und Trutzliedle, auch kamische Pleppaliedle, in Schwa- ben Schelmenliedle, im Vogtlande Runda. Die Sitte der improvisirten Tanzreime ist n u r noch im tanzlustigen Süd- deutschland in Brauch und war dort allein oder doch vorzugsweise heimisch. Was den Verbreitungskreis der Schnadahüpfln betrifft, so sind sie nach Prof. Fr. Kobell's Erfahrung in ganz Ober- und Niederbayern zu Hause, ebenso in der Oberpfalz und auch in Schwaben, wenigstens in dem gegen das Gebilde liegenden Theüe. Im besondem Schwünge steht das Schnadahüpflwesen in Berchtesgaden, wo das Wettsingen in dergleichen noch besteht und zwei oder mehrere Bursche stundenlang sich damit necken und unterhalten. Salzburg ist das Binnenland des Schnadahüpflgesanges, so auch Obersteiermark. Über das Schnadahüpfl in Tyrol schreibt Prof. Zingerle: »Die eigentliche Heimath desselben ist das schöne, reiche, heitere Unterinnthal ; vorzüglich wird das Schnadahüpfl im Zillerthal, Brixenthal und St. Johann gepflegt ; doch findet es sich auch im Piister- thal, Passeir und Ulten. Das Etschland kennt es nicht.« Über die Entstehung der Schnadahüpfln mag uns Strolz (im 2. Band des »Sammlers für Geschichte und Statistik von Tyrok, Innsbruck 1807) berichten : »a) Diese Gesangin entstehen zuvörderst beim öffentlichen Tanze. Man denke sich eine große Wirthshausstube an einem Kirchtage oder bei einer Hoch- zeit, wo alles wimmelt von starken Buben und blühenden Mädchen, wo die Tische voll Gläser sind und die Köpfe voll Wein. In einer Ecke steht die Spielleut- Truhe (Orchester), gewöhnlich eine große Komkiste, auf welcher die Musikanten Platz nehmen. Wenn es nun von Neuem angehen soll, so tritt einer der Tänzer mit seinem Mädchen zur Spielleuttruhe vor und wirft dieser sein schnödes Silber zu, bald mehr, bald weniger, je nach Stand und Vermögen, oder nach Eitelkeit oder Ehrgeiz. Dies heißt einen Tanz anfrümen (bestellen). Dafür darf jedes Paar für sich allein tanzen und die Andern müssen warten, bis der angefrümte Ländler vorüber ist. Nachdem also ausgezahlt ist, stimmt der Tänzerinseiner selbstgewählten Melodie sein Schnadahüpfl an und die Musik fällt alsogleich begleitend ein, woraus sich dann deutlich ergiebt, dass das Schnadahüpfl der bojarische Vertreter der romanischen Ballade ist. Digitized by Google 241 »b] Eine andere Gelegenheit, die erwälinten Liedchen zu singen, bietet den Buben das Gas seigehen oder Anfensterln^ dasselbe was man im Bregenzer- wald die »Stubet« nennt. Wenn nftmlich der theure Junge von einem solchen Liebesabenteuer zurückkehrt, so stimmt er auf dem Heimwege sein »Gasselliedc an und begleitet es mit seinem Jauchzen, von dem die Berge widerhallen. Vor dem Besuche hütet er sich gern , seine Gefühle laut werden zu lassen , besonders auf dem Gang in entfernte Orte, da die »Bursche« (so heißt die Gesammtbeit des ledigen Mannsvolkes einer Gemeinde) mit eifersüchtigen Augen die Schönen ihres Dorfes bewachen , er also Gefahr Iftuft , im Falle der Entdeckung von denselben geästet, gescheitert oder gewasent, d. h. mit Baumftsten, Holzscheiten oder Rasen- stücken (Wasen) geworfen zu werden. Dc) Der dritte Ort, diese Gedichte zu singen und sie zu verfassen, sind die Alpen. Von aller Gesellschaft durch mehrere Monden getrennt, suchen natürlich die Viehhirten ihre Nebenstunden soviel als möglich zu verkürzen. Ihre liebste Beschäftigung ist die Verfertigung von Lichtspänen und von Elnospen (d. h. Holz- schuhen für Stall- und Bergleute), sowie die Schnitzerei von allerhand Haus- und Küchengeräthe. Unter diesen Handarbeiten finden sie nun Muße genug, sich ihrer daheim gelassenen Mädchen zu erinnern, und auf sie oder ihre Nebenbuhler mancherlei Liebes- und Spottgedichte zu verfassen. In jeder Alpenhütte findet sich überdies eine Maultrommel, eine Waldflöte, eine Schwegel, eine Zither u. dergl. , so dass diese Sennen auch Gelegenheit haben, eine passende Arie auszusinnen und sich in mannigfaltiger Begleitung zu üben. 9d) Auch auf dem Felde, in den beschwerlichen Bergmahden und bei häuslichen Beschäftigungen werden diese Liedchen meist von Mädchen ge- sungen. Sie dienen ihnen zur Ermunterung und lassen sie wenigstens auf einige Zeit die Schwüle des Tags vergessen.« Ihrem Inhalte nach sind die Schnadahüpfl in der überwiegenden Mehrzahl erotisch oder satirisch. Liebesfreude oder Spott ist ihr Hauptinhalt, erstere oft sehr zart, oft sehr unzart gemalt, letzterer immer treffend und witzig. Die im- provisirten Tanzreime , abwechselnd von Burschen und Mädchen zurechtgemacht, ziemlich plump gefertigt, enthalten meist derbe Neckereien. Da geht es über alles her, was im Wege liegt, über die Fehler der Buben, über die Schwächen der Mädchen (über diese freilich lieber, wie über jene), über den Nachbar, über die Gemeinde, die Nachbargemeinde und über das ganze Thal. Es begiebt sich keine alberne Geschichte , die nicht ihre Reime erhielte ; selbst ernste Dinge , Pfarrer, Schulmeister, Kirchengehen etc., werden nicht verschont. Das elegische Ele- ment, wie es in slawischen Volksliedern lebt, tritt in Schnadahüpfln nur selten, ein heroisches nur zuweilen in dem zum Raufen herausfordernden Trutzliede, und das historische gar niemals hervor. Fragen wir nach der Form der Tanzreime , so werden wir zugleich auf ihre Melodie verwiesen (MB. 206 — 213). Die Grundlage des Versbaues sind vier Haupttonsilben (Hebungen), je zwei kommen auf eine Vershälfte; d. h. wird der Text in vier Zeilen geschrieben, so kommen auf jede Zeile zwei Hebungen. Diesen entsprechen in der Musik zwei Takte, so dass das gaDze Tonstück in der Regel acht Takte zählt. Die meisten Melodien endigen mit einem Jodler, andere aber auch ohne denselben. Von den vier Takten jeder Hälfte einer solchen Melodie bewegt sich der erste Takt im Accord des Grundtones , der zweite und dritte Takt wenden sich nach der Dominante, der vierte kehrt wieder in den Grundton zurück. Das ist die einfache harmonische Begleitung der meisten Schnadahüpfl- Melodien, eine tiefere Harmonisirung dulden sie nicht. B 5 h m 6 , Oesch. d. Tanzes. 1 6 Digitized by Google 242 Alle Schnadahüpfl-Melodien sind nach ihrer Taktart im Tripeltakt (niemals im geraden Takt) geaetit, sind Lftndlermelodien. Diese dreitheilige Taktart hat den Vorzug , dass darin die zwei beliebtesten Versfüße Raum finden , nämlieh. der vorherrschende Anapftst: 3/^ ^ 1 J ^ 1 | etc. und der Jambus: ^4 J I J J I I ^^^- Überhaupt ist bekanntlich in dergleichen Liedchen selten ein Versmaß streng durchgeführt ; auch wäre dies vom dichtenden Volke , zumal bei Improvisationen, nicht zu verlangen. Da stehen zwischen den betonten Silben bald eine, bald zwei oder gar drei leichte. Wie die Textworte der Tanzweise angepasst oder aufgezwängt werden, wie bei überzähligen Silben durch Zu- satz kleiner Noten, bei fehlenden Silben diirch Zusammenziehen mehrerer Noten zu einer man sich zu helfen hat, das versteht das singende Volk sehr wohl und kommt niemals in Verlegenheit , vom holprigen Vers Alles unterzubringen , ohne den Rhythmus im Ganzen zu zerstören. Solche kurze Strophen giebt es massenhaft. Der Melodien, nach denen sie gesungen werden, giebt es höchstens einige Dutzende; die Schnadahüpfl-Reime selbst sind nach Tausenden zu zählen. Sie stehen zwar untereinander nicht im Zusammenhange, werden aber meist hintereinander nach derselbenMelodie gesungen. Wo lustige Bursche und Mädchen beisammen sind, wird der Strom los- gelassen, mit mehr oder weniger Grazie geht es endlos fort, wobei der Humor und dichterische Einfälle die Hauptrolle spielen. In Süddeutschland sind diese Kinder deutscher Naivetät bei der sangvollem Sprache und dem leichten Vortrage erträglich ; in Mitteldeutschland, wo sie auch zuweilen vorkommen, wohin sie sich jedoch n\ir aus Süddeutschland verloren haben, werden sie plump und obscön. Manche dieser Tanzreime haben ein längeres Dasein gehabt und leben zum Theil noch weit verbreitet im Volksmund, z. B. i»Und die Würzburger Glöckli hab'n schönes Geläut«, »Chimt a Vogerl gefloge«, »Es ist nit lang dass g'regnet hat«. Viele dagegen haben ein ephemeres Dasein imd sind bloß in bestimmten Ort- schaften bekannt geworden und wieder verschwunden. Alle aber sind Kinder des Augenblicks; auch von den beliebtesten und verbreitetsten weiß man nicht, wo sie gedichtet, und selbst die Frage darnach würde lächerlich erscheinen. Solche Liedchen waren von Haus aus nicht länger; sie etwa bloß als letzte abgebrochene Lebenszeichen einer weiland vollströmenden, aber nun absterbenden Volkslyrik betrachten, hieße ihre Natur und ihre Bestimmung verkennen. Wenn auch die aus der altem Zeit als Reigen und Tanzlieder auf uns gekommenen Ge- dichte längeres Athems sind, so ist daraus kaum etwas anderes zu schließen , als dass man damals (wie auch jetzt] nur geformte Dichterschöpfungen des Auf- sohreibens werth gehalten, nicht aber die kxirzen formlosen, jedem Mund ex tem- pore entschlüpfenden gereimten Einfälle. Falls auch die Ritter, wie billig, etwas Stattlicheres, Vornehmeres hören ließen, so waren die gemeinen Leute mehr auf die unvorbereiteten Eingebungen ihres Hausvorstandes angewiesen , welche ihnen gewiss nicht gefehlt haben werden und damaligen Tanzmelodien angepasst wurden. »Wahrscheinlich ist uns« , glaubt Dr. H. Holland , Geschichte der altdeutschen Dichtkunst S. 84, »sogar ein solches Schnaderhüpfel in einem Spruch erhalten, der dem lateinischen Liebesbriefe eines Mädchens eingefügt ist und nach dem Münchner Cod. Tegems. 1008 fol. 114 so lautet: Du bist mtn, ich bin dtn : des solt du gewis stn. du bist beslo^^en Digitized by Google 243 in minem hersen, verlorn ist da; slu;;eUin : du muost immer dar inne sin. Und w&re es auch kein Tanzliedchen, so ist es doch wenigstens ein reizendes, sieben Jahrhunderte altes deutsches Liebesliedchen , aus der Umgegend von Tegemsee.a^ Die Zeit der Tanzlieder scheint für immer vorbei zu sein. Zwar entstanden in neuster Zeit noch allerhand Tanzreime auf beliebt gewordene Instru- mentaltänze, z. B. auf einen Schottbch um 1840 — 50 sang man: »Ich sah ein' Topf mit Bohnen stehn, Und dazu auch die Brüh (Kleih) : Doch ließ ich Topf und Bohnen stehn Und schaut n\ir nach Marie. c Auf die um 1855 entstandene Schlummer-Polka sang man : »Ach ich bin so müde, Ach ich bin so matt ; Möchte gerne schlafen gehn, Morgen wieder früh aufstehn.« Auf die um 1850 von E. Weißenbom komponirte Henriette Sonntag-Polka hörte man: »Traugott, lass den Affen los la etc. Auf eine Galopp-Melodie um 1872 — 80 konnte man hören: »Wir gehn nach Friedenau (Lindenau), da ist der Himmel blau iff Als neuesten, Anfang des Jahres 1886 in Berlin entstandenen, im Mftrz schon am Rhein überall gesungenen Scherzreim auf einen Walzer führe ich »den Mann mit dem Coaks« an, welches furchtbare, epochemachende Zwiegespräch zwischen Tochter und Mutter sogar durch Studenten in viele fremde Sprachen übersetzt worden ist : ^Mutter, der Mann mit dem Coaks ist da T Sei doch man stille, det weeß ich ja. ^ast du denn Jeld?' Ich hab' keen Jeld. *Wer hat den Mann mit dem Coaks bestellt?' Alle derartigen Lieder meist nichtssagenden^ einfältigen, scherzhaften Inhalts sind streng genommen keine Tanzreime , da sie eigentlich nicht beim und zum Tanze gesungen werden. Das Aufhören der Tanzlieder geschah allgemach seit der Mitte des 17. Jahr- himderts und zwar verstummten nach und nach die Tanzreime durch das Empor- kommen der Instrumentalmusik, durch das Aufhören des Tanzens im Freien und damit das Absterben der Reigen, sowie endlich durch das Aufkommen fremd- ländischer Tänze. Im Ganzen haben wir das Aufhören des Singens zum Tanze nicht zu beklagen, da die meisten Tanzreime doch poesielos und nichtssagend oder gar schmutzig ihrem Inhalte nach geworden waren , die durch Tanzen schon angestrengten Lungen durch Singen noch mehr und nutzlos strapazirt werden und am Ende doch gewiss Instrumentalmusik zum Tanz viel schwunghafter, beflügelnder und in jeder Beziehung zweckmäßiger erscheint. In den Einderreigen (Kapitel XYII) werden wir noch alten Überresten von Tanzliedern der Vorzeit begegnen. 1 Übrigens kennen auch andere Völker den kurzen improvisirten Tanzreim. Wie sich am Nord-Ende Europas der norwegische Bauer zur Ergetzung seine kurzen stäv oder stavje-vise dichtet (s. L. Halliger, Korkordsamling), so ergießt sich am Süd-Ende der andaiusische Majo nach immer wiederkehrenden kunstlos gereimten Coplas de re- pente oder seguidillas, deren Inhalt und Bauart mit den bayerischen Schnadahüpfln eine unverkennbare Ähnlichkeit haben. 16* Digitized by Google 244 Zwei sehr verbreitete Ausdrücke, die zwar keine Tanzarten und auch nicht etwa Tanzlieder, sondern überhaupt »Volkslieder« bezeichnen, müssen hier erwähnt werden : Kuhreihen and Bergreihen. Kuhreihen oder Kuhreigen nennt man die einfachen, kunstlosen Melodien, welche von den Alpenhirten in der Schweiz beim Austreiben oder Zusammenrufen der Herde auf dem Alpenhom (Kuhhom) geblasen werden. Diese jetzt immer seltener zu hörenden Melodien wurden auch mit Textworten versehen und gesungen. Daher ist es gekommen, dass man zuletzt unter Kuh- reihen alle Arten Volkslieder der Schweizer versteht und dieselben unter diesem Titel (Kühreihen) zu Anfang des 19. Jahrhunderts fleißig gesammelt hat. Diese Lieder mit ihren Melodien (davon ich unter MB. 63. 335. 337 einige Beispiele mit- theile) haben wohl nie als Reigen für Menschen gedient, wohl aber sind die Vierfüßler auf ihre Weideplätze nach denselben aufmarschiert. Das Charakteristische ist das Auf- und Niedersteigen in den Accordtönen desselben Accordes, ein unvermittelter Übergang von den Brusttönen zum Falset, was man Jodeln nennt, ein melodisches Aufjauchzen der innem Lust, wie sie in der Alpenluft so leicht geweckt wird ; femer das Taktlose und Urwüchsige im Rhythmus. Der Vortrag dieser Alpenmelodien und Jodler bringt in den wider- hallenden Bergen ungemeine Wirkung hervor, die den Wanderer poetisch berührt und ihm unvergesslich bleibt. Im Schweizer, der solche Alpenklänge in der Fremde hört, wecken sie das Heimweh. Auch für uns NichtSchweizer klingt aus jenen Weisen leise Wehmuth, welche die Freude dämpft und mildert ; sie geht ans Herz und man muss dem ehrlichen Küher gut sein. Bergreihen soll ursprünglich die von Bergleuten in Sachsen und Böhmen (Joachimsthal, Freiberg u. s. w.) gesungenen Tanzlieder bezeichnen. Der Name ist aber schon zu Anfang des 16. Jahrhimderts impassend auf alle Arten Lieder und Gesänge übertragen, z. B. sind in der vielmals gedruckten Sammlung »Berkreyen. Etlich Schöne gesenge, newlich z&sammen gebracht« (Nürnberg 1537) volksthümliche und meistersingerische, weltliche und geistliche Texte zu finden und alle sind als »Reyena benannt, so dass der Begriff Tanzlied dabei nicht mehr in Betracht kommen kann. Die Bergleute oder wohl die Berg- knappen mit ihrer Musik scheinen damals als besondere Erfinder, Pfleger und Bewahrer des Volksgesanges im Rufe gestanden zu haben, weshalb alle populären Gesänge nach ihnen Bergreihen genannt wurden. Zwei Melodien von Bergreihen s. MB. 22* und 56. Digitized by Google 245 Kapitel XVI. Tanzmusik und Tanzmusiker. A. Die Tanzmusik. Die Grandzüge der Entwiekelung aller , also auch der Tanzmusik, habe ich schon in der Einleitung (S. 2) angedeutet: zuerst kam das rhythmische, dann das melodische und endlich das harmonische Element zur Ausbildung. Trommeln und Pfeifen waren darum die älteste Tanzmusik und jedenfalls auch bei den Ger- manen in vorhistorischer Zeit. Bald nach dem historischen Bekanntwerden unserer Voreltern hören wir von ihren Tanzliedern, was jedoch nicht ausschließt, dass nebenbei zur Abwechslung beim Tanz von Spielleuten noch immer fortgetrommelt, gepfiffen und zu den Liedern gegeigt wurde ; schon das Erwähnen von Thüringer und Elsässer Tänzen zur Minnesingerzeit kann das bestätigen. Durch das ganze Mittelalter sang das deutsche Volk zu seinem Tanze ; dafür zeugt nicht nur das Vorhandensein vieler Tanzlieder, sondern auch das wiederholte Predigen gegen unzüchtige Tanzgesänge und die darauf bezüglichen obrigkeitlichen Verbote. Wir finden zwar schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts Tanzlieder für Instrumente (Laute, Orgel, Klavier) arrangirt und Tänze ohne Text für besagte In- strumente komponirt. Allein das Gedrucktsein der Lauten- und Orgelstücke be- weist noch nicht, dass man auch wirklich nach ihnen getanzt habe. Im Gegentheil waren solche Lautenstücke wie auch die Sätze für die Org^l bloß Hausmusik, zur Unterhaltung der Vornehmen bestimmt ; denn die Laute war ein gar schwer zu er- lernendes vornehmes Instrument, das durch seinen magern Ton zum Tanzaufspielen für die Menge sich nicht eignete ; ebensowenig dürfte damals zu dem Klange der Spinetten und dem Hausorgelspiel gehüpft und getanzt worden sein, wie ich später noch darlegen werde. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das deutsche Volk noch das ganze 16. Jahrhundert hindurch zu seinen Tänzen gesungen habe. Erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts, seit dem Emporkommen der In- strumentalmusik in Theater, Koncert und Kirche verstummte allgemach das ge- sungene Tanzlied und an die Stelle der )>Gesangtänzea traten die Instrumen- taltänze. Wie waren die T&nze in ältester Zeit beschaffen. Fragen wir nach der Musik der ältesten Tanzweisen, so sind wir noch übler daran, als mit den Texten, weil alle Musiknoten bis ins 13. Jahrhundert fehlen, auch keine Hoffnung vorhanden ist, jemals Notationen weltlicher Weisen vor dieser Zeit zu entdecken, da in der Regel keine niedergeschrieben worden sind. Würde ja noch etwas derartiges aufgefunden, so könnte es nur mit den unsichem und schwer zu entziffernden Neumen notirt sein, die höchstens die Tonfolge andeuten, alle Tonhohe, Tonart und Rhythmus aber unbestimmt lassen. Um nur ein annäherndes Bild von der musikalischen Beschaffenheit der äl- testen Singweisen zu den Reigenliedem zu erlangen, müssen wir die wenigen noch erhaltenen echten Volksreigen-Melodien untereinander vergleichen und die Digitized by Google 246 noch lebenden Kinderreigen zur Ergänzung des Bildes hinzunehmen. 80 oder ähn- lich wie diese waren die alten Yolksreigen. Die Ringelreihen-Melodien unserer Kinder lassen in Betreff ihrer Tonfolge eine große Ähnlichkeit untereinander und ebenso eine auffallende Familienähnlich- keit mit den Volksreigen des spätem Mittelalters erkennen, wag für das hohe Alter- thum der Kinderreigen, wiederum aber auch fClr die Annahme spricht , dass in den Melodien der Kinderreigen , sowie in deren Ausführung tins alte Volksreigen er- halten geblieben sind. Ich habe nach langer Untersuchimg aus den so oft wieder- kehrenden melodischen Formen folgende drei Grundgestalten (Typen) au%estellt, denen sich mit wenig Varianten fast alle Kinderreime und älteren Volksreigen unter- ordnen lassen : L Typus. Verweilen auf der Quint, mitunter die nachbarliche Sext berührend und zum Schluss in die Terz herabsinkend. ^(^)^ g 1 . Variante. S ^ 2. Variante. $ Damach gehen folgende Texte von Kinderreigen und alten Tanzliedem : Ringel, Ringel, Reihe. S. 294, MB. 306». Ringel, Ringel, Rosenkranz. S. 295, MB. 306^. Summer, Summer Maie 1 [zum Frühlingsumzug der Kinder. Erk ü, 2, 36.] Stab aus I dem Winter gehn die Augen aus. MB. 306^. Tra-ri-ra 1 der Sommer der ist da I Regne, regne Tröpfchen. Krone, Krane, schwickle Schwane. S. 296 f. Nix in der Gmbe. MB. 306^. Hermann, sla Lärm an. MB. 306^. Blau, blau Blumen auf mein Hut. MB. 323. Aus fremden Landen komm ich her. MB. 15*. Mit Lust tret ich an diesen Tanz. MB. 15^. n. Typus. Aufsteigen bis zur Quint. Variante. 4^(j) l ^TrH^Tf \ tlh\ft l lf _^ ^m Das ist die Grundlage zu folgenden Tanzliedem und Kinderreigen : 'S isch no nit lang, dass gregnet hat. MB. 313». 'S is gor nit lang, dass greigent hat. MB. 313^. Mei Matter kocht mir Zwiebl und Fisch. MB. 312. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. MB. 310. Jammer in der Gmbe. MB. 309. Jubelmelodie der Echtemacher Springprocession. MB. 311. Siebenspmng. MB. 316. 317. So treten wir herfüre. MB. 322. Es regnet auf der Brücke. S. 299, MB. 308. Tuk, tuk, tuk, mien Hähneken. Erk I, 3, 5. Digitized by Google i 247 m. Typus. Herabsteigen vom Grundton bis zur XJnterquart. Variante. S j H^rn^ ^m ± m ■WJL Damach singt man : Adam hatte sieben Söhn\ MB. 327^ Et ging en Paterke längs de Kant. Mfi. 327\ Daer ging en patertje längs de kant. MB. 327^. Die Gans die kommt aus Sachsen. MB. 327®. Es steht auf unserer Wiesen. MB. 325. Op de gröne Wese. MB. 326. Nimm sie bei der schneeweißen Hand. MB. 323. Es kam ein Mann von Nineveh. [Einderreigen, die Verlobung darstel- lend, in Schleswig-Holstein und Sachsen bekannt, s. S. 309.] Do kohm all ein Kanönneken an, Omen, domen, dis. [Dasselbe Spiel am Niederrhein. Erk H, 4/5, Nr. 49.] Sellerie und Suppenkraut. S. 307, MB. 307. Rosmarin und Thymian wächst in unserm Garten. S. 307, Mel. MB. 307. Lange, lange Reihe, zwanzig ist eine Steige. S. 295, MB. 307. Aller Wahrscheinlichkeit nach war für die Tanzweisen der frühesten Zeiten, wie noch jetzt, die Durtonart vorherrschend. Das war offenbar die Ursache, weshalb bei gelehrten Musikern des Mittelalters das Dur [ionisch) für lasciv galt und für kirchliche Musik verachtet war. Auch der Umstand, dass die ältesten, durch mündliche Tradition auf uns gekommenen Reigenmelodien alle aus Dur gehn , spricht für meine Vermuthung. Für die düstem Balladen mag man wohl Moll angewendet haben, für die lyrischen heitern Reigen dagegen Dur. Nur diese beiden Tongeschlechter hatten die deutschen Spielleute vermuthlich längst, während die »Musiker« sich mit den aus dem Orient gebrachten, den Abendländern aufgedrungenen nebulOsen Kirchentonarten herumplagten ; zu dieser Annahme des Musikhistorikers Kiesewetter neige ich mich auch. Ob die altdeutschen Tanz weisen im geraden oder ungeraden Takte gingen, ist ebenfalls eine offene Frage. Nach meinem Dafürhalten wurden sie in beiden Taktarten gesungen und getanzt. Die Musikhistoriker F6tis und Coussemaker entzifferten jede alte Melodie des 8. — 12. Jahrhunderts durch Übertragen in den Tripeltakt. Mag dieses Verfahren für die lateinische und französische Sprache einiges für sich haben, mag es auffallen, dass bis in das 14. Jahrhundert für die Tondauer (Mensur) nur zwei Zeichen (longa und brevis) vorhanden sind, die in ihrer Aufeinanderfolge immer nur den dreizeitigen Takt # f 1 ^ f 1 ^^* ^^^ vorführen, und diese Erscheinung auch in den erhaltenen Neidhart*schen Weisen anzutreffen sein : für die deutsche Musik sehe ich keinen Grund, warum sie vor Zeiten bloß aus Tripeltakt bestanden haben soUe. Beide Grundformen des Zeit- maßes kann der Deutsche seit Beginn des 14. Jahrhunderts durch Denkmäler nach- weisen und hat sie jedenfalls schon seit undenklichen Zeiten gebraucht, da so etwas, wie gerader Takt, nicht erst erfunden wird, sondern mit dem Schritte dem Men- schen angeboren ist. Ich kann daher dem Ausspruche Richard Wagners, der den geraden Takt für den urdeutschen erklärt, nicht unbedingt beipflichten. Ist damit bloß die Lieblingstaktart gemeint, darin deutsche Meister bis auf Wagner (und Digitized by Google 248 gerade Letzterer) ihr Bestes niedergelegt haben, so stimme ich bei, obgleich der deutsche Walzer dabei etwas in Verlegenheit kommt. Verlassen wir nun das Gebiet des Möglichen, aber doch Ungewissen, und treten wir auf historischen Boden. Eine ansehnliche Zahl alter Tanzweisen in Noten und mit Text ist uns glücklicher Weise aus dem Mittelalter gerettet und zwar theils in Handschriften, theils in Drucken uns erhalten. Freilich laufen sie nicht auf der Gasse herum, sondern man muss darnach suchen, lange suchen und man wird für diese Musik- gattung aus der Vorzeit noch manches finden, das den bisherigen Forschem ent- gangen ist, oder von ihnen, weü sie nur nach geistlicher Chormusik oder mehr- stimmigen weltlichen Liedern spürten, als werthlos bei Seite geschoben wurde. Die ältesten Überreste deutscher Tanzmusik reichen bis ins 13. Jahrhun- dert^ zurück: es sind einige Tanzliederweisen, die sich zuNeidhart's Gedichten erhalten haben. Die Handschriften, darin die Musiknoten überliefert sind, stammen erst aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, die Gedichte mit Melodien sind o£fenbar zum Gebrauch für Spielleute zusammengetragen. Die Notation der Neidhart' sehen Melodien, abgedruckt nach der alten Hand- schrift in V. d. Hagen' s Werk »Minnesinger« IV. Band Notenbeilagen, ist zwar leserlich, aber in der Mensxir der Noten so ungenau und unzuverlässig, dass man seine liebe Noth hat, ein halbwegs singbares Musikstück herauszufinden und weil die Noten vom Text gänzlich getrennt sind , kann die Textunterlage nicht ohne Schwierigkeit und ohne einigen Zwang geschehen. Ich habe versucht, drei Sommer- lieder und einen Reien von Neidhart in moderne Noten zu übertragen, und in MB. Nr. 1 — 4 mitgetheilt. Neidhart' 8 Melodien, die entweder von ihm selbst oder wenigstens ans jener Zeit herrühren, sind meist imTripeltaktzu singen. An mehreren Stellen scheint sich sogar der Taktwechsel einzustellen, d. h. solche Abwechslung, dass nach einigen ^j^ Takten mehrere in ^j^ Takt kommen, dann Y4 Takt wiederkehrt und so fort. Die sonderbaren Überschriften zu Neidharts Melodien, als : tiseU tasell, der schwarze dorn, der veyhel, der sawerkubel, das seil, der prem, krenzelein, rephun, das guldin hun, hasenjaid, Nithart im va; und dergl. mehr können recht wohl die Namen für Tanzweisen sein, welche diese Benennung den zuerst dazu gesungenen und später verloren gegangenen Tanzreimen verdanken. Ähnlich mag es sich mit den Überschriften verhalten, die über dreistimmigen Tonsätzen (ohne Text) in einem handschriftlichen Liederbuch des 15. Jahr- hunderts in der Königlichen Bibliothek zu Berlin [Ms. mus. Z 98] stehen. Mehrere Sätze daraus hat R. Eitner in seine »Tänze des 15. — 17. Jahrhunderts« (Beilage zum VII. Jahrgang der Monatshefte) aufgenommen und zweifelt nicht daran, dass mit den sonderbaren Titeln »Bau ernschwanz« , »neuer Bauern- schwanzc, »Pfauenschwanza, »Rattenschwanz«, »Kranichschnabelu deutsche Tänze gemeint sind. Ich gebe aus jenen dreistimmigen Sätzen bloß die Hauptmelodie in kleineren Noten als MB. 50 — 54. Die Weisen, vorausgesetzt dass sie wirklich Tanzweisen waren, erscheinen für den Tanzschritt sehr ungefüg. Auffallend ist, dass einem dreistimmigen Satze des Berliner Liederbuchs , der die Überschrift »der fochs schwantza führt, gar ein geistlicher, lateinischer Text untergelegt ist, welcher lautet : j>0 lux luminis, splendor etiam syderis, illuminaff etc. ^ Auch die Franzosen können vom Tanz kein älteres Monument aufweisen, als die aus dem 13. Jahrb. stammende Cantilena choreae, die mit einem lateinischen moralisirenden Texte sich erhalten hat. Ich gebe sie in MB. 80. Digitized by Google 249 Einige dieser Tftnze hat das Berliner Liederbuch gemeinsam mit dem so- genannten Walth er' sehen dreistimmigen Liederbuch des 15. Jahrhunderts (Hschr. auf Münchner Hof- und Staatsbibliothek, von R. Eitner 1880 in Partitur erschienen] . Diese Parallelmelodien hat Eitner in seiner Tanzsammlung gebracht. Aus andern alten Liederhandschriften mit Musiknoten habe ich für meinen Zweck, die alte Tanzweise durch Notenbeispiele zu illustriren , wenig ausbeuten können. In der Jenaer Minnesingerhandschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts konnte ich nichts Tanzmäßiges finden. Höchstens gehört hierher der in diesem Codex S. 46 stehende 145 Zeilen lange und langweilige »L eich vom wilden Alexander«, der anhebt: Mtn tr&richltche; klagen ist da;, da; mich vorsneit minne, o w^l [s. Bartsch, Liederdichter 223.] Auch in der Wiener Handschrift (Nr. 509 Bl. 44^) füllt dieser Alexander-Leich mit seiner sehnsüchtigen Klage über acht Seiten mit Punktnoten. Die alte Leichform, wie sie dereinst beim Tanz üblich war, kann man an diesem musikalischen Ungeheuer wahrlich nicht studieren. Nur soviel ersieht man : der Text ist durchkomponirt, nur die drei Anfangszeilen wiederholen ihre Melodie, dann geht es in musikalischen Phrasen, ohne dass eine Wiederholung kommt, oder ein Motiv festgehalten wird , bis ans Ende wüste fort. Recht gut war für die Poesie und Musik , dass solche Unform aufgehört hat. In der 1392 — 1400 geschriebenen Spör loschen Liederhandschrift (Wiener Hofbibliothek Nr. 2886) und in der gleichalterigen Lambacher Liederhandschrift (Wiener Hofbibliothek Nr. 4696) fand ich zu meiner Überraschung und zwar übereinstimmend notirt zum erstenmal die deutsche Tanzform, aus Vor- und Nachtanz bestehend, zu dem sehr lüsternen Texte : »Untamslaf tut den sumer wok [MB. 8]. Aus dem Locheimer Liederbuche [Handschrift des 15. Jahrhunderts, um 1452 — 60 zusammengetragen, in der gräflich Stollberg' sehen Bibliothek zu Wernigerode. Herausgegeben von Dr. W. Arnold. Leipzig 1867] wüsste ich keine andere Tanzweise zu nennen , als die schon mehrfach gedruckte : »Ich spring an disem ringea [MB. 11]. Gedenken wir nun der zahlreichen reizenden Tanzlieder mit ihren Melo- dien, die uns in gedruckten Stimmbüchern des 16. Jahrhunderts aufbe- wahrt blieben. Sie sind für mehrstimmigen Gesang bearbeitet in Mensuralnoten geschrieben und ihre Aufführung gehörte zur Hausmusik jener Zeit. Weil solche Liederbücher schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gedruckt erschienen und darin neben GesellschaftsUedem auch allerlei alte bekannte Volkslieder vorkommen, so darf man die Entstehung mancher dieser Volksweisen wenigstens ins 15. Jahr- hundert, in die Blüthezeit des deutschen Volksgesanges, zurückdatiren. Die gedruckten Liederbücher des 16. Jahrhunderts, welche mehrstimmige Tonsätze der verschiedensten Meister in Menge enthalten, will ich hier kurz mit ihrem Titel aufzählen. Das Bibliographische dazu giebt mein »Altdeutsches Lieder- buch«. Es sind: 1) Oeglin's Sammlung. Augsburg 1512. 2) Peter Schöffer's I. Liedersammlung. Mainz 1513. 3) Grasliedlin. Frankfurt a.M. 1535. 4)Ga8sen- hawerlin. Das. 1535. 5) Reutterliedlin, Das. 1535. 6) Gassenhawer und Keutter- liedlin, circa 1536. 7) Johann Ott's Liederbuch. Nürnberg 1534. 8) Heinrieb Finck's Lieder. Nürnberg 1536. 9) Peter Schö£fer's und Apiarius' Liederbuch. Digitized by Google 250 1537. 10] Johann Petreius, Trium vocnin cantiones. Nümbexg 1541. 11) Georg Bbaw, Tricinia. Wittenberg 1542. 12) Georg Rbaw, Bicinia. Wittenbei^ 1544. 13) Job. Ott's ni. Liederbucb. Nürnberg 1544 (Neue Partitur-Ausgabe durcb die GeseUscbaft far Musikforscbung) . 14) Wolfgang Schmeltzers Quodlibet. Nürnberg 1544: »Guter seltzamer vnd kunstreich deutsch gesang, sonderlich durch etlich künstliche Quodlibet«. 15) Georg Forster*s Liedersammlung in 5 Theilen. Nürn- berg 1539—1556. Wir finden in diesen kostbaren Sammlungen unter den volksm&ßigen Weisen jedenfalls auch manche zum Tanze gesungene Volksmelodie; auch zuweilen da, wo das Lied nicht als Tanzlied (wie das in MB. Nr. 13 gegebene durch Vor- und Nachtanz erkenntliche) angezeigt ist. — Die Hauptmelodie (cantus firmus) ist nach damaligem Brauche fast immer in die Tenorstimme gelegt. Sind dort die Singweisen mit eckigen Noten von langer Dauer notirt, so haben wir uns jedenfalls jede Note doppelt oder vierfach rascher gesungen zu denken und bei der Übertragung in moderne Noten die alte Notendauer entsprechend zu kürzen. Wenngleich zuweilen die Tonsetzer (Kontrapunktisten) behufs ihres mehrstimmigen Satzes manche Variante an der vorhandenen Melodie sich erlaubten, so sind der- gleichen kleine Abänderungen doch nicht im Stande, uns das schöne Bild vom Volksgesange imd zugleich vom Singtanze des deutschen Volks im 15. und 16. Jahrhundert zu entstellen. Aus diesem Liederschatz jener Zeit habe ich eine Anzahl solcher Tanzlieder mit ihren Sing weisen in meinen Musikbeilagen mitgetheilt. Von Mittheilung der damaligen Harmonie musste ich Platzes halber hier absehen. Wir haben an der Melodie den Lebensträger und die Seele des Tanzes der Vorzeit; diese Melodien sind durchaus nicht zu verachten , sogar zuweilen überraschend schön. Sie sind sftmmtlich in der Form abgerundet, in ihren Theilen symmetrisch aufgebaut, oft nur aus einer einzigen Periode oder meistens nach Form des drei- theiligen Liedes, mit Wiederholung des ersten Theiles und einem Nachsatz, wie ihr Text mit seinen beiden Stollen und dem Abgesange klar anzeigt. Sie eignen sich recht wohl zum Tanz, die geradtaktigen Melodien zum langsam getretenen, die im dreitheiligen Takte zum Springtanze und Reigen. Bezüglich ihres Charakters haben sie fast alle etwas Ruhiges, Ernstes, fast Schwerfälliges in ihrer Bewegung. Bedenken wir aber, dass im Mittelalter Alles langsamer als jetzt von statten ging, so werden wir von jenem Zeitalter nicht fordern, was etwa unsere eisenbahnhastige, raschlebige Zeit verlangt, und werden dann jene in mäßiger Freude und moderirt im Tempo an uns vorüberziehenden Tanz- weisen nicht ungerecht beurtheilen. An die mehrstimmigen Liederbücher des 16. Jahrhunderts schließen sich einige, welche nur einstimmige Melodien und zwar zu geistlichen Texten sogar Tanzweisen darbieten. Weil hier die Kontrapunktiker an der Melodie nichts gemodelt haben, so sind uns darin unverfälschte Tanzweisen jener Zeit gerettet. Zu diesen Liederbüchern gehört zunächst das niederländische Gesangbuch »Souterliedekens« (d. h. Psalmlieder auf weltliche Melodien) , Antwerpen 1540. Darin sind auch vier altniederländische Tanzweisen mit ihren Anfangs- worten enthalten [s. MB. 79]. Femer bringt eine von Valten Vogt gefertigte Liedersammlung ]»Ge istliche Ringe Itentze. Aus heiliger Schrifft, Vor die Jugent. Gedruckt zu Magdeburg durch Hans Walther 1550« 17 geistliche Texte zu 6 Tanzweisen, die in Noten bei- gedruckt stehen. Diese weltlichen Ringeltanzmelodien gebe ich in den Musikbei- lagen 15 — 20. Digitized by Google 251 Die Utesten Ttnze für Ingtrumentaliiiiisik. Sie begegnen uns suerst im 16. Jahrhundert. Die Spielieute des Mittelalters aber, welche die Tanzlieder mit ihren Melodien erfanden und verbreiteten, mögen schon lange vor dieser Zeit Tänze bloß für Instrumente (ohneGesang) aufge- spielt haben, davon leider nichts mehr erhalten ist. Wir können also rückwärts den Zeitpunkt für die Entstehung der Instrumentaltänze nicht sicherstellen. Nur so viel steht historisch fest, dass die Tänze eine kunstgemäße, mehrstimmige Bearbeitung für Klavier, Orgel und Laute erst im 16. Jahrhundert erfahren haben und für allerlei Streich- oder Blasinstrumente gesetzt erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts vor- kommen. Die frühesten Tonstücke für Instrumente aller Art (als für Lauten und Geigen, Orgel und Klavier) waren Übertragungen von mehrstimmigen Gesangs- stücken: es waren geistliche und weltliche Lieder, lateinische Motetten, ita- lienische Madrigale und Canzonetten. Neben die Gesangstücke ohne Worte traten bald auch Volkstänze (deutsche, französische und italienische), welche vorher von Spielleuten aller Länder meist bloß einstimmig (melodisch) mit Sackpfeifen- und Trommelbegleitung aufgespielt worden waren, jetzt aber kunstgerechte harmo- nische Begleitung bekamen. Solche mehjntimmige Tänze erschienen damals in Tabulaturen gesetzt (d. h. für Tasteninstrumente und für Laute in eine Art Partitur gebracht) und waren mit geringen Koloraturen ausgeziert, bald aber in aUen Stimmen figurirt. Von den ursprünglichen Texten setzte man bloß die Anfangsworte als Überschrift. Wenden wir uns zunächst zu den Tänzen, die uns in deutschen Lauten- tabulaturbüchern des 16. imd Anfang des 1 7 . Jahrhunderts begegnen, so haben wir diese Bücher nach ihrem gekürzten Titel erst vorzuführen. Es sind der Zeit- folge nach : 1. Hans Judenkunig, Lautentabulatur. Wien 1523. 2. Hans Gerle, Lautenbuch. Nürnberg 1532. 3. H. Jakob Wecker, Lautenbuch. Basel 1552. 4. Seb. O ch senk hu n, Tabulaturburchauff die Lauten. Heidelberg 1558. 5. Wolf He ekel. Lautenbuch. Straßburg 1562. 6. Bemh. Job in, New erlesener Lautenstück. Straßburg 1572. 7. Melchior N e WS i dl er, Teütsch Lautenbuch. Straßburg 1574. (Vermehrte Auflage 1594.) 8 . Matthäus Waisselius, Tabulatura (mit lateinischem Titel) . Frankfurt a. O. 1573. Andere Ausgabe mit deutschem Titel: Tabulatura oder Lautenbuch allerley künstlicher Präambula, auserlesener teutscher und polnischerTäntze, Passamezen etc. auff der Lauten zu schlagen. Frankfurt a. O. 1592. 9. Gregor Krengel, a) Tabulatura nova. Frankfurt a. O. 1584. b) Lauten- stück verschiedener Art. Daselbst 15S4. 10. Adrien Denß, Florilegium. Köln a. Rh. 1594. 