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Man kann den »Frauentanzc nicht gut als eine besondere Tanzart^ sondern nur als zufidlige Bezeichnung für ein Minnelied nehmen. Außer den hier genannten getretenen Hoftänzen wurden bei den Rittern auch zuweilen Reigen,^ die uralte Lieblingsbelustigung tanzender Bauern, aufge- führt; durch Lenzeslust ließ sich die höfische Gesellschaft verlocken, zu Spiel und Tanz aus den Sälen in die umfriedeten Baumgärten und Lindengänge zu ziehen, wo der bemessene Schleifschritt der feierlichen Umgänge zuweilen mit minder sanf- tem Tempo vertauscht worden sein mag. Eine lange Kette (Reihe) von Mädchen und Rittern in bunter Reihe folgten einem Yortänzer, und in zierlichen Tanzschritten vorwärts schreitend, machten sie allerhand Windungen. Abbildungen vom höfischen Tanz in Deutschland sind nur wenige vorhan- den, vom Bauemtanz aus derselben Zeit gar keine. Diese wenigen sind: 1. Die schon oben erwähnten Runkel stein er Bilder [Fresko-Cyklus des Schlosses Runkelstein, herausg. von Seelas und Zingerle] . Auf Taf. 20 ist die Dar- stellung eines höfischen Tanzes. 2. Das Miniaturbild des Heinrich von Stretlingen in der Manessischen und Naglerschen Handschrift. [Beide sind mitgetheilt von Fr. von der Hagen in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1852, Tom. I und 11. Auch in Hagens Bil- dersaal Taf. 16 und 46. Daraus wiederholt in Weiß, Kostümkunde H, Fig. 243.] Sie zeigen uns einen Tänzer mit der sonderbaren Drehimg des Fußes, der für das mittelalterliche Tanzen charakteristisch zu sein scheint. 3. Miniatur der Manessischen Handschrift zu Hildebold von Schwangau [Hagens Bildersaal Taf. 22], darauf ebenfalls jene Fußstellung zu schauen ist. Auf einem französischen Monument-Relief eines Kapitals aus Saint-Semin zu Toulouse, 12. Jahrhundert (mitgeth. im Dict. de TArch^ol. Vm, 125) ist der Tanz der Tochter der Herodias zu sehen: das Mädchen hält in einer Hand eine Glocke und ist im Vorschreiten begriffen ; die Fußspitzen hat sie so eigenthümlich einwärts gewendet, dass sie einander beinahe berühren. 1 Trojanerkr. 28, 200: £a; wart nie schGener reiee und dar nich balde springen gemachet von deheiner schar, wart d& mit hubischen dingen si wunden sich dan unde dar an in beschouwet imde erkant, und br&chen sich her unde hin. man sach vil man^e wt^e hant man hdrte lüten under in ir vin^er d& blenkieren. tambüren, schellen, pfifen. die tnte wandelieren lis üf den fQe^en slifen begunde man sus unde s^.^ Neidh. (MSH. IQ, 28) : Zippel zehen, hupfen n&ch der gtgen, wandelieren hm und her des..mt sie meister. Neidh. (MSH. 111,287): Zippeisehen, sohoken dar, strichen mit den versen. Böbme, GMeh. d. T^nzM. d Digitized by Google 34 Im hOf i sehen Tanse kamen auch Aussdireitllllgeil vor, wie aus mehrfachen Klagen der Minnesinger zu schließen ist. So rügt ums Jahr 1370 der Teichner [Liedersaaim, 295] das wilde Tanzen als einen von den Bauern auf den Adel über- gegangenen Unfug. Zu Neidharts Zeit habe man neue Unsitte in Qeberde und Ge- wand bei den Bauern gefunden , nun sei sie aus der Bauern Hand über die Edeln gekommen. Vormals habe man sachte (leise, sanft) tanzen sehen, darnach aber habe der Reigen sich erhoben. Jetzt sei das nichts als ein Auf und Nieder, das er nicht zu bezeichnen wisse ; doch vergleiche er es am besten dem Volke, das beim Traubentreten (Weinpressen] auf- und niederhüpft, oder einer Kuh, die mit dem Schwänze die Fliegen und Bremsen von sich jagt, oder dem Hirsche, der sich reibt. Er erinnere sich noch wohl der Zeiten, da man sanftere Reihen pflegte, dabei einer während des Tanzes ein lautres Glas voll Weins auf dem Haupte führte. Dieses flele jetzt einem Tänzer schwer, der, vom Glas zu schweigen, Mantel, Rock und Gugelhut (Kapuze) vom Halse schüttele, so un- schicklich wild sei sein Tanz. Im Ganzen ersehen wir aus den franzOsiBchen Namen der ritterlichen Tänze und der Tanzmanier: dass der höfische Tanz wen ig er deutsch war, als der Volks- tanz. Deutsche Fürsten und Ritter verschmähten das Einheimische als bäurisch und holten lieber fremdländische Mode herbei , eine Sucht, die seitdem den Deutschen leider zu sehr anhaftete und der bis heute nicht abgeholfen ist. — Trotz alles Schmuckes mit fremden Manieren und im fremdländischen Kostüm zeigt der Hof- tanz in seiner Etikette eine größere Einförmigkeit, als der ländliche. Daher er- fahren wir aus Gedichten des Neidhart, Tannhäuser und Anderer, dass die Ritter sogar gelegentlich am Tanz mit den Dorfschönen unter der Linde sich ergötzten. Bei der Unkenntnis der Tanzmelodien aus der höfischen Zeit lässt sich über die Beschaffenheit des damaligen Tanzes kein sicheres Urtheil fällen. Über die Bauerntänze der mittelhochdeutschen Periode sind wir besser unterrichtet, als über die höfischen Tänze, weil sie von einigen höfischen Dichtem, die sich gern mit den Bauemdimen vergnügten , ausführlich geschildert werden : das waren vor allen Neidhart, Tannhäuser und Ulrich von Lichtenstein; auch manche andere Ritter und ritterliche Sänger mischten sich gern unter die Lustbarkeiten der Bauern und ihrer Tänze unter der Dorflinde , wo es nicht so steif zuging und bei denen sie ungebundener Heiterkeit sich hingeben konnten. Beim Bauemtanze wurde viel gesprungen,^ oft so sehr, dass den Dirnen die Röcke in die Höhe flogen und sie mit den Köpfen zusammenstießen, und ehr- bar ging es freilich nicht immer zu. Für ein ehrbares Mädchen galt es darum nicht für rathsam, in den wilden Tanzjubel sich zu stürzen. Eine sorgsame Mutter hält ihre Tochter davon zurück und treibt ihr im Nothfall mit dem Rechen oder Spinnrocken die Tanzlust aus (Neidh. MSH. 11, 106 und 11, 123); denn manche Jungfrau, sagt sie mahnend, habe schon beim Tanz ihre Ehre verloren. Die Tochter aber kehrt sich nicht daran. Waren die Mädchen erst unter der Linde angekommen, so galt es, mitzutanzen ; denn wenn sie nicht mitspringt , von der vermuthet man (wie Tanxihäuser in MSH. 11, 78 sagt) : i»diu treit ein kint«. 1 GöU n, 6 (MSH. n, 79) : H6he Sprünge, geile bakke knüsse. Tanh. IV, 29 (MSH. 11, 87) : Seht an ir beinel, reit brün ist ir meineL Tanh. XI. 2 (MSH. H, 93): L& sitüli blekken ein w6nik dur den willen min. Digitized by Google 1. hoppaldei. 5. 2. heierlei. 6 3. firlefei. 7. 4. falefranz. 8. 35 Die Miimesiiiger erwälmen folgende Namen von Bauerntftnzen, leider ohne weitere Bescbreibung : mürmum. 9. aclisel roten. trypotei. 10. houbet Bchoten. gimpelgampel. 11. rimpfenreie. krummer reie. 12. stampf. Die Namen mögen theils ihrem Tanzrhythmus nachgebildet , theils aus dem Trailern sinnloser Lante oder sonst durch einen Zufall entstanden sein, wie in unserer Zeit z. B. der Ausdruck Tingel-tangel, oder in einer Neidhart-Handschrift die Singweise Tissel-tassel. Wir wollen zur Erklärung Folgendes beibringen. 1. Ein sehr beliebter Reihen scheint der Hoppel-rei gewesen zu sein, denn er wurde gesprongen von den Bauern, als ob sie fliegen wollten.^ Im Namen und im Hüpfen verwandt war jedenfalls der Hoppaldei, der bald ge- sprungen, bald getreten ward, und bei welchem sie wie wilde Bllren umherfuhren. ^ Ein Yolksm&ßiger Tanz muss er gewesen sein, da er als Gegensatz zum Hof tanz von Neidhart genannt wird, der den Bauern tadelnd sagt : sie möchten lieber Hop- paldei tanzen, nicht aber Hoft&nze nachmAchen.' Den Namen hoppelrei und seine Varianten hoppaldei und hoppeldei halte ich nicht aus der Fremde aufgenommen (wie Liliencron in Haupts Ztschr. 6, 81 be- hauptet] , sondern fflr gut deutsch, von i»hoppenc, hüpfen abgeleitet. Weil nach erster Belegstelle der hoppaldei Ton je zwei und zwei getanzt wird, scheint er nicht ein Reigen, sondern ein Paaren tanz gewesen zu sein, also eine Art Hopser oder gar unser Walzer. Er muss der Umbildung fShig gewesen, also ein Gattungsname sein, da neue Hoppeldei-Weisen erwähnt werden. Auch Fischart (Gargantua 1590 S. 375) spricht von neuen Hoppeltftnzen. Hoppeldei heißt noch ein Kinderspiel, das Paradieshüpfen (Rochholz, alemann. Kinderlied 394). 2. Heierlei (MSH. HI, 189^) erinnert an den beim Tanz so oft gehörten Aus- ruf der Freude: »hei&hei!« (MSH.in, 283^). Weil diese Rufe beim Hoppeldei er- tönten, so möchte man folgern, dass der Heierlei ein ähnlicher Tanz war, Tielleichtein rascher Reigentanz im '/4Takt J^ J^ J etc. Noch Geiler von Kaisersberg kennt den Heigerleis (Deutsches Wörterbuch IV, 2, 814). 3. Der Firlefei (erwähnt in MSH. m, 252^) ist wohl der noch später vor- kommende Firlefanz, ein rascher schwäbischer Tanz, der 1533 in einem Berg- reihen (Uhland S. 647) angeführt wird: do pfif er ir den firlefanz wol nach der dörfer sitten. Ganz ähnlich klingend ist der Tanzname Tirlefei, den Fischart (Gargantua c. 8) neben dem Tuteloy anführt. Wenn firle und gefirle in schlesischer Mundart so viel als hurtig, behende heißt, so möchte man bei firlefei, firlefanz , tirlefei auf einen raschen Bauemtanz schließen. i Neidh.XVI,2 (MSH. U, 113): Sus machent umb den giegen ie zwei und zwei ein hoppel-rei reht sam si wellen vliegen. '^ Neidh.Xni,8(MSH.in, 198): Ze haut d6 wart der hoppeldei gesprungen, si vuoren umbe sam die wilde bem. Neidh. LXXH, 5 (MSH. IH, 236) : D6 träten si den h o p p ald e i 3 Neidh. (Hagens Hs. 121, 9): Si selten hoppaldei pflegen, wer gap in die wirdikeit, da^ si in der spilstuben hovetanien künnenP 3* Digitized by Google 36 4. Fulefranz ist Yermuthlich gleich mit Firlefanz und nur durch einen Schreib- oder Lesefehler entstanden. 5. und 6. Mürmum (MSR. m, 260) und Trypotey (nach Weinhold in einem Neidhart von 1537 erwähnt) sind bis jetzt unerklärt. 7. Gimp el-gampel (MSH. m, 215) bezeichnet einen muthwiUigen Spring- tanz. Nach Grimms Wörterbuch heißt Gampel , m., lustiges Springen und Treiben, Schweiz. : »wie junge Hunde in lustigem Gampel um die Mutter tanzen« (J. Gotthelf 8, 137]» Nebenform dazu ist Gamel, Lust, MuthwiUe, vom althd. gaman, Spiel. Gimpel- Gampel ist dazu im Ablautungsverhältnis gebildet, wie Klingklangy Singsang. 8. Der krumme reie wurde von den Tanzenden insgesammt bald ge- sprungen, bald gehinkt und scheint sehr wild gewesen zu sein, denn in einem Tanzliede von Neidhart 60, %9 (MSH. m, 312^] heißt es: Da schrien sie Alle zugleich nach einem Spielmann: »Mach uns den krummen Reihen, den man hinken soll. Der gefiült uns Allen wohl, und Löchlein ists, der ihn fahren soll.« Der Spielmann nahm die Pauke (Handtrommel) , die Reifen fest er wand ; da nahm auch der Löchlein ein Mädchen an die Hand. » O du lustiger Spielmann, mach uns den Reihen langl« Juheia, wie er sprang! Herz, Milz, Lung* und Leber sich rundum in ihm schwang. 9. und 10. Achsel-rotten und Houbet-schotten sind zwei süddeutsche Bauemtänze, die um 1230 der Minnesinger Göli (MSH. ü, 79. 80) erwähnt. Ein Mädchen, die Sommer und Anger grQßt, freut sich der schönen Früh- lingszeit , dass sie nun wieder Kränze tragen und als Schmuck den Eopfschleier (houbet rlse) an ihr Haar binden könne. Sie rühmt sich dann, dass sie könne des Reihen Weise und auch den Achsel-rotten leise (leichtauftretend) nach der Geige geschwind tanzen.^ Dazu kommt ein Jüngling nach dem Tanzplatz, hübsch und mit geringeltem Haar, flink und gewandt auf den Füßen, mit denen er ge- füglich zispet, walket und ribet. Er jauchzt >Har nora iou U und kann meisterlich tanzen den Houbet-schotten und singen des Reigens Noten .^ — Ich vermuthe, der Dichter Göli hat bei dieser Schilderung der süddeutschen Tanzsitten den jetzt noch in Tyrol und Oberbayem mit Geberdenspiel aufgeführten Schuhplattl-Tanz vor Augen gehabt, bei welchem das »Haupt geschüttelt« und die »Achsel gerüt- telt« wird. Schwerlich kann rotten hier so viel heißen als auf der Rotte (einem damals beliebten Zitherinstrumente) spielen. Eine andere Handschrift (Haupts Neidhart -Ausgabe XVIII, 19 und XXII, 14) hat die Lesart Jiahsel notena, was Unsinn ist und zur dunkeln Stelle noch mehr Verwirrung bringt. 11. Auf die Bewegungen beim Reihen, auf Krümmen und Zusammenziehen deutet Rimp f e n-reie, der erwähnt ist in MSH. m, 252^: da er niune zende vlös einhalp ü; dem wange, d6 im mtn her Enzeman streich den rimpfenrei. 12. Der Stampf. So ist ein Lied Neidharts (Musik-Beilagen Nr. 4) und ebenfalls die Melodie dazu überschrieben. Darunter ist nicht ein Stempel, sondern 1 MSH. n, 79: Wol kan ich des reien wise und euch den ahsel rotten liae n&ch der gigen tanz ich yil geschwinde. 2 MSH. n, 80: Har nora ioul den ahsel rotten kan er wol ze pHse, meisterlich den houbet schotten, singet wol des reigen noten. Digitized by Google 37 Bweifelsohne ein Banemtanz mit Aufstampfen der Foße gemeint; solch ein fester dörperlicher stampf endigte zumeist mit scharfen Hieben. 13. Die Stadel-wlse (Scheunen -Weise) erwähnt Burkart von Hohenvels (Bartsch, Liederdichter 34, 131): Diu vil Büe;e stadel wise künde starken kumber krenken, eben tr&tens unde Ilse. Prof. Karl Weinhold halt sie für einen süddeutschen Bauemtanz mit sanftem Charakter. Möglich wftre , dass damit wenigstens eine ruhige Tanz-Melodie ge- meint ist. (Vergleiche dazu den Scheunentanz bei Hochzeiten in Unterfranken Kap. Xm.) 14. Der Minnesftnger Göli [Bodmer Ms. 11,57] schildert einen Tanz, der bei Gelegenheit eines Frühlings- oder Ost er Spiels von Zwölfen ausgeführt wurde. Der Yortänzer Friedebold führt dabei das Ostersachs (Ostermesser) , die Genossen tragen lange, zweischneidige Schwerter und so suchen sie den Reigen eines zweiten Anführers fechtend zu durchbrechen. Jeder der zwei feindlichen Reigen hat in seiner Mitte die begeisternden Schönen, die singend ihre Anführer rühmen und den Gegner höhnen : J»£r ist unter Falken nicht ein Aar, kaum ein Löwenklau unter den Thieren. Wer wittern könnte, wie er will, den schlüge der Hagel selten.« Dazwischen schlagen die Schwerter schallend auf harten Stahl, MinrtLstig Spiel, bei dem man zur rechten Hand des Daumens wohl bedarf.« Wo wurde getanzt? (Tanz-Orte.) Die vornehme Gesellschaft der Ritter tanzte stets in den Sälen ihrer Ritter- burgen. Das Volk auf dem Lande machte durch Tanz und Spiel sich lustig im Freien : auf öffentlichen Plätzen (Tanzplatz, Platztanz), auf den Straßen und auf dem Anger an der Heide, besonders im Frühling und überhaupt in der schönen Jahreszeit. Jedes Dorf hatte seine Linde, um welche der Reigen sich drehte [MSH. III, 199^ und 187^], wie das noch heute auf manchen Dörfern in Thüringen und Bayern zu finden ist. Zur Winterszeit flüchtete man in die Stuben , die zu diesem Zwecke von allem Geräthe geräumt wurden. Wir sun den winter in stuben enphähen, wol üf, ir kinder, ze tanz sun wir gäben I [Burkart von Hohenvels, MSH. I, 201».] Manchmal ging es selbst in die Scheuern zum Tanze, wenn es in der Stube zu heiß war : Uns treib {L; der stuben hitze, regen jagte uns In ze dache ; ein altiu riet uns mit witze in die schiure nach gemache. [Burkart von Hohenvels, bei Bartsch 34, 121.] Für die große Theilnahme des Volkes an Tanz und Spiel im 12. und 13. Jahr- hundert zeugen nicht nur die vielen Andeutungen der Minnesinger, sondern auch die ständigen Anstalten und Localitäten zum Tanz in Dorf und Flecken, ja selbst in Städten (wie Frankfurt a/M.), wie solche in Zins- und Eopialbüchem des 14. Jahr- hunderts mehrfach erwähnt sind, als: Tanzlaube (tanz loube), Tanzlinde, Tanzbühl (Anhöhe, Hügel zum Tanz), Tanzhöfe, Spielhöfe; Tanzweg, der nach dem Tanzplatz führte, hat in vielen Städten seit Alters existirt. Digitized by Google 38 In den Städten und Markten erbaute man erst seit dem 14. Jahrhundert be- sondere Tanzhäuser, in denen zunächst die öffentlichen Hochzeitstänze der Ge- schlechter und später auch der Bürger und Zünfte abgehalten wurden. Sie waren zuweilen mit dem Rathhause rerbunden. Im bayrischen Oberland sieht man noch jetzt neben manchem Dorfwirthshaus ein Tanz haus stehen, was freilich oft nur ein mit Brettern belegter Tanzboden über einer Wagenremise ist. Ein Hochzeitsspruch des 15. Jahrhunderts [Hazzi, Statistik I, 425] sagt: »Nach diesem dürfen auch die ehrenfeste Hoohzeitgäst hinaus gehen auf das öffent- liche Tanzhaus, sie dürfen ein Tanz thun, zwey oder drey«c — >In einem Raht- oder Tantzhaus hub Samson die Säulen umb«, schreibt der bayrische Histo- riker Ayentinus. Sogar auch die Kirchen, ihre Vorhallen und die Kirchhöfe waren in alter Zeit ein beliebter Platz zum Tanzen , und die Geistlichkeit hat auf Synoden und von der Kanzel herab vergebens gegen diese Unsitte, die bis Ende des Mittel- alters sich erhielt, geeifert.^ Wie wurde getanzt? Man tanzte a) im schönsten Schmuck, b) viel und mafilos, c) oft roh und schamlos. a] Nichts war natürlicher, als dass Mädchen und Frauen zum Tanze sich be- sonders schmückten. Einen besonderen Festschmuck zum Tanz lieben sogar alle NatuWölker bei ihren Keulen- und Thiermaskentänzen ; so auch die Haib- und Ganzkulturmenschen bei ihren Ballfesten. In der ritterlichen Gesellschaft des Mittelalters war es Sitte, dass die Frauen vor dem Tanze sogar neue Toilette machten. Im schönsten Kleider- sdimuck mit Kränzen und Spiegel ging es dann zum Tanze. ^ Die Mädchen und Weiber der Bauern legten, wenn es zum Tanze ging, ihre Werktagskleider ab und nahmen das schönste wohlgefaltete Gewand aus dem Schrein. Wie oft schildern nicht die Dichter die Dorflust und den Streit zwischen einer tanz- lustigen Tochter und einer besorgten Mutter, welche die Kleiderkammer oder den Kasten nicht öffnen will. Das Haar mit Seidenborten umwunden, im Kleide mit modischer Schleppe, in der Hand oder auch an einer seidenen Schnur , die am Halse hing, einen kleinen Spiegel, vor allem aber mit einem Blumenkranze auf dem Haupte, so eilten in den fröhlichen Zeiten des 13. Jahrhunderts die länd- lichen Schönen auf den Tanzplatz.' Ein Kranz schmückte das Haar der tanzenden Mädchen. Darüber von vielen nur zwei Stellen : Nu nimt si üf die beide ir gang in des meien kleide da si bluomen z*einem kränze brichet, den si zuo dem tanze tragen wil. [Steinmar, Bodmer 11, 107.] vNemt, frowe, disen kränz«, also sprach ich z' einer wolget^en maget : wo zieret'ir den tanz mit den schoenen bluomen, als ir s'^Lfe traget.« [Walther, Pfeiffers Ausg. Nr. 6.] ^ Man vergL Begm. can. I, 70. Synod. dioec. Herbipol. 1298 cap. 3 bei Hartsheim 4, 26. Ooneil. VeBontin. 1480 cap. 7 bei Hartzheim 5, 509. s Lohengrin (S. 25) : Die vrowen anderweite wurden schdne gekleidet, ie eine vflr die andere durch ein göuden, ein tanz d6 gemachet wart, » MSH. n, 78. m, 200*. 209b. 279b. Neidh. Ben. 306. i 368. 407. Clara Hätderin 263\ Digitized by Google 39 Der Kranz war aber nicht bloß ein Sebmuck, sondern diente aucb zur Aus- zeichnungy denn er ward von der Tänzerin an ihren Liebling, vom Tftnzer an seine SchOne gegeben, wie man jetzt gegenseitig Schleifen und anderen Tand ver- schenkt.^ Den Männern, wenigstens den reichen Bauern in Bayern und Österreich, die so gern Ritter spielten, war beim Tanz ein nicht gern entbehrter Schmuck das Schwert. Es war möglichst lang und breit und hatte verzierten Knopf.^ Die Folge war, dass blutige Schlägereien beim Tanz entstanden; denn der leicht entzündeten Eifersucht war das Mittel der Rache nur zu bald zur Hand (ähnlich wie wir jetzt aUsonntäglich in grOBeren Städten zwischen Soldaten und Civilisten beim Tanz Prageleien leider beobachten können). Mit Messern, Schwertern und Sturmhauben (Kolmarischen Hüten) ging man auf und nieder, und blutige Schlä- gereien fehlten selten einem Bauemtanz. So blieben einmal um eines Rosenkränz- leins willen zweiunddreißig österreichische Bauern auf dem Kampfylatze todt , ein andermal sechsunddreißig ; das hinderte aber nicht, das nächste mal in der alten Fröhlichkeit wieder zum Reigen zu eilen. Lärmen und Toben, auf Fässern einher- reiten, Umwerfen (Niederlegen) der Mädchen und Frauen gehörte zum Bauemtanz.' Überhaupt war das Leben der Dörfler in den reicheren und freieren Landschaften so frisch und genusssüchtig , dass die vornehmen armen Ritter und Adligen sie wohl darum beneiden konnten und die höfischen Dichter zur Rache gern Dorf- scenen, Bauemtänze mit obligater Keilerei und sonstigen körperlichen Vorgängen besingen und mitunter wohl zu grell ausmalen. b) Man tanzte gern und viel, wie wir aus Anspielungen der Minnesinger erfahren. Bei allen festlichen Gelegenheiten im Mittelalter wurde von unsem Vor- eltern bekanntlich geschmaust und gezecht und dabei auch oft ein Tänzchen ge- macht. Allen Nachrichten zufolge herrschte bei solchen Zech- und Tanzgelegen- heiten eine ausgelassene Fröhlichkeit. Bis zum Morgen tanzte nicht selten der raublustige galante Ritter mit dem Edelfräulein, den Töchtern der Rathsherren und anderer vornehmer Geschlechter, aber auch der gewöhnliche Mann war tanz- lustig. Wie maßlos getanzt wurde, davon nur ein Beispiel, das in Spangenbergs Ehespiegel (s. unten) erzählt ist: i»Im 14. Jahrhundert tanzte der lustige Bischof von Naumburg, Johannes von Miltitz , mit der Frau von Berbisdorf an einer und Sibyllen von Madela an der andern Hand so gewagte Pas, dass er darüber zur Erde stürzte und den Geist aufgab.« Die Tanzanstrengungen eines jungen Dörpers im Dienste seiner Schönen schildert Neidhart (MSH. IQ^ 312^) so: »Der Spielmann richtet sich, da nunmt Löchlein sich eine Jungfrau an die Hand, juheial wie er springt 1 Herz, Milz, Lung' und Leber schwingt sich in ihm um, er Wlt in den Anger, dass ihm Ohren , Nase und Maul von Blut überwallen, zu beiden Seiten sieht man sein Herz heftig klopfen, ihm hat gedünkt, als wären sieben Sonnen am Himmel und lief er um wie ein gedrehter Topf (Kreisel) , ihm schwindelte es um den Kopf und er meinte zu versinken.! c) Man tanzte oft roh und schamlos. Bei den Frühlingsreigen der Bauern und Landmädchen mochte es nicht wenig wild hergehen. Der hohen Sprünge klaf ter lang, welche die Mädchen machten, gedenkt tadelnd Neidhart (Haupts Ausgabe 7, 6): 1 Neidh. Ben. 320. MSH. m, 281b. a MSH. n, 80». m, 188«. 225* 246. 271*. 8 MSH. m, 188. 200. 212b 221*. 260b. 277. Digitized by Google 40 Si sprang m^ danne eins klafters lanc und noch h6heT, danne ie magt gesprungen. Auch GOli (MSH. IE, 57) rflgt die hohen Sprünge ohne Tugend (h6he Sprunge sonder duhte) und erwähnt das Umwerfen (Niederlegen) der Frauen und Mädchen : Des mag Elle und Else wol entgelten, Fridebolt sie hin geleit. Dass es beim mittelalterlichen Tanz nicht immer zum saubersten zugegangen, beweisen femer nicht allein die Klagen der Prediger^ und Moralisten, sondern auch eine Keihe obrigkeitlicher Erlasse.^ Kapitel IV. Tanzwuth im Mittelalter« (14. und 15. Jahrb..) Es war um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als Europa von einer der fürch- terlichsten Seuchen heimgesucht wurde , wie sie die Welt jemals gesehen hatte. Aus China kommend, durchzog sie Asien , die Krim, Italien, Frankreich, Eng- land und erreichte im Jahre 1349 auch Deutsehland, wo allein 2000 Dörfer voll- ständig ausstarben. Der »schwarze Tod« (so nannte man diese Krankheit, die keine andere als die asiatische Cholera war) forderte seine Opfer nach Mil- lionen und seine Wirkung auf das sociale Leben war Ton großer Bedeutung. Da traten nun jene Auswüchse des rohesten, mittelalterlichen Aberglaubens zu Tage und es schien, als ob der Böse selbst unter die Massen gefahren sei, die im tollen Wirbel sich aufrieben. Damals zeigte sich nämlich jene merkwürdige Erscheinung, die von den Schriftstellern als Tanzwuth oder Tanzplage beschrieben worden ist. Im ganzen Rheinland auf- und abwärts bis Aachen und in den Niederlanden erschienen Scharen von Männern und Frauen, welche in bacchantischer Ausgelassenheit unter wilden Sprüngen und Verrenkungen sich drehten. Hand in Hand schlössen sie Kreise und tanzten ohne Scheu vor den Umstehenden in wilder Baserei, bis sie wuthschäumend zur Erde stürzten. Immer mehr wuchs die Zahl der Neugierigen, die sich an dem wunderbaren Schauspiel weideten, aber immer mehr auch die Zahl der Ergriffenen. Der Anblick der rothen Farbe, die Töne der Musik und manche andere Sinneseindrücke beförderten sichtlich den Ausbruch der dämonischen Be- wegungen, welche allen Heilmitteln der Ärzte , allen Beschwörungen der Priester zu trotzen schienen. Man nannte sie Johannistänzer , weü nach der einen Mei- nung dies Übel bei der Feier des St. Johannisfestes seinen Anfang genommen, richtiger aber wohl deshalb , weU die Befallenen den heiligen Johannes anriefen und sich dem Schutze desselben befahlen. Als später 1418 in Straßburg die Tanz- wuth losbrach, benutzte man die Kapelle des heil. Veit zu Beschwörungen, und von diesem Umstände hießen die Ergriffenen Veits tanz er. * Abdruck in Kap. VII. 2 Unter Kap. VIU zusammengestellt. Digitized by Google ^«R 41 Die Form der Aufzüge, wie Bolohe in den Chroniken beschrieben sind, blieb immer dieselbe: Voran gingen einige Sackpfeifer, dann folgte eine Herde Neugieriger., dann die Befallenen in ihren wunderbaren Sprflngen und Tänzen, endlich die jammernden Angehörigen , die Tergebliche Anstrengung machten, die unglücklichen Opfer zurück zu gewinnen. Bisweilen versuchte man durch Schläge und Stoße die Besonnenheit bei den Tänzern wieder zurück zu rufen, und bei einigen schien dies in der That zum Ziele zu führen. Bei manchen dagegen stei- gerte sich die Ausgelassenheit bis zum Tollständigen Verlust des Bewusstseins ; schäumend und brüllend tanzten sie , bis sie todt niederfielen , oder sie stürzten sich blindlings in das Wasser, oder zerschmetterten den Kopf an den Wänden. So währte der Spuk in mannigfachen Variationen bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts, wo er sich dann allmählich verlor. Lassen wir jetzt ausführlich aus verschiedenen Chroniken uns von dieser Tanzwuth erzählen. Voran stehe die Limburger Chronik (Ausgabe von VogelS. 72), die also berichtet : B Zu mitten Sommer Anno 1374 da erhob sich ein wunderlich Ding auf Erd- reich, und sonderlich in Teutschen Landen, auf dem Rhein und auf der Mosel, also dass Leut anhüben zu danzen und zu rasen, und stunden je zwei gen ein, und danzeten auf einer Statt ein halben Tag, und in dem Danz da fielen sie etwan dick (oft] nieder, und ließen sich mit Füßen treten auf ihren Leib. Davon nahmen sie sich an, dass sie genesen wären, und liefen von einer Stadt zu der andern und von einer Kirche zu der andern, und hüben Geld auf von den Leuten, wo es ihnen mocht gewerden. Und wurd das Ding also viel, dass man zu E 1 n in der Stadt mehr denn fünfhundert Däntzer fand. Und fand man, dass es ein Ketzerei was, und ge- schah umb Geldes willen, dass ihr einTheilFrauw undMann inUnkeuschheit moch- ten kommen und die vollbringen. Und fand man da zu KOln mehr denn hundert Frauwen und Dienstmägd die nit ehrliche Männer hatten. Die wurden alle in der Däntzerei kindertragend, und wann dass sie danzeten, so bunden und knebelten sie sich hart umb den Leib, dass sie desto geringer (dünner) wären. Hierauf sprachen ein theüs Meister sonderlich der guten Art, dass ein theil wurden dan- zend, die von heißer Xatur wären, und von andern gebrechlichen natürlichen Sachen. Dann deren was wenig, denen das geschah. Die Meister von der heiligen Schrift die beschworen die Dänzer einestheils, die meinten, dass sie besessen wären von dem bOsen Geist. Also nahm es ein betrogen End und währte wol sechzehn Wochen in dissen Landen oder in der Maaß. Auch nahmen die vorgenannten Dänzer Mann und Frauen sich an, dass sie kein roth sehen mochten. Und war eitel Täuscherei und ist Vorbotschaft gewest an Christum nach meinem Be- dunken.« Das glaubwürdige Magnum Chronicon Belgicum erzählt beim Jahr 1374, wie es aus dem Latein übersetzt hier folgt : 9 In diesem Jahre kam aus Deutschland eine wunderliche Sekte nach Aachen und ging von da durch den Hennegau nach Frankreich. Leute, beiderlei Ge- schlechts, vom Teufel gereizt, tanzten allenthalben herum , Hand in Hand , wohin sie nur kamen, auf den Straßen, in den Häusern und Kirchen, mit großen Sprüngen und vielem Geschrei und schämten sich dessen gar nicht. Wenn der Tanz geendigt war, klagten sie über Brustschmerzen und mussten mit Tüchern ge- rieben werden, schrien dabei, sie müssten sterben, wenn es nicht geschähe. Zu Lüttich wurden sie endlich durch Segensprechungen von dem Übel der Tanzwuth befreit.« Eine Kölner Chronik (gedruckt 1499) berichtet vom Jahre 1374 : »Ind vill Digitized by Google 42 lüde, beide man indfrauwen, junkindalt, hadden die krankheit. lud gingen uifi huis ind hof y dat deden ouoh junge meide, die yerlieflen ir alderen , vronde Tnd maege ind lantschaf . . . Item also gegart mit den twelen (Handtüchern) dansten si in kirchen ind in clusen ind up allen gewijeden steden. As si danzten, so sprangen si allit up ind riefen: Here sent Job an, so so, vriscb ind vro, bere sent Joban I c Als im Jabre 1418 der Veitstanz im Elsass ausbracb, war der Magistrat zu Straßburg wegen Heüung dieser Krankheit sehr besorgt, ließ die Kranken in die St. Veits -Kapelle zum Rotenstein bringen, wo sie gepflegt und gemartert wurden. Von diesem damaligen Tanze finden sich in einem Chronicon Argent. Mspt. 318 folgende Reime : St. Veitstanz. An. 1418. Vielbundert fiengen zu Strasburg an Zu tantzen vnd springen, Fraw vnd Mann, An offen Marck, Gaffen vnd Straffen, Tag vnd Nacht, ihren viel nicht äffen Bis jn das Wüten nieder gelag St. Veits Tantz ward genannt die Flag.^ Closners Straßburger Chronik beschließt den Bericht über die Geißler- fahrten 1349 mit folgenden Worten : >So sie waren uffgestanden zu ringe (im Kreise) , so stundent ihr et wie manche , die die besten sftnger waren , vnde fiengen einen L e i s an zu singende, den sungend die brüder nach, als man zu tanze noch singet.a^ Aus Justingers Bemer Chronik vom Anfang der Stadt Bern bis 1421, herausg. von Stierlin (Bern 1819. 8^), S. 142 erfahren wir allerdings von einem die Geißlerfahrten bespöttelnden, travestirenden Tanzliede, das die Bemer gemacht hatten : »Damach an Sant Stefans Tag (1350) zogen die von Bem us und slugen sich für Loubeck und für Mannenberg , und waren bi inen die von Frutigen und von Thun, und wan es glich nach dem großen tode was, die dann davon kommen, die waren frOlich und sungen und tanzten. Also waren meh dan tusent gewapneter mannen an einem tanz. Die sungen also und spotteten der geißler, die vor unlangem after laut gangen waren : Der unser büß well pflegen, der sol roß und rinder nemen, gens und feiste swin I damit s6 gelten wir den win.c Das hier umgedichtete Lied ist nichts als das Geißlerlied von 1349, das sich vollständig erhalten hat (s. Abdruck bei Hoffmann, Gesch. d. Kirchenliedes Nr. 62) und also beginnt : » Swer siner s^le welle pflegen, der sol gelten vnde widergeben, 86 wird siner s^e r&t, des hilf uns lieber herre gotl« i Förstemann, Geißlerfahrten S. 236. Heck, Tanzwuth S. 7. ^ Aus dieser Stelle folgert Wackemagel (Litt-Gesch. S. 266, Anm. 38) : es sei die Melodie zu dem Geißlergesange »Wer seiner Seel will pflegen« einem früheren Tanze entnommen, von einem Tanzlei^ des Volkes sei die Form auf den geistlichen Gesang übertragen worden. Digitized by Google 43 Wenn die Bewohner von Bern schon ein Jahr darauf (1350) eine Parodie zum Tanz Bingen konnten, so Ifisst das vermuthen, dass die Melodie dazu schon bekannt und bereits vor 1349 zum Tanz gesungen wurde. — Au£er dieser aUgemeinen großen Tanzkrankheit von 1374 und 1418 berich- ten vor und nach dieser Zeit auch Chroniken einzelne lokale Falle : i»Zu Erfurt versammelten sich im Jahr 1237 ganz unvermuthet und auf ein- mal über 100 Kinder auf der Gasse, Knaben und Mägdelein, fingen an zu tanzen und tanzten zum Thore hinaus in einem fort durch den Steigerwald bis nach Arn- stadt, wo sie ganz matt und ermOdet an den Mauern auf der Gasse nieder und in tiefen Schlaf fielen. Sie wurden von den Eltern auf dem Wagen zurückgeholt. Viele aber hatten ein Zittern bekonrnten , welches sie lebenslang nicht wieder ver- lieren konnten.«^ »Im Jahre 1615 wurde zu Basel ein Dienstmfldchen von einer so schreck- lichen Tanzwuth ergriffen, dass sie einen ganzen Monat hindurch sich krank und die Fußsohlen abtanzte. Sie schlief und aß nur sehr wenig, tanzte aber immer in einem fort , bis sie sich ganz von Kräften gesprungen hatte , in ein Hospital ge- bracht und dort kurirt wurde. Während ihrer Tanzwuth aber hat die Basler Obrig- keit zwei starke Männer der Tanzenden zugeordnet, die roth gekleidet waren, mit weißer Feder auf dem Hute und ex officio einer um den andern mit der Tanz- wüthigen tanzen mussten.a Derselbe Basler Chronist bemerkt hierzu: »Warum es der St. Veitstanz heißt , das sollt ihr wissen , dass dieser heilige Mann von seinem Vater übelge- schlagen wurde , dieweil er die Götzenbilder verachtete , damit aber nichts aus- gerichtet wurde. Da wollte er es anders anfangen und ließ immer hübsche feine Mägdlein herbeikommen , unter Musik und Tanz seinen Sohn zur Abgötterei zu verführen und das abgöttische Wesen ihm angenehm zu machen.« [Joh. Groß, Basler Chronik S. 24 1 .] »In deutschen Landen sind der Plagen viel gewesen. So wurden etliche Leute geplagt, dass sie tanzen mussten oft Tag und Nacht aneinander, oft zween und drei Tag und Nacht. Es ist eine Fabel : St. Veit, der 14 Nothhelfer einer, habe bei seinem Märtyrertode Gott gebeten, da er jetzt den Hals solle hinreichen, so wünschte er, dass die an seinem Abend fasten und seinen Tag feiern, vor dem- selben Tanz bewahrt bleiben möchten, und alsbald ist eine Stimme vom Himmel kommen: Vite, du bist erhört U^ [Agricola, deutsche Sprichw. Nr. 497.] Soviel steht fest: der Veitstanz (eine Tanzwuth) war im Mittelalter zur wirklichen Seuche geworden. Seine Entstehung mag mit den Geißler fahrten zusammenhängen. Beide waren die Folge der vorangegangenen großen Pest (schwarzer Tod). Durch die Pest, die man für eine Strafe Gottes hielt , waren die Gemüther überaus beängstigt worden und unter den Verzweifelten der religiöse Wahnsinn entstanden, dass man durch Selbstpeinigping das schreckliche Leiden von sich abhalten und Gottes Wohlgefallen wieder erlangen könne. Deshalb geschahen zur. großen Pestzeit 1349 solche Aufzüge, und wurden i»Pesttänze« noch später abgehalten. So tanzten die Wertheimer um eine Wald- tanne, bis der schwarze Tod ihr Städtchen verließ.^ In der Baseler Landschaft bei Fratteln liegt eine große Wiesenstrecke , genannt die Hexenmatte, weil dort 1 Rothe, Thüringer Chronik. Falckenstein, Erf. Chronik S. 84. Binhard, Thüring. Chronik, Leipzig 1613, S. 180. L. Bechstein, Thür. Sagen 3, 131. > Der Veitstanz wurde zuweilen auch Mo de st tanz genannt; Modest war St. Veits Lehrer (s. Heinsius, Kirchen-Historia HI, 370). 8 Herrlein, Spesshart-Sagen 1851, S. 39. Digitized by Google 44 nach Volksglauben die Walpurgistänze stattfftnden. Nach VolkserinneTung wurden dort auch gro£e Pesttänze während der Pestzeit abgehalten, durch welche man sich zu zerstreuen suchte.^ Noch heute bestehen Überreste jener Pesttänze. Das sind 1) der alle sieben Jahre, zum Andenken an die glücklich überstandenePest bewaffnet aufgeführte Metzger- sprung in München. 2] Der Schäfflertanz (s. Beschreibung unten) . 3) Auch die Echtemacher Springprocession soll hierher gehören. Zum Beschluss dieses Kapitels gebe ich den Geißlergesang von 1349 mit seiner von W. Bäumker neuerdings aufgefundenen Melodie. Geißlergesang 1349. m 3 Nu ist die bet - te -» fart so h^r, Grist reit sei -her i * ^ :t=t= ZJTZJPJ. J ^ «"j J=^ gen Je-ru-sa-lem; er fürt ein krüz an st - ner haut, nu $-j ^ j^TTj j j~r^ hei - fe uns der hei-lant. Nu ist die betterart so gut, hilf uns herre durch din heiliges blut, das du an dem krüze vergoßen hast, und uns in dem eilende geloßen hast. Nu ist die Straße also breit, die uns zu unser lieben frowen treit, in unsere lieben frowen lant : nu helfe uns der heilant. Ky - ri - e - leis. 4, Wir sollent die büße an uns nemen, da; wir gote desto bas gezemen aldort in slnes Täters rieh : deß bitten wir dich alle glich. So bitten wir den heiligen Christ, der alle der weite gewaltig ist. Text : IStraßburger Chronik. Abdruck bei Wackemagel, Kirchenlied 1841 S. 605. Die Melodie ist uns glücklicherweise erhalten zu einem alten Wallfahrtsliede, das nur eine Umdichtung jenes Geißlergesang^s ist und in der Geistl. Nachtigall, Erfurt 1666, steht; daraus neuabgedruckt in W. Bäumker, kathol. Kirchenlied und seine Singweisen. U, Nr. 183. Die Anfangsstrophe dort lautet: Nu ist die Himmelfahrt also heilig, Christ reit selber gen Jerusalem ; Er führt ein Kreuz in seiner Hand, Nu helfe uns der HeUand. Kyrioleis. Worterklärung: 1, 1 bettefart = Bittfahrt. 3, 2 treit = trägt. 4, 2 bas gezemen = besser gefallen. Boohholz, Alemann. Kinderlied 377. Digitized by Google 45 Kapitel Y. Todtentonz im Mittelalter. Ein sonderbares Spiel der Melancholie und Weltverachtung war im 15. und 16. Jahrhundert die häufig vorkommende bildliche Darstellung der Sterblich- keit des Menschen, bestehend in einer Reihe von Bildern in Stein und Marmor gehauen, oder in Handschriften gezeichnet und gemalt, auf denen der Tod als Knochengerippe oder als Sensenmann Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes zum Tans anfordert und mit sich führt. Mit solchen in Stein gemeißelten Bildern des Todtentanses die ansehnlichsten öffentlichen Qeb&ude und selbst die Wohnungen reicher Besitzer zu schmücken, also das Memento mori zu verkörpern, war Sitte in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Deutschland, wo sie nament- lich sehr verbreitet war, hat sie zunächst aus Frankreich erhalten, ohne dass man genau welB, woher sie gekommen sei. Aller Vermuthung nach haben die geist- lichen Schauspiele des Mittelalters (die Mysterien und Moralitäten) auf diese grelle Sitte geführt , die Kirchenaulzüge haben zu den gemalten und gemeißelten Todtentftnzen Anlass gegeben. Die Idee des Todes und dessen Darstellung hat schon bei alten Völkern am heidnischen Kultus, ja selbst an den heidnischen Festen und Lustbarkeiten An- theil gehabt. Das Todtengerippe , welches vor den GSsten des Trimalchio tanzte, führt uns in die ersten Zeiten des Christenthums zurück , wo der Tod nicht mehr den Menschen einladet , das Leben schnell und heiter aufzunützen , sondern wie alles Vergängliche zu verachten und die Zeit nur als das unzulängliche Kaufgeld anzusehen, wofür man die Ewigkeit eintauscht. Solche christliche Vorstellungen sind überall in den mittelalterlichen Dichtungen, vom tief ernsten »Dies iraec des Thomas von Celano bis zur Com6die de la mort von Theophile Gautier, zu finden. Wenn man nicht vergessen wUl, dass im Mittelalter Alles, was damals Religion \ind Moral hieß, versinnlicht wurde — dass man Morgens über das Evan- gelium predigte und Nachmittags dasselbe darstellte , so gut es gehen wollte — und dass in diesen vorgeführten Geheimnissen der Religion (Mysterien] und in den personificirten Tugenden und Lastern (in den Moralitäten) ja das christliche Theater seinen Anfang genommen hat, so wird man sich gar nicht wundem, dass man auch den schauerlichen Tod als Gegenstand für die Schaustellungen heranzog, aus denen dann die Bilder des Todtentanzes hervorgingen. Was weiß man über den ersten Todtentanz? Man erzählt: Ein Abenteurer, Namens Maccaber, kam mit den Engländern, die 1424 Frankreich überschwemm- ten, nach Paris und bezog einen uralten , vielleicht noch aus der Römerzeit stam- menden Thurm in der Nähe einer Kapelle, um welche ein Begräbnisplatz angelegt worden war. Dieser Maccaber, den man als ein halbes Skelett schildert, scheint durch sein Äußeres großen Eindruck auf des Volkes Einbildungskraft gemacht zu haben und man schrieb ihm übernatürliche Kräfte zu. Besonders aber bekam er einen Ruf, als er 1424 eine Pantomime, einen geistlichen Aufzug veranstaltete, der einige Monate lang wiederholt wurde, es war dies der nach ihm benannte Maccaber- oder Todten-Tanz. Unendlich viel Männer und Frauen jedes Alters wurden von einer Figur, die den Tod vorstellte , zum Tanze aufgefordert, der auf dem Kirch- Digitized by Google 46 hofe, wo der Erfinder wohnte, stattfand. Vom August 1424 bis 1425 dauerte der grauenhafte Taumel; immer wuchs die Menschenmenge, welche tanzend oder zu- schauend daran Antheil nahm. Die Kirchen blieben leer, weil Alles zum Todten- tanz eilte, und die Engländer, namentlich der Herzog von Bedford, waren nicht die Letzten, welche mit ihren Damen den Spuk mitmachten. Die Lust hatte dann ein Ende, trat aber nochmals 1429 hervor. Soviel und nicht mehr weiß man von des Todtentanzes Ursprung. Maccabers versinnlichte Darstellung des allen Menschen drohenden Todes war nichts anderes, als ein früher gewiss schon in den Kirchen aufgefQhrtes, aber durch Verbot daraus verwiesenes Mysterium. Es mag also wohl die Entstehung der Todtentänze auf einen etwas früheren Zeitpunkt zurücktuführen sein und mögen wohl die schrecklichen Pestzeiten in der Mitte des 14. Jahrhunderts bald nachher SU diesen ernsten Schaustellungen angeregt haben. Wenigstens kennt man schon aus den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts ein spanisches Gedicht des Titels: »Allgemeiner Todtentanz, in welchem alle Leute von allen Stinden auftreten.t Weil aber keine Spur von der vorherigen Existenz eines abgebildeten Todtentanzes bis jetzt gefunden wurde, so lAsst sich annehmen, jenes Gedicht war der Text zu einem mimischen Kirchenaulzuge ; aus der Beschaffenheit des Textes selbst lässt sich vermuthen , dass bei der Darstellung Gesang , Rede, Tanz und Instrumental- musik mit einander verbunden waren. Von bildlichen Todtentänzen hat zunächst Frankreich eine große Zahl auf- zuweisen. Sie sind von dem französischen Musikschriftsteller und Archäologen G. Kastner (f 1867) aufgezählt und erklärt in seinem darüber geschriebenen gründ- lichen Werke «Les danses des morts« (1852). In Deutschland und der Schweiz sind noch viele Abbildungen von Todtentänzen erhalten. Die meisten existiren, wenn nicht mehr in Gestein, so doch noch in Holzschnitten. Zuerst kam der berühmte Todtentanz von Bas el mit Holz- schnitten 1490 heraus : der Dotendantz mit Figuren. Über andere in Bern, Lü- beck (Marienkirche) etc. ist eine ganze Litteratur vorhanden.^ Zur Erklärung der Einzelbilder des Todtentanzes entstanden allerhand Reime, meist ernst und drastisch, zuweUen für Sittenkunde sehr belehrend. InDresden auf dem Neustädter Kirchhofe ist noch eine steinerne Abbildung eines Todtentanzes wohlerhalten zu sehen. Sie ließ 1534 — 37 der ernste und durch viel Familientrauer düster gestimmte Herzog Georg über die Thore seines neuerbauten Schlosses anbringen. Dort am Georgenthor war sie 200 Jahr lang zu sehen, bis sie nach dem großen Brande 1701 entfernt und 1733 auf der Neu- stadt-Dresdner E^irchhofmauer angebracht wurde. Das Ganze stellt in einem Basrelief von 27 Figuren aus Sandstein alle Stände, Geschlechter und Lebensalter dar, wie solche im Todtenmarsch begriffen sind. Der Tod, ein furchtbares Gerippe mit Stundenglas und Tuba, eröffnet den Zug und schließt den Reigen, kommt aber auch in der Mitte des Zuges vor. Ihm folgt der geistliche, dann der weltliche Stand, den Schluß macht das weibliche Geschlecht. Die einzelnen Figuren sind 1) der Tod, 2) der Papst im Priesteromat mit drei- facher Krone auf dem Haupte und dreifachem Kreuz in der Hand, 3) ein Kardinal mit Kardinalshut und einfachem Kreuz, 4) ein Erzbischof, den Bischofstab in der Rechten, 5) ein Bischof mit der Tiara und Stola, 6) ein Prälat mit kurzem Pallium, 7) ein Donüierr mit der Alba, 8) ein Mönch mit geschomem Kopfe, den Strick um ^ Vergl. G. F. Maßmann, Litteratur der Todtentänze im Serapeum. 1840. Der- selbe, Basier Todtentänze. 1840. K. Goedeke, Grundriss S. 381 ff. W. Wackemagel, Basel im 14. Jahrh. (1851). Digitized by Google 47 den Leib und ein Brevier in der Hand, 9) der Tod als Tambour, mit Knochen statt der Klöppel, 1 0] der Kaiser mit geschlossener Krone, das Scepter in der Rechten, das Schwert an der Seite, 11) ein König mit offener Krone, kurzem Mantel, Scepter und Schild, 12) der Hersog (Georg von Sachsen selbst), das goldene Vlie£ auf der Brust, einen Rosenkranz in der Hand, 13) ein Qraf , mit Mütze auf dem Kopfe, einem kleinen Mantel über den Schultern und Degen an der Seite, 14) ein Ritter im Harnisch und mit dem unter sich gekehrten Schwert , 1 5) ein Edelmann mit Federhut und Degen, 1 6) ein Rathsherr in römischer Kleidung, 1 7) ein Handwerks- mann mit Schurzfell, Winkelmaß und Spitzhaue, 18) ein Soldat im ledernen KoUet, mit Partisane und Degen, 19) ein Drescher mit dem Dreschflegel, 20) ein Bettler mit Stelzfuß, 21) eine Äbtissin im Ornat und Schleier, 22) ein schön geputztes Frauenzimmer, 23) ein Bauemweib, eine Hocke mit Gänsen auf dem Rücken tragend, 24) ein venetianischer Kaufmann mit Geldsack in der Hand, 25) ein Knabe, welcher darnach greift, 26) ein Greis im zerrissenen Gewände, den der Knabe führt, 27) der Sensenmann. Ähnlich wie hier angegeben , sehen wir auf allen Holzschnitten und Kupfer- stichen den Todesgott, wie er beim Reigen den Vor tanz führt und an hohler Knochenhand eine ganze Reihe Ton Menschen aller Stände und Lebensalter hinter sich drein zieht. Im Münchner Todtentanz (Münchner Hdschr. Cg. m. 270 fol. 193] heißt es: »Ich muß des Todes Rayen treten.« Der Knochenmann daselbst spricht: Ich tantz euch vor, fraw chaiflerin, nun springt mir nach, der Ray ist mein! Ir müßt mit mir den Rayen springen . . . . • Habt ir nun mit frawen hochgesprungen, des müest jr an diflen Rayen huffen. Der von Seb. Beham in Holz geschnittene und von Hans Sachs mit Reimen begleitete Bauernt a n z (1 528) bildet eine Art Parodie des Todtentanzes. Wacker- nagel (Basel im 14. Jahrhundert) behauptet mit Recht : »Die Grundlage der BUder und Reime zum Baseler Todtentanz ist in Aufführung theatralischer Art zu suchen. In Basel wurde 1550 durch das Drama »der weit spiegela von Valentin Boltz der Tod ganz mit dergleichen Handlungen, wie jene Büder zeigen, auf die Bühne gebracht.« Der längere Fortbestand solcher Schaustellung lässt v ermuthen : der schwarze Mann, ein beliebtes Lauf- und Fangspiel der Knaben in Sachsen und der Schweiz, sei lediglich ein harmloser Nachlass der alten Todtentanz-Dramatik. Vielleicht dass sich auch das Kartenspiel »der schwarze Peterc, das in Basel der schwarze Mann heißt, daher schreibt. Wackemagels Vermuthungwird gestützt durch folgenden Reim unter dem Bilde eines Kindes, das durch den Todesgott von der Mutter hinweggeführt wird: O w^, liebe muoter min I ein fwarzer man ziuht mich dahin. Wie wiltu mich alsd verlÄn? muo; ich tanzen und kan nicht g&n. Lehrreich sind solche Abbildungen nicht allein für Kenntnis der mittelalter- lichen Sitten^ sondern speciell für die Musikgeschichte sind sie von Bedeutung, weil sie uns zeigen, über welche Musikinstrumente man im 14. bis 16. Jahr- hundert verfügte und wie dieselben ungefähr beschaffen waren. So hat G. Elastner aus den Todtentänzen ein ganzes mittelalterliches Orchester zusammengefunden und auf Grund von Dokumenten gründlich besprochen. Es Digitized by Google 48 waren, außer den SSngem und dem Kapellan, bei den Spielleuten nicht weniger als fönende Instrumente damals in Gebrauch genommen : Flöten, Schalmeien und Oboen, Dudelsäcke, Homer und Trompeten (Zinken) , tragbare Orgeln, ein-, swei* und dreisaitige Schlaginstrumente, Zithern und Guitarren, Harfen und Psalterien, Leierkasten (Vielle), Pauken, Tamburins, Cimbeln, Sehellen, Holzklappem, Kastagnetten und Trommeln. Zum Schluss sei bemerkt, dass der französische Forscher und Musiker G. Kästner ein Oratorium des Namens Danse des morts komponirt und der fransösische Komponist Saint-SaSns durch eine Mark und Bein erschütternde symphonische Dichtung i Danse macabrec Aufsehen erregt hat. Kapitel YI. Deutsclier Tanz im 14. bis 16. Jahxliiiiidert. Im Mittelalter wurde viel getanzt, die Tanzlust war zweifelsohne größer und die Tanzvergnügungen waren zahlreicher, aber auch, den Kraftnaturen entsprechend, ausgelassener und zügelloser, als in unseren Tagen. Wie viele Tänze uns auch aus dieser Zeit genannt , aber selten beschrieben werden, im Grunde gab es doch nur zwei Haupttanzarten, deren Unterschied darin beruht, dass der niedere Theil des Volkes in Stadt und Land nur zur Winterszeit im geschlossenen Räume, im Sommer aber im Freien tanzte. Da seit Alters das Tanzen mehr ein Hüpfen und Springen war , so konnte diese Tanzart sich nur im Freien erhalten; dagegen musste die Stube den Tanz ruhiger, sanfter und von schleifender Art machen. So entstanden jene zwei Tanzarten, die wir schon aus der Minnesingerzeit her kennen und die jetzt noch fortdauerten : der springende und der umgeh ende Tanz. Die sommerliche Art wird R e i e n , die ruhige wintere liehe schlichtweg Tanz genannt. Um das reiche Material nicht durcheinander zu werfen , werde ich dasselbe auf folgende vier Fragen vertheUen und ordnen : 1. Was wurde getanzt? (Tanzarten.) 2. Wann wurde getanzt? (Tanzzeiten.) 3. Wo wurde getanzt? (Tanzorte.) 4. Wie wurde getanzt? (Tanzmanier und Tanztracht.) Treten wir nun der ersten Frage naher: »Was wurde getanzt?« so erfahren wir von mancherlei Tänzen damaliger Zeit bei Hoch und Niedrig. Weil im Mittel- alter die Stände augenf&Uig abgestuft und sehr geschieden waren, so scheint es mir zweckmäßig zu sein, dass wir bei Darstellung ihrer Tanzlustbarkeiten nach Rang und Stand unterscheiden: A. Bauemtänze (Volkstänze). B. Handwerkertänze (Zunfttänze). C. Bürger- und Geschlechtertänze (Patriciertänze). D. Hof- und Adelstänze. Digitized by Google 49 A. Beschreibung der Bauerntänze (Volkstänze) im 14. — 16. Jahrhundert. Fisohart (Gargantua 1582, Kap. 7) schildert die Belustigungen, die sich als Pariser Student Gargantua und seine Gesellen zur Fastnachtszeit nach dem Mittags- imbiss machten. Lärmend zogen sie hinaus unter die Linde und haben dort ge- tanzt und gereihet, geschrieen, gesungen und gesprungen. Die Tanzinstrumente werden aufgezählt, die wilde Fastnachtslust wird beschrieben und dabei sind 8 V o 1 ks« t& nze jener Zeit genannt. Lassen wir seine Erzählung davon wörtlich folgen : dO weit von dannen jr Hof f däntz. (Es ist einmal gut, das jr etwas guts zu hof habt, welches die hoflebenschender nit schelten mögen.) Auch jhr Nömbergisch Geschlechterdäntz, die kein herumspännlein leyden können : Hier ist ein ander Tantzschul, auch ein anderer Schweitzerischer Büffel, der mit einer elen- langen handhabigen Foehtel vnd mit ausgestreckten Contrakten, vngebogenen Ar- men daher vor dantzet oder vortritt. Hie gilts den Scharrer, den Zäuner, denKotzendantz, denMoriscendantz, den schwarzen Knaben, der gern das braun mägdlein wolt haben, wenn maus ihm geb. Nun Meydlin fort, dran sprungweiß an Spiß, wie ein junges Wild im Spißhartl Seh, seh, meinleydiger kund, wie schöne, hochauff hebende langschreytende Storckenbeyn zum dantzenlf An anderer Stelle (Gargantua 1591, Kap. 8, Bl. 99) erwähnt Fischart abermals Volkstänze, die vom Spielmann verlangt werden mit der Geige oder auf der Sack- pfeife: »mach uns den Tuteley, den Sprisinger und FirlefeyU Noch mehr Tanznamen bringt Fischart in dem Verzeichnis der Gesellschafts- und Kinderspiele (Gargantua, Kap. 25), dort sind unter den fünfhundert Spielen und Unterhaltungen auch genannt: »der hüpf elr ei, der wechseldantz, der Todendantz, Morifcendantz imd Allemant d*amour.« Lernen wir vorerst die ditmarsischenVolkstänzekennen, welche die alte Tanzmanier besser darstellen und älter sind, als die um Straßburg geschauten ; dann werden wir auf Erklärung der bei Fischart genannten Tänze eingehen. Nach dem Berichte des Chronisten Neocorus ^ um 1 590 gab es vor Alters bei ^ Job. Adolf KOster, genannt NeocoruB, geb. um 1550, schrieb als Pfarrer zu Husum um 1590^1600 seine »Chronik des Landes Dithmarschen«, die von F. C. Dahl- mann hemusgegeben wurde zu Kiel 1827. Die betreffende Stelle über Tanz I, 8. 177 mag hier im plattdeutschen Original folgen : »Niehtes weniger ist uo vorwunderen, (den up dat de Gesenge edder Geschichte deste ehr gelehret und beter beholden worden und lenger im Gebruke bleven, hebben se de aUe fast den Dentsen bequemet), dat se nha Erfordering der Wort und Wise des Gesanges, item der Seidenspeie, darup se ock ehre besondere Dentie hebben, den Trede tho holden unde den Vott tho setten weten, und^ mit allen Geberden voreeliken können, dat velen frombden Nationen solches nicht allein thothosehende lefilitm, sondern tho doende unmögelioh. Sind averst der Dantsleder drierley Artt. Ersüich dama twe unde twe danzen, welches se einen Biparen dantz heten, den se erstÜken kort vor der jungesten Vejde Ao. 1559 angevangen tho dantzen, und vormalß eanz unbewust gewesen, aw van frembden Orden ingeföhret. Wowol itt doch eine sonaerlike Manere iß und se ock sonderlike Lede dartho gebruken. Damha de lange Dantz, darin se aUe mit einander so dantzen willen, nha der Rege anvaten und diese iß twierley. Erst- lich deTrvmmeken-Dants, so mitt Treden und Handgeberen sonderlich uthserichtet wert, derguken sin : Her Hinrich und sine Broder alle dre etc. Item: Mi boden dre növisehe Mediin. Diese averst iß bi velen nicht mehr im Gebruke, demna, dewile he gar dorch- uth affkamen und also vorgeten werden mag, ick dieses alhir berOre. De ander lange B 5 b m e , Gesob. d. Taasei . 4 Digitized by Google 50 den Ditmarsen zwei Arten des langen Tanzes, wobei sich alle Tanzenden nach der Reihe anfassten (also Reigen). Ersüieh der Trimmeken-danz, der mit vielen Tritten und Handgebftrden ausgerichtet ward. Zu Neocorus' Zeiten, Ende des 16. Jahrhunderts, war er schon außer Gebrauch. Nur wenige Lieder wurden dabei gesimgen ; dergleichen waren : 1. Her Hinrich und Hne br6der alle dre [MB. 24]. 2. Mi boten drei höfische mediin. (Text verloren.] Es war der Trimmekentanz ein getretener Tanz (der Yortrab bevor der Sprung losging) und bezeichnet der Name durchaus keinen kriegerischen Trommel- tanz (wie falschlich früher von Mtlllenhoff ^ erklärt worden ist) , sondern er ist so be- nannt, weil er mit vielen Tritten und Handgebärden ausgeführt wurde. Trimmeke heißt eine Person, die sich ziert ; betrimmed (engl, trim) s= fein, geziert in Gebärden und Mienen (s. Bremisches Wörterbuch 5, 109 und Müllenhoffs Abhandlung über Schwertertanz. Festgabe 1871, S. 128). Demnach ist ein Gebärdentanz, ein mimischer Tanz imter Trimmekentanz zu verstehen. Die andere Art des langen Tanzes erging sich fast nur in Hüpfen und Springen, daher Springeltanz genannt, und hatte heitern Charakter. Zu dieser Art wurden die meisten ditmarsischen Lieder gesungen. Bewahrt davon sind: a| Dat geit hier jegen den famer [MB. 23]. b) Ik weet mi eine fchone maget [MB. 22^]. Die Ausführung beider Arten der Langtänze beschreibt Neooorus wie folg^: »Ein Vorsinger (der sich auch wohl einen Gehilfen zur Ablösung nimmt) steht und hält ein Trinkgeschirr in der Hand und hebt also den Gesang an. Wenn er einen Vers ausgesungen, singt er nicht weiter, sondern der ganze Haufe, der entweder den Gesang auch kennt, oder wohl gemerkt hat, wiederholt denselben. Und wenn sie es so weit gebracht haben, da der Vorsänger es gelassen, hebt dieser wieder an und singt abermals einen Vers. Sobald diesergestalt nun ein oder zwei Verse wiederholt sind, springt und thut sich Einer hervor, der vor tanzen und den Tanz führen will, nimmt seinen Hut in die Hand und tanzt gemächlich im Gemache Danz geit fast in Sprunge und Huppende. Dieser Art sin de aller meisten Ditmersohe Lieder und Gesenffe, wu hemha dersulven eüiehe, dar it vogliken gesehen kan, schölen gesettet werden, den Leser etlicher Historien korUieh tho beriohten. It kan averst nicht unföglich jenne Trymmeken-Danti de Vordraff und dise de Sprunff, bi wo sonst in in andern Dentien j^ebruklik, genöbmet werden, wo se dan also oek etuohen in Gebruke gesettet werden. Diese langen Dantse averst werden also gefOret: De Vor sing er, de wol aUeine edder eck wol einen tho sicknimbt, de den Gesang mit singen kaUi da he ehne entlichter und helpe steit und hefft ein Drinkgeschirr in der Hant, hevet also den Gesang an. Und wen he einen Versch uthgesungen, singet he nieht vorder, sondern de ganze Hupe, so entweders den Gesang ock weeth edder wol darup bemerket, repetert und wedderhalet densulven Versch. Und wen sie it so veme gebracht, dar it de Vor- singer gelaten, hevet he wedder an unde singet wedder einen Versch. Wen nun dieser Gestalt ein Versch edder twe gesungen und wedderhalet, springet edder gifflt sick einer hervor, so yordantzen unde den Dantz vören will, nimbt sinen Hot in de Hant und danset gemeklik im Genuike ummeher, vordert se dieser Gestalt upthom Danze (in den Geest- orden nimbt he wol ock einen Gehulpen tho sick, de ehme den Dantz vören und re- feren helpe), unde darup vaten se na gerat up der Rege an, doch dat ofit ehrliehen 'ersonen de hose Hant gegunnet wert Als sick nun de Vordanzer richtet nha dem Gesänge unde Vorsinger, also richten sick de Nadenzer nha ehrem Vörer und alle Personen solches in so groter Einicheit, wes Statz und Standes se sin, dorch einander, dat em Vordanzer in de twe hundert Personen an der Reee vören unde regeren kan.« ^^ Prof. K. Müllenhoff hat später in meinem Mspt £ese Stelle selbst berichtigt. Digitized by Google 51 (Zimmer) umher und fordert auf diese Weise die Übrigen zum Tanze auf. Darauf fassen Alle nachgerade der Reihe naoh sich an, doch so, dass angesehenen Personen die hohe Hand gelassen wird. Wie sich nun der Yortänzer nach dem Gesänge richtet, so richten sich die Nachtänzer und alle Personen, wes Standes sie seien, nach ihrem Reigenfahrer in so großer Einigkeit, dass ^n Vortftnser bis in die zweihundert Tänzer r^eren kann.c Soweit Neocorus. Man muss den Untergang der alten Tanzart des mit Gebärdenspiel verbundenen Reigens bedauern. Sie war nicht bloß eine angenehme, maßvolle Leibesbewegung und reizvolle Schaustellung, sondern eine lebendige Begleitung des Liedes naoh seinem Inhalte und seiner Form. Sie allein war fBhig, Träger des Wortes und der Melodie zu sein. Der ernste getretene Tanz, sowie der ihm folgende Springtanz, beides Reigen, nach Neocorus lange Tänze, gingen allgemach hier wie in ganz Deutsch- land unter durch Einführung und Bevorzugung des Paarentanzes, »Biparen- danzes, darnach zwei und zwei tansena, der in Schleswig erst um 1559, nach der jüngsten Fehde von Süden her Eingang fand , vorher aber bei den Ditmarsen ganz ungekannt war. Es war der Paarentanz eine ganz andere Tanzmanier, obwohl dabei auch besondere Tanzlieder gebraucht wurden, meldet Neocorus. OstfHesIscher Tanz (im 16. und 17. Jahrh.)* Cadovius Müller, Pastor in Stetesdorf, hat in seinem nMemoriale linguae Fri- sicaea (1691) ein altes ostfriesisches Lied mitgetheilt. Es beginnt »Buske di Hemmer«.^ C. Müller erzählt : Es sei kein anderes echt friesisches Lied mehr vor- handen, als dieses. Wie alt es sei und wer es gemacht, das habe ihm Niemand sagen kOnnen ; er habe daran nichts ändern mögen , sondern AUes genau , wie es ihm diktirt worden , aufgeschrieben. "Es sollten zwar noch einige Strophen dazu gehören, weil er aber Niemand getroffen , der sie gründlich gewusst , habe er das Lied so weit hergesetzt, als er es habe erfahren können. Auch die eigene alte Melodie (s. MB. 26) theilt er unverändert mit. »Nach diesem einzigen Liede (sagt Müller) haben die Ostfriesen auch ihren einzigen und eigenen Tanz gehabt, welcher von vier Personen (zwei Männern uiidt zwei Frauen oder Jungfrauen) ausgeführt wurde, und zwar nach dem Takt, darbey sie gar sonderbahre Actiones und Bewegung des Leibes, der Arme, Hände, Beyne, Kopfes und aller Glieder hatten und machten.