11. J. Rühling, Tabulaturbuch ca. 1590. (Handschrift der Berliner König- lichen Bibliothek.) 12. Hainhofer's Lautenbücher. Anno 1603. (2 Folianten.) (Handschrift der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel.) 13. J. B. Besard (geboren zu Besan9on, lebte später als Dr. jur . imd Advokat in Augsburg, berühmter Lautenspieler) , Thesaurus harmonicus. Köln 1603. Novuspartus. Augsburg 1617. (Beide Werke enthaltenArrangements für die Laute.) Digitized by Google 14. NiederländiBches Lautenbuch von Thysius aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. (Mit kritiBch-historischer Einleitung und Anmerkungen neu herausgegeben von Prof. Dr. J. P. Land in Leyden: Het Luitboek van Thysius. I. Heft: Niederländische weltliche Singweisen. IL Englische Singweisen, m. Französische Melodien. IV. Tanzweisen. 15. Tabulatur für Cyther mit 6 Saiten (1592). Ms. Dresd. J. 307. Enthfilt 22 mehrstimmige Musikstücke (Choräle, weltliche Lieder und Tänze) , welche für den kursächsischen Prinzen Johann Georg I. von seinem Musiklehrer geschrieben sind. Die Musik in den Tabulaturen ist bekanntlich mit schwerfälligen Zeichen. Buchstaben und Ziffern notirt, darum nur für denjenigen lesbar, der zu ihrer Ent- zifferung monatelang sich Mühe gab und Fachkenntnis dazu auf historischem Wege sich zu verschaffen nicht scheute. Mit Recht fragt der germanistische Alter- thums- und Sprachforscher Herr v. Lassberg (1838) in einem Briefe an Uhland (s. Uhlands Schriften IV, 1 89] bei Auffindung einiger Blätter mit Lautennotation : »Wer kann diese alte Musik lesen ?ff Die gefundenen 6 Querfolioblätter Mspt. aus dem XVI. Jahrhundert enthielten : 1) Der Benzenauer in Tantz Weis. 2) Der Schwarz Knab, Tantzweis geflorieret. 3) Sankt Jacobis Dantz. 4) Der Morisgen Danntz. 5) Der Hoppen Dantz. Seit der Zeit, eis Lassberg jene Frage nach Entzifferung auf warf, sind wir in der Musikgeschichte etwas weiter gerückt und ist es mehreren fleißigen Forschem gelungen, solche Tabulaturen zu lesen und zu übertragen. Ich gebe aus obgenannten Lautenbüchem eine Anzahl einstimmiger Tanzweisen in modernen Noten (MB. 57 — 75), aber nicht um ihrer Schönheit willen, sondern nur um dem Wissensdrange derer zu begegnen, welche einmal die so oft und viel genannten Tänze jener Zeit klingend vor sich haben möchten. Diese Tanzstücke für Laute sind zweifelsohne durch das Arrangement uns in verde|rbterGe8talt überliefert. Mager und dürftig verhält sich der Elaviersatz gegenüber dem glänzenden Orchester einer Sinfonie ; so ähnlich, aber noch viel dürftiger abfallend verhält sich der Lautensatz zu einem guten Elaviersatze. Ge- haltene und getragene Töne giebt es nicht, immer nur ein Klimpern und Knippem. Wegen mancher schweren oder ganz unmöglichen Griffe auf der Laute mussten dort einzelne Melodie- oder Accordnoten abgeändert, nachgeschlagen oder ganz ausgelassen werden. Die gesungenen langen Noten der einfachen Volkstanz- weise werden vom Lautenisten in kleine Ziemoten und Schnörkel aufgelöst , um die Melodie beweglicher und schmackhafter zu machen, was man »florieren« , »ge- florierta nannte. Die im Lautensatze hinzugefügte Harmonie, die gern einen vierstimmigen Chorsatz erstreben will , war meist eine lückenhafte, zuweilen ganz barbarische, bei deren Anhören die Haare sich sträuben möchten. Weil jene Lauten-Harmonie zumeist für unsere Ohren unerträglich und ohne Eunstwerth ist, so habe ich von derselben nur wenige Proben (MB. 132 — 138) gegeben. Untersuchen wir nun die Orgelt abulaturbü eher nach Tänzen. Die ältesten gedruckten Orgelbücher, die zugleich für Klavierinstrumente dienten, sind in Deutschland folgende : 1 . Amolt Schlick, Tabulaturen Etlicher lobgeseng und liedlein vff die orgeln und lauten. Mentz, bei Peter Schöffer 1512. 2. E. Nie. Ammerbach, Orgel oder Instrument Tabulatur. Leipzig 1571. 3. Bemh. Sohmid, Tabulatur auff Orgel vnd Instrument. Straßbiirg, bei Beruh. Jobin 1577. Digitized by Google 253 4. Jacob Paix, Orgel-Tabulaturbuch. Laupingen 1583. 5. Bemh. Schmid (jun.)^ Tabulatur auf Orgel und Instrument. Straß- burg 1607. 6. Job. Woltz, Nova musices organicae tabulatura. Basel 1617. 7. Sam. Scbeidt, Tabulatura nova (O^eltabulaturj . Hamburg 1624. In allen diesen deutseben Orgelbücbem (mit Ausnahme des Schlick* sehen Nr. 1) sind neben andern Musikstücken auch zahlreiche Tänze zu finden, wenn solches auch auf dem Titel nicht angezeigt ist. Sie sind von gelehrten Organisten arrangirt, theils komponirt, darum im Satz reiner, als die in Lautenbüchem stehen- den Tanzbearbeitungen, obwohl auch hier unser modernes Ohr von manchen Quint- lind Octavparallelen, weit mehr aber von schreiendsten Querstftnden hart beleidigt wird. Der harmonische Satz sucht wie in Chorliedem und Motetten die Vier- stimmigkeit wiederzugeben. Die Melodik klingt wenig reizend und ist noch trockner als die aus der Tonart beinahe nicht herausgehende Harmonie. Sie klingen im Ganzen wenig zum Tanz lockend, herbe, unbeholfen. Es ist ein ermüdender Kling -Klang, ohne melodische Mannigfaltigkeit und ohne Aufschwung, ohne Charakteristik der einzelnen Tänze. Wie ein Tanz klingt, so klingen sie beinahe alle. Für Musiker und Musikfreunde habe ich eine kleine Anzahl solcher für Orgel und Klavier bearbeiteter Tänze in ihrem mehrstimmigen Originaltonsatze MB. 141 — 1 56 mitgetheilt. In Frankreich sind zwei Sammlungen von Tänzen für Orgel oder Klavier als älteste Quelle für französische Tanzmelodien namhaft zu machen : 1. Attaignant's Sammlung. Paris um 1530: »Quatorze Gaillardes, neu Pauanes, sept Branles et deux Basses Dances le tout reduict de musique en la tabu- lature du ieu d'orgues , Espinettes , Manicordions et telz semblables Instruments musicaulx. Imprimees a Paris par Pierre AttaiDgnant.« [40 Bl. kl. 4^ K. Bibl. München.] 1 2. Golier*s Sammlung für Spinett arrangirte Musikstücke. Lyon 1560 : »Premiere livre de tabulature d'Espinette : Chansons, Madrigale et Galliards. Lyon, S. Golier, 1560«. Ein Buch bloß mit Tänzen für Klavier, wohl das älteste seiner Art, erschien 1551 zu Antwerpen von und bei Susato, d. h. von Soest in Westfalen gebürtig. Der niederländische Titel heißt : xHet derde musykboekken . . . daerinne begrepen syn alderhande dansery . . . zeer lustich ende bequaem om speien op alle musicale Instrumenten«, zu deutsch : »Allerhand Tänze, welche sehr lustig und bequem auf allen musikalischen Instrumenten zu spielen sind«. Unter Instrumenten sind die Tasteninstrumente Clavichordum, Monochordum, Spinett und Orgel zu verstehen. Denjenigen, welche durch Aufspielen von Orgeltänzen etwa die Kirchen entheiligt glauben oder gar vermeinen (weil einige Schriftsteller es gesagt), man habe nach Psalmweisen getanzt, bin ich zur Beruhigung eine Aufklärung schuldig. Die Oi^el war im Mittelalter nicht bloß Kirchen-, sondern auch in ihrer kleinen tragbaren Form (als Portativ) sehr beliebt als Hausinstrument, das man auf den Tisch stellte und mit Hülfe eines Windmachers (Kaikanten) , wozu oft die ehrsame Hausfrau sich herbeiließ , ähnlich wie unsere Physharmonika behandelt wurde. Für diese kleinen Hausorgeln und für Klaviere haben die Organisten jener Zeit ihre Tanzstücke gesetzt und publicirt, also zur Hausmusik, nicht aber für den ^ Notenproben daraus findet der Leser in MB. 141. 142. Noch andere Tanzsamm- lungen zu 4 Stimmen aus derselben Druckerei habe ich unter Pavane (S. 135} ange- führt Sie befinden sich ebenfalls in der Königliehen Bibliothek München. Digitized by Google 254 kircUichen Qebraucli waren jene Orgel- und Instmmentaltänze bestimmt. Und wftren sie ja in den Kirchen zuweilen gespielt worden, so erkannte Niemand mehr den Tanzrhythmus, da die Melodie langsam gespielt und figurirt wurde, also ähn- lich klang wie ein figurirter Choral, bei welchem man gewiss nicht zum Hapfen sich angeregt fohlt. Überdies waren in jener Zeit Kirche und Haus noch inniger verbunden. Geistliches und Weltliches nicht so getrennt wie in unsem Tagen, und da- rum fanden die Alten keinen Verstoß gegen den guten Geschmack, wenn sie Welt- liches auf Geistliches übertrugen.^ Die Behauptung, dass man nach Psalmen getanzt habe, ist als eine irrige zurückzuweisen. Wohl aber hat das Umgekehrte stattgefunden : man hat auf alte Tanzweisen geistliche Texte gedichtet und Tanzlieder geradezu umgedichtet , was vielfach in Deutschland (wie in den Niederlanden durch die Souterliedekens) ge- schehen ist. Alle jene gewesenen Tanzmelodien haben sich aber nicht im Kirchen^ gesange erhalten, und ich wüsste unter den protestantischen Chorftlen keinen einzigen mehr zu nennen, der auf Volkstanzweise sich gründete ; selbst diejenige Tanzmelodie, (MB. 1 5] , welche Dr. Luther für sein Weihnachtslied »Vom Himmel hoch da komm ich her« benutzte und 1535 drucken ließ, ist schon 1539 von ihm selbst durch eine andere, die noch jetzt gesungene, ersetzt. Ob nach den Orgeltänzen des 1 6. Jahrhunderts im Hause getanzt worden ist, halte ich nicht für wahrscheinlich. Ebenso wenig dürfte man nach dem sehr dünnen Klange der Spinetts und Virginais , wie die alten kleinen Klaviere damals hießen , gehüpft haben. Auf den Abbildungen von Tanzenden sehen wir immer Spielleute mit allerhand Instrumenten , niemals aber einen Tanz zum Klavier oder gar zur Orgel abgebildet, auch in keinem Buche hören wir von dergleichen. Betrachten wir dieFormderT&nze vom 14. — 16. Jahrhundert, so finden wir eine ganz eigenthümliche Taktumwandlung, die für deutsche wie für ita- lienische Tänze stehend war. Sie bestand darin, dass der zuerst in geradem Takte gesetzte Tanz (prima pars, Vortanzj gleich darauf in ungeradem Takte wiederholt wurde und dabei wohl einige Abänderungen erfuhr, im Wesentlichen aber doch dieselbe Melodie war. Diese veränderte Wiederholung der Tanzmelodie, jetzt im ^/jTakt, nannte man secunda pars oder proportio (verstümmelt Pro- portz), auch Springtanz, Huppauf, Hoppeltanz, Nachtanz. Bei man- chen Hoftänzen heißt der Nachtanz auch Gassenhauer. Bei den Italienern hieß der zweite Satz, der in lebendigeren ^ springenden Pas ausgeführt wurde ^ S alta- reil o. Diese taktische Einrichtung war die nothwendige Folge der uralten zwei Hauptarten vom Tanz, nämlich umgehender und springender. Für jenen tanzmäßigen Umzug oder Vortanz diente der gerade Marschtakt, für den ge- sprungenen und gehüpften Nachtanz wurde der V2 T^^^ aufgespielt. Solche Taktumwandelung an einer und derselben Melodie ist als ein stehen- der Gebrauch vom 14. — 17. Jahrhundert am deutschen Tanz nachzuweisen. Ich fand ihn durchweg in allen Orgel- und Lautentabulaturbüchem des 16. Jahr- hunderts für all e Tänze ausgeübt, wenn letztere nicht durch die Beischrift «Spring- tanz oder Huppauf tt bloß auf den ^/^ Takt angewiesen waren. Ebenfalls sichtbar ist diese Umformung an den vierstimmigen Tanzliedern des 16. bis Mitte des ^ Mehr Aber diesen Gegenstand in C. F. Beckers Hausmusik in Deutsehland S. 20 und 21. Digitized by Google 255 17. Jahrhunderts zu finden. Man vergleiche die MB. Nr. 8. 13. 14. 45. 48. 49. 66. 69. 135. 143 — 147. Weil eins dieser Tanzlieder mit Vor- und Nachtanz (Nr. 13] schon 1513 in der von Peter Schöffer herausgegebenen Liedersammlung vorkommt, also mindestens zu Ende des 15. Jahrhunderts schon bekannt war, so darf man folgern , dass jene Taktwandelung schon im 1 5. Jahrhundert stattfand. Ich gehe noch weiter rückwftrts bis zum Jahr 1392. Weil aus dieser Zeit das älteste mir bekannte, aus Vor- und Nachtanz bestehende deutsche Tanzlied (s. MB. Nr. 8) stammt, so habe ich damit den Beweis erbracht, dass die Deut- schen schon im 14. Jahrhundert die erwähnte Takteinrichtung des Vor- und Nachtanzes hatten. Woher mag diese interessante Erscheinung gekommen sein? Ist sie wohl in Deutschland oder in romanischen Ländern entstanden? Das kann erst entschieden werden , wenn für die Geschichte der weltlichen Musik Italiens mehr gethan wor- den ist, als bis jetzt. Wir wissen nur so viel, die Italiener im 16. Jahrhxmdert hatten in ihrer Aufeinanderfolge von Paduana (V4) und Gagliarda (^2 Takt] die- selbe Taktwandelung, welche die Deutschen schon im 14. Jahrhundert kannten. Recht wohl kann zu beiden Völkern diese Einrichtung aus der tanzlustigen Pro- vence gekommen und schon zur Zeit der Troubadours und deutschen Minnesinger in Brauch gewesen sein. Für Neidharts Zeit (13. Jahrhundert] ist es mir zwar nicht gelungen, den Vortanz und den durch Taktwechsel entstehenden Springtanz nachzuweisen ; nicht ist im Original von Neidhart* sehen Singweisen jene Zweitheilung, überhaupt keine Mensurzeichen zu finden; gleichwohl dürfen wir schon für jene Zeit den geraden Takt zum getretenen, höfischen Tanz, sowie den ungeraden für den gesprungenen Reigen der Höflinge und Bauern vermuthen. Was gab wohl die Veranlassung zu dieser Jahrhunderte lang festgehaltenen Taktumwandelung? Jedenfalls war es der Trieb nach Abwechslung, welcher beim Tanzen zu beiden Grundformen aller Taktmusik greifen und Spielleute dieses Mittel erfinden ließ. Wollte man glauben, das Versmaß in den Tanzliedern habe dazu gedrängt, bald geraden, bald ungeraden Takt zu nehmen , so wäre diese Annahme falsch ; denn das Versmaß der deutschen Tanzlieder des Mittelalters ist fast immer das zweizeitige: es besteht der Vers aus dem Wechsel von Hebung und Sen- kung ; Jamben und Trochäen dürfen wir nicht sagen , weil in der deutschen Vers- kunst damals diese Kunstausdrücke nicht gekannt waren. Selbst im Tripeltakte gab es für den Text nur zwei Zeiten, V.JIJ JIJ J|J./J|Jietc. mit andern Worten , zum Tripeltakte wurden jambische Verse gesungen , wie die Springtänze in MB. 8. 14. 45 beweisen. Das dreizeitige Versmaß (Daktylus) ist im deutschen Volksliede höchst selten ; ich habe es nur einmal durchgeführt gefunden und zwar in den unten citirten Versen : »Es gingen drei Bauern etc.« In manchen Nachtänzen (vergleiche MB. 13. 48) ist die Dreizeitigkeit des Textes nur in einzelnen Takten zur Anwendung gebracht. Untersucht man die periodische Gestaltung der Tanzmelodien des 14. bis 16. Jahrhxmderts, so zeigt sich überall eine gesunde Rhythmik, überall schönes Ebenmaß im Periodenbau, das der Tanz als Lebenselement braucht, nicht aber der Satz des Kontrapunktikers aufzuweisen hat, da periodische Form nicht sein Zweck ist. In der Regel besteht eine Tanzmelodie aus zwei Th eilen (jeder Digitized by Google 256 Ton vier oder acht Takten), die wiederholt werden. Das ist noch heute die allbeliebte Tanzform und so war es auch im Mittelalter, wovon sich der Leser durch Anschauen der MB. 16 — 19. 26. 70 — 75. 150 überzeugen kann. Noch einfacher sind manche Tanzliedchen in alter Zeit geformt , die oft nur aus einer einzigenPeriode von 8 oder 1 6 Takten bestehen . Als Beispiel dieser einfachsten eintheiligen Liedform führe ich das 1540 bei Forster vorkommende Scherzliedchen an: Es gingen drei Bauern, die suchten ein' Bäm, Und als sie ihn fanden, da hätten s' ihn gem. Hier ist die Melodie dazu: 1 ^ m 7ff-M- ß J'-y-j-TT izi y~r Auf liebliche Beispiele der Periode von 1 6 Takten wül ich den Leser ver- weisen : Ach Elslein, liebes Eislein mein (MB. 31) . Mir ist ein roth Goldfingerlein (MB. 34) . Diese eintheilige Liedform von acht Takten, denen meist noch ein Jodler angehangen wird, ist noch heute in den Schnadahüpfl-Melodien [MB. 206 — 213) zu erkennen. Auch von der dreitheiligen Liedform wird häufig Gebrauch 'gemacht, die schon seit der Minnesingerzeit bekannt war ; ihre drei Sätze heißen nach der Vers- technik, die seit der Meistersingerzeit bis auf Uhland gilt: erster und zweiter Stollen und Abgesang ; der zweite Stollen ward nach derselben Melodie wie der erste gesungen , auf diese Wiederholung der Melodie folgte ein längerer Satz mit anderer Melodie bis zum Strophenschluss und dieser Schlusssatz hieß »der Ab- gesangcc. Man kann Proben sehen in MB. 3. 4. 9. 26. 44. 45 etc. Zuweilen begegnen wir auch Abschnitten von ungerader Taktzahl (z. B. mit drei, fünf, sieben Takten), was uns als Unzulässigkeit beim Tanz er- scheint ; solche Abweichung von der geraden Zahl der Takte war bald durch die Textworte , bald durch die auszuführenden Pas in französischen Kunsttänzen be- dingt ; auch scheint es j dass das Gefühl gegen solche rhythmische Unebenheiten bei den Voreltern nicht so empfindlich war, wie das unserige. Übrigens wurde das nothwendige Gleichgewicht dadurch hergestellt, dass solche Theile wiederholt wurden ; dann hatte man eine Doppelperiode von zwei mal fünf Takten , also mit zwei gleichen Hälften gehört und das Gefühl für Ebenmaß war befriedigt. Die Ruhepunkte oder Einschnitte in der Musikperiode wurden (wie heutzutage) bald auf der Terz, bald auf der Quin t und am befriedigendsten zum Schluss axif der Tonica gemacht. Auch der Halbschluss (d. h. das Verweilen auf der Obersekunde] wird zur Begrenzung der Abschnitte häufig angewendet. Zur Erläuterung mag ein Beispiel (MB. 33) in Noten hier folgen : ^tMUi-^J-^ Quint Modulation. Ten. ^^ ^^ f V -&' m Terz. ^ Halbschluss. ^^ m Tonica. ^ 2ZZZ ^ jZ ^Ljßl. Digitized by Google 257 Auffallend ist in alten Volksweisen das zähe Festhalten der Tonalität, also die geringe Modulation in andere Tonarten. Die meisten Volkslieder^ und Tanzmelodien des 1 6 . Jahrhunderts modulirengar nicht, sondern verbleiben bis Ende in der angeschlagenen Tonart. 'Wo ein Ausweichen ja schüchtern und sparsam geschieht, so ist es ein Erstreben der nächstverwandten Tonart der Ober- quint oder bei Mollweisen in das parallele Dur. Solche sparsame Modulation der Alten, für ihre kurzen Musiksätzchen vollkommen ausreichend, thut einem ordentlich wohl in unsem Tagen, wo Modulationssucht ungebührlich breit sich macht und durch ihr Zuviel sehr oft der Einheit der Tonart schadet. Im Ganzen ersehen wir aus dem Gesagten, dass in den alten Volkstänzen und Volkstanzliedern die Grundformen zu unsem noch heute geltenden Lieder- und Rondoformen der Vokal- und Instrumentalmusik schon vollständig ausgeprägt sind und zwar so überraschend richtig, dass unsere größten Komponisten, wollten sie nicht aller Form entsagen und ihre Produktion unfassbar machen , nicht weit darüber hinausgekommen sind. Ehrendes Angedenken darum den unbekannten Spielleuten , die im 1 3 . und 14. Jahrhundert schon Tanzformen schufen, die noch den Menuetten Haydn's und Beethoven's zu Grunde liegen t Noch erübrigt, über die Namen der Tänze, wie sie im 16. Jahrhundert vorkommen, Einiges zu bemerken. Verschaffen wir uns zunächst einen Überblick, so werden wir finden, dass die Tanzweisen benannt sind a) nach Rang und Stand der Tanzenden: Hoftanz, Fürstentanz, der Königin Tanz^ Studententanz, Burgertanz, Bawrentanz, Gassenhawer, gemeiner Tanz, Juden- tanz etc.; b) nach Land und Nation: deutscher Tanz (Allemande), schwäbischer Tanz, bayrischer Bawrentanz, sächsisches Tänzlin, Ungarisch, Westfäler, Sibentaler (Simmenthaler), Kochelsberger Bauemtanz, Morisken- oder Mohrentanz etc.; e) nach der Tanzmanier: Springtanz (ein springender Tanz), Lauffertanz (getretener), Huppauf oder Hoppeltanz, Scharer, Zeuner, Bockstanz, Capriolen- tanz etc. ; d) nach beliebten Liedern: die schöne MüUerin, der Müller, der Bettlei>- tanz, St. Jakobstanz, der schwarze Knab, der Benzenauer, Botenbub, Schwanen- dreher, Stenglos-Tanz etc.; e) nach zufälligen Bestimmungen und Widmungen gab es: Hertzog Moritz- Tanz, Graf Johann von Nassau, Helena-Tanz, Bruder Cunrad- Tanzmaß, Drom- meter-Tanz, ein guter Tanz, Reyen-aus, Kehrab. Alle diese verschieden benannten Hof- und Bürger- und Bauemtänze, auch alle nach Nationen benannten Tänze lassen auffallender Weise gar keinen Unter- schied ihrer Musik erkennen. Denn alle haben die feststehenden zwei Haupt- theile (Vor- und Nachtanz) und gehen ebensowohl aus Dur wie aus Moll. Weder im Takt, noch im Tempo, noch in der Tonart also ist ein Charakterunterschied jener Tänze herauszufinden. Aus dieser Wahrnehmung darf man zwei Folgerungen ziehen : 1) Die Tanz- musik an den Höfen der Fürsten und Edelleute war wesentlich keine andere, als die der Bürger und Bauern. Dort nur unter äußerem Glänze und von ge- schicktem Spielleuten ausgeführt, als im Tanzhaus der Bürger und auf dem Tanz- platz xmter der Dorflinde. 2) Alle jene vorkommenden Namen haben keine Be- deutung , sind nur wesenlose Benennungen, leere Titel zum Anpreisen und Unter- Bö ii m • , QmcIi. d. Tanzet. 1 7 Digitized by Google 258 scheiden gewisser Tanzstückchen der Lautenspieler, gerade wie in der Neuzeit z. B. Annen-Polka, Nachtigallen- Walzer, Bicycle-Galopp und tausend andere Namen für Tanzmusik. Es war nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, als in Deutschland die Musiker anfingen , ihrer heimischen Poesie, Ton- und Tanzkunst ungetreu zu werden, und nach Italien, als dem gepriesenen Lande der Musik, hinblickten, um nach italienischen Vorbildern ihre Produktionen zu modeln. Man fing an von dem Auslande zu zehren und vernachlässigte das Einheimische. Zunächst waren es die italienischen Madrigale, eine nicht unbedeutende Fortsetzung der deutschen Chorlieder, welche von deutschen Komponisten nachgeahmt und von Sangesfreunden mit italienischen Texten importirt und aufgeführt wurden ; wenig später waren, es die heitern Vi llanellen, die man mit deutschen Texten nachbildete. Madrigale, Villanellen und Canzonetten wurden von deutschen Organisten, Lautenisten und Streichinstrumentisten ohne Text für Instrumente bearbeitet und gespielt. Seit jener Zeit welkte die Blüthe des deutschen Liedes so schnell dahin, dass im 17. Jahrhundert kaum noch einige Spuren davon vorhanden sind. Was man hätte lernen können, wahre Kirchenmusik, die mit Palestrina ihren Höhepunkt erreichte, daran dachte man ni^ht, denn Werke dieses genialen Meisters wurden erst zu Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland bekannt; eher war von der venetianischen Tonschule Anfang des 17. Jahrhunderts unter dem großen Gabriel! durch dessen Schüler, den deutschen Meister Schütz, etwas übermittelt worden. Nachdem von weltlichem Gesänge aus Italien Madrigale und Villanellen sich Eingang xmd Nachbildung verschafft hatten , wurden beide Kunstgattungen durch die um 1600 neu erfundene Oper verdrängt. Auch die Tänze mit oder ohne Gesang wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem Auslande entlehnt, aus Italien Paduanen, Gagliarden und Passemezzo's, aus Frankreich Correnten und aus Spanien Sarabanden geholt und von deutschen Komponisten nachgeahmt. Einer der frühesten deutschen Komponisten, welche die ausländischen Tanz- formen zu mehrstimmigen Gesängen benutzten, war NicolausRosthiusin seinen : XXX Newer Lieblicher Gaillardt, mit schönen lustigen Texten, so bei allerhand ehrlichen Gesellschaften, Gastereien und einem Wohlleben zur Frewde ganz be- quem componirt. 2 Theile. Erfurt 1593. Altenburg 1593. Jena 1594. Eine Melodie-Probe von Rost giebt MB. 46^. In seiner Tendenz folgte ihm Georg Hase mit seinem Werkchen: »Newe frOliche vnd liebliche Täntz mit schönen Poetischen Texten. Nürnberg 1600« (neu aufgel^ 1602. 1610). Gleiches gilt von Christoph Halden in Nürnberg: a) Neuwe lustige Däntz vnd Liedlein, auff Instrument vnd zu singen gebräuchlich. Nürnberg 1600. b) Qantz newe lustige Täntz vnd Liedlein mit 4 Stimmen. Nürnberg 1601. Ein sehr fleißiger Tanzkomponist war der Organist und Rathsherr in Gerb- städt bei Eisleben, Valentin Hau ßm a n n. Sind die meisten seiner Produktionen musikalisch flach und gehaltlos, so hat er doch dies Verdienst , dass er in Deutsch- land der erste war, welcher die reine Instrumentalmusik kultivirte. Seine auf Tanz bezüglichen Werke sind : a) Neuwe liebliche Tän tz, zumTheil mit Text, zumTheil ohne Text publicirt . Nürnberg 1600.b)Venusgarten, 100 liebliche mehrentheils PolniscbeTäntzmitTextengemacht. 1602. c] Rest von Polnischen vnd ander nTäntzen 1603. d) Neue Intraden mit sechs vnd fünff Stimmen , auf Instrumenten für- nemlich auff Fielen lieblich zu gebrauchen. Nach diesen sind etliche Englische Digitized by Google 259 Paduan Ynd Galliarden anderer Composition su finden. Gedruckt zu Nurenber^ durch Paulum Kauffmann 1 604. e) Neue fünffstimmige P adua nen vnd Galliarde, auff Instrumenten, fürnemlich auf Fiolen lieblich zu gebrauchen. NOrenberg 1604. Das unter d angeführte Werk ist das erste in Deutschland, darin reine Instrumentalmusikstflcke für Streichinstrumente veröffentlicht werden . Der hochbegabte und im kontrapunktischen Satz tüchtig geschulte Kapell- meister zuFreibei^ in Sachsen, Christoph Demantius hat drei Tanzsammlungen publicirt und darin sich als Mebter des Satzes bewiesen : a) LXXVn auserlesene liebliche Polnischer vnd Teutscher Art Täntze mit und ohne Text von 4 und 5 Stimmen, neben andern künstlichen Galliarden mit 5 Stimmen. Nürnberg 1601. b) Conviviorum Deliciae , Newe Liebliche Intraden vnd Auffzüge, Neben KünsÜichen Galliarden vnd Frölichen Polnischen Täntzen mit 6 Stimmen. Nüm- bei^ 1608. c) Fasciculum Chorauliarum. Erffurdt 1619. Proben von Vokalmusik des Demantius für evangelischen Kirchengesang sind seit Winterfeld mehrfach veröffentlicht worden ; von Instrumentalmusik desselben Meisters bringe ich hier, 285 Jahr nach ihrem Erscheinen, die ersten Belege in MB. 171 — 175 wieder zum Abdruck, um damit zu bezeugen, dass vor der Zeit des großen Heinrich Schütz im Sachsenlande gar wackere Tonmeister schon vor- handen waren. Der bedeutendste deutsche Tonmeister des 17. Jahrhunderts Hans Leo Hassler (1564 — 1612) hat auch allerhand Tänze, als Schüler A. Gabrieli's nicht ohne bedeutenden italienischen Einfluss, komponirt. Gedruckt stehen sie in : a) Lustgarten Newer teutscher Gesang, Baletti, Galliarden vnd Intraden mit 4, 5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1601. b) Hortus Veneris, novae et amoenae can- tiones etchoreae,ad modum Germanorum et Polonorum, 4, 5, 6 vocum (o. J. bei Gerber aufgezählt) . Zwei Tanzmusikproben von Hassler s. MB. 45 und 46. Wie gern hätte ich ganze Partituren von Hasslers letzten Gesangwerken beigefügt, hätte der Raum es gestattet. In Wüllners Chorgesangschule IQ. Bd. findet der Leser solche. Der vorzügliche Meister und verdiente ELirchenkomponist, der &omme Thomas- kantor Hermann Schein sah sich veranlasst, seine Muße auch den Tänzen zu widmen. Er publicirte : a) Venus-Elränzlein, oder weltliche Lieder mit 5 Stimmen, neben etlichen Intraden, Galliarden u. s. w. Leipzig 1619. b) Banchetto Mu- sicale, newer anmuthiger Paduanen, Gagliarden, Courrenten vnd Allemanden mit 5 Stimmen. Leipzig 1617. Johann Staden, der fürstlich brandenburgische Hoforganist zu Bayreuth, gebürtig aus Nürnberg und später dorthin als Organist an die Lorenzkirche und zuletzt an die Sebalduskirche berufen, hat vier Sammlungen Tänze veröffentlicht, die durch gediegenen Tonsatz sich auszeichnen xmd getrost neben die Arbeiten des Demantius sich stellen dürfen. Es sind : a) Newe deutsche Lieder sampt etlichen Galliarden mit 4 Stimmen. Nürnberg 1609. b) Venus-Eräntzlein Newer Mu- sikalischer Gesänge, sowohl auch etlicher Galliarden mit 4 und 5 Stimmen. Nürn- berg 1610. c) Newe Paduanen, Galliarden etc. mit 4 Stimmen, fümemblich von den Instrumental-Musicis füglich zu gebrauchen. Nümbe^ 1618. d) Opusculum novum von Pavanen, Galliarden, Allemanden, Couranten, Intraden, Volten und Can- zonen samt einer Fantasie, auf unterschiedenen Instrumenten zu gebrauchen. Nürn- berg 1625. Dieser talentvolle, um Komposition von geistlicher Musik hochverdiente Nürnberger O^elmeister Johann Staden, Vater des als erster deutscher Opem- komponist merkenswerthen Sigmund Theophil Staden, führte als Sprichwort im Munde : »Italiener nicht Alles wissen , Deutsche auch was können.« Durch seine 17* Digitized by Google 260 trefflichen Tonsätze in vorgenannten Tanzwerken hat er die Wahrheit seines Spruches bewiesen. Hätte es zu jener Zeit nur noch mehrere solche echt deutsch gesinnte Männer unter den Musikern gegeben t Tachtige Meisterproben von dem bedeutenden Tonsetzer J. Staden habe ich dem Leser in MB. 1 76 — 1 83 dargeboten. Der scheinbar heiter angelegte Koburger Kapellmeister Melchior Franck ließ folgende Tanzsammlungen im Druck erscheinen : a) Newe Paduanen, Gal- liarden etc. auff aUerley Instrumenten zu bequemen. Namberg 1603. b) Teutsche weltliche Gesänge und Täntze von 4, 5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1604. c) Neue musikalische Intraden, auff" allerhand Instrumenten, sonderlich auf Violen zu gebrauchen; mit 6 Stimmen. Nürnberg 1608. d) Flores musicales, newe anmutige musikalische Blumen mit 4 — 7 Stimmen. Nürnberg 1610. e) Musi« kaiische FrOlichkeit, von etlichen newen lustigen teutschen Gesängen, Täntzen, Galliarden vnd Concerten mit 4, 5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1610. f) lilia musicalia, schöne neue Liedlein mit lustigen Texten untergelegt, sammt etlichen Pavanen, Galliarden und Couranten. Nürnberg 1616. g) XXXX Teutsche lustige musikalische Täntze mit 5 Stimmen componirt. Jena 1624. h) Newes musikalisches Opusculum, in welchem etliche newe lustige Intraden vnd Aufzug mit 5 Stimmen componirt. Jena 1625. Ich gebe eine fünf stimmige Galliarde von M. Franck unter MB. 185. Der Darmstädter Hoforganist Job. Möller (Mollerusj ließ sich, wie so viele seiner Collegen, zur Abwechslung auf das Tanzkomponiren ein. Seine Frucht sind: »Neun Paduanen vnd darauff gehörige Galliarden mit 5 Stimmen. Frankfurt am Mayn^ bei Wolfgang Richtern 1610a (wiederholt Darmstadt 1611). Zwei Proben daraus findet der Leser in MB. 184 a. b. Einen Organisten zu Leitmeritz an der Elbe^ Christian Roth, plagte der Couranten-Tanzteufel, dass er im Druck erscheinen ließ: »Couranten-Lust- gärtlein. In welchem 74 Couranten: welche auff allerhand musikalischen Instru- menten . . . gebraucht werden können mit 4 und 5 Stimmen. Dreßden 1625.« Ein süddeutscher Komponist, Paul Rivander, schrieb: »Newe lustige Cou- ranten auff Instrumenten vnd Geigen lieblich zu gebrauchen mit 4 Stimmen. Onoltzbach 1614.« Später brachte er: «Studenten-Frewd, darinnen weltliche Ge- sänge von 3 — 8 Stimmen mit lustigen Texten, beneben Paduanen etc. componirt. Nürnberg 1621.« Ein sonst nicht weiter bekannter Komponist Samuel Völckel gab 1613 in Nürnberg heraus : »Newe Teutsche weltliche Gesänglein mit 4 und 5 Stimmen auff Galliarden Art, beneben Galliarden etc. ohne Text«. Ein norddeutscher Komponist, David Cramer, veröffentlicht die von ihm für Streichquart geschriebenen Tänze in »Allerhand Musikalische Stücke von Pa- vanen, Couranten etc. auff drey Discant- Violinen und ein Viol d' gamba. Ham- burg, Jacob Nebenstein 1631.« (Hamburger Stadtbibliothek. j Der Altenburger Hofkantor Joh. Christenius hat neben einigen geist^ lichen Sachen drucken lassen : a) Gülden Venus-Pfeil, in welcher zu finden newe weltliche Lieder, Teutsche vnd Polnische Tänze. Leipzig 1619. b) Omnigeni mancherley Manier newer weltlicher Lieder, Paduans etc. Erffurdt 1621. Auch der gelehrte Kantor zu Braunschweig, zuletzt Kapellmeister in Celle, Otto Siegfried Harpisch, nicht unbedeutend als Komponist weltlicher und geist- licher Lieder seiner Zeit, konnte der Versuchung sich nicht entwinden, auch für Tanz etwas zu schreiben : »Rosetum Musicum, etlicher lateinischer vnnd Teutscher lieblicher Art Baletten, Villanellen, Madrigale, Saltanellen etc. mit 3 — 6 Stimmen. Rostock 1617.« Digitized by Google 261 Allen bisher genannten deutschen Tanzkomponisten zu Anfang des 17. Jahr- hunderts steht in seinen Bestrebungen grundverschieden gegenüber Michael Praetorius. Dieser hochberühmte braunschweig-lüneburgische Hofkapellmeister, der als Sammler und Setzer geisüicher Melodien in seinem 9 Bände umfassenden Werke Musae Sioniae hoch zu schätzen ist und als gelehrter Theoretiker und Musik- historiker den Dank der Nachwelt verdient, hat — zur Illustration seiner musika- lischen Formenkunde, sowie zur Unterhaltung bei Hoff esüichkeiten , fürstlichen Tafeln und ehrenhafter bürgerlicher Convivien, als Hochzeiten und dergleichen — eine hochinteressante Sammlung von französischen und englischen Tänzen seiner Zeit, unter dem Titel Terpsichore, Hamburg 1612, herausgegeben, deren wir schon oben (S. 121) gedachten. Wie er in der Einleitung (s. obenS. 122) erzählt, sind die dargebotenen Tanz- weisen nicht von ihm erfunden, sondern von den am Pariser Hofe lebenden Tanzmeistern , die zugleich gute Qeiger waren, komponirt und ihm durch einen französischen Tanzmeister am Braunschweiger Hofe, Namens A. Emeraud, mitge- theilt und er (Praetorius] habe sie nur mehrstimmig gesetzt. Somit dürfen wir diese Melodien als echte Nationaltanzweisen betrachten, nach denen um 1600 und vorher in Frankreich, England und auch an deutschen Höfen wirklich getanzt worden ist, was wir von den Kompositionen von Demantius, Haußmann, Staden etc. nicht behaupten können. Für musikkundige Leser habe ich zwölf Satzproben, die von der wackeren Arbeit des Meisters Praetorius zeugen, in MB. 187 — 195 mitgetheilt Werden sie auch nicht, wie das von ihm gesetzte Weihnachtslied »Es ist ein Ros' entsprungen«, die Gegenwart wieder erfreuen, so sind es doch hochinteressante Illustrationen zur damaligen Tanzmusik und hier zum erstenmal nach bald 300 Jahren wieder abge- druckt. Die Namen der französischen, italienischen und spanischen Tänze, welche nach Deutschland schon im 16. Jahrhundert durch Lautenisten eingebracht, noch reichlicher aber zu Anfange des 17. Jahrhunderts durch deutsche Komponisten und vorher durch französische Tanzmeister eingeschleppt wurden, sind nach dem Alphabet folgende: Allemande, Bransle, Bourr6e, Ganarie, Gha- conne, Gourante, Qagliarde (Qaillarde), Gavotte, Gigue (Giga, Jig), Loure, Morisque, Paduana, Passacaglia, Passepied, Passemezzo, Pavane, Rigaudon, Romanesca, Sarabande, Saltarello, Volta. Ihre sachliche Erklärung, dabei auch die musikalische Form und ihren musi- kalischen Gharakter, haben wir schon oben in Kapitel IX g^eben, auf welches wir den Leser zurückverweisen. Neben diesen Tänzen und ihnen vorangehend, aber doch streng genommen nicht zu ihnen zählend, treffen wir in Notenbüchem jener Zeit eine Kunstform an, die jetzt ganz ausgestorben ist. Sie führt einen spanischen Namen und hieß Intrade« Intrade (italienisch Entrata, französisch Entr^e) nannte man sonst den Ein- leitungssatz für Instrumente, besonders für Trompeten und Pai^en, zur Begrüßung beim Einzüge großer Herren, bei festlichen Aufzügen, alsToumieren, Gastmählern, Mummereien und Bällen an den Höfen ; sogar die Eröffnung der hohen Messe in der Kirche wird durch Trompetenfanfaren und Paukenwirbel noch jetzt in der katholischen Kirche zu Dresden und Wien angezeigt und wird Intrade genannt. 