« — Der Tanz sei daher schwer ge- vresen imd habe Schweiß gekostet und jetzt (1691) sei er mit der alten Sprache auch verschwunden. Man habe dabei die Hurtigkeit der Friesen sehen können, die ihre Glieder nach dem geschwinden und langsamen Takt meisterlich bewegt hätten. Die Frauen hätten gleiche Posituren mit den Männern machen und mit gleichen Mienen ihnen alles nachthun müssen. t>ie Männer hätten beim Tanze mit den Händen zusammengeschlagen bald vom , bald hinten auf dem Rücken, bald vor den Beinen, »welches Alles«, fährt C. Müller fort, »die Weibsbilder mitthun und mitmachen mussten, welches, wie ich' s einstens gesehen, mir zwahr lächerlich, doch nicht ungeschickt vorkam.« Dann bemerkt Müller noch : J»es sei zu erinnern, dass sie bei dem langsamen, traurigen Ausgange des Liedes ihre vornehmsten Posituren gemacht hätten.« ^ Neuabdruck des Liedes im Osterprogramm des kgl. Gymnasiums zu Aurich 1867 durch Dr. K. Volckmar. Daher bei Böhme, Altd. Ldb. Nr. 295. 4* Digitized by Google 52 Krkndeintaiiz. Kruissiiigeii beim Abendtanz nnd Kmizlieder. Das Tolksmäßige Kranzsingen (euhi Unterschiede von dem bei Minne- und Meistersingem yorkommenden Singen tun einen Dichterkrans) ist durch historische Zeugnisse und durch vorhandene Überreste alter Eranzlieder nachgewiesen. Der fromme Bruder Heinrieh Suso (f 1365) berichtet aus seiner Jugend, die in das erste Viertel des 14. Jahrhunderts fUlt, dass das Kr&nslein ersingen zum Neujahr in Schwaben an etlichen Orten Gewohnheit sei: dass da die Jünglinge Nachts ausgehen bitten des Gemeiten (d. h. um etwas Fröhliches), sie singen Lieder und sprechen schöne Gedichte, damit ihre Liebsten ihnen Krftnslein (schapelin) geben. ^ Seb. Franckin seinem Weltbuch (1542, Bl. 51^) sählt unter den Gebräuchen in Franken am Johannistag auch folgenden auf: »Die Mädchen machen Rosen- häfen, d. h. sie nehmen irdene T6pfe voller LOcher, kleben letztere mit Rosen- blättem zu, stecken ein Licht in den Topf wie in eine Laterne, und hängen ihn in die Höhe zum Fensterladen heraus; da singt man alsdann um einen Kranz Meisterlieder. Sonst auch oftmals zur Sommerzeit, so die Mädchen am Abend in einem Ring herumsingen, kommen die Gesellen (Bursche) hinzu und singen um einen Kranz (gemeiniglich von Nelken [Nägelein] gemacht) reimweis vor. Welcher das Beste thut, der hat den Kranz.f (Original s. unter Johannistanz.) Das Kranz-Singen oder «Singen vmb Krentz an den Abendreyen« wird ver- boten durch das alte Amberger Stadtbuch 1554 : »Keine Jungfraw oder Maid soll den Handwerksgesellen vnd Knechten an einem Abendreyen einen Kranz zu er- singen geben.a^ Dass das Kranzsingen einen verliebten Sinn hatte, ist ohne Zweifel und darum war es so streng verboten. Jünglinge suchten dem Mädchen den Kranz abzu- gewinnen, weil ihnen dessen Besitz ein Recht über das Herz und die Liebe des Mädchens einräumten. »Wess Herz von liebe brennt , der soll einen Kranz von Rosen tragen« heißt es in einem Tanzliede des Tanhusers [MSH. ü, 83]. Ver- führerische Tänzer locken das Mädchen gar, mit ihnen in den einsamen Wald zu gehen und dort der Minne zu pflegen , weil sie durch den ersungenen Kranz dazu ein Recht zu haben glaubten : Vro maget, het ich iuch in einem holz, »Knappe, 14t iuwer wünfchen stän, da; nseme ich für den kränz, diu red ist gar verlorn; den ir zesame hänt gelesen solte ich mit iu ze holze gän, von maniger hande bluot. mich steche Itht ein dorn ; s6 flüege mich diu muoter min, da; were mir lihte zom.« [Tanh. MSH. H.] Die wachsamen Alten meinten freilich : dass die Mädchen und Bursche mit einander in den Hain (das Holz) zum Tanze laufen , das würde man ehedem nicht gebilligt haben : 1 »Als zu Swaben in seinem (des Süsen) lant an etlichen steten j^ewonheit ist an dem eingenden jar, so j^t die jimgling au; des naohtes in unwissraheit und bittent des gemeiten, da; ist, sie smgent lieder und spreohent schöne ffetioht, und bringent ej zu mugent mit höflicner weis, da; in iriu Uep schapelin wie sie mugent mit höflicher weis, da; in iriu Uep schapelin gebent.« (Susos Leben, Kap. IX. Diepenbrocks Ausgabe 8. 24. Schmeller m, 375.) * S. unter Polizei-Verboten unten. Digitized by Google 53 £; was hievor unbillich da; nun megde tuont, da; si ze holze liefen reigen sam die knaben. [Stambeim, Bodmer ü, 56.] Die Schöne belobte ihren Tänzer und belohnte ihn mit dem Kranze, wenn er am besten sprang : »Se hin, lieber Nikkei mein, Junkfrau Metz, seit gebeten, nim Yon mir das rosenkrenzelein, ich will den reien mit euch treten wann du hast von mir das lob, umb euren kränz, den ir auf fürt, mit Sprüngen ligstu allen ob.« wenn ir meiner kunst wol spürt, der ich das pest heut hab getan, ich hof uns werd zu lohn der han. [Rappolt Manz.] Kränzlein-Tanz heißt noch jetzt in einigen Gegenden des bayerischen Hoch- gebirges ein Hochzeitstanz , wobei den Jungfrauen der Kranz (Sinnbild der Jung- frauschaft) mit List von jungen Leuten abgetanzt wird. [Schmeller ^ bair. Wörter- buch U, 391.] Yolksmäßige Kranzlieder, die Räthsel enthalten imd die heiterste Blüthe des Räthselwesens erschließen, und die nicht um den Schulpreis, sondern um den schönem Dank gesungen werden, kommen erst im 15. Jahrhundert zum Vorschein. Dazu gehören die beiden Kranzlieder »Ich kumm außfrembden landen her« (MB. 15) und »Hiet uß, arm undrtch« (Fragment in Breisgauer Mundart des 1 5 . Jahrhunderts, beiUhlandNr. 2). Sehr verbreitet und sehr beliebt mussten zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Tanz- und Kranzlieder sein, da in der Reformationszeit viele geistlich um- gedichtet wurden und wir dadurch die Melodien erhalten haben. So ist zum prachtvollen Straßburger Kranzlied »Ich kum aus frembden landen her« die Melodie in doppelter Lesart noch vorhanden (s. MB. 15): Einmal hat Dr. Luther den Anfang des Textes und die Melodie benutzt zu seinem Weihnachts- liede: »Vom Himmel hoch da komm ich her« (1535). Zweitens steht in J. Otts Liederbuch (Nürnberg 1544) ein Kranzlied mit Melodie, das vom Straßburger die zweite Strophe bildet: »Mit Lust tret ich an diesen Tanz« (s. MB. 15^). Von letzterem wieder ist auch die Melodie in einer geistlichen Umdichtung von Herm. Vulpius erhalten: Kin geistlich Reigenlied »im Ton, wie man umb Krenz singt« ; nach einem andern Druck heißt es »im Ton Aus frembden Landen komm ich her.« Der Anfang dieser geistlichen Parodie heißt: »Nun kum hertzu du junge schar.« Noch eine große Zahl von Tanzliedern, besonders Abend tanze (Abendreihen) wurden zu geistlichen Abendreihen gemacht (s. MB. 16 — 21). Vom Kranzsingen, einem alten, sehr verbreiteten Gebrauche, giebt uns ein schwe- discher Rundtanz noch heute Zeugnis: »In dem Kreise der Tanzenden steht ein Mann oder Mädchen tmd windet einen Kranz. Die Tanzenden singen : Das Mägdlein (Bursche) steht hier mitten im Tanz Und pflückt sich Blumen wunderfeia. Sie (Er) windet draus den schönsten Kranz Wohl für den Herzgeliebten sein. Das Mädchen setzt darauf einem Burschen den Kranz auf, und die Andern singen : Digitized by Google 54 Komm du mein Geliebter her, Den ich mir hier ausereah/ Willst du dies und wobl noch mehr , Reich die Hand und sprich ein Ja t Das Paar tanzt im Kreise herum und das Spiel beginnt dann von vom.c^ Drotter oder Drötter war ein am Ende des 15. Jahrhunderts beliebter Tanz. Stolle in der Erfurter Chro- nik (bei Haupt Vm, 318) erzählt : »Zu derselben czit (um 1480) ging uß der trottartt tantcz, der vor ny geseen was ynnd weret noch bifi her.« Auch Brant im Narrenschiff (Kap. 85, Zeile 94) erwähnt ihn. Da heißt es : Ynd dantzen jm noch synen reyen b&bst, keyser, künig, bisohOff, leyen, der mancher noch nit hat gedacht, das man den vordants jm hatt bracht, das er m&jGe dantzen an dem gzotter den westenwelder vnd den drotter. Der Name kommt jedenfalls her von trotten, was ftynonym ist mit treten, und erinnert an einen getretenen Tanz. Welcher Art er war, ist nicht näher be- kannt. Namentlich in der Reitkunst kommt das Wort vor, und bezeichnet Dr o tt , wie Schritt, Trab, HofLin, Zelter u. s.w. verschiedene Gangarten des Pferdes. Qargantua (257) nennt sein Pferd »mein Trotterf. In den Fastnachtsspielen 436, 15 heifit es: »So wolt ich frischlich ymbher trotten.« Feyerltanz. Aventinusin seiner bayrischen Chronik, 1530 abgefasst, 1560 gedruckt, sagt S. 34 : »Mußten die Leut aUerley Täntz vnd Lieder lernen, den Drötter, Feyerl- tanz vnd Beigen.« ^ Der Drötter ist ims schon bekannt. Reigen als Gattungsname fflr geselligen Tanz bedarf keiner Erklärung. Was aber Feyerltanz gewesen sei, ist noch nirgends erklärt. Ihn für den Veilchentanz zu halten, den schon Hans Sachs in seinem Schauspiel Neidhart mit dem Feyhel (Veilchen) vorführt, wäre zu gewagt. Qegen die Herleitung von Feuer (fiur) sträubt sich die Etymologie. Mit großer Wahrscheinlichkeit bezeichnet Feyerltanz einen Zauber tanz (von Fee, mhd. feie, daher feien = bezaubern, Feierei =5 Zauberei]. Recht wohl könnten damit die wunderbare Wirkungen erzielenden , altmythischen Tänze um das Jo- hannisfeuer, Sprung über dasselbe, damit der Flachs gerathe u. s. w., gemeint sein. An anderer Stelle bezeichnet veiertanz so viel als fürtanz = Vor tanz: Er ist ein ridewanzel in dem geu veiertanzel: sin gewalt der ist an dem reien under den kinden manecvalt. [Benecke, MSFr. 442,8.] 1 Rieh. Dybuk, Runa 4, 66 (1842). Übersetzt von K. Weinhold, Frauen S. 360. ^ Nach der fabulösen Angabe des Aventinus sollen diese drei Tfinie ^r von einem alten Könige der Qaüier, Bardus 11 herstammen, der um 2170 v. Chr. lebte, als Freund der Poesie der Barden, die nach ihm den Namen (Barden] bekamen. Digitized by Google 55 Firlefkns nnd HottMtan, In einem liede der Bergreyen 1536 Nr. 42 (bei Uhland Nr. 245, Str. 7) werden diese Ewei Bauemtänze erw&lmt : Do pfiff er ihr den Firlefanz wol nach der DOrffer sitten, do tanzten sie den Hot tost an. Der Hottostan ist ein noch imerklfirter Tanz. Noch in einem Lieder- Quod- libet um 1620, QriUenschwarm genannt (Hofim. Weimar. Jahrb. III, 126] kommt folgender Tanzreim vor : Tanzen wir, tanzen wir den Firlefanz von Schwaben. Es sind nicht all in diesem Reihn die wir sollen haben. * Daraus entnehmen wir, dass der Firlefanz ein schw&bischer Volkstanz war, vermuthlich aus ^j^ Takt, wie die meisten Schwabentfinze. Weil firle, gefirle in schlesischer Mundiurt soviel als hurtig, schnell bedeutet, mag es ein schneller Tanz gewesen sein. Überdies scheint mir der Firlefanz derselbe Tanz zu sein, den die schwäbischen Minnesinger im 12. Jahrhundert als firlef ei (ygl.oben S. 35 Nr. 3) erwähnen, und der bei Fischart als Firlefey angefahrt ist. Noch jetzt hat man das Wort Firlefanz, verderbt aus fair Tenfant, und es bezeichnet so viel als Kinderei, Ttbüdelei^ eiteln Schmuck. Der Zäaner (Zeaner, Czewner) war im 15. — 17. Jahrhundert ein vielbekannter Reigentanz , scheinbar von sehr lustiger, ja leichtfertiger Art. Worin er bestanden , ist nicht sicher festzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er ein Reigen, bei dessen Ausführung die Tanzenden durch Verflechten der Hände und Arme eine Art Zaun bildeten. Einer stand als Solotänzer in der Mitte des Kreises und es galt, ihn nicht durchkriechen zu lassen, ähnlich wie solches noch in einem Kinderspiel »Zaunbilden« oder »Katze und Maus« geschieht. Bestätigt wird meine Annahme durch folgenden Bericht. In einer schlesischen Chronik des 15. Jahrhunderts wird der Czewner im Jahre 1406 als ein damaliger neuer Tanz angeführt. Der Berichterstatter, freilich erst um 1830^ bemerkt dazu : »Nach der ungefähren Beschreibung bestand er in zwei Reihen von Tänzern, welche um die jedesmaligen Springer einen Zaun machten und sich tanzend herum be- wegten, wie es bei manchen Touren der Polonaise geschieht.« ^ Außer dieser Stelle, sowie bei Fischart (1590) und in Lautenbüchem um 1552 finde ich diesen Tanz angeführt bei Hans Sachs 1560 : Da wir herritten wie Zigeuner als woltenwir danzen den Zeiner. In einem Fastnachtsnarrenliede [Bergreyen 1536, daher bei Uhland 242, Str. 3] heifit es von den Schellenbändem an den Knieen der Narren : ^ J. O. Bersmann, »über SchleBische Modetänse im Jahr 1406.« Aufsatz in der AU* geradnen Oesehiehtskunde des Preußischen Staates I (1830), S. 280. . Digitized by Google 56 Wo die am tanz herklingen, ir keiner wil sich säumen nit am zeuner frei zu springen. In Herzog Ferdinands italienischen Reisen 1503 [Freyb. Samml. IV, 333] heißt es : »In einer Comödi zu Florenz haben 12 nackhent nymphä und so viel fatyri (zum Schluss) durch einander, wie einen Zeuner, getanzt.a Noch wird er in Chr. Weiße's drei Brznarren (1673] angeführt als ein 1530 in Danzig und 1602 in Leipzig von nackten Personen dargestellter, indecenter Tanz [Citat s. Kap. YH unten] . Die Musik zum Zeuner habe ich in zwei Lesarten gefunden und beigefflgt in MB. 59 und 137. Sie sind entnommen dem Lautenbuch YonHeckel 1562 und einem Buch für Cither 1590. Aus der Musik ersehe ich nur so viel, dass ein damals beliebtes Lied »Ich zeunt mir nechten einen Zaune (Uhland 51; BOhme, Alt- deutsches Liederbuch Nr. 141] nicht zum Zeuner gesungen wurde, weil dieses eine ganz andere Melodie hatte. Der Scharer oder Schartanz ist noch jetzt im bayerischen Hochlande ein Hochzeitstanz zuEhren des Bräutigams. Dabei bezahlt eine gewisse Anzahl (eine Schar] von Tanzpaaren , die sich verab- reden , die Musik , und so geht' s nach Lust und Ordnung halber weiter. [Wolf. Ztschr. f. Myth. H, 130.] Das scharenweise Tanzen soll also den Unterschied vom Solotanz und von den einzeln bezahlten Schnadahüpfln bezeichnen , nicht etwa das Scharren mit den Füßen. Damit stimmt auch Schmeller (bairisches Wörterbuch HI, 381) überein : »Schar heißt im bairisohen Oberland die Reihe oder Tour, nach welcher Mehrere, sich einander ablösend, irgend etwas vornehmen, namentlich die Tanztour, der Reihen. Beim Schar-tanzen gilt daselbst die Sitte, dass bei jeder Schar (nach- dem sie an die Musikanten gewöhnlich mit 1 2 Kreuzer bezahlt ist) in der Regel nicht mehr als vier Personen tanzen dürfen. Ist die Schar (Tanztour) zu Ende, so zahlen und tanzen andere vier, oder auch nur drei, zwei oder ein P&rchen. So kommen alle genügsamen Tänzer nach und nach an die Reihe, Für die Ungenüg- samen, bei denen jede Schar nur neue Lust zu einer gleich nachfolgenden zweiten, dritten u. s. w. entzündet, besteht zu Recht das Nachzahlen, bei steigender Taxe für jeden folgenden Tanz. Sich sehen lassen, indem man für sein Geld allein mit seinem Dimel dahintanzt und die neidischen Zuschauer recht lange ungeduldig warten lassen , gehört mit zu den heftigsten Wünschen des ländlichen Ehrgeizes und der bäurischen Prahlerei. »Was a steiffe Bua is, schwingt sei Beudel i de Luft und schnellt a paar Vierezwaenzgel, wenns a Taler wan (wären) , unte de durstinge Qeige, daß's e Freud is. Dann beginnt das Drehen und Takttreten, Händeklatschen und Jauchzen und Singen, daß d' Leut i vierze Tagn no zVo zelln habn , wie de Kreil si augfüert had am Omunde Eirdo (Kirchtag).« Eine Melodie des Scharers hat sich in einem Lautenbuch von 1562 erhalten (s. MB. 62). Wenn sie »welsch« Scharer genannt ist, soll die Beifügung nur eine Anpreisung des neuen Artikels sein, nicht aber das Importiren aus Welsch- land anzeigen. Der schwarze Knabe war ein Volkstanz, welcher nach Fischarts Andeutung (s. S. 49) von einem schwarzen Knaben handelt, der gern ein braunes Mägdlein haben wollte , aber nicht bekam. Digitized by Google 57 War das nun ein Fangspiel? oder ein lied vom braunen Mägdlein , das man aum Tarne sang? Nach der Notiz ist die doppelte Annahme zulässig. Ein Text wird nicht angeführt. Die Tanzmelodie für Laute ist uns erhalten (s. MB. 61 ) • Uhlands Vermuthung (Schriften 4, 189), dass der Ausdruck einen schwarzen Knecht, einen Landsknecht der »bände noirec bezeichnen könnte, ist hinfällig. Auf dem Kupfer- stich des Baseler Todtentanzes von Merian 1621 ist dem Tode folgender an den Kylbe-Pfeifer gerichtete Spruch in den Mund gelegt: Was wOlln wir für ein Tänzle haben, den Bettler oder schwarzen Knaben? Nicht unmöglich ist es, dass ein in der Schweiz und in Sachsen von Kindern noch gekanntes Fangspiel, genannt der schwarze Mann, mit dem schwarzen Knaben in Verbindung steht oder gar ein Überrest jenes Tanzes des 1 6 . Jahrhunderts ist. Die Ausführung in der Schweiz ist nach Rochholz, alem . Kinder- lied 376 folgende : »Eine Art Ringelreigen wird getanzt unter Hersagen des Reims : »Schwarzer M&, läng mich nit anla Die Spielenden stellen sich der Größe nach in eine Reihe, zählen sich ab. Wen die Zahl 9 trifft, der wird schwarzer Mann. Sein Spielgebiet wird ihm mittels eines in den Boden gesteckten Stabes mit darüber gehängter schwarzer Mütze angewiesen ; zwei Steine oder Bäume bilden die Gebietsgrenze. Ein Jedes, das er innerhalb seines bestimmten Kreises er- haschen kann, ehe es das Ziel erreicht hat, muss sich zu ihm gesellen und mit fangen helfen. »Förchts üch Yor'm schwarze Mä?« ruft er in den Haufen. Die Ver- wegenem antworten mit Nein und wagen sich aus der Freiung heraus. »Was macht ihr; wenn der schwarze chumt?« fragt er weiter. »Usflüge machencr, schreien die Andern.« Prof. Rochholz hält dieses eben beschriebene Spiel für einen Über- rest der Pest- oder Todtentänze (s. oben S. 47). Bettler-Tanz hieß ein deutscher Volkstanz des 1 6 . Jahrhunderts , der seine Melodie dem alten Yolksliede vom Bettler (Uhland Nr. 288; BOhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 46) entlehnt und davon seinen Namen erhalten hat. Der Anfang des Textes lautet : Der reich Mann war geritten aus, Da kam ein Bettler für sein Haus, Der bat die Frauen um ein Qab, Dass sie ihm gab' von ihrer Hab. . Das Heiaho 1 Der Inhalt des Liedes handelt von einem in Bettlergewand verkleideten Aben- teurer, der in Abwesenheit des geizigen gestrengen Ehemannes bei der Frau ein- kehrt^ um eine Gabe sie anspricht und in Ermangelung aller Lebensmittel, die eingeschlossen sind, von ihr die höchste Liebesgabe empfängt. Dass die Tanz - melodie dazu (MB. 58) wirklich die für Laute figurirt gesetzte Gesangweise des Volkstextes war, ist aus der Nebeneinanderstellung beider zu erkennen. Wie der Tanz ausgeführt war^ ist aus dem 1 6. Jahrhundert nicht zu erkunden. Dass es ein wildlustiger Tanz war, ist zu folgern, weil er 1580 durch Landesverordnung in Kursachsen verboten wurde. Es war jedenfalls ein alter Hochzeitstanz. Wir er- fahren aus späterer Zeit seine Ausführung : »Alle Paare tanzen eine Ronde , links Digitized by Google 56 oder reohto herum, indeesen ein einselnes Paar in der Mitte des Kreises StelluBgen und Spiele ausführt« (Voss, Tanz 330] . Wer denkt hier nicht an das bekannte, in Thüringen und Sachsen noch übliche Pfänderspiel, der polnische Bettelmann, der für sich ein Stück Brot und für seine Frau einen Kuss, oder umgekehrt, von der im Kreise sitzenden Spielgesellschaft verlangtl Ich vermuthe , dass aus jenem verbotenen Bettlertanze das besagte Pfftnderspiel entstanden und noch ein Überrest ist. Auch das Kusswechseln beim betreffenden Pfänderspiel konnte noch ein Nach- klang des alten Bettlerliedes sein, dessen Inhalt vielleicht schon im 16. Jahrhundert durch Vorführen eines Bettlers und seiner G6nnerin dramatisch im Tanzspiel dar- gestellt wurde. Auch soll nach Voss (358) es im Mittelalter einen »Philippinen- tanzc gegeben haben, der ein Herrentanz war, im Gegensatz zum Bettlertanz. Ganz derselbe Tanz wie der eben beschriebene heißt im österreichischen der Bußl-Tanz (d. h. Kuss-Tanz), der ebenfalls bei Hochzeiten zur Aufführung ge- langt (s. Voss 334). In Böhmen heißt dieser mit Spiel verbundene Ringelreigen Kolo. Voss (Tanz 334) beschreibt ihn so: »Eine Anzahl Tanzender bildet eine Ronde und bewegt sich links oder rechts herum, indessen einzelne Paare oder Per- sonen abwechselnd in der Mitte des Kreises verschiedene Spiele und Gruppen aus- führen und dann Walzer oder Polka herum tanzen. a Vom Bettler tanz ist meines Erachtens zu unterscheiden der BetteltuiB^ der zu Anfang oder am Schluss von Hochzeiten noch jetzt in Bayern (s. Kap. XIII) vorkommt. Seinen Namen hat er davon, dass wShrend des Tanzes die Zeche einge- sammelt wird, somit ist es ein Umzug zur Gabeneinsammlung, verbunden mit Tanz. Es mag dieser Brauch sehr alt und oft sehr wild und lärmvoll verlaufen sein ; denn es entstand eine sprichwörtliche Redensart »da ging der Bettel tanz losa. Darunter versteht man Hader, Streit und Prügelei, womit oft Tanzgelage endigen. Die schone MttUerin. Zu diesem Tanze diente die Melodie eines unsaubem Liedes, das im 16. Jahr- hundert viel gesungen wurde und den Schwank behandelt, wie eine schöne Müllerin einen liebebedürftigen Domherrn, der sie einladet und bezahlt, hintergeht, indem sie eine Eselin in sein Bett bringen läset. Die erste Strophe lautet nach dem Am- braser Liederbuch von 1580 Nr. 20, J. Ott's Liederbuch 1544 Nr. 48 und Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 4 4 : Ich weiß eine stolze müUerin, die deucht sich hübsch und klug. Vom Oberland bis an den Rhtn wo findt man ihren fug? In einem dorf sie saß, gen march da tet sie laufen, tet ir hüner verkaufen, als ir gewonheit was. Die Tanzmeledie ist die Volksliedweise , nur für Laute zurechtgemacht, wie solche in Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts oft vorkommt. (MB. 57.) Digitized by Google 59 Der Benzenaaer oder der »Bentsenawer in Tantz-Weisef war das zu einem Tanz verwendete Lied von dem berühmten Helden in der Schlacht bei Kopfstein 1504: »Nun wend ir hören singenff [s. Uhland, Volkslieder 174 ; Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 381]. Die Melodie ist in der Baseler Handschrift 1 544 für Tanz umgearbeitet , indem sie aus dem geraden Takte in den Tripeltakt gesetzt ist (s. MB. 60] . St. Jacobs-Tanz^ der im 16. Jahrhundert als St. Jacobi»-Dantz angeführt wird, hat mit dem Jacobi- Festtanz nichts zu thun, sondern bezeichnet eine Tanzmelodie, die zu dem im 14. bis 16. Jahrhundert viel gesungenen, berühmten Liede der Jacobsbrüder ge- hörte und anhebt: Wer das elent bawen wel, der heb sich auf und sei mein gfel wol auf sant Jacobs ftraßen. zwai par schilch der darf er wol, ein schüfiel bei der flaschen. Text bei Uhland Nr. 302 ; Wunderhom, Erks Ausgabe ü, 338. Melodie im Alt- deutschen Liederbuch Nr. 610. LobetlüM. Sie sind eigentlich Verlobungs- und EhevermitÜer und scheinen nur im MeilB- nischen gekannt und slawischen Ursprungs zu sein. Erwähnt und zugleich erklftrt sind sie in Spangenbergs Predigt der Ehespiegel 1570, wo es heißt: »Unsere Vor- fahren haben öffentliche T&nze auch darumb gehalten , damit ihre Kinder von den Nachbauem gesehen werden, Ehestifftungen fürzunehmen. Daher in Meifien und anderswo, jährlich zu gewissen Tagen, jetzt auf diesem, dann auf dem andern Dorf, durch der Oberkeit Verordnungen dieLobe-Tänze gehalten werden. c Schon in einem Fastnachtsspiel des 15. Jahrhunderts: »Ein Spiel von Frau Juttena, sagt Lucifer : Alle meine liebe hellekint, die mit mir in der helle sint, Krentzelin und Fedderwisch, dazu Nottis ein teufel frisch, Astrott und Spiegelglanz, macht mir einen Lobe tanz. Eine Notiz im historischen Bilderhaus des J. D. Ernst sagt: im Jahr 1458, am heiligen Himmelfahrtstage ging ein Bürger zu Pirna in Meißen mit seinen Haus- leiiten und etlichen Schülern hinaus zum Losohwitser Lobe tanze. Der Name kommt auch in amtlichen Verordnungen (s. unten) vor und außer- dem in einem Lied, das 1730 als Nr. 83 im Bergliederbüchlein und daraus im Wunderhom IV, 128 abgedruckt steht: Ich brach mir die Röslein abe zu einem Kranze, Ich schickt sie meim Feinsliebchen zum Lobetanze. Digitized by Google 60 Die s&chsisohen Wenden nannten den Lobetanz Liostanz , auch Sperlings- kirmesB (robliaza kermuscha), und hielten dies Tanzfest zur Zeit der Hirsenreife ab. Es war zugleich das wendische Erntefest. Aus einer Chronik des 15. Jahrhunderts (?) werden um 1406 (wohl 1604?)' folgende damals üblichen neuen Modetänze angefahrt : 1. der ZwOlfmonatstanz, 6. der Vortanz, 2. der Todtentanz, 7. der Czewner (Zäuner), 3. Polnischer Tanz, 8. der Taubentanz, \ 4. Capriolentanz, 9. der Schmoller, 5. Drehtanz, Wir geben die Erklärung dazu, wie sie der Berichterstatter (1830) nicht ur- kundlich, aber doch scheinbar auf chronikaler Grundlage beifügt. 1. Zwolftuonatstanz. »Zwölf Paare traten in einen Kreis, ohne sich die Hände zu reichen. Sobald die Musik von ein paar Pfeifen, einem Dudelsack und einer Trommel ertönte (die indess nur dazu da war, den Takt anzugeben), stampften die Tänzer mit dem rechten Fuße auf, klatschten in die Hände und gingen dann unter frohem Jauchzen erst mit dem in den Kreis gekehrten , dann mit abgewandtem Gesichte , mehreremale ringsherum. Dann gruppirten sich vier Kolonnen, diewahrscheinlich die vier Jahres- zeiten bedeuten sollten, und wiederholten dieselben Touren im Kleinen, doch so, dass eine Kolonne nur immer allein tanzte. Zwischen diesen stampfte die ganze Versammlung von neuem gemeinschaftlich mit den Füßen auf und klatschte in die Hände. Zuletzt reichte man sich die Hände und schloss mit einem lauten Jubel- geschrei.« Scheinbar sollten durch die zwölf Tänzerpaare die zwölf Monate und durch aller- lei Bewegungen und Aufzüge das Ab- und Zunehmen des Mondes figürlich dar- gestellt werden. 2. Der Todtentanz kommt im 15. bis 17. Jahrhundert vor und war auf Hochzeiten in Schlesien, Ungarn, Berlin und der Mark Brandenburg beliebt, so dass ich slawischen Ursprung vermuthe. So schauerlich auch der Titel des Tanzes klingt, war er doch recht amü- sant: es war ja eine Art Kotillon, ein Gesellschaftsspiel mit Kuss. Ein Tänzer oder eine Tänzerin wird durch das Loos bestimmt, die Rolle der Tanzleiche zu übernehmen. Wer durch das Loos getroffen wird, begiebtsich in die Mitte des Saales. Alle andern scharen sich Paar an Paar, und jubelnd und jauch- zend unter fröhlichen Klängen der Musik beginnt der Tanz. Plötzlich verstummt Alles: die in des Saales Mitte gestandene Person Gült nieder und stellt sieh todt, derweil die tanzende Gesellschaft einen auf erweckenden Todtengesang anhebt (MB. 30 5) . War nun der Todte ein Mann, dann gehen alle Frauen nacheinander zu ihm und küssen ihn. Er muss aber aufpassen, sich nicht dabei zu bewegen. Spielt ^ L. y.Ledebur, Allgem. Geschichtskunde des Preuß. Staates I (1830), 8. 278—80. Artikel von J. G. Bergmann, »Sohlesisohe Modetänze im Jahr 1406.« Der Artikel ist sehr wenig vertrauenerweckend geschrieben. Die Jahrzahl 1406 halte ich für einen Lese- oder Schreibfehler, yielleioht 1604. Die Tänze dort sind kaum dem Anfang des 15. Jahrhundert, sondern erst dem 16. Jahrhundert angehörig. Digitized by Google 61 eine Frau die Rolle einer Tanzleiche, dann kommen alle Männer her, ihr einen KusB KU geben. Wenn endlich die ganie Gesellschaft ihren Kuss gegeben hat, ftUt die Musik ein mit fröhlicher Weise, der Todte steht auf und die Andern fahren einen großen Rundtanz um ihn her aus. Gewöhnlich wird der gleiche Tanz noch einmal wiederholt, wozu man wieder eine andere Tanzleiche (jetzt von abwechseln- dem Geschlecht) durch das Leos erkiest. Der ungarisch-dacische Simplicissismus (1683) erzShlt: »Sonsten habe ich in jeder Ungarischen Stadt bei einer Leich einen sonderbaren Tanz gesehen. Da legte sich Einer mitten in die Stuben, streckte Hand und Foß voneinander, das Angesicht war ihm mit einem Schnupftuch verdeckt , er lag da und regte sich gar nit. Da hieß man den Spielmann den Todten-Tanz mit dem Bockpfeiffer machen. Sobald dieser anhub, gingen etliche Manns- und Weibspersonen singend und halb weinend um diesen liegenden Kerl, legten ihm die Hand zusammen auf die Brust, banden ihm die Fuß, legten ihn bald auf den Bauch, bald auf den Rücken und trieben allerlei Spiel mit ihme, richteten auch solchen nach und nach auf und tanzten mit ihme. Welcher gar abscheulich anzusehen, weil sich dieser Kerl nit im Geringsten sich regte, sondern eben wie sie ihme die Glieder richteten, also gleich- sam erstarrt dastund. Und habe solches abscheuliche Spiel auch auf den Hoch- zeiten, gleichsam als eine Recreation oder Fastnachtspiel prakticiren gesehen. Bin aber sicher berichtet worden , dass einmal Gott einen solchen Spieler gestraft und der, so der Todte sein sollen, wahrhaftig gestorben und todt liegen blieben.« 3. Polnischer Tanz. »Er war wahrscheinlich der heutigen (1 830) Polonaise ähnlich, wenigstens wird er als der ruhigste und gesetzteste Tanz gerühmt und erfordert, wie die alte Chronik (1406) sich wörtlich ausdrückt, große Reverenz, liebliches Neigen mit Buken und Knippen und Knappen.« Dass die Musik aus y^T9kt ging und den heutigen Rhythmus der Polonaise hatte, ist zu bezweifeln. Ende des 16. Jahrhunderts hat der »pohlnische Tanz« geraden Takt (MB. 136. 174. 175). Jedenfalls war dies kein Volkstanz, ebensowenig der folgende. 4. Der Capriolentanz. »Er wird beschrieben als ein Tanz, »bei welchem in hohen und niedem, halben und ganzen Capriolen zwerch und überzwerch gesprungen wurde , und wozu viel Übung gehörte. Die Musik dazu scheint Anglaisentakt gewesen zu sein. Bei diesem Tanze gab es Veranlassung zu allerlei unartigen Sprüngen.« 5. Der Drehtanz war »vermuthlich ein dem Walzer fthnlicher Tanz oder eine Art von Ronde (Rund- tanz} ; wenigstens konnten Viele auf einmal tanzen.« 6. Der Yortanz war wohl keine besondere Tanzart, sondern ist damit der erste Tanz gemeint, den sum Ehrenpersonen einr&umt. 7. Der Czewner. Seine Beschreibung habe ich schon oben S. 55 unter Zäuner beigebracht. Digitized by Google 62 8. Der Taabentanz, iMlessen Eigenthümliclies höchstwahrscheinlich in dem hüpfenden Zusammenklopfen der Füße [nach Art der Masnieks) bestand«, ist noch jetzt in Rassland üblich und wurde durch Trippeln das zärtliche Liebesgirren der Tauben darin nachgeahmt. 9. Der Schmoller, »wobei die tanzenden Paare in scheinbarem Unwillen einander den Rücken su- kehrten und sich dann endlich wieder versOhntena, machte gewöhnlich den Be- schluss der Hochzeitstänze. ^^Sehwkblsch.« Eine Spur davon, dass im 16. Jahrhundert schon »Schwäbischa — also unser Walzer — getanzt ward, finden wir in der Schrift: »Der Hoffartsteufel.« Er schil- dert den Spiegel und das Spiegeln und sagt dabei: »Und ist nun unter andern Stücken der Hoffart, dass man bei Manns- und Weibspersonen findet, die ihre eigene Übung vor dem Spiegel haben , hin und her treten , hinten und vom sich schauen, sich recken, lenken, biegen, den Schwäbischen Tritt, so zumQepräng gehört, versuchen, sanft und leise mit zerbrochenen Tritten auf tausend Qülden umher schwanzeliren.« [Voss S. 140 bemerkt dazu, dass Tritt die alte Bezeichnung für Pas = Tanzschritt sei, und vermuthet mit Recht hier den »schwäbischen Tanz«.] Franziska von Buchwald, geborene Freiin von Neuenstein, erzählt, dass sie bei Gelegenheit der Vermählungsfeier der k. Prinzessin Friederike Sophie Wilhel- mine mit dem Erbprinzen von Baireuth im Jahre 1731 am Hofe zu Berlin die Freude hatte, mit dem Kronprinzen (nachherigen König Friedrich ü.) Schwäbisch zu tanzen, und dieser ein ausgezeichneter Tänzer sei. Unter Schwäbisch ist doch nichts anderes als Walzer zu verstehen, meint Voss. Ich stimme bei. Der Beihen-ans bedeutet ohne Zweifel den letzten Tanz, die letzte K6r (Tour) , was an andern Orten bis heute Kehraus oder Kehrab (MB. 77) genannt wird. Erwähnt ist er in einem Trachtenbuch des 16. Jahrhunderts. Die Stelle (abgedruckt in : »Die gute alte Zeit« S. 429) lautet: »Adi. 23. Juli 1560 habe ich (Veit Conrad Schwarz, Buchhalter der Herren Fugger in Augsburg) und Hanns Amman der jüngere, Raien-auß auf deß Se- bastian Zachen Tannz auf der Kaufleut Stuben, da dann auch seine Hochzeit was, gethan. Den Krantz heftet mir die wohlgebome Junckfraw Veronica Fuggerin auff, Herrn Antoni Fuggers Tochter.« Von der musikalischen Beschaffenheit der Bauemtänze können uns die im 15. und 16. Jahrhundert gesungenen Tanzlieder einen Begriff geben. Wenig zu- treffend wird der unter den Lautenstücken mitgetheilte »Bawrentantzc (MB. 65) die Tanzweise charakterisiren, weil die Laute kein Baueminstrument war und dort ein Stück fast wie das andere, der Bawrentantz wie der Bürger- und der Hofetanz klingt. Ein besseres, zuverlässigeres Bild gewähren uns jedenfalls drei Bauern- tänze des 16. Jahrhunderts aus Frankreich (s. MB. 129). Wir dürfen wohl schließen : so ähnlich waren auch damals die deutschen Bauemtänze beschaffen, Digitized by Google 63 einfache und natflriiche Musik, die aber nichts von beaonderer Grobheit und Tölpelhaftigkeit aufweist. Die auffallende Derbheit und DOxperhaftigkeit könnte sich am Ende doch wohl nur in der AusfCthrungsart, nicht in der Musik selbst darstellen. Die Musikbegleitung zum Tans wie zum Reigen ward zumeist von der Qeige, der Pfeife und Trommel, sehr oft auch von der Drehleier ausgefOhrt. Häufig wurde aber auch nach dem Qesange getanzt, welcher theils vom Chor ange* stimmt , theils und noch öfter von einem Vorsänger voi^tragen wurde und zwar so, dass die Gesammtheit den Kehrreim (Refrain) nachsang. Es gab besondere Tanz- und Reigenlieder, davon sich manche erhalten haben, die wir Kap. XV besprechen und in den Musikbeilagen vorfahren werden. B. Handwerker- oder Zunft-Tänze im 14. bis 16. Jahrhundert« Zu den Kennseichen einer gesunden und fröhlichen Vorzeit und zu den be- sondem Beweisen des Wohlstandes und Flores det Handwerker gehören ihre öffentlichen festlichen Aufzüge und Tänze, von denen einige alljährlich, andere nur bisweilen gehalten wurden. Besonders hat sich die alte gewerbfleißige Reichsstadt Nürnberg eines lustigen Festlebens der Handwerker zu rühmen imd sind die Chroniken dieser freien Stadt voll von Berichten über solche Handwerkerfeste. Da sehen wir mit obrigkeitlicher Erlaubnis aufziehen und zum Beschluss der Festlust ihre Tänze aufführen : Becken und Lebküchner , Leinweber und Barchentmacher, Bortenmacher (Posamentirer) , Fischer (Fischerstechen auf der Pegnitz), Metzger (Fleischer), Büttner (Schäffler), Messener (Messerschmiede} , Hufschmiede, Rothschmiede (Kupferschmiede) , Zirkel- schmiede (Zeugschmiede), Schellenmacher, Plattner (wozu Drahtzieher, Harnisch- macher und Nadler gehörten), Lederer (Qerber, Weiß- und Rothgerber) , Schneider, Schuster , Schwabenweber (Tuchmacher) , Schreiner (Tischler) , Schlosser (wozu Platt-, Löth-imdFeuerschlosserundUhrmacher zählten), Kannegießer (Zinngießer), Töpfer; sogar die Qänserer (Gänsehirten) fehlten nicht bei Aufzügen. Die meisten Aufzüge der Handwerker, wie wir sie bei großen öffentlichen Festlichkeiten in den meisten Großstädten bis vor Kurzem noch sehen konnten, haben für die Tanzgeschichte weiter kein Interesse und blieben in ihrer Form Jahr- hundertelang immer gleich: Die Innungen, Meister, Gesellen und Lehrjungen eines besondem Handwerks , ziehen festlich geschmückt , mit ihren Innungsabzeichen, Fahnen und Kränzen , auch Trinkgeschirre tragend , mit Musik von Pfeifen und Trommeln, durch die Stadt nach einem bestimmten Hause, wo sie fröhlich zechen und tanzen. Wie in Nürnberg, so war es auch in andern großem Städten. Von Augs- burg und dessen Tanzlust schreibt P. v. Stetten in seiner Geschichte der Stadt Augsburg (II, 161): »Sobald in unserer Stadt durch Handlung und Gewerbe Wohl- stand emporkam, so zeigte sich auch guter Muth und Fröhlichkeit. Selbst das ge- meinste Volk belustigte sich mit Zechen und Tänzen auf offnen Straßen in fröh- lichen Gesellentänzen der Geschlechter, um Kränze und Hahnen zog es jauch- zend in der Stadt umher, zechte vor den Thüren der Häuser an zubereiteten 'Hschen und Bänken und beging dabei mancherlei Unordnung , dass endlich die Obrigkeit für nöthig fand, dergleichen Ausschweifungen Einhalt zu thun und im Jahr 1512 dergleichen Gesellen-, Kranz- und Hahnentänze gänzlich abzustellen. a Digitized by Google 64 Im Gänsen darf man annehmen, dass es bei den Ha n dwerkertänsen nicht roh und sittenlos hei^egangen ist. Die ehrbaren Meister und Altgesellen jeder Zunft wachten streng über Bürgersitte und wurden einzelne Ausschreitungen auf Grund des Zunftgesetzes, das in der Innungslade aufbewahrt lag, hart bestraft. Die Polizei hatte höchstens Fürsorge zu tragen, dass nicht bei den Innungsfesten zu großer Aufwand gemacht wurde und dass man nicht mehr als eine festbestimmte Zahl von Pfeifern und Posaunenbläsem dabei haben durfte. Die Sittenprediger und Straf- redner haben wohl viel zu tadeln an Kirmes-, Pfingst- und Hochzeitstänzen der Bauern, wenig Stoff zu ihren Zomausbrüohen fanden sie bei den Handwerker- tanzen. Die Zeit, zu welcher diese Handwerkerfeste gehalten wurden, waren gewöhn- lich der dritte Pfingsttag, die Fastnachtszeit (Aschermittwoch), auch zuweilen Johannistag. Besonders wichtig im Handwerkerleben war der Dinzeltag, schwäbisch Denzeltag, bei Fischart erwähnt als Dintzeltag, Es war der Tag der jährlichen Versammlung einer Zunftgenossenschaft, wo unter Leitung der gewählten Vor- stände (Vierer, Altgesellen etc.) die Angelegenheiten der Zunftgemeinde, z. B. Auf- nahme neuer Meister , Verhängen von Handwerksstrafen , Frebprechen der Lehr- linge etc. abgethan wurden. Hier und da wurde dieser Tag mit einem religiösen Akte (gemeinsamen Anhören eines »Meßambts«) eröffnet, fast überall aber mit einem gemeinsamen Mahle und fröhlichem Tanze beschlossen. In dem Augs- burgschen >'s Jahr einmalit 1764 heißt es vom Monat September: j»Auch thut man, wie ich hör und seh, Das Jahr einmal dem Geld recht weh. Da vil Handwerker kostbar dänzlen. Und ob die Jungfern ihre Eränzlen Allzeit beibringen unverletzt? Bleibt hier die Antwort ausgesetzt.« [Schmeller I, 387.] Bezeichnend für das bezügliche Handwerk hatten die Messerschmiede ihren S ch w er t e r t a ns , ,, Büttner (Böttcher) ,, Reif tanz, ,, Tuchmacher ,, Fahnentanz. Die Metzger, in Erinnerung an die altheidnischen Opferpriester hatten einen Tanz um einen angeputzten Festochsen, oder eine vorangetragene, geschmückte, große Wurst. Vom Sehwerter- and Beiftanz bei Handwerkeraufzügen geben uns die Chronisten vieler Städte Bericht und Be- schreibung. Voran steht der Schwertertanz der Nürnberger Messerschmiede. Die Messerer sollen schon 1350 vom Kaiser Karl IV. ein Privilegium erhalten haben, in Nürnberg um Fastnacht ihren Schwertertanz zu halten. In alten Chro- niken sind vom Jahre 1490 bis 1615 viele solche Aufzüge der Nürnberger Messer- schmiede beschrieben.^ Diesen Schwertertanz hielten sie alle sieben Jahre, setzten Kosten halber ihn wohl zuweilen aus und hielten ihn auch wieder schneller hinter- einander. Gewöhnlich ritt eine Rathsperson (der Stadtschreiber) mit einem Spieß- > In Siebenkees, Materialien zur NOmb. Gesch. II, 197 ff. sind viele verzeichnet. Digitized by Google 66 jungen und 8 Einspännigem ihnen voraus. Vor dem Rathhause angekommen, tanzten sie und hielten mit erhobenen Schildern eine Fechtschule. Dieser Schwerter- tanz der Nümbei^er Messerer war noch um 1850 in Gebrauch, wie Panzer (Bai- lische Sagen U, 247) berichtet Ahnliche Schwerttänze wurden im 16. Jahrhundert auch anderwärts so zu Frankfurt a. M.^ und Prag von den Federfechtem und Marxbrüdern bei öffent- lichen Aufzügen ausgeführt. So war es auch in Augsburg.^ In Sachsen wurden solche von Messerem und Fleischern zu Fastnacht gehalten.^ In einer Verordnung des Rathes zu Köln über Fastnachtfeier 1487 werden neben den Mummereien auf das Strengste die damals als Fastnachtspiele beliebten Schwert- und Reif tanze verboten.^ Der Schwerttanz und ein damit verbundener Reiftanz werden unter den Fastnachtslustbarkeiten erwähnt, die 1518 zu Zwickau abgehalten wurden, wo damals Herzog Johann glänzend seinen Hof hielt. In Tobias Schmidts Zwickauer Chronik (11, 275) heißt es : «Die Lustbarkeit begann mit einem Turnier, zu welchem mehrere Fürsten (darunter Friedrich von Weimar), Grafen, Edelleute, Bischöfe und Äbte sich einfanden. Darauf wurde zu Ehren der Fürsten und Frauen die Comedia Eunuchus aus dem Terentio ordentlich und wohl gespielt. Als Zwischen- spiel gab man eine Aktion, in welcher sich 7 Weiber um einen Mann zankten und schlugen, und eine zweite, in welcher 7 Bauembursche um eine Magd freiten. Das ging Alles wohl und lustig ab. »Darauf erschienen 20 Fleischer, welche mit einem in eine Kuhhaut ein- genähten Menschen Fangball spielten, zur großen Ergötzlichkeit der Zuschauer. Dann hielten 24 Männer einen Schwerttanz. Auf dem Schlosse aber hielten ihre Zwölfe ein Fußtumier, worauf Abends 26 Männer auf dem Schlosshofe einen Reiftanz hielten. Jeder dieser Tänzer hatte eine Laterne auf dem Kopfe. a Die Bewohner der jetzt oberösterreichischen Stadt Braun au kamen sonst, so lange sie zu Bayern gehörten, alljährlich nach München und hielten vor den ansehnlichsten Häusern auf der Straße einen einfachen Tanz mit entblößten Schwer- tern, welchen sie Schwerttanz nannten. (Zeitschrift f. Kulturgesch. I, 462.) Der Schwertertanz gehörte auch zu den Festlichkeiten, die 1 620 zu Ehren der Anwesenheit des Böhmenkönigs Friedrich in Breslau veranstaltet wurden . 3 6 Kürschnermeister und Gesellen führten denselben vor dem Könige auf. Sie zogen um die Vesperzeit mit schönen weißen Hemden, mit großen bauschenden Fechtärmeln , blauen Strümpfen und weißen Schuhen , nach Trommel und Pfeifen aus ihrer Herberge. Unterhalb der Kniee an beiden Schenkeln hatten sie Hosen- bänder mit großen Schlitten seh eilen und auf den Köpfen Lorbeerkränze. Nach ihrem Vorgänger folgten drei Knaben, deren jeder ein Scepter in der rechten Hand trug; darauf andere drei Knaben: der eine mit einem Paratschwert, der zweite mit einem Fechtschwert, der dritte mit einem Paar hölzerner Tussaken (ehemals kurze Säbel, böhmischen Ursprungs), alle in weißen Kitteln, mit Feldbinden, blau und weißen heidnischen Schürzen, schachweise (wie das Schachbret carriert) mit rothen Stufen, auf dem Haupt mit großen grünen Kränzen. Hinter jedem Paar Meister und Gesellen gingen zwei Knaben in gedachter Kleidung, einen Keif en mit blau und weiß bemalten Streifen und von Holz gemachten Kosen darauf, in den Händen» 1 Lersner, Frankf. Chronik, 2 von Stetten, Gesch. der Stadt Augsburg II. 3 Hasche, Gesch. Dresdens III, 65. « E. Weyden, Köln vor 50 Jahren. 8. 223. Böhme, 0«iich. d. Tanzei. Digitized by Google 66 Auf beiden Seiten gingen vier Trabanten mit geäzten und vei^oldeten Partisanen (Spießen) und passirten vor Ihrer Majestät Hofstaat. Da hielten sie ihren Schwertertanz, schlössen einen Zirkel und fochten mit Schwert undTussaken. Ein alter Fechter schlug im Paratschlagen dreien Knaben, so niedergekniet, einem jeden einen Dreier vom Kopfe herab, ohne alle Versehrung. Ein anderer schlug das Parat auf einer gemachten RosevonSchwertern; andere fochten auf kleinem gemachten Rosen aus Tussaken. Des Abends zwischen 7 und 9 Uhr hielten sie einen Laternentanz, da ein jeder seine Laterne mit brennendem Licht auf dem Kopf getragen und bei demselben (wurde) in zweien Wehren gefochten. ^ Ähnliche Bügel- oder Reif tänze, mit brennender Laterne auf dem Kopfe, führte das Kürschnerhandwerk in Dan zig 1646 bei der Durchreise der Gemahlin Wladislaws IV. auf. Eine Wiederholung derselben erfolgte 1698, als der König August n. von Polen seinen Einzug in Danzig hielt. ^ Die Büttner in Nürnberg hielten bisweilen ihren Reiftanz. Sie hatten rothe tuchene Hosen , weiße Hemden , grüne ungarische Kappen mit Bändern auf der Seite. Es war ein Cortisan oder Lustigmacher dabei. 1704 haben sie ihn bei Anwesenheit des Kaisers Joseph I. gehalten, die letztenmale 1763 und 1775.^ Noch bis heute geben in Salzburg alle sieben Jahre die Küfer und Kleuzer (Spalter des Holzes zu den Dauben der Salzkufen) ihren Raiftanz zum Besten.^ Ebenso besteht bis heute noch der Sehäfflertanz in Mfinehen« Er ist ein Tanzspiel, welches die Münchner Böttchergesellen (Schäflfler) vermöge eines kaiserlichen Privilegiums im ersten Regierungsjahr eines neu angetretenen Landes- fürsten und dann alle sieben Jahre in der Fastnachtzeit vor den Häusern gewisser Herrschaften und vor denen ihrer Hauptkunden , der Bräuer , Bier - und Kaffee- wirthe , aufzuführen pflegen , und zwar in der ehemaligen Tracht der Edelknaben, nach der Melodie eines eignen Liedes, welches heißt : »Gr^dl in der Butten Und wenn du mir nit mehre giebst, Wie viel giebst du Oar? (Eier) Als um en Batzen zwoa: I gieb nit mehr, i gieb nit mehr, So b'halt du deine Butten Als um en Batz'n zwoa. Und alle deine Oar.c^ Es ist dies eine Art Contretanz, der große Achter genannt, wobei sie große, mit Buchsbaum und Bändern gezierte Re if e in den Händen halten und damit ver- achiedene Figuren bilden. Vor dem feierlichen Gesundheittrinken werden die vollen Gläser auf die innere Fläche der Reif bogen gestellt und mit diesen im Kreise herum geschwungen. Damit schließt der Auftritt.® Der Fahnentanz wurde von den Tuchmachern in Nürnberg zum Neujahrstag veranstaltet. Sie hielten erst einen Umzug durch die Stadt und zogen alsdann auf das Rathhaus nach Wöhrd (Vorstadt von Nürnberg), um dort zu tanzen. Sie führten dabei Krone, Scepter i Aus Pol, Breslauer Chronik, abgedruckt bei Czerwinski, Tansk. S. 176. 2 Taubert, Tanzmeister 88. 3 Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte III, 195. 4 Lori, Bergrecht 395. Schmeller, bairisches Wörterbuch II, 365. ^ Panzer, bairische Sagen I, 232. ^ Buchholz, Beschreibung von München S. 118. Schmeller, bairisches Wörterbuch IH, 327. Panzer, bairische Sagen II, 232. Digitized by Google 67 und zwei biugundiscbe Kreuze , welches auf einem Privilegium Kaiser Karls Y» beruhen soll , mit welchem sie den Zug nach Afrika machten. Solche Umzüge hielten sie 1652, 1688, 1707, 1722, 1768.1 Der Zftmertanz der Metzger in Nürnberg wird bei Gelegenheit des Schönbartlaufens (ein Masken^ fest, 1349 entstanden und 1539 yerboten) erwähnt. In einer 1 70 1 zu Altorf gedruckten Beschreibung dieser Fastnachtsbelustigung heißt es vom Jahr 1349 : »Die Messerer tanzten mit bloßen Schwertern; die Metzger stellten einen sogenannten Zämertanz an. Sie hielten einander bei ledernen Ringen, die wie Leberwürste anzusehen waren. c Es scheint eine Art Reigen gewesen zu sein, wenn nicht gar ein Druckfehler vorliegt, so dass Zaunertanzzu lesen wäre. Von den Bäckern und Lebküchnern Nürnbergs, wozu auch Mühlknechte und Pfragner (Lebensmittelhändler) kamen, wird erzählt (Siebenkees HL, 98) : dass sie 1614 am 17. Juli Sonntags in ihren besten Kleidern und mit Seitenwehren, ihre Fahnen und vergoldete Trinkgeschirre vorantragend, unter Vorantritt von 18 Spielleuten einen Umzug durch die Stadt hielten, vor den Häusern der Raths- herren und Altmeister, sie zu ehren , sich in zierlicher Ordnung aufstellten , dann nach dem Stieg vor die Stadt zogen, dort eine Mittagsmahlzeit und darnach mit den dazu geladenen Jungfrauen einen offenen Oassentanz hielten, d. h. sie tanzten im Freien. Die 18 Spielleute im Zuge waren 4 Trom- meter voran, dann kamen 4 Geiger, hinter ihnen 1 Harfner und 1 Citherschläger, dann 1 Sackpfeifer und 3 Schalmeien, und zuletzt 3 Trommeln. Sie haben »wacker geblasen, geschlagen und gepfiffene. Handwerksburschen und Dienstknechten war im Mittelalter in Städten — abgerechnet die Zunft- und andere Tänze während der Pfingstwoche — das ganze Jahr hindurch zum Tanzen keine Gelegenheit geboten , weil in Wirths- häusem nicht Tanzmusik gehalten wurde. Wollten beide Klassen von jungen Leuten sich dieses Genusses erfreuen , so mussten sie beim Rath eine besondere Erlaubnis dazu einholen, die ihnen in der Regel abgeschlagen, oder wo es ja er- laubt wurde, ward auch jedesmal das Verbot neu eingeschärft.^ Welche geselligen Tänze die Handwerker tanzten, ist nicht gesagt. Eigenartige Handwerkertänze — außer den obgenannten Schwerter- und Bogen- tänzen zu Festaufzügen — hat es nicht gegeben. Die Handwerker tanzten ohne Zweifel die damals in Deutschland üblichen Tänze: zur Winterzeit in geschlossenem Raum den getretenenVortanz und den darauf folgenden lustig springenden Nachtanz, zur Sommerzeit im Freien den Reigen. Zu den Fastnachtsbelustigungen der Vorzeit gehörte in Nürnberg das Schembart-laofen. Anno 1349 zu Pfingsten entstand in Nürnberg ein Aufruhr gegen den Rath; da die Metzger und Messerschmiede sich dabei tapfer auf Seiten des alten Rathes < Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte ni, 217. * Bürgermeisterbuch von Frankfurt a/M. 1431, foL 57»>: »Handwercker- vnd dienst- knechten czu gönnen (boÜ erlaubt sein], stoben (Spinnstuben, Trinkstuben?) vnd dancse hie czushen vnd 12 tage« (d. h. in den letzten zwölf Tagen des Jahres soll es Hand- werkersknechten [nicht Gesellen] erlaubt sein, Stuben und Tänze hier anzusehen, zu besuchen). — Bürgermeisterbuch 1466, foI^ 38 : »Den handwergsknechten die stoben vnd lange messer verbieden vnd jne dants auch verbieden.« 5* Digitized by Google 68 gehalten , ertheilte Kaiser Karl IV. ihnen die Erlaubnis : alljährlich zu Fastnacht im Schembart zu laufen und einen Tanz zu halten. Der Schembart ^ war ein Maskenaufzug und bestand gemeiniglich aus 24 — 32 Personen in gleicher Tracht, meist weißen enganliegenden Hosen, Jacke, Kappe, kurzen Stiefeln und Handschuhen. Manchmal war das Kleid von oben nach unten getheilt und jede Seite andersfarbig, zuweilen trugen die Männer Hüte, zuweilen Mützen mit Federn darauf. In der einen Hand hielten sie einen mannslangen Spieß, in der andern einen kolossalen grünen Pinienapfel, den Feuerkolben, aus welchem, ein blinder Schuss fuhr. Sie trugen am Halskragen oder am Gurt oder an den Ärmeln und Hosen Schellen, einzeln oder in Reihen. An der rechten Seite hatten die Schembartläufer eine Tasche. Dem Zuge voraus gingen einige al» Schalksnarren gekleidete Personen, die mit ihren Pritschen die Jugend neckten und Baum schafiTten. Bisweilen ritt oder lief ein Mann voraus, der einen Sack mit Nüssen hatte, die er unter die Buben warf, die sich weidlich darum rauften. Er machte auch großes Geschrei, dass die Leute an die Fenster liefen und den SchOn- bart vorüberziehen sähen. Unterweilen lief oder ritt einer voraus, mit einem Körb- lein voll Eiern, so mit Rosenwasser gefüllt gewesen, und wann die Weiber und Jungfrauen haben zum Fenster heraus gesehen oder unter den Hausthüren ge- standen, hat er sie mit solchen Eiern geworfen, das hat gar schön geschmeckt (d. h. gerochen) . War der Zug auf einem Platze angekommen, so begann ein Tanz. Drei oder mehrere in die Stadtfarben gekleidete Spielleute bliesen auf; bei ihnen stand ein Mann, der einen mit allerlei bunten Kleinigkeiten behangenen Baum trug. Dann erschienen einige Paare auf Pferdepuppen, die an ihren Leib befestigt waren und mit denen sie sich wie Reiter geberdeten. Die Männer hatten Kolben, Pritschen und Peitschen. 1350 erschien einer auf einer Ochsenpuppe, ein anderer auf einem Einh o rn war als Jungfrau gekleidet. 1449 tanzten die Metzger vor das Splitterthor hinaus, damit die umreitenden Feinde vor dem Walde sie sehen konnten. Nach Beendigung des Tanzes zog der Schembart zu der Wohnung des Stadt- pfönders oder Polizeidirektors, wo ihm ein Trunk gereicht ward. Hierauf theilten sie sich in das Geld , das sie auf dem Umgange eingesammelt , und verzehrten die Fische, die man ihnen verehrt hatte. Die Metzger und Messerer überließen ihr Recht zum Schembartlaufen gegen eine Summe seit 1467 an andere Gesellschaften, meist junge Patricier. 1507 maßten sich einige reiche junge Kauf leute und Wallonen an , eigenmächtig und ohne Einwilligung der Metzger Schembart zu laufen, woraus eine Fehde entstand, die jedoch bald beigelegt wurde. Sie stellten eine herrliche Gasterei an, bei wel- cher der eine den türkischen Kaiser in prachtvollem Anzüge darstellte. Seine Diener ritten bei dem Zuge hinter ihm, es folgten Türken, theils in Goldstoff, theils in Carmoisinseide mit goldnen Säbeln, Spießen und reichen Fahnen. Dann kamen Pferde mit kostbaren Kästchen bepackt, in welchen Ringe und andere Kleinodien von ^ Der Name Schembart ist sehr wahrBcheinlich eine Verstümmelung von Schön- Bart, womit die Maske oder Larve bezeichnet ist. Andere suchen ihn von einem alt- slawischen Götzen Sompras und einem ihm gewidmeten Waldfeste herzuleiten, zu welchem die wendischen Weiber massenhaft in den (Wald liefen, was man Sempertlaufen hieß. Noch im 15. Jahrhundert berichtet eine Handschrift aus Budissin (Bautzen) : »Zu dieser Zeit (1447) hatten die mannbaren Frauen, jung und alt allhier, eine böse Gewohnheit an ihnen, dass sie den Donnerstag vor Fastnacht sich versammelten und rannten nach dem Semper.« Digitized by Google 69 Gold, Perlen und Edelsteinen lagen. Die aus mehreren hundert Personen be- stehende Gesellschaft versammelte sich außerhalb der Stadt , zog zum Splitterthor herein , über den großen Markt nach dem Rathhause , von wo der Magistrat den Aufzug in Augenschein nahm. Die Kisten mit den Kleinodien wurden in die Losungstube getragen und auf einem mit Sammtdecken belegten Tisch ausgebreitet. Die Gesellschaft überreichte diese E^leinodien ihrem Sultan zum Geschenk, der sie sofort unter die Rathsherren vertheilte. Im J. 1 52 3, wo die Reformation in Nürnberg eingeführt wurde, lief ein Mann im Schembart, dessen Kleid aus Ablassbriefen bestand und der Packete von Ablass- briefen mit herabhängenden Siegeln in den Händen trug. Auch Schlitten erschienen bei dem Schembart, worauf große Tische mit den Musikanten, dann Rennschlitten, auf welchen Gehamischte saßen , die mit Tumierstangen aufeinander losfuhren. Das hieß man Gesellenstechen. Im J. 1 539 fand der letzte Schembart statt. Auf dem Rathhause ward ein Tanz mit Gesellenstechen gehalten. Die Gesellschaft erschien in größter Pracht, von den Geschlechtem (Patriciem) liefen 125 in Atlaskleidern und weißen Hüten mit goldnen Flügeln; 49 andere Personen aus vornehmen Familien liefen in Teufels- masken , es folgten die Plattner (Panzermacher) auf Schlitten und sie hielten ein Gesellenstechen. Auch führte man ein Schiff mit, welches die Hölle vorstellte, in welcher ein Priester zwischen einem Doctor und einem Narren saß. Der Priester sah. aber dem Dr. Andreas Oslander so ähnlich, dass ihn Jedermann sofort erkannte. Der Doctor führte Klage und seitdem unterblieb der Schembart für immer, wie uns Hans Sachs, Werke I, 407 erzählt. Der Schembart war in Deutschland die ein- zige öffentliche Begehung der Fastnacht, in andern Städten fand sie obschon mit Masken in geschlossenen Räumen und Sälen statt. C. Bürger- und Geschlechtertänze. Seitdem das deutsche Bürgerthum hinter festen Stadtmauern sich gebildet und durch Gewerbefleiß im 14. — 16. Jahrhundert die Städte sich aufgeschwungen, so lange giebt es auch Bürgertänze, die in besonderen Tanzhäusem abgehalten wurden und von denen der Zunftgenossen und der Bauern sich durch Wohl- anständigkeit und Luxus abheben. Die Theilnahme an den Bürgertänzen wird dienenden Knechten sowie auch dem Edelfräulein schon im 14. Jahrhundert in Augsburg verboten: »Es sol auch chain frfilin noch chain dienender chnecht rayen mer gan, da dieburgerinan rayent.«^ Ähnlich lautet ein Verbot der Nürnberger Polizei im 14. Jahrhundert: j»£8 en sol auch da kain dienstmagt ze hochzeiten raien noch tantzen an der burgerin raien oder tantz, oder sie m^; geben zween Schillinge. ^ Die Tänze in großem Städten, in Residenzen der Könige und Fürsten, ab- sonderlich aber in den freienReichsstädten bieten ein schöneres Bild dar. In diesen, den Sitzen der Künste und Wissenschaften, den Asylen des hohen Adels, der großen Bürgergeschlechter und der reichen Kaufmannsgilde, erhielt der deutsche Tanz seine edle und sittliche Ausbildung^ und nach und nach eine die Ehrbarkeit und Gesundheit nicht verletzende Mannigfaltigkeit. Die Stadtobrigkeiien versäumten nicht, durch eine strenge Ordnung nicht nur imter den hohem, 1 Augsburger Stadtbibliothek, Mspt Anno 1276 angefangen. 2 Nürnberger Polizei-Ordnung, bei Baader S. 61. Digitized by Google 70 «ondem auch unter der Bürgerklasse dasNötliige beizutragen, indem sie jede Aus- gelassenheit , jede der Zucht und Ehrbarkeit zuwiderlaufende Handlung auf den Tanzsälen auf das Strengste ahndeten oder straften. Deshalb lesen wir in Chroniken so oft, dass Kaiser und KOnige, wenn sie wegen Reichsangelegenheiten sich in Reichsstädten aufhalten mussten, so gerne in den Herrentrinkstuben und auf den Rathhäusern mit schönen Frauen und Töchtern der Patricier sich durch Tanzen zu erheitern suchten. Und wie oft hielten nicht benachbarte Fürsten solcher St&dte nach abgehaltenen Turnieren oder nach abgeschlossenen Verträgen ihre Ehrentänze darin, und wie oft elirten die Stadtobrigkeiten nicht Fürsten und die edle Ritterschaft, wenn sie in den Zeiten des Faschings ihre Kränzchen hielten, mit der Einladung zu einem auf dem Rathhause veranstalteten Tanze. So erwähnt die Regensburger Chronik von Gemeiner (II, 168) auf das Jahr 1373 einen Faschingstanz, zu welchem Herzog Stephan von Bayern sich eingefunden hatte. Im Monat Mai des Jahres 1393 wird in Regensburg ein brillanter Tanz erwähnt, der bei Gelegenheit eines auf dem Herzogshofe gehaltenen großen Turniers abge- halten wurde imd mehrere Nächte dauerte. Demselben haben die benachbarten Bayernherzoge Johann, Albrecht der junge und Ernst, aber auch die Landgrafen von Leuchtenburg, die Grafen von Schwarzenburg, von Ortenburg, fünf Pappen- heim, drei Rechberge tmd mehrere vom hohen Adel, zusammen 224 Helme beige- wohnt. Plötzlich entstand auf dem Tanzsaale Zwist; ein junger Pappenheim hatte einem vom Hofgesinde Herzog Albrechts eine Ohrfeige gegeben . Albrecht wollte sich rächen und einem Söldner die Hellebarde aus der Hand reißen ; jedoch dieser hielt seine Waffe fest. Nun wollte der Herzog im Zorn mit seinem Hofgesinde den Saal verlassen ; allein die Söldner ließen ihn nicht hinaus, bis der Rath ankam, um Mord und Todtschlag zu verhüten. Der Rath begab sich zum Herzog und bat, bis des andern Tages Ruhe zu halten , den Zorn zu vergessen und die Sache in Güte bei- legen zu lassen. Der Herzog ward empfindlich und glaubte sich gefangen; der Rath erwiderte jedoch : dass er bloß aus Fug tmd Glimpf und zum Schirm der Stadt so gehandelt hätte; auf dies hin ließ Albrecht sich beschwichtigen und den Zwist in Güte vergleichen. So mächtig war damals die moralische Kraft und das Ansehen einer reichsstädtischen ObrigkeitI Sehr oft erwähnen die Chroniken der Geschlechtertänze, die auf dem Rathhaus zu Ehren hoher Gäste oder zur Hochzeitsfeier der Patricier gehalten wurden, aber sie können keine dabei voi^efallenen Ungebührlichkeiten berichten. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begannen allmählich Zucht und Ehr- barkeit zu sinken in Folge vorausgegangenen Kriegs, der sich auf Reichstagen anhäufenden Fremden aus allen Ländern , insbesondere der von den Türken ver- triebenen und emigrirten Fürsten und Adeligen des griechischen Kaiser- reichs (nach 1454), deren zur Schau getragener orientalischer Luxus und ungebun- dene Lebensweise auf die hohem Stände der süddeutschen Städte nachtheilig wirkte. Mit Beginn des 1 6« Jahrhunderts , in welches die Kirchenreformation fällt, lösen sich aber erst alle sittUch religiösen Ordnungen bei den Bekennem der alten wie auch der neuen Lehre ; auch die von Stadtobrigkeiten gesetzten Tanzordnungen wurden schnöde übergangen, Niemand wollte ihnen mehr gehorsamen. Im Mittelalter spielten in den süddeutschen Reichsstädten (wie Augsburg, Nümbei^, Ulm, Frankfurt a.M.) die Geschlechter eine große Rolle ; darunter verstand man Patricier oder jede aus einem rathsfähigen Geschlecht entsprossene Person. Sie sind mit ihrem Kastengeiste, mit ihrem Glänze und Prunkleben längst dahin, bis auch die »freien Reichsstädte« zum Besten eines Staatsganzen aufgehört haben. Ihre Tänze und Lustbarkeiten sollen uns beschäftigen. Digitized by Google 71 Da wir im AUgemeinen wissen , dass in der abgeschlossenen Gesellschaft der Geschlechter Wohlanstand, Zucht und Ehrbarkeit herrschten, so dürfen wir auch annehmen, dass die Geschlechtertänze die edeln, mäßig heitern Tanzweisen, yor allen wohl den getretenen Tanz pflegten. Wenn nach einer Andeutung bei Fischart es bei den Nürnberger Geschlechtertänzen »keinUmspannenc giebt, so folgt daraus, dass hier der höfische, getretene Tanz vorzugsweise in Übung sein musste (s. S. 49) . Weil an den Geschlechtertänzen sehr oft auch fürstliche Personen Theil nahmen, z. B. Kaiser Maximilian 1518 in Augsburg, so dürfen wir auf Anstand und Noblesse derselben schließen. Wohl mögen zuweilen auch Volkstänze in kleinem Kreisen Aufnahme gefunden haben , gewiss sind diese nicht in ihrer Ur- wüchsigkeit aufgetreten. Die Tanzbelustigungen der Geschlechter — unter dem Namen »Geschlechter- tanze« — wurden stets in einem Tanzhause abgehalten. Das war ein öffent- liches, auf gemeinsame Kosten unterhaltenes Gebäude, das in der Regel nahe beim Rathhause stand und zugleich als J^Trinkstubec und für sonstige gesellige Zu- sammenkünfte der vornehmsten Familien diente. Tanzhäuser gab es schon im 13. und 14. Jahrhundert; in der Geschichte Augsburgs von P. v. Stetten wird ur- kundlich erzählt, dass schon 1396 das alte Tanzhaus abgebrochen und ein neues erbaut wurde, das dann nach mancherlei Schicksalen wiederholt aufgebaut werden musste; das letzte wurde 1632 als baufällig abgebrochen.^ Mit den Geschlechtertänzen waren Maskeraden verbunden. Paulv. Stetten (Geschichte Augsburgs 11, 161) schreibt über den Hergang solcher Lustbar- keiten : »Wenn der Rath die Erlaubnis ertheilt hatte, einen Geschlechtertanz ab- zuhalten, so wurde die ganze Gesellschaft durch die jüngsten Männer aus derselben, in einer besondem altmodischen Tracht dazu eingeladen , die denn auch , sowohl alte als junge, sich gern dabei einstellten. Die Tanzlustigen erschienen in eigenen dazu schicklichen, theils possierlichen Kleidern oder Masken, jedoch ohne verdecktes Gesicht. Ihre Tänze waren gut ehrlich deutsch, die von dazu be- stellten Pfeifern geblasen wurden. Wie man aus vorhandenen Gemälden ersehen kann, wurde getanzt nach Zinken, Pfeifen oder Schalmeyen, Dudel- säcken, Zittern, Trommeln und Posaune. Der letzte dieser Geschlechter- tänze wurde in Augsburg 1577 gehalten.« Außer den ständigen, jährlich wiederkehrenden Geschlechtertänzen wurde auch auf allen vornehmen und gemeinen Hochzeiten getanzt und diese wurden zur Zeit des höchsten Flors der Bürgerschaft mit großer Pracht, Aufwand und Üppigkeit begangen. Darin zeichneten sich in Augsburg die Fugger' sehen vor allen andern aus , so dass um dieselbe Zeit wenig fürstliche Hochzeiten so glanz- voll begangen wurden, wie ihre. Sie veranstalteten dabei nicht nur Tänze, son- dern auch Schlittenfahrten, Stechen, Kingelrennen , Mummereien oder Mas- keraden, ja große Aufzüge, bei denen Menschen und Pferde in mancherlei Klei- dung und Gestalten gehüllt waren. Die Schilderung einer Hochzeit des Geschlechtes Limburg zu Frank- furt a. M. im 15. Jahrhundert mag hier Platz nehmen. Auf Grund einer Hand- schrift von 1482 erzählt um 1612 Faust von Aschaffenburg (Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 64 — 69) wie folgt: »Wann zwei Geschlechter Kinder zusammen verheirathen, geschieht solches, wie christlich löblich und gebräuchlich, mit der £ltem oder ihrer nächsten Freunde Rath , Consens und Beförderung ; darauf hat 1 Mehr vergL oben S. 38 und Mone, Ztachr. f. Gesch. des Oberrheins. IX. Jahrg. Digitized by Google 72 Ton Alters der Bräutigam seiner Gespons einen schönen King mit einem Diamant oder Rubin versetzt zu einem Trauring gegeben, sie aber ihm ein FatzneÜein (Taschentuch) verehret. . . . Auf angestellten ehlichen Ehrentag, nach angehörter Predigt göttlichen Worts (denn es heißt a love principium) werden sie öffentlich vor der ganzen Kirchen und Gemeinde zusammengegeben, darauf eine liebliche Musica mit Orgeln, Zinken, Geigen, Harfen und vier Stimmen gehalten. «Darauf wird der Bräutigam, zwischen zweien seinen und seiner Gespons nächsten Freunden, wie auch sie, so sie ledig, zwischen zwei Jungfrauen, ist sie aber Wittwe, zwischen zwei Frauen begleitet, wie zuvor an die Kirchen, also jetzo aus der Kirchen auf der Gesellschaft Haus Alt-Limburg, allein dass jenes ganz still und ohne einige Musica, dieser (Heimweg aus der Kirche) aber mit Tmmmen und Pfeifen vor dem Bräutigam und mit Harfen und Violen vor der Braut zunächst her geschiehet. . . »Vor Zeiten (noch vor 50 Jahren) ist die Trum dem gemeinen Mann auch frei, den Geschlechtem aber die Geigen, Lauten, Pfeifen und Trommeten allein gewesen ; jetzo ist es verkehrt , weil dieses gemein geworden gegen jenem. Der Tnimm und Pfeifer darf sonst keiner, als wem solches vergünstigt, gebrauchen. Es haben auch die Geschlechter vor Alters ihr eigenen Spielleute gehalten , die sonst Niemand (hat) gebrauchen dürfen, sie habens ihm denn vergünstigt. »Solche Procession in und aus der Kirche ward gehalten, so ledige Personen zusammengeheirathet ; waren es aber ein Wittwer und Wittwe, so durften sie keinen Junggesellen und Jungfrau in der Procession gebrauchen, sondern die kamen erst zur Mittagszeit aufs Tanzhaus und verharreten bei solcher Freude die übrigen Tage. j»Wenn sie nun (nach der Kirche) in das Hochzeitshaus (die Herrenstube) kamen und die Herren und Junkherm dem Bräutigam, die Frauen und Jung- frauen der Hochzeiterin Glück gewünscht, that man noch vor Imbiss ein züch- tiges Tänzlein. Es durfte aber Keiner einen Tanz anfahen oder führen, es wäre denn ihm durch zween Junggesellen , so von dem Platzmeister deren zween ihnen anbefohlen , eine Frau oder Jungfrau eingehändigt. Denn der Platzmeister wie die nächsten Freunde zu beiden Seiten (haben das) Amt, die Leut, Manns- und Weibs- personen ihren Ehren und Stand nach zu Tisch zu bringen und im Tantshaus zu versehen , dass keine Unordnung im Tanzen und andern Gebräuchen , auch kein Ungeladener eindringt. »Unterdessen ward das Essen zugerichtet, und hat der Hofmeister die Tisch zu decken und den Credenz (die Trinkbecher) aufstellen lassen, wobei jederzeit zwei ansehnliche Bürger, solche in Verwahr und Acht zu haben, verordnet. Wenn sol- ches fertig , gab man mit der Trummen ein Anzeige zum Tisch sich zu machen. Da setzte sich dann , nach dem empfangenen Handwasser, welches der Stuben«- knecht halten musste, ein jedes zu Tisch, die Frauen an ihre und die Herren an ihre Tisch zusammen. Das Essen war nicht häufig, sondern wenig und gut auf- getragen ; auch guter Wein und Bier ward durchaus getrunken. Bei solchem Im- biss waren ein oder zwei Lautenschläger und Harfenisten (heutigen Tags um 1612 die Violen und Harfen zur Musica gebraucht werden). War das Mittags- imbiss gehalten, das nicht länger als 3 Stunden verzog, so fügte sich jedermann zum Tanz. Da ging Alles ganz herrlich und tugendlich zu und durften über fünf Paare nicht tanzen, wegen der langen Schleif oder Schweif, so die Frauen an den Köcken tragen etlich Ellen lang. Sobald es dunkel worden, wurden die Fackeln angezündet und wurden die Vortänz und Reihen, aus der Platzmeister Anord- nung je durch 2 Junggesellen verrichtet und ausgetheilt; deren einer tanzte dem, .80 den Vortanz empfangen, mit der Fackel vor, der andere beschloss den Reihen. Digitized by Google 73 Die Vortänz geschahen also dass man einer Jungfrau oder Frau, so man ehren wollte, einen Junggesellen oder Ehemann brachte ; der führte den Reihen des Tags oder wie man ihm yortanzte des Abends. Solches Tanzen hat nit allein adelig und prächtig , sondern auch zierlich gestanden. »Nach geschehenem Abendimbiss und verrichtetem Tanz und Vorreihen, welches nit bald länger als bis 12 Uhr währte, reichte man Confekt und Wein um. Bei dem Confekt gingen drei nach^ alle mit Windlichtem, deren einer einen ver- goldeten Becher mit neuem , der andere ein Glas mit flmem (altem) Wein , der dritte ein Qlas mit Bier trug. »So solches umgetragen worden, gingen diejenigen, so zum Beilager sonderlich durch Braut und Bräutigam angesprochen, mit zum Beilager, und nachdem noch ein Tänzlein oder zwei geschehen, und darinnen die Braut durch den nächsten Freund entführt, gingen die andern nach Haus. »Das Beilager ward gewöhnlich in der Braut Haus gehalten ; da ist ein Collatz ▼on allerlei Schleckwerk (Näscherei), köstlich von Zucker allerhand Fraktion, Marcipan, Kuchen, Qebacknes, welches allerhand Geschöpf von Gethier und Vögeln, auch allerhand Heirath-Figuren hat, köstlich imd zierlich auf Fastnachts- form aufgestellt, dazu, nachdem die Braut ihrem Bräutigam in einem schönen Bett und Kammer, mit Tapezereien schön geziert, durch die nächsten Freunde beigelegt und ihr die sammtne, mit Gold und Perlen gestickte Schuh durch die Junggesellen abgezogen, die Freunde und Gebetene sich setzen, ein Trünklein bei solchem Collatz noch thun, welches Zuckerwerk gemeinlich die Frauen mit sich heimtragen und alsdann zu Haus sich verfügen. »Auf den zweiten Abend, wenn Alles verrichtet und man sich zum Heimzug an- schickt, wird vom Hofmeister der Küchentanz angestellt. (Beschreibung s. unten.) »Den dritten Tag hat man Nachmittags eine Gartenfahrt gehalten: da sind die neuen Eheleut zur Sommerzeit in einen schönen Garten mit ihren nächsten Freimden gegangen; da hat nichts gemangelt, was zur Freude dienen konnte ; zur Winterzeit aber in ein schönes Haus, um Tanzen und andern Kurzweil zu treiben.« Den Tanz auf einer Geschlechter-Hochzeit zu Augsburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschreibt der schlesische Bitter Hans v. Schweinichen , wie folgt : »Wenn Ihre fürstlichen Gnaden tanzten , so tanzten allemal zwei vornehme Rathsherm vor. Sonsten ist der Brauch, dass allemal zwei Personen, so lange rothe Röcke mit weißem Ärmel anhaben, vortanzen, und darf sonst keiner, er sei wer er wolle, einen Tanz anfangen. Es tanzten also die zwei voran und sobald sie sich drehen, so mögen sich die, so nachtanzen, auch verkehren, sowohl, wenn sie sich miteinander im Tanze h e r z e n , so mag der Junggeselle die Jungfrau auch herzen . Es werden die gemeldeten Personen (Vortänzer) oft mit Geld bestochen , dass sie ein- ander in einem Reihen etliche Male herzen, dass nur der Junggeselle die Jungfrau desto öfter herzen mag (kann) ; wie ich ihnen selbst also gethan. Bekennen muss ich, dass ich mein Lebtage kein schöner Frauenzimmer bei einander gesehen, als da ; denn sie waren über siebenzig, und der Braut zu Gefallen, alle weiß in Damast und dergleichen gekleidet ; auch mit Ketten und Kleinodien über die Maßen ge- zieret. Und war in einem schönen Saal, welcher mit Gold und Silber gefunkelt und waren über etliche hundert Lichter, groß und klein , darinnen, dass man ver- meint, es wäre mehr im Himmelreich oder das rechte Paradies allda. Mir ist sehr wohl gewesen, denn wie gemeldet, die Jungfrauen waren schön und gaben aus- erlesene höfliche gute Worte.« Bei Hochzeiten der Geschlechter in Ulm im 14. Jahrhundert hatten die Stadtpfeifer mit Trommeten , Zinken imd Posaunen zu Tisch zu blasen und beim Digitized by Google 74 Tanze sich im Betreff der Yorreihen nach dem zu richten, welcher dieselben aus- brachte. Bei Hochzeiten der Zunftgenossen dagegen mussten sie der lauten In- strumente sich enthalten. Im 15. Jahrhundert war es daselbst Gebrauch, zu Hochzeiten nicht mehr als drei Spielleute zu dingen, deren Bezahlung allein dem Wirthe oblag, bei dem die Hochzeit gehalten wurde. Auswärtigen , namentlich Geistlichen war es frei- gestellt , bei Gelagen , wo sie zugegen waren , noch weitere Spielleute zu dingen. Dieses Freigeben der Anzahl von Spielleuten scheint ausgeartet zu sein, denn 1411 stellt eine Verordnung die Zahl derselben auf vier fest. [JSger, Ulm.] Die Mummereien zur Fastnachtzeit waren schon Ton den ältesten Zeiten in Augsburg üblich ; der starke Verkehr mit Venedig, dem ältesten Sitze dieser Freu- den , war wohl die Ursache der Einführung. Nach den Baurechnungen in Augs- burg erging schon 1371 ein Verruf : »Da; nieman sein Antlitz verdeck zu Vasnachtt. Im Jahr 1400 am St. Agathentag hat der kleine und alte Rath gesetzt: »Es soll nieman mit verdecktem Antlitz in der Fastnacht gan , welcher Pfaff das überfert, die wil man bessern, als in dem Stattbuch geschrieben staut.« [v. Stetten, Ge- schichte von Augsburg 1788 U, 162.] Zu den Fastnachtslustbarkeiten gehörte in Nürnberg das Schönbartlaufen (Maskenumzüge mit Tanz, siehe oben S. 67). Heidnischer Tanz. In Frankfurt a. M. kommt es 1462 vor, dass der Rath auf Fastnacht einen fremdländischen oder heidnischen Tanz erlaubte.^ Was darunter zu verstehen sei, blieb mir dunkel. Da man im Mittelalter unter Heiden fast durchgängig die Muhamedaner, also auch die Araber (Mauren) in Spanien verstand, so dürfte man hier einen Moriskentanz vermuthen. Nicht als ein ständiges Vergnügen der Bürger und Geschlechter, sondern als eine Extravaganz der Geldaristokratie muss hier der Kotzentanz^ genannt werden, den Fischart erwähnt, aber nicht näher beschreibt. Vermuthlich war er ein Tanz, wie er mit Kotzen oder KOtzen und Kützen, d.h. feilen Dirnen, unzüchtigen Frauenzimmern in öffentlichen Frauenhäusem^ des 16. Jahrhunderts getanzt wurde, vielleicht eine Art Cancan. Schiraznla-Marazula, ein Tanz, der 1583 in der Orgeltabulatur vorkommt (s. MB. 151}, ist nirgends erklärt. Ich möchte das Wort für eine entstellte Schreibweise des italienischen Scaramuzza halten, den Voss (S. 370) als einen zweitheiligen Tanz im ^/4 Takt beschreibt, der von einer Person ausgeführt wurde. Der Scaramuzza war im 1 Das Frankfurter Bürgermeiflterbuch 1462, fol. 69i> schreibt: »Den heidenschen dancz gönnen czu tun, so daß sie sich nit vermalen.« 2 Dass in Frauenhäusern wirklich auch getanzt wurde, dafür statt vieler nur einen Beleg. Der lockere Kaufmannsdiener bei den Fuggem in Augsburg, Veit Con- rad Schwarz, hat in seinem Tagebuche notirt: »A. di. 23. Februar 1561 was ich mit M. Hainhofer, M. Herz und Ph. Zangenmeister in der Mummerey gen Nacht. Es was ver- boten, da niemant in die Mummerey sollt gehn, so fueren wir aarin. Wir hetten 2 Stadt- pfeiffer, kamen aue etlichen Junkfrawhö fen, dahättmanuns nitungeme. T^r tanzten und Sprüngen wie die Kälber, denn es wasen belle figlie (schöne Töchter) da, die uns nit übel gefielen. Wir vermeinten, wir wollten uns halten, damit wir nit erkannt würden, und gedachten den Reimen auszulöschen, der spricht »vier Ding laßt sich nit verbergen, nemlich die Lieb, der Hu est, das Fewroder Wasser und der Schmerz«, aber — es war von Haus aus lurtsch.« (Scheible, Kloster 6, 430.) Digitized by Google 75 1 7. Jahrhundert eine italienische Maske : ein Alter , der yom Arlechino durch- geprügelt wurde. Demnach wäre bei dem entstellten Wort auf einen possen- haften Tanz einer Maskenfigur zu schließen , der in Süddeutschland aus Italien her gekannt war. Welche Tänze von den Bürgern und Geschlechtem im 14. bis 1 6. Jahrhundert getanzt wurden, ist nicht sicher zu ermitteln. Es waren vorherrschend bei den Ge- schlechtem, die so gern nach oben blickten, die getretenen Hoftänze; selten mit Umarmen oder Umfassen der Tänzerin, was streng verboten war: also unsere Rund' tanze hatten in diesen Kreisen noch keine Stelle. Man findet in Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts vielfach Notationen mit der Überschrift »ein schöner burger- dantzc (MB. 71). Die Musik ist niemals eine andere, als die der übrigen deutschen Tänze: Vor- und Nachtanz giebt es bei jedem. Der bürgerliche Tanz nach der Mitte des 16. Jahrhunderts kannte schon alle damals bekannten französischen Tänze. Im Lebenslauf von Thomas Platter, der ein armer Hirtenknabe aus Wallis war, als fahrender Schüler mehrere Länder durchreiste, als Tischlergeselle in Basel Vorlesungen über hebräische Sprache hält, dort Schulmeister und endlich 1541 sogar Rektor am Gymnasium wurde, erfahren wir aus dem 16. Jahrhundert von allerhand »kurzwil, sunderlich ze nacht mit dem hofieren mit Instrumenten vor den häusem, mit den cymbalen, drümlein und pfiffen darzu, so einer allein verrichtet ; demnach mit den schalmeyen, so gar gemein ; item v i o 1 e n , eiteren, so domolen (damals) erst ufgiengen; idem von den dentzen, so man haltet in fümemmen burgerhüsem, dohin die demoiseUen gefiert werden, und danzt man nach dem nachteßen by nachtliechtem branle, gaillarde, la volte etc.«^ D. Fürsten- und Adelstanz. Unter den Hoftänzen begegnet uns am frühesten der Tanz bei Tnmieren. »Wenn vor Zeiten von tapf em Leuten Turniere gehalten wurden , so wurden insgemein nach deren Endschaft mit vornehmen Frauen , so dem Turniere zu- geschaut, ein Tanz veranstaltet, um zu erweisen, dass einem Ritter nicht weniger wohl anstehe nette zu tanzen, als tapfer kämpfen und streiten zu können. »Unter fortwährendem Tanz wurden den tumierenden Rittern die Preise (Danke genannt) ausgetheilt. Es ist aber bei solchen Turnier-Tänzen allzeit sehr prächtig und gravitätisch zugegangen.« (Taubert, Tanzmeister S. 80.) Diese Ritterspiele sollen in Deutschland zuerst durch König Heinrich I. auf die Bahn gebracht und dergleichen Feste sechsunddreißig abgehalten worden sein ; das erste Turnier fand 935 zu Magdeburg, das letzte 1487 zu Worms statt. Ge- wöhnlich waren fürstliche Hochzeiten mit den Tumieren verbunden. Der Reichsherold Georg Rüxner giebt in seinem j»Thumierbuchc (Frankfurt a/'M. 1530, fol.) die Beschreibung und Abbildung dieser 36 Tumiere und endigt jedesmal mit Erwähnung der bei diesen festlichen Gelegenheiten aufgeführten Abendtänze, wobei auch vielmals des Fackeltanzes gedacht wird. ^ 1 Thomas und Felix Platter. Ein Beitrag zur Sittengeschichte. Basel 1840. S. 149. 2 Rüxners Angaben sind fabulös, großeniheils erdichtet resp. erlogen und werden in A. Schultz, höfisches Leben zur Zeit der Minnesinger II, 90 (1880) gebührend abgefertigt Gldehwohl habe ich einise der von mir kopirten Schilderungen Eier stehen lassen als Dichtung unter der Wahrneit und als Zeugnis für Bescha^fenneit des Fackeltanzes im 16. Jahrnundert Digitized by Google 76 »Vnd als die Stund käme, hatten sich Fürsten vnd Jungfrawen fast versammelt, darub man ufblies vnd ruft ein Schweigen, also ward verkündet, daß die Fürsten würden anfahen zu danzen, vnd man wolt jedem Fürsten einen Vordanz geben, darum solt männiglich zQchtig vnd platz machen, damit man niemants schlagen oder schädigen dürfte.« An anderer Stelle heißt es : »Wenn der Kaiser gedantzet, haben ihm erstlich zween Grafen mit Windlichtern (Fackeln) vorgedantzet , darnach gefolgt andere vier Grafen vnd auf die wiederumb vier Grafen mit Windlichtem, auf welche der Kaiser gefolget , vnd nach demselben noch vier Grafen mit Wind- lichtem. Ein jeder hat pflegen einen Vordantz mit der Frawen oder Jungfrawen zu thun, die ihm einen Dank (Preis] geben. a DDas e rst e Turnier wurde unter Kaiser Heinrich I. im Jahre 935 zu Mag de- bürg gehalten, welchem 2091 Helme beiwohnten. Als nun alle Turniere ge- schehen und ihr Ende erreicht hatten , ward auf den Donnerstag Abend der Tanz gehalten. Die Frauen und Jtmgfrauen schickten sich mit höchstem Fleiß, dass sie alle und eine jegliche besonders, als wohl zu glauben ist, nach adeligen Sitten, mit dem Zierlichsten angethan und gekleidet waren. Der Tanz begann und die Dank e (Siegespreise) wurden an die vier neu erwählten Turniervögte ausgegeben. Den ersten Tanz gab man dem Herzog Arnold von Bayern mit des Kaisers Tochter. Dann that ein jeder Fürst , Graf und Herr einen Tanz in guter Ordnung mit der Frau oder Jungfrau, die ihm den »Danka gegeben, und >vurde der Abend mit Züchten und Freuden vertrieben.« Auf dem fünften Turnier, gehalten zu Braunschweig im Jahre 996, er- hielt Markgraf Heinrich zu Brandenburg — als neuer Christ — mit der Gemahlin des Markgrafen Ludolf von Sachsen und Herrn zu Braunschweig, Hilda, gebomen Gräfin zu Flandern, den dritten Tanz. Von dem sechsten Turnier, welches 1019 zu Trier gehalten wurde, und auf welchem 646 Helme zugegen waren, wird berichtet : »Nachdem das Turnier, das Gestech in hohen Zeugen und alle Sachen ihr Ende erreicht hatten, ward der Tanz, den Frauen und Jungfrauen zu Ehren und Gefallen, auf den Donnerstag vor- genommen. Nachdem die Dank des Gesteches der hohen Zeuge und die Dank an die vier neu erwählten Könige und Vögte des Turniers ausgegeben, gab man den ersten Tanz dem Kaiser (Konrad 11.) mit Herzog Eberhards Gemahlin von Lothringen. Den zweiten Tanz gab man Magnus von Sachsen mit der Kaiserin, welcher zwei Grafen [Endreß von Neuenburg und Gerlach von Hohen-Castell] mit Wind- lichtern vortanzten. Dann folgten die Grafen Tschoffart zu Leiningen, Eisen- bort zu Seyn, Heinrich zu Werdenberg und Friedrich zu Wertheym, so der Kaiserin Kleid nachtrugen. Damach tanzten wieder zwei Grafen mit Windlichtern: Otto zu Nassau und Heinrich zu Gülch. Nun kamen die Grafen zu Hanach, Heinrich zu Zweynbrücken und Heinrich zu Fiemberg. Endlich beschlossen diesen Tanz die Grafen Keineck und Wilhelm zu Katzenellenbogen mit Windlichtern. »Den dritten Tanz gab man dem Herzog Eberhard von Lothringen mit Herzog Karls Gemahlin von Bare. .Den vierten Tanz gab man dem Herzog Welph von Beyern mit Grafen Heinrich Gemahlin von Loüen und Brüssel. Den fünften Tanz. gab man dem Herzog Heinrich von Friesland mit dem Grafen Baldewin Gemahlin in Hennegau. Den sechsten Tanz gab man dem Herzog Karl von Bare mit Grafen Otten Gemahlin von Scheyem. »Damach tanzten alle Fürsten , Grafen und Herren sammt den Bittern und denen vom Adel , besonders die so Dank und Kränze empfangen hatten , und ein Jeder mit derselben Frau oder Jungfrau einen Vortanz, von der er einen Dank em- pfangen, damit er sie dankbarlich ehrt. Also war der Abend mit Tanzen, Freuden Digitized by Google und allerlei Kurzweil vertrieben, damit endet sich auch löblich und ehrlich Ritter- spiel des Turniers. ff «Auf dem siebenten Turnier Anno 1042 tanzte Kaiserliche Majestät mitBercht- holds von Henneberg Gemahlin ; der tanzten 1 Grafen vor, darunter 6 mit Wind- lichtem und nach der Kaiserlichen Majestät abermals 4 Grafen mit Windlichtem.« [Philander von Sittewald, Strafschriften S. 412.] Auf dem zwölften Turnier, zu Nürnberg 1198 gehalten, erhielt Herzog Lfudwig von Bauern den zweiten Tanz mit der Gemahlin des Landgrafen Hermann von Thüringen, den dritten erhielt Markgraf Wenzel von Merhen (Mähren) und den vierten Landgraf Hermann (der Sängerfreund] von Thüringen mit der Gemahlin des Herzogs Lützelmann von Deck. Auf dem einundzwanzigsten Turnier 1392 zu Seh äff hausen erhielten: den sechsten Tanz Burggraf Friedrich von Nürnberg mit der Gemahlin des Landgrafen von Hessen ; den siebenten Tanz Graf Wilhelm Fürst zu Henneberg mit der Tochter des Burggrafen Friedrich von Nürnberg. Wegen allzugroßen Aufwandes einzelner Fürsten , Grafen und Herren wurde die zu kostspielige Pracht der Kleidung bei den Turnieren untersagt. Dem acht- undzwanzigsten Turnier, gehalten 1479 durch die Kitterschaft des Landes Franken zu Würz bürg am Main mit einem fürstlichen Geschlecht, 6 gräflichen, 9 freien und 146 adeligen Geschlechtern geht folgende Verordnung voraus: dU. U. Nachdem einem jeden Ritter guter Sammet und Perlin zu tragen behal- ten ist, so haben wir doch hierin beschlossen, dass Niemand Röcke oder Schauben mit Gold gestickt, noch von gesticktem Sammet tragen soll, womit er sich auf die- sem oder anderen Turnieren zu schmücken fümehmen wollt. Wem das überführt wird, der soll von allen Rittern und Edeln verachtet sein, auch im Turnier zu kei- nem Yortanz oder Dank zugelassen werden. Durch die Hauptleute ist zu ordnen, wer die Tänze ausgeben, auch den Wein, das Confekt und die Kerzen halten soll. Dass auch die Hauptleute von den Bürgern das Tanzhaus bestellen, damit nicht Jedermann eingelassen werde um des Raumes willen, wie solches die Räumlichkeit erheischt.« [Voss, Tanz 118.] Für das dreißigste Turnier, gehalten durch die Ritterschaft am Rhein mit 436 Helmen, wurde verordnet: »den Fürsten 32 Kerzen am Tanze vorzutragen.« Der Fackeltanz^ den wir beim Turnier kennen lernten , war durch das ganze Mittelalter an den meisten Höfen bei fürstlichen Hochzeiten gebräuchlich. (Es ist dies eine alte Ceremonie, welche die Deutschen vielleicht von den Römern und diese wieder von denG riechen angenommen haben, bei denen am Schluss der Hochzeitsfeierlichkeiten die Neuvermählte in das Haus des Gatten geführt wurde unter Vorantritt eines fackeltragenden Jünglings , der den Hymen vorstellte ; Fackeltänze führte im 4. Jahrhundert Konstantin d. Gr. bei Verlegung der Residenz nach Byzanz als Hof ceremonie ein.) Wenn die fürstliche Braut mit ihrem Bräutigam tanzte, pflegte der Hofmarschall sie mit dem Marschallstabe zu diesem Tanze anzuführen. Es ge- schah derselbe unter Trompeten- und Paukenschall. Bisweilen pflegten auch 12 Pagen mit brennenden weißen Wachsfackeln voranzuschreiten, öfters mussten dies an königlichen und fürstlichen Höfen auch Kammerjunker, Kammer^ herren und Generale thun und die Hofdamen der fürstlichen Braut die Schleppe nachtragen. Bei den heidnischen Preußen gehörte zu einer Hochzeitsfeier unter anderem folgender bei Voss (der Tanz S. 114) angeführte Gebrauch: »Die Braut Digitized by Google 78 verließ auf einem ihr vom Br&utigam bestimmten Wagen das elterliche Haus. So- bald sie an der Grenze ihres neuen Heimatsortes ankam , rannte ein Bursche mit einem Brandfeuer und einer Kanne Bier dreimal um den Wagen, gab der Braut zu trinken und sprach : Wie du das Feuer bei deinem Vater verwahrt hast, also wirst du es auch hier thuni« Dass ferner in Schweden noch bis heute im Volke der Fackeltanz vorkommt (siehe MB. 350), spricht für germanischen Ursprung. Ob nun dieser deutsche oder der griechisch-römische Brauch zur Ein- führung des Fackeltanzes bei Hochzeiten Anlass gab, ist unentschieden. Am Ende ist gar keine Entlehnung anzunehmen nOthig : es können ja recht wohl die ge- nannten indogermanischen Völker seit Alters ihn kennen und vom Orient mitge- bracht haben. Der »Fackeltanz« ist noch bis heute am Königlich Preußischen Hofe bei Ver- mählungen gebräuchlich, und haben Meyerbeer und andere Kapellmeister dazu besondere Gelegenheitsmusik dieses Namens komponirt. Umständlichen Bericht über denselben giebt der am Hofe Friedrichs I. thätig gewesene Oberceremonienmeister von Besser in seiner Beschreibung der preußischen Hoffestlichkeiten in den Jahren 1700, 1706 und 1708. Es mag die betreffende Stelle (nach Czerwinski, Tanzkunst S. 187] hier folgen: »Auf der Hochzeit der Prinzessin Luise (Tochter Friedrichs I.) mit Friedrich, dem hessischen Erbprinzen, tanzte erstlich die Braut mit dem Bräutigam, dann mit dem Landgrafen, dann mit ihrem Vater, dem Kurprinzen, den drei Markgrafen, mit jedem drei unterschiedene Tänze, und allemal unter Trompeten- und Pauken- schall und in Begleitung nicht allein der sechs Kammerfräulein, die den Schweifihrer Mante trugen, sondern auch vierundzwanzig der vornehmsten Hof leute, vonweichen sechs Paar vor und sechs Paar hinten mit brennenden weißen Wachsfackeln tanzten und von den beiden Marschällen mit ihren Silberstäben angeführt wurden. »Auf eben diese Art tanzten auch die andern hochfürstlichen Frauenzimmer, und weil es darüber schon spät worden, die Braut auch allbereits von den vielen Tänzen sowohl als auch der großen Last ihres Kleides in etwas ermüdet war, so eilte man endlich gegen drei Uhr des Morgens zu den Toiletten und Brautbette, deren Schönheit und Kostbarkeit aus alle dem Übrigen leicht abzunehmen und dannenhero auch die Neu-Verehlichten gleichsam nicht länger davon abzuhalten, mit Stillschweigen allhier übergangen werden soll. Nur muss man hier noch einer alten Weise gedenken, die bei den meisten Hochzeiten pflegt beobachtet zu werden, tind nach welcher noch die Braut mit verbundenen Augen drei Personen (Kavaliere) aus den im Brautgemache um sie herumtanzenden Reihen er- greifen und ihnen dero Krone [Brautkranz) zustellen musste — zu dieser ver- meinten untrüglichen Wahrsagung, dass jedwede von diesen Ergriffenen noch das- selbige Jahr Ihrer Durchlaucht in der Verehlichung nachfolgen werde.« ^ Am Kurfürstlich Brandenburgischen Hofe war der Fackeltanz nachweislich schon im 16. Jarhundert eine hergebrachte Sitte. Die völlige Feststellung der jetzt noch am Königlich Preußischen Hof üblichen Ceremonie ist aber unter König Friedrich Wilhelm II. (1786—1797) erfolgt. Die Grundsätze derselben sind ge- druckt in einer kleinen Schrift F. v. Kaumer s »Der Fackeltanz bei hohen Ver- mählungen im Königlich Preußischen Kur brandenburgischen Hause.a Wir geben hier das Reglement, wie es mit hoher Erlaubnis Rudolf Voss in. seiner Geschichte des Tanzes (S. 123) nachdrucken durfte: i Diese alte Sitte des Austanzens des Brautkranzes, noch 1708 gekannt, ist später bei Hofe abgekommen. Digitized by Google 79 »Solcher geschieht allemal nach Beendigung der Ceremonieltaf el und bildet den Schluss der Feierlichkeit. Die Musik des Marsches besteht in Trompeten und Pauken. Der Ober -Marschall oder dessen Stellvertreter tritt mit dem großen Marschallstabe voran, nachdem er mittelst Verbeugung die Erlaubnis von des Königs Majest&t eingeholt, Allerhöchstwelcher mit der Königin Majestät unter dem Throne steht. »Es folgen zwölf Staatsminister, oder, wenn deren nicht so viel sind, Wirkliche Geheime Räthe, je zu zweien, nach der Anciennität, doch nimmt der Minister- Präsident die erste Stelle ein, mit den weißen Wachsfackeln. Diese hohen Staats- beamten versehen solche Funktionen als einen Ehrendienst, weshalb sie nur zum Beginn den Königlichen Majestäten eine Reverenz, gleichsam als Meldung zu solchem Dienst, machen. — Den ersten Umgang macht das hohe Brautpaar allein, die Schleppe der Durchlauchtigsten Braut tragen vier Hofdamen, unter denen der Regel nach zwei Damen Ihrer Majestät der Königin sind, weil eine König- liehe Prinzessin bei der Vermählung die Königliche Krone auf dem Haupte trägt. »Nach diesem Umgang halten die Fackelträger an und stellen sich auf, es tritt der Hohe Bräutigam aus und die Durchlauchtigste Braut fordert Se. Majestät den König mittelst Vemeigung zum nächsten Umgang auf. Ähnliche einmalige Umgänge macht die Hohe Braut mit den andern Fürstlichen Herrschaften, je nach deren Rang, wobei also hinsichtlich der Königlichen Prinzen die Nähe zum Thron ent- scheidet , wenn nicht aus Courtoisie eine Änderung eintritt, wie solche hinsichtlich der Durchl. Eltern des Hohen Brautpaares angeordnet zu werden pflegt. »Hierauf tritt die Hohe Braut aus und der Hohe Bräutigam macht den ersten Umgang mit Ihrer Majestät der Königin, deren Schleppe von vier Damen getragen wird und femer mit den andern Prinzessinnen, deren Schleppe zwei Pagen tragen. »Am Fackeltanze (wie an der Ceremonieltafel] nehmen nur Hohe Mitglieder Europäischer Souveraine oder Deutscher altreichsfürstlicher Häuser Theil, welche schon vor dem Jahr 1580 dem regierenden Reichsfürstenstande im Deutschen Reiche angehört haben. »Nach Beendig^ung aller Umgänge tragen die Minister die Fackeln dem ganzen Zuge der Hohen fürstlichen Personen bis in das Königinnen-Gemach vor, wo die Pagen die Fackeln abnehmen und bis zum Eingange des Appartements des Hohen neuvermählten Paares vorleuchten. c Eine dem Fackeltanz verwandte Art von Hochzeitstänzen waren in Preußen die sogenannten Qesangtänze, die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts bei Hochzeiten in Preußen vorkommen und wozu Gelegenheits-Texte, d. h. Brautlieder, meist ohne dichterischen Werth, zahlreich auf den Bibliotheken in Königsberg und Thom sich erhalten haben. (Proben sind bei Czerwinski S. 189 abgedruckt.) »Keine Würde und kein Stand konnte sich davon befreien; Kriegsleute, Richter und selbst Geistliche mussten sich dazu bequemen. Nachdem die Tafel aufgehoben und zum Tanze Platz gemacht worden, nahmen die Herren ihre Degen und Mäntel. Die beiden Brautführer, von denen jeder eine brennende Fackel in der Hand hatte, machten vor Bräutigam und Braut jedem eine Reverenz und forderten sie damit zum Tanze auf. In einem alten Gedicht, das von einer vor- nehmen Hochzeit handelt, heißt es von der Braut : Die Graffen sie ansprachen fein, Ob sie wöU thun ein Däntzelein Mit jrem Herrn und Bräutigam, Sie neyget sich gantz tugendtsam. Digitized by Google 80 »Hierauf forderte man die nächsten Verwandten und so der Keihe nach alle übrigen zum Ehrentanze auf, der unter Trompeten- und Paukenschall vor sich ging. Bei diesen Gesangtänzen wurde zu er ist während des im gemäßigten vier- theUigen (Y2) Takte geschriebenen Gesanges, wie es scheint, ein zierlicher Schritt getanzt, wobei es allerdings nicht sein Bewenden haben konnte, sobald der nur von Instrumentalmusik vorgetragene Bräutigamstanz, der Platz- meistertanz und vollends gar der im lebhaften ^4 Ti^t gesetzte Nachtanz mit seinen stürmisch dahin eilenden Rhythmen eintrat. Bei diesem letzteren legten die Kavaliere ihre Mäntel und Degen ab und Alles tanzte miteinander. Eine eigne Art damals üblicher Nachtänze war die Serra (Säge), die in Form und Musik manches Anmuthige darbot, aber schon früh auf den Hochzeiten der Vornehmen durch die Gavotte und später sogar allgemein durch die zierliche und von der Mode begünstigte Menuett verdrängt wurde«« [Czerwinski, Geschichte der Tanz- kunst 188—190.] Ganz ähnlich schildert J. Christoph Wagenseil (geb. 1653, f 1705 als Professor des Staatsrechts und der Geschichte zu Altorf) den Ehren tanz bei Hochzeiten. In einer seiner Vorlesungen, darin einer Hochzeit des kaiserlichen Hofes gedacht wird, heißt es : »Über Tische sitzen die Herren ohne Mantel und Degen; sobald man aber von der Taffei aufstehet, nimmt jedermann seinen Mantel und Degen. Erstlich wird der Ehrentantz gehalten, darzu die Brautführer mit zwei Fackeln den Bräutigam auffruffen, welcher allein mit der Braut tantzet und lässt sie wieder fahren, wenn die Courante zweimal aufgespielet worden. Dann tantzen die Gesandten, dann des Bräutigams und Braut nechste Anverwandten den Ehrentantz mit Trompeten- Schall. Wenn der Ehrentantz vorüber, legen die Cavaliers, welche vorher in der Reyhe herümb gestanden, den Degen und Mantel ab, und nimmt ein jeder eine Dame und tantzet mit ihr auff teutsche Manier. Tum enim cubiculum intrant, sponsae mater, aut quae matris vice functa est, Sponso cum gravi obtestatione Sponsam committit. Hiermit wollen sie ihm ihre Tochter übergeben, und zweifeln nicht. Er werde sich gegen dieselbe verhalten, als einem redlichen Cavalier zusteht.« (Vulpius, Curiositäten, 10 Bd. S. 223.) Worin die Hoftänze bestanden und gewiss Jahrhunderte lang bestanden haben, ist von uns schon oben zur Minnesingerzeit erwähnt : es waren vorzugsweise getretene Tänze, wobei es kein Umspannen (Umfassen) der Paare, sondern nur eine Führung mit angefasster Hand gab. Der lustige Beigen gehörte dem Volke. Dass die Musik zu den Hoftänzen bis ins 16. Jahrhundert eine andere gewesen sei, als die bei den Tänzen der übrigen Sterblichen, habe ich nicht ersehen können aus den Proben, welche unter diesem Titel in Lauten- und Orgelbüchem vorkommen, z. B. 1536 bei Newsidler: »Ein guts Hofetentzlein, ein hofetantz zum durchstreichen« (eine Spielmanier der Lautenisten), 1562 bei Heckel : »ein Hofftantzcc. Der Leser überzeuge sich selbst davon in den Musikbeilagen 69 und 150. Vom 16. Jahrhundert ab waren es die Fürstenhöfe Deutschlands, welche aus- ländische Tänze einführten und ausschließlich bis Ende des 18. Jahrhunderts tanzten. Dass in höchsten Kreisen zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf die zierliche Ausführung der Tänze großer Werth gelegt wurde, beweist unter anderem ein Brief des Kammerjunkers und Hofmeisters Kaspar v. Teutleben an die Mutter des Prinzen Johann Ernst d. J., Dorothea Herzogin zu Sachsen (in Weimar] . Derselbe schreibt (10. Juli 1612, Frankfurt am Main) : ^Desselben Tages waren die Churfürsten von Mainz und Köln bei dem Ghur- Digitized by Google 81 fOisten von Sachsen zu Gast, bei welcher ConTersation eine solche Vertraulichkeit gewesen, dass es mfinniglich mit Freude gesehen, denn 1 . 1. 1. Churfürftlichen G . Q . G. sich nicht allein besprochen, treuherzig getrunken, einander umfangen, sondern haben , bei der Musica stehend, also mit zusammengefügten H&nden um einen King getanzt und als der Reyen mit gewaltigen Luftsprüngen, sonderlich von dem Churfürsten von Mainz geendet, bat der Churfürst von Sachsen meinen Herrn, Se. Fürstliche Gnaden sollten einen Galliard^ tanzen. Darauf Se. Fürstliche Gnaden aufs Beste entschuldigten, aber der Churfürst wollte nicht ablassen, son- dern sagte: £w. Liebden haben wol ehe getanzt, dass nicht drei Churfürsten da- bei und in gutem Vertrauen so fröhlich gewesen. Alsbald legte mein Herr den Mantel von sich und verrichtete den Tanz mit solcher Zier und Wohlanstand, dass es Jedermann rühmte ; tanzte auch nicht weiter, als die Churfürsten in einem Triangolo standen. Und wenn Se. Fürstliche Gnaden von einem kam, sagte er : sa sal Darauf ging eine Capriole dahin, doch mit feiner Mensur und anmuthiger Grazie.« [Mitgetheilt bei Voss, der Tanz S. 120.] 2. Wann wurde getanzt? (Tanz-Zeit.) Zu jeder Zeit, wenn eine tanzlustige Gesellschaft sich zusammenfand, be- gann der Tanz. Vor allem lockte der Lenz dazu und wenn die Feierstunde Abends nahte , schmückten sich Dirnen und Weiber und eilten in das Freie zum Eeigen, zum Abendtanz. Die rechte Tanzzeit fällt in den Lenz. Ganze Tage der fröh- lichen Sommerzeit wurden vertanzt, und kam der Winter, wo alles fröhliche Leben auf dem Anger zu Ende ging, so gab es ein Klagen. Doch fehlte auch den winter- lichen Gesellschaften, den Govenanzen (von convenire, zusammenkommen), der Tanz nicht; freilich zurEntwickelung der damit verbundenen Spiele fehlte der Raum in den Stuben, und aus Kirchen und Scheunen mochte die Kälte vertreiben. Dem großen Haufen des Volkes waren die Sonn- und Feiertage die be- quemste Zeit zu ihren Tanzlustbarkeiten, wie dies noch heute der Fall ist. Denn da ruhten die Arbeiten des ELauses und Feldes , und von weit und breit strömten die Scharen herbei zu beliebten Tanzpl&tzen. Die Kirche eiferte wohl gegen diese Sabbath-Entheiligung, allein was half es? Das Predigen war vergebens und schon Bruder Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert (f 1272] ergoss umsonst seine Beredtsamkeit. Er beruft sich auf den heiligen Augustin (vergl. S. 93, Anm. 4) und nennt das Tanzen an Sonn- und Festtagen eine Todsünde. In seinen Pre- digten (edirt von Kling, S. 64) sagt er wörtlich: ulr sült dar umb nit tantzen an dem ruwe tage oder spilen oder toppein (Würfelspiel), da; ir nit zu tunde habet.« Daselbst 342 : »Viel lieber ist ihm (Gott) ein Liebesdienst am Sonntag, als am Montag; viel mehr leid ein Tanz, einTomey (Turnier) u. s. f. am Sonntag, noch mehr, wenn ein Heiligentag auf den Sonntag fällt , noch viel mehr an dem Ostertag.« — Derselbe Prediger hält den Sonntags- tftnzem vor, dass Feldarbeiten am Sabbath noch geringere Todsünde sei , als das Tanzen. [x>Es w&r vil nimmer sünd, an dem suntag ze ackern, wan (denn) reyen ze füeren an dem tantz.a Münchner Cod. germ. ms. 478 fol. 2.] Auch ein Weisthum von Mörsfeld unfern Frankfurt a. M. aus dem 15. Jahr- hundert verbietet das Sonntagstanzen: xltem welcher auf denen Sonntagen oder andern hohen festen öffentliche, ärgerliche täntze auf den gaßen anfahen würde: 1 Wemi hier in solchem Elreise, von einem achtzehnjährigen Prinzen dieGalliarde getanzt wurde, so ist das ein Beweis, dass dieser Tanz an und für sich einen mäßig Sröhliehen Charakter gehabt haben muss, aber nicht — wenigstens nicht zu Anfang des 17. Jahrhimderts — durch Ausgelassenheit verrufen und verpönt war. Böhme, Geich. d. Tanzes. 6 Digitized by Google 82 dem Boll die höchste büße« durch die Gericht-SchOiFen saerkannt werden. [J. Orimm, Weisthümer I, 490.] Allein trotz alles Predigens ließ das Volk sich den Tanz am Sonntag nach der Kirche nicht nehmen , durch den es sich für eine Woche voller schwerer Ar- beit entschädigen wollte, und es that recht daran. Als besondere Tanszeiten fQr das Volk galten durch das ganze Mittelalter: i) Kirchweihfest (Kirmestftnze) ; 2) Pfingstfest (Pfingsttanz, Maitanz) ; 3) Johannisfest (Johannistanz) ; 4) Erntefest (Schnittertänzej ; 5) Fastnacht (Fastnachttanze, Maskentänze) ; 6) Kathrinentag war der letzte Tanztag im Jahre. Außerdem wurde ein Tänzchen gemacht: bei Hochzeiten, bei Flurumzügen und bei Handwerkeraufzügen. 3. Wo wurde getanzt? (Tanzorte.) Für das gern tanzende Volk gab es im frühem Mittelalter noch keine be- sondern Locale, also keine Tanzsäle , namentlich ist niemals von Tanzen in Wirthshäusem die Rede. Das Volk tanzte meist unter freiemHimmel. Die zum Tanzen im Freien bestimmten Räume führten den Namen Tanzplan oder Tanzrain. Solche Tanzplätze, die seit dem 1 4. Jahrhundert urkundlich angeführt werden , gab es in Dorf und Stadt. Auf diesen freien Plätzen stand in der Mitte eine gepflanzte linde , um die herum getanzt wurde ; oder man errichtete für die Kirchweihe oder Pfingsten einen besondem bedeckten Tanzboden , der mit Laub- werk überdacht und mit Maien geschmückt war und Tanzlaube oder T a n z - hütte benannt wurde. Sie wurden von der tanzlustigen erwachsenen Dorfjugend (den Burschen) ge- baut und die Maie dazu (wo keine gepflanzte Linde vorhanden war) aus dem Walde geholt, natdrlich mit obrigkeitlicher Einwilligung. Seit dem 14. Jahrhundert hatte man in vielen Städten bleibende Tanz hau s er, darinnen die Hochzeiten und Tänze der Bürger abgehalten werden, so z. B. wird 1396 in Augsburg einTanzhus erwähnt, auch in Heidelberg. Im 15. und 16. Jahrhundert mehren sich die Tanzhäuser und werden alte erneuert, so dass jetzt jede Stadt ihr Tanzhaus hatte, das oft mit dem Rathhaus verbunden war. Auch in vielen Dörfern findet man schon Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts ein sogenanntes »Spielhaus«, das ebenfalls zum Tanzen diente, während es zu- gleich zu andern Zwecken verwendet wurde. Die Patricier in den Städten besaßen meist ihre eigenen Gesellschaftsiocale (so z. B. in Frankfurt a. M. seit 1350 ein solches, das als Trinkstube und zu Festen der Geschlechter diente). In manchen Städten pflegten die Patricier die Raths- stube zum Tanzen zu benutzen.^ Sogar die Juden hatten in deutschen Städten seit dem 14. Jahrhundert ihre besondern Tanzhäuser, darin sie, damals von christlicher Gemeinschaft ausge- schlossen, ihre geselligen Feste begingen. In Frankfurt a. M. kommt schon 1390 «der Juden Tanzhus« vor, das bereits 1360 als »der Juden Spilhusa ange- führt ist. 2 1 Über Tanzpl&tze in Stadt und Dorf vergl. Mone, Zeitschrift XI, 256. s Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter I, 420. Berliner, Aus dem innem Leben der Juden im Mitteklter S. 8. Digitized by Google 83 Aueh die Zunftstuben dienten den Berechtigten aum Tansen. Die Be- nutzung derselben wurde in manchen Stftdten so häufig, dass einzelne Zünfte neben ihren Zunftvorstehem noch einen besondern Leiter der Tanzvergnügungen wfthlten, welchen man »Tanzmeister« hieß. Solche gab es z. B. in Strefiburg und in Freiburg.* Das Tanzen im Freien blieb da und dort bis in neuere Zeit üblich, beson- ders in der Pfingstwoche durch das ganze Mittelalter. öffentliche Räumlichkeiten zur Abhaltung Ton Tanzfesten und Hochzeiten hatte man in allen deutschen Städten bis Ende des 16. Jahrhunderts; sie gehörten aber stets dem Rath, nicht einem Wirthe. An Tanziocale, von Wirt he n des Gewinnes halber erbaut, und an Tanzen in Dorfschanken hat man vor dem 17. Jahrhundert nicht zu denken. Wohl schlich sich vorübergehend im 16. Jahrhundert in Bayern der für Sittenverderbnis bedenk- liehe Brauch ein, dass Wirthe um des Geldes willen auf eigene Kosten Tanzböden für Buben erbauten und »Bubentänze« veranstalteten. Letztere wurden aber 1553 durch ein bayrisches Polizeimandat überall wieder aufgehoben. ^ 4. Wie wurde im 14.— 16. Jahrhundert getanzt? a. Tanzmanier. Beim Volke , besonders auf den Dörfern, war neben dem Reihen das paar- weise Tanzen gebräuchlich. Diese Art zu tanzen verboten stets die Behörden; das sogenannte Verdrehen und Umschwingen der Tänzerin (d. h. dass die Tanzpaare im Wirbel sich drehten) wurde nicht gestattet. In hohem Kreisen (z. B. bei den Patriciem in Frankfurt a. M.) hielt man im Mittelalter es nicht für züchtig , wenn die Tanzpaare , anstatt sich bloß die Hände zu geben, einander mit den Armen umfingen.^ In Ulm kam es zu Ende des 14. Jahrhunderts auf, dass je zwei und zwei mit einander tanzten. Der Rath verbietet diesen Paarentanz (1404) bei Strafe von 5 Pfund Heller und führte das Aneinandertanzen (in der Reihe tanzen, den Reigen) wieder ein.^ Neocorus in der Ditmarsen- Chronik (I, 177] unterscheidet den zeither all- gemein geltenden langen Tanz von dem Biparendanz, den zwei und zwei tanzten und der erst kurz vor 1559 von außenher eingeführt worden sei (s. S. 49). Außerdem zeichnete das mittelalterliche Tanzen sich dadurch von dem tmserigen aus, dass die Tanzpaare in der Regel nicht alle zugleich tanzten, sondern jedes seine Tour allein machte. Die ArtundWeise zu tanzen, wie sie um diese Zeit in Deutschland statt- fand , hat Johann von Münster in seinem »gottseligen Traktat vom ungottseligen Tanz 1594« (2. Auflage 1602) ausführlich geschildert. Der gelehrte Verfasser, badischer Rath und Obervog^ zu Pforzheim , sucht darin aus alten Autoren , aus Bibelstellen und Koncilbeschlüssen die Verwerflichkeit des Tanzens darzustellen. 1 Mone, Zeitschrift XVI, 383. XVH, 65. 2 Zeitschrift für SLulturgeschichte I, 451. Nicht klar ist, was unter Buben hier zu verstehen sei, ob Bauembursche oder ledige Mannspersonen, die ein Mädchen zum FaU gebracht haben. Eine unmoralische Absicht scheint den verbotenen Bu b en t an z e n unter* gelegen zu haben. 3 Archiv für Frankfurt. Geschichte N. F. III, 146. Zeitschrift fOr Kulturgeschichte I (1856), S. 452. * Jfiger, Ulm S. 527. 6» Digitized by Google 84 £r kommt dabei natürlich auf den deutschen Tanz seiner Zeit zu sprechen und sagt darüber wörtlich : »Die deutsche allgemeine Tanzform bestehet hierinnen, dass, nachdem bei den Pfeiffem und Spielleuten der Tanz zuvor bestellet ist, der Tänzer auf das Zierlichste, Höflichste, Prächtigste imd Hoffärtigste herfürtrete und aus allen allda gegen- wärtigen Jungfrauen und Frauen eine Tänzerin, zu welcher er eine besondere Affektion trägt, jme (sich) erwähle, dieselbe mit Reverentz als mit Abnehmung des Hutes, Küssen der Hände, Kniebeugen, freundlichen Worten und andern Ceremonien bittet, dass sie mit ihm einen lustigen, fröhlichen und ehrlichen Tanz halten wolle. Diese hochnöthige Bitte schlägt die begehrte Frauensperson nicht leichtiglich ab, so unangesehen auch der Tänzer, der den Tanz von ihr begehret, bißweilen ein schlimmer Pflugbengel, oder ein anderer unnützer vollgesoffener Esel, und die Frauensperson eine stattliche von Adel oder eine andere ansehnliche und reiche Frau oder Jimgfrau ist. Es wäre denn, dass sie um eines Verstorbenen willen trauert oder Licid trüge. In dem Fall ist sie, und auch eine Mannsperson entschuldigt. Sofern noch bei dem, der den Tanz begehret, so viel Verstand übrig ist, dass er diese Entschuldigung annehmen will. Ist aber der Kerl gar voll und toll , der den Tanz begehret , so muss die Frauensperson eben wohl fort. Will sie nicht tanzen, so mag sie schleiffen. Will sie im Tanz nicht lachen und fröhlich springen, so mag sie weinen und sauer aussehen und traurig tanzen. Denn er ver- lässt sie nicht, weil er sie bei der Hand hat, sondern er ziehet mit ihr immer fort zum Tanze, wie mit einem Widder zur Küche. Darüber lachen etliche, die dabei stehen und zusehen, etliche aber, denen die Frauensperson verwandt ist^ sehen übel aus und dürfen biBweilen mit diesem unzeitigen Tänzer Händel und Streit anfangen. »Ist aber die Frauensperson also daran, dass sie aus wahrer Erkenntnis Qottes den Tanz hasset und dem Tänzer den Tanz abschlägt, oder aus andern Ursachen mit ihm zu tanzen sich weigert, so ist das Ei zertreten. Dann fängt der Tänzer an zu fragen, oder beschickt die Frauensperson durch seine Freunde, was sie für Ur- sachen habe , ihm den Tanz zu verweigern , ob er nicht redlich , ehrlich , oder gut genug dazu sei u. s. w. Zuweilen wartet der Tänzer nicht solang, dass er die Be- schickung kann fümehmen , sondern schämt sich auch nicht , die Jungfrau oder Frau , sobald sie ihm den Tanz verweigert hat , wider alle Billigkeit , Eedlichkeit und Hecht, auf das Maul zu schlagen. Etliche geben dem Schläger Recht und vertheidigen seine lose Sache mit dem Spruch: einem ehrlichen und redlichen Manne muss und soll man keinen Tanz weigern ; darum ist der Person Recht ge- schehen. Andere halten dieses (wie denn billig ist) für eine unbescheidene , ty- rannische That, dass sie werth sei, dass die ganze Gesellschaft sich derselben an- nehme und sie räche. Daraus dann endlich solch Werk erfolget, das ohne Blut- vergießen und stetigen Hass nicht wohl oder kaum kann beigelegt und verglichen werden. »Wenn aber die Person bewilligt hat , den Tanz mit dem Tänzer zu halten, treten sie beide herfür, geben einander die Hände und umfangen und küssen sich, nach Gelegenheit des Landes, auch wohl recht auf den Mund, und erzeigen sich sonst mit Worten und Gebärden Freundschaft, die sie vor langer oder kurzer Zeit gewünscht haben einander zu erzeigen. Damach wenn es zum Tanz selbst gekommen ist, halten sie erstlich den Vor tanz, derselbe gehet mit ziemlicher Gravität ab. Denn in diesem nicht soviel ungebührlichen Tummelns geschieht, wie in dem Nach tanz zu widerfahren pflegt. Es kann aber in diesem Vortanz das Gespräch und die Unterredung , derer die sich lieb haben , besser gebrauchet Digitized by Google 85 werden, als in dem Naohtanz. Dies aber haben sie gemein, dass die Tänzer, wenn sie zum £nd des Gemaches , in welchem sie tanzen , gekommen sind , wieder um- kehren , und sich zu beiden Seiten , zur rechten und zur linken , so lang wenden und treiben, vorgehen und folgen müssen, bis der Pfeiffer aufhört zu spielen, und ihn gelüstet, ein Zeichen zu geben, dass der Vortanz ausgetanzet sei. Damach ruhen sie ein wenig , stehen aber nicht lange still. Sind es gute Freunde , so reden sie miteinander von den Dingen , die sie gern hören. Ist aber die Freundschaft nicht so groß, so schweigen sie still und warten bis der Pfeiffer wiederum aufblaset zum Nachtanz. »In diesem gehet es was unordentlicher zu, als in dem vorigen. Denn aühier desLauffens, Tummeins, Handdrückens, heimlichen Anstoßens, Springens und bäurischen Rufens und anderer ungebührlicher Dinge , die ich Ehren halber ver- schweige , nicht verschonet wird , bis dass der Pfeiffer die Leute , die wohl gern, wenn sie könnten , einen ganzen Tag also tollerweise zusammen liefen , durch sein Stillschweigen geschieden hat. Da hört man dann oft einen schrecklichen Fluch über den Pfeiffer , dass er viel zu bald den Tanz ausgespielet oder auch manchmal den Tanz zu lang gemacht hat. Denn sie schämen sich aufhören zu tanzen , ehe und bevor der Spieler aufgehört hat zu pfeiffen. Die Strafe wird ihm bisweilen auch zugelegt , dass er noch einmal um dasselbe Geld (wie sie reden] aufblasen muss. Da gilt es dann mit Tanzen aufs neu. Wenn aber der Tanz zu Ende ge- laufen ist, bringt der Tänzer die Tänzerin wiederum an ihren Ort, da er sie her- genommen hat, mit voriger Reverentz, nimmt Urlaub (Abschied) oder bleibet auch vrohl auf ihrem Schoß sitzen und redet mit ihr, darzu er durch den Tanz sehr gute und keine bessere Gelegenheit hat finden mögen.« Lassen yrit von zwei ausländischen Schriftstellern jener Zeit die Schilderung der deutschen Tanzsitten vervollständigen. Mich, de Montagne, ^ der auf seinen Reisen durch die Schweiz und Deutsch- land 1580 auch nach Augsburg kommt und dort einige Zeit verweilt, schreibt unter anderm : »Montags gingen wir zusammen in die Kirche unserer lieben Frauen, um das reichste , aber auch das hässlichste Mädchen der ganzen Stadt mit einem Faktor der Fuggerschen Handlung trauen zu sehen. Die Fugger haben es ihrem Reichthum zu danken , dass sie allenthalben in der Stadt sehr geschätzt und obenan gesetzt werden. . . Wir gingen auch in das Fuggersche Haus, wo wir zwei Säle sahen, von denen der eine mit Marmor gepflastert und der andere zur ebenen Erde mit alten und neuen Medaillen geschmückt war. Wir sahen auch tanzen, es waren lauter Deutsche. Sie hören alle Augenblicke wieder auf, führen die Damen auf ihre Sitze zurück, die sie auf einer Seite des Saales abgesondert haben und die mit rothem Tuche beschlagen sind, imd nehmen die Tänzer sich dann eine andere. Die Mannspersonen haben ihre eigenen Sitze, die von denen der Damen ganz abgesondert sind, denn es scheint, als hätten sie nicht gern viel mit ihnen zu ikuxk, Ihr Tanz war dieser: Sie nahmen das Frauenzimmer bei der Hand, die sie ihr auch zugleich küssten, legten sodann ihre Hand auf die Schulter der Dame, um- fassten sie und drückten sie dermaßen an sich, dass die Wangen zusammenkamen. Das Frauenzimmer legte unterdessen ihre Hand auf seine Schulter und in dieser Stellung gingen sie herum. Sie tanzten und unterhielten sich ganz öffentlich.« Der Italiener Aloysius von Orelli, der seit 1555 in Zürich wohnte, schildert in Briefen an seinen Bruder zu Locamo die Sitten der Züricher in der ^ Mich, de Montagne, Versuch über allerlei Gegenstande. Deutsehe Übersetzung. Halle 1777. I. Bd., sTSlS. Digitized by Google Mitte des 16. Jahrhunderts und kommt dabei auf das Tanzen in Zürich; er schreibt: »Verschiedene Gesetze tragen Spuren des Ernstes, der bei Anlass der Glaubena- änderung auf die Denkart wirkte und in das gesellschaftliche Leben überging. So ist z. B. das Tanzen verboten, welches ehedem die Lieblingslustbarkeit aller Stände und fast aller Alter war; nur an Hochzeiten bleibt es noch erlaubt, aber mit Ende des Tages muss auch der Tag geendet werden. Je seltener dies Ver- gnügen , mit desto rascherer Hitze wird solches genossen. Die jungen rüstigen Gesellen suchten eine Ehre darin , einer den andern im Springen zu überwerfen, wobei denn nicht selten begegnete, dass die Tänzerin in ihres Mittänzers Fall ver^ wickelt ward , und durch ihre nicht immer anständige Lage Anlass zu einem all- gemeinen Gelächter gab. Das Umwerfen ward verboten, aber bei der Hitze des Tanzes vergaß man das Mandat. Wenn einer umgeworfen wurde , so wirkte das ansteckend und man suchte sich durch eine geschickte Behendigkeit zu rächen. Um diesen unartigen Manieren Einhalt zu thun, sandte die Obrigkeit besondere Censoren auf den Tanzsaal : das waren die Stadtdiener mit der Stadtfarb. Sie hatten den Auf- trag, beim ersten, mit Absicht bewirkten Fall das Auf spielen der Musik zu ver- bieten und so der ganzen Lustbarkeit ein Ende zu machen. Falls die Musikanten sich von der Gesellschaft zum Fortspielen bewegen ließen, musste der Stadtbediente sie in das Gefängnis führen , oder sie hatten im Schonungsfall angemessene Strafe zu erwarten. Man weiß nur zwei Beispiele , wo der Stadtdiener von seiner Auto- rität Gebrauch zu machen genölhigt war. Seitdem sind die Tänze so züchtig- lich, dass die unangenehmen Aufseher als überflüssig wieder abgeschafft wurden. Die Musik beim Tanzen ist für Ohren, die nicht daran gewöhnt sind, un- leidig rauh ; denn wo es recht vornehm hergeht, besteht das Orchestre aus 1 Trom- mel, 2 Feldpf eifern, 2 Violinisten und 1 Harfe. Bei einer gemeinen Hochzeit dürfen nur Pfeifen und Trommel gebraucht werden.a^ Unter den beschriebenen Tanzsitten wird den Lesern der Kuss auffallen, der vor Alters vor dem Tanze üblich und ebenso nach dem Tanze hergebrachter Lohn der Tänzer von der Dame war. Wir haben oben aus zwei Berichten ersehen, dass das Küssen beim Tanz in Deutschland zur guten Sitte gehörte. Auch in England, wo noch jetzt unter dem Landvolke in vielen Gegenden diese Sitte be- steht, wird ihrer schon bei Shakespeare (in Heinrich VIII. 1 . Akt, 4. Scene) gedacht : »Unziemlich wär*s, zum Tanz euch aufzufordern und nicht zu küssen 1« Aus einem Dialog zwischen Sitte und Wahrheit über den Gebrauch und Missbrauch des Tanzes und der Minstrelschaft (Buch ohne Jahrzahl) citirt Czer- winski (Tanzgeschichte S. 231) folgende Stelle : »Doch hör ich sagen : welcher Narr Macht wohl im Tanz sich heiß, Wenn er von Damenlippen nicht Gewinnt des Tanzes Preis?« b. Tanztracht. Von der Männertracht beim Tanze sei nur angeführt, dass vornehme Herren über ihrem taffetnen Wams goldene Ketten und auf dem Kopf ein mit Zendel geschmücktes Barett trugen, also stets mit bedecktem Haupte ^ Aloysius von OreUi , Ein biographischer Versuch nebst Fragmenten aus der ita- lieniBchen und SohweiBergeschichte. Zürich 1797. S. 462. Digitized by Google 87 und mit Degen tansten. Koniad Sehwartz fFuggen Faktor) notirt im Jahre 1560: »Am 10. Januar faeng ioh an^ daa exstemalen WOhren (Degen) zu tragen und nachdem ich nun auf vil fumem Hoohzeitien geladen was, dasB ich mich also mit dem Tanzen darob mit den schönen Jungfrauen flux übet, da reizet mich yollet der Planet Venus dazue, dass ich mich unterstuend, im Qesicht zu buelen, wie ein» Esel umb ein Bund Hew.« (Er war damals 18 Jahr alt, als er das schrieb.) Bei Edelleuten gehörten durchbrochene (zerhowene) zottichte und lange Ärmel amr Tanstraoht. Ein Züricher Mandat von 1532 verlangt: beim Tanz keine zerhauenen Hosen zu tragen, nicht mit bloßem Leibe zu tanzen, bei Kedouten (Maskeraden) keine unehrbar Putzengewandt anzuziehen und nicht beim Tanzen umzuwerfen. Was die Frauen zur Tanztoilette Alles brauchten, erfahren wir aus der S. 98 mitgetheilten Predigt des 15. Jahrhunderts gegen Tanz. Sie mussten haben kosfr- bare Kleider (von Schleppe weiter unten], Schnuren, Gürtel und Schleier, als Kop4>titz Kränze (Schapel) mit goldenen Kronen oder Kränze aus Buchsbaum, spitze enge Schuhe, prachtvolle Binge (Fingerlein), als Armschmuck Spangen mit Kleinodien, falsches Haar (Locken aus den Haaren »von andern toten frowen«) und endlich Salbe und Schmiere mit Farbe (also Schminke). Über den Aufwand für die Schuhe spöttelt Fischart 1591 im Gargantua so: »Zu Schuhen wordten au%epracht vir hundert sechs eleu Sammet vnd so vil planen Atlas, welche fein artlich zerfetzelt, zerschnitten vnd zerstochen waren, auch mit Parallelisohen gleichweitstehenden Linien, vnd ainförmlichen Cylindem vnd KoUen zusammengehenkt. O, es dantzet sich mächtig wol darauf, besser als inn den Baslerischen roten vnd Schwäbischen weißen Stifeln, oder auf den Ungarischen vnd Lotharingischen Plockschuhen (Holzschuhen). Ist es nit war, ir M!^**^l^^ mit den weißen orten (Spitzen an den Schuhen] vnd schmalen rimen, so macht mir ein knöpf anden.« Gegen die rothledernen Tanzschuhe oder Tanzstief el der Mädchen schilt der schlesische Pfarrer zu Schellenwalde, Florian Daul von Fürstenberg, in seinem »Tantzteuffel« Frankfurt a. M. 1657, Bl. 43^ : »Ein jeglich Magd wil die schönste vnd gebutzte seyn am Tantz; sie tragen schöne fewer rote Stiffeln von Reus- sischem Leder, nieder Schuh mit weißen Höhen (Spitzen) .