'Digitized by Google 262 M. Praetorius 1617 sagt: »Intrade ist gleich wie ein praeambulum und final, dessen sich die Trompeter zu Anfang bedienen, d. h. ehe sie ihre Sonaden (wenn zu Tische geblasen wird) anfangen und auch zum Aushalten (Ausgang] und final gebrauchen«. Diese kleinen marschartigen Trompeterstückchen waren von mäßig langsamer Bewegung im ^/^Teikt gesetzt und gewöhnlich aus zwei Reprisen (zu wiederholenden Theilen) bestehend. Der Charakter war ernsthaft, wegen der getragenen Töne wurde ein ziemlich kräftiger Vortrag erfordert. Jetzt sind diese kleinen Tonstacke nicht mehr in Gebrauch, nur in der Oper und bei festlichen Aufzagen wird der Komponist dergleichen anbringen. Neuerdings wird dafar ein Marsch ge- braucht. Mattheson macht zwar noch einen feinen Unterschied zwischen beiden, den heute niemand mehr festhalten wird, indem er sagt, dass bei der £ntr6e zwar ein majestätisches Wesen stattfinden müsse ; doch darf sie nicht so hochtrabend ein- hergehen wie der Marsch und hat mehr Scharfes und Punktirtes an sich, als irgend eine andere Melodie. Da es im Mittelalter der Fürstenhöfe viele gab und der Festlichkeiten noch mehr waren, so mögen wohl genug In trade n geblasen worden sein, welche Erfindung der Hoftrompeter waren und traditionell fortlebten, zuweilen auch wohl zur Aufzeichnung kamen. Als nach 1600 die reine Instrumentalmusik mehr Platz griff, wurden In- traden auch für Streichinstrumente komponirt. Der erste deutsche Kompo- nist; der solche im Druck erscheinen ließ, war Valentin Haußmann. Intraden als mehr oder weniger prunkhafte Instrumental-Einleitungen ge- brauchte man aber nicht bloß bei Hoffesten, sondern auch seit Anfang des 1 T.Jahr- hunderts in Italien, Frankreich und Deutschland zu Schaustellungen (Opern, Fest- spielen) wie zu Bällen der bürgerlichen Gesellschaft. In den Musikbeilagen findet der Leser sechs- und fünfstimmige Intraden und zwar von Haußmann (Nr. 167), Demantius (Nr. 171) undJoh.Staden(Nr. 176.177). Auch die Klaviersätze zu den Dreikönigs-Aufzügen (Nr. 154 — 156) gehören hierher. Bei Tanze gebraucht, hatte die Intrade eine ähnliche Rolle wie die heutige Polonaise: sie eröflhete den Ball. Auch in der Serenade, wie sie noch zu Mozart' s Zeit beliebt war, findet man häufig den Einleitungssatz Intrade über- schrieben. Höchst bedeutsam wird die Tanzmusik für Entwickelung der Instrumental- musik, als man anfing, mehrere Tanz weisen zu einem Cyklus zu vereinigen. Solch eine Vereinigung oder Folge von vier alten Tanzformen in der Ordnung 1. AUemande, 3. Courante, 2. Sarabande, 4. Gigue, nannte man Suite. Sie entstand um die Mitte des 1 7 . Jahrhunderts in Frankreich und wurde be- sonders an der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts von deutschen Komponisten fieißig angebaut. Die darin aufgenommenen Tanzweisen erfuhren durch die Kom- ponisten erhebliche Erweiterungen und Abänderungen , wodurch ihr einfach tanz- mäßiger Charakter, sogar ihre nationale Eigenthündichkeit verloren ging. Die verschiedenen Sätze der Stute hatten nur einen äußern Zusammenhang, indem sie alle aus einer und derselben Tonart gehen mussten. Digitized by Google 263 Diese Monotonie zu meiden und innern Zusammenhang und Einheit des In- halts zu schaffen, suchten die KünsÜer einen bestimmten Charakter, entweder freudige, leidenschaftlich erregte oder ruhige Stimmung durch die ganze Suite fest- zuhalten und durch Wahl Ähnlicher Figuren zum Ausdruck zu bringen. Statt der kurzen achttaktigen Reprisen bekamen die Tänze jetzt ausgefohrte Themata, Qegen- themata und schulgerechte Durchführungen. Die Harmonie wird reicher und die Melodie ist durch Kontrapunkt so durchschlungen und verwebt, dass man zuletzt keine Tanzweise mehr hört, sondern ein kontrapunktisches Kunstwerk oder Kunst- stück vor sich hat. Bach*B und Händers Suiten sind in musikalischer Beziehung die meister- haftesten Tanzbearbeitungen, aber nur zum Koncertvortrag bestimmt, nicht zum Tanze dienend, da die Tanzrhythmen darin gründlich verdorben und misshandelt sind, so dass wohl Niemand je Lust spüren wird, nach einer Bach* sehen Allemande und Courante zu tanzen. Mit Bach und Händel hatte die Kunstform der Suite ihren höchsten Glanz- punkt erreicht und ist seitdem bis in die Neuzeit unbeachtet liegen geblieben, nachdem die Sonate imd Symphonie sie vertrieben hatten. Und doch vermag sie noch heutigen Anforderungen zu genügen, wenn die alte Form mit entsprechender Erfindung, mit Geschmack und Gewandtheit bearbeitet und darin sogar neuem Tanzarten Aufnahme gestattet wird. Diese zeitgemäße Wiederbelebung und Um- gestaltung haben Franz Lachner, J. Raff und Rubinstein mit Glück und Geschick versucht. Sie haben sogar die einst nur für Klavier behandelte Suite zu glänzen- den, stimmungsreichen Orchesterstücken umgestaltet. Da kam um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich eine etwas anders gestaltete Reihenfolge von Tonstücken auf, die man Partie oder Partita nannte. Darin treten zu den Tänzen der Suite noch Sätze anderer Art. Gewöhnlich begann eine Ouvertüre oder Introduction oder Toccata oder fugirtes Allegro ; darauf folgte die Allemande oder ein anderer Tanz wie Courante oder Chaconne; dann kam eine Arie mit Variationen oder statt deren ein Adagio oder Largo ; ein fugirtes Allegro schloss. Die Partita, obwohl weiter entwickelt als die bloß Tänze bringende Suite , musste mit dieser am Ende des 18. Jahrhunderts der Sonate und Symphonie Platz machen. Unseren gemüthlichen Haydn, den Schöpfer der heutigen Symphonie, hätte das völlige Hinauswerfen des Tanzes der Menuett geschmerzt, daher behielt er sie bei, tändelte und schäkerte mit ihr nach Herzenslust, wenn das Allegro oder Adagio ihn zu ernst gestimmt hatten. Auch Mozart fand noch Behagen an dem graziös-gemessenen Schritt desLieblingstanzes von Vater und Mutter. Beethoven^s leidenschaftliche Natur fand sich selten, später gar nicht mehr, geneigt, in lang- sam-graziösen Bewegungen dahin zu schreiten, er setzte an die Stelle der seit- herigen Menuett das wildUustige Scherzo, im Grunde den alten Passepied. Und so haben wir die klassische Symphonieform noch heute. Mit großer Frejide einerseits und mit einiger Wehmuth andrerseits muss man bemerken, dass durch die Aufnahme der Tänze in die Suitenform und noch später der Menuett in die Symphonie der eigentliche Tanz nicht weiter gekommen ist, wohl aber die instrumentale Kunstmusik, angeregt durch die Tanz- form und gestützt auf dieselbe, einen großen Schritt vorwärts gethan und gewonnen hat. Wenden wir uns nun zur Digitized by Google 264 Tanzmusik des 18. und 19. Jahrhunderts. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts mag die Tanzmusik noch schlecht bestellt gewesen sein. Der Organist A. Werkmeister in Halberstadt nennt um das Jahr 1700 die Spielleute »Bierfiedler, Bocksmerten und Schergeiger« . »Ja man hftlt dafür, dass sie (die Tanzmusik) gar keine Musik wäre.« Es ist recht Schade für den Musikhistoriker, dass die im 18. Jahrhimdert zum Tanz aui^espielten Stücke, ebenso wie die in vorangehender Zeit, so gut wie nicht mehr gekannt sind ; die geschriebenen Notenblätter davon sind längst zerstoben,, und gedruckt wurde solche Bierfiedelmusik nicht. Besonders wünscht man gern alte Dokumente von unserem Nationaltanze, dem deutschen Tanz (Ländler, lang- samer Walzer] , der bei der französisch angehauchten Gesellschaft als plebejisch galt und ebenso von den gelehrten Fugenkomponisten und den italienischen Opem- tand machenden Tonkünstlem als bäuerisch verachtet ward. Aus Baches kunst- vollen kontrapunktischen Tänzen in seinen Suiten kann man sich von der Be- schaffenheit der wirklichen Tanzmusik keine Vorstellung machen. Übrigens waren seine Allemanden im ^^Takt etwas anderes als die wirklichen deutschen Tänse, d. h. die im y^ Takt geschriebenen Ländler, welche am Ende des 18. Jahrhunderts auch mit der Bezeichnung Allemande vorkommen. Nun sind uns zum guten Glücke aus der vor-Mozart*schen Zeit zwei Walzer- Melodien dadurch erhalten, dass man Scherz- und Spottreime ihnen untergel^:t hat. Sie geben uns von der Musikweise im 17. und 18. Jahrhundert ein Bild. Das eine ist das bekannte Liedchen »O du lieber Augustin« (s. MB. 214), das andere der lustige Gesang »'SistmirAlleseins, ob ich Geld hab oder keinsc (s. MB. 215). Hierher gehören auch die Ländlermelodien »Der Hirt von Crumaua und »Der Lipp und der Lenz« (MB. 233. 234). Wir sehen in diesen Proben den alten Walzer aus zwei Theilen, jeden von acht Takten, vor ims. Die drei Tanzschritte sind markirt, eine kurzgegliederte Melodie ist aufgebaut , darin das Motiv fast Takt für Takt wiederholt. Die Harmonie be- schränkt sich auf Tonica und Dominante derselben Tonart ; modulirt ist gar nicht, beide Theile schließen mit dem Grundton. Das ist die allereinfachste, aber voll- kommen genügende alte Form des Walzers. Etwas weiter ging man schon, dass man den zweiten Theil auf der Tonart der Dominante aufbaute und mit Wiederholung des ersten Theils den Abschluss machte. Sehr gut hat diese alte Walzerform C. M. v. Weber im Bauern tanz des Frei- schütz nachgeahmt. Die erhaltenen Walzer von Mozart, noch »deutsche Tänzecc bei ihm. genannt (MB. 238 — 242), veredeln und verändern an der damals bekannten und beliebten knappen Form nur sehr wenig. Manche sind bis zur Dürftigkeit simpel ; andere gestalten sich zu einfach anmuthigen, leicht hingeworfenen Tongebüden. Mozart, der bekanntlich ein leidenschaftlicher und vortrefflicher Tänzer war, ^ wollte sich offenbar der den Tanzlustigen seiner Zeit gewohnten schlichten Schreibweise anschließen und nicht mit einer Fracht gesuchter und quälender Harmonien die leicht geflügelten Kinder Terpsichorens beschweren. Auch verschiedene Contra- O. Jahn, Mozart Hl, 237. Digitized by Google 265 tanze (s. MB. 278] hat Mozart komponirt; eine Partie davon einmal bei einem Prager Kavalier , der ihn zum Diner um eine Stunde früher bestellte , dann in ein Zimmer ihn einschloBs und durch dieses lustige Gewaltmittel dem Meister richtig die gewünschten Tänze abgewann. Bei aller Einfachheit der Melodie und Har- monie sind die Contrat&nze doch reicher, komplicirter, als die Rundtfinze, sie haben schon etwas aristokratisches Ansehen. Ein kleines Curiosum ist der sogenannte »Contratanz mit dem Donnerwetter«, darin die Musik die schreckbaren Er- scheinungen eines Gewitters nachahmen soll. Mozart hat in Salzbui^ noch ein solches Gewitterstück losgelassen ; außer dem Streichquartett ist dabei eine obli- gate Trommel verwendet. Das Mo zart* sehe Orchester, für welches er seine »Deutschen Tänze« in mehreren Partien von je zwölf oder sechs Nummern, seine Ländler, seine Menuette und Contratänze geschrieben hat, bestand aus: zwei Violinen undBass, zwei Flöten (zuweilen auch noch kleine Oktavflöte = Piccolo), zwei Klarinetten, zwei Oboen, zwei Fagotten, zwei Hörnern, zwei Trompeten und Pauken (nur bei einigen statt der Pauken die Trommel oder türkische Musik, d. h. große Trommel, Triangel und Becken) . Wir sehen, es ist das klassische Orchester, welches zu Mozart's und Beethoven' s Zeit für die Sinfonien verwendet wurde und noch wird; nur die Viola fehlt bei Tanzmusik damals überall. Beethoven hat auch verschiedene Tänze geliefert. Es sind: a) für Orchester (von zwei Violinen und Bass ad üb., zwei Flöten und zwei Hörnern) folgende: 12 deutsche Tänze (1795), 12 Menuetten (1795 in Wien aufgeführt), 12Ecos8aisen (1807), 6 Contratänze für Violine und Bass (1804). Für die 6 Walzer mit Coda (1802 erschienen) und die 12 Walzer mit Trio (1808 unter Beethoven' s Namen erschienen) ist Beethoven's Urheberschaft sehr zweifelhaft; b) für Pianoforte mit Violino: 6 Allemanden (deutsche ländlerische Tänze) 1814; c) für Pianoforte solo: 6 Ländlerische Tänze 1802, 7 Ländlerische Tänze 1803, 6 Menuetten, 1 Menuett in Es 1805, ein Walzer in D 1825 und einer in Es 1826, eine Polonaise, der Kaiserin von Russland gewidmet 1814. Schmer- zens- und Hoffnungswalzer 1816. Er war jedenfalls im Fache der Sonate und Sinfonie größer, als in jenem des Ländlers und übrigens für seine Person als schlechter Tänzer berüchtigt. In seinem eigenhändigen Verzeichnis seiner Kompositionen^ das der Sonate op. 106 beigedruckt ist, hat er es der Mühe werth gehalten, diese flüchtigen Produktionen auch mit im Anhange anzuführen. Unter seinen Contratänzen, die 1804 ohne Angabe des Verlags gedruckt erschienen, sind einige nicht ohne Interesse, einmal deswegen, weil der Charakter der modernen Quadrille darin andeutungsweise enthalten ist, dann aber einer (Nr. 2) deshalb , weil darin das berühmte Motiv der Sinfonia eroica als Contratanz dem Originalgetreu verwendet erscheint, so treu, dass sogar die Fermate im zweiten Theil beibehalten ist. Es mag sich lustig ausgenommen haben, wenn eine elegante Ball- gesellschaft^ von dem Haltgebote der Fermate gebannt und von ihr, wie von einem Medusenhaupte versteinert, auf einem Beine (das andere in der Luft) regungslos stehen bleiben musste t Die verschiedenen Partien Ländler, die Beethoven geschrieben hat, sind monoton und langweilig im hohen Grade. Besser und interessant durch ein gewisses edles Pathos sind zwei Walzer, Digitized by Google 266 die man später Schmerz ens- und Hoffnungswalzer^ genannt hat. [Der in manchen Ausgaben zugefügte Sehnsuchtswalzer ist von Franz Schubert.] In dem ersten Jahrzehnt des jetzigen Jahrhunderts verschwanden die Contra- tanze mehr und mehr, um den lebhaftem Ecossaisen Platz zu machen, die große Beliebtheit erlangten. Mehr als alterthümliches Curiosum wurden auch wohl noch Menuette getanzt, besonders wenn sich Tänzerinnen fanden, die das feierliche Schweben, Heben und Senken recht affektirt graziös ausführten oder gar die Umdrehung baUetmäßig auf der Fußspitze zu machen verstanden. Die Musik dazu war meist sehr hübsch, bald pomphaft und pathetisch, mit mächtig durch die Dreiklangsintervalle fortschreitenden Bässen, bald g^müthlich und anmuthig. Die allbekannte Menuett aus Don Juan und aus Beethovens Septuor haben das An- denken an diesen gediegenen Stil von Tanzmusik erhalten. In den Taschenbüchern und Almanachen von 1800 — 1820 finden sich regelmäßig Zeichnungen für die Touren der Contratänze, Ecossaisen und Seizen (Tänze für 16 Personen)^ etc., deren labyrinthische Züge höchstens ein Tanzmeister enträthseln konnte, aber auch Musikbeilagen mit Menuetten, Contratänzen und Walzern , die einen immer reicher , mannigfaltiger und bunter werdenden Tanz- musikstil zeigen. Im Walzer sind damals selten die 3 Schritte durch vor- schlagenden Bass ( ^rv r~ jmarkirt, nur durch die Melodie wird meist der Rhythmus bemerkbar gemacht. Die Harmonie wird immer reicher, sogar viel reicher, als sie später z. B. im Straußischen Walzer erscheint. Der Walzer von Diabelli, über welchen 32 tiefsinnige Variationen zu schreiben sich Beethoven den Spaß gemacht hat, kann uns von dieser Schreibart einen Begriff geben. Manche Walzer jener Zeit (1815 — 1825) , damals noch )>Deutscheff genannt, sind ganz reizend, andere schlössen sich mehr der älteren einfachen Weise an. Meistens machte sich auch in langsamen Walzern eine eigenthümliche Senti- mentalität Luft, durch welche sie als Vorbilder des spätem Sehnsuchts- Walzers vonFranz Schubert (op. 97^ Nr. 2) gelten können. — Der allbekannte, aber mit falschem Titel noch heute zuweilen verkaufte Wehmuths-Walzer von C. G. Reissiger (op. 26, Nr. 5), der schon 1824 im Druck erschien und doch als »letzter Gedanke von C. M. v. Weber« berühmt wurde, bildet so ziemlich den Abschluss dieser s e n tim e n t a 1 e n Dichtung, die ungefähr bis 1 82 6 kultivirt wurde. Der Gipfel von melancholischer Tanzmusik sind die um 1815 veröffentlichten Polonaisen von Oginski, die angeblich der Ausdruck einer unglücklichen Liebe sind, welche den Komponisten zum Selbstmorde trieb (vergl. jedoch S. 215). Nicht zu leugnen ist, dass ihre schwärmerisch trüben Melodien etwas Ergreifendes haben. Sie wurden überall mit gprößtem Antheil gehört, wozu das Werther^ ähnliche Schicksal des Komponisten jedenfalls das Seine beitrug.^ Neben und nach ihr erfreute sich die schwung- und prunkhafte Polo- naise aus L. Spohr*s Faust (1818 in Wien zuerst aufgeführt) großer Berühmtheit, so dass sie noch in den 60 er Jahren bei Bällen gespielt ward, bis die lustige Fünf- malhunderttausend-Teufel-Polonaise von Graben-Hoffmann ihr etwas Konkurrens machte. 1 Neuabdrücke im Salon- Album I (Edition Peters). Tanzproben von Beethovens KompoBition habe ich nicht gegeben, da solche in jedem Musikladen zu haben sind. * Neue Ausgabe von L. Xöhler (Edition Litolff). Digitized by Google 267 Der Walzer spielte damals (1810 — 1825) noch eine ziemlich armliche Rolle. Man begnügte sich nöthigenfalls mit dem simpeln Schleifer von 2X8 Takten, die da capo gespielt wurden. Oder man spielte 2 und 3 zusammenpassende Walzer nacheinander^ um Monotonie zu vermeiden. Bald kamen ganze Walzerketten (Walzerkrftnze) auf, die bis auf die neueste Zeit sich erhalten haben : ein Walzer lOst den andern ab , bis eine glän- zende Coda den Cyklus schließt. Damals gehörten aber nicht 5 Nummern, wie bei Strauß, zu einer Walzer- kette, sondern zw Olf Walzer bildeten die heilige Zahl. Ein wahres Prachtstück liefert Hummel in seinen 1808 zur Eröffnung des Apollosaales in Wien geschriebenen Walzern. Sie dauern, im entsprechenden Tempo gespielt , fast eine halbe Stunde , — Walzer nebst Trio , Nummer 9 sogar mit doppeltem Trio. Die rauschende Coda ist ganz selbständig gehalten. (Das Wiederaufnehmen einzelner frühem Motive zur Coda kam erst später in Übung. ] »Man kann sich (meint Ambros) bei dem heroischen Pomp dieser Coda kaum des Lächelns enthalten : sie klingt fast wie der Schluss von Qlucks Armida. Posthomsolos, Stellen die das Schlachtgetümmel nachahmen und ähnliche damals beliebte Scherze kommen vor , auch Motive aus einem Ballet »Paride ed Elena«, -s gleichsam als erster Anklang der spätem Art, im Theater Gehörtes zum Tanz um- zugestalten. Die Harmonie ist im Ganzen einfach, nur in der Coda zuweilen stark bis zur Effekthascherei. Die Bässe sind selbständig (mehr melodisch] geführt; also noch kein Vorschlagen des Basses und Nachschlagen der Begleitung, wie solches sich erst durchweg bei Schubert und seit Lanner und Strauß allgemein findet. Diese Form und diesen Charakter behielten die solennen 12 fachen Walzer- ketten bis Anfang der zwanziger Jahre. Solche Epen von 12 Gesängen in die Welt zu setzen, verschmähte kein Tonsetzer von Ruf. Sogar von Friedrich Sphneider, dem Weltgerichts - Komponisten sind Tänze gedmckt , die in ihrer Einfachheit höchst ansprechende Züge enthalten , als Tänze aber nicht elektrisirend wirken. Der gute alte Gyrowetz lieferte unter andern Tänzen 24 Allemanden (deutsche Tänze , Walzer) , die wirklich etwas kindlich Heiteres haben und an- regend munter sind. Der als Dorf- und Eirchenkomponist berüchtigte Schiedermeier hat für den »National-Redutensaal zu Linz« 11 Walzer nebst Trio komponirt, die im Linzer Künste und Industriecomptoir 1810 — 1816 erschienen. »Sie haben eine selbständige Einleitung, nicht ganz unähnlich einem Schiedermeierschen Kyrie« behauptet Ambros, der sie gesehen hat. Der Compositeur der Prager vornehmen Welt war Johann Stika, Chorregent der dasigen Theinkirche, der von 1816 — 30 die Welt mit einer Unzahl Walzern, Polonaisen und Galoppen beglückte. Ein Heft Walzer besagt: Six Walzes (sie) avec coda, execut6s h Toccasion de piques — musique que les signeurs ont donn^s ä la salle de bain. 1818. Dieser Mann brachte auch 10 Stücke mit obligatem Posthorn und ähnliche Herrlichkeiten. Selbst der Direktor des Prager Conservatoriums Dionys Weber verschmähte « es nicht , in solch »galantem Stila zu komponiren. Man merkt es heraus : wo ge- lehrte Komponisten sich einmal von gewohnter Höhe herablassen wollen, um populär zu sein, werden sie platt, leer, gemein, bis zur Dürftigkeit einfach. Ambros witzelt darüber so : »Meist machen diese Tänze den Eindruck, den die Xenie bezeichnet: Was ist das Entsetzlichste von allen entsetzlichen Dingen? Ein Pendant, den es juckt, locker und lose zu sein.« Digitized by Google 268 Zu den fruchtbaren Wien-Prager Tanzkomponisten vor 1820 gehört einer, dessen Name schon deshalb nicht auf die Nachwelt kommen konnte, weil er unaus- sprechbar ist : er hieß Krch. Dieser Anton Kr ch hat zahllose Hefte Walzer ver^ Offentlicht, zu 7 — 8 Nummern nebst Coda, welche gedruckt erschienen bei DiabeUi, Haslinger, Arteria, Sauer, Leidersdorf und Weigel. An Verlegern hat es dem Manne also nicht gefehlt l Seine Walzer, unter denen die Aglaja- Walzer recht beliebt und hübsch waren, bilden ein Mittelglied zwischen der filtern kindlich simpeln und der neuen, reichen und glänzenden Manier des Wiener Walzers. In Norddeutschland waren vor der Strauß -Lanner- Periode die Tänze von J. Heinr. Walch (Kapellmeister in Qotha, geb. 1775, f 1855) sehr beliebt, wur- den zum Theil für Klavier gedruckt, aber meist durch Abschrift der Stimmen von Erfurt aus an die Dorforchester in Thüringen verspreitet. Sie sind ohne alle Poesie, ohne musikalischen Werth und längst vergessen. Im Allgemeinen ist der Charakter der Tanzkompositionen von 1800 — 1825 eine gewisse solide Schwerfälligkeit, peinliche Philisterhaftigkeit und schulmeister- liche Pedanterie. Eng an Form und arm an tanzlustmachendem Inhalt. Waren sie von Stadtpfeifem der Provinzialen zum eignen Bedarf geschrieben und zum Glück nicht gedruckt, so schmeckten sie nach Tanzkneipe. Sind ihre Verfasser dagegen Männer, die in Generalbass und Kontrapunkt befangen waren, so sind die Tänze zwar satzrein, aber trocken und klingen zumeist wie von einem Dorforganisten zu einer Kollegenhochzeit gesetzt. Man merkt die Absicht, lustig sein zu wollen; aber der Geist, der allein lebendig macht, der frische fröhliche Tanzgeist fehlt diesen knappen dürftigen Tanzproduktionen. Das Tempo der Tänze war bis zu Weber^Strauß ein sehr gemäßigtes, wie ältere Herren, die vordem mitgetanzt haben , mir wiederholt versicherten und in Zeitschriften und Büchern sattsam ausgesprochen worden ist. Da klang wie ein Jubelton , hell und heiter , in die Welt der schwerfälligen und langweiligen Tänze hinein C. M. v. Weber*8 Walzer »Die Aufforderung zumTanzea, um 1820 für Pianoforte komponirt, später von Berlioz durch rei- zende Instrumentation zu einem brillanten Orchesterstück umgestaltet.^ »Was der deutsche Tanz Poetisches, Bitterliches, Zärtliches, Anmuthiges haben mag. Alles ist in diesen lieblichen Melodien Weber' s ausgedrückt: vom unschuldig koketten Spiele, vom anmuthigen Wiegen bis zum Aufbrausen bacchantischer Lust, die aber sogleich sich sittig mildert und mäßigt ; vom lieblichen Necken bis zum zärtlichen Wort der Liebe ist Alles darin , das Einzelne immer wieder gebunden durch den frischen Jubelton des ersten Motivs.« Wie sinnig und schön ist die Andante-Ein- leitung 1 Wir sehen darin gleichsam den Tänzer ruhig suchend , wählend zur Begehrten hinschreiten, seine Verbeugung machen und vernehmen die freundlich bejahende Ant- wort der Tänzerin und schauen sie Beide Arm in Arm ziun Antritt des wonnigen Walzers durch den Saal wandeln. Was soll aber diese ruhige Einleitungsmusik nochmals am Schluss des Walzers? Sie will jetzt sagen, dass mit dem letzten Walzer-Pas der Tanz noch nicht aus ist, sondern der Herr seine Dame nach ihrem Platz zurück zu geleiten und mit Beverenz seinen Dank ihr abzustatten hat. Zu dieser Rückzugs-Scene will jetzt die Einleitungsmusik dienen. — Das Leben ein Tanz und im Tanze ein Leben I Ein wahres Lebensbild bringt uns Weber' s genannter ^ Walzer. Hätte ich zu viel darin gefunden, gar ein Programm herausgedeutet, so \ Wenn sie gar durch allerhand »Zusätze« der Virtuos C. Tausigzum Koncertgebrauch zugerichtet hat, so ist diese Pietätlosigkeit zugleich eine Art Wiedervergeltung fQr Weber, der in seiner Jugend S. Bach's »verbesserte« Chorfile herausgab. Digitized by Google 269 muBS ich allerdings bekennen, dass ieh in diesem Stück der Weber' sehen Muse des Poetischen mehr finde, als in hundert nach-Schumann' sehen Charakterstücken. Und wäre es denn nicht so , wftre es nur eitel Traum, da die Musik nach B. Hanslick nur ein Spiel klingender Formen , ohne Inhalt ist : nun so ist Weber's Musik wenigstens doch noch ein Stück gesunder Musik, nicht angekränkelt von Reflexionen , Afterkunst und anderen schädigenden Einflüssen. Übrigens ist die wundersam schöne Einleitung zu Weber's »Aufforderung« der Zeit und dem Range nach die erste Walzereinleitung. Gegen sie fallen alle spätem, mit Geistesarmuth oder hohlem Pathos auf gesteiften, prätentiösen Walzer- Introduktionen gewaltig ab. Nach Weber's Zeit (nach 1820) kommt allgemach mehr Leben und Schwung in die Walzer. Einen guten Überblick gewährt eine unter dem Titel »Cameyala 1823 bei Leidersdorf in Wien herausgekommene Tanzsammlung; darin haben außer Leidersdorf noch C. Czemy, H. Payer, P. Pixis, Schoberlechner, Preisinger, Pensei, Worischek beigesteuert ; auch Franz Schubert hat darin einen Walzer ge- liefert, der sich unter den übrigen Walzern abhebt, gleichsam (nach Ambros' Ver- gleich) wie sich ein vereinzelter Edelfasan in dem durcheinander gackernden Hüh- nerhof ausnimmt. Im Ganzen herrscht unter besagten Tänzen noch der bequem wiegende Ländlercharakter Tor, mit Ausnahme des Schubert' sehen Stückes mit seinen verwegenen Rhythmen und der Czerny' sehen Tänze, dem Bravourwalzer der spätem Zeit vordeutend. Zu einer eigenthümlichen poetischen Gattung von Walzem hat es der geniale Franz Schubert gebracht. Er, der Sohn des Volkes, wusste für die heitere Lebenslust seiner Wiener Landsleute den rechten, aber doch veredelten Ton zu finden. In manchen seiner Walzermelodien spricht sich zwar trübste Melancholie und innige Sehnsucht in ergreifender Weise aus. Sein sogenannnter Sehn such ts - Walzer ist höchst berühmt und sogar für Beethoven' s Komposition ausgegeben worden , obgleich er in Schubert's deutschen Tänzen op. 97 als Nr. 2 steht. Hier wie überall in seinen Liedern zeigt sich der romantische Tonmaler. Dem Sehnsuchts- walzer hat man später folgenden Text untergelegt : O süße Himmelslust Aber was gleicht dem Schmerz, Bebt durch die trunkne Brust, Der dann durchzuckt mein Herz, Bin ich bei dir, bei dir, Bist du, o schönster Stem, Lächelst du mir« Bist du mir fem. etc. Am poesiereichsten und anmuthigsten sind seine Walzer op. 33. Wo Schu- bert dagegen als echtes Wiener Kind jubelt oder harmlos aber herzlich lacht, ist er der unmittelbare Vorgänger des wenig später auftretenden Job. Strauß, dessen Tanzweisen im sinnlichen Reiz wohl an Schubert heranreichen, ihn auch übertreffen mögen, aber mit dem musikalisch-poetischen Gehalt der Schubert' sehen Kompo- sitionen sich gar nicht messen dürfen. Bemerkt sei noch, dass schon bei Schubert im Walzer sich die später allge- mein angewandte Begleitungsform findet, die im Vorschlagen des Basses und Nachschlagen zweier Accorde besteht und zur Markirung der Tanzschritte jedenfalls die geeignetste ist.^ 1 Sämmtliche Tänze Sohubert'B sind in billigen Neuausgaben Breitkopf & Härteis, VolkBausgabe sowie in Peters' und Litolffs E^tion zu haben. Digitized by Google 270 Erst mit Johann Strauß (Vater) begann das goldne Zeitalter des Wiener Walzers. Alte Ecossaiseni Polonaisen, Fran9aisen, Alles verschwand vor der Zauberwirkung des Wiener Walzers oder des noch stünnischem Galopps, der um gleiche Zeit (1825) in Norddeutschland aufgekommen war. Es herrschte in allen Tanzsfilen ein Wirbelsystem. Tänzer und Tänzerinnen Sprangen so hoch und drehten sich geschwind, Dass sie von eigener Gluth wie Schnee am Thauwind schmolzen, Und jedes zappelnde Herz bis an die Kehle schlug.« Dieser beliebteste deutsche Tanzkomponist, dem bis jetzt nur sein gleich- namiger Sohn ernstlich Konkurrenz machte^ wurde am 14. März 1804 in Wien geboren. Er war der Sohn des Inhabers eines Bier- und Tanzlokals und wuchs in musikalischer Beziehung ziemlich wild auf. Gleichwohl war er 1819 fähig, als Bratschist in das Quartett von Jos. Lanner einzutreten. Als dieser seine Tanz- kapelle vergrößerte, wurde Joh. Strauß Hilfsdirigent und machte sich 1825 selb- ständig, indem er seine eigene Tanzkapelle gründete. Jetzt trat er auch mit seinen eigenen Walzern hervor und ward bald der Held des Tages. Seine ersten Walzer erschienen 1827 unter dem echt Wienerischen Titel »Täuberl-Walzer, op. 1.« Bald folgen die Döblinger Reunionswalzer op. 2 , die Wiener Camevals- Walzer op. 3, die Kettenbrücken- Walzer op. 4, und so folgte eine lange Reihe von Tänzen, bis die letzten Walzer »die Friedensboten op. 241« und als letztes Werk die Exeter^ Polka op. 249 den Abschluss machte. Er brachte es soweit, dass er ein vorzüglich geschultes Orchester von starker Besetzung unterhalten konnte, und machte vom Jahre 1833 ab mit demselben auch Koncertausflüge nach dem übrigen Österreich, seit 1837 aber unternahm er Koncert- reisen nach Paris, London u. s. w. Von seiner amtlichen Stellung sei bemerkt, dass er 1 834 die Kapellmeisterstelle eines Bürgerregiments überkam und 1835 die Musik der Hofbälle ihm übertragen wurde ; als Hofballmusikdirektor wirkte er bis an sein Ende. Zu den besten Walzern von Strauß gehören die Hofballtänze (op. 51), die Charmantwalzer, »das Leben ein Tanz« voll Wogens und Wiegens , «der schönste Tag in Baden« (op. 58), die Alexandra- Walzer (op. 56), sämmtlich um 1832 ver- öffentlicht. Von spätem Walzern mögen als sehr beliebt genannt sein: die Gabri- elen-, Taglioni-, Victoria-, Cäcilien-Walzer, Mephisto's Höllenrufe, Elektrische Funken und Bajaderen- Walzer. Strauß hatte das Glück , dass seine Phantasie ihm bis zu seinem Lebensende treu blieb, seine spätem Arbeiten fallen nicht etwa ab , sondern bieten noch rei- zende Züge. Das Füllhorn seiner Melodien war wirklich unerschöpflich ; gerade hierin zeigt sich seine Originalität und es ist ein Zeichen von Kraft und Talent, dass weder die italienische Oper der damals in Wien fanatbch aufgenommenen Bellini-Donizetti-Richtung , noch die Sentimentalität der Proch' sehen Liebeslieder auf ihn irgend welchen Einfluss übten. Zwar hat er die Unart, fremde Motive, besonders Opernmelodien zu Tänzen zu verarbeiten, nicht erfunden, ^ aber doch zumeist in Schwung gebracht. Zu seinen frühesten Walzern über Opemmotive gehören Zampa- Walzer (nach Herold), Bajaderen-Walzer und Robert- Walzer (nach Auber's Robert der Teufel). Als er in seine Cäcilienwalzer (op. 120) das Motiv der Variationen aus Beethoven's 1 Schon vorher gab es von Diabelli »Alpenkönig«- xmd » Millionär ct-Walzer. Auch hatte ein gewisser Raez schon Motive aus Auber's »Stumme von Portio!« und »Fra Diavolo« verwalzt. Digitized by Google 271 Sonate op. 47 (KreutEer--Soxiate) nahm, nannte er auf dem Titel nicht Beethoven, sondern Beriot, der sein Tremolo bekanntlich auf dasselbe Thema gebaut hat. Nach seinem Vorbilde sind fast alle melodischen Opemsätze zu Walzern, Galopps und Quadrillen umgemünzt oder, richtiger gesagt, bloß zusammengesetzt worden; denn Opern wie z. B. Martha oder Stradella von Flotow und Aubers Opern sind für Quadrillen-Arrangeure ein Schlaraffenland, wo die Hasen schon ge- braten umherlaufen und die gebratenen Tauben von selbst in den Mund fliegen. Als Strauß auf der Höhe seines Buhmes stand, bringt die launische Qebieterin Mode (um 1839) die lange vergessen gewesene Qua drille -Fr an9aise wieder zu Tage. Strauß weiß darein sich trefflich zu finden, seine Quadrillen stehen seinen Walzern nicht nach. (Seine ersten Wiener Camevalsquadrillen tragen die Opus- zahl 124.) Ihr Charakter ist, wie es der vornehmen Quadrille, dem Tanze des feinen Salons ziemt, auch vornehm und prächtig, dabei heiter und anmuthig. Während die französische Quadrillenmusik mehr an die schlichte Weise des altem Contretanzes erinnert, hat Strauß aus den 6 Nummern eben so viel Charakter- stücke gemacht, so dass zwischen Nr. 1, 3 und 6 imd zwischen 2, 4 und 5 eine gewisse Verwandtschaft herausklingt : jene sind rauschender und glänzender, diese einfacher ; jene haben breitere Melodie, diese sind aus kurzen raschen Melodie- figuren zusammengesetzt. Die Straußischen Quadrillen wurden nach Auffassung und Charakter das Vor- büd zu zahllosen andern, die nachher den Musikmarkt überschwemmten. Ein anderer Tanz fing um 1837 an, die Runde durch die tanzende Welt zu machen : die Polka. Strauß hat auch dergleichen geliefert, es war aber sein Fach nicht, wie auch seinen Qalopps die rechte Verve fehlt. Auf diesem Gebiete haben ihn ohne Frage Qungl, Labitzky, Lumbye u. A. übertroffen. Nicht unerwähnt bleibe, dass Strauß zuerst die eigenen Titel für Tanz- kompositionen allgemein eingeführt hat.^ Es ist das kein artistisches Ver- dienst, sondern höchstens eine geschäftliche Erleichterung und nebenbei eine harm- lose Spielerei zu nennen. Im Qrunde bedeuten doch alle diese Titel nicht mehr, als wenn man ein Schiff zur Unterscheidung von andern »Sirenea, vDelphina etc. heißt, oder wie man zu gleichem Zwecke die Straßen benamst. Es ist schwer, Opuszahlen zu merken, viel eher behält man einen hübschen, frappanten Namen. Wohlgemuth begehrt das Fräulein im Musikladen den »Tausend- sapperments-Walzer« oder den «Vortänzercr von Strauß, während sie gewiss dreimal im Notizbuch nachsehen müsste, dass es op. 61 und op. 169 sind. In neuester Zeit ist freilich die Wahl der Tanztitel bis zur Absurdität ausgeartet. Als verdienstlich kann man es Strauß anrechnen, dass er die Tanz weise des Volkes in die Säle der Vornehmen einzuführen wusste, und wiederum die Tanzböden der Vorstädte durch aristokratische Me- lodien veredelte. Strauß geberdete sich weniger als Volkskomponist, obwohl er noch zuweilen die schlichte Volksweise in seinen Walzern durchblicken lässt, sondern mehr als Komponist der hohem Qesellschaf t ; wirklich hat er Hofballtänze (op. 51) und Haute- Vol6e-Quadrillen (op. 142) komponirt, in denen Alles gleich- sam funkelt und strahlt von Ordenssternen und Brillanten, Perlen und schönen Augen der Comtessen. Dieser aristokratische Zug in seinen Tänzen war nicht bloß für seinen Ruhm und seine Kasse, sondern überhaupt für den deutschen * Übrigens waren die Tanztitel von Strauß nichts Neues, denn allerhand Namen für Tänze gab es schon im 16. Jahrhundert und schon zu Neidhart's Zeit, wie wir oben S. 248 gesehen haben. Digitized by Google 272 Tanz Ton Qewinn: mit Strauß TTurde der deutsche Tanz (Walzer) eigentlich erst courfeihig und dadurch ist der Hang zu französischen Tänzen seitdem etwas zurückgedrängt worden. Bei Beurtheilung der Tanzkompositionen von Strauß dürfen wir uns nicht von übertriebenem Lobe der tanzlustigen Jugend, noch vom unterschätzenden Urtheil der Musiktheoretiker , der Qriesgrämler und vomehmthuender Grübler der Schu- mann' sehen Richtung irre leiten lassen. Ein Walzer von Strauß ist in seiner Art ebensogut ein Kunstwerk, wie eine Sonate und Sinfonie in ihrer Art. Reicht er an den Stil der Klassiker nicht heran , so würden umgekehrt die Ellassiker , Bach und Beethoven nicht vermocht haben , einen Straußischen Walzer zu schreiben. Eine Fülle von Phantasie, frischer und lebensprudelnder Melodie, von geist- vollen pikanten Zügen lebt darin. Der frühere , einförmig fortleiernde Walzer ist hier zu einem hübschen Charakterstück geworden: Fröhliches und Behagliches, Zärtliches und Sentimentales, Derbes und Komisches , Wehmüthiges und Aus- gelassenes gaukelt in bunter Abwechslung vorüber. Bewundemswerth ist die Art, wie er den sehr einförmigen Walz er -Rhythmus, ohne ihn zu verwischen, durch geschickte Anordnung der Melodie zu vermannigfaltigen weiß. Bald ziehen drei gleiche Viertel oder das erste punktirt im Takte ruhig vorüber, bald wechseln einige Achtelnoten oder eine Halbnote mit Vierteln ab, bald schlagen einzelne Töne pizzicato das erste Viertel an, dagegen haben andere Instrumente gebundene Ton- folgen ; hier blitzt auf einem schlechten Takttheil ein Triller auf, dort stürzen krause Figuren sich in die Tiefe; hier tönt getragener Gesang, dort wird mit nach- schlagenden Noten oder mit einer Auftaktnote, der nichts weiter folgt, ein necki- sches Spiel getrieben. Die Melodie wird meist so innig anschmiegend mit Terzen imd Sexten begleitet, oder gar einmal in den Bass gelegt^ oder es werden zwei Melodien wie Frage und Antwort zwischen Streich- und Blasinstrumenten durch- geführt. Eine brillante Instrumentirung thut zur Wirkung das Ihre. Sie ist voU und stark, denn sie muss ja die weiten Tanzsäle durchdringen und nebenbei das Geräusch der Tanzenden und Schwätzer übertönen ; aber in ihrer Art durch Vorherrschen der Streichinstrumente, wenig Blech- neben einigen Holzblasinstru- menten, ist sie doch immer noch klassisch zu nennen gegen die barbarische Blech- musik der Militärmusikchöre. Zum Instrumentiren hatte Strauß eine besondere Be- gabung, Manches mochte er auch wohl seinen Vorgängern oder dem italienischen Opernorchester abgelernt haben, das Beste that seine Phantasie und sein Geschmack. Wenn Strauß (sen.) in der Melodie und Rhythmik sich genial und erfindungs- reich zeigt, so ist dagegen die Harmonie nicht seine Sache. Sie ist im Ganzen rein und bescheiden. Nur was er zur Belebung des Tanzes, zur leichten Schattixung seiner Melodien braucht, das weiß er gut zu handhaben; weiter hinaus geht er nicht. Diese absichtliche harmonische Entsagung (keinesfalls wohl Ungeschick, denn Accorde und Moduliren lassen sich von jedem Phantasielosen lernen] war für seine Walzer jedenfalls ein Glück; wie jeder Tanzkomponist konnte er keine zu reichhaltige Accordunterlage brauchen, wenn darüber allerhand Melodien, mit Sexten und Terzen begleitet, aufgebaut werden sollten. Harmonische Überladung, die musikalische Hauptkrankheit der Gegenwart und besonders der Deutschen, lässt eben keine freie, gesunde, ansprechende Melodie aufkommen. Geht hin und lernet I Strauß wurde bei Lebzeiten schon in aller Welt als Meister und Schöpfer des modernen Walzers gefeiert, sein Ruhm, zumal nach seinen Reisen, ging über Land und Meer^ bald bis zu den Sternen. Für Wien wurde er die zehnte Muse, oder vielmehr er galt mehr als alle neun Musen zusammen, er war der Musengott^ Digitized by Google 273 der »Wiener Apollo«, statt der Lyra mit der Geige in der Hand. Ja dieser schmächtige Mann mit dem sonderbar geformten, fast viereckigen Schädel nnd negerartigen Gesichtszügen, konnte Alles bezaubern, wenn er mit seiner Geige