« Die Frauen aus dem Adel- und Bitterstande, später auch die Patricierfrauen in den Städten, trugen beim Tanz langwallende Oberkleider (swanz, swenzelin), die ein rasches Schreiten und Drehen unmöglich machten. Bei der damaligen Tanz- manier der getretenen Tänze, die nur ein taktmäßiges Promenieren und Schleifen war, konnten solche Schleppkleider passiren. Ein Sittenprediger des 14. Jahr- hunderts wurde durch diese Mode zu der Äußerung veranlasst, dieser Pfauen- schweif sei der Tanzplatz der Teufelchen, und Gott würde, falls die Frauen solcher Schwänze bedurft hätten, sie wohl mit etwas der Art versehen haben. Noch zwei Jahrhunderte später, als diese Kleidertracht wiederkehrte, durften auf patricischen Hochzeiten zu Frankfurt a. M. »über fünf Paar nit tanzen, wegen der Schleppen, so die Frauen an den Röcken trugen etlich Ehlen lang«. Der vielbegehrte Schapel (chapelet) war die festliche Kopfbedeckung; bei Jungfrauen vornehmen Standes war er ein aus Filigranarbeit gestaltetes und mit Perlen und Edelsteinen besetztes Krönlein ; bei der Dorfjugend bestand der Schapel bloß aus einem Blumengeflecht oder Blumenkranz, auf dem Kopfe getragen. Ein sonderbares Verbot, das gegen das Tanzen ohne Mantel gerichtet war, begegnet in den Akten des Hansgerichts der Freistadt Regensburg um 1625—1709. Digitized by Google 88 In seinem Aufsatz über Tanzen [Zeitschrift für Knltargeschichte I, 455] hat der Verfasser (Schuegraf) aus Protokollen dieses Gerichts viele Fälle berichtet, die gegen dies Verbot verstoßen haben. Strafe sollten und mussten zahlen : der Eine, weil er etliche mal sich verdrehet und ohne Mantel getanzet, der Andere weil er auf einer Hochzeit ohne Mantel getanzet ; ein Dritter, weil er sich mit Verdrehen und sonst wider eines ehrbaren Raths Ordnung und Verbot ungebührlich ver- halten habe. Beim Tanzen den unbequemen Mantel abzulegen, war nur am Hofe und beim Adel gestattet, wie der S. 81 mitgetheilte Brief des Kaspar von TeuÜeben an die Herzogin von Sachsen bezeugt. War der Mantel das Ehrenkleid des Bürgers, so wurde er bei Ehrentänzen gewiss nicht abgelegt. Wo dies Ablegen aber doch massenhaft geschah (wie hier in Regensburg), so konnte das nur eine Überhebung und jedenfalls ein Spott gegen den wirklichen Zopf der Polizei sein. Auch die Waffen waren beim Tanz abzulegen.^ Herzöge, Fürsten und Ritter hatten sie im Mittelalter bei ihrer Ankunft in einer Reichsstadt bei den Haus- wirthen niederzulegen und durften, so lange sie sich dort aufhielten, keine xWehrea tragen, auch nicht bewaffnet zu Tanze gehen. Das war z. B. in Regensburg eine sehr alte Verordnung, die in späterer Zeit wieder erneuert wurde. In einer Verordnung dieser Stadt von 1418 heißt es: Ddass jedem fremden Gast sogleich sein Harnisch abzunehmen, und weder ihm noch seinem Ross bevor etwas zu essen zu geben sei«. Die »Frauenzimmer« bei den Geschlechtertänzen und Turnieren trugen große, runde, mit Federn geschmückte Hüte, welche auch bei den Männern gegen Ende des 16. Jahrhunders ziemlich allgemein in Aufnahme kamen. — Etwa vom Jahre 1510 datirt die Mode der geschlitzten Kleider: es blühen da die Farben, namentlich Gelb und Roth, in üppigster Weise, in Streifen getheilt und in ganzen Stücken. Weil das Tanzen nicht Sprünge und heftige Bewegung forderte, so sehen wir auf Bildern (z. B. bei J. Falk, deutsche Trachten) selbst alte Herren, denen die lange und weite, ganz schwarze »Schaube« bis auf die Füße fällt und mit breitem Pelzkragen die nackten Schultern bedeckt, noch den Damen die Hand reichen und ein Tänzchen wagen. Die Handschuhe erscheinen in diesem Jahrhundert durchaus als stete Be- gleiter der Herren und Damen, wenn sie sich außer Hause befinden, doch war es nicht Sitte, sie im Zimmer anzubehalten ; auch beim Tanzen trug man keine Handschuhe. Die Erfindung und Einführung des Strumpfes zu Anfange des 16. Jahr- hunderts, das Faradiren mit diesem neuen Gegenstande der Mode, der iH)hne eine Spur von Falten, wie das Fell einer Trommel in straffer Enge zu befestigen war«, musste unbedingt eine Änderung in der bisherigen Tanzweise hervorrufen. Bis dahin war der Strumpf, wo er wirklich existirt hat, nur ein Theil oder Anhängsel des Beinkleides und im frühem Mittelalter von der langen Ober* kleidung verborgen und unbeachtet geblieben, und bei den Schleppkleidem der Frauen ohnehin keiner Berücksichtigung würdig gehalten. Seine charakteristische Form wird erst jetzt durch Erfindung der Strumpf Strickerei ermöglicht. Der ge- strickte Strumpf leistete erst den Ansprüchen volle Genüge, welche die Schönheit des Beins an ihn machte [Voss, Tanzgeschichte S. 140]. Die Einführung dieses 1 So ist es noch j etzt seit langer Zeit bei dem deutschen Heere strenger Brauch, dass die Soldaten vor Beginn des Tanzes Sporen und Degen abzulegen haben. Digitized by Google 89 neuen Modeartikels konnte nicht ohne Einfloss auf den Tanz bleiben. Wir finden denn auch in der That die Anfänge anderer Tanzweise in einem allegorisch-mytho- logischen Spiele, das Ton der Königin Maria von Ungarn (der geistreichen Schwester Kaiser Karls V.) mit ihren Damen ausgeführt wurde. Die Damen waren als Nym- phen gekleidet. Bei diesen Tänsen sich mit Röcken kleiden, die nur bis zum Knie reichten, hiefi sich 9ä la Nymphale t kleiden. Die Mode, mit dem Beine zu ko- kettiren, dem der Strumpf wie angegossen sitzen musste imd zu dessen Be- festigung mit Sorgfalt Knieb&nder angelegt wurden, hat Shakespeare in der Bolle des Malvolio in »Was ihr wollte geistreich persifiirt. Auch hüllten die galanten Damen ihre Beine »an deren oberer Hälfte« in niedliche Höschen aus gold- und silberdurchwirktem Stoffe, die sie mit purpurrothen Schnüren verzierten, und die sie nicht getragen haben würden, wenn sie nicht die Absicht gehabt, dieses beim Tanz zu zeigen. [Czerwinski, die Tänze des 16. Jahrhunderts S. 15.] Bildliche Darstellungen vom Tanz der Vorzeit, um die Be- schreibung zu illustriren, haben wir nicht beigefügt, wollen aber solche dem Leser nachweisen. Von der höfischen Tanzmanier bei einem Geschlechtertanz giebt es ein höchst interessantes Qesammtbild, »der Tanzsaala von Martin Zaisinger um 1600. Nach einer kolorirten Handzeichnung von A. Dürer giebt Hefner (Trachten- buch m, 26) eine zum Tanz gehende Nürnberger Patricierin mit langer Schleppe, die nur beim getretenen Tanze zulässig war. Die Zeichnung trägt von des Meisters Hand die Erklärung: »Wie die Nürnberger Frauen auf den Tanz gingen.« [In A. Rei£manns illustrirter Geschichte der deutschen Musik, Ab- bildung 29, ist das Bild wiederholt.] Vom Bauern tanze im 16. JiJirhundert kann man sich eine lebendige Vor- stellung machen, wenn man den köstlichen Holzschnitt (Bl. 90) von Albrecht Dürer anschaut, und wie ihn Hans Sebaldus Beham in schönen Kupferstichen (Bl. 166 ff.) dargestellt hat. Die übermüthige Lust haben die genannten Künstler trefflich wiedergegeben. Den springenden Tanz der Bauern auf einer Kirmes des 16. Jahr- hunderts in seinen grotesken Fußstellungen hat Hefners Trachtenbuch (ü, 145) einer Zeichnung in der Kunstsammlung zu Weimar entnommen, die eine Kirmes darstellt und von Martin Schöngauer (16. Jahrhundert) sein soll. Reißmanns deutsche Musikgeschichte hat diese Abbildung von 4 Tanzpaaren unter Figur 30 und 31 aufgenommen. Überdies findet man vom Bauemtanz mehrfach Vignetten auf fliegenden Blättern und Büchertiteln des 16. Jahrhunderts, ja schon in Brants Narrenschiff, Basel 1494, über dem Kapitel »Tanz«. — Im Ganzen wurden die Tänze im 14. und 15. Jahrhundert immer wilder und roher. Wir hörten schon S. 34 den Teichner klagen, dass man früher viel sanfter getanzt und der Reigen noch kein solches wildes Hüpfen, wie jetzt, ge- wesen sei. Am beliebtesten waren im 14. und 15. Jahrhundert die Springtänze, in denen das Umwerfen der Frauen die Polizei verbieten musste, ohne durchzudringen. Die Unsitte des Umkehrens der Mädchen ist erwähnt in der Überschrift zu Kapitel 61 von Brants Narrenschiff: «Das Best' am Tanzen ist, dass man um- kehren kann.« Sogar die Unsitte des Entblößens ist erwähnt. Das wilde, unschickliche Tanzen der Bauern des 15. Jahrhunderts ist geschildert im R i n g von Heinrich Wittenweiler (neu herausgegeben Stuttgart Digitized by Google do 1851). Dieser Büddentsclie Dichter su Anfang des 15. JahrhundertB führt nns auf eine Bauernhochzeit und beschreibt S. 170 den roh^oi grotesken Tans dabei in Abscheu erregender Weise also : »Colman und fro Laychdenman hofieren schölten vor hin an und dem preutgom tanczen vor mit der praut vil höh enbor; die Qenepferin und Grabinsgaden schölten in den zagel haben (Schwanz bilden). secht, do huob sich erst ein swingen, ochsendringen, kalberspringen 1 der spüman pfeyff, da; nie gestaub nie gedont noch nie geflog. do chnatens (trampelten sie) hin, do trattens her, nicht anders sam (wie) die wilden per (Bär). we wie, wie höh seu (sie) Sprüngen, ir armen auf swungen I der ein der schre : hie ju, hy jo I der ander : jo, wie get es so? Storkenpäyn der was vil jung und mass ym selber einen Sprung also höh, in daucht er fluog. de; tet er wider einen zuog also geswind, da; er gesass (niederkam) mit dem hindern in dem gras. die mäczli (Dirnen) warent also rüg (roh) und Sprüngen her so gar gefüg, da; man in (ihnen) oft, ich wayss nit wie, hin auf gesach bis an die knie. Hildens haubüoch (Ausschnitt des Kleides) was ze weyt, dar umb ir an derselben zeit da; tüttel (Zitzel) aus dem puosem sprang. tanczens gyr sey (sie) dar zuo twang (zwang) . Hüdellein der ward so hayss, da; sey den kittel vor auf rayss ; des sach man ir die iren (Qehren, Schoß) do und macht vil mängeu herczen fro. seu schreuwen all : sey wil ein man, sey hat ein maul imd har dar an.« Nachdem hier der Unsitte des EntblOßens gedacht ist, heißt es weiter : »man sprang, jauchzte, tobte, fiel hin, zerbrach den Spiegel der Frauen, zankte sich und warf sich erschöpft in das Qras, den Spielmann scheltend, dass er zu rasch spiele. Die Musik dabei war ein Pfeifer Qunterfay, der oft aufgefordert wird, bald nach alter Art (Ee) , bald nach neuer Art aufzuspielen. Sein Lohn war ein Ei und wieder drei von jedem, der ein Stück bestellt. Betrunken war er, und die G&ste nicht leer.« So roh und inhaltlos waren die Tanzvergnügungen. Bei solchen Ausschreitungen war es begreiflich, dass die Sittenprediger ihre asketische Abneigung gegen den Tanz nur stärker zum Ausdruck brachten. Digitized by LjOOQIC 91 Man lese den Traktat : »Wa; schaden tansen bringt.a ^ Dort wird der Tanz als ein Ring (Cirkel) erklärt, dessen Mittelpunkt der Teufel ist. Zwischen umgehendem und springendem Tans wird hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit kein Unterschied ^»emacht. Sehr schädlich wird der Gesang der Frauen dabei gedeutet, denn die bOsen Geister helfen die »Schamperlieder« (d. h. schandbare Jjieder) stiften und dichten. In den stärksten Ausdrücken predigt Geiler von Kaisersberg über die Miss-> brauche beim Tanz. Die Satiriker des 15. und 16. Jahrhunderts, wieSeb. Brantin seinem Narren- schiff 1494 3 und Fischart in seinem Ga^^ntua, Kap. 7, 24, fanden in den Tanzunsitten reichen Anlass zu scharfem Spotte Die »städtische Sittenpolizei« sah sich namentlich seitdem 15. Jahr- hundert veranlasst, die Ausschreitungen beim Tanze durch wüstes Schreien, schamlose Lieder und rohe unzüchtige Gebärden unter ihre Strafgewalt zu stellen. ' Kapitel VH. TJrtlieile imd Predigten über Tanz im Mittelalter bis zur Neuzeit. Wenn die alten Ghrieohen bei ihrer freien und heitern Lebensanschauung selten dem Tanze abhold waren, die ROmer nicht achtbar von Tanzenden dachten, so galt durch das ganze Mittelalter, bei der trüben einseitigen Weltansicht der Priester und Laien, das Tanzen als etwas Sündliches und es ward viel dagegen gepredigt und ge- eifert von Geistlichen , gleichwohl wurde vom Volke fortgetanzt. Hören wir zu- nächst die altgriechischen und römischen Philosophen und Staatsmänner über Tanz xurtheilen. Der Heide Plato ^ nennt den Tanz eine freudige liebliche Gabe der Götter imd hält den für einen rohen Tölpel, der keine Lust dafür bezeigt und nicht tanzen kann. Der alte Philosoph Sokrates, den Griechenland als den weisesten Mann rühmt, hielt den Tanz für eine nothwendige Kunst, zählt ihn unter die »Disciplinae graves«, wie Xenophon in den »Denkwürdigkeiten des Sokratesff schreibt. Sokrates machte flieh aber dadurch lächerlich, dass er der schönen Aspasia zu Liebe im vorgerückten Alter noch tanzen lernte und dann oft tanzte. Der Komiker Aristophanes nennt sogar das Tanzen ein »höchst ehrenhaftes Schauspieler. Überhaupt stand Musik und Tanz bei den Griechen in hohen Ehren. Den Griechen entgegengesetzt dachten aber die Bömer über das Tanzen, ^icht nur verwarfen sie, wie Macrobius (Saturn, lib. 3) schreibt, alle Tänze, son- dern hielten sie sogar für schändlich und unehrlich. So wirft Sallust^ der Sempronia, > Vollständiger Abdruck unten S. 94 ff. 2 Den Abdruck des 61. Kapitels über Tanzen s. unten S. 101. 9 Eine große Zahl von Polizei- Verordnungen gegen Tanzmissbräuche habe ich in Kap. Vm wörtlich abdrucken lassen. * Plato, de legibus lib. 11. ' De conjuratione Catilinae cap. XXV. Digitized by Google 92 einer adeligen Römerin, zur Schmach tot, dass sie zierlicher singen und tanzen könne, als es für eine ehrliebende Frau schön sei. Cicero, der große Staatsmann und Philosoph (f 43y.Ohr.) glaubt: »Niemand tanzt, wenn er nüchtern ist, er müsse denn wahnsinnig sein, weder in der Einsam* keit, noch bei einem mäßigen Gastmahle; nur bei unzeitigem Schmause und maß- losem Scherze kommt jenes Getanze vor.c^ Wie die römischen Prosaiker, ebenso dachten und schrieben die römischen Dichter. So ermahnt Ho raz mit eindrii^licher Bitte die Asterie, dass sie, will sie anders ihre Ehre erhalten , ja die gefährlichen Tänze meiden und nichts darnach fragen soll, wenn man sie deshalb eine Spröde schelten werde. ^ Desgleichen wurde es auch dem Consul Gabinius zur großen Schande gerech- net, dass er tanzen konnte. Marcus Cato macht nicht minder dem Lucius Murena den schimpf liehen Vorwurf , dass er in Asien getanzt hätte; Kaiser Domitian stieß einen Senator, der sich des Tanzens wegen rühmte, aus dem Senate, und Ti- berius vertrieb die Tänzer aus Rom, weil er dafür hielt, dass sie dem Gemein- wesen schädlich und nachtheilig wären. Insbesondere beklagt sich der im 4. Jahr- hundert lebende Historiker Ammianus Marcellinus (im 14. Buch) über die Sittenlosigkeit seiner Zeit, dass man nämlich da nichts anderes gehört und gesehen habe, als die Weiber an allen Orten und Enden springen imd tanzen. Hätte dies, föhrt er fort, Theokrit erlebt, er würde ihnen den Vers in die Ohren geraunt haben : vos vero capellae nolite saltare, ne forte in vos hircus incurrat. ^ Der römische Historiker Justinus, der zur Zeit des Kaisers Antoninus Pius lebte, behauptet in seinen «historiae Philippicaea XXX, 1 : der Tanz sei nichts anderes als eine Veranlassung und Reizung zur Üppigkeit und Verführung. Die Ausschreitungen des Tanzes bei Griechen und Römern, die tiefe Verach- tung der öffentlichen Tänzerinnen dort und eine ernste, oft getrübte Lebens- anschauung waren die Ursachen, warum die alten Kirchenväter dem Tanzes heftig feind gewesen sind und in ihren Schriften dagegen geredet haben. Ambrosius^ und mit ihm verschiedene Kirchenversammlungen (vor allen die Laodiceische Synode) untersagen den Christen das Tanzen gänzlich. Chrysostomus^ nennt den Tanz seiner Zeit, wegen der häufig dabei vor- kommenden Üppigkeit, einen satanischen Pomp und Teufelswerk, dabei Tod und Teufel mittanzt. Basilius nennt den Tanz eine Niederlage der Seelen und eine imverantwort- ^ Cicero, oratio pro Murena: »Nemo sobrius saltat, nisi forte insaniat, neque in solitudine neque in convivio moderato : intempestivi convivii, immoderati joci oomes est illa saltatio.tt 3 Horatii odarum lib. IQ, 7 : prima nocte domum claude, nee in vias sub cantu querulae despice tibiae: et te saepe vocanti duram aifficilis mane. s »Ihr Ziegen sollt nicht tanzen, damit euch nicht etwa der Bock anfällt.« * Ambrosii epistolae, 30 ad Sabinum episcopum p. 259. s Homilia 56 in Genesim. Digitized by Google 93 liehe Geilheit.^ Der alte Kirchenlehrer zu Edessa, Namens Ephraem, h< den Tanz fOr ein abg^Jttisches Fest des leidigen Teufels. Augustinus lässt sich ver- lauten : jeder Sprung im Tanze sei ein Sprung zum Teufel in die unterste Hölle. Augustinus hat zuerst den Satz aufgestellt , der im Mittelalter so oft wiederholt wurde : j>Der Tanz ist ein Kreis, dessen Mittelpunkt der Teufel ist.a^ Nach Aelian (»X^her die Natur derThiere«, Kap. 18) ist der Tanz eine Grube, darin der Teufel die Menschen durch Sehen, Beden und Greifen in Versuchung fahrt, er ist der Hamen und das Netz, darin der Teufel die Seele mit Singen und Springen bethOren und fangen will, wie der Fischer den Fisch. Als der Bischof YonHippo, St. Augustinus, erfahren hatte, dass die Christen an Sonntagen Chorreigen tanzten (wo? in der Kirche? oder außerhalb derselben?) richtet er gegen sie folgenden tadelnden Ausspruch : bEs ist noch vorzuziehen, am Tage des Herrn zu ackern und zu graben, denn Chorreigen aufzuführen ! O wie doch Zeiten und Sitten sich ändern ! Was ehedem nur das Geschäft der Saitenspielerinnen und schamloser Frauen gewesen , nämlich zu singen und zu spielen, das wird jetzt unter christlichen Jungfrauen und Matronen für eine Ehre gehalten, dass sie sogar noch Lehrmeister dieser Kunst annehmen.«^ Kein Wunder , dass nach solchen Yerdammungsurtheilen durch Kirchenväter und Synoden später viele katholische Priester , sogar reformirte und lutherische Geistliche das Tanzen gänzlich verboten und Alle, welche tanzten, absolut verdammten. Manche Geistliche haben das Tanzen geradezu für unvernünftig, un- ehrlich , schändlich , für todsündliches , venerisches , satyrhaftes , epikureisches, bestialisches und echt satanisches Werk erklärt. Durch das ganze Mittelalter hielt man dafür, dass der Tanz ein Mittel sei, dessen der Teufel sich bediene, um die Seelen zu fangen und zu verderben. Im Renner (v. 19469) heißt es: alsam farent die teufel gern swa streit ist, tantz vnd tabem, wann (denn) sie der sele wartent da michels (viel) mere danne anderswa. Ebenso glaubt Seb. Brant in seinem NarrenschiffKap. 61 (Zeile 5 — 9], dass der Tanz vom Teufel erfunden sei und hält alle die für Narren , die am Tanz Ge- fallen finden. Geiler von Kaisersberg in seiner Fredigt über dieses Kapitel theilt dieselbe Ansicht. Auch protestantische Theologen haben den Tanz vom Teufel er- finden lassen und den ersten Tanzmeister i>Schicketanz«(d. h. Schicke den Tanz) genannt, ¥de Spangenberg in seinem Ehespiegel erwähnt. Die Belegstellen für die eben ausgesprochenenUrtheile werden jetzt nachfolgen und zwar diesesmal in ausführlichem Abdruck. Zunächst eine I^redigt aus dem 1 5 . Jahrhunderte über den Schadendes Tanzes, von einem unbekannten Autor . Dann lassen wir Brant vom Tanzen selbst sprechen und hören Stellen aus Geil er s Fredigten. Endlich folgen die Aussprüche protestantischer Theologen. ^ Serm. contra ebrios tom. I, 216: animarum stragem et inexcusabilem lasciviam. 2 Chorea est circulus, cuius centrum est diabolus. 3 Praestat arare vel federe die Dominica, quam choreas ducere.^ O mores! o tempora ! quod officium psaltriarum et impudicarum fuerat, canere videlicet ad lyram ac psaJlere, nunc virginalis matronalisque pudor christianarum in laudibus ducit, magistros- que ejus adhibent artis. [Augustini Sermones 8.] Digitized by Google 94 Was schaden tantzen bringt. [Predigt aus dem 15. Jahrhundert*] I. Der ymme gende tantz ist ein ring oder circkel, des mittel der tufel ist : wann er stifft solich tentz yff da; sich die vnkuschen menschen ansehen , an- griffen vnd mit einander reden, vnd dar durch entzundt werdent durch vnkuscheit, vnd böse fleischlich begirde gewynnen , vnd gunst darzu geben vnd lust dar jnne haben, damit sie tOtlich Sünden vnd jn yil stricke des tufels vallen: vnd ver- liem da alle ir guten werck, die sie getan haut, vnd was sie fürbaß tund, das ist nie kein nätz zu ewigem leben, es sy dan das sie wäre ruwe vnd leit dar vmme haben, das gentzlich bichtent, vnd ein vesten willen das nummerme zu tunde. auch alle, die da by stent vnd zusehent, die sint des tufels diener. 1. An dem tantz sintvilvrsa ch der sunde: vnderwilnder gesanck derfrauwen bilde, der fimferley schaden bringt, der erst, da; sie mit jrme gesange ziehen zu jne vnd zu begirde des tantzes ander zuchtig personen, die nit ir selbs sint, den ir hertz vnd gemute verwundt wirt, als jung eefrowen, erber ledig tOchter, jung- frowen, knecht vnd megde, den es verbotten ist von jme meistern etc., die das gebott vbertrettent so sie den gesanck h6m vnd dick dar vmme gestrafft oder ge- schlagen werden, des sint die sengerin ein vrsach vnd werden schuldig an jne vnd mußen pin dar vmme liden, tund sie hie nit gnug dar vmme. 2. Der ander, da; ir gesanck auch anrieht vnd zu vnkuscheit reytzt die hertzen der geistlichen guten menschen, dar vmme ist der gesanck ein wunderlich pfil vnd strale des tufels, vor dem weder wantmuer noch n&tz semlichs geschirmen mag. die frommen menschen , die sich süßt hüten vor übel , die mögen sich vor dem gesange kume verbergen, die sengerin am tantz sint priesterin des tufels, vnd die jne antwurten sint sin closterfrowen, vnd die dar vmme stent sint leyen swestern vnd bruder oder des tufels pfarrelute, da; tantzhuß ist sin pfarkirch, die pfiffer vnd die lutensleher sint des tufels mesener, die mit jm pfiffen vnd luten die andern zusammen ruffent eben als der mesener tut oder als der hirt mit sim hom das vihe zusammen lockt. 3. Der dritt: es kOmt, das ein kräng mensch von jrme gesange vnd vnge- stumikeit stirbt, der da vor nit geruwen kan als jme not were, vnd süßt wol lenger lebende belibe. 4. Der IV., da; sie mit jrme gesang zu vnkuscheit reitzen alle die» die jne horent. dann glicher wise als geistlicher gesanck reytzt zu geistlicher an- dachtdes hertzen, also reitzt der tantzrimer vnfletiger gesang zu vn- kuscher begirde. 5. Der V., das die hertzen, die den gesang horent, wer- den dar durch truncken in zitlicher freude vnd vergeßen gotes, irs schopffers, vnd regiem sich nit nach irr vemunfft. dann soliche lider sint gemeynlioh von üppigen vnkuschen werten, dar durch die jungen vnschuldigen hertzen gelert, her- mant vnd gereitzt werden, wie sie zu vnkuscheit kommen sollen : vnd ist groß swere sunde eym y etlichen, der solich schamper lider ticht oder singt, wann er wirt schuldig an allen den, die dar durch verwunt werden vnd mit bSser begirde reytzunge in suntliche werck vallen , vnd muß vff sine sele nemen vnd ewiclichen i Wiener Hdschr. 3009. 15. gaeo. BL 73—85. Abdruek in: Altdeutsche Blätter I, 52—63. Digitized by Google 95 pin Hden für die Bunde, die vfi den lidem oder sprachen gent, yßgenommen ruwe md bufi. dar ymme werdent dick die ticlitervnd meistersenger vnd vor seng er in swerlich gestrafft. a) Es geschach in Brabant, ejn grafe reit durch eyn dorff by eim tantz hin, an dem eyn junge tochter vber die maß lut vnd wol sang : vnd was zu male hübsch, also das der grafe mit sinem volck still hielt vnd sach vnd hört die tochter singen ▼nd verwundert sich jrr stymme. do sprach zu jme sin artzt: »o here, ir verwundem uch der tochter stynune vnd hubscheit: ir werdent uch zuhant me verwundem ires strengen todes.« ee der artzt die wort gesprach vnd der grefe dannoch nit vß dem dorff geritten was, do horten sie ein groß geschrey vnd weinen, vnd zu der stund wart jme verkündet, da; die hübsch wolsingend tochter tot were des gehen (jähen) tods. b) Es was in dem selben land ein freuel frech frauwe, die alle heiige tag die tochter vnd knaben samelt vnd den tantz anhübe vnd vorsang, als nu die manne vnd knaben by dem tantz spilten des ballen vnd ander spile mit stecken, do enpfiir eim der steck, als er den ball wolt slahen, vnd traff die selbe frowe an ir heubt, da; sie nyder vil vnd starb : vnd also wart der tantz vnd da; spil verhSnet, vnd fluhen von dannen. man trüge die toten frowe jn ir huß vnd legt si vff die bare, als nu der pferrer kam mit den priestem vnd schulem vnd woltent ir vigilig singen oder lesen, do kam eyn großer swartzer ochße mit groDem geblerre vnd geschrey vnd lieff an die bare vnd warff den lip da von vnd zerstieß den gantz mit sinen hörnern in vil stuck vnd zerstrewt jne als wyt das huß was. da von ging als vbeler geschmack, das nieman do bliben mocht. also ließen sie den lip vnd die stuck verriechen, vnd morgens begruben ir frunde die stuck vff das velt vnd nit vff den kirchoff, wann die sele was yetzt begraben in der hellen. c) Ein ander verlaßen junge tochter, die auch eyn vorsengerin was, als die getanzt hatte vnd frolichen vnkusche lieder gesungen , vnd ir vnkuscher bule an dem tantz was gewest, gieng sie zu jme vnd rangte mit jme, vnd jn der andern gegenwurtikeit viel sie demider vnd starb gehelichen. d) Eins anders, es geschach zu Sachßen lande, als der priester vff den crist-« abent das ampt an hübe, waren etlich frowen vnd manne, die machtent einen tantz vff dem kirchoff vnd irten den priester. er gebot jne, sie solten vffhöm : sie karten sich nit daran, do sprach der priester : »nu wOUe got vnd sant Magnus, das jr ein gantz jar also blibent tantzenl« es geschach, da; sie also tantzten vnd vmme giengen: doch berint sie nie regen, hunger noch durst, ir cleider blibent jne gantz vnd suber : aber sie furtent den tantz glich als amechtig vnd halb vn- sinnig oder sinnelose lute mit singen vnd vmme gen. vnd was einr, der wolt sin swester von dem tantz ziehen vnd zohe sie als vast , das er ir einen arm abe zohe : aber sie blut nit vnd bleib mit den andern an dem tantz. als nu das jar vß was, do kam zu jne der ertzbischoff von KOlle vnd absoluierte sie von dem banne vnd forte sie in die kirchen für den altare vnd batt gott für sie. do stürben als balde zwen manne vnd ein frauwe. die andern schlieffen III tag vnd nacht aneinander: etliche bewißten mit zittern vnd bewegunge irs libes die ewigen pin, die sie in dem schlaff entzügt sahen vnd villicht dar kamen. ^ 6. SOlichen gesanck der vmme genden tentz, als schamper lieder,^ helffen die bSsen geist stifften vnd tichten vnd sturen 'darzu. dar voune ir kinder, die jn die helle gehorent , die selben gar lichtlich lernen vnd wol behalten , vnd kunnent, als sie bedunckt, sust nutz gelemen noch behalten der dinge, die jne 1 Vergleiche oben S. 20 und Grimm, Deutsche Sagen I, S. 312. ^ Schambsre, schamper ^ Scham erweckend, unzüchtig. Digitized by Google 96 not sint zu irre sele heile , es sy groß oder dein, sie konnent weder das pater noster, noch den glauben, noch Biist ander gute gebette, die doch kurtz vnd licht sint, nit gelemen, vnd lernen doch mit gutem willen vnd jn kurtzen ziten lange swere vnkusche sc hamp er lieder. dar an man wol merckt, da; alles ir gemute stet zu vnkuscheit vnd zu der weit vppikeit , vnd nit zu got oder zu der sele ewigen selikeit. dann hetten sie so vil fliß zu dem guten, sie lerten es ane zwiuel als balde als das bSse. sie werden auch jrme meister, dem tufel , zu teil : dann es ist gewSnlich, wa der mensch hin pfart, das man jne da begrebt. es sint vil menschen, die vil langer tantzlieder vnd vppiger sprtLche konnent: aber von den X ge- botten vnd den stucken des glauben vnd von andern solichen dingen wißent sie nutzit zu sagen. 7. Item solich tentz zu haben ist tOrlich in zweierlei wise. a) zum ersten, dann die tentz diser werlt furnd die tentzer in die helleschen tents, da sie zusammen werden kommen vnd in großem schmertzen vnd in ewigem trupsale mit jrme meister, dem butzen, tantzen mußen vff koln in flammen, vnd ein cleg- lichs liedt singen mit bitterem weinen vnd hulen, vnd vaht da; liet also an : »We vns nu vnd vmmer ewiclich I wir haben herzumt mit vnsem sunden got von hymmelrich. we vns, das wir ye geuolgten dem tufel vnd sinen reten vnd gunst vnd i?dllen zu den sunden ye geteten I we vns, da; wir ye gebom wurden vff dise erden I wann wir vber alle maße gepinigt werden. we vns, das wir nummer mögen ersterben vnd kein herl6sunge nummerme herwerben I« b) Zum andern male, wann sie beraubent des hymmelschen tantz, da die heiigen jn jubel vnd freuden got loben, als man lißt vnd sing^ von den jungfrowen Christi : »du nerest vnder den liligen , vmme gegeben mit den tentzen der jung- * frowen«. Qregorius von einer edeln jungfrowen, zu der die muter gottes kam vnd sprach : »liebes kint , wilt du vmme mynes kindes willen , dins gesponsen , tentz vermyden vnd mit dinen gespiln nit tantzen oder lichtfertikeit triben, so wil ich dich holn vnd jn kurtzen tagen zu jme an sinen tantz füren«, das tOchterlin sprach: j)ja gerne«, do hieß es die jungErowe Maria stete bliben vnd sich bereiten, so wölte sie zu ir kommen, vnd sie sOlte vber XXX tag vff die selbe stund sterben, die jung- frowe was gehorsam vnd schlug von ir alle kintlich lichtfertikeit, vnd hüte sich in großem ernst vnd sagt siner eptissin vnd im eitern, sie würde vff die stund von jne scheiden« als nu der lest tag kam ee sie starbe, do was sie dannooh frisch vnd gesunt vnd empfing die heiigen sacrament, vnd also kam sie an der frorer, vnd legte sich zu bett , vnd nahe by der stund, als sie gesagt hatt von hinnen zu fam, do kam die mutter gotes mit einr großen schar der engel vnd jungfrowen, do sprach das kint zu den , die vmme es stunden , ob sie nit sehen die muter gots vnd die jungfrowen , vnd gab also ir sele in die hende der muter Christi, in den hymmel ewiclich sich mit jr zu freuwen. n. Vß dem springenden tantz komen VI schaden. 1. zum ersten: so hat der tufel die sele zu verwinden [überwinden) vnd zu töten nit allein ein swert« besunder als vil manig hübsch person da by ist. Iheronymus [sagt] : die gestalt vnd das antzlit der gezirten frauwen ist ein furig swert. an dem tantz sticht vnd siecht Digitized by Google 97 der tufel die sele mit eim bloßen vßgezogen swert : wan da legt man abe mentel ymd sebleier. da; swert schnit allenthalben : wann die tOchter laßen allentiiialben sich sehen ynd beschowen, vomen, binden , vnden vnd oben, da werden die sein verwundet mit eim wol geschliffen swert, das wol gefegt vnd schon ist : wan da hin kommen gewdnlich die allerbest vßbereiten ynd gezierten tochter. die zirlich schmückunge ist des tufels swertfegunge, ynd beschicht mit eim vmmelauff vnd vffyndnider springen: wan dar durch wirt gemert die Schönheit der töchter. die bleichen vnd gel wen werden da r6selecht vnd dünckent die gaffer hübsch. 2. znm andern so gebrückt der tufel da nit allein eins s tro wüschs oder fackeln, zu entzünden die hertzen der menschen in vnkuscheit, besunder eins gantzen bymen (Feim, Haufen) strows : dan ye me fochter ynd knaben da sint, ye me fackeln er hat. dar ymme die muter, die jr tOchter zierent ynd zu tantz schmücken, die t&nd glich eim, der dürre strowerck oder rysach ^ salbt mit öle oder schmaltz, da; es dest baß brynne, ynd das in das fuer würffet. 3. zum dritten gebruchet da der tufel die allermechtigsten vnd bequemlichsten w äffen ynd gezauwe^, die er haben mag : also do sint frowen vnd töchter. wan der tufel herweite jme yß die frowen, zu betriegen den ersten menschen Adam : sie hatt auch vßherwelt der böse prophete Balaam, zu betriegen die kinder yon Israel : auch als der tufel den heiigen Jop hertlich quelt an sim libe ynd jme all sin kinder ynd gut name, do ließ er jm sin hußfrowe allein, ynd meint, sie solt jne betrogen han; also tet er auch dem heiigen Thobia: durch die frowen betrog er auch den allersterksten S a m p s o n , den allergutigsten konig D a u i d vnd den allerwisesten konig Salomonetc. nu sind sunderlich III stück, durch die der tufel mit den frowen betrugt die manne: als sehen, reden ynd griffen; die in sint alle an dem tantz. da sint ansehung ynd winkung der äugen, da sint ynkusche wort ynd geberd ynd gesanok, da sint angriffung der hende vnd des gantzen libes, da von das fuer der ynkuscheit entzundt ynd gemert wirt vnd manigs erbem kint verfellet. 4. zum virden so schonent die tentzer ynd tentzerin keins heiigen tags, yne groß sie sint, die sie doch fyren solten, ynd smehent die heiigen gemeynlich. dann eben als eins einen heiigen swerlich ynert, da; da sundt an der Btat, die in sin ere gewiht were, also smeht es jne so es sundt in der zyt, die jme geheilget ist. du ymme kömpt jne kein heiige zu hilff an jrm tode. als nu all yßerlich arbeit yerbotten ynrt an den yiertagen, die yoch sich trifft zu got-^ lieber ere ynd nutz des nehsten oder sin selbs, so ist wol zu yerstand, da; solich arbeit als tantzen, springen etc., die do geschieht zu smacheit gottes ynd der heiligen ynd zu schaden liplich ynd geistlich des nehsten ynd sin selbes mynr symet oder herleubt ist oder noch mag herleubt werden, dar ymme ist des wol zu spotten, der do bitt für tentzer ynd tentzerin, die ane ruwe yerfam, da; jne got ruwe gebe, die wil sie hie arbeit ynd ynruwe herweit han, all heilig tag zu smehen. 5. zum funfften so t&end die tentzer ynd tentzerin in etlich wise wider die sacrament der kirchen vnd besunder wider den tauff: wann sie brechen das gelubde, das sie got getan haben in dem tauff, als ir pfetterich' an ire stat gesprochen hant : »ich widersage dem tufel ynd allem sime gespenste.« in solich gespenste ynd dinst des tufels tretten sie, wann sie an den tantz gen. dar ymme mOgent sich ir pfetterioh wol fürchten, das sie yt schuldig werden yor got, so sie ir gotten^ nit flißlich hermanen solichs zu myden. sie t&nd auch wider das sacrament der heiligen wyhung : wann solich tentzerin sint äffen der priester. dann als die priesterschafit mit gesang got loben ynd eren, also tunt dise dem tufel. auch wirt 1 Reisig, s Werkzeug. < Taufseuge, Pathe. * Pathenkind. Bftliine, 0«seh. d. Tanzes. Digitized by Google 98 (durch jm gesanck TeTSumt vnd gemynnert der gesang vnd lop g^ttes: wann die in der yesper vnd in der kirchen selten singen, die sint by dem tantss. sie tund auch, wider das sacrament der e : wann es werden da vil efrowen abgewiBt von liebe irs hußwirts, dem sie dar nach gram vnd vngehorsam werden, sie tund auch wider die firmunge, jn der sie ein zeichen des crutzes an ir stim enpfängen hant vnd gekaufft von Christo : da; werffen sie abe vnd nement ein zeichen des tufels, da; ist die gezirde ires heubts, damit sie sich veil bietent, glich als ob sie Christus nit gekaufft hette : damit smehen sie got. sie tund auch wider die penitenz, in der sie vereinet waren mit Christo in der vasten. sie tund wyder das war sacrament des altars, do sie haben gegangen zu dem tisch gotes vnd da; hymmelsch brot enpfängen, vnd nu entzünden sie *das ertrich gotes mit dem heischen fuer, vnd sint damit glich dem Judas, der mit dem herren aß vnd ine dar nach verriete. 6. zum sechßten ist tantzen totlich vbel getan: wan da beschicht manig sunde. zum ersten in geen, sten vnd geberden des libs. wan da bew^;en sie ir f uß vn- ordenlich mit springen, mit vff hupfen vnd lauffen. sie streckent auch vß ir arme wyt vnd breit vnd ir gezirten hende mit kostbam brisen^ vnd finger- lin^, mit langen zerhau wen zottechten ermein vnd mit spitzen engen wißen schuhelin, mit der zeugunge' sie verblenden die hertzen der knaben, als Judith tet dem fursten Olifemes , der gefangen ward in b6ser begirde, do er sach die hübsche der frowen Judith, sie tund keinen tritt an dem tantz, er werde gezelt von dem tufel, das er ine furbring an dem jüngsten tage, als manchen sprung sie tund, als manig staffeln springen sie in die helle, zum andern male sundent sie in jrre zierung vnd schmuckunge mit schieiern, gurtein, kostbarncleidern vnd andern dingen, daran sie funfferley (lies: vierley) sunde tunt. die erst, da; sie selbs da von hoffertig werden vnd die andern versmahen. die ander, da; sie reitzen die hertzen der die sie sehen zu vnkuschen gedencken etc. die dritt, sie machen ir nachbum vnd ir gespilen zu schänden, die sich Schemen mußen, da; sie Bolichs nit haben vnd machen da; sie solichs begem wider jr sele selikeit. die vierde , da; die solichs nit band clagen da; jren mannen vnd heischen von jne solichs jne auch zu vberkommen. sie stein die frucht etc. , sie vberkommen bulen vnd brechen ir e, vffda;sieden andern glichen mögen, solicher Sünde aller werden die schuldig, die sich zu vil vngewSnlich zierent. auchjr ein teil salben vnd schmirn si c h mit f ar w e. die verbergen ir antzlitter, die jne got geben hat vnder diefarwe, ob sie villicht bleich sint von siechtagen, von vnkuscheit, oder süßt, vnd smehent got jm Schöpfer da mit vnd wellent beßer meister sin dan got. man lißt in der konig buch von der bösen frowen Jesabel, die sich zierte als der konig Jehu zu der stat jn reit, aber der konig gab ir den Ion. wan als er jnreit, do stunde sie hohe in eim fenster irs sales vnd rette jm etwas smehelichen: do gebot er zweyen edeln, die stürzten sie oben herabe vnder die reisigen, vnd die pferde hertraten sie so gar, da; nütz von ir bleib dann die himschale vnd die hende. des glichen vnd vil wirß be- schicht allen vppigen frowen, die sich also vff schmücken, auch ziemd sie ir heubte mit krentzen, mitcronen, mit guldin schappeln,^ mit perlen etc., glich als man tut den pf erden, die man verkeuffen wil, vnd den roßen, vff den man tumyern wil: der heubt ziert man mit strußfedem, blumen vnd grünem buchßbaunu sölich zierung ist ein bereitunge, da; der tufel vff vnd jn sie sitzt vnd wider got vicht vff jne vnd vil seien damider siecht vnd sticht: also sint sie pferde des tufels. auch geben sie einander zu tragen cleinet^, fürspenglin', oder 1 brise s Einfassung, Schnure. 2 fingerlin -■ Ring* ' Ziehwerk, kreuzweise Riemen und Bänder zum Befestigen der Schuhe. ^ schapel -■ Kranz von Blumen, Kopfsohmuck, ^ Kleinod. ^ Spangen am Arm. Digitized by Google 99 8cliepelini:did sint ein zeichen des gesigs, den der tufel durch sie volbracht hat wider Cnstanii gottes snn, vnd jme soliche menschen abe gestritten vnd gewonnen hat solich deinet hant sie vast liep vnd laßent sie yngem von jne, zu eim zeichen, das sie williolich vnd gern vnder des tufels baner vnd dinst sint. auch tragen sie hare in locken von andern toten frowen, da; doch zumal ein getorstig^ ding ist von jne, vnd ist wunder, vne sie des nachts dar jnne getorren' schlaffen, so doch ir keine des tags gern an trüge ein hemd einr toten frowen. das ist ein warezeichen, das jne der tufel solich kunheit gibt zu sime dinste : wan sie machen da mit hGmer an die heubter, die sie mit schnfim herte^ vmmebinden. m. Wie swer groß Sünde tantzen sy, mögen wir mercken vß der räche vnd strafiunge der alten vnd n&wen e.^ a) wir lesen von dem ersten tantz, den die b&cher beschribent, da; dar nach volgt gar ein große räch, wan als der heilig Moises von got dem herren hatt zwo tafeln mit den X gebotten enpfangen vnd von dem berg Syna ginge, da hatten die Juden ein kalp gegoßen vß golde, das betten sie an, vnd hatten wol gössen vnd getruncken, vnd machten dar nach ein spil vnd tantz ten vmme das kalp.^ do wart Moises so zornig, da; er das kalp zerbrach, vnd tot mit sinen gesellen der andern Juden xy^TTT tusend Juden vff ein mal. also solten alle obersten vnd fürweser hindern, wem vnd strafen tantzen, besunder so man ist an dem dinst des herren in der kirchen, oder so man viem^ gölte, wann solich vnordenlich freude mit tantzen vnd vffhupfen ist gewon- lieh ein wissagung etlicher bSsen zukunffügen dinge, als wan die merswin in dem mere sich geylen^ vnd vber die schiff vffspringen, so wißen die schifflute wol, da; zuhant dar nach ein groß vngewitter kommet, b) auch da Herodias tantzt vor dem tisch Herodis, dar nach zu hant wart Johans teuffer sin heubt abe geslagen in dem kercker etc. dar vmme spricht der Guldmunt : »wo man tantzt vnd springt, da ist der tufel.« got hat vns die fuß nit dar vmme geben, das wir mit den tufeln springen : dann wo vnd wan man vff hupft, so freuwent sich die tufel. die tenteer vnd tentzerin tragen da; hamasch vnd waffen in den harsch^ des tufels, als wan ein fürst sich förcht da; ein ander mit jme kriegen wil, so gebut er allen den sinen, da; sie ir hamasch zeugen^<^, damit sie vnd er strittent wider die kinder gottes. c) auch als die alten edeln lute , so si nit me vechten mögen, ir wapen vnd har- naseh vffgeben den jungen, jren kinden, also tunt auch die alten wibe : die geben ir wapen jm töchtem vnd schicken sie in die schar vnd here des tufels. sie ent- zünden das fner vnd sint glich als die füchß Sampsonis, den das fuer ge- bunden was an die swentz vnd in die frucht lieffent vnd verbranten die : also verbrennent die tentzerinne mit dem fuer, da; sie an jren swentzen, an jrme libe vnd gezirde tragen, die fracht guter wercke jn den, die sie töten mit böser be- girde. die tentzerin tund glich als die vnertigen dorffhunde, die latvffen vff vnd nider in dem dorff vnd bellent, aber die edeln hundelin ligen in dem huse stille swigende : also tunt auch die edeln jungfrowen, des ewigen konigs töchter. ein vertigo reyende^^ hündin kan man mit banden vnd ketten kume da heim beheben : also tut ein frowe, die böse liebe hat : sie ist vnstetig vßweiffig 1 Krfinzlein. ^ verwegen. ^ den Muth haben. ^ dicht ^ e » Recht, Gesets, Testament. ^ Durch das ganze Mittelalter war die allgemeine Annahme, dass der erste Tanz der um das goldene Kalb gewesen sei. Daher auch dieser dargestellt ist auf dem Titel- bild zum Narrenschiff und vielfach von Dichtem und Predigern erwfthnt ist. 7 feiern. ^ sieh erlustigen. ® Kriegshaufe, Schar. <<> ausrüsten. ^^ Ifiufische tanzende. 1* Digitized by Google 100 Tügedultig Tnd Tngerawig Tnd mag nit da heim bliben. wan ein swinhirte die gwin gamein wil, so macht er eins schryen, so lanffen die andern alle zusammen : also tut der tufel : wann er sin hers wil samein, so lesset er ein tentserin singen etc. ein figur in apocalipsi: als sant Jo. sähe, da; ein engel busunte, do sähe er pferde ynd die yff den pf erden saßen hatten forige pantser an , die wamd swefeleht vnd ir heubt als lewen heubter, vß jrme mnnde ginge da; fuer, rauch ynd swefel. die pferde sint die gedrten frowen vnd tochter, vnd die yff den sitsen sint die, die von jne geüangen werden mit bSsem lust : die hant gluendige pantser der f&rigen begirde, der vppikeit ynd yerlaßenheit an ynd smackent ^ ybel yor got, als yor yna der swefel. yß der pferde munt get das f&er : da; sint die ynkuschen lieder ynd wort, die do reitzent zu ynluterkeit, ynd der rauch der yppikeit, der do yfl übeler rucht yor gotes angesioht, dann yor yns kein schelm ye geriechen mocht. dar ymme was ein tentzerin, die an dem tantz entzündet wart mit dem wilden heischen f&er ynd brant glich yß als ein kertze. item ein ander, die hete nit me dan eyn liet hörn singen an dem tantz , dar ymme must sie XVIII tag in dem fegefaer sin. item in welschen landen warn yil frowen, tochter, knaben ynd manne, die tantiten yff einr starcken brücken, ynd do es an dem besten was, do brach die brück ynder jne ynd yielent alle in da; wasser ynd hertruncken zu fOrchten an sele ynd an Übe. IV. Hie ist zu mercken: tantzen ist in yierley wise totsünde« a) zum ersten so ein geordente geistlich person offenlich tanzt, als münch, nunnen ynd pfaffen etc. die tund totsunde yon ergern isse wegen, b] zum andern male yon der z y t wegen, wann eins tantzt zu messezyt oder zu andern ziten, so man zu andacht in der kirchen by dem dinst gottes sOlte sin. c) zum dritten yon der stat wegen, so man tantzt in kirchen, jn kirchhOfen oder in andern gewichten steten, do man got ynere herbut ynd der heiligen stat. d) zum yierden yon des endes der wy.se^ ynd meynunge' yregen: als yon liplichs lustes ynd ynkuscher begirde wegen, oder so man ynzuchtige hübsche ynkusche geh erde hat mit griffen, ymmehelsen etc. oder ynzimlichen meynungen zu bösen gelüsten, mit ynzuchtigem yffspringen, sich entblößen, dardurch man hermanet wird zu fleischlicher begirde. ynd welche da; wissent yon eigener wißheit oder herfarunge, yon predigen oder süßt ander ynderwiBunge, da; es so sunde ist, ynd dannoch da; nit lassen wöUent ynd haben es willen me zu tunde, die sOUent nit zu dem saorament gen: wan sie tund damit ein nuwe tot- sunde ynd machen jne selbs ynd andern luten willidich stricke zu der totsunde mit jrme geschmücke, gesange oder geberde, dann es spricht der wyse : »wer liep hat die sorgfeltikeit, der yerdirbt dar jnnt, das ist : wer ein ybel ding yrillidich tut ynd das nit fluhet oder mydet, der tut totsund. ist es aber das ein frow oder tochter etwen selten ynd mit yn willen sich müscht ynder die tentserin, so getar^ ich nit sprechen, da; sie totlich sünde : ich getar sie auch nit sichern, da; sie nit tot- lich Sünde, wan sie reytst die ümstender ynd zuluger zu b6ser begirde ynd bewert da; laster mit sterkunge des tantzes ynd tentzerin. doch mOcht es wol etwan sin, da; eins entschuldigt würde yon totsund, so es tantzt jn sinr einfeltikeit ynd ynschult ynd auch luterkeit der meynunge : da; ist so es n&tzt ^ anders da sucht oder meint, dann allein da; es spylt ynd frSlichen tantzt, ynd kein yff lugen hat yff kein boßheit oder sünde gegen jme selbs oder andern luten, ynd da yon nutzit' weiß ob etwa; bOßs yon tantzen komen mOge. 1 riechen. * Endzweckes. > Absieht ^ wage. ^ nichts. Digitized by Google 101 Der große Satiriker Dr. SebastianBrant hat bekannÜick ein berOlimtes Buch geschrieben, genannt »das Narrenschiff a, Basel 1494, darin er unter dem Bilde einer Schifffahrt alles Narrenhafte, Verkehrte und Lasterhafte seiner Zeit TorfOhrt. In Kapitel 6 1 kommt er auch auf den Tancnarren zu reden und, weil er jedenfalls zu seiner Zeit viel leichtfertige Tftnze gesehen, spricht er sich stark gegen das Tanzen aus. Es mag der Urtext Ton diesem Kapitel nach Zamcke*s Ausgabe hier folgen : Von dantzen. Ich hieltt nah die far narren gantz. Die freüd vnd lust hant jn dem dantz, Vnd loufifen vmb als werens toub, ^ Mud fjiß zu machen jnn dem stoub. Aber so ich gedenck dar by. Wie dantz mit Bund entsprungen sy, Vnd ich kan mercken vnd betracht, Das es der tüfel hat vff bracht Do er das gülden kalb erdaht, Vnd schAff, das gott wart gantz veracht, Noch YÜ er mit zA wegen bringt. Vß dantzen vil vnratts entspringt: Do ist hochfart vnd üppikeyt Vnd für louff der vnlutterkeyt. 2 Do schleyfift man Venus by der hend, Do hatt all erberkeyt* eyn end. So weys ich gantz vff erterich Keyn schympf, * der sy eym ernst so glich. Als das man dantzen hat erdocht, Vff kilchwih,* erste meß ouch brocht, Do dantzen pfaffen, mynch vnd leyen. Die kutt mftß sich do hynden reyen ; Do loufft man vnd würfft vmbher* eyn. Das man hoch sieht die blofßen beyn ; Ich will der ander schand geschwigen. Der dantz schmeckt bas dann essen fygen ; ^ Wann K&ntz mit Mätzen dantzen mag, Inn hungert nit eyn gantzen dag, So werden sie des kouffes eyns, ^ Wie man eyn bock geb vmb eyn geiß. Soll das eyn kurzwil syn genant. So hab ich narrheyt vü erkant. Vil wartten vff den dantz lang zytt, Die doch der dantz ersettigt nit. 1 tobend. * Vorsichgehen oder VorUufer der Unlauterkeit. ^ Ehrbarkeit « Sehers. Ich wasste auf Erden keinen Sehen, der einem Ernst so gleich w&re als der Tanz. » Kirehweih. « Umherwerfen der Tfinzerin. 7 Tanzen schmeckt manchem besser als Feisen essen. ^ Des Kaufs einig, werden sie ein Paar, wie man Book und Oeiß zusammenthut. Digitized by Google 102 Die Überschrift eu dem über Eapitel 61 stehenden Holzschnitte lautet : »Das best am dantsen ist, das man Nit yemerdar dit fClr sich gan Vnd ouch by zyt vmb keren kan.a Auf dem Holzschnitte sieht man das auf einer Sflule stehende goldne ELalb, um- tanzt von einer Schar Narren und Närrinnen. Der letzte scheint ein Mönch zu sein, der seine Dame unschicklich hoch emporwirft. Über die unzüchtige Tanzmanier im 15. Jahrhundert hören wir um 1480 den Sittenprediger Dr. Joh. Geiler von Kaisersberg (f 1510 zu Straßburg) also eifern : »Als Herodes einst ein köstliches Gastmahl gab, ließ er das Metzlein Herodias vor sich rufen, die mußte zu seiner Ergötzlichkeit tanzen. Das war nicht des Tanzens, wie man hier (in Süddeutschland) pflegt, wo man durcheinander läuft, als sey man unsinnig, und die Männer die Weiber aufschwenken, dass man sieht, was weiß ich, wohin; sondern als man in welschen Landen tantzet, da nur ihrer zwei zusammentanzen, wobei es gar züchtig zugeht. Aber mit unserm Tanze geht man nur um, wie mit einem Qaukelwerke. Da heißt es : das ist ein köstlich Ding, dass man Einer den Vortanz giebt. Der ihr den giebt, dem giebt sie ein Kränzlein; des rühmt er sich und spricht : es war 20 Gulden werth. Mit solchem Gaukelwerk geht man umla^ In seinen lateinischen Predigten über das Narrenschiff (1498) spricht er über die Gefahr des Tanzens. »Es kommt unser schlauester Feind (der Teufel) über die elenden Menschen durch des Tanzens Kampf.« ^ Als tadelnswerth beim Tanz, wodurch der Teufel über uns komme, führt er an: das Umarmen (am- plexari), das Küssen (osculari), den schöfferdantz (Schäfertanz); femer durch » 8 chä ndl icheGesänge, dies pflegt bei denen zu geschehen, welche wir Deutsche Heigerleiß nennen oder ein scheibenförmig (rundes) Tänzlein, dabei Eine vorsingt und die Andern folgen.«' Über die Unsitte des Entblößens beim Tanz spricht er in starken Worten : »Aber auch ganz schandbar werden sie (die Tänzerinnen) bis zu den Schamtheilen durch die Heftigkeit und Gewalt der Um- drehung entblößt, so dass dasjenige fast offenbar wird, was Gott und die Natur in das Verborgene gesetzt haben. a^ Auf die Tanzlust bezieht sich folgende Stelle in Kaisersbergs Postille, Straßburg 1522, S. 73. Nachdem er über Einführung und Werth des Tuchgebetes gesprochen, fährt er fort: »Und was ist denn euer Laiengratias? Wohlan I das ist »Pfeif aufl mit der Trommel bumberlybum, bumberlybum I« Es ist ein ge- meines Sprichwort: Vor Essens und mit nüchternem Bauche ist kein Tanz, aber nach dem Imbiss. Das ist euer Laiengratias ta Wieder an anderer Stelle seiner Ptedigten (Abdruck im Schaltjahr Seite 544) zürnt Geiler von Kaisersberg über Gemeinheit beim Tanz wie folgt: »Es werden vil gefunden, die tanzen also bübischer weis mit Werken und Geberden, dass nicht genugsam von ihrer Üppigkeit zu sagen ist. Man treibt zu 1 Brosamün Dr. Kaiserspergs , nachgeschrieben vom Frater Paulin. Straßburg 1517. S. 53. ' Invadit astutissimus noster hostis miseros homines per ehoreae bellum. > Item in cantibus turpibus ; hoc in bis fieri seiet , ^uae nos Theutones appellamus heygerleyß, vel »ein scheibleeht tentilin«, ubi una praeemente aliae subse^uuntur. ^ Sed et turpissime etiam usque ad pudenda propter vehementiam et unpetum cir- euitionis denudantur : ut ea fere pateant quae Deus et natura in obstrusiora reposuerunt. Digitized by Google 103 unsem Zeiten solche nnziemliche Üppigkeit unter dem Tanzen, das vor nie er- sehen noch erhört ist worden. Desgleichen bringt man soviel Tänze auf die Bahn, die Tor nie in Brauch sein gewesen, dass sich nicht genug darob zu yerwundem ist. Als da ist: der Schftfertanz, der Bauerntanz, der welsch Tanz, der Edel- leute-Tanz, der Studententanz, Keßlertanz, Bettlertanz und in Summa, wenn ich sie alle wollte erzählen, hätt ich wohl eine ganze Woche genug zu schaffen. »Damach findt man Klotz, die tanzen also säuisch und unflätig, dass sie die Weiber und Jungfrauen dermaßen herumschwenken und in die Höhe werfen, dass man ihnen hinten und Yomen hinaufsiehet bis in die Weich . . . und haben es bisweilen die Jungfrauen (so anders solche noch Jungfrauen zu nennen sein) fast gern, wenn man sie also schwenket, dass man ihnen ich weiß nicht wohin sieht. Pfuit der großen Schand und Unzucht, dass du dies Ort muth- wiUigerweis entblößest, das doch Gott und die Natur will verborgen haben. O Schand über Schand t wie gar bist du in die Welt geschloffen in Junge und Alte I Fürwahr, wo die Welt sich nicht bessern wird und dem üppigen Leben ab- stehen, so wird es gewisslich Gott der Herr strafen, wie er denen zu Sodom und Gomorra gethan, die er allein um ihr Üppigkeit und Unkeuschheit halber mit Schwefel und Pech gestraft hat. »Noch hätt ich schier den Tanz vergessen, nämlich den Reihentanz, da werden auch nit minder Unzucht und Schande begangen, als in den andern, von wegen der schändlichen und schandbaren Hurenlieder, so dareinge- sungen werden, damit man das weiblich Geschlecht zur Geilheit anreizet. ff Der alte Barfüßer-Mönch J. Pauli schrieb: dEs soll kein frommer Mann seine Fraw noch sein Tochter zum Danz gehen lassen. Du bist sicher, dass sie dir nicht als gut wider haimb kombt, als sie dar ist gangen. Sie begehren oder werden begehrt vnd haben jhre Hand inn einer vnreinen Hand.«^ Ein anderer Prediger meinte : ))Nirgends geht Weibern und Mädchen so ge- wöhnlich etwas verloren, das sie nicht verlieren sollten, als auf dem Tanzplatze. «^ Der Philosoph Cornelius Agrippa von Nettesheim (1 482 — 1535) sagt in seinem lateinischen Buche »De vanitate scientiarumc (1526) über den damaligen unsitt- lichen Tanz : »Man tanzt mit unehrbaren Gebärden und ungeheuerm Fußg^stampf , nach lasciven Weisen. Bei buhlerischen Umarmungen, legt man unzüchtige Hände an Mädchen und Matronen ; sie küssend und Lasterhaftigkeit für Scherz ausgebend, schreitet man sogar dazu, schamlos das zu entblößen, was die Natur verbirgt und die Sittsamkeit verhüllet. «r Gewiss sind in dieser Schilderung eines so aufgeklärten Mannes keine Übertreibungen.' Wenden wirunsnunzu den protestantischenTheologen, so widersetzen sich garviele dem Tanze underklären denselben schlechterdings für unzulässig und sündlich. Nur wenigen Theologen des 16. Jahrhunderts gilt bestenfalls der Tanz 1 Citirt und zu seiner eigenen Ansicht gemacht von dem kaiserlichen Bechtslehrer Christoph Besold, Thesaurus practicus. S. 210: Vom Danzen. ^ »Saepe ibi Matrona diu servatum decus perdit Saepe infelix Yirgunoula dedicit, quod melius ignorasset« R. Lorichii Instit Prinoip. 206. 9 Auch französische Schriftsteller schelten das Tanzen. Wilhelm von Lvon schrieb: •Der Tanz ist ein Cirkel, dessen Mittelpunkt der Teufel ist, der alle Mädchen und Weiber an seiner linken Hand zum Zeichen der Bosheit führt« (Speidelii Suecul. Jurid. Polit 244) . Ein anderer f^nzose L. Vives schreibt in seinem Buche »Le lemme chr6- tienne« S. 34 : »der Tanz ist der Gipfel aller Laster«. Ebenso nennt Lambert Danäus in seinem Trait6 des Tanzes S. 37 den Tanz »einen Libegriff aller Gattungen von Giften, die der Teufel durcheinander gemischt habe, um die Herzen mit schändlichen Lüsten zu entzünden.« Digitized by Google 104 al 8 eine res media d. h. für eine Sache, die man thun oder lassen kann, ohne Sünde. Sie meinten aber dennoch, er sei au entbehren, und löblich sei, nicht zu tanaen. Der Schweizer Reformator Calvin hielt das Tanzen für ein Merkmal leicht- fertiger Gesinnung und verführter Geilheit (seine Erklftrung zu Matthäus 14). Die Sittenverderbnis beim Tanz musste damals groß sein, dass dieser sonst vorur- theilslose Mann sich zur Abneigung und Aburtheilungdes Tanzes, auch des unschul- digsten fortreißen ließ. Darum mussten die Calvinisten, besonders in Genf, lange Zeit dem Tanze gänzlich entsagen. Weniger streng spricht der deutsche Reformator Luther sich über das Tanzen aus. In seiner EarchenpostiUe (Dominica 11 post Epiphaniam fol. 207) bei Erklärung des Textes von der Hochzeit zu Eana schreibt er : »Man fraget ob das Tantzen, von welchem viel Böses herzukommen scheint, unter die Sünden zu rechnen sei? Ob es bey den Juden üblich gewesen, weiß ich nicht. Weilen es aber bey uns, gleich wie Gäste einladen, sich gebührend mit Kleidern zu schmücken, essen, trincken vnd frOlich seyn, Land-sittlich (Landessitte) vnd gebräuchlich ist, weiß ich es nicht zu verdammen, wenn es nur nicht über- mäßig, unzüchtig vnd zu viel geschiehet. Dass aber Sünden vnd Laster dabey vorgehen, ist nicht der Tantz, sondern den unordentlichen Begierden der Tantzenden zuzuschreiben : Sintemalen auch wol über Tische vnd in der Kirchen dergleichen geschehen kan. Gleichwie es nicht des Essens vnd Trinckens Schuld ist, dass etliche zu Sewen darüber werden ; wo es aber züchtig dabey zugehet, lasse ich der Hochzeit ihr Recht und Brauch. Vnd tantze immerhin , der Glaube vnd die Liebe lassen sich nicht austantzen, so du keusch vnd mäßig dabey bist. — Die Kinder tantzen ohne Sünde ; das thue du auch, auch tantze als ein Kind , so wird dir der Tantz nicht schaden. So nun Tantzen an ihm (sich) selber Sünde wäre, so müsste maus ja den jungen Kindern auch verbieten. er An anderer Stelle^ in seinen Schriften sagt Luther: »Weil Tantzen auch der Welt Brauch ist, des jungen Volcks, so es züchtig, ohne schandbare Worte oder Gebärde, nur zur Freude geschieht , istnicht zu verdammen; denn ein Christ lässt der Welt ihr Recht, dass nicht die hoffärtigen Heiligen sobalde Sünde daraus machen, wann man es nur nicht in Missbrauch bringet.« An dritter Stelle^ äußert sich Luther : «Man solle Tanzes halber Niemandes Gewissen beschwären , verstricken und verdammen, so es zu Freuden und Ehren der Hochzeit, item Zucht ohn schampere (unzüchtige) Weise, Worte und Ge- berden beschicht und kein Überfluss, Unmaß, Missbrauch, noch sewisch Wesen im Tanzen geübt wird.« Ähnlich spricht Luther an vierter Stelle ^ über den Hochzeitstanz billigend sich aus : »Es ist keine Sünde, dass ein junger Geselle oder Jungfrau nach einer Braut oder Bräutigam dencket, es werden desswegen vomemlich Wolleben ange- stellet, da fromme ehrliche Leute zusammen kommen, vnd out einander essen vnd trincken. Ja man richtet darum Tantze an, welche mit nichten zu verdammen seyn, wenn es fein züchtig, sittsam und ehrlich dabey zugehet.« Noch an fünfter Stelle ^ sagt der Reformator : »Dass man eine Braut zierlich schmücket, isset, trincket — gehet wohl hin. Auch dass man schön tantzet, man muss darüber kein Gewissen machen, wo man nur dabey von guter Zucht und Scham nicht abweichet.« » Luthers Werke, Jenaer Ausgabe, Tom. IV, foL 133. « Luther« Werke IV, 556. « Luthers Werke V, 671. 331. ^ Erklärung zu Genesis Kap. 24. Tom. IV, 256. Digitized by Google 105 Auch folgender lateinische Ausspruch wird Luther zugeschrieben : »Choreae sunt insütutae et concessae, ut civilitas discatur in frequentia etc.tr Caspar Qruner's Traktat »Ein Ratschlag wider die gotlosen Tentza (1525) ist eine Predigt über Markus 6 (Enthauptung Johannis und Tanz der Tochter des Herodes). Der Verf. sucht darin aus biblischen Beispielen und Erfahrungen des alltftg- lichen Lebens die schrecklichen Folgen des gottlosen Tanzes nachzuweisen und bittet und ermahnt (Terbieten will er nicht, weil er nicht könne) , dass man sich Tor gottlosen Tänzen hflten solle. Unter anderem kommt er auf die H o chze its- tanze zu reden und sagt: »Man siht wol, wie es in die gewonhait kummen ist. Sölt man Hochzeyt haben vnd solt nicht ein tantz da sein , so maint man y es wer Tnrecht. So doch vil mer denselben tag, da zway zusammen in die £e trotten, hertz- lich gebet gegen Got von nötten wer .... Ich besorg, es werdt auch wenig auß- gericht mit tantzen vnd hupffen auff den hochzeyten, wie yederman wol weyß, was für sc hau dt, spot vnnd last er, für böse gedancken, hurerey vnd eebruch, für zom vnd haß, für stechen, hawen vnd würgen oft darauD entstehet ; da- mmb warne ich, wer sich warnen lassen wil.