vor sein wohlgeübtes Orchester trat, bald mit dem Bogen wie mit dem Feldhermstab gebietende Winke gab, bald selbst mitspielend, nnd siegreich zuletzt mit eineih Solo aus den Tonmassen hervortrat. Alle sahen aus seinen Bewegungen und Grimassen, wie ihm seine eignen Melodien in allen Gliedern zuckten. Mit Strauß ging ein Stück Wiener Lebens zu Grabe. Und bei seinem Leichen- begängnisse welch ein Pomp mit Eröffnung des großen Hauptthores von St. Ste- phan etc. Nicht mit Unrecht hat man es den Wienern bitter vorgerückt, dass Mozart unbegleitet in die große Commungrube der Armen begraben wurde , während der Walzergeiger gleich einem Helden und Vaterlandsretter im Tode noch gefeiert ward. Doch heißt es Mozart^s Genius beleidigen, hier eine Parallele ziehen zu wollen. Wer dem Vergnügen des Augenblicks gedient, dem flicht die Nachwelt keine Kränze. Schon jetzt sind die süßen Weisen des altem Strauß so ziemlich vergessen und was sind alle die augenblicklichen Huldigungen der sinnentaumelnden Menge gegen das unsterbliche Fortleben und Fortwirken der Geistes werke eines Mozart? Nichts. Neben Strauß, nur einige Jahre früher, lebte und wirkte in Wien der eben- falls berühmte Tanzkomponist Joseph Lanner, geb. 1801 zu Wien, gestorben zu OberdAbling bei Wien 1843. Autodidakt im Violinspiel und der Komposition, begann er seine Carri^re als erster Violinist und Dirigent eines lAebhaber-Quar- tetts, mit Joh. Strauß als Bratschist 1819. Er arrangirte für sein Quartett erst Opern-Potpourris und komponirte Tänze, bis dasselbe steh zu einem vollständigen Orchester erweiterte, das beld ein außergewöhnlicher Magnet für das Wiener Publi- kum wurde, und Lanners Walzer, Polkas und Ländler wurden bald populär in ganz Deutschland. Seine KunsÜeistungen konnten durch den mächtigen Rival Strauß nicht ver- dunkelt werden. Kamen die Wiener zuweilen in Zweifel , wer von Beiden größer sei, so waren sie doch bald so gescheidt und genossen das Schöne von beiden Walzerheroen. Man vergötterte Beide, die als Doppelgestim am Wiener Horizonte glänzten. Man darf es den Wienern nicht übelnehmen, dass sie an Lanner und Strauß ihre Freude hatten, aber dass sie an ihnen zu viel Freude hatten, war nicht recht. Die Wiener , nachdem sie jahrelang mit großer Fassung den Besitz Beethoven's und Schuberts »ertragene hatten, geberdeten sich beim Erscheinen ihrer Walzerkönige fast wie einst das Volk von Lystra , das da schrie : »Götter in Menschengestalt sind herabgekommen zu unsU Man kann mit Ambros sagen, dass die Wiener Lebenslust in jenen Jahren (1825 — 1848) sich zu einer sybaritischen Selbstvergessenheit steigerte. Strauß-Lanner's Walzer, Nestroy's Possen, italienische Opern von Rossini, Bellini und Donizetti, daneben Bäuerle's Theaterzeitung — das war, was damals das specifische Wienerthum kennzeichnete. »Der vollste Ausdruck jener überschäumenden Lebenslust lebt nur in den Tanzweisen von Strauß. Etwas gehaltener, solider sind jene des Lanner , der im jubilirenden Walzer seinen Rivalen nicht erreichte , dafür aber die treuherzige Volksweise des Ländlers besser und wirklich vortrefflich zu behandeln verstand. Aus seinen steyrischen Tänzen weht es uns an , wie der kräftige , würzige Hauch Böhme, Oesch. d. Tanzes. ] 3 Digitized by Google 274 der Bteyrischen Oebkgsw&lder.c So urtheiltAmbros und man darf ihm beistimmen. Lanner war mehr melodisch-schmelzend, weich und sentimental, Strauß dagegen feurig, stürmisch erobernd. Vergessen wir nicht, dass Lanner eigentlich es ist, der den Wiener Walser geschaffen und besonders durch kühne Rhythmen (Synkopen) und auch har- monisch bereichert hat. Strauß trat in dessen Fußstapfen. Vor Lanner bestand, wie wir oben sahen, der Walzer nur aus einem kurzen Tanzstück mit wenig Reprisen und einem Trio, oder aus einer Kette von 12 meist langweiligen Tftnzen. Die fünftheilige Walzerkette mit Einleitung und Coda ist sein Werk. Auch die glänzende Instrumention hat er, der eher damit hervortrat, nicht von Strauß erlernt Seine schönsten Walzer, die meist noch jetzt zum Ball wie in Qartenkoncerten gespielt werden, sind »Abendsternecc, »Hoffnungsstrahlenc, »Ein Tag in Baden« und »SchOnbrunner Walzerc. Wenig später, aber noch gleichzeitig mit Lanner und Strauß wirkte als bedeutender und sehr beliebter Tanzkomponist Joseph Qungl, geboren 1810 in Ungarn, früher österreichischer Militärmusikdirektor, seit 1843 mit eigener Kapelle auf Kunstreisen, 1858 in Brunn Militärmusikmeister, 1864 in München, später privatisirend in Frankfurt a. M. und seit 1882 in Bremen lebend. Als geborener Österreicher schrieb er vortreffliche Walzer und steyrische Ländler, aber auch feurige Qalopps und gute Märsche. Seine Tänze und Märsche genießen neben denen von Lanner und Strauß die größte Popularität. Es findet sich darin viel Schätzenswerthes und Gelungenes. In seiner Walzerkette »Träume auf dem Oceana spielt etwas von den romantischen Ouvertüren Mendelssohn' s hinein. Gleichzeitig war für Ausbildung der Tanzmusik Joseph Labitzky (1802 bis 1881) in Karlsbad mit seiner Kapelle von Bedeutung. Der jung verstorbene Wiener Tanzkomponist Wilhelm Fahrbach (1838 bis 1866) war mit seinen Tänzen und seiner Kapelle für Unterhaltungsmusik eben- falls eine Zeit lang beliebt. Ebenso war der Hamburger Kapellmeister August Canthal (geb. 1804) in den Jahren 1830 — 50 namhaft, jedoch bald vergessen. Nach Strauß-Lanners Zeit ist aber kein Tanzkomponist so beliebt und be- rühmt geworden, als der älteste Sohn des Wiener Walzerkönigs Johann Strauß (Sohn), der seines Vaters Kunst nicht nur erreicht, sondern übertroffen hat und noch in der Gegenwart die Tanzsalons und Koncertsäle mit seinen Walzern be- herrscht. Geboren 1825 in Wien, begründete er 1844 sein eigenes Orchester neben dem seines Vaters, übernahm aber nach dessen Tode des Vaters Kapelle, deren Leistungsfähigkeit er noch erheblich steigerte. Mit ihr führte er das Reisesystem im ausgedehntesten Maße durch, er zog nicht nur in Österreichs Hauptstädten umher, sondern wurde ein immer gern gesehener Gast in Petersburg, Berlin, London, Paris und in Amerika. Nach seiner Verheirathung 1863 übergab er die Tanzkapelle seinen Brüdern Joseph und Eduard, von denen nur der letztere noch lebt, dirigirt, kom- ponirt und reist. Joh. Strauß widmete sich seitdem der Komposition, zunächst mit größtem Er- folg der Tanzmusik und seit 1 5 Jahren der Operetten-Komposition, und hatte in letzterem Fache eben so enormes Glück, wie in seiner Wahsermusik, hauptsächlich darum, weil seine Operetten mit Tänzen reich ausgestattet sind, die dann wieder aus dem Theater in die Koncert- und Tanzsäle Europas wandern. Von seinen Walzern sind die hübschesten und beliebtesten : »An der schönen blauen Donau« (geradezu zur Wiener Volksmelodie geworden ) , t K u n s t - leben«, »Morgenblätter«, »Geschichten aus dem Wiener Wald«, »Wie- Digitized by Google 275 ner Blut«, »Liebe, Lied und Weine, »Bei uns zu Haus«, »Nur fax Natur« aus dem »Lustigen Krieg« 1882. Einiger Beliebtheit erfreuen sich auch manche Tänze eines schlesischen Korn- ponisten in neuester Zeit, besonders durch schöne Bilder-Titel auf den Klavier- auszügen: es ist Karl Faust (geboren 1825), der mehrfache Anstellung als Militftrmusikmeister hatte, dann seit 1875 als Stadtmusikdirektor mit seiner Kon- certkapelle in Waidenburg wirkt und über 200 Tftnze und Märsche geschrieben hat. Die ausländischen Tanzcompositeurs Musard (1792 — 1859], der französische Strauß, und der dänische Kapellmeister Lumbye (1808 — 1874] mögen hier beiläufig genannt werden , weil des letztem Walzer und Galopps auch in Deutsch- land viel gespielt wurden. In allerneuester Zeit sind Tänze von zwei Wiener Operetten-Komponisten Franz von Supp6 und Karl Millöcker neben den Strauß* sehen viel gehört. Sie sind ansprechend, leicht und prickelnd. Wiederholen wir aus der Tanzmusikgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts kurz das Wesentliche : Allgemach und gleichen Schrittes mit der Vervollkommnung der Tonkunst überhaupt geht es auch mit der Tanzmusik vorwärts. Nachdem mit Bach der Kontrapunkt seinen höchsten und letzten Gipfel erreicht und die Homophonie durch Haydn, Mozart und Beethoven in ihre Rechte getreten, kommt auch das Musika- lische des Tanzes mehr zur Geltung. Die Tanzstücke bekommen eine erweiterte Form, ihre Melodik, nicht durch Stimmengewirr verdeckt, tritt hervor und wird reizender, was namentlich an den geschmackvollen Menuett -Kompositionen unserer Meister und hundert anderer Komponisten zu Tage tritt. Die später kom- menden Englischen Tänze (Country-danoes) , aus denen die Quadrillen her- vorgehen, waren im Tempo lebhaft, in ihrer Musik aber sehr einförmig. Hübschere Melodien bringen die am Ende des 18. Jahrhunderts immermehr beliebt werdenden Ländler und Dreher, die dann Wiener Walzer heißen, deren Weiterbildung im folgenden Jahrhunderte fortgesetzt wird. Das 19. Jahrhundert benutzte zunächt die aus dem 18. überkommenen Tanz- musikstücke, die noch ärmlich und knapp, oft nur aus einem langweilig fortge- führten Motiv über Tonica und Dominante aufgebaut waren und meist nur einen Umfang von 2 mal 8 Takten hatten. An Stelle der alten kurzen Tänze setzte man etwas längere mit Trio. Dabei geschah es auch , dass die Tänze nicht bloß länger an Umfang wurden^ sondern auch die alten Tänze im langsamen Tempo aus der Mode kamen und raschere an deren Stelle traten. Einen völligen Umschwung erfährt die Tanzmusik durch die beiden gleich- zeitigen Schöpfer der modernen Tanzmusik, Lanner und Strauß, um 1825 — 50. Die Tänze wurden an Form erweitert, melodisch und rhythmisch reizender und schwunghafter, auch in der Harmonie bereichert und durch glanzvolle Instrumen- tation berückend und bezaubernd. Durch Lanner und Strauß ist die Tanzmusik klassisch und nach dieser Periode nicht übertroffen worden. Die Tanzmusik wird von ihren vornehmen Schwestern (der Kirchen-, Theater- und Koncertmusik) so ziemlich als Aschenbrödel angesehen, und doch gleich dieser, die durch anmuthigen Tanz die Gunst und Hand eines Prinzen sich zu ver- schaffen wusste, hat sie das Glück, Beherrscherin eines weiten Reichs und zahl- 18* Digitized by Google 276 reicher, treu ergebener Vasallen zu sein. Wer davon sich überzeugen will, der mustere doch einmal die auf den Klavieren der Dilettanten liegenden Stöße von Musikalien, und er wird unter zehn Fällen neunmal mehr Tänze als andere Musik finden. Oder er gehe an einem schOnen Sommerabend durch die Straßen einer größeren Stadt und er ¥rird aus offenen Fenstern hören, wie auf verstimmten Kla- vieren neben Fingerübungen da und dort eine Sonate, zumeist aber Tänze aufge- spielt werden. Darum wolle man den Ein flu ss dieser künstlerisch untergeordneten Musik- gattung, die einer so großen Beliebtheit und allgemeinen Verbreitung sich erfreut, ja nicht zu gering anschlagen : ihre Einwirkung auf das Kunstleben der Gegenwart ist bedeutend und das bessere Musikwesen schädigend. Zu dem nachtheiligen Einfluß der überwuchernden Tanzmusik gehört, dass viele Tanzspieler durch den ewigen Genuss kleiner lustiger Tonbilder von 8 oder 16 Takten die Lust und Aufmerksamkeit für größere Musikformen, z. B. für eine viersätzige Sonate, verloren haben. Wer mit Bonbons den Appetit sich verdirbt, mag nicht gern zu einem ordentlichen und kräftigenden Mittagsessen sich setzen, sondern will höchstens nur wieder (und zwar der Ab- wechslung halber) andere Bonbons naschen. Daher bei der großen Nachfrage des Publikums auf dem Notenmarkte die Überfülle an musikalischen Bonbons, — das sind die Tanzkompositionen und Salonsächelchen. Der bessere Komponist, der nicht solchen Thorheiten, sondern mehr seiner Kunst dient, mag nun sehen, wie dieser Flor von Schmarotzergewächsen die edlem Pflanzen gar nicht aufkommen lässt oder sie mit seiner Überfülle verdeckt. Die schönste Sonate, das meister- liche Streichquartett müssen jahrelang im Pulte liegen, wenn der Komponist es nicht auf eigene Kosten zu publiciren vermag. Auch auf den Geschmack für Opernmusik hat das weitverbreitete Tanz- unwesen seinen Einfluss ausgeübt. Auch von der Opembühne herab will man die gewohnten, prägnanten, lebhaften Rhythmen hören. Was viele Leute Melodie und melodische Oper nennen, ist eigentlich das Vorwalten der Tanzrhythmen. Und was haben die Operetten-Komponisten Supp6, Job. Strauß (Sohn) und Millöcker gethan? Sie haben ihren Operetten-Melodien gleich den Tanzzuschnitt gegeben, haben Tänze mit untergelegtem Texte aneinander gereiht. Seit einem halben Jahrhunderte ist das Tanz-Komponirenso in Verruf gekommen, dass wahrhaft große Tonmeister sich nicht herbeilassen, Tänze für das größere Publikum oder gar für den Tanzboden zu schreiben. Früher war das anders. Wir sehen noch Händel vielen Fleiß auf Allemanden und Giguen ver- wenden und selbst Parademärsche schreiben. Der strenge Bach arbeitet nach seiner kontrapunktischen Schreibart Sarabanden und Couranten aus. Mozart schrieb Menuetten und deutsche Tänze (Walzer) in großer Zahl zum Gebrauch für Tanzorchester, verwendet aber auch seine schaffende Kraft auf die Menuetts in Sonaten und Sinfonien, wie solches vor ihm schon Haydn mit großer Liebe ge- than. Selbst der die Menuettform erweiternde Beethoven schrieb noch Menuetts und schenkte dem alter Walzer (deutschen Tanz) noch einige Aufmerksamkeit. Und welche reizenden Märsche und Tänze komponirte Franz Schubert und noch C. M. V. Weber, der sie, mit Ausnahme der Aufforderung zum Tanze, in seinen Opern verwendet! Jetzt aber schämen sich schaffende Tonkünstler der Tanzkomposition. Sie schreiben lieber Sinfonien, die Niemand zu hören bekommt, Koncertstücke für Finger- und Halskünstler, bei deren Anhören einem angst und bange wird, oder Rhapsodien (d.h. musikalische Ungeheuer mit Extravaganzen) und musikalische Digitized by Google 277 Wasserauppen unter dem Titel Paraphrasen, oder sie vermehren die Millionen Lieder, die Niemand singt. DWie banal!« so rufen sie aus, wenn irgend ein KhythmuB nicht verbunden und verrenkt (in der Kunstsprache »synkopirt«) genug auftritt, sondern in seinem Flügelschlage noch an den Tanz gemahnt. Weil die Komponisten dem heitern Genre der Tanzmusik gar zu sehr aus dem Wege gehen, sind sie auch nicht im Stande, eine ansprechende Operette zu schreiben, dazu sind sie zu gelehrt, d. h. von aller gesunden Melodie ganz abgekommen, die nur am Tanz und Marsche zu erlernen ist. Am Ende freilich vermögen die meisten Kom- ponisten gar keinen flotten Tanz zu schreiben, der durch rhythmisch-pikante und doch fließende Melodie die tanzende Jugend beflügelt und so in den Ohren sitzen bleibt, dass man ihn auf der Oasse trällern hört; denn einen guten Tanz zu schreiben ist ebenso verdienstlich und ebenso gut ein Meisterstück, als einen Sinfonien- oder Sonatensatz zu komponiren : es wird dazu besonderes Talent erfor- dert. Darum ja nicht den Tanz so geringschätzig ansehen 1 Das Tanzkomponiren wird jetzt nur als Handwerksarbeit von dazu bestellten Tanzmusikmeistem und deren begabten Gehilfen besorgt. Solche Arbeitstheilung, solche Trennung der Tanzmusik von der sinfonischen sollte nicht sein. Denn auch die mit Verachtung angeblickte Tanzmusik ist ein Mittel und Hebel zur National- erziehung. Wie die einfache, gemeine Zaunrose durch Kunst des Gärtners zur reizenden Centifolie veredelt wird, so kann auch die gemeine Tanzmusik geadelt, d. h. zum Range eines bedeutenden Kunstwerkes erhoben werden, freilich gehören dann dergleichen Produktionen nicht mehr unter die Rubrik Tanzmusik. In älterer und neuerer Zeit ist das geschehen und geschieht noch. S. Bach und Händel haben die Sarabanden und Gavotten ihrer Zeit kontrapunktisch übersetzt. In den Mazurkas, Polonaisen und Walzern Chopin' s ist die Tanzform zu hochpoetischen Charakterstücken verwendet und sind darin die Tanzrhythmen in das Romantisch- Phantastische übersetzt. Auch CM. v. Weheres »Aufforderung zum Tanz« ge- hört hieher , da in ihr die musikalische und poetische Bedeutung in erster Reihe steht, und die Möglichkeit dagegen kaum in Betracht kommt, dass man darnach nöthigenfalls auch wirklich tanzen kann , was bei Chopin's mehr für Elfenleiber berechneten Walzern nicht möglich wäre. Ein wahrhaft unerschöpflicher Quell der Poesie sprudelt aus Chopin's überaus originellen Mazurkas. Alle möglichen Stimmungen lassen sich darin nachweisen, von der tiefsten Melancholie bis zum ausgelassensten Muth willen, aber alle Stim- mungen sind in ein eigenartiges romantisches Zauberlicht gestellt, Alles wie aus einer fremden Welt herüber klingend — exotisch möchte man sagen. Der sarma- tische Zug dieses Komponisten, der durch das französische Wesen den Schliff und das Graziöse und Pikante und vom deutschen etwas Tiefe mitbekommen , ist es wohl, der den Mazurkas jenes heißblütige Wesen, jene seltsam wilde Leidenschaftlichkeit und jene bezaubernde ritterliche Anmuth giebt. Außer den genannten Tondichtem haben auch neueste Komponisten bis zur Gegenwart die Tanzform zuKoncertstücken verwendet und manches Hübsche und Schöne geschaffen ; ich nenne hier Liszt, Raff, Rubinstein. In der Gegenwart komponirt außer den besagten namhaften Meistern jeder Stadtmusikdirektor der großem Städte, jeder Direktor einer Gartenkoncert^Kapelle und fast jeder Militärmusikmeister in Deutschland zum Bedarf und besonders bei festlichen Gelegenheiten seine Tänze und Märsche, die oft recht hübsch melodisch und zumeist effektvoll ä la Strauß instrumentirt sind. Auch Dilettanten und Dilettantinnen bis zur hohen Aristokratie hinauf machen sich gem an das Kom- Digitized by Google 278 poniren einer Polka oder eines Walzers. Das harmlose Vergnügen kann man ihnen gönnen ; es ist noch besser, als dass sie sich an höhere Musikgattungen wagen und an der Musik versündigen. So wäre denn in der deutschen Literatur wahrlich kein Mangel an guter Tanzmusik, was bei dem musikalisch gut beanlagten Deutschen kaum anders denkbar ist. Auch wird im Ganzen in Deutschland , besonders durch städtische Orchester, die Tanzmusik gut aufgespielt. Mit letzterem Worte habe ich den Leser zum zweiten Abschnitte dieses Kapitels hinübergeleitet: nachdem das Wesentliche über Tanzmusik und Tanz-Komponisten vorgebracht ist, erübrigt noch, der Ausübenden bei der Tanzmusik — der Tanzmusiker zu gedenken. B. Die Tanzmusiker. Alle Diejenigen, welche im Mittelalter zum Tanz aufspielten, hießen Spiel- leute. Sie begegnen uns im frühesten Mittelalter unter der Menge der Fahrenden (varende liute) und Gehrenden (gerende diet), als fahrende Musikanten, später mit zunftmäßiger Einrichtung in den Städten. Blicken wir zuerst auf Die fahrenden Spielleute. ^ Nach ihrem Ursprünge sind die Fahrenden und Gehrenden ein durchaus un- germanisches Volk , weil sie Gut für Ehre nahmen, was dem Charakter unserer deutschen Voreltern unmöglich und unbekannt war. Sie sind römischen Ursprungs. Das verachtete Geschlecht der Gladiatoren, Mimen (mimi); Tänzer (saltatores) , Schauspieler (histriones, thymelici) und wie sie hießen, hatte sich über die Stürme der Völkerwanderung hinaus erhalten und von Rom aus unter die Barbaren ver- breitet ; aus der verfallenden römischen Welt haben sich diese Banden von Spiel- leuten in die aufsteigende moderne gerettet und waren vom 5. — 8. Jahrh. allmäh- lich aus dem Süden nach dem Norden gedrungen. In Deutschland fanden sie mit ihrer Unterhaltung ergiebigen Boden und bald auch reichlichen Zuwachs in den hinzutretenden Klerikern, welche dem ernsten, klösterlichen Leben entsagten und mit der lustigen Bande zogen, sowie auch später die fahrenden Schüler (vagi scholares, Vaganten, Bettelstudenten) mit ihnen oft gemeinschaftliche Sache machten. Von diesen herumziehenden gemeinen Musikanten , Tänzern , Kämpfern, Gauklern und Puppenspielern, welche aus Italien über Frankreich nach Deutsch- land gekommen, haben wir wohl zu unterscheiden die ebenfalls wandernden Volks - Sänger und Volksdichter, welche seit uralter Zeit bei verschiedenen deut- schen Stämmen vorkommen, aber als Verfasser und Verbreiter der alten epischen Heldengesänge, als Träger der Neuigkeiten und als Boten beim Volke wie an Fürstenhöfen in hoher Achtung standen. 1 Litteratur: Ferkel, Gesehichte der Musik II, 721 ff. 748—752. Ambros, Ge- schichte der Musik 11, 268 ff. A. von Duromer, Handbuch der Musikgeschichte 123. 133 ff. Reißmaxm, Geschichte der Musik 11, 15 ff. W. Grimm ,. Deutsche Heldensage. W. Wackemagel, Litteraturgeschichte S. 41. 75 etc. A. Köhler, Über den Stand berufs- mäßiger Sänger im nationalen Epos |in Pfeiffers Germania XV, 27 — 50]. R. von Lilien- cron, historische Volkslieder (Einleitung). F. Vogt, Leben und Dichten der deutschen SpieUeute im Mittelalter. Halle 1876. G. Freytag, Bilder aus deutscher Vergangenheit, 1867, II, 443 ff. A. Schult«, höfische-. Leben zur Zeit der Minnesinger I (1879), 439 ff. K. Weinhold, die deutschen Frauen im Mittelalter 1882, H, 131--151. F. M. Böhme, Artikel »SpieUeute« und »Stadtmusiker« in Mendel-Reißmanns Lexikon für Musik. Digitized by Google 279 Femer massen wir jene fahrenden Künstler , die das frühere Mittelalter aus der antiken Welt überkommen hatte, nicht mit den fahrenden höfischen Dich- tern und ritterlichen Sängern verwechseln; letztere adelte die Gabe der Poesie und des Gesanges ; die Spielleute aber traf der Fluch, der sich an die Kunst heftet, wenn sie nach Brod gehen muss. Das leichtsinnige Volk der Fahrenden war auf die Gunst der Menge an- gewiesen und musste sich nach dem Geschmacke derselben und nach der Zeit- strömung richten. Poesie und Musik war anfangs nur Nebensache, erstere war ihnen in Deutschland ganz verschlossen. Ihre hauptsächlichen Übungen und Fertig- keiten waren allerhand Gaukelkünste, Puppenspiele, Seiltänzerstückchen , panto- mimische Aufführungen und Spiele mit abgerichteten Thieren, besonders mit Bären. Selbstverständlich gab es in der großen Schar der Spielleute verschiedene Stufen betreffs der Leistungen und dem entsprechend war das Ansehen. Am niedrigsten standen die Kinder der Landstraße : alle jene hungernden und herum- lungernden Gaukler, gemeinen Springer, Tänzer, Klopffechter und Bärenführer. Besser dagegen befanden sich die Instrumentisten , welche auf der Fidel , Rotte und Harfe ^ßere Fertigkeit erlangt hatten , sodass sie auf Burgen und an Höfen zum Gesang begleiten und zum Tanze aufspielen konnten. Größerer Achtung ge- gossen diejenigen, welche durch ihr Wanderleben fremde Sprachen erlernt hatten imd als Sprachmeister dienten, oder welche durch ihre Kunst in höhere Gesellschaft enkommen waren und die Tabiüatur des feinen Ausdrucks (Moralität) auswendig wussten, dauernde Stellung hatten und feste Einkünfte bezogen. Gewiss waren solche Spielleute , Sänger , Sprachmeister und Anstandslehrer an den Höfen der Fürsten und Edelherren nicht schlechter bestellt, als in modemer Zeit die Hof- schauspieler, Hofkapellmeister und Hofpianisten. Neben den Spielmännern gab es, und zwar schon seit der römischen Zeit, auch Spiel weiber, die ebenfalls ihre Kunststücke machten und springen und tanzen mussten. Sie waren zwar ein Anziehungsmittel, aber auch der Grund zum tiefem sittlichen Sinken der fahrenden Gesellschaft. Die Tänze und pantomimischen Darstellungen, worin die Spielweiber auftraten, mögen frei und frech gewesen sein, das Volk scheinen sie jedoch ergötzt zu haben. Schon Childebert I. sah sich um 554 veranlasst, gegen den Unfug dieser Weiber (bansatrices) einzuschreiten und Hincmar von Rheims warnt seine Priester vor diesen tornatrices, die bei ihren Tanzkunststückchen sogar auf den Kopf sich stellten, wie uns in einer Abbildung eines fahrenden Orchesters aus dem 12. Jahrhundert figürlich dargestellt ist. Einfluss auf die Spielleute und die Stellung der Spielweiber zu den vor- nehmen frivolen Kreisen übten offenbar die Kreuzzüge. Ganze Scharen von Fahrenden begleiteten die Kreuzfahrer nach Asien. Da gab es viel Neues zu sehen und zu lernen ; denn bei den Morgenländern waren Gaukler seit alter Zeit zu finden, die den Abendländern Manches zeigen konnten. Die christlichen Ritter waren gegen diese heidnischen Künstler und namentlich gegen die Künstlerinnen gar nicht unempfindlich und Kaiser Friedrich U. nahm sogar ein Paar saracenische Spielweiber mit nach Europa, die er später durch andere ersetzt zu haben scheint; denn noch 1244 ergötzte er Richard von Com wall bei einem Besuche durch Tänze und Künste zweier saracenischen Weiber, die singend und mit Pan- tomimen Cymbel schlagend auf Kugeln auf dem glatten Fußboden herumfuhren. Während seines Aufenthalts in Syrien 1229 unterhielt Friedrich 11. sogar einmal Saracenen, die bei ihm aßen, durch die Kunst christlicher Spielweiber. — Wichtig für abendländische Musik war es, dass durch die Kreuzfahrer seit dem 12. Jahr- hundert orientalische Bogeninstrumentc nach Europa kamen. Digitized by Google 280 Was ihre Tracht anlangt, so ist darin die niedrige Stellung im Recht zu er- kennen. Es scheint fast durchgehends Forderung gewesen zu sein , dass die Spiel- leute Haar und Bart scheren mussten ; denn das lange Haar war der Schmuck des freien Mannes, also ihnen, gleich den Knechten, versagt. Auf Bildern der Pariser Liederhandschrift (bei v. d. Hagen Taf. 3. 5. 22. 45) ist allerdings kein Unterschied von der Tracht anderer Personen zu sehen, und auch einzelne Bilder in andern Hand- schriften späterer Zeit bestätigen dies. Dagegen erzählt Rudolf Gl ab er bei der Hochzeit des Königs Robert von Frankreich mit Constanze von Aquitanien um das Jahr iOOO von einem Zusammenfluss der Spielleute, namentlich aus der Auvergne und Gascogne, und sagt dabei ausdrücklich, dass sie kurzhaarig und nach Art der Histrionen bartlos gingen. ^ Dieselbe äußere Erscheinung ist auch in Ber- thold's Predigten (I, 114, 19), sowie im bairischen Landfrieden von 1244» cap. 61 und im bairischen Landrecht von 1255, cap. 50 erwähnt. In der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels (edirt von Kopp) ist diese Kurzhaarigkeit bei den Kämpen deutlich, zugleich die Kürze des Bartes auffallend. Der Spielmann dagegen hat langes Haar, aber einen Rock, der unten tief zerschnitten ist. Die fahrenden Kleriker (Lotterpfaffen) ließen absichüich ihr Haar lang wachsen , um dadurch die geistliche Kqpftracht und ihren früheren Stand zu verleugnen. Sie werden daher als »loterphafen mit dem langen hare« (lotrici et Vagi scolares cum longa coma] in polizeilichen und kirchlichen Äußerungen bezeichnet. Im Übrigen scheinen die Spielleute in Deutschland kürzere Oberkleider ge- tragen zu haben, als gewöhnlich war. In Frankreich putzten sie sich möglichst auf, liebten es, in seidenen Gewändern zu gehen, die phantastisch mit allerlei Borden besetzt waren, und trugen auf dem Kopfe einen schwankenden Schmuck von Pfauenfedern. Wer möchte zweifeln — meint Prof. Weinhold, dem ich diese Notizen über Tracht entlehnt habe — , dass die deutschen Spielleute sich ebenso aufputzten, wenn es ihnen möglich war? Durch auffallende Tracht suchen ja noch heute gemeine Komödianten die Menge zu locken. Von den Kunstleistungen der Spielleute erfahren wir mancherlei. In dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Gedichte Karlmeinet ^ wird uns erzählt : »Es kamen mehrere hundert Spielleute; darunter allerhand Musikanten mit Fiedeln, Harfen, Geigen und Psalter, mit Hörn und Sackpfeife (musette) , die traurige Herzen froh machten, Sang er , die von Aventiuren und Dingen, so in alten Zeiten geschahen, und von Minne singen konnten, und dazu wappenkundige Spruchsprecher ; aber auch Riesen und Zwerge, Taschenspieler, Springer und Tänzer ; Leute, die mit Böcken und Pferden kämpften, Meerkatzen reiten ließen und mit Hunden 1 Du Ghesne, bist. Francor. Script IV, 38 : a medio capitis nudati, histrionum more barbis tonai. s Karlmeinet, ed. A. v. Keller 287, 11 ff.: Ouch quftmen d4 m^ dan v^re sulche, de wael dat hörn bleys. hundert mynist^re, sulche ffebeirde als eyn reis, de wir nennen speleman, sulche fl6reden deyne ind van wdpen sprechen kan. mit holtze ind mit beyne, sulche konden sinffen sulche blasen mutet van 6ventÜTen ind dingen wael up dem musett, de geschigen in alden i&ren. sulche harpen ind gigen sulche ouch d& wiren, den man gerne mochte swigen. de von mynnen vnd l^ve sulche cum salter 16 sprachen sunder brdve. trdrige herzen machen fr6 . . . sulche, de de vedelen sw&re d&den Idden offenbire, Digitized by Google 281 tanzten, Steine kauten, Feuer fraßen und aus dem Munde bliesen ; andere, welche die Stimme der Nachtigall, des Rehs, des Pfaues nachzuahmen verstanden.« Wieder anderwärts erfahren wir von andern Kunststücken der Joculatores. Da gab es Leute, die durch halsbrecherische Künste die Zuschauer in Staunen ver- setzten, durch Verrenken , den Kopf hinten über biegen und sich rückwärts über- schlagen. Die Hauptspringer dieses Kunststückes bekreuzigten sich vorher. Da spielt einer mit Marionetten oder mit Messern, einer geht auf den Händen, ein anderer tanzt, springt durch den Reif etc. Ein Wachtelmftrchen (Lügenmärchen) aus dem 14. Jahrhundert enthält fol- genden Aufruf an die Spielleute, ihre verschiedenen Künste vorzuführen : JoNun zu^ ihr Spielleute ! Schlagt auf die Hundshäute (Trommel) , schmiert die Ross- schwänze (Fiedelbogen) und lasst eure Nägel die Därme (Saiten) rüstig rühren, richtet mit den Schnuren das Tockenspiel (die Tatermänner) und seid hochgemuth 1 Dudelsackpfeifer, lauft schnell durch das Holz , springet, geht mit verschränkten I Beinen einher, geiget, harfet, fiedelt I Da wird euch eins auf den Nacken (Schlag als Lohn) : zwölf Wachteln in den Sack.c^ Von dem wüsten Treiben und der vielseitigen Beschäftigung der Fahrenden i am Ende des 13. Jahrhunderts entwirft ein deutscher Dichter (der Kanzler) eine I gewiss nicht übertreibende Schilderung ; er sagt von den Spielleuten : der erste I lebt von Betrug, der zweite vom Spiel, der dritte lügt sich an HOfen herum, d^ vierte ist ein Seiltänzer, der fünfte spielt den Narren, der sechste lebt von Spotten , und Schelten, der siebente handelt mit alten Kleidern, der achte sammelt Federn, { der neunte thut Botendienste, der zehnte lebt von der Lüderlichkeit seines Weibes, ^ seiner Tochter oder Magd [MSH. II, 390*, bei Bartsch, Liederdichter S. 239]. g In Folge ihres Lebenswandels und wegen ihres verachteten Berufs galten die Fahrenden für rechtlos. ^ Den Qermanen erschien es unnatürlich, dass Jemand , für Geld seine Ehre hingeben könne ; ein solcher wurde demjenigen gleich gestellt, ^ der die Freiheit mit Unfreiheit vertauscht : er hatte kein Recht, keine Forderung an Buße. ^ Nach dem altfriesischen Rechte (Lex Fris. V, 1) konnten die Klopf- fechter, die um Qeld ihr Leben auf das Spiel setzten, von Jedermann straflos er- schlagen werden. Der Sachsenspiegel (das um 1215 — 35 von dem sächsischen Ritter Eike , von Repgowe aus alten Rechtsgewohnheiten zusammengestellte Rechtsbuch) gab den > Wachtelmärchen : Nu zuo, ir snilliute, alaht in die nundes hiute, smirwet die roszegele und schaffet. da; die negele die derme vaste rüeren. rihtet zuo den snüeren die taterman und weset stolz« bliterpfSfer, durch dai{ holz ho;;elt, gempelt, schngelet, giget, herpfet, fidelet! ai wirt iu ein üf den nac. zwelf wahtel in den sac. 2 Kemphen und ire kindere und alle die undliche geborn sin, und s p il 1 ü t e und die dübe oder roub sünen oder wider gebn, und sie des vor gerichte verwunden werden, oder die ir lip, hüt oder här ledigen, die sint alle rechtelos. [Sachsenspiegel I. Buch, 38. Art. § 1 .] — AI 81 ouch ein man einspeleman oder un61iche geborn, her en ist doch dibes noch rouberes gen6z nicht, als man kemphen üf in leiten müge. [Sachsenspiegel I. Buch, 50. Art. § 2.] Digitized by Google 282 Spielleuten und denen, die sich eu eigen geben , nur eine 8cheinbufie, nämlich den Schatten eines Mannes, den Kftmpen und ihren Kindern nur den Glanz , den ein blinkender Schild gegen die Sonne wirft. ^ Dieselbe 'Scheinbu£e gewfthrt auch das bairis che Landrecht aus dem 14. Jahrhunderte.^ Die gothländischen Rechte gestatteten dem Erben eines erschlagenen Spielmannes dann die volle Buße, wenn er es vermag, eine junge ungezfthmte Kuh, die von einem Hügel hinunter gepeitscht wird, mit fettb^trichenen Handschuhen am Schwänze zurück zu halten.' Der Schwabenspiegel (Landrecht 15, 41) enterbte den Sohn, der gegen seines Vaters Willen Spielmann wurde, und erklärte die Spielleute für rechtlos. Die Stadtrechte verweigerten ihnen den Zutritt oder zwangen sie zu öffent- lichen Arbeiten und König Rudolf I. schloss sie von seinem Landfrieden 1287 aus. (Pertz, legg. TL, 430.) Die Kirche hatte sich seit alter Zeit gegen die Spielleute erklärt, belegte sie mit dem Banne und behandelte sie als Abgefallene, ak Kinder des Teufels, gestattete ihnen nur in seltenen Fällen den Zutritt zum Altare und schloss sie vom ehrlichen Begräbnis aus. Es genüge hier auf Berthold*s Predigten I, 155, 17 zu verweisen.^ Sogar in Geburtsscheinen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der Be- treffende »von ehrlichen biderben Leuten, nicht von Pfeiffem, Spiellüten, Schöfem, Badern , Leinwebern , von Sprechern (rabulis) noch von keinerley gerenden Lüten geboren istc, wie ein bei Reißmann (Geschichte der Musik U, 15) im Wortlaut vollständig mitgetheilter Geburtsschein aus Sachsen 1431 besagt. Trotzdem die Kirche so sehr gegen den Tanz eifert, haben wir doch aus dem Mittelalter ein sonderbares Schauspiel, dass ein Pfaffe seinen Pfarrkindem an Sonn- und Festtagen zum Tanz aufspielte. Es wird nämlich in der Braun- schweiger Chronik zum Jahr 1203 erzählt, dass an Pfingsten dieses Jahres zu Ossemer bei Stendal das Gewitter einschlug, dem zum Tanz fiedelnden Pfaffen die rechte Hand lähmte und auf der Scheuntenne (wo getanzt wurde) 2 4 Personen tödtete.^ Da der Tanz von der Geistlichkeit so hart angefeindet wurde , ist es ganz er- klärlich, dass auch die armen Spielleute dabei schlecht wegkamen. Im Tanzteufel von Hartmann 1677 heißt es: »Von den Musikern, welche zum Tanze spielen. ' IIL Buch, 45 Art, § 9: Spillüten und alle den, die sich zu eisen geben, den gibt man zu bü;e den schaten eines mannes. Kemphen nnde iren kinaeren den gibt man zu bü;e den blic von eime kamphschilde gein die sunnen. '^ Spielevten vnd allen den dy g^t fOr ere nemend vnd dy sich ze aigen haben geben, den ^bt^ man ain schatten aines manes langk gegen der sunn, das ist also gesprochen : wer jn icht laides tuet vnd weit in darumb püessen, der sei zu ainer wantt sten» da dy sunn anscheint vnd sei der spilman oder aer, der sich ae aigen hat geben, an der wennt an den hals) slachen, mit solcher räche hat man in gepüesset.« [Bairisches Landrecht, aus dem 14. Jahrhundert, Wiener Hofbibliothek Codex 2856 fol. 92b.] 3 Grimm, Rechtsalterthümer 678. Yestgötal. L Lekarr. Ost^ötaL dranab. 18, 1. ^ »Da; sind diu gumpelliete, gigere vnd tambüre, so wie die gehei^^en sint alle, die guot für Sre nement . . . o wd, da; ie dehein touf üf dich quam! wie du des toufes unde des kristenduomes verloukent (verläugnet) hast . . wann (denn) du heilest Lasterbalc, s6 heilet din geselle Schandolf, s6 heilet der Hagedorn, so hei;et der Helle fi wer, so heilet der Hagelstein., alsd hftstü manigen lasterbdren namen, als din gesellen die tiuvele, die aptrünnic sint.« [Bertholds Predigten. Ausgabe von Klink 1824, S. 55.] 5 »In duBsem Jare geschah ein Wundertecken by Stendal in dem Dorppe seheten Ossemer, dar sat de Peme (Pfarrer) des Midweckens in den Pfingsten und veadelte synen Buren to dem Danse, da quam ein Donreschlaoh, unde schloch dem Pamer synen Ann äff mit dem Veddelbogen unde XXIV Lüde tod up dem Tyn.« [Ghron. pict Brunsvig. p. 355.] Digitized by Google 283 wird man wenige im Himmel antreffen , das sind Leute , welche mit einem bösen Gerücht behaftet und der Unflätigkeit unterworfen sind.« Fhilander von Sittewald (Straßburg 1650, S. 378) kommt auf seinen Strei- fereien auch in die Hölle. Dort fragt er unter Andern die »Gebratensgeiger«, Spielleute und Sänger: »Ich bitte^ was mag die Ursache sein, dass ihr so übel gehalten werdet?« »Nichts anders, sprach einer, als dass wir mit Harfen und Gei- gen, mit Couranten und Galliarden, mit Passemeaszen und Sarabanden, mit Volten und mit Branlen allher gekommen. Das nehmen uns die Herren Teufel so übel, und sprechen : hier sei nicht ein Ort des Lachens, Tanzens und Springens , son- dern des Heulens , Weinens und Wehklagens.« Ein Teufel trat hinzu und sagte : »Und warum, du Lumpenhund, sagst du nicht die gründliche , wahre Ur- sache? Aber die habt ihr je und allwegen vertuscht und verhehlt! Nämlich: ihr habt der thörichten, muthigen, hitzigen Jugend zu einer unzähligen Menge allerlei gräulicher, wüster, stinkender Sünden Zeit und Gelegenheit gegeben, gleichwohl habt ihr Alles vor der Welt verschwiegen, so lange ihr in dem losen Leben ge- schwebet. Ja auch bei den allerheiligsten Übungen, anstatt dass ihr zu Ehren Gottes geist- und anmuthreiche Psalmen und Gesänge erschallen lassen solltet, habt ihr mit wälschen, losen, leichtfertigen Fugen, Fusen (flüchtig zu spielende Ton- stücke) , Phantastereien und Koncerten zu unzüchtigen leichtsinnigen Tänzen Anlass gegeben, und auf der Orgel aufgespielt, dass gottliebende Herzen davor ein Abscheu und Gräul gehabt ; Gott aber habt ihr dadurch höchlichen gehöhnet und gelästert.« R. Voss macht dazu die gute Bemerkung : Den armen Spielleuten ging es also nicht wie dem Meister Orpheus, ihre Leistungen waren den Herren Teufeln zu mangelhaft, sie verfehlten ihre Wirkung. Ihre Harfen und Geigen brachten ihnen statt Freude nur Marter und Qual. Mit der großen Verachtung des Standes der Spielleute kontrastirt ihre große Beliebtheit bei Hoch und Niedrig. Die Spielleute waren die Freudenbringer bei allen festlichen Gelegenheiten ; sie belebten nicht nur die vornehme Gesell- schaft in den Zimmern, sondern erlustigten auch die Menge auf den Wegscheiden, Straßen und Plätzen. Der fahrende Spielmann war auf jeder Burg willkommener Gast. Er tritt in den Saal und beginnt sein Saitenspiel, spielt Tänze auf und singt Leiche und andere Lieder.^ Zumal wenn Feste am Hofe waren, fand eine große Menge Spielleute,' Musikanten, Sänger, Akrobaten und fahrende Leute aller Art sich zusam- men, welche von der Milde des Hausherrn und seiner Gäste das Beste erwarteten.^ Die Spielleute sammelten sich von Alters her bei den Hochzeiten, wenn sie nur irgend Aussicht hatten dort etwas zu verdienen. Der Tanz auf Hochzeiten ward nicht immer bloß von Gesang begleitet , sondern auch von Gesang und In- ^ Trojanerkr. 5450: Nu kam für in ein spileman mit seiner harpfen üf den sal, der huop da wunneclichen schal mit sinem hübschen seitenspil. tenz und süe;er leiohe vu lie; er da lüte erelingen, dar ZUG begunde er singen vToeliche bi der stunde. 3 Erec 2158 [Hochzeit]: Die allerbesten spileman, die die werlt ie gewan, und die meister w&m genant, der was di sehant driu tüsent unde mdre. Digitized by Google 284 fltrumentalmusik abwechselnd oder von letzterer allein. Letztere besorgten eben die Spielleute. Außer dem Tanze suchten sie zur Unterhaltung beizutragen, sie trugen auf Fiedeln und Flöten ihre Weisen vor, erzählten beliebte Dichtungen und ergötzten durch allerhand Kunststücke. Ein Prediger des 13. Jahrhunderts schildert die Hochzeit zu Kana und sagt: Da waren nicht Pfeifer und Geiger, noch T&nzer noch Sänger, noch Spielleute wie heute bei den Brautläuften. [Grieshaber, deutsche Predigten des XIII. Jh. 2,20.] • Heinrich von Veldeke erzählt von Aneas* Hochzeit [Eneit 345,31] : da war Spiel und Gesang, Turnier und Gedrang, Pfeifen und Singen, Tanzen und Springen, Trommeln und Saitenspiel, mancherlei Freuden viel. Kein Ritterschlag mit seinen darauf folgenden ritterlichen Übungen war ohne Musik und also nicht ohne Spielleute . Zum Ritterschlag selbst wurde musicirt mit dröhnenden Kriegshörnern, lärmenden Trommeln und klingenden Cymbeln (cum stridentibus buccinis, strepentibus tympanis et tinnientibus cymbalis) . Die Limburger Chronik (S. 129) erzählt von einer Fürstenversammlung und den anwesenden Spielleuten : »Anno 1397 kamen die Fürsten von Deutschland gen Frankfurt und hatten einen gproßen Rath und Consilium und überkamen eines Landfriedens, t Nachdem der Chronist alle Fürsten, Grafen und Herren Räthe mit Namen angeführt , sowie deren Pferde aufgezählt , fährt er fort : »Auch waren da 1300 Ritter und 3700 Edelknechte. Sodann waren da 450 vornehme Leute. Sodann Spielleute, Pfeifer, Trommeter, Sprecher und fahrende Schüler. f Kam die Zeit der Brunnen fahrt, die Badesaison würden wir sagen, so strömten Scharen von Spielleuten nach den Badeorten, wo die vornehme Gesell- schaft im Sommer sich erlustigte. So heißt es in Cap. 2 der in StraBburg 1382 — 1414 abgefassten Chronik des Königshof en: »Zu der brunlust komment ussermossen vil spillüte vnd farender lüte, do hieß sie der keyser alle enweg faren vnd gap inen weder gobe noch spise.« Waren Spielleute am Hofe angelangt, so ließ man sie, während die Herr- schaften bei Tafel saßen, in den Saal kommen und dort mit ihren Kunstleistungen die Speisenden ergötzen. Über die Art ihrer Aufwartung erfahren wir etwas aus folgender Stelle einer alten Reisebeschreibung, die Scheid in seiner Dissertatio de jure in Musicos (1719, p. 18) anführt : »Vor dem Tische stant die hohen Fürsten zu dienende und varendeLüte, vnd bt keinre der ein einig Wort rede, es sy denne das der Can (Vorsteher, Intendant der Truppe] zu ime rede , ane (ausgenommen) die varende Lüte, die getichte machent oder nuwe mer bringent oder nuwe mer erzSgent oder spil.a Hatten die Spielleute ihre Sache gut gemacht, so konnten sie ihres Lohnes sicher sein: die entzückten Zuhörer lösten ihre Mäntel und warfen sie ihnen zu. Der Herr, welcher das Fest veranstaltet hatte, entließ sie selten unbelohnt. Ge- wöhnlich bekamen sie zunächst zu essen und zu trinken und die Überreste der Tafel wurden ihnen preisgegeben. Alle sollten zufrieden der Festtage gedenken und die Freigebigkeit des Herrn und seiner Gäste rühmen und preisen.^ Aber 1 Eneit 346, 27: Herzogen unde gräven den spilmannen sie gäven gröblichen unde s6, da; si dannen schieden fr6, und lob dem kunege sungen ieslich nftch siner sungen. Melerans 3651 : Den vamden liuten wart gegeben, da; si mit freuden mochten leben. Digitized by Google 285 wenn das fahrende Volk auch noch soTiel bekommen hatte, so war es unter einander neidisch, falls einer mehr davontrug, und sie verwünschten dann das Fest und diejenigen, die ihnen nicht genug gegeben hatten. [Erec 2169.] Als Geschenke bekamen die fahrenden Leute^ die zu einem Feste sich ein- gefunden hatten: Geld^ Kleider und andere Werthsachen, zuweilen sogar Pferde.^ Im Ganzen wurden die Spielleute reichlich belohnt, wie viele Belegstellen aus Dichtungen des 13. Jahrhunderts uns darthtin.^ Gerathen war es auch, ihnen zu geben, denn sie hatten nicht nur immer leere Taschen, sondern auch scharfe Zungen und sangen Schmählieder auf den Geiz der Herren, die ohne Gabe sie entlassen hatten. Nicht überall wird jedoch solche Freigebigkeit geübt. So schickt Kaiser Heinrich lU. bei seiner 1044 zu Ingelheim gefeierten Hochzeit eine Menge dorthin gekommener Histrionen und Joculatoren ohne irgend eine Gabe fort.' Dieselbe Geschichte erw&hnt auch Otto von Freising in seiner Chronik : »Und da er (Hein- rich HI.) nach königlicher Sitte zu Ingelheim seine Hochzeit feierte, schickte er die ganze Bande der Tftnzer und Possenreißer, welche wie gewöhnlich hier zusammen- gekommen war, unbeschenkt fort, und was er diesen Genossen des Teufels abge- zogen hatte, yertheilte er freiwillig unter die Armen. «^ Aus dieser Bemerkung ist ersichtlich, welche Begriffe man von den Spielleuten schon im 11. Jahrhundert hatte. Diese Kunstvagabunden waren es, welche in den Rittersälen, wie unter der Dorflinde, wie spftter bei büi^rlichen Hochzeiten auf dem Rathhause vor den Patriciem zum Tanze aufspielten und dafür sorgten, dass die im Mittelalter noch wenig beachtete Instrumentalmusik nicht außer Übung kam. Die Instrumente, welche in frühester Zeit beim Tanz gebraucht wurden, waren Trommel und Pfeife, die beide zuweilen gleichzeitig von einer Person gespielt werden. Später kamen hinzu Zinken, Trompeten, Posaunen, Drehleier, Fiedeln und Geigen und einige Klingelinstrumente. Ob die Laute im geschlos- senen Räume zum Tanz gespielt worden sei, ist sehr fraglich ; dagegen war früher der ^ Parten. 17434: D6 gap der keiser lobesan den gemden milteclichen seit: pfert, kleider, silber unde golt hie; er in allen teilen mite, die n&ch hübscher liute site den hof durch helfe suochten. Karlmeinet 215, 54: Guch wart gegeven so den zyden, als ich vur waer horte duden, lodderen md varenden luden. Erec 2177: Von golde dria;ic marke die gap man dft vil manegem man, der vor nie gewan eines halben phundes wert. Gr. Wolfdr. 2095 : On schände und 6ne sorge ward rieh manig farende man, M6 denn umb hundert mark , der vor einen Schilling nie gewan. Die Spielleute Etzels (Swemmel und Werbelj verdienen bei Kriemhiloens Hochzeit mehr als tausend Mark (die Mark s 1/2 Pfund Silbers). VergL Nibelungenlied ed. Zameke 209, 6. 3 Infinitam multitudinem histrionum et joculatorum sine cibo et muneribus vacuam et maerentem abire permisit. [AnnaL Wirzibur^.] ^ Quuraque ex more regio nuptias Ingelheim celebraret, omne balatronum et histri^ onum coUegium, quod (ut assolet) eo confluxerat, vacuum abire permisit pauperisque ea, quae membris diabolicis subtraxerat, large distribuit. [Otto von Freising, Chronik Hb. VI, cap. 32.] Digitized by Google bei Vornehmen und Geringen gern gehörte Dudelsack (Sackpfeife) zum Tanz- aufspielen in häufigem Gebrauch. — Auf der Abbildung eines IftndlichenTanzes in Petrarchae Trostspiegel (S. 21) erblicken wir außer Tänzern und Tänzerinnen (die einen Kreis bilden, also Reigen tanzen) drei Spielleute. Einer bläst den Zinken, der andere die Sackpf&ife, der dritte hat eine gewöhnliche Pfeife (Langflöte) im Munde, mit der einen Hand hält er die Pfeife und fingert darauf, während er mit der andern dazu die kleine Trommel schlägt, die vom an ihm hängt. Solehe Doppelmusiker werden aus dem 15. und 16. Jahrhundert oft abgebildet gefunden. — Als Musikinstrumente bei Tanz und Fastnachtslust nennt Fischart (Gargan tua Kap. 7): Schalmeien und Pfeifen, wozu der Schwegel, die Lullen-, Rus- und Sackpfeife gehörten; femer Sautröglein (Trommel), auch Schnurre und Maultrommel (Brummeisen, das man in den Mund zwischen die Zähne nahm und darauf fingerte) . Im Mittelalter gab es eine aberraschend große Zahl von Instrumenten, frei- lich aber von sehr unvollkommener Beschaffenheit. Im höfischen Zeitalter wurde von den Spielleuten die Fertigkeit auf folgenden Instrumenten verlangt: Fiedel (viäle, viole) , Geige (gigue), Zither (Cithera, Psalterium) , Laute, Rotte (harfen- förmige Cither), Drehleier (Organistrum, Symphonie, chifonie, später Vielle), Dudelsack (musette) , Pfeifen, Zinken, Hörn, Trompete, Posaune und Tronuncl. Auf Beschreibung und Geschichte der Instrumente einzugehen, kann hier nicht erwartet werden ; ich verweise den weiterforschenden Leser auf die betref- fende Literatur, aus welcher ich unten das Beste anführen will. ^ Der Deutsche hat leider noch kein Werk über Instrumente des Mittelalters mit Illustrationen, wie solche Frankreich und England in großer Pracht besitzen. Wir müssen uns daher vorläufig mit ausländischer Literatur behelfen. In Bezug auf das Instrumentale scheinen die deutschen Spielleute hinter den welschen nicht zurückgestanden zu haben; es werden sogar in Frankreich die deutschen Geiger und böhmischen Flötenspieler besonders gerühmt, und deutsche Instrumente standen bei den Provenzalen und Lombarden in besonderem Ansehen.^ Über das Leben und Treiben der Spielleute sind wir durch viele ein- gehende, quellenmäßige Abhandlungen hinreichend unterrichtet, auch ihre zahlreichen, sonderbaren, zum Theil nicht mehr vorhandenen Instrumente sind uns durch die Forschungen der Franzosen, Engländer und Deutschen zur Genüge bekannt und durch Abbildungen aus alter Zeit, sowie durch Exemplare in Museen uns vorgeführt. ^ Du Gange, GlosBarium ad scriptores mediae et infimae iatinitatis. Paris 1678; neue Ausgabe von Leop. Favre, Niort 1883 ff. Dies, Poesie der Troubadours 42. 45. Wolf, Lais 245. Kiesewetter, Instrumente im Mittelalter (Cäcilia 22. Bd. 1843). Starutt, Angleterre ancienne. London 1789. Coussemaker, Essai sur Instruments de musique au moyen-ftge. (Abhandlung mit 200 Abbildungen in Didron, Annales aroh^ologiaues. Paris 1843—60.) Reißmann, ülustrirte deutsche Musikgeschichte 1882 (gute Abbil- dungen). G. Kastner, Manuel de Tinstrumentation du moyen-&ge. Paris 1860. Vidal, Les instruments ä arehet. 2 Vols. Paris 1876—77. C. Engel, Catalogue of the musical instruments in the South Kensington Museum. London 1874.| Rühhnann, Geschichte der Bogeninstrumente. Braunschweig 1882. J. W. v. Wasielewski , Geschichte der Instru- mentalmusik im 16. Jahrhundert Berlin 1878. 2 Im Roman de Cl^omad^s (Mx)nmerqu6 et Michel, th^ätre frang. 105) heißt es: >et si avoit bons leuteurs et des flauteurs de Behaigne et des giguours d'Alemaigne.« In dem Werke Poeti del primo seoolo 11, 175 wira gesagt : eantar danzar a la proven- zalesca con instrumenti novi d'Alemagna. Beide Oitate bei Weinhold, d. d. Frauen U, 138. Digitized by Google 287 Aber wenig wissen wir über das Wesen ihrer Musik, so gut wie nichts über die Beschc^enheit ihrer musikalischen Produktionen nach Tonart, Taktart, Rhythmus ihrer Melodien, Formgebung und Tonschrift. Gern würde man Ys der Minnesinger-Verse und Vs ^^^ Kontrapunktisten dran geben für eine Handschrift mit weltlichen Musikstücken aus dem 13. — 15. Jahrhundert. Die alles vernich- tende Zeit hat hier übel mitgespielt. Trots angestrengten Suchens ist bis jetstauch gar nichts von Musik der SpieÜeute aufgefunden worden. Nur eine einzige Probe mit Tonzeichen kenne ich, von der nicht verbürgt ist, ob die beigefügten Neumen von der Hand des Spielmanns sind: es ist ein niederdeutscher Spielmannsreim des 13. Jahrhunderts, den Herr Prof. K. Bartsch vor einigen Jahren aufgefunden und behufs einer Entzifferung der im Original beigesetzten Neumen mir anvertraut hat. Zwar kein Tanzlied ist es, aber doch die älteste Notation deutschen weltlichen Gesanges. Hier ist mein Ent- zifferungsversuch. Die Originalnotation beabsichtigt Herr B. in der Germania zu veröffentlichen. ^s ^i 3^i^E3^ E 3=3t^^^^ r=^f^ Wat den bin ic ein spi-le-men. ic weit wal wat ic minne. ^ m -zt- ^ ^ un die di ge - ne ger^ne nem. un se min ni - ne wille. In die naturwüchsige Musikantenpraxis hatten die Kunstmusiker (ge- lehrte Theoretiker und Kirchenkomponisten) nicht hinein zu reden. Dagegen nannten die Musikgelehrten die natürliche Durscala, deren sich die Pfeifer bei ihrer weltlichen Musik bedienten, die gemeine Tonart (modus lascivus) , ^ obgleich der nach Fortschritt strebende Marchettus de Padua ganz bestimmt erklärt hatte, Dur (ionisch) sei die einzige wirklich natürliche Fortschreitung. ^ Glarean in seinem Dodecachordon 1547 (11, 15) erwähnt, dass die gemeinen Geiger und Pfeifer 6 Tonarten [ionisch, hypoionisch, lydisch, hypolydisch, mixo- lydisch und hypomixolydisch] in Ut (C) , dagegen 4 Tonarten [dorisch, hypodorisch, äolisch und hypoäolisch in Re moduliren. Das heißt mit andern Worten: sie spielen das Meiste aus Dur [C, F, G) und Manches in Moll (DmoU, AmoU). Engelbert, der im 1 3 . Jahrhundert Abt im Kloster Admont in Obersteiennark war, bemerkt in seinem Traktat über Musik [abgedruckt bei Gerber, Scriptores U, 289]: »Metrisch ist die Art der Histrionen, die man in unserer Zeit Singer (Sänger) nennt und die vor Alters Poeten hießen, welche allein nach dem Ge- brauche metrische oder rhythmische Gesänge erfinden, um damit die Sitten zu rügen oder zu bilden und das Gemüth zur Ergötzung oder Trauer zu stimmen. Der melodischeModus (die Art der Tonfolge), also die Melodieerfindung gegenüber dem vom Dichter schon gesetzten Metrum gehört den Lyranten und Pfeifern, welche 1 Artusi, Parte del Contrapunto, 159S, S. 74: »Primo b per natura atto ad es- Srimere danze, baUi e perciö da alcuni h detto modo lascivo.« Bei Artusi und an- em späteren Theoretikern galt als erster der modus ionicun. 2 Marchettus von Padua [Lucid. Tract Vin, oap. 4] sagt: »Est namque na- turalis cantus iUe, qui in omni quarta conjunetione sonorum semper diatessaron habet nee umquam potest aliter naturaliter reperiri. Naturalis enim ad noc dicitur eo, auod naturaliter vox humana in omni quarta voce sive inter quatuor voces semper proterre semitonium delectatur.« Digitized by Google gleichermaßen aus dem bloßen Gebrauche tonrichtige Melodien auf ihren Leiern und Pfeifen und andern Instrumenten komponiren und sich durch Naturanlage und Übung (per naturam et usum) der Kunst so viel als möglich nähern, wie ja auch Aristoteles sagt, dass Viele ohne Kunstanleitung machen was zur Kunst gehört, und umgekehrt Viele, was sie durch Kunst wissen, thatsächlich hervorzu- bringen nicht vermögen.« (Citat abersetzt bei Ambros II, 270.) Wenden wir uns nun ab von dem verachteten Gesindel der Fahrenden und betrachten wir Die zflnftigen Musikanten. Zu der Zeit , als alle Handwerker sich zu Innungen und Zünften vereinigten und selbst der Gesang durch die Meistersinger zflnftig wurde, thaten auch die Instrumentisten in Deutschland, wie gleichzeitig in Frankreich und England, sich zu Innungen zusammen oder, was dasselbe sagt, schlössen Bruderschaften, zogen in die Städte, um ihr Brod zu verdienen, und Landstörzen hatte für viele ein Ende; die auf den Gehrenden und Fahrenden ruhende Verachtung ward da- durch entfernt, wenn sie das ehrende Prädikat ji St ad tpf eifert oder »Stadt- zinkenist« führen durften. Die älteste Musikantenzunft in Deutschland war die 1288 zu Wien gegrün- dete St. Nicolai-Bruderschaft. In der Folge sah sich dieser Verein der Nicolai-Brüder , als er in allerlei Bedrängnis gerieth, nach einem mächtigen welt- lichen Schirmherm um und wählte dazu den Erbkämmerer Herrn Peter von Ebers- dorif, der das Amt 1354 — 1376 bekleidete und als »Vogt der Musikantenc das obere »Spielgrafenamt t errichtete, welche eigenthümliche Behörde in Wien über vier Jahrhunderte bestand. Da allerlei Missbräuche sich einschlichen , über- mäßig gesteigerte Abgaben gefordert wurden, ward 1777 das Spielgrafenamt auf Befehl der Kaiserin Maria Theresia völlig reformirt und endlich 1 782 vom Kaiser Joseph U. ganz aufgehoben. Eine ähnliche Zunft der Instrumentisten begegnet uns im obem und untern Elsass; es war die Bruderschaft der Pfeifer, in welche sich alle jungen Musiker, heimische oder fremde, welche die Musik ausüben wollten, einverleiben lassen mussten* Der Ursprung dieser Bruderschaft fällt in das Zeitalter der Minnesinger, wo Musiker und Sänger noch von Schloss zu Schloss zogen . Die Adelsfamilie von Rappoltstein besaß durch ein Pfeiferkönig-Diplom vom Jahr 1400 das Protektorat über alle Musiker im Ober- und Unter-Elsass als ein Lehen des römischen Reichs. Nachdem der König von Frankreich das Elsass annectirt hatte, wurde das Haus Pfalz-Birkenfeld nach dem Tode des letzten Grafen von Rappoltstein 1673 in diesem Lehen bestätigt. Die sämmtlichen Instrumentisten des Elsasses waren in drei Bezirke eingetheilt, die obere, mittlere und untere Bruderschaft, die sich alljährlich an einem be- stimmten Tage zu einem sogenannten Pfeifertage versammelten: die eine zu Thann , die andere zu Rappoltsweiler und die dritte zu Mutzig und abwechselnd zu Rosheim, später (seit 1686) zu Bischweiler im untern Elsass. Die Statuten der Bruderschaft, deren Datum nicht bekannt ist, sind 1606 durch den Grafen Eberhard von Rappoltstein, der damals als Pfeiferkönig belehnt war , erneuert worden. Urtheilssprüche des königlichen Gerichtshofes zu Colmar von 1700, 1724, 1747 etc. haben sie bestätigt, auch hat der Königliche Staatsrath 1785 sie abermals erneuert. Seit Aufhebung der Feudallasten durch die Gesetze der französischen Revolutionszeit hat mit Aufhebung aller Zünfte auch diese Ge- nossenschaft der Pfeifer aufgehört. Digitized by Google 289 Die Statuten, in 24 Artikeln bestehend, entliielten im WesenÜichen Fol- gendes : Ein bei der Zunft nicht aufgenommener Musiker darf nirgends seine Kunst ausüben , auch nicht für Qeld Unterricht geben , bei hoher Geldbuße und Konfis- cirung seines Instruments. Nach zwei Jahren Lehrzeit durfte man in Städten, schon nach einem Jahre in Dörfern Musik machen. Streitigkeiten schlichtete das Pfeifergericht. Die Bruderschaft wurde durch einen königlichen Statthalter, den man Pf ei f er - kOnig nannte, einen Schultheißen und 7 Meister als Beisitzer verwaltet. Der Pfeife rkOnig war Meister der Zunft und hatte (laut Urkunde) das »ambacht (d. i. die Verwaltung] des kunigriches varender lutev. Zu seinem Amte geh(tarte, darüber zu wachen : »dass kein Spielmann, der sey ein Pfeiffer, Trummen- schlftger, geiger, zinckhenbläßer oder was der oder die sonsten für Spiel und khurtzweyl treiben khennen, zwischen dem Hawenstein obwendig Basel und dem Hagenawer Forst den gantzen bezürckh eingeschlossen, weder in Stätten, Dörffem oder Fleckhen auch sonsten zu offenen dentzen, Qesellschafften , gemeinschafften, schießen oder andern khurtzweilen nit soll zugelassen oder gedultet werden, er seye dann zuvor in die Bruderschafft uff und angenommen«.^ Mit diesem Königreich varender Lüte war auch ein besonderes Gericht (Pfeifergericht) verbunden, welches aus einem Schultheißen, 4 Meistern und 8 Bei- sitzern (unter dem Namen der Zwölfer) und einem Weibel (apparitor) bestand. Durch dasselbe wurden alle in der Gesellschaft vorkommenden Streitigkeiten ge- schlichtet, und über Vergehen abgeurtheilt. Gegen eine solche Entscheidung konnte nur an den Schutzherm (den König) appellirt werden. Die Musiker des untern Elsasses versammelten sich jährlich am 1 5. August zu Bisehweiler zu dem sogenannten Pfeif er tage, um ihre Unterwerfung dem Könige in die Hände seines Statthalters zu erneuern, die jährliche Abgabe zu entrichten und Streitigkeiten zu schlichten. ' Die Genossen der Gesellschaft (oft 300 an Zahl) versammelten sich Morgens in dem Zunfthause nnm Löwen«, jeder mit einer silbernen Medaille bekleidet : dort wurde das Pfeifergericht gehalten und die Strafen (oft bis 100 fl.) aus- gesprochen. Man nahm neue Mitglieder auf, welche die Aufnahmegebühren zu entrichten hatten; die Übrigen ziddten das gewöhnliche Jahrrecht von einigen Gulden gegen Quittung, auf der es heißt: »N.N. hat sein Jahr- oder Irtengeld für (17 . .) bezahlt.« Nach der Sitzung bildete man auf dem Marktplatze einen festlichen Zug und begab sich in die Kirche des zu Bischweiler gehörenden Weilers Hanhofen, wo der katholische Geistliche eine Messe las , wofür man ihm eine Gebühr von 3 fl., femer dem Schullehrer 6 Schillinge, dem Messdiener 4 Schillinge und 1 fl. 3 Schillinge fQr Wachs zu entrichten hatte. Der Zug ging dann wieder in derselben Ordnung, mit dem gekrönten König, dem Schultheiß, den Meistern und den sogenannten Zwölfen und einem Fähndrich an der Spitze, in den Schlosshof , wo , immer unter Musik , die Gesellschaft bei verschiedenen alterthümlichen Festgebräuchen, als Fahnenschwenken und Eier- werfen etc., Proben ihrer Kunst ablegte. Nachdem die Gesellschaft mit Wein und Bier gespeist war, wurde der Herrschaft oder dem Geigerkönig in einem besonders dazu bestimmten Becher ein Lebehoch gebracht, alsdann kehrte der Zug unter 1 Seheid, de jure in musicos, P- 31. Auch in Paris stand an der Spitze der Spiel- mannflsunft ein Geigerkönig; s. dchletterer, Geschichte der Spielmannszunft in Frank- reich, Berlin 1885. Böhm«, Oesch. d. Tanzes. 19 Digitized by Google 290 Musik auf den Marktplatz zurück , und der Tag wurde mit Tanz und SchmauB fröhlich beschlossen.^ Wie in Österreich, so war auch in Bayern der Spielgraf ein Ehrentitel für denjenigen , welcher über alle Musikanten und Spielleute in Stadt und Land gesetzt war, ihre Streitigkeiten schlichtete und in vorkommenden Fftllen sich ihrer annahm. Dagegenwar jeder Musiker gehalten, jährlich etwas Gewisses zu entrichten; falls er das imterließ, machte er sich der Fürsorge des Spielgrafen verlustig. Im Jahr 1738 war in Bayern der kurfürstliehe Hof trompeter Veit Ungemeber Spielgraf, welche Würde zu Ende des 18. Jahrhunderts aufhörte. Die Funktionen eines Spielgrafen hat J. Khuen in seinem Gedichte »Epitha- lamium Marianum oder Tafelmusik des Himmels-Frawenzimmersc (München 1634, S. 425) also geschildert: »Der Spielgraf sich ergetzet. Sieht, ob der Chor mit Bass, Tenor Und jeden Ton besetzet; Dann wann er hOrt so viel verkehrt Unangenehme Stimmen, Er maistert los ganz furios. Er zaigt erst seinen Grimmen. c In den deutschen Städten hieß der Stadtpfeifer im Mittelalter bis auf neuere Zeit auch Thürmer nach seiner Amtswohnung, die er auf dem Thurm einer be- stimmten Kirche (auf dem Domthurm gewöhnlich) hatte ; dadurch war er gewisser- maßen ein Mann der Kirche und folglich eine Art Respektsperson. Um ihn scharten sich, je nach Bedarf und Statut, andere Hom- und Pfeif enblftser , seine »Gesellena, die ihm an Festtagen die mehrstimmigen Choräle »abblasen« halfen und Tanzmusik in Stadt und Land aufspielten, die er als »Meister« unter den Gesellen und Lehrbuben leitete. Nach einer uralten, jedenfalls aus dem Dienst der Thufm- Wächter der Ritterburgen hervorgegangenen Einrichtung hatten die Thürmer in den Städten von ihrem hohen Aussichtspunkte in Kriegszeiten das Anrücken des Fein- des zu signalisiren, in Friedenszeiten die Stunden abzurufen und dabei zu blasen, Feuer zu melden , an Festtagen mit ihren weitschallenden Zinken und Posaunen Choräle abzublasen und ebenso zum Feierabend eines jeden Tages ein frommes Lied zur Erbauung über die Stadt ertönen zu lassen ; zuweilen bliesen sie auch Volksliederweisen, zu Spott und Ernst auf Bestellung. In ihren Freistunden wurde gelehrt und gelernt, Notenwesen und beson- ders die Handgriffe der Instrumentalpraxis eingetrillt und eingepaukt. Die Ge- sellen unterrichteten, jeglicher auf seinem Instrumente, die ihm zugewiesenen Lehr- jungen und der »Mfeisterir hielt dann Proben mit allen , damit zum Sonntag beim Kirmes- oder Hochzeitstanz alles klappte.^ Die Stadt- und Amtsmusiker (auch Stadtpfeifer, Stadtzinkeniaten, Thür- mer, Hausleute, zuletzt Stadtmusikdirektor genannt) hatten eine vollständige Zunft- einrichtung« wie die Handwerksmeister. Der Stadtmusikus durfte nach seinen Satzungen Lehrlinge aufnehmen, ihnen Lehrbriefe ausstellen, sie nach beendeter 1 Eine andere, ausfahrliche Beschreibung eines Pfeifertags zu Bischweiler findet man bei Mattheson, Critic. musica II, 343. 2 In dem späteren Basler Todtentanz holt der Tod auch den Kylbenpfeifer (Kirmesmusikanten), den er höhnisch fragt, was es für ein »Tänzel« setzen solle (s. S. 47). Digitized by Google 291 Lehrzeit von drei bis vier Jahren zu Gesellen auf dingen und lossprechen. Er hatte das Kecht, mit seinen Leuten (die mit ihm zusammen wohnten, darum Hausleute und er der Hausmann geheißen) alle innerhalb des Stadt- und Amtsbezirkes vor- kommende Musik allein zu besorgen , er übte also eine Art «Musik-Bann« aus, so dass kein anderes Musikohor innerhalb dieses Sprengeis, ohne Zustimmung des Stadt- und Amtsmusikus Offentlieh bei Hochzeiten, Kirmsen oder sonstwo zu Tanze aufspielen durfte. Die unberechtigten Eindringlinge wurden fortgewiesen oder mit Geldstrafen belegt ; auch diejenigen, welche fremde Musiker bestellt hatten, mussten Strafe zahlen. Auch durfte der Stadtpfeifer nach Vorschrift selbst nur eine be- stimmte Anzahl von Lehrlingen und Gesellen halten. Dieses Zwangsrecht beim Tanzaufspielen wurde von Stadtmusikem bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis um das Jahr 1848 in Deutschland ausgeübt. Was hat die Musikwelt den fahrenden Spielleuten und spätem Stadtpfeifem Alles zu verdanken ? 1 . Das Herausarbeiten unseres modernen Tonsystems (von Dur und Moll) aus den widernatürlichen, uns Germanen aufgedrungenen Kirchen tonarten des Mittel- alters — oder vielleicht das unentwegt Festhalten des uralten angestammten natür- lichen Systems — halte ich für ihr Werk (s. S. 247 und 287). 2. An Erfindung der Tonschrift fällt ihnen jedenfalls ein guter Theil der Vorarbeiten zu; die Buchstabennotation und Ziffern auf Linien mit darüber ge- setzten Mensuralzeichen (für die Tondauer) hatten sie erwiesenermaßen und mussten solche Dauerzeichen für ihre Takt- und Tanzmusik haben, bevor im 13. Jahrhundert die Tongelehrten die Anfönge mit Mensuralnoten machten. Vielleicht ist auch die im 12. Jahrhundert auftretende Punktnote von ihnen erdacht worden. 3. Die Harmonie war aller Wahrscheinlichkeit nach lange schon von Spiel- leuten auf der Sackpfeife und der mittelalterlichen Drehleier (Organistrum) ge- übt, bevor grübelnde MOnche im 9. Jahrhundert aus Missverstand griechischer Theorien uns glauben machen wollen, dass die widerlichen Quart- und Quintfolgen die wahre Zweistimmigkeit (Organum und Organiziren, Biscantus, Discantus) seien. Die Spielleute mussten durch Greifen und Streichen auf mehrsaitigen Instrumenten doch von selbst auf eine Art wohlklingender Naturharmonie gerathen, und geradezu ein Wunder wäre es gewesen , wenn ein Spieler auf der fünfsaitigen Vi&le (Viole, Fidel) und dem Kebec mit drei Saiten nicht einmal darauf verfallen wäre, zwei oder gar drei zusammen harmonirende Töne zusammen erklingen zu lassen ; schon Un- geschick in der Technik muss zuweilen den Geiger auf das Mitklingen einer zweiten Saite geführt haben. 4. Von den vielen und wahrhaft schönen Volksmelodien, die uns in Noten erst im 15. und 16. Jahrhundert begegnen, sind zweifelsohne die meisten durch irgend einen musikkundigen Spielmann erfunden, dessen Name schon bei Lebzeiten nicht genannt und bekannt wurde, dessen Weisen aber in Aller Munde waren, ob- wohl auch nicht ganz unmöglich wäre, dass gelegentlich einmal ein gelehrter Eontra- punktist eine in weitem Kreisen ansprechende Melodie erfunden hätte. 5. Spielleute oder Praktiker waren es, welche die Musikinstrumente nach ihren Angaben bauen Hefien, selbst verfertigten und immer mehr verbesserten, bis sie das moderne Orchester hervorbrachten, das in seiner Zusammensetzung doch wesentlich noch dasselbe ist, wie 1510, als die erste Violine in heutiger Form durch Tief brucker gebaut wurde. 6. Sie haben durch das ganze Mittelalter hindurch die Instrumentalmusik, insbesondere die von IMlettanten und Kantoren nicht traktirte Blasmusik aus- schließlich gepflegt, dieselbe als Feldmusik sowie als Tanzorchester 19* Digitized by Google 292 aberliefert, bis höhere, durchgebildete Künstler solche weiter führten und aus dem Tanzorchester dasjenige für Sinfonie und Oper hervorgehen ließen und mehr und mehr vervollkommneten. 7. Sogar der Ursprung dermehrsätzigen (cyklischen]Formen, wie Partita und Suite, aus der dann die Sonatenform hervorging, ist auf den Musikvortrag der Kunstpfeifer zurückzuführen, welche schon im 16. — 17. Jahrhunderte Ttaae verschiedener Nationalitäten (im Tempo contrastirend , in der Tonart aber über- einstimmend) nacheinander vortrugen und eine solche Folge »Partie« genannt haben sollen. Name und Form wurden in der Mitte des 17. Jahrhunderts von deutschen Klavierkomponisten aufgegriffen und ähnliche Zusammenstellungen von Tanzstücken und deren Variationen als Partien (Partita, in Frankreich Suite) be- zeichnet. So waren denn die Spielleute des Mittelalters als Feldpfeifer mit ihren weit- schallenden Zinken , Schwegeln und Trommeln nicht nur die Vorfahren unserer wackern MilitärchOre, deren Mitglieder noch heute ordonanzmäfiig, aber nicht im verächtlichen Sinne Spielleute heißen, sondern auch die Pioniere unserer hoch- gestiegenen Koncert- und Theatermusik. Kapitel XVII. Fortleben der alten Volksreigen im Kinderspiel Als die Reigentänze von den Erwachsenen aufgegeben wurden, gingen ide auf das Kinderspiel über. Die Ringel tanze unserer Kinder, worin noch jetzt die Sommerlust der kleinen Mädchen in Dorf und Stadt, auf Wiese und Anger hauptsächlich besteht, sind unbezweifelt noch der dürftige Nachhall der deutschen Frühlingsspiele mit Gesang und Tanz. Die gründliche Myihenforsehung durch J. Qrimm, Simrock, MüUenhoff, Rochholz, Wolf, W. Mannhardt u. A. hat unwiderleglich nachgewiesen, dass viele Kinderreime und Kinderspiele dem Heidenthum ihre Entstehung zu verdanken und im Laufe der Zeit wohl Umbildung erfahren haben, dennoch aber heidnische Anschauungen bewahren und zur deutschen Göttersage in Beziehung stehen. Der scheinbare Unsinn erweist sich bei näherer Betrachtung als goldener Schlüssel zu einer der zahlreichen Pforten, die zur fernen Vergangenheit zurückführen. Zu den zahlreichen Kinderliedem mit mythischen Zügen gehören: a) die Nornenlieder, darinnen drei Jungfrauen (drei Marien) spinnen. Die drei SchicksalsgOttinnen (Nomen) sind nicht zu verkennen (Qrimm, Mythologie 388) ; — b) die Holdalieder, welche auf den Sonnendienst hinweisen; — c) die Regen- und Sonnenliedchen, in denen an die Stelle des Donner- und Regengottes Donar der Heiland getreten ist, enthalten beinahe alle noch heidnische Züge; — d) Hauskobolde und Zauberinnen (z. B. der tanzende Butzemann, der lachende Kobold, der Peter HoU) spuken noch in manchen Kinderreimen ; — e) viele Anreden an Thiere, die ursprünglich den heidnischen Göttern heilig Digitized by Google 293 waren und später dem christlichen Qott und der Jungfrau Maria geweiht wurden, enthalten uralte Erinnerungen. So z. B. der Reim an den Sonnenkäfer oder das Frauenkühlein, welches der Freia, der Göttin des heitern Lufthimmels, der Liebe und Fruchtbarkeit, heilig war. Ebenso sind mythischer Natur die vielen Anreden und Rufe an den Kuckuck, den Frühlingsverkünder, der zugleich die Qabe der Weissagung besaß. Desgleichen an den Storch, der sonst far einen heiligen Vogel (Herrgottsvogel) galt, sowie an die Schwalbe, an die Qlücks spinne, an den Marienkäfer, an den Nix in der Grube. — f ) In den Jahres- und Ansingliedern bei Umzügen ist uralter Stoff vorhanden , aber bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und verdreht. — g) Viele Kinderreigen sind voller heidnischer Anklänge. Besonders sind die Spiele von Frau Holle (Rose) Überbleibsel unserer ältesten Poesie, in wenig veränderter Umdichtung. Betrachten wir für unsem Zweck die Ringeltänze der Kinder genauer. Die Annahme, dass in vielen Kinderreigen noch heidnische Dichtungen zu erkennen sind, wird durch ihre chorische und hymnische Form unterstützt, da diese die älteste Art deutscher Dichtung, ja überhaupt Tanz mit Poesie verbunden der Anfang aller Götteranbetung und aller Poesie bei allen Völkern gewesen und bei manchen es noch ist. Auffallend ist die Übereinstimmung und weite Verbreitung dieser Texte in Nord und Süd, Venu auch in verschiedenen Dialekten ; das lässt auf hohes Alterthum solcher Texte schließen. Ein guter Theil dieser Ringelreihen bt mythischen Inhalts. Zuweilen sind die mythischen Anklänge darin klar, zuweilen sehr verdunkelt in den Texten ausgesprochen. Nur einige Andeutungen der mythischen Grundlage mögen hier Platz finden. So z. B. war es alter Glaube, das himmlische Lichtreich, darin die Seelen wohnen, sei nicht allzeit offen, sondern zu Zeiten verschlossen. Namentlich waren es die Dämonen des Winters, welche die Göttin Holda sammt den Seelen gefangen hielten. Im Frühling wurde die Göttin befreit. Erinnerungen daran sind in dem weitverbreiteten, vielfach varürten Ringelreihen »Ringel, Ringel, tale ringen« (S. 303) aufbewahrt. — Das so oft erwähnte Spinnen deutet entschieden auf die dem Ackerbau und dem Spinnen vorstehende Göttin Holda oder Berchta. Nach siebenjährigem Spinnen (d. i. nach siebenmonatlichem Walten der Göttin Holda und ihrer Gefährten : »siebe Johr g'spunne, acht Johre Sunnea S. 298) dreht sich der Kreis der Spielenden (symbolisch die Sonnenscheibe darstellend) herum, d. h. nach Winters Eis und Schnee folgt die Sonne und der Frühling. — Der zum Kettenspiel gebrauchte Löwenzahn heißt in der Schweiz (Aargau) noch jetzt Sonnenwirbel, und diese Pflanze hat mit Recht in dem alten Früh- lingsreigen, der die Sonnenwende und den Sonnendienst darstellte, ihren Platz gefunden. — Das Steigen auf den HoUunderbusch (HoUerbusch) in Verbin- dung gebracht mit dem Schneien ist wieder heidnische Rückerinnerung : Frau Holla (davon HoUabusch) ist die Frigga,die am Fest der Wintersonnenwende umherzog. Wenn sie ihre Bettfedem schüttelt, so schneit es," erzählt das Märchen. So sind zweifelsohne in den Ringelreihen der Kinder uns Bruchstücke uralter Frühlings- und Sommerspiele und der Festopfertänze der alten Germanen erhalten. In ihnen haben wir jedenfalls noch Überreste jener Tanz- und Mädchen- lied e r zu erkennen, deren Gebrauch Bonifacius und die Kirchenkoncilien jener Zeit{den neubekehrten Deutschen wiederholt untersagten. Andere Kinderspiele waren ursprünglich nichts anderes als dramatisch dargestellte Scenen der Göttersage. Dahin gehört z. B. Prinzessin erlösen Digitized by GoQgle 294 (Königstöchterlein) , das Nachtfräuleinspiel, die goldene Brücke. Diese dramaüache Gattung der Ringelreigen war reich vertreten, mannigfach gestaltet und hat sich lange im Volk erhalten, bis sie, aus dem Kreise der Erwachsenen geschwunden, verstümmelt in der Kinderwelt ihr Dasein fristete. Das Brückenspiel, das uralt und auf mythische Grundlage zarack> zuführen ist, kennt Fischart als^fauleBrückec ^ Geiler von Keisersberg fühit es in seiner Predigt über die Sünden des Mundes an, wo er sagt : »Woltestu jetst der faulen Brücken springen, als da du zwölff jar alt wärest oder viersehn alt: es wurd dir übel anst6n ; den alten stot nit an als den jungen. c Vermuthlich ist das Brückenspiel ein Überrest altheidnischer Osterspiele; daran gemahnt das Osterthor S. 305. Andere Deutungen bringt Rochholz (alemann. Kinderspiel 375), sowie Mannhardt (in Wolfs Zeitschrift für Mythologie II, 190. 