« Nachdem Grüner den Tanz der Mirjam am rothen Meer und des David vor der Bundeslade als unverwerflich hin- gestellt hat, fährt er fort : i>Darauß mag wol ein Christenhertz erkennen : welche tentz frucht bringen, oder welche schaden gebem ; dann welcher tantz nicht zu lob vnd herligkait Gottes gericht ist, mit lobgesengen gottes, zu eeren seinen heiligen namen, der ist vnd wirdt streflich für Got, er gleyß für der weit, wie fein er wolt.ff Der berühmte evangelische Prediger Cyriakus Spangenberg (geb. 1528 zu Eisleben, gest. 1 604 zu Straßburg) hat in seinem »Ehespiegela oder LXX Braut- predigten (Straßburg 1570, S. 285) eine umständliche Abhandlung vom Tanze seiner Zeit geliefert, besser als mancher Tanzmeister es hätte thun können. Zu- gleich haben wir darin das ruhige , iinbefangene Urtheil eines Seelsorgers. Wir geben daraus die für Sittenkiinde wichtigen Stellen hier wieder : »Wie wol ich nicht willens bin, das tantzen jetziger Welt zu vertheidigen, so kann ich mir doch auch die Beschreibung des Tantzes, die Agrippa (f 1535) und etliche andere setzen, nicht gar gefallen lassen, da sie sagen: Tantzen ist nichts anders denn eine Bewegung zur Geylheit, ein Spiel das allen Frommen übel ansteht, vom leben- digen Teuffei, Gott zur Schmach, erfunden. Wol mag dieses mit Wahrheit ge- sagt werden von den meisten dieser Welt , die nicht viel besser sind , aber doch sollen in gemeynen nicht alle Täntze also verdampt werden. Denn wenn man sich recht in die Sache schicken wolt, so dörffte ich sagen : Tantzen ist eyn Freude und Kurzweil eines ordentlichen Beyens, von Gott seinem Volke erlaubet und vergönnet zu seiner Zeit. Darumb muss man nicht sagen, dass alle Täntz vom Teuffei herkommen, wie in der alten Papistischen Postille steht : Es sei ein sonderlicher Teuffei »Schickt den Tantz« (Schicketanz) genannt, der alle Täntze anrichtet, — das ist zu viel gesagt. »Gott kann wohl leyden, dass alle junge Leut tantzen, springen und fröhlich sind; aber das wüste umlaufen, unzüchtige drehen, greif fen und maullecken gefällt ihm gar nicht, ist Sünde, ist Unrecht. Ists nun bräuchlich gewesen auf der Juden Wirthschaft zu tantzen, so haben sie freylich zu Cana auch getantzt und hats der Herr Christus nicht gewehret ; denn er ist nicht ein solcher Starrkopf, der etwas sonderliches haben wolte, sondern hat ihm (sich's) lassen gefallen, was zum Ehren ländlich und bräuchlich war. Er kann von seinen Christen wohl einen guten Mut leyden, in ehrlichen Sachen. Er ist fröhlich gewesen mit den Fröhlichen und hat ihm gefallen lassen, was zum Ehren geschieht. Dieses nun besser zu verstehen, Digitized by Google 106 wollen wir underscbeidlich vom Tantzen sagen^ wann eB Sünde sey oder nicht. In der heiligen Schrift findet man viererlei Tänse : 1. Ein Geistlichen Tanz. 3. Ein Bürgerlichen Tanz. 2. Ein Götzen-Tanz. 4. Ein Buben-Tanz. »Erstlich ein geistlicher Tanz, welchen fromme heilige Leute bey dem wahren Gottesdienste Gott zu. Lob und Dank gethan , durch den heyligen Geist getrieben. Also lesen wir von Mirjam, Moses Schwester, da Pharao mit seinem Heer im rolhen Meer ersoffen war, da nahm sie eine Pauken in ihre Hand und alle Wei- ber folgten ihr nach hinaus mit Pauken am Reyen und Mirjam sang ihnen für: Lasset uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche That gethan , Mann und Ross hat er in das Meer gestürzet! Das war recht gottseliger geistlicher Tanz ; viel- leicht haben auch die Männer in ihrer Ordnung für Freuden Gott zu Lobe getanzet u. s. w. Ebenso der Tanz zu Silo. Davids Tanz beym Empfang der Bundes- lade. ... »Der dritte Tanz heysset ein bürgerlicher Tanz, und geschieht alsdann, wo Mann und Frawen, junge Gesellen und Jungfrawen öffentlich zusammen kom- men zu rechter Zeit in Züchten und Ehren, mit Wissen und Erlaubniss der Ober- keit und ihrer Eltern ; als auf Hochzeiten und ehrlichen Gesellschaften , bey der Wiederkunft eines Landsherren u. s. w. Solche Tänze sind nicht wider Gott, wenn sie recht und ehrlich gehalten werden. Als David den Riesen Goliath er- schlagen hatt, da giengen die Weiber dem König Saul entgegen mit Gesang und Reyen, mit Pauken, mit Freuden und Geygen. Das war ein bürgerlicher Tanz des Volks Gottes, von wegen des Siegs. Auch zu Christi Zeiten ist Pfeiffen und Tan- zen im Brauch gewesen, da er saget Math. XI : Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzet .... »Unsere Vorfahren haben solche öffentliche Tänze auch darum gehalten, damit ihre Kinder von den Nachbauem mochten gesehen werden, Ehestiftungen fürzu- nehmen. Derhalb inMeissen und anderswo, jährlich zu gewissen Tagen, jetzt auf diesem, dann auf dem andern Dorfe durch der Oberkeit Verordnungen die »Lobe - Tänze a gehalten werden. »Und solche ehrliche bürgerliche Tänze könnte man wol halten, wo nur allen die Oberkeit ein ernstes Einsehen mit haben wollt, und sagen wie an anderen Orten geschieht: Wollt ihr tanzen, so soUt ihr züchtig und eins seyn; so aber Jemand Unzucht und Hader anrichten will, den wird man in den Thurm stecken. Dann sonst mengen sich viel unnützer Buben ein, die keine Ordnung halten wollen. Einer will sein Wehre nicht ablegen, spricht: er sey Hofgesinde; der ander will das Drehen nicht lassen, spricht: er sey frembd. . . . »Darum sage ich: Tanzen ist an ihm selbst keyn Sünde, wenn man sein recht braucht; was aber der Mangel sey, dass wenig Leute ohne Sünde tanzen, wollen wir weiter nun hören. »Der vierte Tanz, davon man in Schriften findet, mag ein Buben-Tanz heyfTen, und ich wollte nicht fehlen, wenn ich ihn auch einen Huren-Tanz nennete. Und ist dieser Bubentanz nichts anders, dann da man auf nichts anders zusammen kompt, dann Fleisches Kützel und Muthwill zu büßen. Wie dann ge- meiniglich geschieht an denen Tänzen , welche junge Gesellen und Jungfirawen ohne der Oberkeyt und der Eltern Erlaubniß halten. »Item an den Abend-Tänzen, da man nichts ehrliches sucht, sondern nichts thut als unzüchtig tanzen , springen , drehen , greiffen u. s. w. An solchen Digitized by Google 107 'DUizen verleuret manch Weib ihre Ehre und gut Geracht. Maniche Jungfraw lernet alda, das ihr besser wäre, sie hätte es nie erfaren. Summa, es geschieht da nichts ehrliche, nichts gOttlichs. »Wer solche Tänze billigt , ist ein Bube , und wer sie vertheidigt , ist ein Schalk. . . . Denn was ist da anders, dann ein wildes, ungehewr viechisches rennen, lauffen und durch einander zwirbeln, da siehet man ein solch unzüchtig auf f- werfen und entblöffen der Mägdlein, da; einer schwöret, es hätten die Un- fläter, die solchen Reyen führen, aller Zucht und Ehre vergessen, wären taub und unsinnig und tanzten St. Veitstanz und ist in der That auch nit vil anders. iNun seind gemeiniglich jetzt alle Tänze also geartet, gar wenig aus- genommen, da; ich warlich auch andere T&nze, die bald nach geschehener Malzeit auf den Wirthschaften gehalten werden, nicht viel zu loben finde; denn das junge Tolk ist gar vom Teufel besessen , dass sie keine Zucht, Ehre noch Tugend mehr lieben; die jungen Gesellen mejnen, wenn sie nicht ihre Fechtel oder Degen neben dem Tanz an der Seyten tragen, sich ungepärtig genug stellen, hoch springen , schreyen und wüten und drehen sollten , sie hätten nicht recht getanzt. Ich schweige der unzüchtigen Red und Gebärde, so die Esel am Tanz treiben. Und da ein frommes Kindt daran eyn Absehe wen hat, und sich mit sol- chen groben unflätigen TeufelskOpfen zu tanzen beschwäret , dOrfen sie ehrlicher Leute kinder ins Angesicht schlagen, und groß pochen und drOwen fürgeben. »Damach ist auch ein Umstand und Vergessenheit, wann man zum Tanz- hau £ gehet und über den Markt für der Kirche überziehen muss , darinnen man bisweilen dazumal den Catechismum mit den Knaben und Kindern übet, da; man da keynen Underscheid hält, da die Spielleute selbst sollten so bedächtig sein, und der Bräutigam und Werber auch ihnen solches ernstlich befelhen , dass sie alda mit Trummein und Pfeiffen stille und innehielten, bis sie für der Kirchen über wären, damit das Singen und Gottesdienst mit solchem Getümmel und Ge- stürme nicht gehindert werde. jUnd hat Gott auch zwar bisweilen solche leichtfertige Tänze gräwlioh ge- straffet: Denn umb 1277 haben etlich vil Leut zu Utrecht auf einer Brücken über der Maafie einen leichtfertigen Tanz gehalten und viel Üppigkeit getrieben , da ist letzlich die Brücken gebrochen und ob 200 Menschen ersoffen. »Anno 1352 hat Johann von Miltiz, Bischoff zue Naumburg und Zeitz, an St. Jo- hannis des Täufers oder des Evangelisten Tage etliche Frawen und Jungfrawen vom Adel zu sich geladen, mit denselbigen einen Tanz gehalten, und etwan mehr Leicht- fertigkeit geübt, denn einer solchen Person wohl anstehet, ist derhalben am Reyen zwischen zweyen Weibern , mit denen er zugleich getanzt, umbge fallen und plötzlich gestorben.« Spangenberg kommt S. 293 ff. nochmals auf die Abendtänze und Nacht- essen bei den Hochzeiten zurück und bringt noch folgende charakteristische Schil- derungen : »Wenn man sich am Reyen und Tanzen wol müde gelauffen, gejaget, ge- drehet und gerennet hat, so findet man sich alsdann eben wieder spat genugsam zu Tische und hält das Nachtmahl. Da gehet es also vil wüster, unmäßiger und unzüchtiger zu , als vil der Abend unschamhaftiger und trunkener ist , denn der Morgen; da isset mancher und trinket ohne Hunger und Durst zu ungelegener Zeit , wäre besser, er schlieffe dafür und ist diese Abendmalzeit schädlich , beyde, dem Bräutigam und den Gästen. Ist das auch ein schändlicher Mißbrauch, dass auff demselbigen Abend Jungfrawen und Gesellen zusammen unter einander ge- mengt gesetzt werden, weil aber das Gesellige sich gemeiniglich voll gesoffen, und Digitized by Google 108 toll gelaufen hat , ist wol zu eiackten , was grob , unfl&tig und unTerscham.pt sie pflegen su aeyn , mit Worten und Geparden , und ist dahin kommen , dass auch unter den Jungfrawen ihr vil selbst unhypsoh genugsam seyn kiOnnen, mit Worten , und den Scherz am meysten treiben und fördern , dass es auch bisweilen an einem andern ort (will nit sagen wo) zu vil were, dass stehet jetzt zumal übel. »Denn was geschiehet auf den Abendmalzeiten, wenn man den ganzen Tag gesoffen hat , andets , dann dass eyner schlaft über Tische , der ander zerbricht Gl&ser, der dritte schreit und singet, der vierte hadert und zankt, der fünfte be- weint das Trunken-Elend, der sechst giebt fechten und springen für, der siebente wil aus der Kunst disputiren , und ist ein solches Leben durcheinander , dass man nicht weiss, wer Koch oder Keller ist. Und da auch gleich dieKnabenausder Schule kommen mit ihrer Musica, ein gutes Stücklein zu singen, unddieLeute fröhlich zu machen, haben sie kein Gehör, werden bisweilen wohl übel abgeweiaet und darzu übel geschlagen. Also hat Bachus das tolle Regiment zu Abends alleine, wenn man ihm den Tag zuvor gedienet hat, daran ist ja nicht viel zu loben. »Alsbald nun die Abendmalzeit geschehen ist, so muss es von neuem wieder gehupfet und gesprungen seyn. Behüte Gott alle frommen Gesellen für solchen Jungfrawen, die da Lust zu Abendtftnzen haben, und sich da gerne umb- drehen, unzüchtig küssen und begreif fen lassen, es muss freylich nichts guts an ihnen seyn , da reizet nur eins das ander zur Unzucht , und Addern dem Teufel seine BOlze. »Wenn man sich abermal müde getanzt, so hebet man an etlichen Orten an, Freuden-Fewer zu machen und Fasse zu brennen, mücht aber lieber unter- lassen werden von den trunkenen Leuten. Werden bisweüen auf den Abend zum Wirtschaften Sing-Tänze gehalten, da beyde Mann und Weib, jung und alt zusammentreten und einen Beyen füren, Cirkelweise, ist nicht verdamlich» dafem man unzüchtige Lieder davon ließe, aber jetziger Zeit lasset man sich be- dünken , wer die allergarstigsten , unverschamptesten , lausigsten Possen kan am Beihenfürsingen, und es auf das aller unzüchtigste machen, der sey der beste und frOlichste gewesen. Bleiben unflätige Säwe und des Teufels Fürlauff in aller- ley unzüchtigen Worten, Gesängen, Beimen und Räthseln. »So ist auch an etlichen Orten Brauch, dass man nach vollbrachter Freude Braut und Bräutigam zu Bette bringet, da ist ohn noth, dass man mit Trom- meln \md Pfeif fen groß Wesen mache und alle Vollzapfen miüauffen und ihren Unlust mit treiben. Ja wenn nun die guten jungen Leute einmal also aus dem Gewühl in die Buhe kommen, so findet man solch unbändige Leute, welche rotten- weise vor die Kammer ziehen, daselbst wüste und grobe Lieder singen, bisweilen gar die Kammer aufbrechen , sie wieder aufheben und zum Trunk mit Gewalt füren ; das sind nit Menschen, sondern Teuffei. »Da seind dann auch etliche, die laufen mit derTrummel die ganze Nacht umb durch alle Straßen und gassen und machen mit ihrem geschrey eine ganze statt oder flecken unruwig, und wenn sie auf dem Markt Buden, Tische, Bänke und alles umbgestoßen haben, Wagen, Karren in Bach gefürt, zerlegt und umgestürzt, verfüret oder zerbrochen haben, und in den Häusern über den Kachel- ofen gestiegen, herabgefallen. Tische, Thür, Fenster und Bänke zerschlagen, und nichts dann schaden gethon , und bis an hellen Morgen geschwermet und wie der lebendige Teuffei sich gehalten haben, rühmen sie solches gar meisterlich und wollen noch gar herrlich darumb gelobet seyn. — Pfyl der heillosen groben Un- fläter, wäre nit Wunder, dass sie die Erde verschlünge, ist auch unmöglich, daas sie selten selig werden, sie müssten denn ernste Buße thun.c Digitized by Google 109 Melchior Ambach, Prediger za Frankfurt a/M., weiß in seinem Traktat: »Von TantEOi , Vrtheil Aofi Heiliger Schrifft ^nnd den alten Christlichen Lerern gesielt« (Frankfnrt a/M. 1545) viel auf den Tanz zu schelten und erklärt ihn für Sünde. »Lieber, was ist doch Tantzen anders, denn eine begebung zur geilheit, ge- fallens des lasters, bewegung zur ynkeuschheit , vnd ein spiel, das allen frommen Tbel ansteht. Wie offt hat ein frommes Weib (spricht Franciscus Petrarcha) jr lang behalten ehr am Tantz yerloren I Die Jungfraw erlernet , das ihr besser, sie hats nie erfaren. Wie vieler guter leumbden vnd seham ist am Tantz vmbkommen I Wie viel gehn vom Tantz vnzüchtiger vnd wanckelmütiger, aber keiner keuscher l Durch Tantzen ist schäm vnnd keuschheit offtmals bestritten, gestürmt vnd ge- stürzt worden. Vnd wer kan alles vbel, das äugen vnd obren bey dem Tantz schOpffen, vnzüchtig gesprech vnd greiffen, mit sich bringen, erzelen? Leicht- fertige, Hurische geberden vbet man nach süffem Seiten spiel vnd vnkeuschen Lie- dern; da begreiffet man frawen vnd Jungfrawen mit vnkeuschen henden, man küsst einander mit H&rischem vmbfahen, vnnd die glieder, welche die natur verborgen vnd schäm bedeckt hat, entblößt offtmals geilheit, vnd vnder dem Hantel einer kurtzweil vnd Spieles wird schand vnnd Laster bedeckt. Wo geschieht mehr vbermuts, trutzes, mordes, Verachtung anderer, erhebung vnd fürtragen sein selbst, denn eben am Tantz? Wie kan nun dieses ein guter Baum sein, der solche Bchendliche , ergerliche , ehrlose vnd Hellisehe frucht tregt? Zeige mir aber ein Welttantz je beschehen, der nit diese fruchte zum theil oder alle mit sich bringet So nie kein gute fracht aus der Welt tantz entsprungen ist, sondern alleweg böses erwachset^ kann je der Baum nicht gut sein, vnd derhalben auch nit auß Gott. Ja tantzen ist eigentlieh ein vbung , nit vom Himmel kommen, sondern von dem lei- digen teuffei, €K>tt zur schmach erfunden.« An anderer Stelle heißt es : »Man be- trachte doch das Tummeln, die Herumschweifung, das Auswerfen der Beine, das Hintersichhüpfen, das Hintersichlaufen darnach Vorsichlaufen , sich in die Luft schwingen, sieh wie ein Rad umdrehen , die Erde mit den Füßen klopfen, wie ein getriebener Topf (Kreisel) herumhaspeln und wirbeln. . . Für den verfluchten Ten- zen kann kein Pfarrherr den Katechismus handeln und lehren ; der Tanz hat mehr Platz als Gotteswort. ff Der eifernde Pfarrherr zu Schellenwalde, Florian Daule von Fürstenberg in seinem 1567 gedruckten »Tantzteuffel d. i. wider den leichtfertigen, unver- schempten Welttanz vnd sonderlich wider die Gottes Zucht vnd ehrvergessenen Nachttänze« sagt unter anderm von den Tanzenden bei Nacht-Tänzen, dass sie dabei »offt durcheinander unordentlich gehen und lauffen wie die bisenden Küh sich werffen und verdrehen, welches man jetzt verkOdern heißt. So geschiehet nun solch schendlich, unverschämt schwingen, werfen, verdrehen und ver- kOdern, von den Tantzteuffeln, so geschwinde, auch in aller Höhe, wie der bauer den flegel schwinget, dass bißweilen den Jimgfrauen, Dirnen und Mägden die Klei- der biß über den Kopf fliegen. . . . Welche Juxigfraw, Magd und Dirne am meisten am Tanze herum gefüret, geschwungen, gedrehet und beschawet wird, die ist die fümembste und beste und rühmen und sagen die Mütterlein selber : Es ist ein be- dräng vmb meine Tochter amTantze, jedermann will mit jr tantzen, sie hat heut am Tantz guten Markt gehabt. Auch sticht der Narr unsere jungen und alten Wittwen, die treibens ja so kOrbisch, wilde und unfletig, als die jungen Mägd- lein, seind bey den Nachttenzen sowol die ersten als die letzten.« Im 17. Jahrhundert wurde immer wieder von Theologen gegen das Tanzen gepredigt und geschrieben. Zunächst in der alten rohen Weise von J. L. Hart- Digitized by Google 110 mann in seinem Tanzteufel 1677, wo es unter anderm heißt: »Tanzen ist eine un- flätige Bewegung und ein schändliches Schauspiel, wodurch man geärgert wird. Tanzen ist Sünde. Tanzen ist eine Bewegung des Gefallens, ein Spiel, das allen Frommen übel steht. Tanzen ist eine Übung, nicht vom Himmel kommen, son- dern von dem leidigen Teufel, Gott zur Schmach erfunden. Tanzen ist ein Haufen Unreinigkeit . Tanzen ist ein fauler Baum. Tanzen ist ein leichtfertiger Schimpf, Bosheit und eitel Finsternis. Tanzen ist eine besondere böse Lust. Tanzen ist ein Unmaß, ärgerlicher, ehrloser, schändlicher imd muthwilliger Missbrauch. Tanzen ist ein satanischer Aufzug, ist ein Teufelswerk. « So ähnlich wird fortgeschimpft in dem Buche von Wiegeleb: »Was vom Tantze zu halten sey.c Halle 1697. Nicht weltfreundlich, sondern pietistisch angehaucht ist die Schrift von August Hermann Francke (Pastor zu Glaucha, Vorstadt von Halle): »Grund- und aus- führliche Erklärung der Frage : Was von dem Weltüblichen Tantzen zu halten?« Halle 1697. — Der Pfarrer zu Wolkenburg C. M. Seidel läßt drucken ein »Christ- liches und erbauliches Gespräch vom Zechen, Schwelgen, Spielen und Tanzen«. Halle 1698. — Zum Schlüsse des Jahrhunderts erscheint 1700 in Leipzig von S. Berensprung »Kurze Vorstellung, was von dem weltüblichen Zechen und Tanzen nach der Regel Gottes Worts und nach Beschaffenheit des wahren Chri- stenthums zu haltena. Beim Theologen Gerhard (in seinem Commentar zu Deuteronomium S. 340) liest man eine lange Abhandlung über die Frage : Ob das Tanzen wider das sechste Gebot und folglich verboten sei? Die Antwort ist : 1. Dass die unehrbaren, unzüch- ^goA» geilen, aus einem bOsen Quell herrührenden imd nicht in guter Absicht an- gestellten Tänze zu verwerfen sind. 2. Doch sind schlechterdings nicht alle Tänze als lasterhaft und unzulässig anzusehen und also nicht zu verdammen. Tanzen hat seine Zeit und wir lesen, dass die Heiligen ohne Sünde getanzt haben. Tanzen ist an und für sich eine indifferente Sache. — Nach ihm kommen alle freisinni- gen Theologen dahinaus, das Tanzen nicht absolut zu verdammen, sondern zu erlauben. Der Theolog Oslander glaubt: »Man muss der Jugend ihre Tänze zulassen, jedoch unter gewissen Bedingungen. v (Osiander, Cent. 4, lib. 3, 397.) Ebenso ver- theidigt der freisinnige Theologe Dr. Grünberg den Tanz als erlaubt, aber be^ dingungsweise. Desgleichen: Lange, Vom Tantzen. Gießen 1704. Zopf, De Pseudadiaphoria saltatoria. Essen 1735. J. M. von Brocke, Generalsuperintendent von Altenburg, der das Tanzen für erlaubt hielt, da die heilige Dichterin Mirjam, der König David u. A. auch getanzt hätten, wurde deshalb von einem Dorfpfarrer J. M. Crasselius zu Sana, unfern Altenburg, heftig angegriffen, bis der galante Mann abgesetzt wurde, nachdem der Lärm darüber von 1697 — 1699 gedauert hatte. Ebenso verlor des Tanzes wegen ein anderer Prediger, J. W» Kellner von Zinndorf in der Oberlausitz, seinen Dienst. (Er gab seine Geschichte selbst heraus unter dem Titel »Acta publica vom Tantz- Greuel.a 1716.) Jener geistliche Herr, Crasselius, nannte in Schrift und Predigt das Tanzen eine Sünde und verweigerte das heilige Abendmahl unter seinen Pfarrkindem jedem, der tanzte. Eine gemäßigte Stimme für das Tanzen vernehmen wir in dem Buche von Chr. Weise, die drei ärgsten Erznarren, Leipzig 1673. ^ Die Stelle (p. 283) lautet : 1 Das Buch befindet sieh unter den Neudrucken deutscher Litteraturwerke von Dr. W.Braune. Halle 1878. Nr. 12—14. (S. 160.) Digitized by Google 111 «Hierauff gedachten sie an das Tantzen und meynte Eurylas (der VerwalteT), es wflre eine Manier von der klugen Unsinnigkeit, dass eines mit den andern herumb springe und sich müde machte. Aber Gelanor (der Hofmeister des florindo) führte diese Entschuldigung an: Es ist nicht ohne, sagte er, es scheinet etwas liederlich mit dem Tantzen ; doch die gantze Jugend kömmt den alten LfCuten eitel und lieder- lich vor. Und darzu kan es auch von Alten mit Maße gebrauchet werden ; denn die Bewegung ist dem Menschen nicht schädlich , absonderlich wenn im Trincken ein klein Exceßgen vorgegangen, da sich der Wein desto eher verdauen und auß dem Magen bringen Iftsst, und also desto weniger exhalationes das Gehirne beschweren. Zwar etliche Theologi sind hefftig dar wider, doch sind etliche nicht so wider- wärtig und tantzen eins mit, dass ihnen die Kappe wackelt. Die Wahrheit davon zu sagen, so haben auch etliche alte Kirchenlehrer gar scharff geschrieben : Chorea est circulus, cujus centrum est Diabolus. Doch ist es der alten Väter Brauch, dass sie das Kind offt mit dem Bade ausschütten, und da sie den Missbrauch tadeln solten, den rechten Gebrauch (zugleich) verdammen wollen. Denn solche leicht- fertige Täntze, wie der Zeuner-Tantz bißweilen gehalten wird, und wie Anno 1530 zu Dantzig einer von lauter vermummten nackichten Personen angestellet worden ; oder wie Anno 1 602 zu Leipzig auf dem damahligen Rabeth ein Schneider- geselle mit einer unzüchtigen Breckin^ vor allen Leuten nackend herumbgesprun- gen ; oder wie auf Kirmsen und andern gemeinen Sonntagen Knechte und Mägde zu- sammenlauffen, oder auch in Städten heimliche Rantzwinckel gehalten werden : die soU man mit Prügeln und Staupbesen von einander treiben. Und da heißts: Non centrum modo, sed ipsum circulum possidet Diabolus. Aber dieses alles auf die sittsamen und züchtigen Ehrentäntze bey Hochzeiten und Gastereyen zu appliciren, ist etwas zu scharff gebutzt.c Wie wenig platonisch die Väter und das Ministerium der freien Beichsstadt Essen dachten, erhellt daraus, dass dort jedes Kind, ehe es zum erstenmal com- municirte, öffentlich dem Tanze entsagen musste. [Acta ecclesiastica IV, 950.] Im 18. Jahrhunderte, das einen Lessing, einen Schiller und Goethe hatte, wurde nach den Verboten und Predigten der Geistlichen gegen das Tanzen nicht gefragt, sondern fortgetanzt, freilich war auch das rohe, ungeschlachte Tanzen des 15. und 16. Jahrhunderts nicht mehr. Recht vernünftig, brav und klug räth Jean Paul, man solle sich in diesem Erdenleben zeitweilig einen und den anderen Spaß machen. Der Mann hat menschlich gedacht und gesprochen und deshalb noch nicht unchristlich. Unser Heiland war fröhlich mit den Fröhlichen ; dass er je getanzt habe , ist nicht be- richtet, aber er war auf der Hochzeit zu Kana, wobei jedenfalls von Tänzerinnen nach orientalischer Art getanzt wurde, und ließ durch ein Wunder Wein aus Wasser werden. Es ist jedenfalls eine arge Heuchelei, mit verdrehten Augen gegen jede Äußerung von Heiterkeit, gegen jeden Qenuss eines frohen Augenblicks zu eifern, den Tanz als einen d Hopsgang zur Hölle« darzustellen und zu verlangen : der Mensch soU e¥rig nur seine wissentlichen und unwissentlichen , wirklichen und nicht wirklichen Sünden in Gedanken erwägen. Was bei solcher Weltentsagung herauskommt, bezeugt das mittelalterliche Treiben in den Klöstern und kann man noch in manchen Bruder- und Schwestergemeinden sehen, in denen sich durch ein zweites Wunder der Wein in Essig verwandeln würde. Kaum hält man es für möglich, dass noch im Jahre des Heils 1867 zu Luxem- ^ Breokin >» Hündin, hier liederliche Frauensperson. Digitized by Google 112 buTg ein Traktat Büber das Gefährliclie der Tanzbelustigaligen von einem aufrich- tigen Freunde der christlichen Jugend« in katechetischer Form erscheinen konnte. Darin bringt der Verfasser einen Wust mittelalterlicher Naivetät und Narrheit zu Tage. Da wird unter anderm von Sünde und Ärgernis durch Tanz gesprochen und die Meinung durchzufahren gesucht : »dass wir nicht tanzend , sondern selbstver- leugnend dem Herrn folgen sollen«. Auch eine für Tanzende wichtige Räthsel- frage wird gestellt : iWo findet man keinen Raum zum Tanzen? Antwort : Auf dem schmalen Wege, der zum Leben führt.« »Tanz ist Teufelswerk, der Feuerheerd der Leidenschaften.« »Also ist der Tanz (wie er jetzt ist), so man ihn in der Gesammt- summe seiner verderblichen Wirkung betrachtet , ein wahrhaft mörderisches Un- gethüm.« Die Spitze aller Auslassung gegen Tanz ist aber daselbst die Beantwortung der Frage : »Wer soll den Tanz meiden?« Wir lassen dies Curiosum abdrucken : »Wer soll den Tanz meiden? Die Sünder — denn er wird die Vollendung ihres Untergangs. Die Kinder — denn er macht die Unschuld altem. Die Alten — denn er steht ihnen närrisch und ärgerlich an. Die Leichtsinnigen — denn er hat für sie nähere Gefahr. Die Bedachtsamen — damit sie nicht leichtsinnig werden. Die Schlechten — damit sie nicht öffentlich Ärgernis geben. Die Ehrlichen — damit sie nicht unter die Schlechten sich mischen. Die Gesunden — damit sie nicht Gesundheit und Leben dabei lassen. Die rohem Jünglinge — auf dass sie nicht vollends verwildern. Die ordentlicheren — damit sie keinen Geschmack an Unordnung bekommen. Die Frommen — damit sie keine Weltkinder werden. Die Weltkinder — damit sie es nicht bleiben mOgen.« Es mag nun genug sein an allerhand Auslassungen gegen das Tanzen. Wie die heidnischen Schriftsteller, ebenso differiren die christlichen in ihren Urtheilen über Tanz. Lange war die Streitfrage, ob Tanzen als etwas Indifferentes oder als etwas Moralisch-Erlaubtes anzusehen sei. Während eine Legion Geist- licher es schlechterdings verwarf, nahm eine andere Legion es in Schutz. Kurz, die Kämpfe für und gegen Tanz wurden in der Kirche immer heftiger, bis zuletzt die weltliche Obrigkeit denselben ein Ende machte. Kapitel Vm. Obrigkeitliclie Verbote gegen das Tanzen. (14. bis 17. Jahrhundert.) Zahlreich sind die Verbote der Obrigkeiten gegen Tanzmissbräuche und un- schickliche Tanzarten im 14. — 17. Jahrhundert. Ich will nur einige davon hier anführen, die mir gerade zugänglich waren und für eine Tanzsitten -Geschichte nicht fortbleiben können. 1. Vom Raien durch die Stat. (Nürnberger Polizeigesetz des 14.' Jahr- hunderts.) »Auch haben die Burger gesatzt : da; fürbas^ niemant weder hantwerk Digitized by Google 113 leat noch hantwerk knecht, noch dienstknecht durch die stat rayen, noch mit pfeif fern gen sullen, vw^genomen an herren Tasnacht (Sonntag vor Fastnacht), am gailn montag (Tags vor Fastnacht} ynd an der rechten vasnacht. wer es anders darrber prech oder Tberfüre, der mnst zu pu; geben ein phunt haller. wer de; gelte nicht het, den sol man in den stok setzen vnd sol darnach als lang von der Btat sein vntz (bis) er e% gibet ynd welcher spilman dabey was, der sol ein or (eine Stunde) in dem pranger (Halseisen) sten.« [Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichten, 676.] 2. Von tantzen bey der nacht. (Nürnberger Polizeigesetz des 14. Jahr- hunderts.) »Auch sol fürbiu; niemant, e; sey fraw oder man noch der letzten or (nach der zwölften Stunde) dheinen (keinen) tantz nicht haben, on des rats wort (Einwilligung) vnd der frager (regierende Bürgermeister) sol de; dheinen gewalt haben zu erlauben, on de; rats wort, vnd in we; hawse man also tantzet, e; sey fraw oder man, der sol geben zz phunt haller, vnd wer darin also tantzet, der sol icliche person geben zwen guidein. 3. »Auch sol fürba; niemant, e; sey fraw oder man, niht lenger tantzen, dann zwischen den zwein malen, vnd man sol auch aufhören, wenn man vesper zvsamme sieht, vnd in welchem hawse man darnach tantzt, der must geben X pfunt haller, vnd jede person ein pfunt haller, die da tantzt.a [Siebenkees, Materialien n, 677.] 4. Saalfelder Stadtrecht (14. Jahrhundert): Verbot der Reigen zu Fastnacht vor den Thüren und Absingen unsauberer Tanzlieder. »Wer zu den winachten singet vor den husem, der sal di stad rumen einen manden und deme richter und der stad einen vierdung gebe, ader wer da reiget zu dem nuwen jare umme gelt, da; ist di selbe bu;e.« — iWer an der vasnacht reige wil, mag her nicht spile- mans gehabe, so sal her subirlich und hubische lit vorsinge, wer da un- hnbische lit vorsunge, herwareman, frowe, knecht, mait adir juncfrouwe, der sal den bürgern gebe einen viidung (V4 Pfund Heller), und alle di da nachsungen, so saliderman gebe fumf Schillinge, da sol nimant vor bite.« [Wackemagel, Literatur- geschichte S. 259.] 5. Verbot der Gesell entänze. (Nürnberger Polizeiordnung 1485.) »Unnser Herren vom Rate haben gemerckt vnnd zu hertzen genomen vngeordnet überflüssige keit unnd cost, die sich mit den tenntzen, so die erbem gesellen hie haben, bey etlichen seitten vast vnd vnbequemlich gemert haben, vnd darumb got zu lobe, hoehfurt zu vermeyden, auch umb einS gutten gemeynen nutzes willen. So setzen vnd gebietten sie ernstlich vnd wollen: Wer nu furbas einen gesellen -tantz haben sol vnd wil, das weder dieselben noch kain ir freunde, auf dieselben zeyt in dem haws, darin er wonhafftig ist, nymand zu tisch laden, bitten vnd auch vn- gebetten nymant zu essen geben sullen, dann den peiffern, hegein (d. h. Tanz- einladem) vnd pussawnern, die inn auf dieselben zeit zu dem tantz hoffiren vnd dienen ; den sollen vnnd wollen ir gut freunde, so yderman do heymen gessen hat, ine zu eren slechtiglich mit jne zu dem tantz geen, das mugent sie thun. Dieselben noch nyemant von iren wegen sollen auch fürbas darumb weder stattknechten, pittein, lochhütem (Gefftngnisw&rtem im Rathhaus) noch andern keinen wein mere geben, als ytz vnd eüich zeyt beschehen, sonder das gantz vermeyden, vnd nur erbem frowen vnd mannen, die weil der tantz wert, schlechtige- lichen obs (Obst) vnd txinoken geben. Wol mag man den hawßwirt mit ainem viertel weins vereren*, vnd den stattknechten vnd püttein mit zwen vnd dreyßig Pfenningen vereren. Item es sol auch nymant, so man ain tantz hat, den statt- pfeyffern vnnd pusawnern auf das mayst nit mer dann ir yeden einen halben B<^]ime,G«gch. d. Tanzes. 8 Digitized by Google 114 guldin geben^ Tnd dem hegelin halb als tu. Unnd wer das obgeBchriben atuck, ains oder mer, überfare und darumb gerügt wurde, der mtlßt fünff guldin zu puß geben, on gnade.« [Siebenkees, Materialien ü, 482. Nürnberger Polizeiordnungen, herausgegeben von Baader S. 90.] 6. Verbot schändlicher Tänze im 15. Jahrhundert (Baader, Nümb. Polizei- ordnung S. 91). »Nachdem an eynen erbem rate stattlich hat gelanngt, das vil vngewonlicher schenntlicher unzymlicher vnd newer tenntze teglichen ein- prechen vnnd getriben werden, das nit alleyn Sünde vnd dem allmechtigen got on zweyfel myßflBllig ist, sonnder auch manigerlay unerlieher leychtfertigkeit, tmd darzu nachrede bey frowen und mannen geperen mag, dasselbig zu fürkomen, gebieten unnser herren von rate ernstlich und Tcstiglich : daß hinfüro eynicher hofirer oder spilman eyniohen soUichen tanntz annders dann was gewonlicher tenntz, die von alter herkomen seindt, nitpfeyffen, schlahen noch machen, auch nymant, wer der sey, frow oder man, dieselben nit tanntzen, an den tenntzen an ainander nit halsen oder umbfahen sollen. Denn wer das überfüre und änderst hielte, darumb fürbracht oder gerügt wurde, vnnd sich des mit seinem eyde nit benennen möcht, so must der hofirer oder spilman von eyner yeden überfaren fardt vier phund haller, und der oder die, so sollich tenntz getanntst betten, zway phund newer haller on gnade zu puß geben.« 7. Der Rath der Stadt Nürnberg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlässt ein »Verpodt«, dass Niemand eine Frau oder Jungfrau an den Hochzeiten und andern Tänzen herumschwingen^ yerdrehen und ohne Rock in Hosen und Wammes tanzen solle. Es lautet dasselbe vollständig (nach Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte I, 172) : »Nachdem nit allein an Einen Erbam Rathe stattlich gelangt, sonnder auch öffentlich am Tage und vor Augen ist, welcher massen bey den Hochzeiten und andern Täntzen alhier ein ganz un- geschickter und unbescheidner Misbrauch gehalten, indem das Frawen und Junk- frawen, von denen so mit ihnen tanzen, übermäßig herumbgeschwungen und verdreet werden, da muß dann nit geringe Ergemuß und Nachrede erfolgen etc., so haben sie unsre Herren diesem unzimblichen Misbrauch nit länger zusehen wollen etc., emsüieh gebietende : daß sich fürohin ain jeder, wes Standes er sey, bey allen Tenzen, so allhie, auch zu WOrdt, Qostenhof, inn den Qärten und an andern Orten umb die Stadt Nürnberg etc. gehalten werden^ alles unzüchtigen Tanzens, dazu alles Herumbschwingens und Verdrehens, desgleichen allein inn Hosen und Wammes ohne ainich darüber angethon Klaidt zu tanzen, gänzlich enthalten soll etc. Dann wer solliches in einem oder mehr Stücken über- faren darumb fürgebracht würde und sichdessenmitseinem Aide nit reinigen mocht, der sal ainem Erbem Rathe zur Straf 2 fl. unnachläßig zu betzallen yerfallen seyn.« 8. Abendtänze, Terboten im Amberger Stadtbuch 1554. [Schmellerl, 449.] »An den Abendtänzen sol sich ein jeder des Umbschwingens, Umbdrehens oder Umbwerffens der Maid oder Tenzerin, und auch in bloßen Hosen und Wammes zu tanzen genzlich enthalten. a Dasselbe Qesetzbuch verlangt im 98. Artikel: »daß kein Burger seine Schnitter und Arbeiter mehr mit Drumeln, Pfeiffen vnd Seitenspiln herein in die Stat vnd darausfüm und folgend Abendtänz mit ihnen anfangen und halten soll.« [Schmeller HI, 499.] 9. Kranzsingen (Singen vmb die Krenz] an den Abendreihen verboten im Amberger Stadtbuch 1554. »Kain Jungfrau oder Maid soll den Handwerksgesellen und Knechten an einem Abendreyen einen Kranz zu er singen geben.d [Schmel- ler H, 391.] Digitized by Google 115 10. In der bayeriBchenLandeBordnung von 1616, Bd.y, Art. 5 »ist den Weibs- personen füran das springen (beim Reihentanz) Terbotten«. [SchmeUerlll, 591.] 11. Maitänze nnd Kreuzfahrten derSchulkinder verboten. »Den 8. May 1614 hat ein Erbar Rath vom Rath-Hause herab den Tentschen Schulhaltem vnd Schnl- halterin die Cr eutzf arten mit ihren Schiilkindem weder Inn noch ausser der Statt zuhalten, — deßgleichen auch die Reihen vnd Crantz singen auch die großentäntze, dabey allerley vnzucht vnd vppigkeit getrieben, die Jugent sehr geärgert vnd zur Baberey angefahrt vnd gereitzt wird, bei straff 10 fl. verbieten lassen. a [Aus einer Nürnberger Chronik. Siebenkees, Materialien m, 117.] 12. Tanzverbote aus den städtischen Rathsbüehem zu Freiburg i. Br. sind mitgetheilt von O. Schreiber, das Theater in Freiburg, 1837, S. 10 ff. Sie lauten : a) 14. Juli 1556. Dieweil sieh das Abendtanzen auf den Gassen wieder emreißen will, ist (vom Stadtrathe) erkannt : das abzustellen und öffentlich zu ver- bieten ; auch den Almosenknechten zu befehlen, darauf Acht zu haben , die Spiel- leute anzunehmen und in das Spitals-Qefftngniss zu legen. b) 14. Juni 1559. Es ist erkannt : bis Samstag bei Strafe von zehn Schilling öffentlich auszurufen und zu verbieten alle Abend tanze in der Stadt und den Vorstädten. Item »um das Eränzlein zu singen« zu verbieten und den Jung- frauen nicht länger den »Reihen zu springen« zuzidassen dann bis zum Salve. c) 28. Juli 1568. Es ist auch erkannt: die Abendtänze in und außerhalb der Stadt, desgleichen »um das Kränzlein singen« um ein Pfund Rappen zu verbieten; und dass die Spielleute, so zu Abendtänzen helfen, gefänglich ein- gesetzt werden. 13. In der Churfflrstlich Sächsischen Polizey-Ordnung vom 1. Oktober 1555 findet sich ein Kapitel über »Unordentliche Tänze« und lautet wie folgt: »Es ist am Tage, daß Tanzen, so vor alters zu ehrlicher Erge&lichkeit und Freude vor- nehmblich des jungen Volkes gehalten worden, zugleich in Stedten und Dörfern, mit unziemblichen Verdrehen und anderer Leichtfertigkeit, zur Unzucht und Ergernüß mißbraucht wird. Da es auch an manchem orte besser wäre, es wUrde kein Tanz gestattet, sonderlich aus der Ursach, daß die Mannes-Personen mit ihren Kleidern nicht bedeckt, sich am Tanze sehen lassen, und sich sonst mit ihren Gebärden ganz unzüchtig und ärgerlich verhalten. Derhalben ordnen, wollen und setzen wir : es sey in Stedten , Flecken oder Dörfern , da hinfüro Tänze gehalten werden, daß sie züchtig und schamhaft geschehen, Mann- und Weibspersonen züchtig und gebührlich bekleidet und bedeckt sein^ und das unziemliche Ver- drehen^ Geschrei und andere ungebürUchen Geberden gänzlichen nachbleiben und von keinem, wes Standes der sey, in seinen Gerichten gestattet werde. Würde aber Jemand sich unterstehen , dieses tmser Gebot zu übertreten , So soll er von denen Gerichten desselben Orts , oder im Mangel des , er und der , dem die Ge- richte zustehn, von uns unnachläßlich gestrafet werden. Denn was Ergernüß die Mannes- und Weibes-Personen mit unverschämten Gebärden geben, das darf Nie- manden erinnert werden. Und soll ein jeder, der dieß unser Gebot am Tage über- tritt, das erste Mal 10 groschen, das andre Mal 20 gr., das dritte aber mit Ver- weisung von denen Gerichten gestraft werden.« 14. Landesordnung Gemeiner Stände des Marggrafthums Oberlausitz, den 20. November 1551. »Alle hochzeitliche und andere ehrliche und erlaubte Tänze, so auf m Rathhause oder sonsten in Häusern und anderswo geschehen, soUen sich um den Abend um 9 Uhr enden und darbey das scheußliche Verdrehen und andere Unzucht gänzlich verboten sein bei der Pön und Schock Geldes , die ein 8* Digitized by Google 116 jeder Verbrecher der Herrschaft schuldig sein soll. — Aber die L ob e- und Spinne- T&nze, desgleichen die 6 Wöchner-, Spinner- und Rockent&nze, als auch die Geldspiel , die auf Karten und Würfel geschehen , sollen hiermit allenthalben bei Vermeidung vermeldter Strafe eines Schocks Geldes abgeschafft sein, und nach der Sonne Untergang soll in den Schenkhäusem keine Weibs -Person, so darein nicht gehörig, befunden werden.« 15. Kursächsischer General -Artikel Tom 1. Januar 1580, Abschnitt XVIII. Von denen Tänzen. »So lassen wir, bis auf fernere Verordnung, geschehen, da es gebräuchlich, daß der Tanz alle Sonntage nach verrichteter Vesper-Predigt, Tom Pfingst-Dienstage an bis auf Michaelis , auch einen Tanz auf jedes Dorfs Kirmeß, und einen Tag in der Fastnacht, bei Tag und Sonnenschein, bei gewisser Pön ehr- lich, ohne einiges Verdrehen und unzüchtiges Geberde, an einem Öffent- lichen , gemeinen Orte , und in keinen Winkeln zu halten verstattet werde ; doch die ärgerlichen Lobe- Tänze, Bettler-Tänze, und was dergleichen an etzlichen Orten bishero mehr ärgerliches gestattet worden sein mag, da Knechte und Mägde einen weiten Weg mit einander, darzu bei nächtlicher Weile, nicht ohne Verdacht der Unzucht wieder heimgehen , gänzlich bei namhafter POn verbieten und ernst- lich darüber gehalten werden.« Wiederum werden »die ergerlichen Lobetentze und Bettler-Tentze« verboten in der Sächsischen Landesordnung von 1609, Abschnitt Xni, S. 150. 16. Auch in der Greif swalder Hoohzeitsordnung von 1592 geschieht »des awerflOdigen umbdreihens« Erwähnung. 17. Verbot von Johannistänzen und Sonnewend- Feuer 1622 in Nürn- berg. »1622 Sonntag den 23. Juli hat ein £. Rath vom Rath-Hauß verlesen vnd verbieten lassen , dass die jungen Buben vf den morgenden Sanct Johannestag vf den gaßen nachHoltz vnd alten Beßen vmbsingen, keine Symmet-Fewr (Summetfeuer) anschüren; darvber nicht springen, darbey nicht pfeiffen noch jauchzen oder tantzen. Auch vor die Heußer vnd in die gassen nicht grüne malen stecken , vnd in Summa bey diesen schweren gefehrlichen theuren Zeiten keine vppig vnd Leichtfertigkeiten treiben. Auch die Alten des Zechens in Meth vnd Wein in den Wirthsheussem sich enthalten selten , darumb es ein gar stiller Jo- hannestag gewesen.« [Aus einer Nürnberger Chronik. Mitgetheilt in Siebenkees, Materialien m, 252.] 18. »Anno 1620 den 5. Juni, am andern Pfingsttage ist der Schneidersgesellen dieser Statt ihr Jahr-Dantz, den sie seit viel Jahren zu Pfingsten gepflegt zu halten, eingestellt, und den 18. Juni hernach alle Gassen-Täntze, Rosenbrennen, Sümmet-feuer, vnd vmbsingen der Buben nach Holtz vnd stumpf eten Besen zu Summetfeuer vf St. Johann es tag vnd alles Geschrey vnd Leichtfertigkeit, wegen des gefehrlichen Zustands vnd Kriegswesen im Römischen Reich , vom Rathhauß herab verrufen, vnd bei 50 fl. straff verbotten worden.« (Daselbst 213.) 19. Anno 1653 den 20. Juni verordnet der Rath in Nürnberg: »Demnach bißhero die Erfahrung bezeugt, daß alter heidnischer bOser Gewohnheit nach jähr- lich an dem Johannestag auf dem Land, sowohl in Städten als DOrfem von jungen Leuten Geld und Holz gesamlet und darauf das sogenannt Sonnenwend- oder Zimmetsfeuer angezündet, dabei gezecht und getrunken, um solch Feuer gedanzet, darüber gesprungen^ mit Anzündung gewisser Kräuter und Blumen und Steckung der Brand aus solchem Feuer in die Felder und sonsten allerhand abergläubische Werk getrieben werden — als hat ein E. E. Rath der Stadt Nürn- berg nicht unterlassen sollen noch können, solche und andere Ungebührlichkeiten, abergläubische und heidnische Werk und gefährliche Feuer bei bevorstehendem Digitized by Google 117 Johannestag abziisteUen.« [Neuer literarisoher Anzeiger 1807, S. 318; Grimm, Mythologie 351.] 20. DerRaäi zu Magdeburg erließ 1544 eine Verordnung, Verlöbnisse und Hocbzeiten betreffend, in welcher es heißt : »Ins künftige soll man mit dem Bräu- tigam und der Braut um 10 Uhr Vormittags aufs späteste in die Kirche und vor 1 1 Uhr zu Tische gehen , ohne auf Jemand zu warten, jedoch denen vom Rathe, im Fall dieselben etwas zu spät kämen, die ihnen gebührende Stelle offen lassen. Um 2 Uhr soll die Braut, auch nach Gelegenheit der Bräutigam, sich mit den Gästen auf das Gildehaus zum Tanze verfügen. i>Die Tänze soll man halten, wie von Alters her, züchtig und ehrlich, ohne Verdrehen, Umschlingen und andere böse Geberden. Das Schleudern und Verdrehen beim Tanze wird bei einer Mark (nach heutigem Gelde 14 Mk. 80 Pf.) Strafe verboten. Desgleichen will ein ehrbarer Rath auch in Häusern , auf dem Marsch und sonst bei allen Tänzen Zucht gehalten wissen, bei derselbigen Strafe. Sollte aber Jemand solche Strafe verächtlich halten und vorsätzlich, gegen den will ein ehrbarer Bath nach Gelegenheit eine höhere Strafe zu gebrauchen sich vor- behalten. BUm 5 Uhr ist das Tanzhaus wieder zu verlassen, um sich, noch vor dem Schlage sechs, aufs neue zu Tisch zu setzen. Wollten die Bräute auch des Abends tan- zen, dann mögen sie das im Hause oder in der Nachbarschaft thun, aber, bei zwei Mark Strafe, nicht in einem Gildenhause. Das Czerlingsgudt (kalte Küche), so man auf den Abend pflegt zu geben, auch Feuerwerke und das Schießen, ingleichen das Tanzen um die Kufen (große offne Braugefäße, große Salzfässer? Wein- fässer hier wohl nicht) soll ins künftige bei der Hochzeit ganz abgeschafft sein.ff [Nicht urkundlicher Text, sondern übertragen bei Voss, der Tanz S. 170.] 21. In der Reichsstadt Eßlingen wurden 1545 dieNach-Hochzeitenund Nachtänze aufs Neue verboten. Eine wiederholt bekanntgemachte Hochzeits- Ordnung (1556, 58, 60, 92, 1604 und 1611) sagt: »Tänze werden nur bei ge- schlossenen Thüren, in guter Zucht und Ehrbarkeit und zwar nicht länger als bis 10 Uhr Nachts gestattet.« »Des Schießens, Trommeins und öffentlichen Tanzens auf Trinkstuben und Wirthshäusem sollen die Gäste sich ganz enthalten« (1536); doch dürfen sie mit Lauten, Geigen und anderem ziemlichen Saitenspiel und Pfeifen einen ehrbaren Tanz thun.a Während des 30jährigen Krieges erschienen auch in Eßlingen Verbote gegen den allzugroßen Aufwand, das übermäßige Tanzen und andere Unordnungen auf den Hochzeiten (1631, 36 und 40].^ Die erneuerte Hochzeitsordnung von 1659 sagt : »weil während des Krieges neben anderen Sünden und Lastern auch der Aufwand bei Hochzeiten überschwänglich gestiegen sei«, »es darf aber ein ehr- licher Tanz stattfinden, der vor und nach dem Nachtessen bis 10 oder IOY2 Uhr fortgesetzt werden könne«. [Nach Voss, Tanz S. 170.] 22. Eine Hochzeits- Verordnung zuPrenzlau (in der Mark) aus dem Jahre 1555 ermahnt: 7)dass die, so zu einer Hochzeit gehören, einen ehrlichen christ- lichen Tanz, und im Verdrehen und Umschweifen Zucht und Maß halten mögen«. 23. Eine Polizeiordnung der Grafschaft Hoya (Hannover) vom Jahre 1558 gebot den Knechten und Jungen : »bei Hochzeiten ihre Schwerter und Spieße in der Kirche und im Festhause abzulegen, weil sich der Todtschläge zu viele ereigneten«. 24. Zu Magdeburg unterblieb 1562 auf Veranlassung des Superintendenten Hezhausen das Herumführen der Mauritiusfahne, sowie das Ausstecken derselben, Digitized by Google 118 weil bei der yorjfihzigen ProceBBion zwischen den Bäckern, Schmieden und Fischern Schlägereien vorgefallen waren. Auch wurde der von Alters her, am Donnerstag Tor Fastnacht (gumpigen Donnerstag) übliche, von den vornehmsten und ange- sehensten Familien auf dem S^denkrämer-Oildenhause veranstaltete Abendtanz abgeschafft. [Voss, Tanz S. 173.] 25. In der freien Reichsstadt Landau {Rheinpfalz] erließ 1570 derRath, auf Antrag der Qeistlichkeit, eine Verordnung gegen i^das unordentliche und schändliche Tanzen. Jedermann darf nicht zum Tanz laufen, noch viel weniger selbst tanzen, oder sich unberufen dazu drängen bei Strafe eines Pfundes Pfennigec (s= ca. 9 Mk.) . Von den Strafgeldern erhielten der Bürgermeister und der Mar- schall den dritten Theil. Den Schlüssel zum Tanzhause (auf dem Kaufhause) hatte der Bürgermeister in Verwahrung. Ein Weinknecht wurde zur Aufrechthaltung der Verordnung bei jedem Tanze bestellt. Später ist auch wohl außerhalb des Tanzhauses getanzt worden, da sich aber »allerlei Unordnungen bei den Hochzeit- tänzen in Scheuern und auf den Zunftstuben« ereigneten; so erging der Be- fehl, »künftig wieder im Kaufhause zu tanzen , jedoch müsse der Bräutigam , um die Zucht und Ordnung zu erhalten , einen Stadtknecht dazu bestellen , und dann dürfe nicht länger als bis 4 Uhr getanzt werden.« [Nach Voss, Tanz S. 172.] 26. Auch der Rath in der kleinen Stadt Beigern an der Elbe (bei Torgau) erließ 1572 ein Verbot: »Frauen und Jungfrauen soUen sich ehrbar und züchtig am Tanze zeigen, und die Mannspersonen sich des Verdrehens und anderer der- gleichen Leichtfertigkeit enthalten. Welcher Mann oder Gesell oder Frauen und Jungfrauen über dies Verbot und des Stadtdieners vorgehende Verwarnung unbe- scheidener Weise verdrehen oder auf werfen wird, der soll alsbald gefänglich eingezogen, tmd darüber auch vom Rath jedes mal und so oft es geschieht um 20 Gr. gestraft werden. FjS sollen auch hinfüro alle Nachtänze im Rathhause gänzlich abgethan sein«. [Voss, Tanz S. 172.] 2 7 . In einer Hochzeitsverordnung zuDresdenl595 heißt es : »Die Mahlzeiten sind so zu halten, daß man gegen Abend um 8 Uhr aufs längste zum Tanzen komme, allda etliche Ehrentänze züchtig und ohne Üppigkeit des Verdrehens, Ein- springens und Hin- und Widerlaufens auf Zeit und Maß wie folgt thun und hal- ten kann. Wie denn auch hinfür die Weiber und Jungfrauen, wie von Alters bei den Armen und nicht bei den Händen zu und vom Tanz geführt werden sollen, was derjenige, welcher die Hochzeit ausrichtet, anordnen soll. Auch soll der Tanz im Sommer nicht über 10, im Winter nicht über 9 Uhr währen. Der Nachrichter erhält 6 Groschen und die zugeordneten Wächter , daß sie zum Tanz des Rath- hauses Thüren in Acht haben, und Niemand als die geladenen Gäste dahin kom- men lassen ; wie den Freunden, so nicht Hochzeitsgäste sind, auf das Rathhaus zu kommen oder gar zu tanzen ganz verboten sein soll.« [Nach dem Abdruck bei Voss, Tanz S. 173.] 28. In Frankfurt a. M. wurde 1604 einer Seuche wegen alles Tanzen durch Polizeiordnung verboten und dabei bemerkt: »Schon längst (seit 1563) war das unzüchtige Umschwungtanzen bei ernster Strafe verboten; jetzt aber soU Niemand mehr, wer er auch sei, Spielleute zum Tanz und zur Üppigkeit ge- brauchen. Welcher Spielmann zum Tanze geigt, soll in den Thurm kommen.« [Nach Voss, Tanz S. 173.] 29. Tanzen ohne Mantel wiederholt verboten in Regensburg 1625 — 1707. Decret vom Regensburger Senate 1709, betreffend das Tanzen ohne Mantel. [Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 456.] »Demnach Ein Wohl Edler, Hoch- und Digitized by Google 119 Wohlweiser Heir Stadt-CammereT vnd Rath mit Dero sonderbahrem Mißfallen vernehmen müssen : was massen auf denen in öffentlichen Würthshäusern, wie auch auf der Waag (ehemalige Herren -Trinkstabe) haltenden Hochzeiten eine große Unordnung in dem Tanzen wiederum einzureißen beginne, dergestalten, dass Ihrer viele von denen Manns-Personen nach althergebrachter sittlicher Observanz, weder zu denen Ehren- noch anderen gemeinen Tänzen den Mantel mehr umbehalten wollen, ja wohl gar Einige, gleichsam zum Spott allerhand Unziemliches damit treiben und die Mäntel bald um den einen Arm zu schlingen, bald von den Schul- tern völlig ab- und rings den Leib herum gewickelter zu nehmen , sich nicht ent- blöden; Unnebenst auch keinen Scheu zu tragen, in die öfters noch nicht völlig verbrachte einzelne Ehren-Tänze sich ungebührlich einzuthun ; und nicht weniger ohne einigen Respekt gegen die nicht unselten von höherer Condition, Würde und Ehren, auf dem Tanz-Boden mit anwesende Hochzeit-Gäste, viele Unziemlichkeiten zu unternehmen; dieses unartige Beginnen aber der alten Zucht und Ehrbarkeit, mithin aller bürgerlichen Wohlanständigkeit zuwider lauffet: Als (Also) befehlen Ihre Wohl Edel Vest- und Herrlichkeit allen vnd jeden ihrer Jurisdiction untergebenen Bürgern, Schutzverwandten und Inwohnern, beydes verheurathet und ledigen Standes, dass Sie oder die Ihrigen, auf Hoch- zeiten, bey und unter dem Tanzen, deß ersten TagesdieMäntel vom Anfang bis zu Ende, wie sichs geziemt, ehrbarlich umbehalten, und der in Ehren zu- lässigen Frölichkeiten mit gehöriger Modestie sich also gebrauchen sollen , damit die ehemalige gute Ordnung erhalten und Niemand der Ungebühr beschuldigt werden möge. Der- oder diejenigen aber, so diesem obrigkeitlichen ernstenGe- both zu wider leben, sollen mit 3 Reichsthaler, wohl auch, befindenden Dingen nach, mit höherer Straff angesehen werden, womach sich jeder männiglich zu achten. Decretum in Senatu den 25. Februarii 1709.« 30. Sächsische Verordnung. Dresden den 10. Juli 1650. »Wir Herzog Georg von Sachsen thun hiermit kund und männiglich zu wissen, daß unser Ober- Hof- und Feldtrompeter und lieber Getreue, Hans Arnold, unlängst für sich und im Namen der gesammten Hof- und Feldtrompeter, auch Hof- und Feld- Heer-Pauker durch glaubwürdige Unterschriften unterthänigst vorgebracht : dass die Thürmer und Hausleute, wie ihnen etwa disfalls vergönnet, auf Thürmen, sowohl auf Comödien und Gaukelspielen, sondern aller und jeder Orten, da es ihnen beliebt, vornehmlich in Gelagen, Bürger- und Bauer -Hochzeiten, Kind- taufen, Jahrmärkten, Eirchmessen und Lobetänzen und dergleichen Convivien sowohl etliche die Posaunen, als ob es Trommeten wären, mit allerhand Üppigkeit und Leichtigkeit gebrauchen. Also gebieten wir hierauf allen und jeden unserer Prälaten, Grafen^ Herren etc., insgemein unsem Unterthanen und Schutzverwandten, sie wollen diejenigen untüchtigen Gesellen und andere, welche sich der Trommeten außerhalb der Thürmer und Comödien, bei Bürger- und Bauerhochzeiten, oder auch sonstens ungebührend gebrauchen, nach Gelegenheit uns zu unserer Resolution und ernsten Bestrafung der Verbrecher unter- thänigst Bericht einschicken, sich auch hierinnen bei Vermeidung der im Kaiser- lichen Privilegium ausgedrückten Pön (Strafe) der 20 Mark löthigen Goldes 'Landers nicht verhalten.« 31. Durch Nürnberger Polizei -Verordnung von 1662 wird bei Hochzeiten der Bedienten- oder Aufwärtertanz gänzlich verboten. Bei Übertretung des Verbotes mussten Bräutigam und Braut sechs Gulden und jeder Spielmann einen Reichsthaler Strafe zahlen. — Dieser Tanz hatte offenbar Ähnlichkeit mit dem Küchentanz bei Hochzeiten der Geschlechter (s. S. 189]. Digitized by Google 120 32. Nürnberger Polizei -Verordnung von 1662. (Betreffend die SpieUeute.) »Und sollen sowohl die Stadtpfeifer, als die Organisten, Cantoren, Calcanten und Andere, so zur M u s i k bei der MaMzeit gebraucbt werden, schuldig sein, nach ToUendeter Mahlzeit, und wenn man das Handwasser gereicht hat, noch zwei oder drei geistliche Stücke auszuführen. Sodann haben sie ihre bistru- mente von sich zu legen, und femer nichts mehr zu thun. Für die genannten Stücke soll ihnen nichts absonderliches bezahlt werden, dieselbige sich vielmehr an ihre Belohnung (5 Batzen bis 1 Qulden) und ziemlicher Mahlzeit sättigen lassen, und dardber weder von dem Bräutigam, noch von anderen Qefreunden nichts weiter zu fordern, noch zu nehmen. Es soll ihnen auch nicht mehr Speise und Trank mit nach Hause gegeben werden, unter wes Schein und Namen es immer geschehen möge, bei Strafe Ton zehn Qulden, die auf den widrigen Fall, Qeber und Nehmer zu bezahlen schuldig sein sollen. Es ist auch dem Hochzeiter frei- gestellt, der Musikanten soviel er will zum Aufwarten zu gebrauchen, außer der erhaltenen Privatkopulation, dass es (wie bekannt) bei vier und sechs Musikanten verbleiben soU.« 33. Eine Königlich Sächsische Ereisdirektions -Verordnung vom 26. Januar 1839 verbietet Laub- und Durrtänze. Unter Laub- oder Labtänzen sind die Lobe tanze zu verstehen (siehe oben S. 59 und 106). Durrtänze, d. h. Durchtanze, waren Tanzbelustigungen, bei denen der Wirth denen ein Quantum Bier als Belohnung gewährte, welche am längsten beim Tanzen aushielten, also fortwährend und »durch tanzten«. Somit galt es hier einer rohen Wette und Kraftprobe, wobei es an Ausschreitungen kaum fehlen konnte. 34. Das Tanzeinstellen wegen Landestrauer begegnet uns am Ende des Mittelalters nicht schon als Gebot, sondern als Wunsch und Bitte an die Tanz- begehrenden. Im Jahre 1493 nach dem Tode des Kaisers Friedrich HI. wird in Frankfurt a. M. das Tanzen nicht gestattet. ^ Seitdem wurde es zur Gewohnheit, dass nach dem Tode des Beichsoberhauptes das Tanzen in öffentlichen Lokalen, auch in »Stubengesellschaften« verboten und nur in Privathäusem gestattet war. Kapitel H. Ausländisclie Tänze in Deutschland im 16. bis 18. Jalirliundert. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, wie die Lauten- und Orgelbücber sowie die damaligen Strafpredigten bezeugen, finden wir in Deutschland ausländische besonders aus Frankreich und Italien eingeführte Tänze. Dazu gehören : Galliarde, Volta, Pavane, Passemezzo, Courante, Sarabande und sogar die undeutsch benannte Allemande. Noch andere kommen im 17. Jahrhundert hinzu, als da sind: alle Arten Ballets, Qiguen und vor allen die Menuetts. Diesen folgen im 1 8. Jahrhundert 1 Frankfurter Bürgermeißterbuch 1483 fol. 51 pr. Michaeli : »Als Ambrosius Bedefelder scharff genannt vnd gesellschafft fureenomen haben, gönnen (erlauben); aber dantz ku halten nachdem v. g. her Ro. key. abgegangen ist, aißmaU gutHch bitten vnderwegen zu lassen.« Digitized by Google 121 neben allerlei Abarten von Menuetts noch die Anglaise, Ecossaiae, Fran9ai8e nnd endlich die Gontredanses. Von diesen fremdländischen Tänzen, die im 16. — 18. Jahrhunderte nicht bloß an deutschen H6fen, sondern auch in Tomehmen bürgerlichen Kreisen getanzt wurden, erlangen mehrere eine Bedeutung in der Geschichte der Instrumen- talmusik, indem man ganze Reihen solcher Tanzmelodien aneinandersetzte und diese »Folgen« ktmstvoll gesetzter Tänze als Suite für Klavier und als Partita für Orchester herausgab und aufführte , davon noch Proben schönster Art in den Werken unserer Altmeister Bach und Händel erhalten sind. Jene ausländischen Tänze , die auf Sitten- und Kunstgeschichte großen Einfluss ausübten , erfordern jedenfalls in der Geschichte des Tanzes in Deutschland nähere Beschreibung , die hier folgt. Vorher aber erst noch einige Worte über die Quellen zur Kenntnis der französischen Tänze. Die Franzosen sind so glücklich, schon aus dem 16. Jahr- hundert eine wohlgeordnete Sammlung von Instrumentalmusikstücken in der »Sammlung Philidora zu besitzen, die in Partitur mit Angabe der Stimmen alle seit der Regierung Franz* I. bis Ende des 17. Jahrhtinderts am Hofe gespielten Musikstücke, als Tänze , Carrousehnusiken , Jagdmusiken , Fanfaren etc. enthält. Sie ist angelegt von dem in hohem Alter 1730 verstorbenen kgl. Kammermusiker und Verwalter der kgl. musikalischen Bibliothek in Versailles, Andr6 Danican Philidor. Nach der Revolution wurde sie wieder zusammengebracht und soweit sie erhalten, in der Bibliothäque du Conservatoire zu Paris aufgestellt. Band I bringt die ältesten seit 1540 gespielten Tänze der Bretagne, des Poitou, der Champagne •und Lothringens, sowie die für besondere Veranlassung komponirten Musikstücke unter der Regierung Heinrichs m. (1574 — 89) bis Ludwig XIV. 1643. — Band n und UI bringen die Musik der BaUete, die von 1582 — 1649 bei Hofe getanzt wurden. In Band IV — XVI findet man die großen Ballets^ die zu Anfang der Re- gierung Ludwigs XIV. und vor Einführung der Oper in Frankreich bei Hofe zur Aufführung gelangten. Verloren ist Band 17 und 26 , welche Kompositionen der großen Bande der »Violinspieler der Vierundzwanziga unter Ludwig XIII. und XIV. und Band 25, der nur Musik der Komponistenfamilie Philidor enthalten hat. Diese Sammlung war mir nicht zugänglich und für meinen Zweck auch nicht nothwendig. Um zu den ausländischen Tänzen des 16. Jahrhunderts illustrirende Noten- beispiele zu beschaffen, entnahm ich solche aus den ältesten Drucken franzö- sischer Tänze bei Attaignant, Paris 1529 und 15B0, aus deutschen Orgel- und Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts, darin fremde Tänze genug vorkommen, dem Tanzlehrbuche von Tabourot 1588, dem engl. Dance-Master des 17. Jahrhunderts, sowie der Harmonie universelle von Mersenne 1636. Vor allem aber bot mir fol- gendes interessante Buch vom Braunschweiger Hofkapellmeister Praetorius reiches Material: Mich. Praetorij Terp sie höre. [Musarum Aoniarum quinta.] Da- rinnen Allerley Frantzösische Däntze vnd Lieder , Als : 2 1 Branlen , 1 3 andere Däntze mit sonderbaren Namen, 162 Couranten, 48 Volten, 37 Baletten, 3 Pas- samezze, 23 GaiUarden vnd Reprinsen. — Mit 4 , 5 vnd 6 Stimmen, Wie die- selbigen von den frantzösischen Dantzmeistern in Franckreich gespielet .... vnnd von Fürsten Taffein, auch sonsten in Conviviis zur recreation vnd ergOtzung gantz wohl gebraucht werden können. Anno 1612. (Am Ende des Registers:) Bei Michel Hering in Hamburg zu finden. Über die Autoren der von ihm 4 — 68timmig gesetzten französischen Tänze erklärt Praetorius: »Nebenstdem ist femer zu wissen, dass die Melodeyen vnd Digitized by Google 122 Arien dieser Däntze von den FrantzöBiBchen Däntzern ynd zugleich meistentheils sehr guten Geigers (auff ihre Sprach Violons genant) oder Lautenisten com- poniret vnd gedichtet seyn, ynd ihre Pässe (=sPas) in Dftntzen, Gouranten^ Baletten ynd Auffzügen etc. darnach richten ; vnd wenn sie ihre Disoipulos als große Herren, Adels vnd ander Standes-Personen, im Dantzen vnterweisen, zugleich mit auff der Geigen oder Lauten dieselbe Dftntze darzu spielen vnd musiciren. »Vnter diesen seyend noch jetziger zeit Vier, des Königs in Ftanckreich »Violons vnd D&ntzer«, welche zugleich auch dameben gute Gomponisten, im Leben. Als: 1) de la Motte, welcher an die 20,000 Kronen mit Dantzlehren erworben, 2] de la Fond, 3) de la Grenec, 4) Beauchamp. Item, Richehomme und Le Bret, beyde zwar von Königl. Mayest. keine Bestallung, sonsten aber in dantzen und componiren nichts weniger excelliren. Überdaß seynd in die 300 Meister zu Preis, so dantzen lehren, vnd zum Theil auch componiren. Aber biß an die oberzehlte gelangen sie nicht. Also seynd nun dieser Meister vnd deroselben Vorfahren auffgesetzte Melodien vnd Arien von solchen allerhand Dantzen, meistentheils von des Durchleuchtigsten Hochgebomen FtLrsten vnd Herrn, Herrn Friedrich Vlrich^ Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg, meines gnädigsten Fürsten vnd Herrn Dantzmeister AnthoineEmeraud mir conununicirt worden, darzu ich dann den Baß vnd andere Mittelstimmen nach meiner Wenigkeit gesetzt vnd meinen Namen (MPG = M. Praetorius, Cantor} bey dieselben gezeichnet.