301. 385) und Simrock (Mythologie 21. 254). Nach Mannhardt's eingehenden Unteisuchungen bezieht sich das in ganz Deutschland gekannte Brückenspiel auf den Heidengkuben von dem Ritte der Todten in das umgitterte Reich der Halja und über die Todtenbrücke. Wieder andere Kinderspiele sind dramatisirte Thier fabeln, i. B. ider Fuchs geht rum«, »Fuchs, du hast die Gans gestohlen« etc. Endlich giebt es eine gproße Zahl von Kinderreigen, die aus altgem^anischen Gebräuchen bei Hochzeiten, Brautwerbung und Frauenkauf übrigge- blieben sind. So z. B. die Reigen mit Wahl eines Liebsten, femer »Es kommt ein Herr aus Nineveha. Nach diesen einleitenden Bemerkungen mag aus meiner großen »Kinderlieder- sammlung« eine Auswahl von Kinderreigen hier folgen. Diese mit Spiel be- gleiteten Reigen der Kinderwelt, rhythmisch geregelt durch halbsingend voi^tragene Worte, geben uns noch heute ein Bild von den altheidnischen Festtanzen und den Volksreigen der Erwachsenen im Mittelalter. A. Ringelreigen mit Niederfallen. (MB. 306.) 1 ] Aus Thüringen und Franken. In vielen Varianten durch ganz Deutschland verbreitet. Der Reim enthält Erinnerungen an Frau Holda. Ringel, Ringel, Reihe I Sitzt 'ne Frau im Ringelein Sind der Kinder dreie, Mit sieben kleinen Kinderlein. Steigen auf den Holderbusch, Was essens gern? Fischelein. Schreien alle : musch, musch, musch! Was trinkens gern? Rothen Wein. [Sitzt nieder I ] [Sitzt nieder I ] Ausführung : Die Kinder fassen sich an den Händen und gehen singend im Kreise herum. Am Schluss lassen sie sich alle zugleich auf den Boden fallen (kauem nieder], wozu sie lachen und dann das Spiel von Neuem beginnen. ^ 2) Aus Oberfranken. (Bavaria m, 282.) Auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. 1 Qargantua 77^ : »der faulen brücken spielen.« 2 Gräter, Bragur HI (1796), 245. Wunderhom IH, 444. Grimm, Kindermärchen (1819) U, S. 15. Digitized by Google 295 Ringel, Ringel, Rosenkranz 1 .Sets ein Töpfchen Wassei bei, Morgen woll'n mer waschen Große Wäsche, kleine Wäsche, Allerhand gar feine Wäsche, Kickerikiki I 3) Aus Oldenburg. (Oldenburgische Kinderreime 35.) Ringel rangel Rosenkranz, Fuchsschwanz. Mädchen, hole Wasser, Gieß es in den Kessel. Wenn der Kessel umme^lt, So fall'n wir allzusammen. 4} Vielfach aus Thüringen und Sachsen. Bauer, baue Kessel! Morgen wird es besser ; Trägt die Braut das Wasser ein, Pautz, üftllt der ganze Kessel ein. 5) Aus Schleswig-Holstein. (Müllenhoff, S. 484.) Ringeltanz, Rosenkranz I De Kätel (Kessel) hang to Fürre (am Feuer) , De Jungfern sind so dürre (theuer) ; Gesellen sint to goden Koep (leicht zu kaufen), Dat se op de Straten loept (laufen) . Moder, gift my 'n Klöckschen (GlOckchen), Dat hung ik an myn Röckschen : Faeg (kehr) ik dann de Straten daer (die Straßen dort) , Loept de Gesellen achter (hinter) my haer. Da sä (sagt) dat Klöckschen : Kling ! Ausführung : Die tanzenden Kinder bilden einen Kreis und bewegen sich singend in die Runde. Bei dem letzten Worte hocken alle nieder. Lange Reihe. Die Mädchen ziehen in einer langen Reihe die Straßen auf und ab und singen (MB. 307) : a) Lange, lange Rige, b) Lange, lange Riege, Twintig is ne Stige, Twintig is ne Stiege, Dartig is en Rosenkranz, Dartig is 'n Rosenkranz, Veertig is en Jumfemdanz, Veertig is 'n Jumferdanz, Klingelklang. ^ Jumfern möt (muß) sik ni e g e n 1 ^ c) Roze, roze, meie, Twintig in de steye (reie) , Dertig in de rozenkranz, Veertig in de mooie meisjesdans. Alle jttffertjes nijgen ofknielen.3 * Oldenburgiache Kinderreime 35. ^ Oldenburgische Kinderreime 56. 3 Bei dem letzten Worte fallen alle Mädchen auf die Kniee. Holländisch. Dr. Kalff, Het lied in de middle euwen 526. Digitized by Google 296 Sonnen- und Begenliedchen. a) Als Ringelreihen der Kinder im BergiBchen : Blaue, blaue Wolken! Marie hat gemolken Sieben Küh in einem Stall. Jungfer Katharina. ^ ! I b) Chorreigen der Pressburger Kinder beim Regen. i Liabi Frau, machs Thürl auf, Laß die liabi Sunn herauf, Lftß in Regen drtna, LÄÜ in Schnee verbrina. D* Engeln sitzen hintern Brunn, Wart'n auf die liabi Sunn. (Kommt die Sonne hervor , so fBllt der tanzende Kinderkreis nieder und singt :) Sunn, Sunn kommt, D'Engarln falln in'n Brunnen.^ Nach Engelland fahren. Beim Ringeltanz von Kindern gesungen. Engelland ist hier das mythische Land der Elfen, der Glasberg, der Aufenthalt der Verstorbenen, das Paradies mit dem goldenen Schlosse. a) Aus Köln und Umgegend. (Firmenich, Qermaniens Völkerstimmen I, 460. Weyden, Köln S. 82.) Krune Krane (Kranich), Weiße Schwane I Wer well met no Engelland fahren? Engelland es geschlossen, Der Schlössel es zerbrochen, Wann kriege mer neue Schlössel? Wann dat Könche rief (Kömlein reif) es. Wann de Mall stief es, Wann der Maller mahle kann, Wann der Backe backe kann, (Wann et Mädchen freie kann) . Lieschen op de Plante (Grase), L6ß dat Pöppchen' danze ! Danz, danz, Lingekiddel, Morge katt (kommt) der Spilhnann widder. » Erk II, 3, 44. 2 Aus Pressburg. Wolfs Zeitschrift für Mythologie II, 192. Mannhardt 255. Digitized by Google 297 b) Umgegend ▼on£lberfeld. (Finnenichl, 426. MannhaTdt328. Erk 11, 2,42.) Krone Krane swikle Swanel Mone dann wo fi no Engelland fahren. Engelland es geschl6ten, De Schöttel es tebr6ken. Wo B6fü 'n dann wier mäken? Met Beenekes, met Steenekes. Krupe dörch alleenekes ! B. Ringeltanz mit Umkehr. a) Mündlich aus Thüringen 1840. Ringel, Ringel, Rosenkranz! Wir treten auf die Kette, Dass die Kette klingen soU. Klar, klar wie ein Haar, Hat gesponnen sieben Jahr, Sieben Jahr sind um und um, Jungfer Anna dreht sich um. b) Aus Leipzig, bei Mannhardt 513. Ringel, Ringel, Rosenkranz! Fuchsschwanz Saß auf einer Weide, Spann so klar wie Seide ; So klar, wie ein Haar, Spann wohl über sieben Jahr. Sieben Jahr sind um und um : Alte Hexe, dreh dich uml c) Aus Dresden 1871. Ringel, Ringel, Rosenkranz! Wir treten auf die Kette, Dass die Kette klingen soll. So klar, wie ein Haar Hat gesponnen sieben Jahr. Sieben Jahr sind um. Dreht sich Fräulein (Martha) um. Wie sie sich hat umgedreht. Hat ihr Liebster *nen Kranz beschert. d) Aus Schwaben. (Meier 379.) Wir gehen um die Kette, Spießglas-Glätte. Die Kette soll sich schlingen, Welches ist die schönste Jungfer Unter diesem Ringelein? Digitized by Google 298 Jetzt rufen alle den Namen der Schönsten aus; die Bezeiohnete muBS sich um- kehren und man singt weiter : Jungfer N. N. kehrt sich um, Kehrt sich dreimal um und um. Bis die Jungfrau wieder kommt Aus der Erden, aus der Erden, Morgen wird es besser werden. Die Spielenden stehen im Kreise und singen, Hand in Hand umhergehend, diese Verse. Zum Schluss muss ein Kind sich so drehen, dass es den Kücken nach dem Innern des Kreises kehrt. Sind auf diese Weise alle Kinder mit dem Ge- sicht nach außen gekehrt, so wird das Spiel so lange fortgesetzt, bis Alle wieder sich nach innen kehren. Zu jeder Umkehr, welche der Reihe nach erfolgt, wer- den die Keime gesungen. e) Kingeltanz im Aar g au. Zur Frühlingszeit fügen die Kinder im Aargau die hohlen Stengel des Löwenzahns (Tarazacum pratense) zu einer Kette zusammen, so groß als der Kreis zum Kingeltanze werden soll. Dabei singen sie : Trettet zue, trettet zue, Sparet nit di nüe Schueh! Trettet MdasChettemli (Kette) , Daß es soll erklingle, Wer die schönste Jungfre sig I dem ganze Kingle. Ein Tag Kise, zwei Tag Ise, Drei Tag Kumpedipum, N. N. (Ida Müller) kehr dich uml Ida hat sich umgekehrt. Hat der Chatz den Schwanz üszert. Siebe Johr g'spunne, Acht Johre Sunne, Nun m61 Kumpedipum, Kehr dich no-ne-malen um. Bis N. N. (der Fritze) zu dir kumt. So geht das Singen und Umdrehen fort , bis Alle das Gesicht nach außen gekehrt haben. Sodann heißt es : Mer haVn uns alle rüm gedreht Un hab'n an Kranz mit Blumen beschert ; Ei so klor, wie a Hoor, Hot gelebt sieben Johr ; Sieben Johr sinn rüm, M'r drehn uns Alle rüm 1 Jetzt drehen sich alle Kinder mit einem Male wieder so, dass sie mit dem Gesicht« in den Kreis sehen. Das Spiel kann wieder von Neuem beginnen. [Kochholz 467.] f) Keihentanz im Oberharzer Bergdorfe Lerbach zum Johannistag. Dort schmückt die erwachsene Jugend große Tannenbäume mit Blumen und bemalten Eiern und führt um sie Abe n ds einen Tan z auf, zu welchem man die Worte singt: Digitized by Google 299 Die Jungfer hat sich umgedreht, So rar wie ein Haar, So klein Hühnerlein. Dreißig, vierzig, fünfzig Jahr, Die Jungfrau wandt aich um. Bemerkenswerth ist, dass hierorts der Reihentanz (im Inhalt dem Hingelreihen der Kinder ähnlich) noch immer mit der Sommer feier verbunden erscheint, deren Verherrlichung ursprünglich der Text galt. Wir haben also in diesem Liedchen den Beweis , dass dieses und die ihm ähnlichen Tanzlieder ursprünglich zum Be- grüßen des Frühlings und Sommers dienten . [Wolf, Zeitschrift für Mythologie 1,81.] C. Ringelreihen mit Liebeswerbung und Wahl. (MB. 308.) aj Es regnet auf der Brücke b) Es regnet auf der Brücken, Und es ward nass. Das war nass ; . Ich hatte was vergessen. Es hat mich was verdrossen. Und weiß nicht was ! Ich weiß wohl was 1 »Schönster Schatz , komm *rein zu mir, Herziger Schatz, komm *rein zu mir I Sein keine schönere Leut als wir« — ^ Sind gar schöne Leut dahier. Ei ja freilich I — Juhe, freu dich ! Wer ich bin der bleib ich, Wem ich bin, dem bleib ich. Bleib ich wer ich bin. Adje, mein Kind I Adje, mein Kindl [Im Elsass, Stöber 60.] [Aus Sachsen, ähnlich in Berlin.] Ausführung : Ein Kind steht mitten im Kreise , der singend sich bewegt. Bei der Stelle »Schönster Schatz« erfasst dieses Kind ein zweites und tanzt mit ihm herum. Das zuletzt eingetretene Kind bleibt nun im Kreise stehen und das Spiel wiederholt sich beliebige Mal. c) Aus Niederdeutschland (Oldenburgische Kinderreime 35 , Bremer Kinder- reime 29]. Die Mädchen bilden einen Kreis, fassen sich an den Händen und singen immer herumgehend : Es regnet auf der Brücke Und alles das war nass ; Es hat mich was verdrossen, Ich weiß wol was. Nun tanzen sie paarweise, indem sie singen : Komm tanz mit mir, komm tanz mit mir ! Ich hab *ne bunte Schürze für. Mit mi ook, mit ml ook, Miene is van Kammerdook.a^ 1 Überraschend ist die Ähnlichkeit dieses Tanzliedcheos der Kinder mit einem vor mehr als 300 Jahren von der erwachsenen Jugend gesungenen : Jung&aw in dem roten rock, kombt her zu mir! es sein nit hübscher leute hie dann ich und ir! (Schmeltsels Quodlibet 1544, Nr. 7.) ^ Kammertuch hieß die zur Ausstattung einer Braut gehörige gute Leinwand. Die letzten vier Zeilen sind als Tanzreim auch in der Provinz Sachsen, im Meißnischen und am Khein (Simrock 851) gekannt. Digitized by Google 300 Blauer Fingerhut. Um ein in der Mitte stehendes Mädchen bewegt sich ein Kieis und singt : a) Blauer, blauer Fingerhut Steht dem Mftdchen gar su gut. Mädchen, willst du tauen? Dreimal, dreimal um sich sehn Und sich Eine wählen. [Mündlich aus Dresden 1873.] b) B16 bl6 Fingerh6t, Hätt' mer Jeld, dat war j6t, Blumen alle Dage. Jungfer, sie muss stille stöhn, Bis mer dreimal um sie gohn. Jungfer, sie muss danze In einem großen Kranze. Krieg, wen do krieg kanns 1 [Köln vor 50 Jahren, S. 82. Simrock 847.] c) Blauer, blauer Fingerhut, Hast das ganze Erdengut. Jungfer, sie muss tanzen Mit dem grünen Kranze. Jungfer, sie muss stille stehn. Um sich dreimal umzudrehn I Dabei dreht sich das in der Mitte des geschlossenen Kreises stehende Mädchen dreimal um, und geht innerhalb des Kreises an die Mitspielenden hin und spricht : Du bist schön, du bist schön. Du bist die Allerschönste 1 Bei diesen Worten berührt sie der Reihe nach die Mädchen. Die zuletzt getroffene muss in den Kreis treten und sie ablösen. [Vogtland. Dunger 327) Köhler 192.] d) Aus Pfullingen in Schwaben (Meier 305). Ein Mädchen wird mitten in den Kreis gestellt, der sie umtanzt und dabei diesen Reim singt : Rosen, Rosen auf unsem Hut Ist das beste Erdengut. Jungfer, sie muss tanzen In einem Rosenkranze 1 Schäflein, Schäflein, kniee dich I [Das Mädchen kniet nieder.] Knie zu deinen Füßen, Dass ich bald verziehen muss. Einen Kuss zu küssen. Küsse, wen du willst 1 Nach letzter Aufforderung steht das Mädchen auf, um eine Andere zu küssen, die dann ihre Stelle in des Kreises Mitte einnehmen muss. Digitized by Google 301 e) Mädchenspiel im Eisaas (StOber 61). Alle Kinder, bis auf eins, schließen einen Kreis und tanzen : Rose, Rose reine, Schicke sie mir eine 1 »Ach was soll ich. schicke ?t £ Rösel und e Wicke. »Nehme sie die Wähle, Welche ihr gefalle.« Nimm die Jungfer bei der Hand, Fahr sie in den Rosenkrans. Bei den zwei letzten Worten nimmt das im Centrum stehende Kind ein anderes bei der Hand und zieht es herein. So geht das weiter, bis die Zahl der im Rei- hen stehenden Kinder so groß wird, dass derselbe sie nicht mehr umfassen kann. Siiigelreiheii mit Wahl. a) Danz mi mal den Fidelfumfei, Krischan Meyer, mien liebster Frund, Fidelfumfei, mien Schwager 1 Krieg mi achter bi'n Kragen ; Wer is hier in dissem Kranz, Kumt he nich, so hal ich een Da mi kann behagen? Mit twee beslagnen Wagen. »Krischan Meyer (u. s.w.)« [Bremer Kinderreime 58.] b) Danz mal um den Fidelumfei, Fidelumfei, mien Swagerl Is daar Nüms in dissen Kranz, De mi kann behagen? Kumstu nig, so haal ik di Up dre beslagnen Wagen. [Oldenburgische Kinderreime 33.] Ausführung : Die Mädchen stehen im Kreise ; eins geht um denselben herum und singt diesen Reim. Dann nimmt es eins der im Kreise stehenden Mädchen, das sich ihm anschließt und es hinten am Kleide fassen muss. Dieses zweite Kind singt nun den obigen Reim und holt sich eine Genossin heraus, und so fort. Überrest eines Sonnenwendfest-Reigens, der Form nach ein kleiner Lieich, ist Den Sehatz sueheiu a) Aus Schleswig-Holstein. (Müllenhoff 485.) Jammer, Jammer hin und her, Macht auf, macht auf den Qarten, Über mich zu klagen 1 Ich kann nicht länger warten. Es drückt mein Herze gar zu sehr, Ich muss ihn suchen an diesem Platz — Ich kann es gar nicht sagen. Sieh da, sieh dal da steht mein Schatz. Nun ist all Traurigkeit verschwunden, Hab ich doch mein* Liebsten wieder funden. Mein Lieb und deine, Die küssen sich ja beide. Ausführung : Ein Kind steht außerhalb des Kreises und singt ; bei der Stelle »Macht auf Ic öffnet sich derselbe, das Kind tritt ein, wählt und singt dann den Schlussreim. Digitized by Google 302 b) Aus Oldenburg (OldenburgiBche Einderreime 33). Ein Mfidchen geht nm den Kreis herum und singt trauernd : O Jammer, Jammer h6re zu 1 Und was ich dir will sagen. Ich hab verloren meinen SchatE, Schließt auf, schließt auf den Qarten. Der Kreis öffnet sich, das Mädchen tritt ein : Ich will gehen, um zu sehen, Ob ich ihn kann finden ; Und wenn ich ihn gefunden hab, So fall ich ihm zu Füßen, [sie fällt vor einem andern M&dchen nieder] Um seine Hand zu küssen. Jetzt tritt das Paar wieder aus dem Kreise heraus. Das zweite Kind beginnt nun das Gesangtanzspiel ; das erste hat sich wieder in den Kreis eingereiht. c) Aus den Rheinlanden (Simrock 824) : Hier ist ein Qrün, hier ist ein Qrün Unter meinen Füßen. Ich hab verloren meinen Schatz, Ich werd ihn suchen müssen. Hier und da, hier und da Unter diesen allen. Dieser mit dem bunten Rock Könnte mir gefallen. Dreh dicb um, ich kenn dich nicht, Bist du*s oder bist du*s nicht? Nein, nein, du bist es nicht. Geh nur fort, ich will dich nicht. [Oder:] Ja, ja, du bist es wohl, Der mir ein Küsschen geben soll. d) Aus Köln (Weyden S. 83, Simrock 873): Jammer, Jammer, Jammer 1 Macht mir auf den Garten, Hab verloren meinen Schatz, Dass ich suche meinen Schatz. Ich will gehen und will sehen Freude, Freude, über Freude : Und will suchen meinen Schatz. Hab gefunden meinen Schatz. e) Aus dem Vogtlande (Dunger Nr. 305). Die Kinder bilden einen Kreis mit Ausschluss eines Mitspielenden und singen : Wer steht draußen vor der Thür Und thut so laut anklopfen? [Der draußen Stehende singt :] »Ich bin der Fürst, ich steh dafür, Ich hab drin was zu suchen : Ich hab verloren meinen Schatz Auf diesem Platz, auf diesem Platz. Macht auf, macht auf den Garten It Digitized by Google 303 [Der Suchende wird jetzt in den Kreis eingelassen und singt:] «Hier find ich meinen lieben Schatz, In den ich mich yerliebte. Ich will ihn lieben für und für, Und will ihn nie betrüben. Hier hast du meine rechte Hand Und einen Kuss zum Unterpfand. Macht auf, macht auf den Garten Ic f) Aus dem Ober-Erzgebirge. Liedchen am Johannistage beim Umtanzen des Johannisbaumes , d. h. einer aus vier Stäben bestehenden, mit Kränzen und Blumen umwundenen Pyramide , welche auf der Straße auf ein Tischchen gestellt wird. Abends wird sie mit Lichtem geziert. Die Tänzer sind dabei weiß gekleidet: Wer steht denn draußen Tor der Thflr Und thnt so leise klopfen? JtEa ist der Förster, steht dafür Und hat hier was zu suchen. Ich hab yerloren meinen Schatz, Allhier, allhier auf diesem Platz. Macht auf, macht auf den Garten I Sieh da, sieh da, hier ist mein Schatz, Mit dem ich mich verlobet. Hier hast du meine rechte Hand Und einen Kuss zum Unterpfand, Auf dass du bleibst mein eigen. «^ D. Bingelreihen mit Auflösen des Kreises. Des Königs Töchterlein. a) Ringel, Ringel, tale ringen, - Wer sitzt in diesem Thurme drinnen? »Königs, Königs Töchterlein. a Darf man sie auch anschauen? »Nein, der Thurm ist viel zu hoch, Man muss einen Stein abhauen. c Ausführung : Ein Mädchen kauert sich auf die Erde und zieht ihr Oberkleid über den Kopf in die Höhe. Die mitspielenden Kinder (bis auf eins, das herumgeht) stehen um sie und halten den Rock fest. Das umgehende Kind fragt und erhält vorstehende Antwort. Darauf schlägt es eine der festhaltenden Hände herab und diese lässt vom Rocke. Dann beginnt Frage und Antwort von Neuem. Sind alle Steine gefallen , so läuft das Königstöchterlein den Mitspielenden nach und wer erhascht wird, muss in den Thurm. (Wunderhorn III, 1808, S. 87.) M. Spieß, Aberglaube und Sitten im sächsisohen Ober-Ersgebirge 1862, S. 76. Digitized by Google 304 K&iigstoehter. b) Wer sitt in diflsen bogen Toern l »Dar sitt en Königsdocbier in.« Kann ike de nicb to seen krigen? »Se is so fast yennuret, De Muer de will nicb brftken, De Steene de will nicb stäken.« Enen Steen bräk ik uet. »Beide Ogen fallt di uet.c Nä, nftl Scbaet nicb, (scbadet nicbts) Baet nicb, (bilft nicbts) Steen nnd Been verlaet my. Kling klang kloria, Kumm und folg my acbtema ! Ausfabrung : In der Mitte des Kreises von Tanzenden bockt ein Kind, die Königs- tocbter im Tbunn. Ein anderes (als Vortänxer) stebt außerhalb des Kreises und singt, worauf man antwortet. Bei den letsten Worten erbSlt eine Tänzerin einen Scblag und folgt der Vortänzerin , sie am Kleide fassend. So wird der Tanz fort- gesetzt , bis der Kreis aufgelöst und die Königstocbter beftreit ist. [MüUenboff, S. 485.] Unter dem KönigstOcbterlein kann möglicbenfalls die wäbrend der Winter- monate gefangen gehaltene Qöttin Holda zu versteben sein, die im FrObling be- freit wird; die Dämonen des Winters weicben, das bimmliscbe Licbtreicb wird neu erschlossen. Weniger gesucht, aber doch nicht nachweisbar, bt die Annahme, dass das Spiel sich auf eine sagenhafte Vermauerung irgend einer Königstochter beziehe. Müllenhoff (Sagen und Märchen S. 391) erzählt ein Märchen von Jungfrau Maleen und einer verzauberten Prinzessin. Am Schluss bemerkt er, dass auf dieses oder ein ähnliches Märchen sich der Kinderreim »Kling klang kloriac beziehen könne. Die Termaiierte Konigstoelitor. ' c] Flick de flock de florial Sitzt die Königstochter da. Wir möchten sie gern sehen. j»'S ist eine starke Mauer drum.« Die Mau*r woU'n wir zerbrechen, Die Stein' wollen wir zerstechen. Eine Hand fällt ab. [Mündlich aus Dresden 1871.] d) Flix, flax, florian! Es war einmal eine Königstocbter, Die war ganz vermauert. Mauer muss man brechen, Ziegel muss man stechen. Eine Hand ab. [Aus Brflnn. Wolfs Zeitschrift 4, 364.] Digitized by Google 305 e) Kling, klang, glorial Wer fdtzt in diesem Toria? »Es ist des Königs Töchterlein.a Was trinkt sie gern? Y>£in Ölfischen Wein.« Was isst sie gern? »'n Kuchen fein.« Der Thurm, der Thurm ist viel su hoch, Es muss ein andrer gebauet sein. [Aus Weimar. Mannhardt 497.] f) Ring, Ring, tale Ring! Wer sitzt denn hier in diesem Ding? »Eine kleine Königin Ward so fest vermauert, t Die Mauer woll'n vru stechen, Die Steine wollen wir brechen. Hand weg, Hand wegl [Aus Weißenfels. Mannhardt 493.] Die goldene Brflcke. (Brackenspiel.) a) Zwei Kinder, die sich bei den Hfinden fassen und die Arme hochhalten, bilden eine Pforte, durch welche die andern, sich hintereinander festhaltend und bückend, durchschlüpfen. Der Letste wird von beiden Pförtnern womöglich fest- gehalten und gefangen. Zum Eingang wird gesprochen: Haal up de Bruggen, haal dal (nieder) de Bruggen, Den lesten, den wi fangen De blift dar in behangen. (oder auch :) Dat Osterdoor dat is torbraken. Morgen wollen wi 't wedder maken ; Mit 'n Speigel, mit 'n Dreier — Kruup unner dör, is vol. Der Gefangene wird nun gefragt , zu welcher Partei er gehören wolle und nach seiner Antwort an die betreffende Partei vertheilt. Die Fragen lauten : »Wo wult du hen, na 'n Himmel oder na*r Hölle?« oder: »Wat wult du sien, swarte oder witte Goas (Ziege)?« oder : iHummel hummel Hering, Rummel rummel Stering, Wat wult sien : Haan oder Buk? Buk, Bukt Haan, Haanl Lat de ölen Schelmen gaanl« Die so durch Zufall gebildeten Parteien stellen sich in zwei Ketten, wo Jeder sich fest an seinen Vordermann anklammert, einander gegenüber auf, und die beiden Vordersten, welche sich die Hände reichen, suchen nun jeder die Gegenpartei über B 6 h m e , Oetch. d. TanxM. 20 Digitized by Google 306 einen Strich, der beide Parteien trennt, su sich hinüber su ziehen. Der Über- wundene muss schließlich unter den Tagein (Plumpsäcken) der Sieger Spießruthen laufen. [Bremer Einderreime S. 50.] b) Aus Weida im Vogtland. (Dunger, vogüändische Kinderlieder 299.) Alle: Wir wollen durch die Magdeburger Brücke ziehen. Einer : Sie ist zerbrochen. Alle : Wer hat sie zerbrochen? Einer : Der Goldschmied. Alle : Wir wollen sie wieder bauen lassen. Einer: Was gebt ihr davor? Alle : Die goldne Krone. Einer : Zieht alle durch, zieht alle durch. Der Letzte wird gefangen Mit Spießen und mit Stangen. Bei den letzten Worten wird das zuletzt durchwollende Kind zwischen den nieder- gezogenen Armen (dem Fallgitter der Brücke) gefangen und muss sich entscheiden, ob es zu der Sonne oder dem Monde sich stellen will. Sind alle gefangen und auf beide Seiten vertheilt, so beginnt ein Ringen oder Stemmen zwischen den beiden Parteien. c) Mündlich aus Leipzig: Wir woll'n die Merseburger Brücke baun. Wer hat sie denn zerbrochen? Der Goldsehmid, der Goldschmid Mit seiner jüngsten Tochter. Wir woll*n sie wieder bauen. Was gebt ihr uns zum Lohne? Eine goldne Krone t Zieht alle durch, zieht alle durch. Den Letzten woll'n wir fang'n Mit Spießen und mit Stang n. d) Die Meyersche Brücke. Die Kinder bilden zwei Reihen in gerader Linie, stehen einander gegenüber und haben gegenseitig die Hände angefasst, erhalten sie beständig schwankend und singen dazu : I. Chor. n. Chor. 1. Wir wollen :|: über die Meyersche 1. Sie ist zerbrochen, :|: die Meyersche Brücke. Brücke. 2. Wer hat sie zerbrochen :|: die Meyer- 2. Der Goldschmied :|: mit seiner jüng- sche Brücke. sten Tochter. 3. Wir wollen sie machen :|: die Meyer- 3. Womit denn? :{: die Meyersche sehe Brücke. Brück«. 4. Mit Gestein, mit Gebein, mit rothem 4. Was für Leute seid ihr? Aus welchem Goldelein. Lande kommt ihr? 5 . Wir sind die Herren von Schwarsburg, 5 . Lasst die Herren walten , Wir ziehen durch die Rothenburg. Den letzten wolln wir behalten. Ist dieser Wechselgesang zu Ende, so fängt der I. Chor an, bei dem andern zwischen den aufgehobenen Händen s chlangen w e is durchzukriechen f^X^y^^^/J- Nur die Digitized by Google 307 letsste Person davon wird behalten und dem andern Chor angereiht. Damit wird so lange fortgefahren, bis Niemand mehr vom I. Chor übrig ist. — Das Spiel wurde gewöhnlich zum Kirchweihfest von Kindern gespielt. In den Straßen stand eine Birke aufgepflanzt und vor diesem Baume ein gedeckter Tisch mit Kuchen und Bier besetzt. Der Baum war mit allerlei kleinen Bildern, Bändern und an- gemalten ausgeblasenen Eiern geziert. (Aus Mühlhausen in Thüringen. F. A. Rei- mann, Volksfeste 1837, S. 346.) Die Hlmmelstllflr. (Ein Holda-Liedchen.) Kloppe, kloppe Ringelchen 1 Da kommen zwei arme Kingerchen. Qebt en get un lot se g6n, Dann wird die Himmelsthür offen st6n. Da kümmt Maria Müder Mit dem güldenen Bruder, Hat en StOckelche in der Hand, Da driest se de Wolken mit durch das Land. Wolke, Wolke, lauf! Maria die hat gerufen in. Sieben Küh und einen Strik (Strichelj . linim lamm piokepick. [Aus Wiehl bei Köln. Mannhardt 394.] Ausführung: Zwei stellen die armen Kinderchen vor, zwei andere mit empor- gehobenen Hftnden die Himmelsthür, durch welche jene in den Kreis treten. Hier wählen sie zwei andere , welche durch dieselbe Pforte aus dem Kreise gehen und nun die neuen armen Kinder spielen, während die ersten im Kreis bleiben und die Stelle der erwählten einnehmen. — Mannhardt (Mythen 326) bemerkt : »Diesem Reim liegt die Vorstellung von Holda zu Grunde, die die Kinderseelen auf dem Schöße trägt.« E. Bingelreihen vom Hochzeitmachen. a) Rosmarin und Thymian Wächst in unserm Garten. Wer ein Mädchen freien will, Muss noch lange warten. [Simrock 333.] b) Petersilje, Suppenkraut (Sellerie und Suppenkraut) Wächst in unserm Garten : Jungfer N. N. (Anna) ist die Braut, Soll nicht lang mehr warten. Rother Wein, weißer Wein : Morgen soU die Hochzeit sein. [Mündlich aus Dresden 1870, auch Simrock 332.] 20*^ Digitized by Google 308 c) Peteniljen, Soppenkrüt Wasst in usen Garen, Use Antehen de is Brut, Schall nich lang mehr waren, Dat se na de Karken geit, Un den Rock in Foolen (Falten) aleit. Roen Wien, witten Wien, Morgen schall de Hochtied sien. [Bremer Kinderreime 22.] Stolier Kontg. a] Tanzspiel aus dem VogÜande (Dnnger 311). Eine im Kreise sitzende Spielgenossin wird von Mädchen umtanit, wobei sie singen : Stolzer König, stolzer KOnig, Warum thust du so prahlen? Sieh dich um und schau dich um, Was ist dein Verlangen? Suche dir ein Engelein, Sets es auf dein Knieelein ; Dann noch gieb ihm einen Kuss, Weil es von dir scheiden muss. Beim Wort »Engelein« sucht die drinnen Sitsende ein Mädchen aus und giebt ihm einen Kuss ; die Oeküsste setzt sieh dann in die Mitte. b) Andere Lesart bei Simrock 825 : Herzer König, stolzer König, Jetzt da kommt mein Liebchen *rein, Warum bist du so in Trauer ? Kniet sich auf die Knieelein, Soll ich denn nicht traurig sein ? Jetzo geh ich ihr 'nen Kuss, Ihr setzt einen andern König ein. Weil ich von ihr scheiden muss. Schaut euch um, schaut euch um, Schaut auf eure Mauer. HaferMhneiden. a) Die Spielenden bilden einen Kreis. Eins der Kinder steht in der Mitte ; sie singen : Morgen woll' mer Haber schneiden, Kleine Gftrble binden. Ich hab verloren mein Feinslieb, Wird sich wieder finden. Hier und dort, ein andermal Unter diesen allen I Die ich jetzt mir nehmen soll. Wird mir wohl gefallen. [Oder:] Hier und dort, kein andrer Ort Unter diesen allen I Ei so nimm sie bei der Hand, Sie wird dir gefallen 1 Digitized by Google 309 Der im Kreise stehende wählt sich ein Kind und tanzt mit ihm, während die an- dern singen : Grüne, Qrüne, lauter Qrün, Grüne muss ich leiden ; Wer ein feines Mädchen hat, Muss sich von ihr scheiden. Hierauf trennen sie sich. Das gewählte Kind beginnt das Spiel von neuem. [Dunger, Vogtländische Kinderreime 312.] b) In Schleswig-Holstein (Müllenhoff S. 484) heiDt der Reim so : Morgen schöln wy Ha wer schnyden. »Wer schal uns den binden ?c Dat schal Jungfer Lieschen doen, »Wo schöln wy äer finden?« Hier un daer un allerwegen Unner dissen allen ; Hier heff ik äer allfaet kragen: Do mi den Gefallen ! Ausführung : Eine in der Mitte des Kreises stehende Tänzerin hebt an zu singen, die andern antworten. Am Schlüsse erwählt sie eine, die dann ihre Stelle einnimmt. Braat- und BrftlltIgUIISSpleL (Brautwerbung.) Die Kinder stellen sich in zwei Reihen einander gegenüber auf ; die einen sind die Freier, die andern die Mutter mit ihren Töchtern. Während die Züge gegen- einander rücken, sich verneigen und zurück marschiren, werden folgende Zeilen abwechselnd gesungen : I. Da kommen zwei Herrn aus Lünefeld (Nineveh) . Juchheisasa filadi. n. Was wolln zwei Herrn aus Lünefeld? Juchheisasa filadi. I. Sie wolln die älteste Tochter frein. J. h. f. IL Und wer soll denn der Bräutigam sein? J. h. L I. Das soll der Kaiser selber sein. J. h. f. U. So nehmt sie hin mit Freuden. J. h. f. Auf diese Weise werden aus der IE. Reihe alle nach und nach abgerufen und schließen sich der Seite der Freier an, bis die Mutter allein noch bleibt. Dann singt man : Was wolln sie mit der Mutter thun? Juchheisasa filadi. Sie wolln sie in ein Kloster sperren. J. h. f. Man schließt um sie einen Ring , aber sie entwischt nach irgend einer Seite und man sucht sie zu haschen. [Ans Schleswig^Holstein. Müllenhoff 486.] BrantwerbiiBg. a] Es stehn sich gegenüber : eine Mutter und mehrere Töchter. Zur Mutter kommt jetzt ein Mädchen (das einen Freier darstellt) und sagt: Ich bin daher geritten Mit einem Gäid am Schlitten, Ich möchte die Frau bitten Um ihre allerschönste Tochter. Digitized by Google 310 Die Mutter antwortet : Ich gebe meine allerschönste Tochter nicht aus dem Haus ! Der Zopf ist nicht geflochten, Der Rock ist noch nicht aus dem Schneiderhaus ; Ich gebe meine allerschönste Tochter nicht aus dem Haus. Der Herr sagt hierauf : »Adje !« und will gehen. Die Mutter aber ruft : Bleiben Sie nur dal Der Zopf ist geflochten, Der Rock ist aus dem Schneiderhaus : Ich gebe meine allerschönste Tochter aus dem Haus. Dann fasst die Tochter den Herrn hinten am Rock und er führt sie ab, kommt aber bald wieder und hält auf gleiche Weise um die zweite Tochter an und be- kommt sie gleichfalls. Das wiederholt sich, bis alle Töchter weggeholt sind. Bei jeder Bewerbung muss er aber die früher geholten mitbringen und so hat er zuletzt eine ganze Reihe hinter sich, die ihn am Rock festhält und dann lärmend durch- einander springt. [Aus Pfullingen. Meier 380.] b) Aus Tübingen. (Meier 380.) Freier : Es kommt ein Herr geritten Von Aachen und von Sitten Und bittet um Ihr allerschönstes Töchterlein. Mutter : Ihr Haar ist nicht geflochten, Ihr Kleid ist nicht genäht, Ihr Schuhe sind nicht gewichset, Komm Sie in einem halben Jahr. Nach einem Weilchen kommt der Herr wieder und bringt den ersten Spruch noch- mals vor. Die Mutter antwortet jetzt : Ihr Haar ist geflochten, Ihr Kleid ist genäht, Ihre Schuhe sind gewichst. Indem er die Tochter bekommt, ruft diese : Adje, mein liebes Mütterlein. Jetzt komm ich in ein Klösterlein, Da lehrt man mich nähen, stricken, spinnen, Dass meine Finger klingen ; Da haut man mich mit Ruthen, Dass meine Fingerlein bluten. Adje, mein liebes Mütterlein 1 Die Mutter erwidert: »Adje I« — Alles übrige der Ausführung wie vorher. c) Ein upländischer Reihen», die Verlobung darstellend, mag hier einge- schoben werden. Der Chor singt : Aus R Dybeck, Runa 4, 75. Übersetzt von K. Weinhold, Frauen (1851), S. 227. Digitized by Google 311 Es kommt ein Ritter geritten daher, So lustig sollt er reiten. [Refrain :] För hahaha, för nancoia, So lustig sollt er reiten. Der Bursch ist unterdessen in den Kreis getreten, geht auf ein Mädchen zu und singt: Schönste Jungfer, darf ich sie Wohl an das Herse schließen? Das Madchen singt : Und willst mich schließen ans Herze dein, Sollst geben vorher ein Ringelein. Der Bursche : Hier hast du Ring und Verlobungsband, Du sollst mich nicht betrügen. Das Mädchen: Und willst mich schließen ans Herze dein, Sollst mir zuvor geben ein Krönelein. Der Bursche: Hier hast du Krön und Kranz dazu, Du sollst mich nicht betrügen. d} Ein kürzerer Spiel tanz zur Verlobung aus den schwedischen Land- schaften Nerike und Dalekarlien lautet (nach Dybeck, Runa 4, 70, übersetzt von Weinold, Frauen S. 227) : Komm, komm, Maria lieb, und reich mir deine Hand, Hier hast du das Ringelein und um den Arm das Band. Und alle in dem Kreise hier bezeugen mir es laut : Maria hat gelobet hier zu werden meine Braut. e] Ein isländisches Tanzlied, darin der altgermanische Rechtsbrauch des Brautkaufes enthalten ist, muss uns interessiren. Die Mädchen sind in einem Hause versammelt und singen, während ihre liebhaber an die Thüre treten : , Was will Hof und was wiU Alf?' »Stein bietet Hof und Stein bietet Alf.« ,Was bieten alle Bursche Hofs?' »Stein bieten alle Bursche Hofs.« Sic werden höhnisch abgewiesen, gehen fort, kehren zurück; der Gesang beginn in voriger Weise und die Bursche bieten anstatt des Steins jetzt Kupfer zum Brautkauf. Weniger verächtlich abgewiesen, bieten sie zum dritten Male Gold. Da singen die Mädchen : Willkommen Hof I willkommen Alf 1 Willkommen all ihr Bursche Hofs ! Die Männer treten jetzt in das Haus und der Tanz beginnt. [K. Weinhold, Frauen S. 208.] Ein ähnliches Volkslied s. Hoffmann, Schlesische Volkslieder Nr. 98 : »Sind drei draußen, Frau Mutter.« Frage, was sie woll'n, meine Tochter, etc. Digitized by Google 312 F. Der Beihenlauf oder die Schlange. 1 ] Alle Mitglieder einer großem SpielgeseUschaft stehen in einer langen Reihe und fassen sich möglichst fest an den Händen, um das Zerreißen der Kette zu vermeiden. Der Anführer (Vortftnzer) geht in mancherlei schlangen förmigen Windungen hin und her und Alle sind gehalten , dieselben Windungen nach- zulaufen. Dann kr ie cht der Anführer an einer beliebigen Stelle unter den hoch- gehobenen Armen zweier Glieder hindurch und die ihm nachfolgende Kette schlingt auf diese Art einen lebendigen Knoten, bis der letzte durch Handwechseln wieder in die richtige Stellung kommt. Dann heben auch die beiden Ersten ihre Hände zum Thor auf und lassen alle Nachfolgenden durchkriechen, so dass sich ein Kreis darstellt. Hierauf bleibt der Anführer (der Kopf) stehen und gebietet dem Schwänze Halt zu machen, und alle Übrigen laufen so rund um den Mittelpunkt, dass sich die ganze Schlange zu einem lockern Knäuel aufwickelt. Ist der Knäuel vollendet, so rollt er sich in umgekehrter Weise wieder auf, indem sich die im Centrum Stehenden wieder heraus winden und die übrigen nach sich ziehen, ohne dass die Kette zerreißen darf. In Bremen rufen die Kinder bei die- sem Knäulbilden und -lösen : Karkhof, sta feste, de Toom de brikt (Thurm fällt um), De Köster (Küster] steit up'r Kanzel un sprikt. [Bremer Kinderreime S. 60.] 2) Denselben Reihenlauf spielt man in Oldenburg etwas abweichend, wie folgt : Die Kinder stellen sich nebeneinander in eine lange Reihe, Hand in Hand siiigen alle: Es wollt ein Jäger jagen, Kruup (kriech) , Häschen, durch den Busch 1 Dabei kriecht der Erste am rechten Ende der Reihe unter seinem und seines Nebenmannes erhobenen Armen durch; dann kriecht er und sein Nebenmann unter dessen und des dritten Armen durch u. s. f., bis die ganze Reihe aufgewickelt ist und jeder seinem Nachbar zur Linken seine rechte, und dem Nachbar zur Rechten seine linke Hand gereicht hat. Dann wird mit demselben Gesänge die Reihe wieder ab- und in ihre vorige Stellung zurück gewickelt. [Oldenburgische Kinderreime S. 46.] Mit diesen Proben glaube ich die wichtigsten Kinderreigen vorgeführt zu haben, in denen ohne Zweifel Überbleibsel altgermanischer Tanzweise zu er- kennen sind. Digitized by Google 313 Kapitel XYm. Rückblicke und Sdüussbetrachtung. 