« Zu welchem Zwecke Praetorius solche Tänze bearbeitet und veröffentlicht hat, darüber sagt er in der Einleitung : »Demnach bißdahero die Neun Geistliche (Musas Sionias) . . . durch Gottes Gnade absolvirt, habe ich sowol auff vornehmer Leute, der Musik Liebhaber, vielf eltige ermanung, als auch aus selbsteigener be-' wegniß nicht für vngeziemlich, ja auch für nöthig befunden, auch die Weltliche (Musas Aonias) so weit es Zucht vnd Ehrbarkeit leiden wollen, in gebürliche auffacht (Obacht, Beachtung] zu nemen, vnd denselben gleichfals meinen bereit- willigen Ehrendienst zu leisten : In betrachtung , man nicht allein vor Fürstlichen Taffein , sondern auch bey ander ansehnlicher Leute ehrlichen Conventibus , Con- viviis, Hochzeiten vnd derogleichen Frewden-Gelagen , zu zeiten vnd zwar guten theils ein Weltliches, nicht ohne sonderbare anmutige Belustigung mit vnterlauffen zu lassen pflegt.« Also nicht für öffentliche Tanzböden und zum Gebrauch der Musikanten beim Tanzaufspielen, nicht zu Concerten, die es damals noch nicht gab, sondern zur Unterhaltungsmusik vor fürstlichen Tafeln , sowie bei ehrsamen Zusammen- künften , Schmausereien , Hochzeiten und anderen Freudengelagen wollte er Ma- terial liefern. Beginnen wir nun die Einzelbeschreibung der ausländischen Tänze in alpha- betischer Reihenfolge. Die Allemande bezeichnet den »deutschen« Tanz. Der französische Ausdruck für Musikstücke im C- oder Vs'^ft^t begegnet uns erst seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts und zwar zunächst 1580 in Philidors Sammlung, 1588 in Tabourofs Orch^so- graphie, 1636 bei Mersenne und in französischen Lautenbüchem. In deutschen Lauten- und Orgelbüchem führt derselbe Tanz noch seinen heimischen Namen »Deutscher Dantza oder »Ein guter deutscher Tantza. Alle diese Tonstücke des 16. Jahrhunderts haben zwei größere Theile : Pars I im geraden, Pars 11 im Tripel- takt. Dieser zweite Theil ist in französischen Musikbüchem weggefallen , und hat Digitized by Google 123 die Allemande blofi noch geraden Takt. In deatschen Lautenbüehem , s* B. bei Hainboffer 1603 sieben Texte lu den dentscben Tftnzen (s. MB. 44), während in Frankreich nur Allemande nie gesungen wurde, und auch in Deutscbland fiel später das Singen weg, als die Allemande ein reines Instrumentalstück wurde. Die Musik cur Allemande (MB. 82) besteht in der Regel aus zwei gleich ge- bauten Perioden von je acht Takten, oder vier Takten mit Wiederholung, und be- ginnt stets mit Auftakt: «"* v.j j j j j : j j j j j j .-1 Text: Hebung l 2 3 4 1 2 3 Hier haben wir in der Viersahl der Takte die Ghrundform fast aller deutschen Volkslieder, Märsche tmd Tänze vor uns, wie sie im Mittelalter bestanden hat und noch jetzt besteht. Der im germanischen Vers vorherrschende Auftakt ist eine Eigen- thümlichkeit, die in der sprachlichen Betonung der ersten Silbe ihren Grund hat. Nicht zuftilig erscheint es mir, dass in der Allemande (wo sie gesungen wird) die ur- deutsche Hildebrandstrophe vorliegt, bestehend aus vier Langzeilen, jede mit 4 + 3 Hebungen , wie ich durch Zahlen unter den Noten angedeutet habe. Die Musik der Allemande (im y^Tskt) geht meistens aus Dur und ist durchweg ruhig und geftUig. Die Allemande — so sagen die Musiklexika und Ästhetiker — zeigt das Bild eines zufriedenen QemtLthes ; ihr Tempo ist behäbig, die Harmonien sind gewählt, ernst und wohl vorbereitet. Wenn die Franzosen uns Deutsche nach dem ihnen zunächst sesshaften Stamme der Alemannen benennen, so darf man auch beim »deutschen« Tanz (Allemande) vor allem an den Tanz jener einfachen Natur- söhne in Schwaben und der Schweiz denken, der den Charakter jugendlicher Fröhlichkeit und heitern Temperaments besessen haben mag, wie er ihn noch hat. Aufiallen muss es aber, dass die schwäbischen Tänze und Tanzlieder heut- zutage und nachweislich schon im 18. Jahrhundert im ^^T^kt geschrieben sind, dass femer alle Tänze, die in Süddeutschland bis nach Mozart's Zeit »Deutsche« ge- nannt wurden, den Walzertakt haben, während die alte Allemande im 16. und 17. Jahrhundert den geraden Takt festhält. Wie ist dieser Widerspruch wohl zu erklären? Jedenfalls ist der Name Allemande nicht von einem Deutschen aus- gegangen, sondern nur eine willkürliche Bezeichnung für einen ernsten ruhigen Kunsttanz, durch französische Tanzmeister im 16. Jahrhundert entstanden. Man kannte in Frankreich damals sehr wahrscheinlich den deutschen , getretenen Tanz im ^^ '^^^ , &ber den dazu gehörenden , aus Tripeltakt gehenden Springtanz ignorirte man (weil man dafür die Courante hatte) und bezeichnete nur den ge- tretenen Tanz im ^J^ Takte als deutschen, als Allemande. Über die Ausführung der Allemande lassen wir uns durch den französischen Tanzlehrer und Domherrn Tabourot belehren, der in seiner Orch^sographie 1588 [Czerwinski, Übers. S. 82] sagt: »Die Allemande ist ein bei den Deutschen ge- bräuchlicher Tanz von mittlerem Tempo , von dem ich glaube , dass er zu den ältesten unserer Tänze zählt, denn wir (?) stammen von deai Alemannen ab. Er ist ein geselliger Tanz, den Sie (sein Schüler Capriol) mit mehrern Andern zugleich tanzen können, indem Sie eine Dame an der Hand führen und andere Paare sich hinter Ihnen aufstellen. Alle entweder nach, vor- oder rückwärts im geraden Takte drei Pas und eine Ghnie (Fu£hebung) ohne Sprung tanzen. An einigen Orten wird nur ein Pas und eine Fußerhebung gemacht. Sind Sie am Ende des Saales angelangt, so wenden Sie um, ohne die Hand der Tänzerin loszulassen, Digitized by Google 124 und die Ihnen folgen machen dasselbe , sobald sie eben dort anlangen. Wenn die Musiker zu spielen aufhören und die erste Partie des Tanxes beendet ist , bleiben Alle stehen, unterhalten sich einstweilen jeder mit seiner Dame, und beginnen so- dann den n. Theil, der dem ersten gleich ist. Wenn Sie zu der dritten Abtheilung kommen, so haben Sie dieselben Pas im schnellern Tempo und gedrängter zu machen, wobei Sie kleine Sprünge hinzufügen, wie bei der Courante, und wie Sie aus der beigedruckten Tabulatur ersehen.« Hier sind die Noten. Arie zum L und 11. Theil. I ^^ ö^ ^ ^ -t^- ^ 4: ^ 1^^ ^^ ^ ?ä= flf g. * h i J JJ- Zum III. Theil (der wie Courante getanzt wird). i^rrrr i -^^J ^ * s jZZÄ (schnell). Aus dieser Beschreibung ersehen wir : die alte AUemande gping aus ^/^ Takt und war nichts anderes als der getretene deutsche Tanz des frühem Mittelalters. Der zweite Theil, den der wenig musikalische Tabourot falschlich im geraden statt Y«Taktgiebt, ging schneller und wurde gesprungen (also Spring tanz). Diese alte AUemande, davon MB. 82 und 138 noch hübsche Beispiele bringen, verschwand allgemach im 17. Jahrhundert aus den Tanzkreisen, wurde aber bis in das 18. Jahr- hundert in Ciaviersachen erhalten. In den Suiten geht die ernste AUemande der bewegUcheren Courante voran, die stolze Sarabande folgt und die rasche Gigue schUeßt die Folge. Wie in Frankreich und Deutschland kannte man auch in England zur Zeit Shakespeare's (1564 — 1614] die AUemande und verstand darunter einen um- gehenden, getretenen Tanz zum Unterschied vom Springtanz. Eine gleichzeitige ParaUelsteUe zum Hamlet, die der SchriftsteUer Steevens nachgewiesen, sagt: »We Germans have no changes in ourdances: An almain and an up spring, that is aU.a Ebenso gehörte auch in Spanien die AUemanda zu den übUchen Tfinzen des Mittelalters, deren Aufhören der große Freund dieses Tanzes, der Dichter Lope de Vega (1562 — 1635) in seinem Roman »Dorothea« bedauert. Unbekümmert um die fremde und verkehrte Namensgebung da draußen tanzte in der Heimat das Schwabenvolk seinen gewohnten Rundtanz JvSchwä- bischff oder Schleifer im angestammten ^4 Takte fort und so bis heute. Nach Verschwinden der alten AUemande im ^2 l^&^te wird es im 17. und 18. Jahrhundert Brauch, unter einer AUemande oder einem JiDeutschen« einen Tanz im Tripeltakte zu verstehen. Die AUemande mit Touren^ ist ein Kunsttanz spätem Ursprungs, der wie der schwäbische Schleifer aus 3/4 oder Yg Takt geht. Sie wurde zuerst um das Jahr 1680 am Hofe des französischen Königs Ludwig XIV. zu VersaiUes ge- tanzt. Die Tanzenden stehen paarweise hintereinander oder auch sind zwei Herren jeder zwischen zwei Damen einander gegenüber placirt. Der Schritt ist der des langsamen Walzers, besteht nur aus drei sogenannten pas marchös und wird ganz > Vergl. A. Waldau, böhmische Nationaltänze 1859. I, 65. Czerwinski, Tanz- geschichte S. 153. Voss, Tanz 326. Digitized by Google 125 gescblifTen, bald vorwftrto, bald zurück. Der Tanz ist unstreitig einer der schönsten und gemüthlichsten, doch sind die Touren zum Theil schwierig auszufahren, wenn die Grazie nicht verletzt werden soll, da der vorzüglichste Reiz in der un- gezwungenen Haltung und Verschlingung der Arme liegt. — Im Grunde ist die Allemande nichts anderes als der am Hofe Ludvrigs XIV. mit Touren arrangirte deutsche Walser. Diese Allemande sollte eine Art künstlerische Einverleibung der deutschen Provinz Elsass in das französische Reich (1680) sein. Wiederaufnahme fand sie 1703, und noch unter Napoleon I. machte sie auf Pariser Theatern Furore, sodass sie in den Zwischenakten oft aufgeführt werden musste. Die Bonrr^e ist ein altfranzösischer Volkstanz , der aus der Auvergne stammt, aus ^4 ^^^^ sehr gem&Bigtem ^4 '^^^ S^^t, stets mit zwei Achtel Auftakt beginnt und den Rhythmus Va f2 I J ®^' H\Jj,j2 I Sl durchweg festhält. Die Musik hat zwei Reprisen von je acht Takten (MB. 83). Es hat dieser Tanz etwas Gelassenes, Unbekümmertes und liebenswürdig Nachl&ssiges in seinem Wesen ; fließend gleiten seine simpeln, halbheitem Melodien dahin. Freilich in Suiten und Partiten wurde die Musik freier behandelt und diesem Tanze, wie auch andern Tanzmelodien, das Nationale genomm«&. — Das Chemnitzer Musiklexikon vom Jahre 1749 zählt die Bourr6e zu den langsamen französischen Tänzen und sagt : sie sei nebst Menuett und Courante der dritte Fundamentaltanz, weil sie die Floretts (besondere zierliche Pas) in sich schließe, sei leicht zu lernen und lustig zu tanzen. — Die Tanzschritte der Bourr6e sind kurz und munter und wurden später in der Allemande, Anglaise und Ecossaise angewendet, wo man sie i»pas fleuretcc nannte. Man tanzte die Bourr^e einfach und figurirt und hatte verschiedene Arten, z. B. Bourr^e d'Achille, Bourr^e de Versailles etc. [Czerwinski, Tanzkunst 90. Die Aus- führung lehrt Klemm, Katechismus der Tanzkunst 56 — 61.] Bergamasca oder Bergamasker Tanz ist ein italienischer Tanz, der seinen Namen von der in der Lombardei gelegenen Provinz Bergamo hat, deren Bewohner in Manieren und Sprache als größte Tripel in Italien galten. Als eine Art Bauemtanz lässt ihn Shakespeare im Sommer- nachtstraum (5. Akt) tanzen, nachdem Zettel den Herzog ge&agt, ob er einen bergamaskischen Tanz zu sehen wünsche. Somit war die Bergamasca schon im 16. Jahrhundert gekannt. Musikstücke dieses Namens kommen noch am Ende des 18. Jahrhunderts in Violinsonaten vor. Sie gehen aus % Takt und bestehen aus zwei Theilen mit je acht Takten. Der Branle ist unter allen französischen Tänzen der älteste, weil er der Urtanz aller Nationen, d. h. ein mit Gesang und Spiel begleiteter Chorreigen ist, was in Deutschland Leich und Reigen hieß. Die Schriftsteller über Tanz und Musik mühen sich vergeblich um eine richtige Beschreibung dieses Tanzes, weil er nach Zeit und Gegend so vielgestaltig in seinem Charakter war. Fest stehen folgende Punkte über Ausführung des Branle : 1. Die Tänzer bildeten einen Kreis, fassten einander Hand an Hand und machten allerhand Verbeugungen. Darum nennen Praetorius und Rousseau ihn einen veralteten rondoartigen Tanz mit ländlichen Tonweisen, den ihrer Viele, einander an der Hand führend; in die Runde tanzten. (Walther.) Digitized by Google 126 2. Zu jedem Branle wurde gesungen, d. h. der Tanz war Ton Qesang b»* gleitet, wie man das noch heute in Südfrankreich auf dem Lande sehen und hören kann. 3. Eigenthümlich in den dazu gesungenen Tanzliedern war der fröhliche Refrain, d. h. Wiederkehr des ersten Themas nach verschiedenen Zwischen- sätzen. Das gilt noch jetzt von Wort und Weise aller echten Volkslieder. 4. Die Bewegung war nicht so heftig, wie in den Qalliarden und Couranten, sondern gelind; es wurde getanzt allein »mit den Knieen, ohne Sprüngea. (Praetorius 167.) 5. Die Musik ging jederzeit aus geradem Takte bei mäßigem Tempo. Wir sehen hieraus, dass unter Branle nichts anderes als der »getretene Tanz« oder Reigen der Deutschen zu verstehen ist. Das Wort Branle (ältere Form »Bransle«) ist abzuleiten vom französischen »branslerc, sich regen, sich bewegen. Mit diesem Tanze, davon es schon im 16. Jahrhundert in Tabourot^s Orcheso- graphie (1588) verschiedene Gattungen giebt, wurden ehemals in Frankreich alle Bälle angefangen, wie jetzt mit der Polonaise. Zur Zeit Ludwigs XIV. war die stän- dige Tanzordnung: »Branle, Courante, Gavotte und Menuett. «r Noch zu Matthesons Zeit (1700 — 1730) waren die Branles in Opern ge- bräuchlich. In Suiten sind sie niemals vorgekommen. Musikproben siehe Bei- lagen Nr. 84—87. 141. 189. 190. Der Canarle (Canary, Canarienvogeltanz) war ein schon im 16. Jahrhundert in Frankreich ge- kannter, noch mehr aber im 17. Jahrhundert unter Ludwig XIV. und auch in England beliebter Tanz, der den befiederten Bewohnern der canarischen Inseln ab- gelernt und wahrscheinlich von spanischer Herkunft ist. Treuherzig bemerkt M. Praetorius , als er eine Probe mittheilt (s. MB. 88) über die Abstammung dieses Tanzes: »Aus der Insul Canariena. Richtiger urtheilt Tabourot 1588 in seiner Orch^sographie [Czerwinski, Übersetzung 123] : »Manche behaupten, dass dieser Tanz auf den canarischen Inseln gebräuchlich und allgemein verbreitet sei. Andere meinen (und denen schließe auch ich mich an) , dass derselbe einem für eine Maske- rade componirten Ballete entnommen wurde, bei welchem die Tanzenden als König und Königin von Mauritanien, oder auch als Wilde, mit vielfarbigem Feder- schmucke geziert, verkleidet waren. j)Der Canarie wird folgendermaßen ausgeführt : Ein junger Mann wählt eine Dame und tanzt mit ihr nach der entsprechenden Musik bis an das Ende des Saales, wo er seine Tänzerin verlässt und rückwärts tanzend an den Ausgangspunkt zurück- kehrt, stets die Dame im Auge behaltend. Sodann nähert er sich ihr wieder , wo- bei er gewisse Passagen ausführt, worauf er abermals zurückweicht. Die Tänzerin führt hiemach dasselbe aus, indem sie unter Passagen an den Tänzer herankommt und wieder zurückweicht, was nun abwechselnd von Beiden solange geschieht, als die verschiedenen Passagen dies möglich machen. Die Passagen sind zwar sehr heiter und lustig, aber auch fremdartig; bizarr und wild.« — Ähnlich beschreibt dieses Vor- und Rückwärtshüpfen durch den Saal von einem Tanzpaare Feuillet in seiner Choreographie 1700. Die Musik derCanarie's (MB. 88. 89) bewegt sich im schnellen '/g oder VsTakte, deren erste Note gewöhnlich punktirt ist ( J.j| J ) . Sie hatte zwei Reprisen , ohne Auftakt. Nach der Vorschrift Matthesons (vollkommener Kapellmeister 227) müssen Digitized by Google f»7 die Canarie'Sy die er sni den Giguen rechnet, große Begierde nnd Hurtigkeit mit sieh fahren, eher dabei ein wenig einfältig klingen , was dadurch hergestellt wird, dass alle vier Ahsfttse jedesmal im Haupttone schließen. Die Chaconne (ital. Ciacona) ist ursprünglich ein in Italien beliebter Tanz gewesen . Dann benennt man auch mit diesem Worte ein längeres ausgeführtes Tonstück, im ^^Takt und stets in Durtonart, darin ein obligater Bass von 4 — 8 Takten, nachdem er Anfangs allein yorspielt, fortwährend wiederholt wird, aber zu demselben dann allerhand Melodien nach Art der Variationen in der rechten Hand ausgeführt werden (MB. 90). Dieser feststehende Bass (Basso ostinato genannt) darf jedoch auch im Verlauf des Stückes in die verwandte Molltonart versetzt und ebenfalls mit Variation in der Gegenhand versehen werden. Händel und Bach haben dergleichen Bässe reizend und tiefsinnig, durchweg aber meisterlich durchgeführt. Auch in Glucks Alceste ist die Chaconne verwendet. Die Chaconne soll von den Arabern nach Spanien gebracht worden sein und von dort aus weitere Verbreitung gefunden haben. Ihren Namen will Mattheson von einem Eigennamen Chacon ableiten. Nach Anderer Meinung soll sie durch einen Blinden (ceccone) erfunden worden sein, woher ihr Name stamme. Sie wurden von Personen beiderlei Geschlechts paarweise getanzt. Das Tempo war etwas langsamer als das der Menuett. In der zweiten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts war sie besonders beliebt und fasste seitdem festen Fuß auf allen Bühnen, obwohl die Sittenrichter wiederholt gegen sie eiferten. Ähnlich an Charakter und Ausführung ist die Passacaglia (s. unten) . Über das Tempo beider sind alte Autoren nicht einig, Mattheson will die PassecaiUe etwas rascher als die Chaconne gespielt haben. Die Cioarante oder Corrente war ein altfranzOsischer Tanz im gemäßigten ^2 ^^^^ ^4 Takte, und zwar niemals Volkstanz, sondern nur Kunsttanz der feinem Gesellschaft vom 16. bis 18. Jahr- hundert. Die Tanzmelodie ergeht sich in Ueblicheh , zierlichen Läufen , die (nach Mattheson's Annahme) süße Hoffnung, Sehnsucht und Verlangen aussprechen, zu- gleich etwas Herzhaftes und Erfreuliches enthalten. Sie besteht aus einer kurzem und langem Reprise , beginnt mit einem kurzen Auftakte und schließt mit dem schweren Takttheile. Ihr Vortrag ist mehr gestoßen als geschleift. — Als Tanz- weise wurde sie gesungen , gegeigt , auf der Laute und auf dem Ciavier gespielt. Für die Laute war sie im 16. und 1 7. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland sehr beliebt. Alte Musikproben gebe ich in MB. 9 1 — 94 und 151. — Als die Cou- rante in die Suite Au&ahme fand , wurde ihre Musik freier behandelt. Proben giebt es zahlreich bei Händel und Bach. Auch in Glückes Orpheus Nr. 39 steht ein Beispiel. Wie ihr Name (vom lat. currens saltatio) andeutet, war die Courante ein ge- tretener Tanz, ein Umgang mit der Dame, unter vielen Verbeugungen, Auf- treten auf die Fußspitzen und andern künstlichen Pas. Nach erfolgter Reverenz führte der Tänzer seine Tänzerin mit gebogenen, gestrichenen und hüpfenden Pas in einem Oval oder im Viereck herum, zu dem Platze zurück, abermalige Reverenz und der Tanz^ war zu Ende. Digitized by Google 128 Sie mu8S im 16. Jahrhundert anders als später getanzt worden sein, darum die Beschreibung ihrer Ausführung belTabourot (1588) nicht zu der in sp&tem Werken stimmt. Irrthum ist jedenfalls die Angabe Tabourota, dass der Tanz raschen ^/j oder ^4 Takt habe, da doch gleichzeitig und vor und nach ihm alle Couranten den raschen ^2 ^^®' V« ^^^^ V4 '^^^t aufweisen, z. B. schon die in Philidor*s Samm- lung Bd. I. stehenden, von Heinrich ü., Karl IX. und Heinrich in. (also ca. 155(> — 80) getanzten Couranten. Im 16. Jahrhundert war die Courante eigentlich mehr ein kleines panto- mimisches Divertissement als ein Tanz, dessen Einleitung den Tänzern dazu diente^ ihre persönlichen Vorzüge und Fähigkeiten, sowie ihre tanzkünstlerischen Talente zu zeigen. Auffallend und an den Walzer gemahnend ist nach der Erzählung Tabourot*s (1588, Übersetzung 81) etwas in der Ausführung derCourante. Nachdem er seinem Schüler die Tanzpas gezeigt hat, sagt er : »Zu meiner Zeit (also vor 1 530) hatte man auf die Courante eine Art Spiel, ein Ballet eingerichtet. Drei junge Leute wählten drei Mädchen und stellten sich mit ihnen in die Reihe auf. Der erste Tänzer führte seine Dame an das andre Ende des Saales und ließ sie dort stehen, während er zu den andern zurückkehrte ; der zweite und dritte TtLnzer thaten dasselbe, so dass die Damen an dem einen, die Herren am andern Ende des Saales allein standen. Sobald der dritte zurückgekehrt war , begann der erste mit allerlei Sprüngen und verliebten Gebärden, wobei er seine Beinkleider streckte und sich das Hemde zurecht zog , sich wieder seiner Tänzerin zu nähern , die ihn aber mit der Hand abwehrte und ihm den Rücken kehrte, darauf er wieder zurück- ging und sich trostlos zeigte. Ebenso thaten die beiden Anderen. Hierauf aber tanzten alle drei ihren Damen entgegen und baten mit gefalteten Händen um Qnade und Verzeihung: dann ließen sich die Tänzerinnen von ihren Herren in die Arme schließen und tanzten mit ihnen die Courante zu Ende.« Im 17. Jahrhundert wurde die Courante durch die Tanzakademie zu Paris umgearbeitet und zum Ceremonientanz umgeschaffen und nahm in der fein- gebildeten Welt dieselbe Stelle bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts ein, wie ehe- dem die Pavane und die kurz nach der Courante folgende Menuett. Die Aus- führung des Ceremonientanzes (der Courante) hat Czerwinski in seiner Geschichte des Tanzes S. 131 ff. beschrieben. Die Wiedergabe liegt mir fem. Bemerkt sei zum Schluss noch, dass einige Franzosen die Entstehung des Walzers aus der Courante herleiten wollen. Die Galllarde (ital. Gagliarda, franz. Gaillard) war nach ihrem Ursprung ein altitalienischer Tanz von lustigem Charakter, aber auch in Frankreich, Spanien, England und Deutsch- land im 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebt. Ihr Name wird abgeleitet vom italienischen )>gagliardoff, was so viel heißt wie lustig, stark, kühn, üppig. Dieselbe Herleitung hat der Franzose, denn sein »gaillard« heißt lustig, ausgelassen. Nicht falsch ist die Herleitung des Namens Galliarde quasi Valiarde vom lateinischen validus = stark, wie Taubert (Tanzmeister 1617, S. 369) und Walther (Lexikon 1732) annehmen, da das lateinische und das italienische Wort eines Stammes sind. »Es ist ein gar lustiger starker Tanz«, meint Walther. »Er hat ein gar fröhliches, straffes Wesen. Weil demnach der Gaillard mit geradigkeit vnd guter Disposition, mehr als andere Täntze verrichtet werden, hat er ohne zweifei den Namen daher bekommen«, sagt Praetorius [Syntagma 1619. HI, 24]. Weil dieser Tanz bei den Römern hauptsächlich im Gebrauch war, vielleicht dort seinen Ursprung hatte, nannte man ihn ehedem geradezu Romanesca, und Digitized by Google 129 in Frankreich Romanesque, römischen Tanz, und es erklären altere Autoren (wie Brossard, Tabourot}, dass die Musik der Galliarde und Romanescay sowie die Ausführung beider T&nze dieselbe sei. Die Musik der Qalliarden stand stets im ^j^ oder Y4 Takt, mit stark mar- kirtem Volltakt beginnend, dabei die erste Note im zweiten Takte doppelt lang oder punktixt. z. B.: »/l J J J IJ. J J II J J J I « J II B. waren in der Galliarde 5 Fufistellungen (Pas) nothwendig, weshalb sie auch »cinque pasa genannt wird. Dem entsprechend musste die Musik sein, wie das folgende Noten- beispiel aus Tabourot (Orch^sographie 1588) bestätigt: 45 123 45 123 45 La tra-di - to - re mi fa mo-ri-re i ^^ über das Alter dieser Galliarden-Melodie erzählt Tabourot: »Als ich in Poi- tiers tanzen lernte (um 1530?), spielte unser Tanzmeister eine Galliarde, welche «La traditore my fa morire« hieß. Sie ist eine der schönsten der damals üblichen Galliarden.flT Das Tempo der Galliarden war mäßig geschwind, wurde mit der Zeit aber rascher genommen. Schon Tabourot bemerkt (S. 43 der Übersetzung) , dass dieser Tanz seiner Zeit (1588) sehr stürmisch getanzt werde, früher viel ruhiger ge- wesen sei. Die Melodie war fließend und hatte in der Regel zwei Reprisen von je vier oder acht oder zwölf Takten, wobei die Tänzer unter grotesken Sprüngen das Zimmer nach allen Richtungen durchschleiften. Nach Frisches Wörterbuch wurde die Galliarde nach der Länge und nach der Breite des Saales mit Schleifen der Füße und Gapriolen getanzt. (Die ausführliche Beschreibung der schwer aus- zuführenden Tanz-Pas, wie sie Tabourot giebt, gehört nicht hieher.) Das Alter der Galliarde ist nicht zu bestimmen. Musikstücke dieses Namens kommen schon 1529 in den alteren Notendracken vor, für Klavier und mehrere Instrumente oder Suigstimmen; femer finden wir sie in allen Lautenbüchem, in Orgeltabulaturen 1577 als Newe Galliarden, Gaillard Fran9ais stark vertreten. Sie wurden gesungen und gespielt zum Tanze, oft beides vereint. In den Musikbeilagen Nr. 46^ 95—100. 112. 140. 142. 170. 172. 173. 178. 179. 184^. 185 findet der Leser eine Anzahl Galliarden. Die Galliarden wurden auch wegen des darin vorkommenden »Umkehrenstr Volten genannt (s. unter Volta S. 140 fg.). M. Praetorius (Syntagma Mus. III, 24} behauptet von diesem Tanze : «Auch wird er von den Italienern Saltarello genannt, wenn sie Texte von Liebesliedern dazu setzen , welche sie in Maskeraden singen und zugleich tanzen , ohne weitere Instrumente dabei zu gebrauchen.« Diese Behauptung ist nur insoweit richtig, als jeder Saltarello, dem deutschen Springtanz entsprechend, aus dreitheiligem Takte geht. Ein Saltarello bildete daher im 16. Jahrhundert stets den zweiten Theil (den Nachtanz) zum vorangehenden ruhigen Tanz im geraden Takt, das war eine Pavane oder ein Passemezzo. Heutzutage heißt jeder römische Straßentanz im raschen •/g Takte Saltarello und ist derselbe Tanz wie bei den Neapolitanern die Taran- tella. Bemerkt sei, dass man in Deutschland auch den Spottnamen »Geißtanzv für Galliarde findet. Böhme, Oeicli. d. Tanzes. 9 Digitized by Google 130 Die Gavotte ist ein altfranzöeisoher Tanz, dessen Ursprung Ton den Qavots, den Bergbewohnern der Dauphin^ hergeleitet wird.^ Im 16. Jahrhundert kommt sie noch nicht vor, wenigstens nennt 1588 die Orch^sographie sie noch nicht. Um 1600 — 1612 kam sie durch französische Tanzmeister nach Deutschland und aus der Hand solcher hat Praetorius in einem Bransle simple sechs Gavotten mitgetheilt.^ Es sind heitere, muntere Melodien im geraden Takte, wie sie zu ReigentSnzen der französischen Bauern gesungen und daher zu jedem Bransle benutzt wurden. Der Charakter des Tanzes ist munter und zärtlich, das Tempo etwas lebhaft. Die im 1 S.Jahrhundert und schon vorher in französischen Opern vorkommenden Gavotten (MB. 200) haben als Eigenthümlichkeit , dass sie nach Axt vieler fran- zösischer Nationalgesftnge stets mit zwei Viertelnoten Auftakt beginnen , also den Rhythmus V4 J J J J J 1 J ^®' J J ] Jl J J J J^ darstellen. Die Musik hat zwei Theile von je acht Takten, die sich wiederholen. Beispiele der alten Gavotte sind zu finden bei H&ndel, große Altarie im Josua ; Gluck, Orpheus Nr. 36, Alceste am Schluss. In jüngster Zeit ist die Gavotte wieder in moderne Suiten eingeführt und als Salon-Tanzstück, sogar alsKoncertstück beliebt geworden. Zu der vielgehörten Ga- votte >Air Louis XIII. v, komponirt von H. Ghys 1868, findet man die wahre hi- storische Unterlage unter MB. Nr. 166. Die OIgne oder Olque (spr. Schihk) , italienisch Gig a, englisch Jig. Darunter verstand man einen alten Tanz von fröhlichem Charakter, im muntern Tempo und stets im ^/^ oder ^^/g Takt, oder ^4 Takt mit 12 Achteltriolen notirt. Sie kommt als Musik- stück vor der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht vor; seitdem aber wurde sie in England^ Schottland, Frankreich, Italien bekannt und beliebt, hat sich als Ton- stück in Partiten und Suiten auch in Geigen-Koncerten bis spät ins 18. Jahr- hundert erhalten und ist — was zu beachten — als Schiffertanz in Irland und England noch heute in Gebrauch. Die Urheimath des Tanzes ist bis jetzt noch nicht festgestellt. Französischen Ursprungs ist sie keinesfalls , da sie weder in Tanzlehrbüchem (z. B. bei Tabourot 1588) unter den damaligen französischen Tänzen erwähnt ist, noch auch in der Terpsichore von M. Praetorius 1612 voi^ kommt Ich halte die Jig, schott. Jegg (spr. Schik], nach ihrem Ursprünge für einen keltischen Tanz. Darauf weist ihr Verbreitungskreis und besonders der Um- stand hin, dass sie noch heute bei Völkern gekannt und volksthümlich ist, die keltuche Überreste inSprache undSitten bewahrt haben: bei den Iren und Schotten. Mattheson (vollkommener Kapellmeister 1739, S. 227) scheint diesen Ursprung zu ahnen, in- dem er die englischen Giguen die gewölxnlichen nennt, und Walther's Lexikon 1732 bezeichnet die Gigue geradezu als »Englischen Tanzer. Walther nennt die Gigue oder Chique eine Instrumental-Pifece , allerdings habe ich unter allen ge- sammelten Giguen nie eine für Gesang bestimmte gefunden. War dieser Tanz ^ »Gavotte : Ist ein Landt (?) , darinnen eitel Bawren wohnen , von welchen dieser Dantz erst herkommen. Vnd diese Dänize werden aUe begriffen vnter dem Namen Bransle simple, weil sie aUe also: wie sie in der Reye folgen, nacheinander gespielt vnd ge- dantzet werden.« M. Praetorius, Terpsichore 1612. « Davon einige in MB. Nr. 101—103. Vergl. Nr. 198. Digitized by Google 131 aber wirklieh niemals gesungen, sondern nur für die Geige bestimmt, so dürfte man daraus folgern, dass sein Name von dem Saiteninstrument der Fiedel oder Geige entlehnt sei, die seit dem 12. Jahrhundert nach ihrer Ähnlichkeit mit einem Schinken oder Thierschenkel gigue heißt. ^ Als Tanzstück in englischen Tanzsammlungen hatten die Giguen durchweg einen muntern , lebhaften Charakter (Presto-Tempo) , bestanden in der Regel aus zwei Reprisen von je 8 Takten. Die Musik zeigt nur glattfließende flüchtige Passagen mit folgenden Rhythmen (s. MB. 105. 106. 202) : '/» -CJ] I n: II •/» -^ I j -rn: I mn^ II "/« n: ^^H II Mattheson (vollkommener Kapellmeister S. 227) unterscheidet vier Arten dieser Tanzweise, gibt jeder aber einen andern Charakter, womit er Unerwiesenes behauptet und sich widerspricht : »a) die englischen Giguen oder die gewöhnlichen haben zu ihremAbzeicheneinenhitzigen und flüchtigenEifer, einen Zorn, der bald vergeht; b) die welsche Giga (ital.), die nicht zum Tanzen (?) sondern zum Geigen gebraucht wird, wovon auch ihre Benennung herrühren mag (I), zwingt gleichsam zur äußer- sten Schnelligkeit und Flüchtigkeit, doch mehrentheils auf eine fließende und keine ungestüme Art, etwa wie der glatt fortschießende Strompfeil eines Baches.« c] Die canaris che n Giguen nennt er hüpfend, mehr davon siehe unter Canarie (S. 126). d) Die spanischen Loures, die Mattheson als hochmüthig einhergehend und also abweichend im Charakter schildert, gehören wohl nicht in diese Gattung, auch ist ihr Name gar nicht spanisch. Die Loures sind altfranzösische Volkstänze , ursprünglich für den Dudelsack ; denn Loure be- zeichnet im Altfranzösischen eine Sackpfeife , »Loureur« den Sackpfeifer. — Sie bewegten sich langsam und gpravitätisch im % Takte , gewöhnlich die erste Note punktirt, zuweilen auch mit Auftakt •A J.;^J|J J Jl etc. oder ^J J | J. J^ J | J J J etc. Sie zeigen nach Mattheson (der sie unter das Geschlecht der Giguen rechnet) »ein stolzes aufgeblasenes Wesen, weshalb sie bei den Spaniern beliebt sind«. [MB. 107.] Die Menaett (franz. le Menuet, ital. 11 Menuetto) ist ein höchst graziöser französischer National- tanz, der aus Poitou stammt. Sein Name kommt her vom franz. menu (d. h. zier- lich, klein), weil der Tanz mit kleinen zierlich gemessenen Schritten getanzt wird. »Die Menuett ist eine Tochter der Courante, und weil aus ihr entsprungen, wurde sie von Tanzmeistem gleich nach der Courante gelehrt, als der zweite Fundamental- Satz« (s. Taubert, Tanzmeister 615). Die erste Menuett wurde 1653 zu Versailles von Ludwig XIV. mit seiner Maitresse getanzt. Die Musik dazu hatte Lully, der Vater der französischen Heldenoper, gemacht. Lully's Menuett ist in Noten erhalten (MB. 109). Die Melodie geht aus ^j^ Takt ; die drei Viertel habei>nie Punkt, aber sie lösen sich zu- 1 Grundlos ist die Herleitung des Tanzes Giga und Gigue von einem indecenten Tanz der Kongo -Neger an der Westküste Afrikas, welcher Chica heißt und aus welchem in abgeschwächter Form der spanische Fandango hervorgegangen sein soU.; Digitized by Google 132 weilen in Achtelnoten auf. Das Ganze hat zwei Reprisen von je 8 Takten ; nach je 4 Takten ist ein merklicher Einschnitt. Die einstimmige Melodie istTon einem ein- stimmigen Basse begleitet, der zuweilen imitirend auftritt. Volle Accordgriffe giebt es nicht. Der Charakter der Menuett ist: reizender Anstand mit aller Einfachheit und Gemessenheit. Sie ist (nach Schubart) »ein zierliches , in Kunst gekleidetes Compliment nach dem Geiste der Franzosen«. Das Tempo war daher stets ein gemäßigtes. Nach seiner Einführung am französischen Hofe wurde bald darauf dieser Tanx in ganz f*rankreich, Italien, England verbreitet und siedelte auch nach Deutsch- land über, und hunderttausende von Menuetten wurden seitdem komponirt, gespielt und getanzt. Mit der Menuett wurden Über 150 Jahre lang alle Gesellschaftstänze in Frankreich und Deutschland eröffnet. Die französischen Tanzmeister bildeten Kombinationen von Menuetten und anderen Tänzen, z. B. wechselten sie das lang- same Tempo der Menuett mit dem raschen der Anglaise ab und nannten diese Art »Menuet gentila. Auch unterschied man nach künstlichen Tanztouren und will- kürlichen Namen verschiedene Arten und sprach von Menuet ä la Vigano, M. k la reine, M. ä la cour etc. Durch das ganze 1 7 . und 1 8 . Jahrhundert beherrschte die Menuett als Lieblings- tanz die Tanzwelt und die Componisten. Man nannte die Menuett, ihrer Grazie und Vollkommenheit wegen, die »Königin der Tänze«. Ist auch die Menuett aus der Reihe der geselligen Tänze längst geschieden, so hat sich dieselbe doch noch in großem Instrumentalkompositionen unserer Meister erhalten. Zunächst nahm man sie, wie andere Tanzmelodien, in die sogenannten Suiten und Partiten auf, was schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts Sitte war und auch von Bach und Händel geschah. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde die Menuett in die Sonate und Symphonie aufgenommen, wo sie zwischen das Adagio und Finale tritt. Vor allen that dies Haydn in seinen Quar- tetten, Trios und Symphonien, nach ihm auch Mozart. Doch hiermit änderte sich der ursprüngliche Charakter dieses Tanzes. Man band sich nicht mehr streng an das Tanzmäßige, sondern wählte freieren Rhythmus, tiefere Harmonie und vor allem rascheres Tempo. Als mustergültig, zum Tanz brauchbar, blieb lange die berühmte Menuett ausMozarts Don Juan in gproßer Gunst. Die neuere Menuett ä. la Haydn ist also fröhlich, rüstig, frei und nobel, dabei immer graziös und voll echt deutscher Freudigkeit und neckischer Munterkeit. Aus der Menuett hatte sich schon bei Mozart und Haydn, noch mehr aber bei Beethoven, eine neue, geistesverwandte Form, das Scherzo entwickelt, das mehr und mehr den Tanz-Charakter negirte und darum beim Wegfall der Sache auch den Namen zu vertauschen liebte. So sehen wir, wie unser modernes Scherzo aus der alten Menuett entstanden ist. — Einige alte Menuette, zuletzt zwei von Mozart, findet der Leser in MB. 109. 110. 201. 246. 247. Übrigens hat die Menuett mit ihren Varianten und Abarten über zwei Jahr- hunderte hindurch den Geschmack am Tanze in der ganzen gebildeten Welt ge- fesselt und man darf sagen vervollkommnet. Dieser Riidim wird ihr, der ^»Königin der Tänzeff, bleiben. Die Morlsca oder Moresea ist das italienische Wort für den Mauren- oder Mohrentanz, französisch moresque, englisch morris-dance. Es ist eine Art Schwertertanz, der überall zu Digitized by Google 133 finden ist, wo Traditionen vom weltgeschichtlichen Kampf der Christen gegen die Saracenen sich erhalten haben, und vermuthlich soll in diesem Wa£fentanz jener Kampf dargestellt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er maurischen Ursprungs. Auf die Mauren (Mohren) weist sein Name entschieden hin; denn Morisco nennt man einen Abkömmling der seit 1492 mit Gewalt zum Christen- thum bekehrten Mauren [Araber) in Spanien. In Spanien wurde die Moresca ge- wöhnlich Yon einer Anzahl junger Leute, mit Schwertern in den Händen, unter Capriolen und seltsamen Luftsprangen zur Darstellung gebracht, er war also ein Schwertertanz, ähnlich dem Baskensprung, und könnte recht wohl ein Tanz der Westgothen gewesen sein, die darin ihren Kampf gegen die Mauren darstellten. Aus Spanien soU er sich schon im 14. Jahrhundert nach England (unter der glänzenden Regierung Eduard^s I. 1272 — 1307} und von da aus weiter über ganz Europa rerbreitet haben, so dass er im 15. und 16. Jahrhundert in England, Deutschland^ Frankreich, Italien etc. zu den beliebteren Yolksvergnügungen gehörte. In England gehörte sonst, seit Eduard III. (f 1377) bis in die Neuzeit, der Morris-dance zu den Volksbelustigungen, welche die Feier des ersten Maitags verherrlichen, und ward bei dieser germanischen Frühlingsfeier von einer Anzahl jährlich wiederkehrender Masken um einen geschmückten Maibaum auf- geführt. [Ausführliche Beschreibung siehe bei Czerwinski, Tanzgeschichte 65.] In Corsica hat die Moresca ihren kreuzritterlichen Charakter bis heute be- wahrt und stellt hier stets einen Kampf gegen die Saracenen dar, sei es die Be- freiung von Jerusalem, die Eroberung von Granada, oder die Einnahme der cor- sischen Städte Aleria und Mariana durch Graf Hugo Colonna. — Sie hat übrigens auch in Griechenland, bei den Albanesen, Serben und Montenegrinern sich lange erhalten , alles Völker , bei denen die Kämpfe zwischen Christ und Muhamedaner lange fortbestanden haben. Übereine in Dalmatien 1838 dem Sachsenkönig Friedrich August vorgetanzte Moresca s. Biasoletto, Reise S. M. des Königs von Sachsen S. 35. In Deutschland finde ich sie 1582 bei Fischart als Moriskentanz er- wähnt, und in Lautenbüchem um 1552 den »Maruskat-Tantz« in Tabulatur, womit jedenfalls der Mohrentanz gemeint ist. Vergleiche auch heidnischer Tanz S. 74. Zu gewagt ist der Versuch Simrock's (Mythologie 554), den Morris-dance aus der germanischen Frühlingsfeier herzuleiten und ihn als Kampf zwischen Winter und Sommer zu deuten. Er meint : »Nach dem Wegfall des heidnischen Priesterthums musste das Volk (das seine Mai- und Frühlingsfeier sich nicht nehmen ließ) auf eigne Hand das Fest begehen. Es wählte sich dazu einen Mai- könig und eine Maikönigin, welche die sich vermählenden Götter des Sommers bedeuten, und dazu als deren Gegensatz einen Winterkönig, den man in England »Lord of misrule« oder »great capitain of mischiefcr nannte. In Deutschland, be- sonders in Schwaben, hieß er der Türke. Zwischen dem Winter- und Maikönig kam es zum Kampfe, wobei letzterer den Sieg davon trug. Der Preis war die Mai- königin, welche er sich selbst wählte, indem er ihr den Siegeskranz zuwarf.« So weit Simrocks Vermuthung. Die Musik zur Begleitung des volksthümlichen Moriskentanzes ging aus raschem Y2 Takt und bestand aus zwei Theilen von je acht Takten. Man sehe die Proben in den MB. 73. 108. 187. Die Melodie Maruskat aus JLAutenbüchern ist unzuverlässig, da die Lautenisten jeden Tanz schablonenhaft aus Vor- und Nachtanz fabricirten, also auch hier den Charakter ganz vertilgt haben. Nach Erfindung der Oper wird dieser Volkstanz zuweilen am Schluss eines »Dramas in Musik« ausgeführt, z. B. schon im Orfeo von C. Monteverde 1607 Digitized by Google 134 (MB. 186). Das Instrumentalstück dort bringt ein kurzes, volksthOmliches Haupt- thema von vier Takten, das im Grundton beginnt, dann unverändert auf mehrere Tonstufen versetzt wird und zuletzt wieder in den Hauptton zurückkehrt. Die Musette ist ein französischer Tanz, der zu ländlichen Lustbarkeiten unter Ludwig XIV. und XV. beliebt war. Seinen Namen hat er von der Sackpfeife mit Blasebalg, die in Frankreich »Musette« heißt und am Hofe der genannten Könige das mit allem Luxus ausgestattete Favoritinstrument war. Weil dieser Tanz ursprünglich mit der Mu-» sette begleitet wurde, ist sein Charakteristisches ein festliegender Bass, nach Sackpfeifenart ein Fortbrummen von Tonika und Dominante, auch da, wo solche Stücke für mehrere Instrumente oder für Klavier gesetzt werden. Die Me- lodie ist eine naive, schmeichelnde Tanzweise im Tripeltakt (%) oder verdoppelten Tripeltakt (^/g) geschrieben, liebt geschleiften Vortrag und hat etwas bewegteres Tempo als das Pastorale. Aus einem alten Notenheft des 18. Jahrhunderts bringt unsere MB. Nr. 111 eine wirklich zum Tanze gespielte einfache Musette. In Bach'a englischen Suiten kommt eine kunstvolle Musette vor. Padnane (ital. Padovana) ist ein italienischer Tanz des 16. Jahrhunderts, der sehr oft mit der Pavane für gleichbedeutend gehalten wird, was Besard in seinem Lautenbuche »Thesaurus harmonicusff 1603 behauptet hat und ihm in vielen Wörterbüchern, zuletzt 1882 bei Riemann, nachgeschrieben worden ist. Letztere Behauptung ist aber ent- schieden falsch. Die Lautenbücher des 16. Jahrhunderts unterscheiden durch die Taktart die Paduane von der Pavane: alle Paduanen im 16. Jahrhundert haben Y^ oder Yi Takt, dagegen ging die Pavane stets aus geradem Takt. Die Paduane, nach der Stadt Padua benannt, bekommt oft noch die Beifügung Venetiana, um ihre italienische Heimath zweifellos zu machen; während die Pavane (abzuleiten vom spanischen Pavone = der Pfau, oder Pava = die kalkutische Henne) gern mit der Beifügung »de Spaigne« erscheint. So nehmen im 16. und 17. Jidirhundert alle Schriftsteller (ausgenommen obgenannter Besard) für die Pavane spanischen Ursprung an. Wie die Tanzschritte der Paduane von denen der Pavane sich unter- schieden haben, ist nicht mehr festzustellen. Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts verschwindet die Paduane, oder sie wird^ wo sie noch vorkommt (z. B. bei Haußmann, s. MB. 168. 169. 184*) mit ^4 Takt, also gleich der Pavane, notirt. Schon der berühmte Tanzlehrer Tabourot (1588] und ebenso Praetorius 1612 kennen nur die Pavane und erwähnen die Paduane gar nicht. Die Parane war ein im 16. und 1 7 . Jahrhundert sehr beliebter, vornehmer ernst-gravitätischer Tanz, der, vom spanischen »pavone« (der Pfau)^ abgeleitet wird und nach Angabe der alten Autoren aus Spanien stammt, daher auch »Pavane de Spaigneer (MB. 194) heißt, aber auch in Frankreich, England und Deutschland viel Beifall fand. Nicht ^ Das SprachgefOhl sträubt sich etwas gegen diese Herleitung. Wäre nicht gar eine Ableitung von Pau, der alten Stadt im Beam an den Pyrenäen, mit seinen bas- kischen Bewonnem denkbar? Digitized by Google 135 aber ist Payane aus Paduane entstanden und nur ein bequemer auszuBprecbendes Wort fOr denselben Tanz, wie man irrig angenommen hat. Der Tanzckarakter war nach Praetorius (Syntagma 1619) majestätisch, äußerst anmuthig und prächtig. In seiner Terpsichore (1612) bemerkt Praetorius zur Pa- vane de Spaigne : «Ist aus Spanien kommen ynd ein gar herrlicher, prechtiger vnd gravitätischer Dantsff. Walther in seinem musikalischen Lexikon 1724 erklärt die Pavane ebenfalls fflr einen «spanischen gravitätischen Tanz, dabei die Tänzer mit sonderbaren Tritten und Setzen der Füfie, einen vor dem andern, ein Bad machen, beinahe wie die Pf auen, wenn sie sich brüsten, als wovon er eben den Namen bekommen. Er ist gar ehrbar gehalten worden und sind die Cavaliers in Ober-Rock xmd Degen, die obrigkeitlichen Personen in ihren Ehren-Kleidern , die Fürsten in ihren Mänteln und die Dames mit ihren Schleppen daran gegangen. Man nennete ihn den »großen Tantzf und ließ gemeiniglich eine Qalliarde darauf folgen.« Die Musik der Pavane bewegte sich im langsamen ^1^ oder AUabreve -Takte (^ = ^/3. Sie hatte zumeist drei Wiederholungssätze von je 8, 12 oder 16 Takten, nicht mehr und nicht weniger wegen der darauf auszuführenden Tritte. Mehr- stiinmige Musik der Pavane, bald für Gesang, bald für Instrumente gesetzt, finden wir schon in den ältesten Drucken von Tanzstücken, z. B. bei Attaignant^ in Paris [1529 und 1530), sowie in allen Lauten-, Klavier- und Orgelbüchem des 16. und 17. Jahrhunderts, daim für Streich- und Blasinstrumente Anfang des 17. Jahr- hunderts gesetzt und zuletzt als Bestandtheil von Klavier- Suiten. Eine höchst interessante Pavane, 1636 in Mersenne's »Harmonie universelle« mitgetheilt, gebe ich in MB. 199 wieder; vgl. außerdem Nr. 113. 131. 182. 183. 194. Folgende Pavane, gedruckt im Buche des Tanzlehrers Fabrizio Caroso, Venedig 1580, beweist, dass man damals in Italien selbst keine Paduane, sondern nur Pa- vanen kannte. ^m ^ 3 ^ ^ 3=3= ^ |Ö w ^ m ^ it ^ ^ über den würdevollen Charakter der Pavane spricht sich der berühmte Tanz- lehrer Tabourot 1588 (Übersetzung von Czerwinski S. 31) folgendermaßen aus: »Der Edelmann kann sie mit Degen und Barett tanzen, ihr Andern in euem langen Roben; der ehrenhafte Kaufmann mit gewichtigem Ernst dahinschreitend. Die Damen beobachten eine bescheidene Haltung, senken die Augen, und sehen die Zuschauer nur zuweilen mit einem Blick voll jimgfräulicher Verschämtheit an. Den Königen, Fürsten und großen Herren dient die Pavane dazu, sich aufzublähen und sich prunkend zu zeigen in ihren großen Mänteln und Staatskleidem, in Beglei- tung der Königin, der Prinzessinnen und Hofdamen, welche die langen herab- gelassenen Schleppen ihrer Roben auf dem Fußboden nachschleifen, oder zuweilen 1 Six Gaillardes etsixPavanes avee Treze chansons musicales a quatre par- ties . . Imprim^ par Pierre Attaignant Paris 1529. — Neufbasses danses, deux branles, Tingt et cmq Pauennes avee quinze Gaillardes. 1530. Digitized by Google 136 von ihren Damen taragen lassen. Die Pavanen werden von Hoboen und Po- saunen gespielt, was man den «Großen Tanz« nennt, und swar so lange, bis die Tanzenden den Saal zwei- bis dreimal umschritten haben , wenn sie nicht vor- ziehen, sie vor- und rückwärts zu tanzen. Auch bedient man sich der Pavanen bei Maskeraden, wenn Götter und Göttinnen, Kaiser und Könige mit all ihrer Majestät auf Triumphwagen einherziehen. tf Was das noble Ansehen betrifft, das sich die Tänzer bei Ausfahrung der Pavane zu geben wussten , so ist eine Stelle in den Memoiren des Brant6me be- merkenswerth , wo er den Tanz einer Pavane durch König Heinrich n. (regierte X547 — 59^ txnd seine Schwester schildert. Dort heißt es: »Bei dem großen Tanz führte der König gewöhnlich seine Schwester^ und wenn er voll edler Majestät erschien, so war sie es nicht minder. Ich sah ihn oft die spanische Pavane tanzen, einen Tanz, so recht geeignet, um Anmuth mit Hoheit gepaart zu entfalten. Die im Saale Anwesenden konnten sich nicht satt sehen an diesem An- blicke; denn die Passagen wurden so vorzüglich getanzt, die Pas so richtig aus- geführt, das Stillstehen so ausdrücklich markirt, dass man nicht wusste, was man mehr bewundem sollte, ob die schöne Ausführung des Tanzes, das majestätische Stehenbleiben , oder den wechselnden Ausdruck zwischen Heiterkeit und hoheits- voller Geringschätztmg. Und wer dieses Paar tanzen sah , musste gestehen, etwas Ähnliches nie gesehen zu haben, wie dieses königliche Geschwisterpaar. Auch ich bin derselben Meinung, der ich doch auch die Königin von Spanien und von Schottland denselben Tanz gut tanzen sahU Die PaSSacagUa (franz. Passecaille) ist ein der Chaconne ähnliches, aus ^4 '^^^t gehendes Tanzstück , dem ein durch- gehends festgehaltener Bassgang (Basso ostinato) zu Grunde liegt. Sie geht aber stets aus Moll , während die Chaconne Durtonart hat. Im Ganzen ist die Passa- caglia von zärtlich ernstem Charakter und langsamer Bewegung. In Seb. Bachs großartiger Passacaglia für Orgel (Peters, I. Band) wird jedoch die feststehende Bassmelodie ^ im Verlauf des Stückes auch in Ober- und Mittelstimme versetzt. Andere Beispiele bieten Händeis Klavier-Suite (Händel-Ausgabe 11. Bd. Nr. 7). Die Passacaglia ist nach Walthers Lexikon (1732) ein spanischer Terminus, der, seit die Opern in Frankreich aufgekommen, in die französische Sprache einge- führt worden ist und soviel als Passe-rue, einen Gassenhauer, Gassenlied bedeutet. [MB. 114. 204.] Passemezzo (Passamezzo) ist ein italienischer Tanz des 16. Jahrhunderts von sanftem, ruhigem Charakter, bei welchem man sanft und allmählich auftreten (Halbschritt machen) musste. So er- klärt ihn Praetorius (Syntagma m, cap. 11, p. 24). Auch nach Tauberts recht- schaffenem Tanzmeister (S. 370) war das ]»Passamezo ein langsamer und doucer Tantz«. Nach Frisch's Lexikon J»war es vordem ein Tantz in Italien, dabei man mitten durchs Gemach ging«. Also eine Promenade , ähnlich der Polonaise , aber 1 Hier ist das Base-Thema: Seb. Bach. Digitized by Google 137 mit Gesang, hat man sich unter Passemezzo vorzustellen. Woher der Name? Das sagt Praetorius (a. a. O.): »Oleich wie ein Gagliard 5 Tritte hat und daher ein Cinque Pas genannt wird, also hat ein Passamezo kaum halh soviel Pas als jene, quasi dicas: mezo passo.« Es muss dieser Tanz alten Ursprungs sein, da man schon im 16. Jahrhundert »Pass'e mezzo antiquo« schrieb. Er ging stets aus geradem Takte im langsamen Tempo. Ihm folgt in der Regel der rasche, im dreitheiligen Takte sich bewegende Saltare 11 o, ganz wie in Deutschland auf den Vortanz (im geraden Takte) der Nachtanz (Proportio, Springtanz) im Tripeltakte folgte. In Lautenbüchem des 16. Jahrhunderts, auch in Orgeltabulaturen dieser Zeit findet man eine Anzahl Kompositionen dieser Tanzart. (Ich gebe in MB. 112. 149 einige Proben aus M. Praetorius, Terpsichore 1612.) Der Bigaudon ist ein aus der Provence stammender , munterer , im ^4 Takt gesetzter und mit einem Viertel-Auftakt beginnender Tanz, der bald einen grotesk-ernsten, bald einen leicht-lustigen Charakter haben kann. Das Tempo geht etwas schneller als in der Bourröe. Seines raschen Tempos wegen hat er selten geschwindere Noten als Achtel. Die Musik besteht in der Regel aus vier Theilen. Mattheson (vollkommener Kapellmeister 226) meint : »Die Melodie desRigaudon, zum Spielen oder zum Singen und Tanzen gebraucht, ist meines Erachtens eine von den artigsten. Ihre Eigenschaft besteht in einem etwas tändelnden Schertz. Von Italienern wird der Rigau- don offt zu Schluss-Chören in dramatischen Sachen , von den Frantzosen aber zu absonderlichen Oden und ergetzlichen Arietten im Singen gebraucht. Seine Form kann aus dem Orchester abgenommen werden. . . . Dieser Tantz hieß vor Alters in welscher Sprache nur Rigo , welches einen Fluss oder Strom bedeutet, und ich fand wirklich , dass er bey den Seeleuten sehr gäng und gäbe ist : Man hat einen be- kannten Schiffer-Rigaudon, der mit diesen Worten anfängt: Dans nos Vaisseaux etc. Selbiger ist ein recht gutes Muster, a In Mersenne, Harmonie universelle (1636 11, 169) steht ein Rigaudon noch in einfach volksthümlicher Tanzrhythmik. Ich habe ihn unter MB. 116 wieder- gegeben. Der Rigaudon kommt zuweilen in älteren Ballets vor und hat dort einen bald ernsten , bald komischen Charakter. In Glucks Iphigenie in Tauris Nr. 9 (Ballet) steht ein ernster Rigaudon. — In Suiten hat neuerdings J. Raff den Rigaudon mit Erfolg wieder eingeführt. Noch heutzutage soll (wie Voss, Tanz S. 311 berichtet) der Rigaudon mit zierlichem Ausdruck in Italien und der Provence von einem Paare getanzt, auch bis- weilen dazu gesungen werden. Der Fassepled war ein alter muntrer Schiffertanz aus der Bretagne, der seit Ende des 16. Jahrh. bekannt wurde (in Paris wurde er 1587* in den Straßen zuerst aufgeführt) , dann bis Anfang des 18. Jahrhunderts in ganz Frankreich und Deutschland beliebt war. Der Tanzlehrer Tabourot (1588) sagt: »die Bretagner tanzen die Branles, die sie Triori oder Passepied nennenv. Woher der Name? Das sagt Praetorius in seiner Terpsichore 1612 , wo er zu einigen dort gebrachten Passepieds bemerkt: »Aus Digitized by Google 138 Britannien, wird Passepied genennet^ dass man in solchem Dantze einen Fuß vber den andern schlagen vnd setzen muss.« Die alten Passepieds gehen aus geradem Takte im schnellen Tempo. Im 1 7 . Jahrhundert seheint sich durchweg der ^4 und ^8 '^^t für denPassepied herausgebildet zu haben. Qanz ähnlich der damals entstehenden Menuett beginnt der Passepied stets mit ^/g Auftakt, und besteht die Musik meist nur aus zwei Theilen von je 8 oder 16 Takten. An diese, welche meist aus Dur gehen, wird zur Abwechslung (wie im Menuett) noch als Trio ein Minore angehängt, dann der Hauptsatz wiederholt. (MB. 115. 193.) Der Charakter des Tanzes ist (nach Mattheson) reizender Leichtsinn , etwas Wankelmuth, doch nicht heftige Leidenschaft. Im Tempo wurde er etwas rascher als die Menuett genommen. Noch bis 1713 wurde der Passepied öffentlich auf B&Uen getanzt. Sonderbares weiß Bonnet in seiner Histoire de la musique 1715 zu erzählen : »Der Passepied (Schnelltanz) ist einer der ältesten Tänze, da Plinius (?) mittheilt, dass er in dem Waffentanz (Pyrrichius) seinen Ursprung habe und dass dieser Tanz der Jugend sehr dienlich sei, um den Körper gelenkig zu machen und ihm für die gute Gesellschaft nöthige Gefälligkeit zu geben.« In französischen Opern, z, B. Castor und Pollux von Rameau 1 737, wird dieser Tanz mehrfach verwendet. Auch Seb. Bach hat Passepieds geschrieben, neuerdings J. Raff in einer Klaviersuite diesen Tanz modern und geistreich verwendet. Bomanesca (Romanesque) ist der Name für den aus Rom stammenden lustigen, stets aus Tripeltakt^ gehenden Tanz, der später gewöhnlich Gagliarde (Galliarde) hieß. (S. 128.) So erklären die Wesensgleichheit beider Tänze alle alten Autoren : Brossard, Dictionnaire ; Walther, Lexikon 1732; Taubert, Tanzmeister; auch Tabourot, Orch6sographie 1588. In letzterm Buche (Übersetzung S. 61) erzählt der Schüler Capriol seinem Meister : »Wenn wir in Orleans Ständchen brachten, so spielten wir auf unseren ^ Als eine historische Unwahrheit bezeichne ich darum den Namen fflr ein hübsches französisches Solostück, das für VioUno von Alard, später für Cello von F. A. Kummer (1840), Servals und F. Gbützmacher (1865) herausgegeben wurde unter dem Titel: »La Romanesca. Fameux Air de danse de la fin du 16°!« gi^le«: Moderato. üiUi.U f I ^^=g ^ ^ zutrete, z Da dieses Musikstück aus V4 l'&kt geht, die Romanesca aber gleich der Galliarde stets nur ^/i oder d/4 Takt hat, so kann hier keine Romanesca vorliegen. Mit mehr Recht dürfte sich das Musikstück Gavotte oder ffar AUemande betiteln und [die Musik zufolge ihrer Beweglichkeit, ihrer Ziemoten una Modulation erst dem Ende des 17. Jahr- hunderts angehören. Ist hier der Name eefälscht oder das ganze Musikstück unter- geschoben , wie man ja die eläubige Musikwelt später mit einer Air Louis XIIL, mit einer Kirchenarie des StradeUa etc. mystificirt hatr — Ich will nicht das Schlimmste, sondern bloß eine falsche Namensgebung hier annehmen. Die Quelle, aus der man die Grundmelodie der sogenannten Romanesca entlehnte, um sie mit modernem Bei- werk zu schmücken, kenne ich nicht Ich vermuthe aber, dass es Band I der Col- lection Philidor sei, der vom Jahre 158Q. und 1582 zwei AUemanden giebt Letztere soll im Zeitmaß und Tonart auffallende Ähnlichkeit mit der sogenannten Romanesca haben, wie eine Notiz bei Czerwinski (Übersetzung des Tabourot) S. 62 mich er* fahren lässt. Digitized by Google 139 Lauten und Guitarren gewOhnlicL die Galliarde la Romanesque ; aber ich fand, dass dieselbe schon abgenutzt und trivial.« Die SftnlNuide war ein Tans von langsamer Bewegung im ^2» später ^4 Takt, der kurz nach 15S8 aus Spanien nach Frankreich, Italien, Deutschland nnd England kam und bald überall große Beliebtheit erlangte. Ihr Charakter war Anfangs üppig, und sie wurde nur von Weibern getanzt, später bekam sie durch die Komponisten in Frankreich und Deutschland einen ernsthaften Charakter. Die Melodie, in der spätem Zeit voll Ernst und Grandezza auftretend, hat gewöhnlich zwei Theile von je acht Takten. Sie beginnt stets mit Volltakt und endigt in der Regel auf dem dritten (also leichten) Takttheile (MB. 117 — 120. 188. 192). Beliebte Rhythmen der Sarabande sind : V. J J. ;^ I J J ni oder J J J3 I J J II oder J. / J I J J J I Sie wurde ursprünglich bei den Spaniern nur gesungen und mit Eastagnetten begleitet. Eine alte spanische Sarabande, des Titels xFolied'Espagne« (siehe MB. 120), wurde von Corelli und D. Scarlatti zu Variationen benutzt. Sie soll eigentlich ein portugiesischer Tanz sein, der nach der Guitarre und Eastagnetten oder mit dem Tambour de Basque (einer flachen, mit Cymbeln versehenen Trommel) getanzt wurde. Die herrlichsten Sarabanden hat jedenfaJls Händel komponirt ; a\ißer mehreren in Suiten und Opern gebrachten (s.MB. 205), hat er vor allem in der schönen Kinaldo-Arie 1710 »Lascia chlo piangac (s. MB. 158} eine Sarabande verewigt. — Den Namen Sarabande (ältere Schreibweise auch Zarabanda) leiten flinige von dem Worte Saras her, was Tanz (?) bedeuten soll. Andere meinen, sie habe ihren Namen von einem «Teufel von Weibe«r in Sevilla, oder einer Tänzerin dieses Namens entlehnt, die diesen Tanz zuerst getanzt hat. Nach meiner Entdeckung halte ich das Wort für arabisch-maurischen Ursprungs. Ich fand nämlich (in Ousley, Oriental Collection 11, 159) persisch-türkische Gesangstücke mit dem Worte Ser-a-band und Ser-a-bend« überschrieben. Die Musikstücke haben mit der Sarabande des Abendlandes gleichen Rhythmus : •Aj.,NIJ J JH^-i« J JIJ J J I! oder Bogar J J J|j J|| Der gleiche Name, der gleiche Rhythmus, und der Umstand, dass Araber in Spanien so lange sesshaft waren, lassen kaum einen Zweifel, dass in der Sarabande dem Namen nach ein maurischer Tanz erhalten blieb. Nach Andern wäre ein Überbleibsel eines altgriechischen Tanzes darin' zu erkennen, denn die Aufführung der üppigen Sarabande soll der des griechischen Eordax gleichkommen. Die Üppigkeit und Zügellosigkeit der Sarabande giebt verschiedenen Schriftstellern Anlass zur Äußerung ihres Unwillens. So schildert ein französischer Autor ^ die Sarabande als einen wollüstigen und schamlosen Tanz und sagt, dass »ihn die Cour- tisanen, die sich unter die EomOdianten begaben, derart in den Theatern in Auf- nahme gebracht hätten, dass fast kein einziges junges Mädchen existire, das diesen Tanz nicht mit vollkommenster Fertigkeit auszuführen verstände.« 1 Pierre de Lancre, Tableau de rinconstance des mauvais anges et demons. Paris 1613. (Bei Cserwinski citirt.) Digitized by Google 140 Das Lebhafte, Heftige und Leidenschaftliche dieses Kastagnetten-Tanzes, der vermuthlich ein Vorläufer der noch jetzt bestehenden üppigen spanischen Zigeuner- t&nze war, scheint in der Folgezeit durch französische Bearbeitungen abgeschwächt worden zu sein, so dass die Sarabande zu einem edeln, sogar ernsten Tanz um- geschaffen wurde, dem an Würde und Majestät kein anderer gleichkam. Die Musik in der spätem Form, mit Ernst im langsamen ^j^ Takt einher- schreitend, soll nach Matthesons Ansicht sogar Ehrfurcht in unserm Gemüth hervorbringen ; es dürfen darin keine laufenden Noten vorkommen, weil »die Grandezza solche nicht leiden kann, sondern ihre Ernsthaftigkeit fest und steif behält« . In der Suite nahm die Sarabande gewöhnlich die dritte Stelle ein. Hinter der Sarabande (und auch hinter andern Tänzen der Suite) begegnet man zuweilen noch der Bezeichnung Double : das ist eine zweite Bearbeitung des vorangegangenen Satzes, jetzt mit beweglichem Noten, also eine Variation mit Figurenwerk, ohne Takt- und Tonart zu ändern. Ganz dasselbe versteht Praetorius bei seinen französischen Tänzen (Terpsichore 1612) unter Reprinzen: Wieder- holimg des Themas mit einiger Variation in der Melodie und Harmonie. Tambonrin war ein ursprünglich in der Provence heimischer marschartiger Volkstanz im muntern ^j^ Takt, der mit der Handpauke (dem Tamburin) und der Pfeife (Flageo- let) begleitet wurde. Seinen Namen hat er nach der Handpauke bekommen. Bei seiner Nachahmung auf dem Klavier wird die Melodie fortwährend mit einem Haltetone im Basse (Orgelpunkt) begleitet. (MB. 121. 122.) Tolta (von voltare oder vertere) heißt Umkehr. Man bezeichnet damit einen im 16. und 17. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Deutschland beliebten Tanz, italienischen Ursprungs, in welchem der Tänzer seine Tänzerin über sich schwang und umkehrte von einer Seite zur andern und dann einen Sprung machen ließ. Gegen dieses Umkehren und Aufwerfen der Tänzerin eifern mit vollem Rechte die damaligen Gesetze, besonders in Deutschland. Die Volte ge- hörte zur Gattung der Galliarden (daher auch g^lliardische Volte genannt) und hatte wie diese immer Tripeltakt. (MB. 123 — 125.) In der Ausfülurung muss die Volta unserm deutschen Walzer ähnlich gewesen sein ; denn ein Sach- verständiger (Sir John Davis) sagt von derselben (nach Czerwinski 227) : »Wo Arm in Arm zwei Tänzer sind verschlungen Und sich umarmend um sich selber drehend Mit ihren Füßen einen Anapäst erzielen.« Der Anapäst ist in Noten also wiederzugeben : '/* /] n n j I etc. Oder 1 'A i I J h Vi Tl J 1 1 "\ Gegen die unsaubere Volte und Galliarde erheben sich mit Recht anklagende Stimmen. Johann von Münster (über ungottseligen Tanz 1594) schreibt: »Wie fleißig auch die Franzosen die fünf Pas lernen und ihren Gaillard darnach zu richten, Digitized by Google 141 ihre Fü£e und Beine bisweilen hierher, bisweilen daher, dann vom, dann surück, dann an dieser, dann an jener Seite in die Hohe und wiederum herunter mit be- sonderer Qeradigkeit zu lenken und Capriolen dazwischen zu mengen auf das Höchste sich bemühen, dasselbe ist auch jetzt mehr Leuten in Deutschland bekannt als gut ist. Denn nunmehr ein jeder in Deutschland den Gaillard tanzen will. Insonderheit aber ist unter ihnen ein unflätiger Tanz, la Volta geheißen, welche den Namen hat von dem französischen Wort voltiger, d. i. in einem Wirbel herumfliegen. In dem Tanz nimmt der Tänzer mit einem Sprung der Jungfrau (die auch mit einem hohen Sprunge, aus Anleitung der Musik, herkommt) wahr und greift sie an einem ungebührenden Ort, da sie etwas von Holz oder anderer Materie hat machen lassen, und wirft die Jungfrau selbst, und sich mit ihr , etlich vielmal sehr künstlich und hoch über die Erde herum, also auch, dass der Zuschauer mei- nen sollte, dass der Tänzer mit der Tänzerin nicht wieder zur Erde kommen könne, sie hätten denn beide ihre Hälse und Beine gebrochen.« Mit dieser Beschreibung der damals aus Frankreich eingeführten, sehr be- liebten Volte, als eines üppigen und zügellosen Tanzes stimmt der etwas spätere Schriftsteller J. Praetorius in seinem Buche »Blocksberg -Verrichtungen« (1668, 8. 279) überein: »Von der neuen Gaillardischen Volta, einem welschen Tanze , da man einander an schamigen Orten fasset und wie ein getriebener Topf (Kreisel) herunter haspelt und wirbelt, und (welcher) durch die Zauberer aus Italien und Frankreich ist gebracht worden, mag man auch wohl sagen, dass zu dem, dass solcher Wirbeltantz voller schändlicher unflätiger Geberden und unzüchtiger Be- wegungen ist, er auch das Unglück auf ihm (sich) trage, dass unzählig viel Mord und Missgeburten daraus entstehen. Welches warlich bey einer wolbestelten Po- licey ist wahrzunehmen und auffs allerschärffste zu verbieten.« Damit wäre die Beschreibung der ausländischen Tänze zu Ende. Wie alles Hübsche und Schöne , sind auch sie dahingegangen. Bevor wir jedoch ganz Ab- schied von ihnen nehmen, werfen wir noch einen Blick auf die nachhaltige Wirkung derselben nach ihrem Aufhören und auf die Überreste derselben in Frankreich. Solches aufzuspüren, nach so vielfachen Modiflcationen einer Melodie, nach einer Art Seelenwanderung immer noch ihr Fortleben zu erkennen, fordert freilich einen Musikhistoriker und zugleich einen Kenner der gegenwärtigen Volks- musik und Volkspoesie der Franzosen. Ich begnüge mich mit einigen Andeutungen, die ich bei Czerwinski (französische Tänze S. 17 und 18) fand. Den Branles begegnet man in Frankreich auf jedem Schritt in den Kinder- spielen (ganz wie in Deutschland), aber auch in den Schlusstanzfiguren eines Balles, denn die Cotillonfiguren sind eine Art von Branle, der Carillon de Dun- kerque nicht minder , dessen klassische, aber wenig ehrerbietige Worte wohl noch aus jener Zeit stammen, wo unsere Voreltern ohne falsche Scham das derbe aber rechte Wort für jede Sache gebrauchten. — Das französische Nationallied »Yive Henri IV.« stammt von einem Branle coup^, genannt Cassandra, der weit älter ist als die Regierungszeit dieses Königs (MB. 84). Die Bourr^e (MB. 83. 191) , aus der Auvergne 1587 nach Paris geführt, ist wohl gänzlich aus der vornehmen Gesellschaft verschwunden, lebt aber als Volkstanz noch immer in einigen Gegenden Frankreichs fort. Eine Melodie der Bourr6e hat sich mit einer am Ende des 18. Jahrhunderts beliebten Parodie iTentation de Saint -An- toine« erhalten. Digitized by Google 142 Auch die gesungene Pavanre, bei welcher die Tänzerin ihren Partner küsste, hat ihre Spuren hinterlassen , denn die Dorfmusikanten Frankreichs kennen noch eine eigenthümliche Melodie (vielleicht aus dem 16. Jahrhundert?) , in der ein an- haltender und scharfer Triller auf der Geige den DorfschOnen das Signal für die Umarmung giebt. Diese bildet oft das Hauptvergnügen auf dem Dorfballe, wenn mitten im Tanz beim Ertönen des Trillers die Schlossfrau oder die Gattin irgend eines Würdenträgers, die sich herabgelassen hat, mit irgend einem Bauemlümmel zu tanzen, diesen küssen soll. Die Volte scheint ganz verschwunden zu sein, da sie sich mit unsem Sitten nicht in Einklang bringen ließ. Zwar ist es auch bei uns noch bräuchlich, das» der Herr die Dame umschließt und an seinen Körper drückt; die Dame, die sich so drücken, stoßen, ziehen und heben läßt, wäre aber sicherlich entrüstet, wollte der Tänzer sie so fassen, wie es bei der Volte geschah. Übrigens ist es fraglich, ob heutzutage alle Tänzer die Kraft hätten , mit der Tänzerin solche Forcetouren zu machen. Sollen wir nun den Deutschen schelten, dass er fremde Tänze einführte und an ihnen sich mehr als 300 Jahre amusirte? Vom nationalen Standpunkt aller- dings würde solches Importiren fremder Kultur entschieden Tadel verdienen, wenn dadurch einheimische Kunst unterdrückt worden wäre, letztere war aber im Betreff des Tanzes nicht vorhanden. Was auch die Deutschen, in der Kulturentwickelung den romanischen Völkern nachrückend , von dem Auslande aufgenonunen und gelernt haben , so ist doch nicht zu leugnen, dass sie es mit Hinzukommen des deutschen Elementes zu etwas Anderem, zu etwas Eigenartigem umgestalteten, wie solches jede jüngere Kidturnation mit ihren Nachbarn und Vorgängern that und thun darf. Was schadet es , wenn die Anregung zum Bessern und Schönen vom Auslande kam? Unser kosmopolitischer Sinn war es von je her, der vom Schönen aller Lande das Schönste suchte , aufnahm und weiter zu bilden suchte. Und gerade in der Tanzkunst konnte der etwas schwerfällige Germane von seinen beweglichem Nach- barn, von den geschmackvollen Tanzarten der Südländer etwas profitben, und kann es heute noch ; denn sein einförmiges , sinnloses , betäubendes Herumhüpfen im Kreise, sein plumpes Einherschreiten und wüstes Stampfen kann recht wohl durch das Mannigfaltige , Leichte , Zierliche und Graziöse der französischen Tänze ver- edelt und verschönert werden. Kapitel X. Der Tanz in Deutschland im 17. Jahrlrnndert. In diesem, durch den unseligen dreißigjährigen Krieg und viele andere Kämpfe getrübten Jahrhunderte war natürlich die Tanzlust dahin , durch Noth und Elend das Tanzen beschränkt oder durch obrigkeitliche Verbote zeitweilig ganz aufgehoben. Beim andauernden Kriege mit seinen furchtbaren Gräueln verstummten Pfeifen und Geigen auf längere Zeit in Deutschland. Wo man aber doch zuweilen noch tanzen konnte (denn die Tanzlust lässt sich selbst durch Krieg nicht g^nz ausrotten), ge- schah es durch die Soldaten, die aus fremden Ländern in ganz Deutschland lagen und gewiss in Dorf und Stadt manche tanzlustige Dirne dazu bereit fanden. »Da gieng AUes zu unterst und oberst, da es der Eine auf Welsch, der An- dere auf Deutsch, der Dritte auf Crabatisch (Kroatisch, hier die Bezeichnung Digitized by Google 143 für die Slawen unter den kaiserlichen Truppen) , der Vierte auf Polnisch machte, und wer nur an die Maie kam, der musste dem andern mit einem gebräuchlichen Fluche (etwa: der ist des Teufels, der nicht mit macht) nachfolgen.« Diese ver- schiedenen Tanzarten und noch mehr sahen die Landleute von den Söldnern und mussten wohl oder übel mitmachen. Jedenfalls hat der dreißigjährige Krieg auf die Tanzweise nur verwildernd eingewirkt Doch hatten die Ausartungen unter solchen Umständen nichts Auf- fallendes und waren nicht von Dauer. Der Sinn für alte Sitte und Gebräuche ging nicht ganz verloren, denn nach dem Kriege fanden sich viele der besseren Tanz- weisen allmählich wieder. Aus der Zeit bald nach den etwas überwtindenen Trübsalen wird uns über- liefert, dass bei Hochzeiten und Convenienzen der Reicheren in den Städten manche Gesellschaftstänze zur Aufführung kamen. Nach den Tafelfreuden wurde zu dem Klange von Pfeifen und Schalmeien, Zinken und Trompeten getanzt. Von einer Tanzbelustigung, die von dem Helden des dreißigjährigen Krieges, dem König Gustav Adolf von Schweden improvisirt wurde, erfahren wir: »Als Gustav Adolf im Jahre 1632 das Pfingstfest zu Augsburg feierte, wohnte der König dem öffentlichen Gottesdienst (30. Mai) nicht bei, sondern ließ sich sowohl Vor- ais Nachmittags von seinem Hofprediger Dr. Fabricius in seinem Kabinette pre- digen. Abends aber bei der Tafel bekam er jählings Lust zu tanzen, dass die Geschlechter-Töchter in den neben anstehenden Fugger sehen Häusern (in welchen der Honig sein Quartier genommen hatte) erschienen, mit welchen sich sowohl der König, als die andern anwesenden fürstlichen Personen etliche Stunden lang mit englischen und deutschen Tänzen belustiget.« Zu Ende des Kriegs trat leider das »Verwä Ischen der Deutschen« immer mehr hervor. »Frankreich hat es weit gebracht, Frankreich kann es schaffen : Dass so manches und manches Volk Wird zu seinem Affen.« [Logau.] Man hatte wälsche Kleider, wälsche Barte, wälsches Haar, wälsche Hüte , wälsche Degen , wälsche Hosen, wälsche Strümpfe, wälsche Stiefel, wälsche Mäntel , wäl- sche Gebärden und bei diesem wälschen Übelstand natürlich schon längst wäl- sche Tänze. Und das alles nannte man h la mode, ja man ging sogar ä la mode in die Kirche zum Koncerte. Die Alamode-Periode beginnt ungefähr 1640. In einem Spottgedichte sagen die Alamode-Herren von sich : ))Die wir doch das unser spendiren Auf musiciren, fechten, ringen, Auf tanzen al am o disch springen, Auf reiten, rennen, Schlitten fahren Thun wir keine Unkosten sparen.« Man tanzte jetzt, neben einigen schon im 16. Jahrhundert angeführten Tän- zen : die einfache Courante, die Gagliarde und Volte, die Bourr^e, den Passepied, den Passemesszo, die Dauphin (wahrscheinlich Name für eine der vielen Gagliarden) und die Canary. Die neuerfundenen Gesellschaftstänze, die am Ende des 17. Jahr- hunderts aus Paris kamen und in hohem Cirkeln bald beliebt wurden , waren die Menuett und die etwas später kommende Polonaise. Die Beschreibung dieser ausländischen Tänze siehe im vorigen Kapitel. Auch der Walzer, obgleich noch nicht unter diesem Namen, hatte trotz aller Verbote gegen das Verdrehen (Drehen des Tanzpaares um seine eigne Aze) Digitized by Google 144 sich festgesetzt. Denn auf ihn passt eine Schilderung der Tanz weisen vom Jahre 1671, welche ich in dem yortrefflichen Buche von K. Voss (der Tanz) angeführt finde : »Die Franzosen erfinden alle Jahre neue Tänze auf besondere Manier (ob- gleich sie selbst ihre eigenen Tänze oft nicht tanzen können) und bleiben nicht immer bei derselben Leyer als wir Deutsche: die wir gemeiniglich, wie bekannt, nur allzeit um einen Kreis herum, Paar und Paar einander nach- tanzen.« »Bei den französischen Tänzen (so wird weiter erzählt) war es Sitte, da meistentheils nur immer ein Paar tanzte, dass zuerst der Herr die Dame zum Tanz aufforderte , sodann führte die Dame den Herrn zum Platze zurück und forderte einen anderen Herren auf (also Damen-Engagement) . Nach Beendigung des Tan- zes führte der Herr die Dame zurück. — Zwischen den heutigen französischen Tänzen, die man Ballet und Sarabande nennt, welche uns Deutschen wohl nun- mehro bekannt sind, und denen alten Qaukeltänzen, welche yordessen bei den Römern in Gebrauch gewesen und Saltationes mimicae genannt worden, ist meines Erachtens kein großer Unterschied.« — Die französischen Tänze tanzten natürlich nicht die Bauern, sondern der Bürgerstand in den Städten und der Landadel. Der Glanz der Geschlechter (Patricier) erlosch mehr und mehr in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts; dafür tritt der höhere Bürgerstand, aus den Hervor- ragendsten aller Stände gebildet, an ihre Stelle und ist der Erbe der alten und Pfleger der neuen Tänze: in allen gebildeten Klassen des Bürgerstandes tanzte man von jetzt ab ein und dieselben Tänze. Zur Erlernung dieser Kunst- und Mode- tänze kommen in deutschen Städten mehr und mehr die Tanzlehrer in Aufnahme. Nur auf dem platten Lande und in abgeschlossenen Bergthälem blieben noch die alten Volkstänze in Übung. Wie auch im 17. Jahrhundert gegen das Tanzen gepredigt und ge- schrieben wurde, ohne dass es etwas fruchtete, kann man auf S. 110 nachlesen. Zu den Hoffesten mit Ballets kam eine ganz besondere Lustbarkeit im 1 7. Jahrhundert, die auch im 18. wieder Aufnahme fand. Das waren die sogenannten »Wirthschafteuff. Solche Bauern- Wirthschaften und Bauern-Hochzeiten waren an mehreren Höfen gebräuchlich. So gab Kaiser Leopold I. zu Ehren des anwesenden Czaren Peter des Großen 1698 eine solche Wirthschaft, in welcher über 300 der höchstgestellten Personen des Hofes mitwirkten. Das Eigenartige dieser Tanz- feste bestand darin, dass die regierenden Majestäten den Wirth und die Wirthin repräsentirten und dass den Herren und Damen des Hofes bestimmte bäurische, nach den regierten Landestheilen verschiedene Kostüme angegeben wurden , in denen sie zu erscheinen hatten. Im Jahre 1728 am 9. Februar gab Friedrich Au- gust, König von Polen und Kurfürst von Sachsen, zu Dresden im Riesensaale dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen zu Ehren eine Wirthschaft, zu welcher eine Bauernhochzeit das Sujet hergab. Das Schloss war als »Gasthaus zum weißen Adler« bezeichnet. König August spielte den Wirth und die Fürstin von Teschen die Wirthin, umgeben von 24 der schönsten Personen des Dresdner Hofes, welche Knechte und Mägde darstellten. Mehrere ländliche Tänze, als Quadrillen bearbeitet, kamen durch die Herren und Damen des Hofes im Kostüm verschiedener Landschaften zur Aufführung. Massenhaft war bei diesen imitirten ländlichen Festen, wie dies in Wirklichkeit auf dem Lande zumeist der Fall ist, die Ver- sorgung des Tisches mit Speisen und Getränken. In Folge dieser Nachahmung ländlicher Tanzfeste an den Höfen mussten zwanglosere Tanzweisen, als dort sonst gebräuchlich waren, in die ceremoniellen Tanzfeste Eingang finden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass durch diese Ge- legenheit die deutschen Rundtänze an den Hof kamen. Digitized by Google 145 Kapitel XI. Der Tanz in Deutschland im 18. und 19. JahrlL Vom Tanz im 18. Jahrhundert, wie er an deutschen Höfen und in deutschen Städten geübt ward, lässt sich nicht viel Erfreuliches, sondern für unser National- gefflhl nur Empörendes berichten ; der Deutsche war damals [zur Schmach, aber zur Steuer der Wahrheit und zur Warnung für alle Zeiten sei's gesagt) , der Deutsche war das ganze Jahrhundert hindurch der Affe der Franzosen. Die Gesellschafts- zustände der besseren Stände und der Höfe waren französische, und wie der Deutsche damals in allen politischen Dingen der Spielball der fremden Nationen war und in seiner Kleidertracht und in seinen Sitten die Franzosen nachahmte, so waren auch seine Tänze meist ausländische. Der lieblingstanz der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert war die Menuett. Neben ihr erfreute sich der zu Ende dieses Jahrhunderts entstandene Walzer als deutscher Tanz großer Beliebtheit. Von den früheren französischen Tänzen sind die Galliarde und der Branle ausgeschieden, welchen letztern die schon zu Anfang des Jahrhunderts bekannt gewordene Polonaise vertritt. Da- gegen treten als neue hinzu : die figurirte Courante, die Menuett zu zwei und vier Personen, die Gavotte, die Bourr6e in vielen Arten und mit vielerlei Bezeichnung, z. B. Bourr^e de Versailles, Bourr6e d'Achille. Auch die Chaconne soll getanzt wor- den sein. Im Jahre 1755 tanzte man zuerst den Cotillon (Frangaise in einzelnen bestimmten Touren). Ungefähr 1764 treten die Contretänze (aber nicht die heutigen] unter dem Namen der Englischen Tänze (Country-dances) auf, zu acht Personen im Viereck zu tanzen. Aus diesen entstanden die Quadrillen. Nun folgen nacheinander die An glaise (zuerst Rigaudon genannt), die Ecossaise und die Fran9aise. — Zu den hohen theatralischen Tänzen zählt man in dieser Zeit die Sarabande, die Gigue, die Chaconne und die Entr6e. Die alte deutsche Tanzart, paarweise hintereinander zu tanzen, wurde nur noch auf dem Lande beibehalten. Über den deutschen Volkstanz des 18. Jahr- hunderts mag ein Zeitgenosse und gelehrter Kenner, Dr. Gräter, das Wort führen, der in seiner Zeitschrift »Bragura 1794 also schreibt : »Alle unsere deutschen Volks- tänze, so alt sie sein mögen, sind von zweierlei Art: entweder Schleifer oder Reihentänze. )»I. Der Schleifer, auch unter dem Namen »deutscher Tanza bekannt, wurde sonst vom Volk in enge und weite getheilt, je nachdem die Melodie im reißenden % ^cler im geschwinden ^4 Takte ging. Er war ein lustiger, schneller Ru nd tanz (denn die zärtlichen Walzer oder langsamen Dreher sind noch nicht lange her, auch mehr unter den feinem Klassen Mode geworden). Wie ist der Schleifer entsprungen und was ist seine Bedeutung? Man beachte das tanzende Landvolk und unverkennbar ist es, dass ein Liebesbündnis ihn veranlasst zu haben scheint, dass im Ganzen eine Nachahmung der Liebesgeschichte sein Zweck ist. Erst geht der Bursch dem Mädchen nach, das zu entfliehen sucht ; bald erhascht er sie und will sie festhalten, allein sie reißt sich aus seinen Armen los. Er wiederholt daher seinen Versuch ; sobald er sich ihr nähert, dreht sie sich um und will von ihm nichts wissen. Doch er ist standhaft und unverdrossen ; wohin Böhme, Gesch. d. Tuue«. 10 Digitized by Google 146 er sich wendet, steht er wieder vor ihr, fleht um Gegengunst und es scheint, als wolle er eher sterben , als von ihr lassen. So vieler Liebe und Treue und Stand- haftigkeit erliegt endlich das Mädchen ^ die SprOde reicht ihm die Hand. Voll Freude umschlingt er die Erhörte tmd Iftsst sie nicht mehr aus den Armen , so schamhaft sie auch gegen seine Umarmungen sich sträubt und während des ganzen Tanzes mit der Hechten sich los zu machen sucht. Das Drehen oder Walzen soll wohl ursprünglich nichts anderes als das Bingen mit dem sich sträubenden Mädchen bedeuten. — Aus dieser Bestimmung des deutschen Tanzes, der als Sinnbild einer Liebeswerbung erscheint« ergiebt sich der eigenthümlich fröhliche Ausdruck der Musik und der Gegenstand ihrer früher dazu gesungenen Texte von selbst. Die Schleifer haben immer zwei Theile, sowohl in Musik als Tanz. Der erste stellt die Werbung, der andere das Glück des Erhörten und das jungfräuliche .Sträuben des Mädchens dar. Noch jetzt, wo die Bedeutung des Tanzes nicht ganz vergessen ist, geht man doch aus hergebrachter Gewohnheit während des ersten Theils der Musik nur im Reihen herum und mit dem zweiten fängt man an, sich zu drehen und zu schleifen. »Jeder Schleifermelodie lag sonst ein besonderer Text zu Grunde (die reine Instmmentalmusik zum Tanze ist viel jünger, als die uralten gesungenen Tanz- stückchen oder Tanzgesänge !) . So war es noch im 1 7. Jahrhundert an vielen Orten unter den Deutschen und ist es noch bei den Wenden und (anderen) Slawen Sitte : der Bauembursch s i n gt allemal einen Vers vor und erst dann fangen die Musi- kanten an. Aus dieser Sitte erklärt es sich, dass von vielen alten Tanzliedern bloß die Anfönge, so weit sie zur Angabe einer Schleifermelodie nöthig waren, unter dem Volke erhalten geblieben und zuweilen nur abgerissene Strophen aus anderen Liedern sind. «Der Inhalt der Tanzliedchen weist noch bestimmter auf die oben erwähnte Bestimmung des Schleiftanzes hin. Man wird nämlich kein einziges darunter finden, das nicht entweder die wirkliche Liebeswerbung selbst und Heirath oder Genuas, oder die Gesinnungen und Antworten eines von beiden Theilen auszudrücken ver- suchte. Meistens ist Falschheit oder Untreue der Liebenden, oder Glück des ledigen Standes, Klage über die Kälte und Sinnesänderung der Geliebten oder stolze Gleich- gültigkeit bei erhaltenem Korbe der Inhalt dieser Tanzliedchen. a Als Beweis hat Gräter einige der ältesten Schleif erliedchen aus Schwaben mitgetheilt. Dann fährt er fort : »Gewiss sind dergleichen Texte Beweis genug für das Lustige, ja Sinnlich- Frivole in solchen alten , zum Glück vergessenen Tanzgesängen. Alle Schleifer- melodien sind lustig und fröhlich, haben durchaus nichts Ernstes oder gar Schwer- müthiges ; Alles ist Scherz und munteres Spiel, Sprung und Freude. »n. Ganz anders verhält es sich mit dem Reihentanze. Dieser ist einfacher, ernsthafter und ohne Zweifel älter als der Schleiftanz. Sonst kannte man ihn an allen Orten , vorzugsweise war er auf Kirchweihfesten gebräuchlich , ist aber von dem lustig hüpfenden Schleifer verdrängt worden. Beim Reihentanz umschließt man sich nicht, dreht sich auch nicht paarweise herum. Es ist mehr ein Auf- zug als ein Tanz zu nennen und sollte wohl auch nie eine Liebeswerbung dar- stellen , vielmehr eine feierliche Procession sein. Ist der Schleifer ganz Ausdruck der Freude, so scheint der Reihentanz nichts als Verehrung zu sein und hat offen- bar seinen Ursprung in den Aufzügen bei den altheidnischen Götter- festen. — Die Musik bestand nur aus einem Theile und wurde so lange wiederholt, bis es endlich genug dünkte. Gewöhnlich war sie sehr simpel, verstieg sich selten über den Umfang von vier bis sechs Tönen und ist wahrschein- lich zur Pfeife (Sackpfeife) und Trommel erfunden worden.« Digitized by Google 147 Weil die Reigentanz -Melodien ganz unbekannt geworden , hat Dr. Gräter in seiner Zeitschrift »Idnnna« 1812 einen altenReihentanz mit Text mitgetheilt, der sich noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts bei den Salzsiedern in Schwäbisch-Hall erhalten hatte (MB. 312). Als Ohren- und Augenzeuge be- merkt Gräter dazu Folgendes : «Die Salzsieder dort haben alle drei Jahre ein Fest, das sie den »Hofa nennen und woran alle lustigen Siederbursche Theil nehmen. Jeder ladet eine Sieders-Tochter zu der Festlichkeit ein, die in altfeierlicher Tracht und mit eignem Kopfputz erscheinen und HoQungfem heißen. Die Festlichkeit dauert drei bis vier Tage, ja zuweilen acht Tage. Mit Beginn des ersten Tages frflh 8 Uhr musste jeder Hofbursche imKuchenhause(d.h. in einem dazu bestimmten Gasthofe) sein. Dann gingen die Ältesten nebst dem Hofmeister in die Mühle zu den hierzu bestimmten Weibern, welche einen großen Kuchen mit Blumen krönten. Um 10 Uhr, mit dem ersten Laut der Vaterunser-Glocke der Michaels- kirche zogen sfimmtliche Hofbursche vom Kuchenhaus unter klingendem Spiele nach der Mühle , um den Kuchen abzuholen und in Procession durch die Straßen zu tragen. Dabei blasen sie auf der Querpfeife einen alten Marsch (s. MB. 344) . Unter vielen Lustbarkeiten ist auch ein feierlicher Reihentanz zu erwähnen, der auf einer kleinen, von uralten Linden beschatteten Insel aufgeführt wurde. Mitten auf der Insel saßen die Musikanten (ebenfalls Salzsieder) unter einer großen Linde auf ein paar umgestürzten Gelten und Kufen, ihre Instrumente waren Querpfeife und Trommel. Rund um die Musik war ein längliches Rundtheil gezogen, in welchem man tanzte. Der Tanzende nahm die Hofjungfer nur züchtig beim Finger und kam ihr während des Tanzes niemals näher. Der Text zur Musik war allen bekannt und hieß : Mei Mutter kocht mir Zwiebel und Fisch^ rutsch her, rutsch her, rutsch her I Er wurde aber niemals gesungen , sondern bloß in Gedanken wiederholt , um die Tanzschritte darnach zu regeln. Zu den ersten drei Noten wirbelt die Trommel und so auch beim Ende und Wiederanfang. Bis auf den Wirbel machten die Tan- zenden just drei große Schritte und bei jedem Wirbel zwei kleine, wobei der Bursche sich gegen die Jungfer kehrte. — Der ganze Tanz ist durchaus ernsthaft und still. Sprechen , Lachen , Jauchzen würde zur Unehre gereichen , bloß freundlich sein dürfen die Tanzenden. Der Tanz blieb sich fortwährend gleich, nur dass der Kreis zuweilen in eine Schlangenlinie verwandelt wurde.« — Dieser Reihentanz mag (nach Gräter' s Meinung) schon über 500 Jahre in unveränderter Gestalt zu Sehwäbisch-Hall bestehen und giebt in seiner Feierlichkeit ein hübsches Bild vom Geiste imd der Gesittung in der Vorzeit. Hier nehme ich Gelegenheit, über die lange Lebensdauer und die letzten Überreste der Volks-Reigen mich auszusprechen. Der Reigen oder Chor- tanz war bei allen Völkern gekannt, sogar bei den Naturvölkern in rohen Anföngen vorhanden. Er ist ohne Zweifel die älteste Tanzweise der Menschheit. Ein Rei- gen oder Ringeltanz war der auf offnen Straßen und Plätzen aufgeführte Hormos der Griechen , wie ihn Lucian de saltatione 1 1 beschreibt. Er wurde von Jüng- lingen und Mädchen gemeinschaftlich getanzt; man reichte einander die Hände, so dass die Figur wie ein Halsband aussah , woher sein Name »Hormos«, d. h. Hals- band. Ein Jüngling, in kraftvollen Bewegungen jugendlich tanzend, führte den 10» Digitized by Google 148 Reigen an. Ihm folgte sittsam die Jungfrau, ihr Geschlecht weiblich tanzen leh- rend» so dass dieser Tanz ein aus Sittsamkeit und Kraft gewundener Kranz war. — Frühzeitig wurden die Chortftnze ein Bestandtheil des Kultus, sind aus der An- betung der Götter hervocgegangen und mit ihr verbunden gewesen. Dia reli- giösen Tänze der Griechen, und schon vorher der bei den Ägyptern und Juden, waren feierliche Aufzüge, waren Reigen. Auch die Kirchentänse der ersten Christen waren Reigen. Als solche haben wir uns die von Bonifacius verbotenen Chorreigen der Mädchen in der Kirche zu denken, die ein Überbleibsel der noch nicht vergessenen heidnischen Opfer-Reigen der Germanen waren. ^ Reigen zur Unterhaltung tanzten die Bauern zur höfischen Zeit und sind als solche nicht nur der »krumme Reie«, wobei gehinkt wurde , sondern auch die S. 35 fg. erwähnten Hoppeldei, Heierlei, Firlefei, Fulafranz, Gimpeigampel und Wänaldei anzusehen. Reigen waren die Bauemtänze der Ditmarsen, die wir unter dem Namen »langer Tanzff und »Trimmekentanzc kennen lernten (S. 49fg.]. Reigen war der Tanz der Ost fr lesen jpBuske di Remmerc (S. 50). Auch die Is- länder kennen den Reigentanz, »Hringbrota bei ihnen geheißen (S. 14). Reigen waren die färöischen Tänze, zu welchen alte Heldenlieder der Nibelungensage noch 1818 gesungen wurden (S. 13, MB. Nr. 356). Mit Reigen feierten noch vor zweihundert Jahren (1640) mannbare Jung- frauen auf West er 1 an df Öhr (Schleswig) vor der Westkirchpforte das Neujahr: sie tanzten es singend ein und das war ein Überrest der alten Julfestfeier. Auch ehrte man den Frühlingsgeist Koome mit Tanz, Blumenschmuck und Schmaus. (MüUenhoff, Sagen 319.) Noch zu Anfange dieses Jahrhunderts tanzten dieLausanner den Reigen allabendlich unter den Kastanienbäumen des Münsters. »Nous n'irons plus au bois« begann die eine Weiaßy die alles Volk dabei sang (Rochholz 371). Ein Ringeltanz, in der Volksmundart Choraula (Chorreihen), wurde im WaadÜande noch am Anfang unseres Jahrhunderts bei Trauungen vor den Kirchthüren gesungen. Der Text des dabei üblichen Liedes im Patois mit franiösisdlxer Übersetzung ist abgedruckt im iHelvetischen Almanacha 1810, S. 119. Zur Maienzeit, welches die rechte Zeit zum Tanzen im Freien ist, wurden das ganze Mittelalter hindurch Reigen aufgeführt, wie hunderte von Stellen be- weisen, z. B. tikren den meien, singen und reien.« [Renner 1648.] Im Luzemerlande nannte man das Maifest, bei welchem ein Reigen durch das Gftu getanzt wurde , das J»Gäuerlenc. Auch bei den Deutsohbündnem bestand nach Rochholz (Kinderlied S. 371) bis vor kurzem ein Maireigen in der Weise, wie ihn Salis in seinem gleichbenannten Gedichte geschildert hat. — In der Umgegend ^ Reihen oder Reigen (mhd. reie, mitteld. reige, angels. r&va, engl, row, alt- hochd. liga und rige ms geschloflsener Kreis, gleichen Stammes mit richten und recken, rihtjan, in letsterm Sinne noch heute beim Turnen gebraucht) bedeutet ursprünglich so viel als Chortanz (ehorus, ordo, series), also die Aufstellung mehrerer zum Tanzen. So heißt es z. B. im Yocabularium von 1618: Raien » virginaus circulus, virginum vel puellarum corona, ohorea. In Qraffs Diutiska I, 386: Nu sach er komen einen r ei gen, d& ffiengen leigen (Laien) beide vrouwen unde man nach werltlichen siten an. Digitized by Google 149 von Bonn haben die Bauemmftdchen aiu Keßnich und Poppeisdorf an Sommer- abenden noch 1820 und 1847 den großen Reigentanz aufgefahrt. Die dabei ge- simgenen Lieder sind in MB. 323 — 25 und 328 — 30 zn finden. Von einem großartigen, wunderlichen Chorreihen der Senner imd Senne- rinnen zu Greyerz im Kanton Freiburg hat sich eine anmuthige Sage erhalten, die in Kuenlin, Ritterburgen 11, 288, und daraus bei Uhland (Schriften Hl, 308) und ausführlich, wie hier, bei Rochholz (Kinderlied 372) erzählt ist: »Es soll im Jahr 1346 gewesen sein, als eines Sonntags Abends auf der Wiese vor dem Schlosse des Grafen Peter von Greyerz sieben Personen einen Ringeltanz anhüben, die Choraula, wie sowohl der Rundtanz als das Reigenlied hieß. Zu dem Tanze sangen sie ein langes Lied, dessen Anfang lautete : Le Comte de Gruvire se leva ou matin, il appel6 son padge et lei dit : Bon Martin, va-t-in salla (seller) ma mula et mon tzavo (cheval) grison e Yu alla in Sazima yo mes vatzes (vaches) y sont. So tanzten sie fort durch das ganze Sanenland hin, bis zu den anfönglich sieben zuletzt 700 Jünglinge und Mädchen, Männer und Weiber sich eingereiht hatten, und kamen am folgenden Dienstage auf dem großen Marktplatze zu Sanen an. Aber der gute Graf Rudolf von Greyerz hatte vom obem bis zum untern Greyerzer Lande stets mitgetanzt und mitgesungen. Wenn er ermüdet war, stieg er zu Pferde und ein Junker oder Knapp führte mit der schonen Sennerin Mar- guita, seiner Geliebten, den Reihen fort. Alles, was der Zug unterwegs antraf , selbst Kinder und Greise, riss die Choraula über Berg und Thal mit sich fort, bald sich in eine lange Kette ausstreckend, bald sich wieder zusammenwindend, bald unter den Armen der ziir Rast dastehenden sich hindurchschlingend. Dann schlug der Graf mit seinem ganzen Gefolge ein Lager auf am Arnensee. Zwei Tage xmd Nächte wurden alle Sennen bewirthet ; da übten sie sich im Ringen und Schwingen, im Tanzen und Singen. Zwanzig Gratthiere (Rinder) wurden gebraten und bei hundert Haselhühner und tausend Pfund Käse verzehrt.« — Uhland hat nach dieser Sage seine schöne Romanze iGraf von Greiersa gedichtet, in der es heißt : »Der Sennerinnen jüngste, schlank wie ein Maienreis, Erfasst die Hand des Grafen, da muss er in den Kreis . . . Sie raffen ihn von hinnen mit Sprung und Reigenlied, Sie tanzen durch die Dörfer, wo Glied sich reiht an Glied, Sie tanzen über Matten, sie tanzen durch den Wald, Bis fernhin auf den Alpen der helle Klang verhallt.« Wir sehen aus dem Vorgebrachten, dass sich noch Überreste der Reigentänze trotz aUer kirchlichen und polizeilichen Maßregeln bis Anfang unseres Jahr- hunderts erhalten haben und zwar da und dort bei dem Landvolke in Schleswig, Westfalen, am Rhein, im Schwarzwald und in der Schweiz. Besonders waren es die Frühlingsreigen, die einer langen Dauer sich erfreuten. Als endlich die Erwachsenen ganz und gar den Reigen aufgaben und mit ihm auch das Tanzlied Digitized by Google 150 erstarb, waren es die Kinder, welche in ihren Ringelreihen ihn bis heute fortpflegen. Davon mehr im XVII. Kapitel. Im Anfang des 19. Jahrhunderts kommen zu den aus dem 18. stammenden, noch hie und da gebräuchlichen deutschen Volkstänzen die Contre-Tänze, jetzt in bestimmter Form von sechs Theilen (irrthümlich oft als Fran9ai8e bezeichnet] ; femer der Ländler (Länderer) , unt^r der spätem unrichtigen Benennung Schnell- walzer, und der Galopp. Der deutsche Walzer wird mit Liebe fortgetanzt, und seine Musik gewinnt an Schönheit und wirklichem Kunstwerth seit Weber mit jedem Jahrzehnt, besonders durch die Wiener Tanzkomponisten. Man tanzte zu Anfang unseres Jahrhunderts Ländler und Walzer nach schlechter Musik, aber mit viel Präcision. Die Tänze im langsamen Tempo (wie Menuett) werden durch die Tänze im raschen Tempo vollständig verdrängt. Da sich zu den geselligen Tanzvergnügungen viele Personen zusammenfanden und jede möglichst tanzen wollte, so kamen die Rundtänze mehr in die Mode, dagegen mussten die Anglaisen, Ecossaisen und Fran9aisen dem Qeschmacke weichen ; sogar der lang- same Walzer fiel der Mode zum Opfer, indem er zu schnell getanzt wurde. Die Mazurka, früher schon auf dem Lande unter dem Namen »Polnischer getanzt, fand als öffentlicher Gesellschaftstanz nach 1830 Aufnahme, sowie auch später die Polka, die indess viel früher unter dem Namen Schottisch, nur mit einem weniger pikanten Rhythmus der Musik, bekannt war. So hätten wir die Neuzeit erreicht und das moderne Tanz-Repertoir der bürgerlichen Gesellschaft vor uns. Es besteht aus Polonaise, dem Contretanz, dem CotiUon und den Rundtänzen: Walzer (schnell), Galopp, Polka, Polka-Mazurka (früher mit Unrecht als Tyrolienne getanzt) und der Rheinländer-Polka. Das ge- nügt manchen Tanzfreunden nicht, sie spüren zuweilen Lust, mehr als das Ge- wöhnliche zu leisten; darum kommt es in Städten vor, dass für Haus- und Familienfeste^ für jeden Fall bestimmte Quadrillen eingeübt, vom Tanzlehrer ge- lehrt, mit Phantasie-, National- oder Charakter-Kostüm zur Aufführung gebracht werden. Kapitel Xn. Altdeutsche Festtänze, erhalten bis ins 19. Jahrh. Die meisten Feste waren und sind mit Tanz verbunden; bildet er auch nicht immer die Hauptsache und Grundlage des Festes, so doch gewiss den erheiternden Abschluss. Es sollen hier nicht alle denkbaren Feste mit Tanz aufgezählt und beschrieben werden , sondern nur den uralten , im Heidenthum wurzelnden und durch das Christenthum umgewandelten Volksfesten, die leider nur zum ge- ringen Theil sich erhalten haben, wollen wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Die Überschrift dieses Kapitels könnte füglich auch heißen : Alte Volksfeste mit Tanz. Sie sind vorwiegend Naturfeste, und einige sind Familienfeste (wie Hochzeiten). Die auf ein lokales Ereignis sich gründenden Feste mancher Städte und Flecken lassen wir fort und betrachten nur die allgemeinen Volksfeste. Digitized by Google 151 Maitanz oder Frühlingsfest mit Tanz. Die Ankunft des Sommers, des Maies oder, wie wir jetzt sagen, des Frühlings wurde vor Alters festlich begangen. Das hieß man im Mittelalter den Dsumer enph&hen« oder ssumer grüe;en«, den »meien grüe^en«. So singt ein Naturfreund im 13. Jahrhundert: Ich wil den sumer grüe^en, Des wil ich in rüefen so ich beste kan, in der vrowen ban : der winter hat mir hiure ich sihe die lichte beide leides vil getan. in grüener varwe stö.n. Dar suln wir aUe g^en, die sumer ztt enpfähen ; des t a n z e s ich beginnen sol, wil e; iu niht versm^hen. [Carmina Burana 208.] Das Eintreffen des Sommers erfolgte aber nicht auf einen bestimmten Tag des Kalenderjahres, sondern wurde nach zufälligen Zeichen wahrgenommen, an aufblühenden Blumen oder anlangenden Vögeln. Ebenso wie die Griechen die Rückkehr der Schwalbe feierten und die Kinder auf Rhodos unter XJmhertragen einer Schwalbe das Schwalbenlied sangen und Esswaaren einsammelten, so fand einst auch in deutschen Landen die Sommer Verkündigung durch Gesänge der Jugend statt und haben sich dergleichen Reime an den Sommerbau und Sommergewinn bis heute erhalten (s. MB. 28. 29). Wer den ersten Viol (das Veilchen) schaute, zeigte es an. Das ganze Dorf lief hinzu; die Bauern steckten die Blume auf eine Stange und tanzten darum. Hierüber hat schon Neidhart ein Lied gedichtet. Dieselbe Feier beschreibt Hans Sachs (IV, 3, 49 ff.) in dem 1562 geschriebenen Fastnachtspiel «Der Neydhart mit dem Feyhel« (d. h. Veilchen). Um die erste Sommerblume wurde getanzt und dabei folgendes Liedchen gesungen : »Der meie, der meie, Ich wils eim freien gfellen, der bringt uns blumlein vil. derselb der wirbt um mich : ich trag ein freis gemute, er tragt ein seidin hemmat an, gott weiß wol, wem ichs wil. darein so preist (schnürt) er sich. Er meint, es sing ein nachtigal, da wars ein junkfraw fein : und kan sie jm nicht werden, trauret das herze sein.« Die Melodie zu diesem Reihentanz um das erste Veilchen bringt MB. 10. Veilchen fest war in Wien seit dem 13. Jahrhundert ein Volksfest zur Frühlingsfeier. Das erste Veilchen (Viol, Feyel) , welches auf dem Felde gefunden wurde, gab dazu Veranlassung. Der Herzog mit seinem Hofe an der Spitze , der Adel, die Bürger, Alt und Jung zog hinaus^ um das Veilchen, diesen Frühlings- boten, mit Jauchzen und Musik zu begrüßen. Das schönste , sittsamste Mädchen wurde erwählt, das Veilchen zu pflücken. Nach dem Gesänge der Mailieder und der Ausführung einiger üblicher Tänze wurde die Blume und das Mädchen im Triumph in die Stadt zurückgetragen. Digitized by Google 152 Das Laubmännchen heißt ein Kinderspiel mit Tanz zu Ruhla (Thüringen). An einem Frühlingssonntage (ursprünglich wohl am 1. Mai) versammeln sich die Kinder des Orts, ziehen in den wiederbelaubten Wald und schmücken eins yon ihnen mit grünen Zweigen als Laubmann. Unter Gesang und Jubel kehren sie dann ins Dorf zurück und zwar im Gänsemarsch (eins hinter dem andern gehend) , wobei sie singen : »Blaukohl, Blaukohl Sein die besten Pflanzen. Wenn das Mädchen gessen hat, Fäng^ sie an zu tanzen. Tanz, Mädchen, tanzl Die Schuhe sind noch ganz ; Und sind sie auch zerrissen (zerbrochen), So tanz'n wir auf den Füßen (Knochen).« (Die Melodie dazu, wie den sogenannten »Ruhler Springer« s. MB. 318, 319.) Die Laubeinkleidung stammt wohl aus der Heidenzeit ; sie ist ein Überrest von der Einholung des Sommers. [Nach Reimann, Volksfeste 160, und mündlicher Mittheilimg vom Pfarrer Cotta.] Der GraskOnig ist ebenfalls ein ländliches Maifest zu Groß-Vargula in Thüringen. Am dritten Pfingsttage wird von den Burschen der »Aufwärter beim Tanze« als GraskOnig verkleidet (d. h. in eine hohe, von Pappelzweigen und Blu- men gefertigte Pyramide gesteckt) und zu Pferde gesetzt. Es erfolgt dann ein Um- zug, geführt von zwei Burschen zu Pferde , vor das Amthaus , die Pfarrwohnung etc., wo die Theilnehmer mit Bier und Kuchen beschenkt werden. Tan z beschließt das Fest. [Reimann, Volksfeste 157.] Etwas Ähnliches ist des MairOsleins Umzug im Elsass, über welchen ich in den MB. Nr. 27 Einiges erzählt habe. Frühlingstanz hieß ein Fest der Salzsieder zu Salz a im Magdebuigischen. Am Mittwoch nach Pfingsten zogen sonst alljährlich nach altem Brauch die Salz- wirker oder Kottleute mit großer Feierlichkeit, eine Fahne voran, auf den Hummel- berg. Sobald der Zug den Gipfel erreicht hatte , kniete der Fahnenträger nieder, schwenkte die Fahne und pflanzte sie dann dort auf. Das Tanzen um diese Fahne hieß Frühlingstanz. Die Festtheilnehmer erhielten von der Ortsobrigkeit ein Quantum Bier, zu dessen Ankauf zwei Hufen Feld bestimmt waren. Allgemein herrschte einst in Deutschland und den Niederlanden die Sitte, zu Pfingsten die Häuser mit »grünen Maien« (Maibäumen) zu schmücken imd Blumen vor das Haus zu streuen. An vielen Orten Thüringens und Norddeutsch- lands wurden die Maien von den jungen Burschen über Nacht gesetzt und zwar allen Mädchen von unbescholtenem Rufe wurde der Maibaum von ihrem Geliebten am 1. Mai vor die Fenster gepflanzt. Dasjenige Mädchen, dessen Ruf nicht ganz rein war, erhielt einen Strohmann hingesetzt oder Häckerling vor die Thüre gestreut. Während der Dauer des Maimonats wurde Abends um die Maibäume ge- tanzt. Die Frühlingszeit war und bleibt ja immer die rechte Tanzzeit. »Die Tanz- lust«, sagt Uhland, Schriften KI, 401, »ist ein Theil der allgemeinen Erregung, welche das erneute Leben der Welt in sinnlich kräftigen Menschen weckt : Sommer- grün, Vogelsang, Liebeslied, Reigentanz bildeten ein Ganzes der natürlichen Sommerlust; der Sprung zuckt in den Gliedern, Sang und Klang entbinden ihn.« Vieles von den Maigebräuchen und Maitänzen ist auf das so naheliegende Pfingstfest und seinen Pfingsttanz übergegangen. Bevor ich diesen beschreibe, Digitized by Google 153 will ich. erst eines mit der Maienlust verbundenen alten Brauches gedenken , näm- lich der Maüehen. HaUeheii. ^ Eine sehr alte, mit dem Tans des Volkes verbundene Sitte, die am Rhein vor- kam, wo sie snim Theil noch in Brauch ist, ist die der sogenannten Mai -Lehen. Sie bestand darin, dass am Vorabend des 1 . Mai oder auch am Ostermontage unter die versammelten (Bursche eines Ortes die Jungfrauen desselben versteigert wurden. Das ersteigerte Mädchen (Mailiene) durfte dann das ganze Jahr hin- durch nur mit ihrem Ersteigerer tanzen. Das erlöste Geld ward in manchen Orten far Tanzmusik oder für Bewirthung der Maifrauen (d. h. der versteigerten Mäd- chen) verwendet. In St. Ooar am Rhein aber , wo der Gebrauch des Mai-Lehens bis ins 18. Jahrhundert hinein bestand, floss das Geld in die Stadtkasse, wie dort das Versteigern auf dem Rathhause statt hatte. (Aus letzterem Umstände mOchte man schließen, dass diese Sitte auf ursprüngliche Leibeigenschaft hindeute.] Wie diese alte, beliebte, halbgesetzliche Gewohnheit der Mai-Lehen noch jetzt im Ei feilande ausgeübt wird, soll hier ausführlich erzählt werden: lAm Abend des 1 . Mai versammeln sich in einigen Dörfern die jungen Bursche auf dem Hauptplatze des Dorfes oder auf einer nahegelegenen Anhöhe , um sich die Mädchen zum Tanze bei den Eirchweihen oder sonstigen Festen zu bestimmen. Nach gepflogenem Rathe ruft einer derselben mit lauter Stimme : iDer und Die sollen Mailienen seini Seid ihr das alle zufrieden ?f worauf die Gesellschaft im volltönenden Chore mit Ja zu antworten pflegt. Ist keine Übereinstimmung vor- handen und wird die Stärke der verneinenden Stimmen für hinreichend gehalten, so wird ein neuer Rath gepflogen und ein neuer Ruf verkündet die neue Bestim- mung , bis reiner voller Zuruf die Einhelligkeit bekundet. Auf ein allgemeines lautes Ja wird dabei viel gehalten. Wie an diesem Tage die Bahn Jedem eröffnet ist, diejenige Tänzerin sich zu erwerben, die er zu haben wünscht, so tritt auch für ihn die Verpflichtung ein, der Erworbenen das Jahr hindurch treu zu sein. Sie und keine Andere soll er zum Tanze führen, nur mit ihm und keinem Andern ohne seine Erlaubnis darf sie tanzen.« Auch an einem Sittengericht fehlte es nicht: ergiebt sich, dass ein Mäd- chen, als es bei der letzten Eirchweihe den Vortanz unter der Dorilinde erhielt, dieser Ehre nicht mehr würdig war, so wird die Linde oder das Geländer um die- selbe reingewaschen, auch das Pflaster um dieselbe aufgebrochen und erneuert. Dass das Mailehen, die Verlobung auf ein Jahr, schon im 14. Jahrhundert üblich war, ganz so wie wir vom Eifellande berichteten, bezeugt folgendes Lied über die Mädchenversteigerung aus dem Ring von H. Wittenweiler S. 169 : 1. »Wem schol (soll) ichs geben, anders niempt (Niemand) dann mir, ze fröden seinem leben?« sey (sie) ist meins herczen gir. was ist das? sagt uns, herre, was? |: »Jächel Gumpost, seyst ein gesell, |: »es ist fro Gredel ErenflAch; so hab sey dirla:| wem iigt sey (fügt sie) bas?a :{ nu muss mixs got gesegen 1 wie schon wil ich ir phlegen I ^ Litteratur Über Mailehen: W. Menzel in Pfeiffers Germania I, 65. Pallhausen, Topographia Bavarlae 68. Soldau, Hexenprocesse 248. v. Memig, Gesch. der Burgen und Klöster in den Rheinlanden, Köln 1837; 4. Heft, S. 8. Kretschmer, Volkslieder ü, Nr. 277 (Valentinchen). Erk, Liederhort Nr. 138 und 139. Uhland, Schriften HI, 390 ff Roehholz, Alemann. Kinderlied 380. Simrock, Mythologie 539. Lersner, Frankfurter Chronik I, 59. Feyerleins Nachträge 11, 108. Zeitschrift für Kulturgeschichte 1857, S. 95 und 105. Digitized by Google 154 2. »Wem Bchol Ichs geben, anders niempt dann mir, ze frOden seinem leben ?tt sey ist meins herczen gir. wa; ist da;? sagt iins, herre, was? |:ii>Rafli Leohspiss, pist ein gesell, |:]>es ist die schon fro Gnepferin; so hab sey dirl« :{ wem fflgt sey ba8?c :| nu mflss mirs got gesegenl wie schon wil ich ir phlegen 1 Das Lied wurde so lange fortgesetzt, als es Mädchen und Barsche zu paaren gab, denn der nachfolgende Satz lautet : et cetera so gie (ging) da; lied, bis da; yeder seinen biet (hatte), die da warent an dem tancz. da mit so was die frOde gancz. Beachtenswerth erscheint, dass hier ein Schreiber (also ein Beamter) die Ver- lobung ausruft, denn die Einleitung heißt : »da mit der Schreiber anevieng und sprach«. Die Verwandtschaft dieser ländlichen Mailehen zu dem ritterlichen Sommerdienste (Maibuhlen, Badebuhlen, Knappenehen) ist nicht zu verkennen, be- merkt XJhland (Schriften III, 391) und beschreibt auch diese Gebräuche. Wir wählen aus seinen Citaten zur Erklärung nur die gewichtvollste Stelle, Agricola's Sprichwörter Bl. 129 : »Im Meien gehen hären und b&ben zur kirchen. Mense Maio nubant malae. Zwischen Ostern und Pfingsten heirathen die unseligen. Knappen- und Pfaffen-Ehe werden im Meien gemacht. Im Meien Hochzeit halten. Daß h&m und buben sich disen Monat herfür lassen und ein Knappen oder Pfaffen Ehe machen, die weret nit lenger dann der Sommer, im Winter so sie weder haus noch hoff haben, la\ift eins hie, das ander dort hinauß. Deren Meien Ehe haben auch vil die frommen Lantzknecht.« — Eine Stelle bei Neidhart (MSH. in, 217^) scheint die Knappen-Ehe mit einem Schlafbuhlen auf ein Jahr anzudeuten : »Swa; ich gelobet hän, da; wil ich halten war, er gab mir in mtne haut ein guldin vingerlin ; da; was der triuwen sin ein pfant, da; ist e; ouch der min : des wil ich disen sumer lanc sin sl&fgeselle sin.« Noch bis in jüngste Zeit sind Lieder zum Mailehen am Rhein (MB. 325) und von den Deutschen in Littauen (MB. 326) gesiingen worden. Pflngsttanz. War das liebliche »Fest der Maien« gekommen, so konnte man an den meisten Orten Norddeutschlands bis vor Kurzem den Pfingsttanz schauen, der auf freiem Tanzplan von der tanzlustigen Jugend abgehalten wurde. Er dauerte sonst vom Pfingstdiendtag bis -Donnerstag. Zu ihm wurden die Mädchen von den Burschen mit Musik eingeholt. Jeder Hinzukommende wurde mit einem »Will- komm a begrüßt, d. h. es wurde ihm unter Musik ein Becher mit Bier entgegen- gebracht, der mit einem bebänderten Kranze geschmückt war ; dieser Kranz wurde während des Trinkens vom Becher herab genommen und erst über den Becher, dann über das Haupt des Trinkenden geschwungen. Das Einholen und A\if richten des Maibaumes (mochte es Birke oder Tanne sein) war schon mit mancherlei Lust- barkeit verbunden ; Musik und Tanz, wie Verkleidung durften dabei nicht fehlen. Digitized by Google 155 In Tharingen hieß der Tanz zu Pfingsten auch Plantanz. Plan war und ist der in den DOrfem Thüringens und Frankens zum Tanzen bestinunte, unter freiem Himmel hergestellte, geebnete oder mit Bretterboden belegte Platz, wo der Maibaum steht. Dort wird zu Pfingsten oder zur Eormse von den angeputzten Platzjungfern und Platzburschen der Plantanz oder Platztanz aufgeführt. Nur jedes ehrbare Mädchen und jeder unbescholtene Junggesell konnten zu dieser Ehre gelangen ; gefallene wurden ausgestoßen oder sie wagten sich überhaupt nicht mehr unter die Jungfern und deren Lustbarkeiten. Ein aus der Mitte der Bursche erwfthlter Platzmeister regelt und ordnet den Tanz, wirbt Tftnzer zu Extra- touren, bringt Burschen und Mädchen das gefüllte Glas mit labendem Bier, leider oft auch zur Unzeit nach Erhitzung, bestellt die Musik und dergleichen Geschäft- liches mehr. An manchen Orten heißt der Pfingsttanz auch Birkentanz: es wird eine jimge Birke jubelnd ins Dorf gebracht, aufgerichtet und um dieselbe getanzt. Statt der Bbke wird anderwärts eine Tanne genommen. In der Oberlausitz und Provinz Sachsen heißen die Pfingst- iind Kirmestänze auch Laubtänze (nicht Lobetänze), weil sie zur Sommerzeit in besonders dazu erbauten Tanzlauben von grünem Reisig und geschmückt mit einem Maibaum in der Mitte des Tanz- platzes abgehalten wurden. In einigen Dörfern des alten Pleißnerlandes zwischen Leipzig und Altenburg heißt der in einem eigens hierzu erbauten, gedielten und mit grünen Laub- und Nadelholzreisem ausgeschmückten Brettersaale abgehaltene Pfingsttanz der Quaß oder Pfingstquaß. ^ Der Siebenspnmg ist ein uralter, bis vor Kurzem noch in Schwaben, Bayern, am Rhein, in West- falen, am Harz und in der Mark aufgeführter Tanz, der jedenfalls aus der Heiden- zeit stammt und religiöse Bedeutung hat, d. h. ein Opfertanz der Germanen zur Frühlingsfeier war. Auf seinen Ursprung als Frühlingstanz scheint der Um- stand hinzudeuten, dass er in Westfalen zum ersten Ostertag getanzt wurde ; in christlicher Zeit wurde er jedoch meist am Erntefeste und auf Kirmsen, sogar bei Hochzeiten zur Aufführung gebracht. Wie er in Schwaben zum Erntefeste ausgeführt wurde , will ich nach E. Meier (Schwäbische Volksgebräuche Nr. 161) beschreiben. Der Tanz wird nur von einem Paare getanzt, wobei der Herr die schwierigste Rolle hat. Tänzer und Tänzerin wandeln während der ersten acht zu wiederholenden Takte der Musik herum ; sodann muss der Tänzer in bestimmten Zwischenräumen folgende sieben verschiedene Bewegungen ausführen : zwei mit den Füßen (mit je einem Fuß eine) , zwei auf denKnieen (indem er erst das eine, dann das andere niederlässt) , zwei mit den Ellenbogen (die er nacheinander auf den Boden stößt) und eine mit dem Kopfe (mit der Stirn den Boden berührend) und so wieder zurück. Seine Tänzerin tanzt in der Zeit allein um ihn herum. Während des Tanzes wird vom Tänzer gesungen : »Mach mir nur den Siebensprung, mach mir's alle siebe', mach mir, dass ich tanze kann, tanze wie ein Edelmann : 's ist einer.« [s. MB. 314. 315.] ^ Der Quas ^ Schmaus. Sanders, deutsches Wörterbuch 2, 615. Das Wort erinnert an den Pfingstquak im Elsass, einen in Laub und Blumen herumziehenden. Gaben einsammelnden Burschen. Am Schluss geht es zu Schmaus und Tanz. Digitized by Google 156 Bei den letzten Worten »'s ist einer« liegt der Tänzer auf den Enieen und berührt die Erde mit der Stirn, was die letzte Bewegung ist, während sein Mädchen um ihn henlmtanzt. Hierauf wird der Vers wiederholt, aber mit der Schlusswendung »*s sind zweier , und so zählt der Tänzer fort bis sieben. Nun geht es wieder rfick- wärts, indem der Tänzer zählt »'s sind sechs«, »'s sind fünf«, bis auf den ersten. Ganz gleich wurde dieser Tanz in der Mark sonst zur Kirmes getanzt, wo der Reim wenig abweichend lautete : »Mach mir nur den Siebensprung, Mach mir's fein all' sieben I Mach mir's, dass ich tanzen kann, Tanzen wie ein Edelmann : 's ist Einer la [Hier beginnen die Sprünge.] Aus der Mark hat mir Herr Voss die Melodie zum Springer in zwei Lesarten mitgetheilt [s. MB. 316. 317]. Am Niederrhein tanzte man die Siebensprünge sonst bei Hochzeiten und zur Kirmes, wie Kuhn (westfälische Sagen ü, 150) und Montanus S. 60 melden. In der Umgegend von Bonn sang man dazu (Simrock, Mythologie 551): »Könnt ihr nicht die Siebensprüng, KOnnt ihr sie nicht tanzen? Da ist mancher Edelmann, Der die sieben Sprung nicht kann. Ich kann se, ich kann se.« Aus der Umgegend von Düsseldorf, wo sie zum Schluss der Hochzeiten und Kirmsen yon einem Alten noch bis 1840 zuweilen getanzt wurden, hat ein nach Amerika ausgewanderter Rheinländer Herr Stiebler die Melodie aus der Jugend- erinnerung niedergeschrieben und in Mendel-Reißmann's musikalischem Lexikon 1 2 , 436 mitgetheilt (s. MB. 314). In Westfalen war der Siebensprung ein alter Hochzeitstanz. Nach Mitthei- lung von Kuhn (westfälische Sagen und Gebräuche 11, 44 und 150) besteht »dieser wunderliche, nun sehr selten gewordene Tanz darin, dass sich der Tänzer bald auf das rechte, bald auf das linke Knie, bald auf den rechten, bald auf den linken Ellenbogen, jetzt auf die linke, dann auf die rechte Hand wirft und endlich mit der Nase <Üe Erde berührt«. Nach bestimmter Weise singt man dazu : »Kennt ihr nicht die Siebensprüng', Kennt ihr nicht die sieben? Seht ihr, wie ich tanzen kann, Ich tanze wie ein Edelmann. Hoppl« Bei der Wiederholung des Sprunges wird die Zahl angegeben. In »Bremer Kinder- und Ammenreünen« 1836, S. 27 findet sich das Tanz- liedchen so : »Danz mi mal de seven Sprünge, Danz mi mal de seven I« Meenst dat ik nich danzen kann? Kann danzen as en Edelmann. Spring hoch up I Zwei holländische Liedchen zum Siebensprung mOgen sich hier anschließen : Digitized by Google 157 »Hedde xiiet gehoordvin den zeavensproxig, Hedde niet gehoord van de zeuven ? Ze zeggen, dat ik niet dansen en kan, Ik kan dansen as eenen edelmann.ffi »Eiy wie kan de zevensprong, Ei, wie kan ze tansen? la der dan geen eene man, Die de zeven sprong en kan ? Dat eene.a^ In Bayern' (Schmeller, bayerisches Wörterbuch m, 591) sind die Worte zur alten Tanzweise sehr unartig umgestaltet : Machts mi auf die sieben Sprung, Mir und meiner Schwarzen I Hat de Narrin 's Hemd verbrennt, Hinten bei der F . . . . n. Auch in den Harzgegenden wurde der Siebenspringer auf allen Hoch- zeiten aufgeführt. Dabei tanzte ein Paar siebenmal sehr geschwind im Kreise hemm. Jauchzend rief man: »Der Siebenspringer is hierl« Zwei Männer klopf- ten mit den Fingern auf den Boden und jauchzten immerfort : »Use Siebespringer, ttse Hochtietlc Damach klopften sie, die Musik nachahmend, mit den Ellenbogen, dann mit den Sjüeen, dann mit den Hacken und endlich mit den Fußspitzen auf den Boden. Dann fielen sie wieder, wftlzten sich und schlugen dreimal mit dem Kopf auf den Boden. Nun war der Siebensprung vollbracht und Alles rief: >Use Siebespringer is noch am Leben.« [Pröhle, Harzbilder S. 8.] In Buchers Vorspiel zur Passions-Aktion tanzen die sieben Todsünden die siebenSprünge. In Weitzmann's >Lob des Munderkingers« heißt es : >Am Hochzeitfeste Da tanzt er drey ehrbare Tanz, Der Sprünge duin sieben in goldgelber Weste. c [Schn\eller m, 591.] Mit diesem Tanz ist ein gleichnamiger Ostergebrauch in Westfalen nicht zu verwechseln : »Auf der Haar bei Iserlohn stand noch im vorigen Jahr- hunderte eine alte Eiche, um welche her in gewisser Entfernung sieben Löcher waren. Am Os t e rtag zog das Volk dorthin : man fasste den Baum an und machte diessiewen Sprünge«. Wer alle sieben Löcher traf, glaubte, dass er noch sieben Jahre lebe , in dieser Zeit eine Frau bekomme , galt überhaupt für einen Glücklichen.«^ In frühesten Zeiten mag ein Ostertanz um die Eiche herum stattgefunden haben, wie die um Eichen geführten Reigen am Ostertag in anderen westflSlischen Gegenden beweisen. [Grimm, Mythologie 64.] ^ Nederlandsche Baker- en Kinderrymen 11, 9. * Kalff, Lied in de middeleuwen 536. In Zwolle gehört ^ Zwei Behauptungen von Sehuegraf (Zeitschrift ror Kulturgeschichte I, 463) muss ich als unbegründete zurückweisen: dass der Siebensprung abwechselnd aus % und Vi Takt gehe und dass folgendes Schnadahüpfl dazu sesungen worden sei: »Drum nim ich a Jungs frisch Ding Und mach halt mit ihr die sieben Sprung.« [Schmeller m, 591. ) Dieses Schnadahüpfl ist entschieden neuem Datums und mag sich im Wechseltakt be- wegen. * Woeste in Kuhn, westfSlische Qebr&uche n, 150 und in Wolfs Zeitschrift für Mythologie III, 304. Digitized by Google 158 Die Echternacher SpringprocessioA ist ein Überrest altheidnischen Tanzes zur Frühlingsfeier und jetzt eine seltsame Form der Heiligen-Verehrung. Sie wird jährlich am 18. Mai abgehalten und geht von einer an der preußischen Grenze gelegenen Brücke eine halbe Stunde in das Städtchen Echternach zum Qrabe des heiligen Willibrodus. Jeder fromme Theil- nehmer ist bestrebt, das Ziel durch eine Art Dauerlauf mit Vor- und Rückspringen zu erreichen. Er muss nämlich die ganze Wegstrecke so zurücklegen, dass er nach dem Takte eines alten Marsches (Jubelmelodie genannt, s. MB. 311) erst einen Sprung rechts, einen links und dann einen vorwärts macht. Über den Ursprung dieser Ceremonie ist man verschiedener Meinung. Man sagt, die Procession ge- schähe zum Gedächtnis an eine von St. Veit abgewandte Veitstanz-Epidemie. An- dere meinen, sie geschähe, um die Wiederkehr einer Viehseuche abzuwenden , die vor fünfhundert Jahren (1370) in den Kheinlanden gewüthet habe, Die dritte und meines Erachtens richtige Deutung bringt Simrock (Mythologie 563). Es scheint um jene Zeit ein heidnisches Siegesfest des Sommers über den Winter stattgefunden zu haben, das die christliche Kirche auf den Triumph des Christenthums über die geistige Finsternis bezog. Der eine Schritt rückwärts be- deutet das Sträuben des Winters^ dem es auf kurze Zeit gelingt, einen Theil der schon verlorenen Herrschaft wieder zu gewinnen. Die zwei Schritte vorwärts be- deuten den unvermeidlichen Sieg des Sommers. So veranschaulicht die hüpfende und springende Schaustellung den Kampf mit den Mächten der Finsternis und deren entschiedene Niederlage. Über den Verlauf des Festes giebt es jährlich Zeitungsberichte. Im Jahre 1873 betheiligten sich 11,588 Menschen, nämlich 1500 Beter, 8636 Springer, 1195 Sänger, 68 Musiker, 36 Geistliche und 18 Fahnenträger. Im Jahre 1869 fanden sich zu dieser Procession 1 3, 236 Personen ein, darunter 7230 Springende. Ein Sänger- chor von über tausend Stimmen sang die Willibrodus-Litanei, während 1 30 Musiker durch Abblasen der Jubelmelodie die Bemühungen der Springenden unterstützten . Für unsem Zweck muss die überlieferte Jubelmelodie von hohem Interesse sein, die ich in zwei Lesarten mühsam erlangt habe (s. MB. 311). In ihr ist ein Stück uralter deutscher Volkstanzmusik erhalten , wenngleich sie gar modern uns entgegenschaut. Sie ähnelt ganz den alten Reigen melodien (z. B. Vs ist gar nit lang , dass g'regnet hat(( oder J»Mei Mutter kocht mir Zwiebel und Fische) , noch mehr gleicht sie den Sing weisen zu Kinderreigen (z. B. bEs regnet auf der Brücke«, »Fuchs, du hast die Gans gestohlen«.) Was folgt aus dieser Gesichts- ähnlichkeit , fast Gleichheit der Melodien? Es liegt die Vermuthung nahe : dass die genannten Kindermelodien , sowie die jetzt bloß gesungenen Volkslieder einst getanzt wurden und Reigenmelodien waren, also von hohem Alterthum sind. Johannistäiize.