1. Seit ihrem historischen Bekanntwerden haben die Germanen getanzt; zu ihren Qötterfesten , zur Belebung ihres kriegerischen Muthes, zur festlichen Feier der Hochzeit, selbst zu den Todtenmahlen gehörte der Tanz. Da gab es zur Frahlingszeit (zur Sommer- Sonnenwende] wie zur Julzeit (Winter-Sonnenwende) festliche Aufzüge mit Spiel und Liedern. Bei diesen Naturfesten, die zugleich Gerichtstage und Zeiten für Volksversammlungen waren, wurde zum Beschluss ein Tanz gemacht. Von jener heidnischen Festfeier sind unsere Maifeste und Pfingst- tanze, Johannistänze, Emtefestbräuche, Kirmestänze und Weihnachts-Aufzüge die letzten Überreste. 2. Im Mittelalter ist mehr, aber auch verhältnismäßig ausgelassener, wil- der und roher getanzt worden als heutzutage. Andere Zeiten, andere Sitten I Um die Tanzlust und Tansweise im Mittelalter nicht ungerecht zu beurtheilen, darf man an jene Zeit nicht den Maßstab der modernen Bildung und Sitte anlegen. Das deutsche Volksleben im Mittelalter, bei Ritter, Bürger, Bauer und bei allen weidlich freien Männern jener Tage, hatte in Schimpf und Glimpf eine große Heiter^ keit und Freudigkeit und mischte sogar in seinen sehr würdevoll genommenen Ernst eine Menge kleiner Scherze , Possen und Spaße , wovon uns kaum ein ab- geblasstes Bild überliefert ist^ dessen letzte frische Züge die Noth und das Gebot einer andern Zeit, und zuletzt die löbliche Polizei lange weggewischt haben. Es war das Leben mit allen seinen bunten Spielen der Lust und Thorheit da- mals ziemlich frei unter allem Volk auf Gassen und Märkten, in den Rathssälen der Bürger und Tanzsälen der Ritter und Fürsten, wie auf den offenen Tanzplätzen des Landvolkes zur Kirmes^ und Emtefestzeit und bei Familienfesten, voran der Hochzeit. Bei allen festlichen Gelegenheiten , wo Hoch und Niedrig , Geistlich und Weltlich gleichberechtigt in das fröhliche Getümmel sich mischte, fühlten sich Alle als ein Volk. Es gab überhaupt damals noch ein Gesammtleben des Volkes, das noch nicht durch verschiedene Bildungsgrade und andere vermeinte Standesvorzüge getrennt und zerklüftet war. Darum gab es überhaupt noch Volks- feste, die in Wahrheit unsere verbildete Zeit nicht mehr kennt und trotz aller Anstrengungen wiederherzustellen nicht im Stande sein wird. Die »Völkerjugend«, wo man noch harmlos scherzt, singt, springt, tanzt und ohne Standeseitelkeit sich zum fröhlichen Fest durcheinander mischt, ist nun ein für allemal vorüber, wir sind viel zu bedenklich und zu ernst geworden. Wer kann es ändern? O glückliche Zeit der mittelalterlichen Fröhlichkeit I müssen wir aus- rufen, wenn wir die Bilder aller jener Festtänze an uns vorüber ziehen sehen. Wir sind verständiger und anständiger, aber keineswegs besser und glücl^cher geworden. Nach heutigen Begriffen und Anstandsiehren werden wir in den Tanz- liedern jener Zeit Anstößiges genug finden. Man muss aber wissen, dass das in Wirklichkeit sittenstrenge Mittelalter alles frei beim rechten Namen nannte und in Worten nicht so wählerisch war, überhaupt nicht so zimperlich und prüde that, wie unsere Zeit, die es mit den Worten sehr genau nimmt, aber an Sittenrein- heit das Mittelalter gewiss nicht übertrifft. Zu den Rigoristen gehörten die Dichter von Tanzliedern gewiss nicht, wenn sie darin von Burschen und Mäd- chen der sinnlichen Liebe letzten Wunsch begehrlich aussprechen lassen. Damals Digitized by Google 314 starb vor Liebesnoth und Liebesweh nicht leicht Einer oder Eine dahin ; dafür war das Landvolk noch viel zu kernhaft und der Handwerkerstand in den Städten von unserem nur Elend bringenden Fabrikwesen noch unberührt. Der Selbstmord, das Schrecklichste der modernen Überbildung und Folge von socialen Missständen bei Übervölkerung der Gegenwart, war damals beinahe nicht gekannt. Zu solchen Verirrungen , durch moderne Sitten und Unsitten , durch nothwendig gewordene Staatsgesetze über Verheirathung und dem Menschen auferlegte Zurückhaltung der Natur herbeigeführt , war jene Zeit nicht angethan ; dazu war die Luft noch viel zu gesund y Bursche und Mädchen noch nicht stubengelehrt und romanbelesen, sondern naturfrisch, die Lebensweise nahrhaft, der Wein und das Bier noch gut, die Weltanschauung dabei allzeit fröhlich, von Bücherweisheit und Socialistenpredigten noch nicht angesteckt. Vor allem aber war ein fester Stab auf jedem Lebenspfad ein unbegrenztes Qottvertrauen ; dieser religiöse Halt der Alten (wie man auch darüber witzeln mag) war auch ein Förderer der Heiterkeit, die leider unsere Skeptiker und Atheisten nicht kennen und unsre frühreife blasirte Jugend nicht haben kann. Denn wer mit Gott und aller Welt zerfallen ist, wie vermöchte er so recht aus Herzensgrunde fröhlich zu sein? Wer sich vergegenwärtigt, wie die alte Tanzweise, mit Gesang und Spiel ver- bunden, unmittelbar im Volksleben wurzelt, der wird Angesichts der gegenwärtigen Armseligkeit dieses Kunstzweiges begreifen und zugestehen müssen, dass wir keinen Volkstanz im eigentlichen Sinne mehr haben. Wohl giebt es noch ein Volk (d. h. Inbegriff von Hoch und Niedrig mit gemeinsamer Sprache}, aber kein Volk mehr mit gemeinsamer Fühlung und Strebung und gemeinsamen Freuden, darum kein Volk mehr , das zu gemeinsamem fröhlichen Thun und Treiben auf Volksfesten zusammenkäme. Alles ist jetzt durch Kultur und Besitz getrennt, ist Arbeiter oder Kapitalist, Beamter oder Gehorchender; der goldene Mittelstand ist im Niedergang begriffen. Die verschiedenen Stände (das ist der Fluch der Kul- tur) sind nicht mehr zu gemeinsamer Fröhlichkeit, zu gemeinsamen Tanzfesten auf- gelegt. Jeder Stand liebt nur mit Seinesgleichen umzugehen und in geschlossenen Gesellschaften, Vereinen und Klubs zusammenzukommen, und dort wird wohl auch oft noch ein Tänzchen gemacht oder Gesellschafts-Ballfest veranstaltet , der zu- weilen recht amüsant sein kann, aber einen Volkstanz giebt es nicht mehr, weil wir eben kein gemeinsam zum Tanze ziehendes Volk und keine wahren Volksfeste mehr haben. Der heutige deutsche Tanz ist seit langem schon nur ein Genussmittel, man tanzt bloß egoistisch, um s i c h ein Vergnügen zu machen ; im Alterthum und noch bei Italienern und Franzosen im spätem Mittelalter bis jetzt ist er ein Schau- spiel, man tanzt nicht nur um seiner selbst, sondern auch um Anderer willen, um ihnen durch schöne Stellungen und kunstvolle Bewegungen eine Freude zu bereiten. 3. Über die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit des Tanzens ist im Mittel- alter bis auf neuere Zeiten viel gestritten und Unnützes geschrieben, gepredigt und gedruckt worden. Für unsere fortgeschrittene Zeit dünkt es mir unnütz, den Tanz als verwerflich hinstellen zu wollen ; das glaubt doch kein vorurtheilsfreier Mensch mehr. Tanzen soll man allen denen verbieten, die nicht tanzen können, weil sie zu ungeschickt sind, und denen, die nicht tanzen dürfen, weil sie kränk- lich sind. Den armen kranken Sterblichen verbietet die Natur schon selbst, was ihnen unmöglich ist ; auch dem Alter zeigt die Natur die Grenze, wo Spiel und Tanz vorbei ist. Der tanzlustigen Jugend aber lasse man ihr Tanzvergnügen, wenn solches mit Maß und in Ehren geschieht. Der Tanz ist in das Leben so ein- gedrungen und mit dem Leben so verwachsen, wie keine andere Kunst; Digitized by Google 315 noch mehr als Poesie und Musik beherrscht er Vergangenheit und Gegenwart; das kommt daher, weil das Subjekt selbst das bequeme Mittel der Darstellung ist , die Tanzkunst ganz die Mitthätigkeit in Anspruch nimmt und ihren Zauber durch anspruohlose Bewegungen walten lassen kann. Den Tanz aus der mensch- lichen Geselligkeit entfernen und aus der Reihe der Künste streichen wollen, würde Revolution hervorbringen. Er, der für unsere Poesie und Musik ein Förderer und Trftger war, ist für unsere Kultur eine Nothwendigkeit, eine Stütze derselben. 4. Zum Tanze ist durch das ganze Mittelalter bis Anfang des 17. Jahrhunderts gesungen worden, nftnlich so, dass einer vorsang, die Übrigen im Chor ant- worteten oder bloß den Kehrreim (Refrain) sangen. Auch wohl so, dass eine Abthei- lung von Burschen und Mädchen sang, während die andere dazu tanzte. »Das war noch eine löbliche Weise, wozu unsere Liedertafeln jetzt keine Kraft und Lust mehr haben, weil sie zu vornehm und verdrießlich geworden, auch von den vielen abscheulichen Liedern der Jetztzeit ihre Brust zu Schanden gesungen haben, gleich Falstaff, der durch vieles Chorsingen in der Kirche seine Stimme ruinirt hat.«^ 5. Neben dem Tanzgesange gab es frühzeitig auch Spielleute, und es galt für stattlich, Geiger, Pfeifer und Trommler beim Tanz zu haben, die mit dem Gesang abwechselten und einfielen, wenn der Vorsänger geendigt hatte. 6. Der Tanz war zu jeder Zeit der Mode unterworfen. Andere Zeiten, andere Sitten, andere laeder, andere Tänze. Das ist nun einmal der Lauf der Welt und der Kulturgeschichte. Als mit dem Wechsel der Sitten, bedingt durch mächtige Weltereignisse, der zähe konservative Sinn des deutschen Bauern weichen musste, gab er mit seinen altvaterischen Sitten auch seine alte Tansart der Ringelreihen auf. Und was nahm der Deutsche statt der alten einheimischen Tänze auf? Alles, was seine Nachbarn, die Franzosen und Slawen ihm vorpfiffen und vortanzten. Besonders oft und gern hat er nach dem Westen sich geneigt und nach fran- zösischer Pfeife getanzt. Das geschah schon seit jener unseligen Zeit der höfischen Sänger, die nichts weniger als deutsch in ihren Sitten waren, bis auf die Gegenwart, wo der gute Deutsche, durch Fremdländisches Jahrhunderte lang verwöhnt und durch französische Tanzmeister überredet, noch immer Fran9ai8en, Quadrillen, Landers und wie die schönen Pariser Säohelchen alle heißen, mit Vorliebe und dünkelhafter Einbildung tanzt, sogar auf Theatern den sittenlosen Cancan sich vortanzen lässt. Noch mehr als der Tanz selbst war die Tanzmusik der Mode unterworfen und schnelles Veralten ihr Schicksal. Wie die Kirchenmusik den höchsten ewigen Zwecken dient, die Tanzmusik dagegen der bunten, lachenden, vorüber- gaukelnden vergänglichen Lust der Welt sich darbietet: eben darum ist jener auch das längste, dieser das kürzeste Leben beschieden. Ach wie bald sind doch die galanten Musikstücke veraltet und verschollen. Sieht man einmal einen Stoß socher weiland beliebten und belobten Hefte voll Tanzmusik durch, so fühlt man sich von dem unheimlichen Gefühl erfasst: wie alle Lust und Herrlichkeit der Welt so rasch vorüberklingelt und von all der bunten Pracht nichts zurück- bleibt als ein ödes caput mortuum, hinter dem das leere Nichts schwarz heraus- gähnt. Es ist, als wenn aus den wieder hervorgezogenen Heften von Ecossaisen, alten Walzern etc. ein kalter Hauch uns schaudernd anwehte. Hat man da das Schicksal, das baldige Veralten der Tanzmusik vor Augen, dann fühlt man erst ganz, wie ungleich höher doch gute ernste Musik steht. 1 Dr. E. Krüger, System der Tonkunst, 1866, S. 247. Digitized by Google 316 Am Schlüsse meines Buches kann ich mir es nicht versagen, auf die M&ngel des modernen Tanses hinzuweisen. 7. Unser Gesellsohaftstanz ist su rasch, unschön und sogar gesund- heitsgefährlich. Leider sind M. G. Saphirs Worte, die er um 1845 nieder- schrieb, nur zu wahr : »Es ist jetzt nicht mehr ein Tanzen, es ist ein Rasen, eine Arbeit, ein Frohndienst, ein Oliederzappeln, eine systematische Epilepsie, eine Veitswuth, eine galvanisch-musikalische Verzückung. . . . Man hat früher auch getanzt, aber man hat mit mehr Moderation getanzt als jetzt ; das Frauenzimmer blieb immer in den Schranken der Grazie, der weiblichen Decenz . . ., jetzt aber hört das Mftdchen auf zum schönen Geschlecht zu gehören, sowie es anfängt zu tanzen. Es glaubt, es wSre für den Tanz erfunden worden; keinen Augenblick der Zwischenmh . . . austanzen, nebenbei toben, wirbeln wie die Windhosen, hoppeln wie die Grasmücken, springen wie die Heuschrecken, galoppiren wie die Mecklenburger Renner, schleifen wie die Wettschlitten. c Alfred Waldau (böh- mische Nationaltftnse II, 38} setzt über unsere moderne Tanzerei hinzu : »Die englische Mode umstrickt uns immer mehr und mehr mit mächtiger Hand und führt die Muse Terpsichore unter die Jockeys, die ihre Reigentänze mit ihnen in Gestalt von Parforcejagden zuschneidet.« In Griechenland betrachtete man den Tanz (nebst Musik und Poesie) als einen nothwendigenTheil der Jugenderziehung, als Regulator und Moderator der mensch- lichen Leidenschaften. Deshalb wurde im Hause, bei öffentlichen Festen und Theatern viel getanzt , und in diesen Tänzen wurden Sitten , Leidenschaften und Handlungen der Menschen durch Gebärden ausgedrückt und diese dem Takte der Musik und den Worten der Poesie des darstellenden Schauspielers angepasst. Die Griechen brachten ihre Tanzkunst (Orchestik) zu einem hohen Grade der Vollkom- menheit. Was aber ihnen der Tanz war , eine Läuterung des Sinnes für schöne Formen und eine Ausbildung des Körpers zur Grazie und Kraft , oder was er bei den Römern galt, ein Waffentanz zur Stärkung der Tapferkeit und zur Verherr- lichung der Triumphe : das alles ist der Tanz des civilisirten Europas größtentheils nicht mehr. Die guten alten langsamen Tänze der frühem Zeit, wenn auch zopfig, so doch wenigstens die Gesundheit unangetastet lassend , sind überall verachtet und kaum noch gekannt, oder unsere raschlebige Zeit hat sie in Galopp-Tempo umgesetzt, um der lebenden Dampfmaschine, Mensch genannt, genug zu thun. Es giebt nur noch groteske Raserei, Wirbel und Sprünge, welche den ruhig beobachtenden Freund von Sitte und Schönheitssinn mehr an die der Vernunft entwöhnten In- sassen des Irrenhauses gemahnen. Es ist schreckenerregend, eine Anzahl flor- umhüllter Frauenzimmer und schwarzbefrackter Jünglinge keuchend durch den Saal galoppiren zu sehen, wie sie mit geknickten Beinen und verdrehten Augen bei einem Wiener- Schnellwalzer oder Galopp sich abarbeiten. iWeil das weibliche Geschlecht (meint der Witzbold Saphir) nicht in den Krieg zieht, so hat die Kunst das Tanzen erfunden, um ihre Überzahl zu verringern.« 8. In den Tanzsalons der höhern Stände giebt es wenig Natur und Grazie, wohl aber viel Steifheit und Verzerrung in den vom Tanzmeister eingeübten Tanzmanieren und erschreckliche Langeweile auf den Gesichtern bei den Tanz- gesellschaften zu lesen. Darum verfielen die Wiener auf die Rückkehr zur Natur und inscenirten 1884 den Digitized by Google 317 Baaernball.^ Fnns Hille sekreibt im Wiener «Sonn- und Feiertags -Courieic: »Es ist wahr, man kann die Langeweile nicht prachtvoller in Scene setzen , als es auf unseren grofien Bällen geschieht; aber hört sie deswegen auf, Langeweile su sein? Zum Tansen ist kein Raum, zur Konversation keine Q^egenheit; wozu geht man also eigentlich auf einen Ball? Um sich drei Stunden lang drängen und stofien zu lassen und dabei vor Dunst und Hitze zu verschmachten? Ein schönes Vergnügen in der That, das dafür steht, dass man seiner Frau und Tochter Ball- kleider um fünfhundert Qulden, wenn man reich ist, und um zweitausend Gulden, wenn man es seheinen will, machen lässt, dass vierzehn Tage lang die ganze Woh- nung wie eine Schneiderwerkstatt aussieht und dass man zuletzt noch einen Fa- mUienkatarrh mit nach Hause bringt, wenn nicht gar eine Lungenentzündung I «Als die jungen Mädchen noch in weiAen Tarlatankleidchen zum Tanze gingen und keinen anderen Putz brauchten , als ihre Jugend und Schönheit, da waren die Bälle noch etwas Anderes, als steife Industrie-Ausstellungen, auf denen nur die Kostbarkeit der Schleppe und der Preis der Diamanten bei der Zuerkennung der Prämie den Ausschlag giebt. Diesen schweren Roben sieht man es schon von Weitem an, dass sie nicht für das Tanzen gemacht sind, und diese hoohmüthigen Blicke eingebildeter Oeldmakler-Frauen verkündigen Jedem , dass auch in diesen heiteren Hallen nichts Anderes als das goldene Kalb angebetet wird. Wie sie ein- ander hinauf- oder hinabsehen, je nachdem Eines mehr oder weniger als das Andere hati Es ist zum TodÜachen, und das ist die einzige Unterhaltung, die man sich auf diesen so prachtstrotzenden und doch so armseligen Festen verschaffen kann. »Aber deshalb darf man nicht glauben, das Unterhaltungsbedürfnis der Mensch- heit sei ausgestorben. Die munteren Augen der jungen Damen empören sich deut- lich genug gegen die steife (Grandezza, in die man sie einzwängt und selbst die Alten hätten vielleicht Nichts dagegen, wenn auf einmal die Schranken der Eti- quette zusammenbrächen und der »Cameval von Venedig« hineinfahren wollte in die gähnende QeseUschaft. Was sind die lustigen Bauernbälle , die jetzt so sehr in die Mode kommen, wohl Anderes, als eine energische Reaction gegen die tödt- liche Langeweile der großen Repräsentations-Bälle. Man fühlt sich wie neugeboren in dem bäuerlichen Kostüm, weil man damit zugleich die protzige Steifheit von sich wirft, welche die Besucher unserer Ballfeste zu wahren Märtyrern des Ver- gnügens macht. Drehn sie sich nicht wie rasend im Kreise herum, diese improvi- sirten Bauern und Bäuerinnen , lachen und scherzen sie nicht vde die Kinder und drücken sie einander nicht sogar in der Hitze des Gefechtes manches herzhafte Busserl auf? Damit revanchiren sie sich für die noble Langeweile, die sie als vor- nehme Städter im Musikvereins- und Logensaale ausstehen mussten. Alles ist wie ausgewechselt. Aus den blasirten jungen Herrn sind lustige BuaVn, aus den prü- den Fräuleins sind fesche Dimdl'n geworden , an denen selbst Anzengruber seine Freude haben müsste. »Und so hilft sich der Mensch zuletzt immer selber wieder , wenn es zu arg wird mit dem Druck und Zwang. Ja, diese BauembäUe sind nichts mehr und nichts weniger als eine sociale Revolution mit dem Feldgeschrei : Tod der Ball- Langeweile 1 Ohne Verschwörung hat die gemaßregelte Jugend instinktmäfiig das > Wa« hier die Wiener bürfi;erliche Gesellschaft reagierend gegen Ball-Langeweile thut, iflt ^anz ähnlich dem, was im 17. und 18. Jahrhundert als Wirthschaften die Höfe in Osterreich und Sachsen zur Abwechslung liebten und übten (s. S. 144). Digitized by Google 318 Mittel gefunden , den verhassten Zwang abzuschütteln. Aub Puppen sind wieder Menschen geworden. Und so stehen wir denn jetzt am Vorabende großer Ereig- nisse. Bald wird der Unterhaltungsteufel in die ganze ▼omehme Gesellschaft fahren und wer weiß, ob es noch lange dauert, dass sogar aus dem stoben Ballfest der Industriellen ein pudelnärrischer Bauemball wird. Zuletzt wird man sich sagen : Warum sollten sich denn just nur die Bauern amüsiren dürfen? Was »unsern bra- ven Landleuten« gestattet ist, das können wir noch bravere Städter uns wohl auch erlauben , und so wird man das Bauemkostüm , nachdem es seinen Zweck erfüllt hat, wieder abwerfen und auf den feinen Bällen gerade so ungenirt und lustig thun, als ob es Bauembälle wären. Dann kommen vielleicht auch die weißen Tarlatan- kleidchen wieder zu Ehren und die Patronessen brauchen nicht mehr eine halbe Million auf sich zu hängen. »O, wie schön wird das seinlt höre ich die tanz-- lustigen jungen Mädchen ausrufen : »Dann ist Lustigkeit keine Schande mehr und Lachen kein Verbrechen« — und schade nur, dass wir 'von so femer , femer Zeit und nicht von morgen, nicht von heute sprechen I'a 9. Wenden wir unsem Blick auf den ländlichen Tanz, so ist von Schönheit der Bewegung, von wahrem Vergnügen doch wahrlich wenig zu spüren. Ein arges Übel hier, dem nicht genug gesteuert werden kann, besteht darin, dass auf öffentlichen Tanzböden an ländlichen Festen fast die ganze Jugend und nebet ihr die Mütter und Ghroßmütter mit einem Haufen kleiner Kinder sieh versammeln und bis tief in die Mittemachtstnnde dem tobenden , lärmenden , oft mit Rauferei oder gar blutiger Schlägerei endigenden Tanze zuschauen. Ein häasliohes Bild und der Volksgesittung nicht eben zuträglich 1 Erst durch strenge Polizeiverbote in neuerer Zeit sind wenigstens die Schulkinder und die heranwachsenden Knaben und Mädchen von 14 — 16 Jahren, so lange sie noch in die Christenlehre (Kate- chismusstunde) gehen oder Lehrbuben sind, vom Tanzboden gänzlich entfernt worden. Und das mit Recht. Was haben aber Mütter mit kleinen Kindern in der staubigen undheißen Luft derTanzböden in späterNaeht zu suchen? Binausmitihnen 1 10. Schauen wir uns zuletzt auf einem gemeinen Tan zb o de n , richtiger in der Tanzkneipe der großem Städte oder deren Umgebung etwas um, wo Sonn- tags die arbeitenden Handwerksleute und Dienstboten ihr Sonntagsveignügen suchen und mit Recht und Billigkeit ihren Antheü an Musik und Tanz verlangen dürfen , so verräth da Alles nur das Niedrige und Sinnlose des modernen Tanz- wesens. Da ist bloß ein Hüpfen, Springen, Drehen, Würgen, Auf- und Nieder- stampfen nach dem Takte zu sehen und eine ungebundene tolle Freude in den glü- henden oder schweißtriefenden Gesichtern zu erkennen. Ich liebe jeden Tanz, wos^u Wo aus den Augen Alles glüht, Das Herz die Weise giebt; — Nur eine Seele nicht. Doch lieben werd ich nie den Tanz, Ich liebe jeden Tanz, in dem Wie jetzt die Mod* ihn liebt. Sich malt der Freude Spur ; Den Tanz, wo aus verrenktem Leib Doch einen Tanz, den lieb ich nicht, Verrenkte Sitte spricht. Den Tanz — der Unnatur. 11. Die Tanzweisen sind mit dem großen Fortschritte der Instrumentalmusik vollkommener und schöner, schwunghafter, reizender, überaus luxuriös geworden ; es ist das Süßeste des Süßen, etwas Orisetten- und Lorettenmusik hinein gekommen, prickelnd und frivol. So ist die Musik auch auf dem gewöhnlichen Tanzboden allsonntäglich in größeren Städten. Weil aber die Tanzmusik gerade, mehr als jede andere, auf die niedem Schichten des Volks wirkt, das seine liebste musikalische Nahrung vom Tanzboden Digitized by Google 319 holt und lange Zeit festhält , so haben die kokett-lüstemen Opemmelodien und Opemtänze auch nicht verfehlt, einen entsittlichenden Einfluss auf das Volk auszuüben. Zwar ist das nicht von der Statistik mit Ziffern nachzuweisen, doch von denkenden Männern längst zugestanden worden. Der Verfallunserer ländlichenTanzmusik, so aufgeputzt effektvoll , sirenenhaf t hinreißend sie auch erscheint, ist gerade deshalb zu beklagen. Die Tanzmusik ist ihrem deutschen Vaterlande längst untreu geworden und hat längst ihren nationalen Qrundton aufgegeben. Die Texte zum deutschen Tanz sind leider überall in Wegfall gekommen und die alten, gemeinschaftlichen Chor- r eigen haben ganz aufgehört. Das Aufhören der Reigen ist zu beklagen. Nur einige läppische Schnadahüpfln in Oberbayem erinnern noch daran, dass das Volk einst zum Tanze sang. — Die instrumentale Tanzmusik, die allein noch den Tanzwirbel treibt und die allgemeinen Drehübungen regelt, ist längst injter- nationaly ist eine Allerwelts- Dirne, die ihren Bedarf aus französischen, sla- wischen und deutschen Tanzweisen mischt und aus französischer (neuerdings aus Wiener) Operettenmusik ihre gütige Nahrung so gern zieht. 12. Wie kann unserem Gesellschaftstanze, der so poesie- und sinnlos, langweilig, einförmig und unschön und dazu gesundheitsgeAlhrlich ist, aufge- holfen werden? Guter Rath dafür ist iheuer, wie für manches noch drückende Übel im großen deutschen Reiche. Zu allererst muss der Chorreigen wieder öffentlich eingeführt und das T an zl i ed dazu erneuert werden. Hierin Uegt für Musik und Poesie noch ein neuer unersohöpfter Quell — denke ich mit Dr. Lud- wig Eckardt, der in seiner Festrede 1864 »Zukunft der Tonkunst« S. 14 begeistert auf das zukünftige Tanzlied hinweist. Zur Einführung der Chorreigen könnten vor allem unsere im Volke so beliebten, trefflich dastehenden Turnvereine viel bei- tragen , wollten sie neben dem vielen werkelmäßigen Turnen auch die poetische Seite mehr pflegen. Von Turnern, die in ihrem altdeutschen Worte »rige« (Reihe) den Anfang alles Tanzes im Munde führen , sind zunächst Chorreigen zu üben, aufzuführen und mit entsprechenden Männergesängen und Instrumentalmusik zu b^leiten. Sodann werden auch die Tumanstalten für Volksschulen auf Ein- übung von Reigen der Mädchen zu sehen haben und an die vorhandenen Kinder-Reigen anknüpfen, die auch in den unterrichtsfreien Zwischen-Viertel- stunden geleitet werden könnten. — Hier muss auch von den Dichtern einge- griffen werden, die hübsche Tanzreime für den Reigen zu schaffen haben. Weiter ist es an den Tonkünstlern, das Volksthümliche nicht zu verschmähen, son- dern zu den Freuden des Volkes herabzusteigen, um sie zu heben und zu veredeln. Sogar auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, dürften von tüchtigen Ballet- meistern anstatt der einförmigen und nicht immer decenten Ballete gute Volks- tanzreigen zur Darstellung gebracht und vielleicht in Oper oder Schauspiel an schicklicher Stelle eingelegt werden. Von der Bühne aus wirkt so etwas mehr als alles Lehren und Befehlen : das Volk wird zur Nachahmung gelockt und wird es nicht fehlen lassen, das gesehene Hübsche nachzuahmen. Aus der Erneuerung des Tanzliedes, das theils aus Einzelgesang und Tanz, theils aus Rundgesang bestehen kann und an den Charakter der Volksweise ver- edelnd sich anlehnen müsste, erwarte ich nicht nur eine Bereicherung und Gesun- dung unserer überkünstelten Instrumentalmusik , sondern auch eine Hebung und Veredlung der Tanzmusik, des gesellschaftlichen Tanzes und dadurch des gesell- schaftlichen Lebens selbst. Durch einen Trunk aus dem Volksgeiste muss die Kunst (dichtende, tönende, tanzende] erfrischt werden und die Rückwirkung auf das nationale Leben bleibt gewiss nicht aus. Digitized by Google 320 Nachträge. Zu S. 26 : In den ausNeidhart angeführten Stellen finden wir die Winelieder wieder, die fünf hundert Jahre früher den Nonnen verboten wurden. EinCapitular Karls des Großen von 789 bestimmt, dass die Nonnen keine Winelieder schreiben oder ausschicken sollen, auch nicht von ihrer Blässe durch Aderlass. ^ Aus dem Zusammenhange dieser Stelle geht hervor, dass Winelieder verliebten Inhalts sein mussten. Zu gleicher Annahme nöthigt der bei Neidhart neben dem Wineliede er- wähnte Blumenkranz, der ja zur Liebeswerbung beim Tanz gehörte. Wine heißt Freund, Geselle. Proben von jenen ; durch Mädchen verfassten Liebesliedern der ältesten Zeit haben wir nicht ; aber eine ungefähre Vorstellung von ihrem Inhalte kann man sich machen, wenn man die in MB. 5 und 6 mitgetheilten Liedchen liest. Man wird versucht , diese Reime an den Liebhaber für Winelieder zuhalten, ob- gleich die letztere Bezeichnung dafür nicht überliefert ist. Zu S. 30: Über die Art und^iKigur der im Parsival erwähnten neuen thü- ringischen Tänze sind wir nicht berichtet. Die Vermuthung liegt aber nicht allzufern, dass vielleicht die jugendliche Landgräfin Sophia, als bayrische Fürsten- tochter den Tanzweisen des Osterlandes (Österreichs) nicht ungünstig gestimmt, an Heinrich von Ofterdingen (dem fabelhaften Dichter) einen Reigenführer ge- funden hatte. Die auf solchem Gebiete bei der Frauenwelt errungenen Erfolge mögen dazu beigetragen haben, den begünstigten Sänger und Reigenleitmann seinen Sangesgenossen bei Hofe zu verfeinden, und wir erhalten durch diese Anschauungs- weise , die schon Uhland (Walther von der Vogeiweide , ein altdeutscher Dichter S. 99) angedeutet hat, den Schlüssel zu des formenstrengeren Walther eifersüchtigem Klagelied wider die Frau Unfuge [Pfeifers Ausg. des Walther Nr. 72], die mit ihren ungefügen (der Dorfpoesie entlehnten) Tönen das hoveliche Singen zu ver- drängen drohe. [Anmerkung 55 in Victor v. Scheffels Aventiure.] Zu S. 31 : Die höfische Tanzmanier, im Kostüm des 14. Jahrhunderts auf den Runkelsteiner Fresken abgebildet, schildert Victor v. Scheffel (55. Anm. zu seiner Aventiure) folgendermaßen : »Die unter Kronen voranschreitende Reigen- königin führt an der Rechten den ihr nicht zur Seite gehenden, sondern nach- schreitenden, in knappem Ärmelwamms und Schnabelschuhen erscheinenden Tänzer, der seinerseits wieder nach der Rechten der nachfolgenden Dame zurückreicht. So bilden sämmtliche Personen eine handverschlungene Kette, und ziehen mit sänft- lichen Schritten y von Saitenspiel geleitet, nicht ohne gekünstelte, den steif- geflochtenen Haarzöpfen der Tänzerinnen entsprechende Haltung, im Umgang durch einen Baumgarten. Ein eigenthümlicher, schärpenartiger Gürtel, weit genug, zwei Personen zu umfassen, den die Herren lose angehangen tragen^ mag für an- dere Figuren und Schlingungen dieses Tanzes Bedeutung gehabt haben.« ^ Capitul. ann. 789: »abbatissae monasteiio sine regia permissione non exeant et earum claustra sint bene firmata, et (sc. moniales) nuUatenus wineleodes scribere vel mittere praesumant et (sc. leodes) de pallore earum propter sanguinis minutationem.« [Eckhart, Franc, or. I, 733.] Digitized by Google 32t Zu S. 36: Fflr das Zutreffende meiner Vermuthung, dasa unter Achsel- rotten und Houbetschotten Tänze mit Achselrütteln und Kopfschütteln gemeint sein können, will ich folgende Beschreibung eines ähnlichen russischen Tanses anführen : »Ein Lieblingstanz der Kleinrussen ist die Kasatscha, die von einem ein- zigen Paare getanzt wird. Der T&nzer lockt die Tänzerin , die er sich auserwählt hat y mit allerlei Liebeszeichen in den Kreis der Zuschauer hinein , oder er zieht auch mit Gewalt ein Mädchen herbei, die, sobald sie nur einmal den Tanz be- gonnen , sobald nicht müde wird. Die Bewegungen des Mädchens sind nicht so rasch und ausdrucksvoll, als die des Burschen. Doch wendet sie auch das den russischen Tänzen eigenthümliche Achselzucken und Kopfwerfen zuweilen an , und dann eine sehr häufig wiederkehrende , abwehrende Bewegung mit den Händen, indem sie den Kopf zur Seite wendet. Die Beine, die der Tänzer oft be- trachtet, und von denen er den Pelz vom zurückschlägt, haben dabei jedoch nicht die Hauptrolle. Er bewegt beständig den Nacken hin und her, zuckt mit den Schultern auf und nieder, wiegt den Oberkörper auf beiden Hüften und braucht Arme, Hände und Gesiehtsmuskeln , um dem Tanze möglichsten Ausdruck zu geben. Der Sinn des Tanzes ist die Liebeserklärung des Burschen und das Spröde- thun des Mädchens, das sie durch Verhüllen d^Gesichts mit beiden Händen dar- stellt. Der Bursche tanzt dann oft verzweiflungsvoll aus dem Haufen der Zuschauer hinaus, kehrt wieder um, endlich stürzt sich das Paar in die Arme.« [Kohl, Reisen in Russland und Polen H, 286.] Zu S. 37: Über die Tanzzeit in der llfinnesingerperiode wäre noch anzu- merken, dass beim Volke der Tanz zu jeder Zeit seinen Anfang nahm, wenn eine dazu bereite Gesellschaft sich eingefunden hatte ; vor allem lockte der Lenz dazu, und wenn die Feierstunde nahte , schmückten Dirnen und Weiber sich und eilten in das Freie zum Reigen. Ganze Tage in dieser fröhlichen Zeit wurden vertanzt und es war eine Hauptklage gegen den Winter, dass nun das Leben auf dem Anger enden müsse. Zwar fehlt« dem Tanz auch den winterlichen Gesellschaften (Gofe- nanzen] nicht, er war aber beschränkter, weil zu dem damit verbundenen Spiel der Raum fehlte. Wie schon bemerkt, wurde von hohem Gesellschaften der Tanz stets in Sälen abgehalten und darin machten Sommer und Winter keine Ausnahme ; nur in der Tageszeit herrschte Verschiedenheit. Im Allgemeinen richtete man sich nach den vorhandenen Unterhaltungsmitteln. Der Morgen und die Zeit nach dem Haupte essen war gewöhnlich anderweitig ausgefüllt; der Tanz hub darum erst gegen Abend an, wenn für die Ritter der Buhurt (die Ritterspiele Schar gegen Schar) zu Ende gegangen war. ^ Er dauert bis gegen die gewöhnliehe Zeit des Schlafen- gehens. Indessen wurde zuweilen auch nach dem Morgenimbiss oder nach der Hauptmahlzeit ein Tänzchen gemacht. Zu S. 5 5 : Betreffs des Zäunertanzes werde ich auf ein Kinderspiel in Leipzig aufmerksam gemacht. Die Kinder fassen sich an den Händen, bilden einen Kreis und singen im Gehen : i Athis C* 153. Lanzelot 657. Parz. 639, 3. Lohengrin S. 25. Hehnbrecht 937. B « hm • , Ottscli. d. Tftiii«!. 21 Digitized by Google 322 i E ^rir r njT. r Lf r -1 1 Der Zaun der wird ge-floeh-ten, o her- lens -lieb- 8te8(Trud-ehen) mein! Willst i fc ^ £ ^^ * -«^^ du mir hel-fen flech- ten, so komm und flieht mit mir. Die Genannte legt die Arme kreuzweis über die Brust , bleibt aber in der Kette. Allmählich ebenso alle Mitspielenden; bisweilen drehen sie sich auch nach außen. Dann singen die Kinder nach derselben Melodie : Der Zaun der wird gebrochen, O herzensliebstes (Ännchen) mein 1 Willst du mir helfen brechen, So komm und brich mit mir. Die Genannte löst die Arme aus ihrer Verschränkung n>ezw. dreht sich wieder nach innen), und auf gleiche Weise nach und nach alle Übrigen, so dass endlich die Kette der Spielenden wieder wie im Anfang aussieht. Damit ist das Spiel zu Ende. ZuS. 60: Ein Berliner Ballfest 1404. »Als der bekannte märkische Ritter Dietrich von Quitzow nach langer Fehde im Jahre 1404 sich wieder mit der Stadt Berlin befreundet hatte, wurde ihm zu Ehren ein prächtiges Ballfest im dortigen Rathhause gegeben. Zu diesem wur- den auch Quitzow's Freunde und Genossen eingeladen. Große Schmausereien wurden veranstaltet und »dabei viel kOsÜicher Wein getrunken« , wie es nach dem »Deutschen Adelsblatt« in dem alten Berichte heißt. Bis zum Morgen tanz- ten die Herren mit den schönen Damen und »wurden dann mit Laternen, Fackeln, Gesängen und andern Freudenspielen in ihre Herbergen geleitet«. Wie tanzlustig die Herrschaften auf diesem Ballfeste waren, dafür spricht der alte Bericht, der die Tanzarten schildert, die damals Mode waren. Da gab es einen »ZwOlfmonatstanzc, bei welchem die Paare durch verschiedene Bewegungen das Ab- und Zunehmen des Mondes und das Kommen und Schwinden der Jahres- zeiten symbolisch ausdrückten. Sehr beliebt war auch der »Todtentanz«, wobei ein Tänzer niederfiel und den Todten spielte , während er von allen Damen im Vorbeischreiten geküsst wurde. Zuweilen übernahm auch eine Jungfrau die Stelle des Verstorbenen und ließ sich zur Abwechslung von den Herren küssen. Der polnische Tanz bestand nach dieser Beschreibung »in großen Reverenzen, lieb- lichem Neigen des Kopfes mit Kippen und Wippen des Leibes«, während der Schmoller das Schmollen und die Versöhnung der Verliebten darstellte. Das Zäunen (vergl. »der Zäuner« S. 55) scheint Ähnlichkeit mit unserer bereits ver- alteten Ecossaise gehabt zu haben und der Drehtanz scheint unser Walzer mit entsprechenden Modificationen gewesen zu sein.« [Leipziger Tageblatt, 22. März 1886.] Hier sind die Modetänze von 1406 genannt und offenbar aus derselben Quelle, welche 1830 unserem Gewährsmanne für die Beschreibung derselben (s. S. 60) vorlag. Aus gleicher Chronik wieder fließt auch der folgende Zeitungsartikel: Digitized by Google in »Eine Hochzeit in Berlin tot 500 Jahren war wesenüieh yerschieden von denen der heutigen Zeit. Belehrt werden wir darüber auB einer alten in Schweins- leder gebundenen Chronik, deren vergilbte Blätter uns ersählen , »wie auf der Hocheeit des Ritters Dietrich y. Quitzow mit Fräulein Elisabeth, Tochter des Herrn Apitz Schenk von Landsberg, im Jahre 1393 su Köln an der Spree gegessen, ge- trunken und getanzt wurde«. Während man bei unseren heutigen Hochzeitsmahlen mit yprliebe »bunte Reihe« macht, waren »die Tafeln der Jungfrauen und Männer« streng Ton einander geschieden. Aber beide waren, der Sitte jener Zeit ent- sprechend , reich besetzt. In der Mitte waren mehrere ungewöhnlich grofie Käse zur Zierde aufgestellt, und zwar so, dass zwei stets den dritten trugen. Das Mahl fing mit großen Näpfen voll Biersuppe an, bei der Pfeffer und Ingwer nicht gespart war. Hierauf kam Hirse mit Würsten, ersterer mit Safran schön gelb gekocht. Dann trug man Grünkohl mit Hammelköpfen auf und hierauf Kalbfleisch, ebenfalls mit Safran schön gelb gekocht und stark mit Pfeffer gewürzt. Rehbraten mit vie- lem Knoblauch und Zwiebeln und Wildschweinsbraten schlössen sich an, und 4en Beschluss machte Thomer Pfefferkuchen. Beim zweiten Mahle trug man Brod auf, das mit Kümmel und Fenchel versetzt war, und dazu gab es einen Hirsebrei im Sack gekocht. Dieser wurde in einem Topfe auf den Tisch gebracht , um welchen wiederum ein Sack vielfach herumgelegt war , wie man jetzt wohl Servietten um Mehlspeisen legt. Es war ein Lieblingsgericht der damaligen Zeit und wurde in der Regel mit einer Tunke genossen , zu welcher sich wohl noch eine Beikost : Heringe, Schinkenschnitte, je nach dem Geschmack der Gäste, gesellte. Dann folgten Fische »auf ungarisch« gesotten ; hierauf Wildpret und Spanferkel in Teig gebacken und endlich Mandelmus mit vier Farben. Ließ man es, wie aus dem Af itgetheilten zur Genüge hervorgeht , an den nöthigen , culinarischen Genüssen durchaus nicht fehlen, so wurde doch auch für einen guten »Umtrunk« nach Kräften Sorge getragen, Kräuterbiere und Meth fanden besonders viel Liebhaber, nicht minder ein süßer Wein » Ypocras« genannt , dem seiner Zusammensetzung nach unser Glühwein gleichkommen dürfte. Dann gab es Bemauer und Gardelegener Bier und ebenso Zerbster Bitterbier. Getrunken wurde aus steinernen Krügen, die mit Silber beschlagen waren , aus Kannen und Trinkhömem. Auch Kyritzer Bier wurde aufgetragen, obwohl dieses seiner berauschenden Eigenschaft und der bösen Wirkungen wegen , »dass man leicht ausartete«, »Mord- und Todtschlag« genannt war. — Nach den Tafelfreuden wurde nach dem Klange der Cimbeln, Schalmeien, Zinken und Trompeten getanzt. Sehr beliebt war der Zwölfmannen tanz (rich- tiger Zwölfmanentanz d. i. Zwölfmonatstanz], bei dem, wie es scheint, viel in die Hände geklatscht und auf den Fußboden gestampft wurde und der stets mit einem allgemeinen Jubelgeschrei endete. Der Todtentanz, so schaurig sein Titel klingt, war gleichfalls durchaus amüsant. Einer der Tänzer hat sich todt zu stellen und sich, allerdings ohne eine Miene dabei verziehen zu dürfen, von allen Tänzerinnen küssen zu lassen . Der Capriolentanz erforderte anscheinend viel Ge- lenkigkeit. Man sprang hoch und niedrig , kreuz und quer und es gab dabei Ver- anlassung zu allerlei »unartigen« Gebärden. Den Beschluss machte gewöhnlich der Schmoller. Die tanzenden Paare kehrten sich hierbei in scheinbarem Unwillen den Rücken zu und versöhnten sich dann zuletzt.« [Didaskalia 1882, Nr. 228.] Zu S . 1 3 2 : Die M o r e s c a wurde 1838 dem Könige Friedrich August von Sachsen auf einer Reise in Dalmatien (Spalato und Curzola) vorgetanzt. »Der Tanz wurde auf einem mit Erde überschütteten kreisrunden Holzfußboden, unter sehr eintöniger 21* Digitized by Google 324 Musikbegleitung, von 1 — 12 Paar Männern gehalten. Die Tänzer waren in rönuschem KoBtüm, die eine Partei weiß, die andere schwarB gekleidet, jede mit eigener Fahne. Die Tänzer führten in beiden Händen kurze , zweischneidige Schwerter mit abge- rundeter Spitze. Der Tanz begann mit gegenseitig drohenden ^ herausfordernden Gebärden. Dann begann ein nach dem Takte der Musik geregeltes Fechten und Anschlagen der Klingen , dass die Funken stoben , unter fortwährendem Hüpfen und Tanzen. Endlich unterlag die schwarze Partei, der Führer derselben kniete zu Füßen des weißen Anführers nieder, der sein Schwert über sein Haupt hielt und einige Worte der Geringschätzung und Verachtung aussprach.« [Biaso- letto, Reise S. M. des Königs von Sachsen 35.] Über die Beliebtheit des Tanzliedes «der Schäfer von der neuen Stadt« [MB. 12] findet sich eine Notiz in den »Epistolae obscurorum virorumt 1515, heraus- gegeben am besten von Böcking als Supplementband seiner Hütten- Ausgabe. Da heißt es im 33. Briefe des 1 . Buches: »Nuper chorisavi cum ea ter in Chorea serotinali in domo sculteti: tunc fistulator fistulavit cantilenam de pastore de nova civitate et statim omnes chorisatores amplexabantur suas virgines sicut mos est. Et ego etiam meam valde amicabUiter compressi ad pectus meum necnon tetigifor- titer manus eins.« [»Neulich habe ich bei dem Abendtanze im Hause des Schult- heißen mit ihr dreimal Chorreigen getanzt ; da blies der Pfeifer die Weise vom Schäfer von der neuen Stadt und sogleich fassten alle Tänzer ihre Mädchen an, wie es gebräuchlich ist. Und auch ich drückte die meinige sehr innig an meine Brust und fasste sie muthig bei den Händen.«] Digitized by Google Quellen und Litteratnr. 1. Bücher and Zeitschriften für Knltur- nnd Litteratnrgeschichte. Altdeutsche BUtter. Herausg. y. Moris Haupt u. H. Hofimann. I. 1835. Bayaria. Landes- u. Volkskunde des Königreichs Bayern. München 1860 — 1867. 5 Theile in 10 Bdn. Bayreuther Archiv I, 89: Abhdlg. y. Scherber, Über Tanzwesen der altem Zeit. Bergmann, J. G., Schlesische Modet&nze im Jahr 1406. Aufsatz in der y. L. y. Ledebur herausg. »AUgemeinen Geschichtskunde des Preuß. Staates«^. Berlin 1830. Binterim, A. J., Denkwürdigkeiten der kathol. 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[Ein Exempl. auf K. Bibl. München, und eins auf der Uniy.-Bibl. Prag.] Negri (Cesare, detto il Trombone), Nuove inventioni di balli. Milano 1604. Fol. 296 S. (Wiener Hof bibl.) [Beide seltene Werke enthalten zahlreiche Tanzmelodien mit Lautenbegleitung. Proben daraus in Ambros, Bunte Blätter 1872.] b) Franiösische. Tabourot, Jean, Orch^sographie , trait^ en forme de dialogue, per lequel toutes per- sonnes peuvent facilement apprendre et practiquer Thonnlte exereise des Danses [par Thoinot Arbeau].i Langres 1588. 2. Aufl. mit Terftndertem Titel 1596. (ExempL V. 1588 in Wien.) FeuiUet, Ghor6graphie , ou Vart d'6erire la danse par caract^res, figures et signes d^ monstratifs. 1701. [Deutsch in Taubert's Tanzmeister 1717.] Compan, Dictionnaire de Danse, contenant l'histoire, les r^les et les principes de cet Art. Paris 1787. Blasis, Gh., Trait^ 616mentaire, th^rique et pratique de lArt de la Danse. MÜan 1820. Oourdoux-Daux, J. H., De TArt de la Danse. Paris 1823. 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Taubert, Gottfried [geb. zu Ronneburg um 1680, um 1700 Student, 1710 Tanzlehrer in Leipzig], Rechtschaffener Tantzmeister, oder gründliche Erkl&rung der frantzösischen Tantzkunst, bestehend in 3 Büchern, deren das Erst (historice) des Tantzens Ur- sprung, Fortgang, Verbesserung, unterschiedlicher Gebrauch, Zulässigkeit , viel^- tigen Nutzen .... untersuchet. Das Andere (methodice) des so wol galanten als theatralischen französischen Tantz-Exercitii Grundsätze Ethice, Theoretice und Practice deutlich zeiget. Leipzig 1717. 1176 Seiten 4^. Trichter, Val., Guriöses Reit- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexikon. Lpz. 1742. Lang, Karl G., Anfangsgründe zur Tanzkunst. 1751. Ghoreographische Vorstellungen der enel. u. franz. Figuren in Gontret&nzen. 1763. Hfinsel, Ghr., Anweisung zur ftußerlichen Moral oder Tanzkunst. Lpz. 1755. Feldtstein, G. F., Die Kunst nach der Ghoreographie zu tanzen u. Tänze zu schreiben. Braunschweig 1767. 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Quedlin- burff 1832—33. Merseburg. Tanisonule, Neue ToUst&ndige, fOr die elegante Welt. Ilmenau, Vo^ 1830. Franken, M. Jos.. Die Oaloppade, wie sie getarnt werden soll, Anweisung lum Selbst- unterricht in diesem LieDiingstanie. Köln 1829. Krüger, A., Die allgem. beliebtesten Contretani-Touren. Berlin 1831. RoUer, Fri. Anton, Systematisches Lehrbuch der bildenden Tanikunst Weimar, Vogt. 1843. Eichler, Ed., Die Quadrille Stirienne (Steirischer Nationaltani) [mitEinLT. Dr. Wiest]. Wien 1846. Dürrhols, J. C, Prakt. Leitfaden für Tftnier u. Tftnierinnen, nebst Choreographie der neuesten Contretftnie, Polonaisen, Cotillontouren. Berleburg 1855. Hentsch, Th., Allgem. Tanskunst. Stralsund 1855. Jaoaues, Jean, Der Tanimeister in der Westentasche. Hamb. 1852. 1857. Freising, A., Neuestes Tarn- u. Ball-Album. Berlin 1857. 1859. Klemm, Bemh., Katechismus der Tanikunst. 1863. 4. Aufl. 1882. 5. Einige Sammlnngen von Sagen nnd Yolksgebräuchen, darin alte Tanz- gebrftnche nnd Tanzreime yorkommen.^ Grimm, Gebrüder, Deutsche Sagen. 2 Bde. Berlin 1816-— 18. Neue Aufl. 1865. Kuhn, Adelb., Westfiilische Sagen u. Gebrftuehe. Lpz. 1859. u. Schwarts, Norddeutsche Sagen. Lpi. 1848. Meier, £., Deutsche Sagen, Sitten u. Gebrftuehe in Schwaben. Stuttg. 1842. Müllenhoff, K., Sagen, Mftrehen u. Lieder aus Schleswig-Holstein. Kiel 1845. Panier, Fr., Bayrische Saffen u. Brftuche. 2 Bde. München 1848 u. 1855. Pröhle, H., Hansagen. Lpi. 1854. 6. Yolksliedersammlnngen, darin Tanzlieder vorkommen. Altdeutsches Liederbuch v. F. M. Böhme. Lps. 1877. Ditfurth, F. W. v., Frftnkische Volkslieder. Lpi. 1855. Dunger, H., Rundas und Reimsprüche aus dem Vogtlande. Plauen 1876. Erk, Ludw., Deutscher Liederhort. Berlin 1856. Hoffinann u. £. Richter, Schlesische Volkslieder. Lpi. 1842. * Die Litteratur der Sagen und Brftuche aus allen Gebenden Deutschlands ist so angewachsen, dass die Büchertitel schon über einen Bogen füllen würden. Ein von mir angefertigtes Verieichnis ifthlt 240 solcher Werke, die alle seit Grimm (1816 — 1884) erschienen sind. Ich habe hier nur die wichtigsten angeführt, darin ich Einiges über Tarn fand. Digitized by Google 330 Xretucfamer, A., u. W. ▼. Zuocalmaglio, Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weiten. Berlin 1840. 2 Bde. [Ein sehr u nzuTerl&ssiges und geradezu lügenhaftes Buch, das schon viel Verwirrung angerichtet hat, und nur mit Vorsicht lu gebrauchen ist.] Niederdeutsches Liederbuch. Hamburg u. Leipzig, Verl. t. Leop. Voss. 1884. Schottky, Jul. M., Österreichische Volkslieder. Fest 1844. Sucher, Fr., Deutsche Volkslieder f. Männerstimmen. 12 Hefte. Tübingen (1827^40). Simrock, K., Deutsche Volkslieder. Frankf. a/11 1851. Spann, A. t., Österreichische Volksweisen. Wien 1845 (1882). Uhland, L., Alte hoch- u. niederdeutsche Volkslieder. Stuttg. 1844. 7. Quellen fOr die Musik. (Sunmiarische Übersicht.) 1. Handschriftliche Liederbücher mit Musiknoten vom 13. — 16. Jh. 2. Gedruckte Liederbücher mit Musiknoten aus dem 16. Jh. 3. Tabulaturen für Laute und Cither 16.^17. Jh. 4. Tabulaturbücher für Klavier und OrgeL 16.^17. Jh. 5. Die drei ältesten, auf S. 328 zuerst angefahrten Tanzlehrbücher mit Notenproben. 6. Stimmbücher mit Instrumentalstücken (meist Tftnzen) fQr 4 — 6 Streich- oder Blas- instrumente. Anf. des 17. Jh. 7. Werke für Instrumentalmusik (insbes. Suiten) im 18. Jh. 8. Dramatische Musikwerke (Opern, Ballete, Operetten) des 17. und 18. Jh. 9. Gedruckte Tanzmusik für Orchester (in Stimmen) von und seit Mozart. 10. SJavierauszüge von T&nzen (Klaviertänze). 11. Geschriebene Notenbücher mit Tänzen zu Anf. des 19. Jahrh. von Thüringer Dorf- musikem (unfern Erfurt). 12. Tanzmusikbücher von ausübenden Musikern in und um Berlin^ .zu Ende des 18. und Anf. des 19. Jh. zum Bedarf zusammengeschrieben. Im Besitz des Herrn Hoftanz- lehrers Rud. Voss. Aus dieser Sanunlung märkischer Tänze hat genannter Herr für mich Abschriften gemacht, für welche Liebenswürdigkeit ich an diesem Orte zu danken nicht unterlassen kann. Es sind folgende Nummern meiner Musikbeilagen, die Herr Voss mir gütigst mitgetheilt hat: Nr. 245. 254. 260. 261b. 273. 279. 282. 283. 299—305. 316. 317. 345. 352. 353. Bei Beschreibung älterer Tänze nach ihrer Musik unterstützten mich mit historischen Notizen folgende Bücher: Tabourot, Orch6sographie. 1588 (s. oben S. 328). Praetorius, Mich., Terpsichore. 1612. Syntagma musicum. JH. Th. Wolfenb. 1619. Brossard, Dictionnaire de Musique. Paris 1703. Walther, Joh.. Musikal. Lexikon. Lpz. 1732. Mattheson, Joh., Vollkommener Kapellmeister. Hamburg 1739. Koch, J. Chr., MusikaL Lexikon 1802. Neubearbeitung durch A. v. Dommer. Heidelb. 1865. Hawkins, John, A General History of Music. London 1776. 4 Quartbde. [La Borde] Essai sur la musioue ancienne et moderne. Paris 1780. 4 Quartbände. Mersenne, Harmonie universelle. Paris 1636 — 37. (Darin viele alte Musikstücke.) Coussemaker, Ed. de, Histoire de Tharmonie au moyen-äge. Paris 1852. Cäcilia. Musikal. Ztschr. 27. Bd. S. 224 ff. AUgem. Musikal. Zeitung. Leipzig. Jahrg. VHI (1806) u. XH (1810, S. 577). Grove, Dictionary of music. London 1885. (Erst 3 Bde. A — S erschienen.) -rtw»- Digitized by Google Register. Abendtamie 52. 53. 75. 81. 106. 107 f. 114. 115.118.321. - Abstoßer (Schleifer) 198. Achselrotten 36. 321. Achter 227. Achtertanx, der große 66. 188. Adelstanx 75 ff. Air Louis Xm. 130. Alamode-Tani 143. Albleich 12. Alexander, Leich Tom wilden, 249. AUemande 122 ff. 218. Allemant d'amour 49. Almenkirta 189. Almanache mit Tftnien 266. Altenburger Bauemtanx 206. Ang^laise 225. 226. 145. Ansinglieder 293. Ara^Tanx 195. Auf und ab 189. Aufschwingen der Tänzerin 190. 202. des Tftniers 171. (s. Unsitten.) Aufwärtertanz 119. Aus der Hand tanzen 195. Auskehr s. Kehraus. Ausländische Tänze 120 ff. 30 ff. 80. 142 ff. 258 ff. Austanzen der Mädchen 188. Bach, Seb. 263. 214. Bairisch (bair. Ländler) 188. Bairische Polka 222. Bairische Volkstänze 187 ff. Ballade 4. 232. Ballspiel beim Tanz 229. 26. 95. 164. 181 f. Barbiertanz 209. Bauemball, imitirt 317. Bauemschwanz 248. Bauemtänze s. Volkstänze. zur Minnesingerzeit 34 ff. im 14. bis 16. Jahrh. 49 ff. 62. 89. 103. Bayerisch s. BairiscL Becher 182. s. Trinkgeschirr. Bediententanz 119. ygl. 207. BeethoTen265f. 215. 263. Begräbnistänze 10. Benzenauer 59. 232. 252. 257. Bergamasca 125. Bergreihen 244. Berliner Ballfest (1404) 322 f. Betteltanz 187. 58. Bettlertanz 57. 116. 103. 257. Bierfiedler 264. Biparentanz 51. 49. 83. Birkentanz 155. Bittschnitter 167. Blauer Fingerhut 300. Blon-Tanz 202. s. Plantanz. Blotz- s. Platz-. Blotzburschen 198. Blotzjungfem 175. 177. Blotzknechte 177. Blotzmeister 198. Bockshammerscher 194. Bockstanz 257. Bojarisch 194. Bonifacius 17. Bourr6e 125. 141. 145. Branlel25. 141. vgl 25. 145. Braut austanzen 207. Braut und Bräutigam mit Musik und Tanz zu Bett bringen 108. 73. vgl 186. 200. Bräutigamstanz 80. Brautkranz austanzen 78. 185. ygl. 191. Brautltanz 200. Braut- und Bräutigamsspiel 309. Brautstehlen 192. 182. Brauttanz 191. Brautwerbung, Kinderreigen 309. Brück 196. Brackenspiel294. 305f. Bruderschaft der Pfeifer 288. Brunnenfahrt 284. Bubentanz 83. 106. Buchsbaumlied 234. Bügeltanz (Reiftanz) 66. Bürgerlicher Tanz 106. 75. Bürgertänze 69 ff. 257. Burschentanz 201. Bussl-Tanz 58. Canarie 126. 131. Canthal, Aug. 274. Capriolen-Tanz 61. 323. 257. Digitized by Google 332 Caroles 25. 29. Chaconne 127. Chamiertani 210. Chiea, Negertans 131. Chique 130. Chopin 277. Chor 16. 27. Chorea, in Kirchen verboten 17. Chorreigen (Choraula) 17. 26. 149. Christenius 260. Ciacona 127. Coda 267. Contratänxe 264 ff. Contredanse fran9aiBe 223. 145. Contretanz 22H f. 150. Convenance 32. Cosa rara 217. Cotilloi\ 225. 145. Country-dances 145. 223. 275. Courante (Corrente) 127. Cracovienne 212. Cramer, Joh. 260. Csewner 8. Zäuner. Damen-Engagement 201 . Dauphin (Tani) 143. Demantius 259. 262. Deutsche, der 203. 218. 266. Deutscher Tarn (Walser) 203. 195. 264. (Schleifer) 145. nicht Walier 204. Diabelli 266. 270. Dinzeltag 64. Ditmarsische Tftnse 49 ff. 232. Doppelter 192 f. 202. Double 140. Dramba-slac 11. Dreher im raschen ^U Takt (Schreiter) 202. 204. im V« Takt 192. im langsamen ^k Takt (Walser) 2l6f. Drehtans, alter 61. 322. Drei lederne Strumpf 195. Drei Nationen 210. Dreifach, Dreifacher 192 f. Dreischlag (Drischlag) 194. Dreischritt- Walser 188. 217. Dreißigjähriger Krieg, Einfluss auf den Tansl42f. Dreitourig 210. Dresdner Todtentanz 46. Dri-schlag 194. Drisch -lag (Dreschertans) 169. DroUer, Drötter, Trotter 54. Dummes Ding 210. Dur und Moll 247. 287. 291. DurrUns (Durchtanzen) 120. 188. Echtemacher Springprocession 158. 163. 44. Ecossaise 225. 266. Ecossaise- Walser 2^0. 226. Edelleute-Tans 103. Ehestand aus- und eintansen 191 . Ehrentans, Ehrtans 70. SO. 111. 175. 184. 191 f. Einfacher (mit Taktwechsel) 192f. Eintreten (Wechsel von Schleifer und Drehet 192. 194. Eiben- und Nizentänze 12. EngeUand fahren 296. Engeltiagen 188. Englische Tänse 145. 275. Entr^e 145. s. Intrade. Erntefest, altheidnisches 9. 177. christliches 168. Emtekrans 168. Erntetanz 167 ff. 195. Espringales 25. Fackeltans 77. vgl 207. bei Turnieren 7 5 ff. bei Hochseiten am Hofe 77 ff. 183. bei Hochseiten der Patricier 72. bei Hochseiten in Preußen 79 f. schwedischer und französischer 183. Fahnentans 66. Fahrbach, Wilh. 274. Fahrende SpieUeute, Schaler etc. 278 ff. Falda-feykir 11. Färöischer Tans 13 f. 230 ff. 234. Faust, Karl 275. Fechttans 180. Festtänse, altdeutsche 8. 293. der ersten Christen 1 5. im Mittelalter, bis zur Neuzeit erhal- ten 150ff. Feuertans 177. 22. 159. Feyerltans 54. Fidelfumfei301. Fin^amdray (firgamtrei) 32. Firlefans 55. 32. 35. 36. Firlefei 35. 49. Tgl. 32. Fischingertans 195. Flachstanz 169. Fletstanz (HausthOrtonz) 192. Florieren 252. Fran9aise 226 f. Fran^oise (älterer Tanz) 222. 226. Franck, Melch. 260. Franken, Volkstänze in, 196 ff. Frauentanz 33. Freitänze 192. Frohnetänze 165 ff. Froschtanz 211. FrOhlinestans 151 ff. 23ff. 37. 321. Fuchsschwanz 248. 295. 297. Fulefranz (firlefanz) 36. FOrstentanz 75ff. Fuß-ein-Tanz 203. Oagliarda, Qaillarde, OaUiarde 128 f. 81 . 145. 258 ff. Galopp 220 ff. Digitized by Google 333 Qaloppade 220. Galopp-Walser 227. 206. Ga8aemed241. 240. Gassenhauer (Naehtans) 254. vgl. 257. Oassentans 67. Gftuerlen im Lusemerland 148. Gavotte 130. 80. Gebratensffeiger 283. Geigerkönig 289. Geistertans 22. GeisUiehen das Tansen verboten 100. 233. GeistUehe Lieder beimTans 234. 253 f. Um- dichtungen weltL Lieder 234 ff. GeisUiehe Schauspiele 18. 45. Geistlicher Tans 106. Geißlergesang erhalten 42. 4l. Geißlert&nie 40—44. Geißtans 129. Gerade Tftnse 194. Gesänge, schändliche beim Tans 102 f. 108 f. Sehamperlieder geheißen 96. Gesanfftänse bei Hochseiten 79 f. Geschleehtertänse (Patriciertans) 69ff. 49. 89. Gesellenstechen 69. Gesellentänxe 6:i. Getretener Tans 30. 14. 50. Giga, Gigue 130. Gimpel-Gunpel 36. Gofenans (Convenance) 32. Goldene Bracke 305. 294. Götaentans 106. Grad und Unsrad 194. Graskönig (Maifesttani) 152. Gregorios Thaumaturgos 15. Greven, Chorreigen 149. Großer Tans 136. Großvatertans 184. 208. Gs&ngle201. 202. Guldenmahl mit Tans 183. Gungl, Jos. 274. Gustav Adolf von Schweden 143. Gyrowets 267. Haartans 169. Hacken-Schottisch 220. Haferschneiden (Kinderreigen) 308. Hahnentans 171 f. 53. 63. 202. vgl. 169. Haiden, Chr. 258. Halb-Bairisch 192. Halbdreher 204. Halliseher Stiefelknechts-Galoppwalser 206. Hammeltans 173. 195. Händel, G. F. 263. 214. Handschuhe beim Tans 88. Handwerkertänse 63 ff. Hans Adam 205. Hansel (Unterrock) 202. Hansel und Gretel 176. 177. Harnisch, O. S. 260. Hase, Georg 258. Hasentans 211. Hassler, G. L. 259. Hauschild, der alte, 205. Hausleute 119. 290f. Haußmann, Val. 258. 262. Hautitry 206. Haxenschlager 189 Haydn, Jos. 263. He^el, Hegelein (Tanscinlader) 113. 181. HeidentSnser verwünscht 19. 95. Heidnischer Tans su Fastnacht 74. Heierlei 35. Heigerleiß (Ringelreihen) 102. vgl. 35. Heimspielen der Braut 200. Heldenlieder beim Tans 230. 239. Herodias 99. 102. Herr Schmidt 206. Herraud-Bose-Sage 10 f. Hexentans 2t. * Himmelsthür (Kinderreigen) 307. Hirtentänse su Jakobi 173. Historische Lieder beim Tans 230. Hochseitetänse 181 ff. im Mitteklter 181. 182. 183. 323. im Reformationsseitalter 104. 105. 1 1 7 f. an forstlichen Höfen 77 ff. 183. der Patricier im 16. Jahrh. 71 ff. barffcrliche im 18. Jahrh. 183. an der Ahr 185. in Oberbayem 191. 185. in Mittelfranken 200. in Unterfranken 203. in der Mark 185. — r- in Mecklenburg 206 f. in Preußen 77. 79 f. in Schwaben 195. in Skandinavien 182 f. im Waadtland 148. Hofetans (hovetans) 29 ff. 257. Hoftänse im 14.— 16. Jh. 75 ff. 80. vgl. 49. Holda-Lieder 292. 293. 294. 304. 307. Holländische Mohle 209. Holsäpfeltans 172. Hopfenvo|^ 190. Hoppaldei (Hoppeldei) 35. Hoppelrei 35. Hoppeltans 254. 257. vgl. 252. Hoppen-Vogel 191. Hoppe^yogel 190. Hoppich 191. Hops-Anglaise 222. 226. Hops- Walser (Hopser, Schottisch) 220. 226. Horantslied (Hjeranda-hljod) 1 1. Hormos, altgriech. Tans 1-I7. Hosen 89. vgl. 202. Hottostan 55. Houbetrschotten 36. 321. Hringbrot 14. Huet-Tans (Hirtentans) 173. Hummel, J. Nep. 267. Hungertans 191. Hapfel-Polka 222. Hüpfelrei 49. 35. Digitized by Google 334 Hupfer 202. Huppauf (Sprin^ns) 254. 257. Hurentani 106. 74. 83. Hut-Tanz 170. 189. Tgl. 172. Imperial 228. Iiitrade261f. iBländiBche Tfinie alsVeitreter der altgerman. Tanzart 14. Tanzlied (Brautkauf) 31 1. Jäger-Schottisch 222. Jakobitänze der Hirten 173. Jakobstanz (St. Jakob) 59. 252. 257. Jeffg, Jig 130. Jodeln 216. Johannib-Segen 183. Johannisbaum 303. Johannistänze 116. 158 ff. 298. 303. Johannistänier 40. Judentanz 227. Juden-Tanz- und Spielhaus 82. Jutrebog 163. Kakentanz 207. 169. Kalamaika 228. Kälbertanz 210. Kasatscha, Tanz der Kleinrussen 321. Kathrein-Tanz 204. Kegel-Quadrille 227. Kehraus (Kehrab) 62. 184 f. Tgl. 78. Kehr-Reim (Kehrrers) 27. 229. 239. Kesslertanz 103. Kikebusch 210. Kinder-Reigen 292 iL Kirehentänze 15—19. 148. Tgl. 95. Kiichweihfrieden 198 f. 176. Kirchweihtänie s. Kirmestänze. Kirmesbegraben 177. Kirmesschutz s. Kirchweihfrieden. Kirmestänze 174 ff. 192 f. 197 f. 201 f. Kirta 187. 189. Kissentanz (Kisseletanz) 195. Klappentanz 210. KlaTiertänze, älteste 252. 253. Klotztanz 182. 183. Knab, der schwarze, 56. 49. 252. 257. Kochelsberger Bauemtanz 257. Kolo (Chor-Reigen der Slawen) 58. 163. Komponisten Ton Tänzen 248 ff. 251 f. 258 ff. Königs Töchterlein (Kinderreigen) 303 f. Königs-Quadrille 227. Koome 9. 148. Kosciusko-Polonaise 215. Kotzentanz 74. 49. KrakoTiak 212. Kranichschnabel 248. Kranz beim Tanz im MA. 38 f. 87. 98. 102. Kranz der Braut austanzen 78. 185. Kränzchen ist Terloren 185. Kranzeljungfer 183. 185. 191. 192. Kränzeitnz 185. Kränzleintanz 52. 53. Kranzsingen 52 ff. 114 f. 160 f. Kranztänze 63. Tgl. 62. Krau^Tanz 191. Krch, Anton, 268. Kreutzer, Konradin 215. Kronentanz 164. Krummer Reihe 36. Kuchenlaufen 176. Küohentanz207f. 73. Kufen, Tanzen um die, 117. Kuhreigen, Kuhreihen 244. Kühtanz (zu Pfingsten) 173. Kultus-Tänze': Tanz ums goldene Kalb 106. 99. 102. der Ton Mirjams Gefolge 105. 106. Opfertänze der Germanen 8. 168. 177. 293. Kirchentänze der ersten Christen 15 ff. Kunkeltanz 191. 195. Kuss beim Tanz zur guten Sitte gehörend 86. 84. 85. 102. 195. 322. 323. t^ 16. 58. 60. 73. 105. 108. 109. Kuss-Quadrille 227. Kylbenpfeifer 290. Labitzky, Jos. 274. Labtanz 120. s. Lobetanz. Lach-Quadrille 227. Lambertusfest-Tanz 165. Lancier 224. Länderer 216. s. Ländler. Landestrauer 120. Ländler 215 f. 217. 242. 264 f. Langaus 228. 217. schwäbischer 187. 190. Lange Reihe 3. 295. Lang-Englisdi 225. Langenberger Frohnetanz 166. Langer Tanz der Ditmarsen 50. 49. 83. Lanner, Jos. 273 f. Latementanz 66. Laubmännchen 152. Laubschnitterinnentanz 196. Laubtänze (Pfingsttänze) 155. Lauffertanz 257. Lausanner Chorreigen 148. Lautenisten arrangiren Tänze 251. Lehensehwinken 165. Leich(Tanz mit Spiel und Gesang) 13. 236 ff. Tgl. 5. 249. 283. Leinwebertanz 209. Leitstab 27. Liebeslieder beim Tanz 229. Liederbücher, alte handschrifü. 248f. ge- druckte des 16. Jahrh. 249. Linde 37. 82. 153. 177. 197. Liostanz 60. Lobetänze 59. 106. 116. 119. 120. Digitized by Google 335 Lothringer Tftnie gerahmt 30. Lott ist todt 205. Lotterpf äffen 280. Loure 131. Löwenzahn 293. 298. Lügenlieder beim Tanz 234. Lumbye 275. Maccaber 45. Mädchenlieder 26. 230. 293. (cantica puella- rum) verboten 17. 148. M&dchentani201. Madrigale 258. Mägdleinstans (Braattani) 201. Maibaum (Maie) 152. 176. 177. 196 f. 201. 202. 298. vgl. 303. Maient&nse im MA. 23 ff. 151 ff. 115. in Oberir'anken 196. aueh Pfin^sttänse genannt, 8. d. Mailehen (MaiLene) 153. Maireigen 148. Mairösleins Umzug 1 52. Maitanz (Kirmeztanz) in Franken 201. Manchester 205. Mantel 80. 81. 87t 118f. M&rkizche Tftnze 208 ff. 185. Maruskat 133. Maskeraden 68 f. 71. 74. 208. Maurischer Tanz 49. 74. 132. Mazurka (Mazurek) 223. 212. 277. Mecklenburg 209. Mecklenburgische Tänze 206. ygL 9. Menuet (Menuett, Minuetto) 131 ff. 263. 266. Metzgersprung in München 44. vgl. 64. Michelfest 177. Minnesinger 248. 279. Minnetrank als Ehesehluss 182. Modest-Tanz (Veitstanz) 43. Mohrentanz (Moriskentanz , Morisque, Mo- risca, Moresca) 132 ff. 323 f. 49. 74. 252. 257. MöUer, Joh. 260. Moresca 132. 323. s. Mohrentanz. Mozart 264. 215. 273. Mahle 208. Müllerin, die schöne 58. 257. Mummereien s. Maskeraden. Mürmum 36. Musard 275. Musette 134. Musikinstrumente zum Tanz : in höfischer Zeit 28 f. 47 f. 279. 285 f. im 16. Jahrh. 71. 72. 73. 75. 86. in der Neuzeit (bei Mozart u. Beetho- yen) 265. Mysterien 18. 45. Hachbarstanz (Nobersdanz) 185. Nachtanz (Springtanz, Gegensatz zum Vor- tanz) 80. 85. 254 f. 117. 118. Na^elsohmied 189. 193. Neidhart, Minnesinger 248. Nesskuk, Kinderfest 9. Neu-Bairisch 190. Neujahrstanz auf Westerlandföhr 9. 148. Nicolaibrüder 288. Nineveh, Mann (Herr) aus, 309. 247. 294. Noppet (Dreher, % Takt) 192. Nummer Drei 209. Oberbairische Tänze 187 ff. Oberfränkische Tänze 196 ff. Oberländler 216. s. Ländler. Oberpfälzer Bauemtänze mit Taktwechsel 192ff. Offener Tanz 194 f. offener Gassentanz 67. Oginski 215. 266. Omquäd s. Kehrreim. Opemmelodien zu Tänzen benutzt 270. Opfertänze der Germanen 8. 168. 177. 293. Orchester 265. 291. vgl 240. Organisten setzen Orgeltänze 252 f. Osnabrück 228. Osterspiel mit Tanz 37. 294. Ostertanz der Sonne 210. Ostertänze 157. Osterthor 294. 305. OstMesischer Tanz 51. Paarentanz 51. 83. 144. 216. Paduane 134. 258. Pars prima, seeunda 254. Partie, Partita 263. 292. Passacaglia 136. Passemezzo 136. Passepied 137. Pater und Nonne 233. Patriciertänze 70 ff. 82. 83. 89. Pavane 134. 142. ' Pesttänze 43. Pfaffe spielt zum Tanz auf 282. vgl. 280. Pfauensohwanz 248. Pfeffermühle 209. Pfeifergerioht 289. Pfeiferkönig 288. 289. Pfeifertage im Elsass 288 ff. Pferdeschädel als Musikinstrument 170. Pfingstquak im Elsass 155. Pfingstquaß 155. Pfingsttänze 154 f. vgl. 10. Pflu^mzüge mit Tanz 9. FhiUdor, Sammlung 121. Philippinentanz 58. Plan- oder Platztanz 155. 175 ff. 196ff. Plattln 188. 190. PUUbursche, Platzjungfem 155. 175 f. 197 ff. Platzmadl97f. Platzmeister 155. 175. 189. 197. Platzmeistertanz 80. 175. 202. Platztanz s. Plantanz. Digitized by Google 336 Polizeiverbote gegen das Tansen 112ff. Polka 221 f. 220. Polka-Masurka 223. Polnisch (Mazurka) 150. Polnischer Tans (alter) 61. 213. 258 f. 322. Polonaise (alla polacca) 211 ff. 266. Pomwitsel-Tana 178. Praetorius. Mich. 121. 261. Predigten gegen Tanz 93 ff. Preußisch (Galopp) 220. Prophetenkuchen 186. Proports (Proportio, Springtans, Nachtanz) 254. Psalmweisen zum Tanz 253 f. quadrUle 227. 145. Qu. firanfaise 223. 271. Qu. ä la cour 224. Quaß, Pfingstquaß 155. Ramm-slac 11. Rappoltstein (Pfeiferkönig) 288. Käthsellieder beim Tanz 53. 108. 234. Rattenschwanz 248. Kedowa (Rejdov4k) 228. vgl 33. 192. Refrain 27. 229. 230. 239. Regen- undSonnenliedchen der Kinder 292. 296. Reie» Reigen, Reihen 24 ff. 33. 146 ff. Reift&nze64ff. 180. Reigen der Kinder 292 ff. Reigenlieder s. Tanzlieder. Reigen-Überreste bis in die Neuzeit 147 ff. Reihenaus (Kehraus) 62. Reihenlauf (Kinderreigen) 312. Reihentanz s. Reie. Reissiger, C. G. 266. Reiter (Hopser) 204. Reprinzen (» Double) 140. Retrowange 32. Reuter (Zweitritt) 204. Rheinl&nder-Polka 222. Rheinpfalz, T&nze in der, 203. Ridewanz 32. Riedenburger 194. Riesen tanz (tusseldanz) 12. vgl 11. Rigaudon ia7. Rimpfenreie 36. Ringelreihen 3. im9. Jahrh. 17. im 15. Jalirh. 102. der Kinder 293 ff. Ritterschlag 284. Rittertftnze29ff. 320. Rivander, Paul 260. Rockent&nze 116. Romanesca 138. 128. Rondeau 25. Rosenhut 164. 300. Rosenkronentanz 164. Rosth, Nie. 258. Roth, Chr. 260. Rflckelreih 2o7. Rudlieb (südd. Tanz darin beschrieben) 18. Ragelieder 232. Rumpuff 206. Runda (im Vogtland) 240. Rundt&nze 3. 216. Rutscher (Galopp) 220. (älterer Tans) 204. 206. 8aat-Hahnen 169. S&chsischer (Schleifer) 198. vgl. 257. Sackmütae 205. Sagenhafte Tänze 12. 21. 22. Saltarello 129. 137. 254. Salzsiedertanz in Schwäbisch Hall 147. Sandmann 204 f. Sankt Mäha-Städak 168. St. Nioolai-Braderschaft 288. Sarabande 139. Sathan (Saathahn) 169. Sautanz 211. Schäfer, der von Neustadt 324. Schäfertänze 174.102. Schäfertanz in der Mark 208. im MA. 103. Schäfflertanz (Böttoherfest) 66. vgl. 44. Schamerthaler 194. Schamperlieder 96. 91. 94. Schapel (Kranz) 87. 99. Scharer (Schartanz) 56. 257. vgl. 49. 188. Schatz suchen (Kinderreigen) 301. Schaukelwalzer 219. Schein, Herm. 259. Schembart-laufen 67 ff. Scherenschleifertanz 209. Scherzlieder 233. Scheuertanz (Scheunentanz) 203. 37. 118. Schicketanz (Teufel) 93. 105. Sehiedermeier 267. Schiffer-Holländisch 209 f. SchiffsumfQhrung mit Tanz 8. Schirazula-Marazula 74. Schlange (Reihenlauf) 312. vgl. 306. Schleifer (langsamer Wabter) 145. 188. 192. 197. 198. 204. 217. Schleiftänze 145. Schlenkerer (Polka) 204. Schleppenkleider beim Tanz im MA. 87. Schmiede-Michel 208. Schminke 98. Schmoller 62. 322. 323. Schnadahapfl, Schnaderhapfl 239 ff. 256. Schneider, Tr. 267. Schnittertanz 167 fil Schnittlag, Schnitthahn 169. Schöfferdants (Schäfertanz) 102. Schön dör und stolt 206. Schönthun oder Ghamiertanz 210. Schornsteinfeger 209. Schottisch 220. 222. 226. Schreiter (Zweitritt) 202. 204. Digitized by Google 337 Schreitetani 203. Sehritt-Tänxe, 8. umgehende Täiise. Schrottaiu 203. Schubert, Fr. 269. 215. 265. 266. Schuhpkttl-TaiuB 189. ygL 19. Schunkelwalser 219. Schürt den Kedel ut 185. Schustertans 208. Schwäbisch (Schleifer) 62. Walier 195. Langaus 228. 187. 190. 217. Schwäbische Volkstfinse 194 ff. Schwäbischer Bauemtans in der Mark 210. Schwalbenlied auf Rhodos 151. vgl. 293. Schwanendreher 257. Schwaner Xnab 56. 49. 252. 257. Schwarzer Mann 47. 57. 209. SchwedentanjB 211. Schwedische Tänze 53. 182. 183. 311. Schwedischer Mann 209. Schweinauer 190. Schwertertani : der alten Germanen 6. der alten Schweden 6 f. der Ditmarsen 178 f. der Bauern zur Minnesingerzeit 37. deutscher Handwerker im MA. 64 ff. des Landvolkes bis zur Neuzeit (Hessen, Westfalen, Salzkammergut, Steiermark) 178 ff. Schwingtage 170. Sechsertanz 188. Seelentanz 22. Sempertlaufen der wendischen Weiber 68. Serra (Säge) 80. Sichelhängen, Sichelhenket 168 f. 195. Siebensprung 155 ff. 163. Simmenthaler 257. Simmetfeuer 159 ff. Singen beim Tanz 25—28. 195. 201 f. Sittengericht 153. 202. Slawische Tänze 162 f. Sommerbau, Sommergewinn 151. 234. ygL 158. Sonnen- und Regenliedchen der Kinder 292. 296. 293. Sonnewendfesttänze 169 iL 116. Sonntagstanz yerboten 93. 81. ygl. 116. Sperlingskirmes 60. Sperontes (Scholze) 213. Sphärentanz 2. Spieffeltanz 209. Spie&raf 288. 290. Spielhaus (spilhüs) «= Tanzhaus 82. vgl 37. Spielleute 278 ff. 74. Beliebtheit 283. In- strumente 285 f. (s. Musikinstrumente). Kunstleistungen 280 f. 287. Lohn (Ge- schenke) 2847. Musik 287. Recht- und Ehrlosigkeit 281 f. Tracht 280. Spielleut-Truhe 240. Spielmannsreim, niederdeutscher 287. Spieltanz 189. Spielweiber 279. Böhme, Gesch. d. Tanxet. Spinnetänze 116. Spohr,L.,215. 266. SpotÜieder zum Tanz 232. 241. Springauf s. Sprin^nz. Springeltanz der Ditmarsen 50. Springer (Rheinländer-Polka) 222. 226. Springtanz 96. 254. 257. vgl. 34. 85. 217. Sprisinger 49. Staanen 189. Stadel-wise 37. 203. Staden, Joh. 259. 262. Stadtpfeifer 288. 290 ff. 120. Stampenie 28. Stampf 36. Stenglos-Tanz 257. Stie^elknechts-Galopp-Walzer 206. Stika, Joh. 267. Stolzer König (Kinderreigen) 308. Strauß, Joh. (Vater) 270. (Sohn) 274. Strömkarl 12. Strumpf beim Tanz 88. Strupfer 204. Studententans 103. 257. ^ Styrienne 216. Suite (Tanz-Folge) 262. Swantewit 162. Takt, gerader und ungerader, 247. 254. 230. Taktweehsel in alter Tanzmusik 248. 254. in Oberpfälzer Bauemtänzen 192 ff. Tambourin 140 Tanz, Begriff 1. älteste deutsche Ausdrücke dafOr 5. kulturelle Bedeutung desselben 4. Erfinder 2. Arten 3. 4. Namen 257. 31 f. 35. 248. 271. Kleidung und Schmuck 38 f. 86 ff. 98 f. Manier in der ältesten Zeit 13. — vom 8. bis 12. Jahrh. 23. — zur höfischen Zeit 30 ff. 320. — im 14. bis 16. Jh. 83 ff. Abbildungen 31. 33. 89. 320. Orte (Tanzlinde, Tansplatz, Tanzhöfe, Tanzlaube, Tanzbühl, Tanzhaus, Spiel- haus, Spielhof, Wirthshaus) 37 f. 70 f 82. in der Gegenwart 316 ff. Zeiten 81 f. 321. 187. Zweck 3. Mängel des modernen Tanzes 316 ff. Vorschläge zur Besserung 319. Unsitten (s. d.). Urtheile u. Predigten über Tanz 91 ff. Verbote 16ff. 112ff. 86, 93. Lieder 229 ff. 25 ff. 94fl 145. 217. Musik 315. 319. in älterer Zeit 245ff. im 18. und 19. Jahrh. 264 ff. 275. s. Musik- instrumente. Musiker (Spielleute) 278 ff. (zünftige Musikanten) 288 ff. Komponisten 248 ff. 258 ff. himmlischer (der Seligen) 96. 22 Digitized by Google 338 (TaM:) Strafen Gottes für leichtfertigen Tanz 107. 95. 39. Tanjsbitter 181. 113. Tanahaus 71. 82. 107. Tanzlehrer 144. 203. Tanzmeister bei den Zünften 83. Tanzreime, neuere 243. Tanzschuhe, rothe und weiße 87. 98. Tanzspiele in Kirchen 18. Tanzteufel 109. Tanzwuth im MA. 40 £ Tarantella 129. Taubentanz 62. Taubert, Tanzmeister 185. 328. TempÄte 228. Teuftl 93. 109. 110. Thiersage 233. 294. vgl. 292. Thüringer Tftnze 204. im 1 2. Jh. gerühmt 30. 320. Thüringer Kirmestanz 175 ff. Thürmer 119. 290. Tirlefei 35. Tiroler 204. Ländler 216. Tisell-tasell 248. s. Musikbeil. 1. Todten-Polonaise 215. Todtentanz : Bildwerke 45 ff. scherzhaftes Tanzspiel 60. 49. 322. 323. märkischer Tanz 210. Todtmacher 203. Trappeltanz 205. Trei 32. treialtrei 31. TreirAs 32. Trenitz (Tänzer) 224. Trimmeken-Danz 50. 49. Trinkgeschirr beim Tanz 27. 34. 171. 173. ▼gl. 154. 175. 197. Tripotei 36. Trölla-slag 12. Trottart-Tanz 54. Trümmertanz 177. Trutzliedl 200. 240. 24t. Trymmeken-Danz 50. 49. Turniere mit Tanz 75ff. Tuteley 35. 49. Tyrolienne 216. Umfangen beim Tanz 114. 102. Umgehende (umgönde) Tänze 29 ff. 79. 94. 254. 320. Unsitten beim Tanze : bei den Festtänzen der Christen im Alterthum 16. bei den höfischen Tänzen 34. bei den Bauemtänzen des MA. 34. 39. Maßlosigkeit 39. 117. 188. weite Sprünge 39 f. schamlose Entblößung 90. 100—103. 107. 109. (Unsitten beim Tanze :J Ablegen des Mantels verboten 87 f. 118f. ohne Rock tanzen 114. oh,||e Bekleidung tanzen 111. Umschwenken und in die Höhewerfen der Frauen 102. 103. 107. 114. 118. bei der Volta 141. Umwerfen 40. 86. 89. Verdrehen 83. 109. 1 14 ff. 117 £ 143. Maulschelle an die den Tanz Verwei- gernde 84. schändliche Lieder dabei singen 236. 102. 96. 103. 108. 109. Prügelei und Lärm dabei 39. 105. 107. Unterrock beim Tanz 202. Upländischer Brauttanz 182. Reihen 310. Urtheile über Tanz von Q. Agrippa von Nettesheim 103. Allan 93. M. Ambach 109. AmbrosiuB 92. AmmianuB MarceUinus 92. Aristophanes 91. Augustinus 93. Basilius 92. 16. Seb. Brant 101. 93. M. von Brocke 110. Calvin 104. Chrysostomus 92. Cicero 92. Daule von Fürstenberg , Tantzteuffel 109. Ephraem von Edessa 93. Aug. Herm. Franoke 1 10. Gefler von Kwsersberg 102f. 93. Caspar Oruner 105. Hartmann 109 f. 282. Horaz 92. Jean Paul 111. Justinus 92. Luther 104. Job. von Münster 83 ff. 140 f. Philander von Sittewald 283. PUto 91. Prediger des 15. Jh. 94 ff. Sokrates91. C. Spangenberg, Ehespiegel 105 ff. Heinrich Suso 52. Traktatschreiber in Luxemburg 112. Christian Weise llOf. Tarsovienne 223. Veier-tanz (Vortanz) 54. Veilchentanz 151. Veitstanz 40. 42 f. 162 ff. Veleda 8. Verkehrte Welt 209. Vermauerte Königstochter 304. Verwünschung heidn. Tänzer 19. 95. Vier Winde 209. Digitized by Google 339 Vierer 227. Vierfach 194. Viertourig 210. Vigilien 16. Vikivaki 14. Villanellen 258. Virelai, Virlei 32. Vogel, hupf auf d' Höh 190. Vogelsteller (Winker) 204. VogÜändische Tänze 204. Völckel, Sam. 260. Volkstänse 314 f. alte, bis zur Neuzeit er- halten 166 ff. des 18. Jahrh. 145 ff. Volta 140. 129. 142. Vorsänger und Vorsängerin 26. 50. 95. Vor- und Nachsingen 26. 102. Vortanz als Gegensatz zum Nachtanz (Tanz- form) 84. 254 f. Vortanz a Ehrentanz, erster Tanz 61 . 73. 76. 197. Vortänzer und Vortänzerin 27. 31. vgl. 15. Vürentanz211. Weber, Dionys 267. Wechseltanz 49. Wegtanz (in Upland) 182. Weiberzank 210. Westenwälder 54. Westricher Volkstanz 203. Wettlieder beim Tanz 234. Wickeltanz 195. Wiege, Sammlung für die, 182. Wiener 204. Walzer 269 ff. 274. 217. Willkomm 154. 182. Windliehter (Fackeln) beim Tanz 75 ff. Winelied (Mädchenlied an den Freund) 26. >320. Winker 204. 209. Winneweh (Menuett) 203. Wirbeltanz 3. Wirthschaft und Bauernhochzeit bei Hofe 144. Wirthshäuser 83. 107. 108. 116. 117. Wunschlieder beim Tanz 234. Waffen beim Tanz ablegen 88. 107. 117. Waffentanz s. Schwertertanz. Wagner, Rieh. 215. 247. Wadch, J. H. 268. Wälscher Tanz 103. 143. Walzer 216 ff. 192. 198. 204. 220. 264. 266. 267 bis 274. Wabserketten (Walzerkränze) 267. Walzerkomponisten 267 ff. WÄnaldei31. Weber, C. M. v., 268 f. 215. 264. Zachäus 177. Zämertanz der Metzger 67. Zäuner 55. 49. 61. 111. 257. 321. 322. Zephyr-Walzer 227. Zeuner s. Zäuner. Zünftige Musikanten 288 ff. Zunft-Tänze 63 ff. 83. Zweifacher (Doppelter) 192 f. Zweitritt oder Schreiter 202. 204. 206. Zwiefacher (Doppelter) 192 f. 194. Zwölfertanz 188. Zwölfmonatstanz 60. 322. 323. 217. Digitized by Google Berichtigungen. S. 72, Z. 8 V. u. Kes: [um 1612]. S. 113, Z. 12 V. u. lies: pfeiffem. S. 119, Z. 1 V. u. lies: (s. S. 207). S. 206, Z. 4. ▼. u. lies: Schön dör und stolt. Musikbeilagen S. 144, Nr. 231 lies: Ende des 18. Jahrh. Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Digitized by Google Hu4 Zfll t^ (;,-.. ^ r. .1,, I „ .-. . .-, M.-.,f-.. NU, ■^ Digitized by Google