^ über die Entstehung derselben giebt es zwei Ansichten. Nach der einen sind sie von jenen römischen Tänzen abzuleiten, die zu Ehren der Pales (der Be- 1 Grimm, Mythologie 'S. 581 ff. Mannhardt, Mythen 420. Wolf, Beiträge zur Mythologie I, 43, 82, 19011, 375, 381 ff. 391. Mannhardt, Götterwelt 201, 234. Panzer, bair. Sagen und Gebräuche I, 213 ff. 11, 239. Bavaria I, 374. II, 242, 260, 298. HI, 298, 936. IV, 202. Meier, Schwäbische Sagen 423. Birlinger 2, 96 ff. Zingerle, Tyroler Sitten Nr. 775 ff. Vemaleken, Mythen 307. Toppen 71. Mühlhause 248. Wuttke, Volksaber- glaube 77 ff. Kuhn, Nordeutsche Sagen und Gebräuehe 79 ff. Kuhn imd Schwartz, West- fälische Sagen und Gebräuche II, 135, 173—175. Nork, Festkalender 406—438. Nork, Mythologie der Sagen 566—568. Uhknd IH, 399. H. Pröhle, kirchliche Sitten 48. Zin- gerle, Johannissegen 36. Simrock, Mythologie 533 ff. Digitized by Google 159 scliützerin der Herden) gehalten wurden , weil die Römer diese ihre Palilia im Frühling feierten und gleiche Gebräuche, z. B. Springen über ein Stroh- feuer und Tanzen um dasselbe, vorkommen (s. Ovid's Fasten IV, 721 ff.). Diese Ansicht hat viel für sich ; denn weil in ältester christlicher Zeit in Italien, Frank- reich, Spanien die Johannistänze schon vorkommen, so konnten die südeuropäischen Volker sie direkt den Palilien entlehnt haben. — Nach der andern Meinung sind die Johannistänze und Johannisf euer nur ein anderer Name für das bei den alten Germanen um gleiche Zeit gefeierte Fest der Sommersonnenwende mit seinem Sunnewend- Feuer; die alten heidnischen Gebräuche sind auf dieses christliche Fest übertragen worden. Für Deutschland ist wohl letztere Herleitung die richtige, während für Südeuropa die Pales-Feste das Vorbild waren. Jedenfalls gehören die Johannistänze zu den ältesten christlichen Festtänzen. Die ICirche nahm Ge- legenheit, am Feste Johannes des Täufers von dem Tanze der Tochter jener ver- schmitzten Königin Herodias zu predigen , den bekanntlich Johannes mit seinem Kopfe bezahlen musste. Die Zeit im Jahre, wo die Sonne ihren höchsten Gipfel erlangt hat und wieder herabsinken muss (solstitium) , hieß in altdeutscher Sprache sunnewende, ge- wöhnlich im Plural gebraucht sunnewenden. An diesem Tage wurden Beit alter Zeit zur Verehrung der Götter Feuer angezündet und um dieselben getanzt. Weil diese altheidnische Feier mit dem christlichen Johannistage zusammen traf, heißen jene Feuer auch Johannisfeuer. In oberdeutschen Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts heißen sie aber noch beim alten Namen sunwentfeuer, sunbent- fewT und noch jetzt unter dem Volke in Bayern und Österreich Sunwentsfeur, Suwent-, Siwent-, Sibet-, Simetfeuer; in Oberfranken Kannesfeuer (verstümmelt aus Johannesfeuer). Von dem ursprünglich wahrscheinlich dem Fro gewidmeten Opferfeste der Sommersonnenwende sind die durch ganz Deutschland, ja fast durch ganz West- europa (wie Grimmas Mythologie 585 — 86 nachweist) gehenden Johannisfeuer übrig geblieben. Des Abends werden, womöglich auf Anhöhen, große Feuer an- gezündet, Scheite und alte Besen werden dazu vorher durch das ganze Dorf ge- sammelt und Niemand weigert sich, solches Brenn werk zu geben. Man tanzt dann um das Feuer, die brennenden Besen schwingend und hoch in die Luft wer- fend, und springt sodann durch das Feuer. Wer hindurchspringt, kann Schätze sehen, oder bekommt kein Kreuz weh. So hoch man springt, so hoch wird der Flachs, und anderer Aberglaube mehr. Liebespaare springen Hand in Hand durch das Johannisfeuer , man nennt dies das »Feuerjucken«. Am Lech in Bayern singt der Bursch wohl auch dabei : »Unterm Kopf und oberm Kopf Thu ich mei Hütel schwinge. Madl, wenn du mi gern hast : Durchs Feuer musst mit mir springe.« Während Alt und Jung um das Feuer singend tanzen, schwingen die Knaben an manchen Orten eine Henne über das Feuer (Andeutung des alten Opfers) und die Burschen schleudern brennende Holzscheiben, in der Mitte mit einem Loche, hoch in die Luft, oder es werden mit Stroh umflochtene brennende Räder den Berg hinab gerollt. (Rad und Scheibe sind das alte Sinnbild der Sonne.) Durch das ganze Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert wurden die Freuden- feuer am Johannisabend lustig umtanzt und durchsprungen. In frühem Zeiten betheiligten sich noch die höhern Stände, selbst Fürsten und Könige an den Digitized by Google m TSuzen um die Johanneefeuer. Im Jahre 1471 tanzte KOnig Friedrich in. mit schönen Frauen zu Regensburg, bei Gelegenheit eines Reichstags daselbst, um das auf Offentliohem Markte angezündete Simetfeuer. (Nach D. Schilling S. 58, Schmeller m, 261.) — Die Frankfurter Annalen zum Jahr 1489 erzählen: »In der Nacht St. Johannis des Teuf ers ward ein großer Scheiterhaufen vor dem Hause der Bürger- meister auf dem Markte zu Frankfurt a. M. errichtet und viele bemalte Fahnen waren auf den Holzhaufen gestellt, die des KOnigs am höchsten, und um das Hols waren grüne Reiser angebracht und es ward ein großer Reigen von den hohen Herren in Gegenwart des Königs aufgeführt.«* — Zu Augsburg zündete 1496 in Kaiser Maximilians Gegenwart die schöne Susanna Neidhardt das Sünetsfeuer mit einer Fackel an und machte dann zuerst den Reigen um die Flamme im Fronhof an Prinz Philipps Hand. [Gasseri Annales Augustani ad 1497.] Davon giebt es eine Abbildung in P. v. Stetten, Geschichte Augsburgs S. 87, TafelNr. 18. In einer Münchner Urkunde von 1401 wird berechnet: >umb gras und knechten, die dy pänk ab dem haws auf den margt trugen an der sunbentnacht , da her- zog Stephan und sein gemachel und das frawel auf dem margt tanzten mit den purgerinen bei dem sunbentfewr . « (Sutners Berichtigungen'S .107, bei Schmeller.) Im Jahr 1578 ließ der Herzog von Liegnitz Johannisabends ein Freudenfeuer auf dem Kynast halten , wobei er selbst mit seinem Hof zugegen war. (Schweinichen I, 347.) Johannistftnze sind erwähnt in der Vorrede der Katharina Zell zu ihrem Gesangbüchlein von Christo (Straßburg 1534, Abdruck beiWackemagel, Kirchen- lied 793^): DDarumb lieber Christ, wer du seyest: dieweyl du doch dein kind vnd gesind bisher wyeste schandtliche lieder an den reyendentzen vnd sunst hast lassen singen , vnd eben vil mehr auff die Fest Christi vnd der heyligen, Wie auch auf San et Johanns des Teuffers tag (da billig alle Christen mehr trauren selten, das es so übel in der weit gestanden, vnd noch, das der, so die warheyt geredt vnd gelert, hat myessen darumb sterben) : So laß sye doch nun . . göttliche Lieder singen.« Seb. Franck im Weltbuch 1534B1. 51^ berichtet über die Johannis-Gebräuche in Franken Folgendes: »An St. Johanstag machen sie ein Sinetfewer, tragen auch sondere kränz auf, weiß nicht aus was Aberglauben, von Beyfuß und Eisenkraut gemacht, und hat schier ein jeder ein blaw kraut, Rittersporn genannt^ in der Hand. Welcher dardurch ins Fewr sihet, dem thut das ganz Jar kein Aug weh. Wer vom Fewer heim zu hauß hinweggehen wil, der wirft diß sein kraut in das Fewer, sprechend : es gehe hinweg und werd verbrennt mit disem kraut all mein Unglück l Das bischöflich Hofgesind (in Würzburg) wirfft auf disen tag bey jren Freudenfewr auff dem berg hinderm schloss feurige Kugeln in den Fluss Moganiun (Main), so meisterlich zugericht, als ob es flie- gende trachen wären.« — »Die Maid machen auf diesen Tag Rosen-Häfen, also : sie lassen sich machen Häfen (thöneme Töpfe) voller Löcher ; die Löcher kleben sie mit Rosenblättem zu, und stecken ein Licht darein, wie in eine Laterne, henken nachmals diesen in der Höhe zum Laden heraus. Da singt man ftlft«^^ «Ti um einen Kranz Meisterlieder, sonst auch oftmals im Jahr zur Sommerzeit, so 1 Annales Francofurtenses von P. Herp (bei Senkenberg seL 2, 22): »In vigilia S. Joh. Bapt. rogus ineens fuit faetus ante domum consulum in foro (Francofartensi), fu- eruntque multa vexilla depicta posita in struem lignorum et vezillum regis in supremo positum, et oiroa ligna rami virentes positi fuitque magna Chorea dominorum rege mspiciente.« Digitized by Google 161 die Maid am Abend in einem Ring herum singen um einen Kranz, ge- meiniglich Ton Nagelein (Nelken) gemacht, reimweise vor. Welcher das Beste thut, der hat den Ejranz.v Zu Co nz in Lothringen lieferte (1823) jedes Haus ein Bund Stroh, das man auf dem Stromberge vor dem Volke amJohannisabende um ein bereit gehal- tenes mächtiges Rad wand, bis man vom Holze nichts mehr sah. Dann wurde dasselbe auf ein Zeichen des Maire durch junge Leute mit einer Fackel angezündet und mittels einer Stange in Bewegung gesetzt und unter Schwingen von Stroh- fackeln bergab in die Mosel getrieben. Gelangte es brennend in den Fluß, so verhieß das eine gesegnete Weinernte. Mädchen imd Frauen, an denen das Rad vor- überrollte, grüßten es mit Freudengeschrei. [Aus »M6moires des antiquaires« 1823.] Aus einem Elsässer Dorfe (Wilwisheim) berichtet die Zeitung DÜber Land und Meere 1864, S. 675: »Der Johannistag war ein großer Festtag. Die jungen Mädchen reihten sich im Halbkreise; sie trugen einen Rosen- und Rosmarin- strauch, der mit bunten Bändern gebunden und mit Gold- und Silberflitter heraus- geputzt war. Die jungen Burschen steckten ebenfalls Blumensträuße in das Knopf- loch und jeder hatte einen Ring, eine Medaille oder ein kleines Kreuz in der Tasche. Kinder trugen armvoll Reisig herbei und steckten dies vor dem Halbkreise der jungen Mädchen in Brand. Dann sangen letztere ein altesKlaglied. Die Burschen näherten sich ihnen, man tauschte Strauß und Juwelen , theilte sich in Paare und sprang über die flammende Lohe. Ließen sie sich im Sprunge nicht los, so deutete das auf Hochzeit, das Gegentheil auf einen Todesfall. Abends versammelten sich Burschen und Mädchen im Dorfe zum Tanze, zu welchem sie durch das Johannisfeuerspringen gewissermaßen bereits engagirt waren. c In dem Büchlein über die Mirakel der Mutter Gottes von Bogen (167 9) wird erzählt, dass man in dieser Gegend »das Sonnenwend-Fewer nit bälder (eher) an- zindet, untz (bis) selbes auf dem Bogenberg flammen gesehen wird, wo denn die gebenedeiete Muetter Gottes (Marienbild) von der Jugent mit von Sonnenwend- gürtlen geflochtenen Kränzen gegrüeßet wird, und der jungen Mägdlein Chor und Ror viler Orten umb das Sonnenwendfewr einen Reyen (Reigen) mit Gesang oder Dantz schließet.c (Schmeller III, 262.) — Eine Predigt des 16. Jahrhunderts a\if Jo- hannes, gehalten von Gregorius Stringenitus (geb. 1548, gest. 1603), führt auch die Johannisfeuer an und bemerkt : das Volk in Meißen und Thüringen tanze und singe um die Johannisfeuer , einer habe ein Pferdehaupt in die Flamme ge- worfen und dadurch die Hexen zwingen wollen, von dem Feuer für sich zu holen. ;£ccl. franc. I, 425. Grimm, Mythologie 350.) Die Johannistänze mögen schon unter den Superstitionen und Paganien der fränkischen Capitularien von 742 und 743 gemeint sein. Auf der Leptinischen Synode (743) eifert nämlich Bonifacius gegen die auf heidnische Weise gefeierten Dienste in den Kirchen, als Tanzen, Singen, Gastereien, und setzt ein Verbot die- ser Missbräuche durch. Mehr als ein Jahrtausend ist seitdem gegen diese Freuden- feuer geeifert, und sind dieselben neuerdings als feuergefährlich und holzvergeudend erkannt worden. Gleichwohl erfahren wir aus Zeitungen und Reiseberichten, dass dieselben in manchen Gebirgsgegenden (z. B. in Böhmen, Schlesien, Sachsen, Bayern) noch immer auflodern. Der heidnische Ursprung der Johannisfeuer ist nicht zweifelhaft: sie sind den urverwandten Völkern gemeinsam und älter als das Christenthum, das sie erst abzustellen versucht, dann sich angeeignet und geleitet hat (Grimm, Mytho- logie 588). Die weltliche Obrigkeit nahm sie früher (gleich dem Umziehen des Isis-Schiffes) als hergebracht in Schutz. In den letzten Jahrhunderten hat eine Böhme, Qescli. d. Tanzes. 1 1 Digitized by Google 162 löbliche Polisei sich glücklicherweise vergebens betntlht (s. die Verbote der Sonnen- wendsfener unter den Polizeiordnungen Kap. Vni.S. 1 16), demVolke auch diese, nach dem Erloschen der heidnischen Erinnerungen ganz unschuldige Freude zu yerleiden. »Johannisfeuer sei unverwehrt. Die Freude nie verloren : Besen werden immer stumpf gekehrt, Und Jungens immer geboren.« (Goethe.) Yeits«-Tanz. Sanctus Vitus (St. Veit) soll in der Diodetianischen Christenverfolgung den Märtyrertod erlitten haben. Sein Gedächtnistag ist der .15. Juni. Was hatte die- ser christliche Heilige mit den nach ihm benannten Veitstänzen zu thun? Gar nichts. Veitstanz von St. Veit herzuleiten, ist nutzloses Mühen. Der Name ist aus der Umformung eines slawischen Wortes DSwante-wit« entstanden , was den slawischen Sonnengott und so viel als heiliges Licht (vom böhmischen »swatea heilig und xswiet« Licht) bezeichnet. Die Übertragung des Namens macht des Gleichklangs wegen sich leicht : aus Swantewit wurde Sante Vit.^ Die Verehrung des Swantewit reicht tief in die vorchristlichen Jahrhunderte hina\if. Er gleicht dem germanischen Wodan [Gode, nordisch Odin), denn beide Gottheiten standen der Ernte vor, beide ritten auf einem weißen Ross. Wenn es von Odin heißt , dass er in den zwöK Nächten auf weißem Rosse daher tobe, so glaubte auch der Slawe, dass Swantewit auf dem weißen Rosse, das ihm der Kultus hielt und das nur vom Oberpriester bestiegen werden durfte , Nachts gegen die Feinde des Heiligthums zum Kampf ausziehe. Der Hauptsitz des Kultus war zu Arkona auf der Insel Rügen , weshalb auch gerade dort zuerst zu Veits Ehren 879 durch Mönche von Corvey eine Veitskapelle entstand. Aber auch Böhmens Hauptstadt besaß einen Tempel dieses Gottes , der in christlicher Zeit in die Domkirche zu St. Veit umgetauft wurde. So ist mit Tendenz aus einem slawischen Götzen ein christlicher Heiliger gemacht worden, und es ist nicht zufällig, dass die Johannisfestlichkeiten (24. Juni) acht Tage nach St. Veitstag (15. Juni) folgen. Viele Johannisbräuche sind dadurch auch auf den heiligen Veit übertragen worden. Das Wesentliche der Johannisfestlichkeit in Böhmen besteht noch jetzt in dem Anzünden lichter flammender Feuer, um welche herum getanzt und wobei Lie- der gesungen wurden. In diesen Gesängen mag ursprünglich der Swantewit (hei- liges Licht) oft angerufen worden sein, welcher Ruf nach der Bekehrung zum Christenthum in j»Swiety Janie« (heiliger Johannes) verwandelt und die Johannis- feuer »Swatojansky oben« genannt wurden. Dass aber alle Johannisgebräuche vormals dem Swantewit galten, bezeugt ein alter Schriftsteller, erstmals ge- druckt 1718.2 ^ Diese Umformung hat schon Helmold (Chronica Slavorum I, 6, § 3—4) nachge- wiesen ; dieselbe Überzeugung theilen auch andere Forscher, wie Mone (Heidenthum I, 185) ; F. Nork (Prof. Korn) im Festkalender 398 und Myüiologie der Sagen 562; Wuttke, Volksaberglaube 34. s Scriptores rerum Germanioarum, Frankfurt 1718, p. 508: »De oborea Swante Witi: fieri solet annuatun in festo Joannis baptistae — ubi seamna in drcum, quae transiliunt, proferunt, et serio cautum, ne quis rubro amictus conspiciatur , quem inva- dunt. Toto mense praecedente Joannem sunt timidi, etchoreas ducentes tlmore liberantur. Add. Bodm. IIb. Y de republ. c. 5. Nunc ad descriptionem idoli bis obiter insertis progrediemur. Inter multiformia Slavorum idola exeelluit Swante Wiet etc.« Digitized by Google 163 Erwiesen ist, dase man dem Sonnengotte das Hauptfest in der Mitte des Juni feierte, wo sich seine Kraft in der Länge des Tages und der steigenden Hitze am meisten entwickelt und die Sonne ihren höchsten Stand im Zodiakus erreicht hat. Dass auch Tä nie bei den Slawen cum Kultus des Lichtgottes gehörten, beweist folgende Stelle bei Eckhard, welche bei Erwähnung des Jutrebog (Gtottes der Mor- genrOthe) angefahrt wird : »Auf jedem Hügel war ein Bild des Götzen, mit einem besondem Namen bezeichnet, zur Verehrung ausgestellt , welches die Slawen an Festtagen anbeteten und auch durch Tanz verehrten; denn eine uralte Sitte ist es, die Qötter unter Q«sang durch Reigen und Tanz zu ehren, wie die heilige Schrift hie und da durch Beispiel der Ägypter, Israeliten und Baalsdiener deutlich beweist. Daher glaube ich, dieser ganze Gebrauch gehe aus dem Heidenfhum hervor, wenn die Bauern fast in allen Gauen dieser Gegend (Jtlterbogk) und der Bfark Brandenburg bei der Feier von Hochzeiten ein altes Rad (Symbol der Sonnenscheibe) vor dem Hause oder auf dem Hügel anzünden und bei dessen Um- drehung, wie bei einem brennenden Scheiterhaufen, festliche öffentliche Tänze aufführen.«^ Wie die schwindelnden Rundtänze der Druiden den Kreistanz der Sterne ver- bildlichen sollten, wie bei den Galli (Priestern der Kybele in Rom) die Tfinze zu Ehren der Sonne oft in heilige Raserei ausarteten, so waren jedenfalls die slawischen Rundtänze eine Versinnlichung des Umlaufs der Gesome tun die Sonne. Die alten Rundtänze (Kolo = X^P^^) ^^^ Slawen zu Ehren ihres Lichtgottes be- schreibt Anton in seinem Versuch über Sitten und Gebräuche der Slawen H, S. 97 : »Bfan giebt sich zur Bildung eines Cirkels die Hände (daher der Name des Tanzes, Kolo ^:= Rad, Cirkel) , springt drei geschwinde Schritte auf die linke , dann einen langsamen auf die rechte S6ite. Wenn Männer allein ihn tanzen, so bleiben sie nach den drei linken Schritten etwas stehen und schleudern mit dem rechten Beine gegen den Mittelpunkt des Cirkels. Wird der Tanz mit Singen vorgenommen, so singt der eine Theil des Cirkels eine Strophe vor , und der andere wiederholt sie. Der slawische Tanz ist äußerst wild, was man bei den Krainem und Kroaten besonders findet, c Diese Beschreibung der zu Ehren des slawischen Lichtgottes aufgef^lhrten Rundtänze erinnert doch unwillkürlich an die AuiAführung des 1^ i e b e n- Sprungs und der Echternacher Springp rocession, die wir für Überreste altgermanischen GöttertaniEes halten. Letztere Annahme wird durch Überein- stimmung der auffallenden Tanzmanier nur noch mehr bestätigt. Die ün Lichtdienste der Böhmen am Sonnenfeste (Koleda) üblichen Rund- tänze (Kolos) haben durch Verwechslung des slawischen Gottes und des christlichen Heiligen dem Veitstanze seine Berühmtheit gegeben. Wie waren die Veitstänze, die man so oft mit den Johannistänzen zu- sammenstellt und verwechselt, beschaffen? Jedenfalls waren sie unsinnig, wild und ausgelassen, sonst hätte man nicht einer gewissen Nervenkrankheit von dieser 1 Eckhard, Monumenta Jutreboo. p. 59: »In quolibet eolle simulacrum quoddam doli peculiari nomme insignitiun colenaumque expositum erat, quod Slavi diebus festig venerabantur et etiam saltando colebant, qui mos est antiquissimus deos inter cantandnm choreas ducendo saltationeque honorandi, quod saerarum pandectarum codex passim exenxpHs Aegyptiorum, Israelitarum et Baalitarum manifestissiine oommonstrat. Uti omnino nunc ritum ex pagnuiismo promanare arbitror,^ quando itxstici in omnibus fere pagis hujus regionis marchionatusque Brandenburgenais celebratis nuptüs rotam anti^uam ante domum vel m ooHe acoendunt et in cirouitu ejus in formam pyrae ar- dentis solennes et publicas saltationes instituant.« Digitized by Google 164 Bitte den Namen Veitstanz gegeben (s. S. 40 ff.). Unzüchtig mag es dabei auch hergegangen sein, das meldet schon die limburger Chronik. Von strengen Sittenwftchtemfinden wir in der Cynosura ecdesiastica vom Jahre 1 638 die Wamiing : »St. Veitstanz soll propter concorrentem superstitionem nicht geduldet werden.« Bosenkronentanz, Kronentanz oder Tanz unter der Krone. Er ist offenbar, wie der Johannistanz, noch ein Überrest des altheidnischen Freudenfestes bei der Sommersonnenwende. Dieses Volksfest mit Tanz, ge- nannt Kronentanz, war früher in verschiedenen Gegenden Deutschlands heimisch, hat am längsten sich am Niederrhein erhalten und ist bis vor kurzem in Holland und Belgien noch gebräuchlich gewesen, wie wir gleich berichten werden. Dem Umstände, dass dabei unter einer mit Bändern geschmückten, da und dort über die Straße aufgespannten Blumenkrone getanzt wurde, entstammt der Name dieses alten Straßentanzes, der meist zur Sommerzeit, zuweilen auch an Kirmsen im Herbst a\if geführt wurde. Am Sonntage nach Cathedra Petri (29. Juli) wird zu Geeraerdsbergen in Belgien ein Tanz unter der oRoozenkroonc gehalten, die hoch über der Straße schwebt; sobald sich ein bestunmtes Paar unter ihr befindet, lässt man sie fallen. Dann folgt ein allgemeines Ballspiel. [Wolf, Wodana I, 103. Wolf, Beiträge I, 87.] — In Hekelghem, einem Dorfe bei Brüssel, versammelten sich am St. Peterstage (29. Juli) die Burschen und Mädchen des ganzen Dorfes und machten zwei Blumenkränze, den »Roozenhoed« (Rosenhut) und die »Kroona (Rosen- krone). Dann losen die Mädchen mit Strohhalmen. Die den längsten zieht, erhält den Rosenhut, wird erste Königin und wählt sich ihren KOnig. Die den zweit- längsten Halm behält, bekommt die Krone und wählt sich gleichfsdls ihren (Genossen. Abends ist Schmaus und Tanz im Wirthshaus. — In Brüssel werden an den Festtagen St. Johannis des Täufers, Petri und Pauli und bei der großen Kirchweihe in den untern Stadttheilen Maien gepflanzt, Kränze, Kronen und Fahnen in den Straßen ausgehängt, und Abends tanzen die Nachbarn »unter derKronec» die inmitten der Straße sehwebt. Am letzten Kirchweihtage zündet man unter der Krone ein Freudenfeuer an, zu welchem vorher die Knaben einsammeln. Loderte das Feuer, so begann der Tanz in geschlossenem Kreis, innerhalb dessen einer oder zwei Büßer standen, und alle sangen : *k heb eenen ezel aen myn band, zyn ooren zyn lang ; wat zal ik hem te eten geven ? de winter is lang. drej keeren beschummeld brood, gelyk eenen ezel toebehoort. o gy ezel, o gy kwezel, zoekt uw brood l (»Ich hab einen Esel an meiner Hand, seine Ohren sind lang. Was soll ich ihm zu essen geben? Der Winter ist lang. Drei Krümchen verschimmelt Brot, wie einem Esel zugehört. O ihr Esel, o ihr Büßer, sucht euch BrodI«) Mit diesen Worten stößt man ein Paar Tänzer in die Mitte des Kreises, und die bisher darin standen, sind abgelöst. [Wolf, Zeitschrift I, 176.] — Auch im französischen Flandern (Dün- kirchen) werden Reigentänze unter dem Roozenhoed aufgeführt. Ein Tanzlied Digitized by Google 165 daher hat E. de Coussemaker Seite 324 seiner Volksliedersammlung mitgetheilt. (MB. 33t.) In Halle hängt man am Johannismorgen Kronen von Laub und Blumen an Schnüren quer über die Straße; die Kinder tarnen darunter, sperren den Vorübergehenden den Weg mit Blumengewinden und erhalten dafür ein kleines Geldgeschenk. Diese Kronen sind in Thüringen und Sachsen verbreitet. [Sommer, Thüringische Sagen S. 156.] In Sachsenburg machen die Kinder zu Johanni den sogenannten Rosenstook. Am Abend sperren sie die Straße mit einer Leine und hängen Kränze aus Birken und Blumen an. Dabei setzen sie Birken vor die Häuser und stellen einen großen Baum auf, um welchen getanzt wird. Wer die Straße passiren will, zahlt etwas ; davon werden Musik und Birken bezahlt. In der Umgegend von Fürstenwalde feiert man um dieselbe Zeit ein so- genanntes Hutschießen oder den Rosenbaum. Es wird ein Mast aufgerichtet, an dem sich Wimpel, Kranz und Krone befinden ; auf demselben werden Tücher, und dergleichen befestigt und darnach geklettert. Beim Rosenbaum erhält der beste Kletterer einen Blumenstrauß an den Hut.^ — Zu Greifswald sind noch die Pfingst- tänze unter goldgezierter Blumenkrone in Gebrauch. ^ Lehensch winken nebst »Kronentanzt waren im Erzstifte Köln zwei beliebte Tänze, die 1617 von der Geistlichkeit verboten wurden, weil man sie bei Ehebündnissen sogar in den Kirchen zu halten pflegte. [Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 461.] Der Kronentanz ist zweifellos hier der Johannisfestbrauch, Dunter der Krone tanzen«. Lehenschwinken (Schwingen der Lehen] steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem rheinländischen Gebrauch der Mailehen (siehe S. 153)' in Verbindung. Schwerlich war es ein mit der Lehnsherrlichkeit zu- sammenhängender Tanz. Am Lambertusabend (17. September) findet zu Münster in Westfalen «in Tanz um Lichter und unter Kränzen statt, der meines Erachtens mit dem Kronentanze gleichen Ursprung hat, oder aber ein Überrest jenes heidnischen fimtefestgebrauohs ist, zum Dank für die Gaben ein dem Wodan geweihtes Stück stehengebliebener Halme zu umtanzen (s. S. 9 und 168). Das Lambertusfest ist jetzt nur noch ein Jugendfest: über die Straßen von Haus zu Haus sind mit Lichtem besetzte Kränze gezogen; unter ihnen tanzt die ganze lebenslustige Jugend um brennende Kerzen oder um eine mit Blumen umwundene und mit Windlichtem verzierte Pyramide , zum Takte sogenannter Lambertuslieder, das sind Gesänge ohne viel Poesie, aber in hochdeutscher Sprache nach sonder- baren Weisen, die wie Klänge aus der Heidenzeit herübertünen. [Reimann, Volks- feste 457.] Früher wurde dieses dem heiligen Lambertus, Bischof von Lüttich, gewidmete Fest viel glänzender gefeiert, zumal der schOne Dom zu Münster diesem Heiligen geweiht ist. Damals folgte ein langer Zug von Mönchen aus verschiedenen Klöstern derProcession und hing fast an jedem Hause eine mitBliunen geschmückte Pyramide; besonders stattlich war die auf dem Markte, tun welche man tanzte. Frohnetänze. Versteht man unter Fr ohne die Dienste, welche Unterthanen ihrer Herr- schaft umsonst und gegen geringes Entgelt zu leisten verbunden waren, also Zwangsdienste, so wird es auffallen, dass man zur Frohne gar tanzen musste. Als ^ Kuhn, Norddeutsche Gebräuche 391. 2 Greifswalder KreisblaU 1857, No. 66. Digitized by Google 169 alten Rechtsbrauch zur Anerkennung der Lehnsherrschaft scheint man in der Vor- zeit feierliche Aufzüge gehalten zu haben und sind Reste davon unter dem Namen Frohne- Tänze bis Anfang dieses Jahrhunderts (1804) erhalten. 1. Zunächst sei es der Frohnetanz bei Lange n her g, den wir nach dem Be- richt des wackem Sammlers Haltaus (Glossarium Qermanicum medii aevi p. 542, übersetzt in Vulpius^ Curiositäten IQ, 319 ff.) beschreiben wollen: »Zwischen Zeitz und Gera liegt ein Ort, genannt die Pflege Langenberg. Dort müssen seit vielen Jahrhunderten die Bauern mehrer Dörfer der Herrschaft Gera und des Amtes Eisenberg in nicht geringer Anzahl und zwar von jedem einzelnen Hofe Paar und Paar (also Männer und Frauen) sich ungebeten an einem gewissen Tage bei Strafe eines neuen Schocks bei einem von einem Zaun umgebenen Lindenbaum ein- finden, ihre Namen vor den dasitzenden Herren angeben und nachher tanzen, wobei der Landknecht (Amtsdiener) den Tanz anfängt. Der Herr (ehemals wohl der Lehnsherr) lässt unter die Tanzenden für 3 Gülden kleine Kuchen vertheilen ; das Bier und die SpieUeute bezahlen die Tänzer selbst. Der Tanz dauert so lange, bis der Zapfen fliegt (d. h. so lange Bier vorhanden ist »quam diu fluit cere- visiac) . Wer nicht zur Frohne tanzt (qui non saltat ex officio) , wird vom Land- knecht gepfändet und muss sich mit einem Ortsgälden (Y4 Gulden) lOsen. Von der ältesten Zeit bis zum Jahr 1656 wurde dieser Tanz am zweiten Pfingsttage, dann am dritten, und seit 1728 am Mittwoch nach Pfingsten gehalten, bis er. 1804 aufge- hoben wurde. Ehemals bestanden die Tanzenden aus 85 Paaren. Es trat sogar 1703 der Pfarrer M. Jakob Günther, weil er Inhaber eines Bauerngutes war, mit als Frohntänzer auf. Seit 1728 weigerten sich die unter dem Amt Eisenberg stehenden TJnterthanen, den Frohntanz weiter mit zu machen. Ich (Haltaas) habe 4iesem Tanze 1749 beigewohnt und die Gebräuche von dem Actuarius erfahren. Aber von dem Ursprung einer so seltenen Gewohnheit konnte Keiner etwas Gewisses sagen. Es scheint dieser Gebrauch die Anerkennung der Ober- herrschaft und der auf den Gütern haftenden Abgaben und Lasten bezeichnen zu sollen.« ^ Limmer in seiner Geschichte des Voigtlandes vermuthet, der frühere Langenberger Frohnetanz sei der Überrest eines heiligen Gebrauchs, eines gottesdienstlichen Tanzes aus der alten Sorben- und Germanenzeit. Für seine Ansicht spricht die Nähe von früher heiligen Orten, femer der Umstand, dass die Tanzen- den mit Brot und Bier vom Schlosse bewirthet wurden , was an die alten Opfer^ mahle erinnert. Weil aber auch die Gerichtspflege bei Slawen und Germanen als eine gottesdienstliohe Handlung angesehen und, gleichzeitig mit dem Opferfest verbunden, unter freiem Himmel abgehalten wurde, so kann füglich der Langen- berger Frohnetanz ein Überrest eines heiligen Gerichtsverfahrens sein. Das scheint auch aus einer älteren Beschreibung desselben , die Limmer a. a. O. mittheilt, hervorzugehen : »Der Geraische Landrichter mit dem Aktuarius und den Langenberger fünf Schöffen nebst beiden Schulzen aus Politz und Stoblach, alle in schwarzer Amtskleidung und dergleichen Mänteln , saßen an einem Tische unter freiem Himmel zu Gericht. Vor ihnen standen vier Hellepartirer, und die bewaff- nete ehrbare Mannschaft von Langenberg schloss um sie einen weiten Kreis , w^o- rauf alsdann der Frohn (Amtsdiener] eine Tänzerin sich erkieste und mit dieser 1 Diese Ansicht theilen auch : Wildvogel, Chronoscopia legalis. Exerc. IV c. 4. Pet. Müller, Jurispr. Element CoroU. 2 ad disp. 18. Klinger, Dorf- und Bauemrecht I, Kap. 18, § 171. E. Gerhardi Disp. de Servitutibus in faciendo consistentibus § 8. Hübners Geographie. Dresden 177», 4. Bd., 1225. Digitized by Google 167 den Reihen eröfiiMte.a (Diese Erklärung der Frohntftnze als ursprünglich hei- lige (fr6ne) Tftnse bei Qerichtssachen hat viel fQr sich.) Unhaltbar ist die Herleitung des Langenberger Zwangstanses aus einem sagen- haften Lokalereignis : »Als Eodser Heinrich der Vogler einst am dritten Pfingsttage durch Langenberg reiste und von den Einwohnern wegen des steilen Berges , der von da nach Leipxig zu liegt, Vorspanne verlangte, verweigerten die übermüthigen Bauern dieselbe, weil sie in ihrem Vergntkgen, altherkömmliche Tänze unter einem Baume |zu halten, sich nicht wollten stören lassen. Darauf soll der Kaiser al» Oberherr verordnet haben, dass sie alljährlich um dieselbe Zeit zur Strafe tanzen müssten.a Diese viel nachgedruckte Lokalsage, auf welche man den Ursprung des Langenberger Zwangstanzes zurückführen will, hört sich hübsch an, aber sie erklärt nicht, warum auch anderwärts Frohnetänze vorkommen. Das Wahrscheinlichste bleibt , dass die Frohntänze alte Gebräuche waren , um die Bauern alljährlich an ihre Lehenspflicht zu erinnern. 2. Dieselbe Bewandtnis mochte es auch mit dem Altenburger Frohntänze haben : »Wenn der Herzog von Gotha nach Altenburg kömmt, müssen zur Frohne 25 Bauern im größten Schmuck vor ihm im Schlossgarten tanzen.« So erzählt Moser in seinem deutschen Staatsrecht (II, 567). Wie lange dort dieser alte Ge- brauch gedauert, ist nicht bekannt. 3. Auch ün Rudolstädtischen sind vormals Frohnetänze üblich gewesen. Nachrichten davon im Reichsanzeiger 1795, S. 1238. 4. InFrankfurta.M. werdenFrohnetänzezumdnttenPfingsttagimFreien erst 1567 erwähnt, sind aber jedenfalls viel älter. [Kriegk, Städtewesen im Mittel- alter I, 355.] 5. Öffentliche Tänze bei Sitzungen des unter freiem Himmel gehaltenen Schöffengerichts waren in Halle bis 1482 üblich. 6. Unweit Heidelberg will man Frohnetänze gesehen haben. Nähere Beschreibung fehlt. Ernte- oder Schnittertänze. Die ländliche Bevölkerung war vor Zeiten, als der Nährstand sich noch nicht das ganze Jahr hindurch dem Genuss hingab, vorzugsweise auf die Ernte und Erntefeste angewiesen, wenn es den Freuden des Tanzes galt. Wenn mit Ja- c o bi der Komschnitt begann, dem dann der Weizenschnitt und die übrige Ernte- arbeit folgte, so hob für den Schnitter eine lustige Zeit an : es galt einer bedeut- samen Feier und zu dieser sahen sich gleichsam amtlich auch die hohem Stände eingeladen, denn in die Erntezeit fallen ja auch die Gerichtsferien [Schnittferien) . Die Volkslust wurde von oben herab manchmal wohl engherzig betrachtet und Tänze und Aufzüge der Schnitter wurden verboten. Das Amberger Gesetz- buch von 1554 (Artikel 98} will, »dass kein Burger seine Schnitter und Arbeiter mehr mit Drumeln, Pfeiffen und Seitenspiln herein in die Stat und daraus- füm, und folgend Abendtänz mit ihnen anfangen und halten soll« [Schmeller m, 499]. In einem Bayreuther Ausschreiben, die Abschaffung der sogenannten »Bitt-» Schnitter« betreffend, durch deren Schwelgerei der Sabbath entheiligt werde, wird gerügt : »dass an Sonn- und Feyertagen sowohl bey hellem Tag als nächtlicher Weile und Mondschein »Bitschnidterc meistentheils von ledigem Gesinde an<» gestellt werden, denen man nach vollbrachter Arbeit Essen und Trinken geben und einen Tanz halten muss, bey welchem die ganze Nacht ein Jauchzen und Geschrey verübt und große Ärgemiss gegeben wird.a Digitized by Google 168 Dass 68 besondere Schnittertänze mit eigenartiger Musik und Gesang je gegeben habe , möchte ich geradezu yemeinen , wie es ebenfalls keine eigentUehe Schnitter- und Arbeiterlieder im Volke je gegeben hat. Die Schnitter sangen wohl, aber eben nur ihre Volkslieder; die Schnitter tanzten, aber eben nur bekannte und beliebte Volkstänze ihrer Zeit. Wie alt mögen wohl die Entefesttänze sein? Seit der Urzeit, so lange sie Ackerbau trieben , mögen die Deutschen nach dem Einheimsen der Feldfraehte dem Emtegotte ihre Opfer dargebracht und bei diesem Kultus ihre feierliehen Pro- cessionen, ihre religiösen Reigen Wodan zu Ehren aufgeführt haben. Auf diese darf man wohl den Ursprung der Ernte- und Schnittertänze, die später aus- arteten , zurückführen. Wenn die Schnitter in manchen Gegenden Norddeutsch- lands noch heute zu Ehren des Wode oder der Frau Gode tanz en und singen und Ahrenbüschel auf dem Felde für Gode stehen lassen (s. S. 9) , so sind das Über- bleibsel der heidnischen Ernte -Opfer. [Vergl. Kuhn, westfälische Sagen 11, S. 159 und 450.] Erinnerungen an den alten Opferreigen der Schnitter sind in folgenden Ge- bräuchen lange erhalten geblieben. Am Franken-Juragebirge war es vordem Sitte, wenn die Frucht abgeschnitten wurde, mehrere Halme mit Ähren stehen zu lassen, sie oben mit dazwischen gesteckten Blumen, Gräsern und anderen ab- geschnittenen Ähren in einen schönen Busch zusammen zu binden und den Raum von diesem Büschel bis zum Boden ganz mit Blumen und Ähren zu füllen. Das war das St. Mäha-S,tädala (d. h. des Mäher- und Emtegottes Scheuer). So- bald es aufgerichtet war, tanzten die Schnitterinnen einen Reigen herum. Dabei erklang (zu Wüstensteinj der Spruch : O heiliger Sankt Mähal B' scher' übers Jahr meha (mehr) : So viel Kömla, so viel Hömla, So viel Ährla, so viel Jähria, So viel Köppla, so viel Schöckla, Schopp dich Städala, scbopp dich Städalal O heiliger Sankt Mähal Vergaßen die Schnitter diesen Brauch, so mahnten die Alten : »Seid nicht so geizig, lasst dem heiligen Sankt Mäha auch was stehen und macht ihm sein Städala voUa. War das geschehen , so setzten sich alle Schnitter auf den Acker ; man sagte : »'s Ackerle muß beruht werden«. [Panzer, bayrische Sagen I, 216.] Ähnlicher Gebrauch ist der Nothhalm im südlichen Bayern und Schwaben. Auch in der Rheinpfalz bleibt nach vollendeter Ernte auf dem Felde, auf Bäu- men und Sträuchen noch ein kleiner Theil des Ertrags zurück. Ursprünglich er- innernd an die altheidnischen Dankopfer, wo der verleihenden Gottheit ein Theil des Ertrags an Speise und Trank gewidmet wurde, ist daraus der Zehent an die Kirche entsprungen. In ganz Deutschland ist das Erntefest ein kirchliches Dankfest, das mit Gottesdienst eingeleitet, mit Besuch und Schmaus fortgesetzt und mit einem Tanz von Seiten der Jugend in der Dorfschenke beschlossen wird. Sobald das Getreide eingeheimst war, bekamen sonst die Schnitter ein Fest, d. h. einen Schmaus und zuletzt meist Tanz. Dieses Schnitterfest heißt in Würtemberg Sichelhenket, in Bayern Sichelhängen, in Norddeutschland Erntebier oder Erntekranz; der Schmaus wird gleich an dem Tage gegeben, wann das letzte Getreidefuder unter den üblichen Ceremonien von den Emtearbeitem eingefahren worden ist. In Digitized by Google 169 manchen Gegenden Saddeutschlands benannte man das Schnitter -Gelag mit dem alten Ausdruck Schnittlag, auch Schnitthahn, weil vor Alters jedenfalls ein gebratenes Huhn zum Schmause der Schnitter gehörte. In Schwaben wurde früher gern der Bartholomäustag ^ (24. August) zum Sichelhenket (Erntefest) gew&hlt. In Norddeutschland (z. B. im Mecklenburgischen) gehörte zur Eröffnung des Emte- bieres der wildlustige Eäken- oder Küchentanz (s. S. 207). Wiederum ein ländliches Fest der Ackerbauer fand statt, sobald das letzte Korn im Jahre gedroschen war. Die Sitte verlangte, dass dann der Hofbesitzer seinen Dreschern einen Schmaus mit Tanz gab. Dieses Drescherfest nannte man in Bayern und am Rhein Dreschflegelhängen, im Würtembergischen Flegel- henket, in der Oberpfalz hiefi es Drischlag (d. h. Drescher-Qelag, ähnlich wie man ein Schnittlag hatte) . Wie in den meisten Gegenden Deutschlands das Erntefest zuletzt mit Tanz- belustigung gehalten wird, so besteht in einem Theil der Oberpfalz (Grafschaft Cham) noch ein Herbstfest, das gehalten wird, wenn der Bauer seine Felder zu- gebaut und die Saat vollendet hat, und das den Namen »Saathahne na führt. Diese Volksbelustigung besteht darin, dass junge Burschen, welchen die Augen verbunden werden, auf einen mit einer Schnur an einen Pfahl gebundenen Hahn mit einem von Stroh geflochtenen Schlägel schlagen. Bei diesem rohen Spektakel des H ah- nenschlag ens (wahrscheinlich einer Nachahmung der Hahnenköpferei bei den be- nachbarten böhmischen Bauern zu ihren Hochzeiten und Kirmessen) belustigen die Zuschauer sich so lange, bis es endlich einem handfesten Burschen gelingt, das arme Thier mit einem Schlage zu tödten , nachdem es vorher, wenn es ermatten wollte, öfters mit frischem Wasser Übergossen wird. Je größer das bäurische Be- sitzthum, desto reichlicher strotzen beim Saathahnen im Hause die Tische mit Speisen aller Art und desto behender geht der immervolle irdene Bierkrug die Runde. Aller Orten herrscht die ungetrübteste Gastfreundschaft, fröhliches Jauch- zen und Abends Tanzmusik. Besonders wird der Armen an diesem Ackerfest- tage gedacht und keiner geht ohne ein Gericht von Speisen aus dem Hause. — In der Dienstordnung der ehemaligen Hofmark Scheuern (unfern Regensbuig) vom Jahxe 1500 heißt es: »So man gesäet hat den traid, kom vnd fosen, so gibt man den knechten vnd dimen den S a t h a n , ye vieren ain g a n s vnd yedem ain trinken (die ein Thopf) wein kelhamer aus gnaden. a Ursprünglich musste wahrschein- lich ein Hahn aufgetischt worden sein. [Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 469.] Zu den mit dem Ackerbau in Verbindung stehenden Arbeiterfesten gehören auch die Belustigungen beim Flachsbau: das sind die Abend-Reigen nach dem FlachsrüTeln im Herbst und noch später die Schwingtage. Flachstanz oder Haartanz. So heißt ein ländliches Fest im Innkreise. Während die Mädchen, im Freien sitzend, damit beschäftigt sind, den gerauften und unter Jubel und Gesang nach Hause geführten Flachs seiner Samenhülsen zu entledigen (was man riffeln, griffein, raffen heißt), kommt ein lustiger Bursch der Nachbarschaft in die Küche, wo die Mahlzeit vorbereitet wird, spricht einen Reimspruch und bekommt von der Wirthin des Hauses etwas Backwerk (gewöhnlich gebackenen Hirsebrei) in ein Tuch ge- < St. Bartholomäus ist an die Stelle Wodans getreten und auf seinen Ehrentag sind einzelne Züge des großen Festes übertragen worden, welches den Schluss des Sommers und der Ernte bezeidinete. Digitized by Google 170 bimden. Dies Geschenk hat er den Mädchen ganz in der Nähe vorzuzeigen und dann damit schnell wieder in das Haus zurückzulaufen. Ereilen ihn die Mädchen vor dem Hause, so wird er als Strohmann angeputzt, an den Tisch gebunden und darf weder am Schmaus noch Tanze Theil nehmen. Erreicht er aber das Haus früher als die Mädchen , so wird er Tischkönig und Abends Yortänzer bei dem Reigen, den man Haar tanz nennt. (Nach Reimann, Volksfeste 337.) Schwingtage waren ehemals ländliche Arbeitertage zur Herbstzeit am Niederrhein , die Abends mit Schmaus und Tanz beschlossen wurden. Ausführliches darüber erzählt Mon* tanus, Volksfeste am Niederrhein, und nach dieser Quelle Düringsfeld, Festl. Jahr 297. Das Flachs- und Hanfschwingen (d. h. das Reinigen der Flachsfasern von den Bruchstücken des Stengels mittels Schwingstock und Schwingmesser) ge- schieht durch Frauenhand. Zu dieser Arbeit wurden oft 20 — 30 Mädchen und Frauen aus der Nachbarschaft eingeladen, die am bestimmten Tage mit ihrem Schwingstocke kamen und ohne Lohn mithalfen ; bei dieser klappenden Arbeit sangen die jungen Mädchen schon allerhand alte Lieder zu ihrer Erheiterung. Abends, nach geschehener Arbeit, stellten die Dorfburschen sich ein zu Spiel und Tanz und brachten am Schluss die ziemlich entfernt wohnenden Mädchen nach Hause. Übermaß des Genusses von Meth bei solchen Gelegenheiten führte zu blutigen Schlägereien, bis die Obrigkeit solche Lustbarkeiten (ähnlich den Spinn- stuben) verbot. Eigenthümlich war es, dass die Burschen es beinahe als Noth- wendigkeit ansahen, auf dem Heimwege das Mädchen ihrem etwaigen Neben- buhler zu entführ en und sich damit zu brüsten. Sonderbar und gewiss auf hohes Alterthum deutend war die bei diesem Feste übliche Musik von einem mit Katzen- darm überspannten Pferdeschädel, auf dem man noch 1778 neben dem Hack- bret zum Tanze schnurrte. Der Hattanz ist ein in Bayern (Altmühlthal) und im Salzburgischen noch erhaltener Volkstanz, bei welchem die Paare unter einem ausgespannten Seile, auf welchem ein mit Bän- dern verzierter Hut hängt, im Kreise herumtanzen. Während des Tanzens wird in einiger Entfernung ein Schuss gethan: derjenige Tänzer nun, der in diesem Augenblicke unter dem Seile sich befindet, erhält den Hut als Geschenk. (Schmel- 1er n, 257.) In Schwaben war bis vor Kurzem der Huttanz ein ländliches Fest auf Kirmsen. Der Hergang ist dabei etwas anders, als der eben beschriebene: »Es wird ein Hut an einer Stange mit einet Schnur hinaufgezogen. Unten wird die Schnur befestigt und ein Stück Zündschwamm daran gebunden. Darauf tanzt man um die Stange bis an ein abgestecktes Ziel, wo der erste Tänzer einen ge- schmückten Wedel (Zweig), welchen er trägt , dem durch das Loos bestimmten zweiten Tänzer übergiebt u. s. w. Derjenige Tänzer, welcher, sobald die Schnur abgebrannt ist und der Hut fällt, im Besitz des Wedels ist, gewinnt den Preis. c In Schiettau bei Halle fand sonst zu Pfingsten ein Wettreiten nach einem auf- gesteckten Hute (Tuch oder dergleichen) statt; die Maibursche wurden mit Musik in das Dorf geholt. Ebenso in der Gegend von Kalbe an der Saale. In Edersleben bei Sangerhausen war am zweiten Pfingsttage Hutreiten und nachher Tanz, wobei gewöhnlich der Schimmelreiter auftrat. Zu Pfingsten fand im Sater- land (Oldenburg) ein Schießen nach dem Vogel statt. Wer das Letzte herunter- schoss, ward König und erhielt den geschmückten Hut, den er bei dem Abends Digitized by Google 171 stattfindenden Tanz trug und bis zum nächsten Jalire behielt« [Kuhn, Norddeutsohe GebTäuche Ni. 6L 62.] Glimm (Mythologie 161) glaubt: der Hut, bei Frühlingstänzen als Preis ge- geben, kann recht wohl auf den Schimmelreiter Wodan mit seinem breiten Hute zurückführen. Der Hahnentanz ist in manchen Gegenden Deutschlands eine Volksbelustigung gewesen. Er ist in derBaar, hoch oben im badischen Schwarzwalde im Quellgebiet der Donau, bis vor kurzer Zeit abgehalten worden und insofern interessant, als das Gewinnen des Preises nicht vom Zufall, sondern von der Stärke und Gewandtheit der Tänzerin abhängt. Der Schauplatz ist gewöhnlich eine Scheune, die Zeit nach der Ernte. In der Mitte des Raumes auf einer Stange ruht ein lebendiger Hahn. Von dieser Stange geht ein Querholz aus, an welchem ein symbolisches Dreieck hängt, und in diesem wieder steht ein mit Wasser gefülltes Glas. Jetzt dreht sich der lustige Walzer um die Stange in mancherlei mimischen Bewegungen. Hat ein Pärchen die Stelle unter dem Dreieck erreicht, so wirft die Tänzerin sich rasch mit einem Knie auf die Tenne und hebt mit ihren nervigen Armen ihren Tänzer hoch empor. Berührt dieser nun mit seinem Kopf das Dreieck, so föllt das Glas und — der Preis des Tages ist gewonnen. Derlei sah man noch um 1840 in Höslach, einem Dorfe unfern Stuttgart, während der Kirchweih. Der Haushahn, schön mit Bändern aufgeputzt, saß auf einer kleinen Tanne, welche auf dem Platze des Dorfes in der Erde befestigt war. Um diese herum tanzten Bauernburschen und Mädchen, welche letztere fleißig in die Höh geworfen wurden. Eine brennende Lunte war dabei, welche den Gewinn des Hahnes bestimmte. Im Allgäu war der Hahnentanz noch 1850 gebräuchlich, fand aber ohne Hahn statt. Die Belustigung besteht darin, dass Burschen und Mädel auf einer Wiese um eine Säule oder um einen Baum herumhüpfen. Von dieser Säule geht ein Arm aus imd darauf steht ein Glas mit Wasser. Welcher Bursch es vermag, mit einem Sprung den Teller so zu berühren, dass das Wasserglas umfäUt, und seinen Kopf damit überschüttet, der ist der Löwe des Tages. Er wird sogleich mit einem Stücke Zeug zu einer Weste und das Mädel mit einem Halstuche, beides als der ausgesetzte Preis, belohnt. Darauf wird mit Musik ins Wirthshaus gezogen, wo «Lang aus 8 getanzt, gewalzt und gehopst wird. [Zeitschrift für Kultur- geschichte I, 408.] In Wien wurde sonst in den letzten Tagen der Fasten der Hahnentanz veranstaltet. Die Zeitung für die elegante Welt 1801 S. 445 berichtet darüber: »An dem dazu bestimmten Tage wird in der Mitte des Zimmers, wo der Tanz ge- halten werden soll, ein großer Hahn, mit Blumen und Bändern geziert, auf- gestellt. Die dazu bestimmten Mädchen haben künstliche Sträuße in Vorrath, die sie ihrem Tänzer an den Hut stecken. Nachdem man sich einige Stunden mit Tanz, Essen und Trinken unterhalten hat, kommt das Mädchen, das die Anführerin des Tanzes macht, mit einem großen Strauß hervor. Um den Hahn herum werden mehrere Schwärmer gesteckt und angezündet ; während dem stellen sich die Paare in Ordnung. Sowie das erste anfängt zu tanzen, giebt die Reigen- führerin ihren Blumenstrauß an das nächstfolgende Paar, und dieses wieder dem folgenden. Tanzend nehmen sie nun einander denselben so lange ab, bis der letzte Schwärmer verknallt. Das Mädchen, welches in diesem Augenblicke den Strauß in den Händen hält, wird Eigenthümerin des Hahnes , was ihr und dem Tänzer Digitized by Google 172 sur Ehre gereicht. Ihm kommt aber diese Ehre theuer zu stehen, weil er die ganze Gesellschaft und die Spielleute im Trinken freihalten muss, wofQr er aber auch Tänze allein anführen darf .tf Im Mittelalter war der Hahnentanz in Stadt und Land üblich, z. B. in Frankfurt a. M. gab der Bürgermeister jährlich zu Fastnacht einen solchen. Beleg- stellen dafür, dass schon Anfang des 14. Jahrhunderts um den Preis des Hahnes (Hahnentanz) getanzt wurde, sind folgende Gedichtfragmente dieser Zeit: Pfeif auf , spileman! ich wil tanzen um den h a n und wil den ersten reien springen. oder: Beit ein weil, spileman ! ich wil tanzen um den han. (Vergleiche auch Seite 53 und 63.) Hartmann tadelt in seinem Tanzteufel 1677 die beim Hahnen- oder GOckerstanz, ebenso beim Hammeltanz übliche Tanz- manier als unstatthaft, «da unter dem Tanzen die Knechte den Mädchen in die Arme springen und von denselben werden in die Höhe gehoben«. Der Hahn war dem slawischen Lichtgotte Swantewit (S. 162) geheiligt, weil er das neue Licht, den anbrechenden Tag verkündigt. Möglich, dass damit der Hahnentanz und das Hahnenschlagen zusammenhängen. Da es aber nach Grimm zulässig ist, in dem Hahn ein Opferthier der Germanen zu erkennen, so ist auch möglicherweise der Hahnentanz ein Überrest von altgermanischer Opfer- Ceremonie. Der Holzäpfeltanz hat sich in Baden auf einigen Dörfern in der Umgegend von Heidelbei^ bis 1850 als Volksfest erhalten, das jährlich zu Maria Himmelfahrt (15. August) gefeiert wurde. Die Jünglinge des Dorfes, die am Feste Theil nehmen wollten, legten am Vorabend einige Holzäpfel vor das Fenster ihrer Mädchen, als ein Zeichen der Einladung. Die wohlhabenden Mädchen holten sich nun die Hüte ihrer, Tänzer und schmückten sie mit Bändern, künstlichen Blumen und Citronen. — Des Sonntags nach geendigtem Gottesdienste versammelte sich das ganze Dorf in einem ziemlich kleinen, geschlossenen Hofraume. Da sitzen in der Mitte um einen Tisch die Musikanten, auf der Mauer ein Junge, der in der Hand den Preis des Tages hält : einen mit Bändern geschmückten Hut für den Sieger und ein Paar Strümpfe für die Tänzerin. Zu vier Seiten des Kreises stehen vier Ortsbürger mit Gewehr als Kampfrichter, von denen der eine den Zweig eines Walnussbaumes in der Hand hält. Ehe der Tanz beginnt, geht ein Mann mit einem Sacke voll Holz- äpfel rings im Kreise herum und leert die Äpfel auf dem Boden aus. An einem Baum außerhalb des Hofes hängt eine geladene Flinte mit einer brennenden Lunte. Wenn der Tanz beginnt, erhält der Erste in der Reihe den Walnusszweig und behält ihn in der Hand bis zum nächsten Kreiswärtel, der ihn abnimmt und an den zweiten Tänzer übergiebt. So wälzt sich nun der fröhliche Haufe unter Scherz und Lachen der Tänzer und Zuschauer über die am Boden liegenden Holz- äpfel hin, wobei hie und da ein Pärchen auf die Erde zu liegen kommt, bis die Flinte losgeht und diejenige Person den Preis davonträgt, in deren Hand in demselben Augenblicke der Zweig sich befindet. Die Gesellschaft begiebt sich auf den Tanzboden im Wirthshaus, und der Sieger — muss die Übrigen bewirthen. (Reimann, Volksfeste 167.) Digitized by Google 173 Der Hammeltaiiz, ein Ifindliohes Fest in dem badischen Dorf Homburg und Umgegend, unterscheidet sich in der Tendenz wenig vom Holzäpfeltanz. Ein Tuch an einem Stabe, Ge- schenk der Tänzerinnen, bezeichnet den Schauplatz. Ein stattlicher Hamme^, mit Kranz und Bändern geziert, wird von Knaben herbeigebracht. Im Sonntags- putz versammeln sich die jungen Bursche und Mädchen des Dorfes und der Tanz beginnt im Freien nach der ländlichen Musik. Ein Pärchen walzt im Kreise herum, dann ein zweites, ein drittes^ bis die Reihe durch ist und wieder von vom beginnt. In einem doppelten Reife, der an einer brennenden Lunte befestigt ist, hängt ein mit Wein gefülltes Qlas, und demjenigen Tänzer, welcher gerade an der Reihe ist, wenn das Glas fOUt, wird der Hammel als Preis. Der Sieger hat die Gesellschaft in der Schenke zu bewirthen. [Reimann, Volksfeste 13.] Jakobitftnze der Hirten. Am St. Jakobstag (25. Juli) fing der heidnische Erntemonat an, und St. Ja- kob war in christlicher Zeit der Patron der Ernte und zugleich der Herden. Damm findet auf dem katholischen Rigi (Scheideckj an diesem Tage ein Bittfest für die Gesundheit der Herden statt. (Lütolf , Sagen S. 123.) — In den Bemer Alpen brannten am Jakobitag weithin große Feuer. Das waren Zeichen , mittels deren die während vieler Wochen isolirt lebenden Sennen sich gegenseitig von Alp zu Alp, sowie den Ihrigen im Thale , Grüße zusandten und zum Besuch einluden, was auch am Jakobssonntage meist geschah. Man brachte Wein, Fleisch und Ge- backnes mit auf den Berg, Dinge, die der Älpler während des ganzen Sommers entbehrt, und dieser bewirthete seine Gäste mit seinen Leckereien : Nidli, frischer Butter, Milch und Zieger oder köstlichem Vorbruch, Fusterli und Käsbuldere. Da wird auf den grünen Hüttenlägem geschwungen (Schwingfest), getanzt, gesungen und gejohlt. Das heißt DBergdorfet«. Der Alpenbewohner denkt so wenig wie der Ostschweizer bei seinen Johannisfeuem, dass sie einst den himmlischen Wesen gegolten hatten, in deren Schutz ihre Voreltern und deren Herden lagen. [Henne am Rhyn, Volkssagen 533.] Ein Überrest der alten Hirtentänze ist jedenfalls der noch in der Oberpfalz und Unterbayem vorkommende Huet-Tanz. Er wird an dem Tage abgehalten, an welchem die Gemeinde mit den Vieh -Hirten (Hutleuten) für den kommenden Sommer einen Vertrag im Wirthshaus abgeschlossen hat, das ist zumeist am 1 . Mai (Walpurgis), wenn die Hutzeit beginnt, d. h. das Vieh wieder ausgetrieben wird. Die Knechte und Mädchen , welche den Trieb ihres dienstherrlichen Viehes be- sorgen , sind feiertäglich angezogen , und nach vollbrachtem Austreiben auf die Kuhwiese eilen sie zum Tanzplatze , wo die Hirten und sie mit Tanzen sich er- götzen. [Schuegraf, Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 463.] Es ist nicht bloß ein Hirtentanz , sondern eine Tanzbelustigung für die ganze Gemeinde , zu welcher gewöhnlich Freibier geschenkt wird. In Frankfurt a. M. kommt bis in das 18. Jahrhundert der Kühtanz vor; das war eine spöttische Benennung für einen am Pfingstdienstage im Freien auf einer Wiese (Pfingstweide) gehaltenen Tanz der Bauern, Hirten, Kuhmägde und Feld- schützen, zu welchem sie von ihren Herren Geld und Kuchen geschenkt bekamen. [Kriegk, Bürgerthum im Mittelalter I, 355.] Digitized by Google 174 Schftfertänze.^ Sie waren ehemals am Bartholomäustag (24. August) in Thüringen (Ilmenau^ Blankenhain) , aber auch in dem mittelfiränkisohen Orte Rothenburg an der Tauber gebräuchlich, und bis auf die Gegenwart hat sich der »Schaf erlaufe tu Mark -Gro- ningen {m Schwaben) als Volksfest erhalten. Sie scheinen uralt 8u 86in, man hfilt sie für Überreste altgermanischer Opferfeste am Schluss der Ernte. Zu Rothenburg an der Tauber kommen alljährlich die Schäfer und Hirten der gansen Umgegend susammen , versammeln sich in der Bartholomäuskirche, sieben von da in die Wolfgangskirche und aus dieser wieder in Procession nach dem goldnen Lamme, wo sie sich's wohlschmecken lassen. Dann begeben sie sich auf den Markt und halten einen Tanz , zu welchem kein Handwerker oder Bür- ger zugelassen wird, sondern wo sich einer eindrängen will, wird er sogleich in den Brunnentrog geworfen. Bei diesen schwäbisch -fränkisch -thüringischen Volksfesten der Schäfertänze mag es in alten Zeiten, nach Art der Saturnalien, nicht inmier decent hergegangen sein, denn eine Stelle in der Cynosura ecdesiastica vom Jahre 1638 verbietet: »Bei den Schäfertänzen ist sonderlich alle Leichtfertigkeit und schandbare Ent- blößung gänzlich abzuthun.« Ein altes Liedchen aus dem 15. Jahrhundert »Der Schäfer von der neuen Stadt« (MB. 12) istjedesfalls ein Spring tanz mit Gesang gewesen, aber doch wohl nicht bloß von Schäfern getanzt worden. — Auf dem weltberühinten Breslauer Wollmarkte tanzten in früherer Zeit die Schäfer bei den Wollsäcken, die dazu- mal noch nicht elegant geordnet in Zelten standen. Ein Liedchen, die Schäfer- Courante genannt und anhebend »Es reisen drei Schäfer zu Breslau hinaus« (Erk, Volkslieder H, 4/5, 40), scheint auf diesen Breslauer Schäfertanz hinzudeuten. — Ein andres lustiges Liedchen »Wenn der Schäfer scheeren will« (Erk I, 5) dient jetzt noch zuweilen als Trinkspruch. Die volksthümliche Melodie könnte eine alte Tanzweise gewesen sein, aber keinesfalls haben die Schäfer nach diesem Liede, das ein Spottlied auf ihren Stand ist, getanzt. Kirmestänze. Das Kirchweihfest oder Kirmsfest wird in thüringischen und sächsischen Dörfern alljährlich gewöhnlich im Herbste an einem Dienstage gehalten und dauert drei Tage. An vielen Orten fOUt es auf den Tag des Heiligen oder Schutzpatrons, dem die betreffende Kirche geweiht ist, besonders im Mai und Juni. Gar keine Kirmsen finden zur Erntezeit und im Winter statt Über den Verlauf der Kirmslust und Kirmsbräuohe lassen wir einen thü- ringischen Berichterstatter (W. Reynitzsch] in Gräter's Zeitschrift »Bragur« HI, S. 111 (1792) reden, der die Kirmse in dem gothaischen Dorfe WolÜBbehringen nach seinen Jugenderinnerungen, also aus der Zeit von 1730 — 40, schildert: »Mitten im Dorfe, am Kirchhof, auf einem kleinen Hügel ist ein mit Linden besetzter Platz, rundum mit großen Steinen eingefasst, damit Niemand darüber fahren oder reiten kann. Man heißt ihn den Gemeinde-Anger. In der Mitte um die Hauptlinde ist ein großer Stein als Tisch, den vier kleinere Steine als Füße tragen. Hier versammelt sich die Gemeinde zu öffentlichen Berathungen, hier < Ausführliche Beschreibung findet man in : M. Braun , Adliehes Europa 8. 828. Sprenger, de aedif. in Stat. Imp. detin. Rotenburgum p. 450. Reimaim, Volksfeste 310. Gartenlaube 1861, S. 341 (Schäferlauf in Markgröningen). Zeitschrift fQr Kulturgeschichte II, 1857, S. 97 (Schäfertanz zu Rothenburg an der Tauber]. Digitized by Google 175 weiden vom OemeiBdeschreiber die herrscliaftlichen Verordnungen vorgelesen, aber anch die Hochzeits-^ und Eirmestänze gesprungen, wo man sich paarweise rund um den mittlem Baum und Stein fortwfilzt. Die jungen Burschen wfthlen aus ihrer Mitte den Platzmeister, bestimmen ein gewisses Haus cur Herbei^e (Burschenhaus], wo sie sich versammeln und den herkömmlichen Gesetzen unterwerfen, deren Übertretungen der Platzmeister durch schon bestimmte Strafen vollzieht. »Nach feierlichem Kirchzug unter klingendem Spiel, unter Trompetenschall sieht der Platzmeister neben dem Platzknechte und einigen Burschen von Haus zu Haus. In der einen Hand hält er ein mit Bier gefülltes Glas, in der andern einen Rosmarinstengel. Nach dem Eintritt in das Haus bringt er dem Hauswirth aus dem Glase eine Gesundheit zu, das der Bauer mit den Seinigen auf aller Bursche Wohlsein austrinkt und gefüllt wieder zurückgiebt. Der Platzmeister nebst seinem Knecht bittet um einen Ehrentanz, der in der Stube mit der Tochter oder Frau vom Hause gemacht wird , und empfängt bei seinem Abziehen einen großen runden Kuchen. Ein Knecht sammelt alle Kuchen in ein Sieb und fährt sie auf einem Schubkarren hinter dem Zuge her. Beim Pfarrer wird der Anfang gemacht, wenn er und seine Gaste bei Tische sitzen, und so geht es dann weiter zum Schid- meister u. s. f. »Nachmittags beginnt der feierliche Tanz unter der Linde. Unter Voran- tritt der Spielleute , mit Spitzruthen in den Händen ziehen die Bursche unter die halbgrünen Linden, hüpfen nach einer gewissen Melodie etlichemal im Kreise um den großen Stein und theilen sich dann einzeln in das Dorf aus, um die Jung- frauen (Platzjungfern, »Blotzjungfem«) zum Tanz abzuholen. Jedes Mädchen heftet ihrem Tänzer ein Seidentuch auf die linke Achsel, geht sodann in weißen Hemdärmeln und Mieder hinter ihm her nach dem Gemeinde-Anger zu. Dort wer- den sie am Steintisch (auf welchem große hölzerne Kannen, auch Eimer voll Bier stehen) mit dem Passglas empfangen und wird ihnen zugetrunken. Nachdem sie daraus Allen Bescheid gethan, geht der Tanz an. Der Platzmeister hat den V or- reihen, d. h. er tanzt mit einem Mädchen ganz allein und den Andern voran. Die Mädchen auf dem Plan tanzen anfänglich mit leichter Wendung um ihre Tänzer herum, dann greifen sie sich in die Arme imd schwenken sich so ringsum paarweise hintereinander her. Bisweilen tanzen die Mädchen auch allein, die Btirschen um sie herum und singen dazu. Die Lustigkeit währt bis Abends 1 Uhr. Jeder bringt sein Mädchen in ihr Haus zurück und geht zur Ruhe heim. Am folgenden Morgen acht Uhr versammeln sich die Bursche zu einem Morgenimbiss, der aus Warmbier und Kuchen besteht. Vor- und Nachmitftig wird getanzt. »Aber der dritte Tag ist der feierlichste: es erfolgt der Kirmesumzug. Mit Qoldpapier werden Hüte und Röcke besetzt ; Jedermann bewaffnet sich mit Degen und Pistolen. Man bindet etliche Seidentücher und -Bänder an einen Stock oder Baum , welchen der Platzknecht als Fahne voranträgt. Alle besteigen ihre Pferde und reiten mit den Spielleuten auf das Feld zur Herde, um dort einen Hammel (das C^ferthier?) abzuholen. Unter Musik wird derselbe mit rothen Bändern geschmückt, von dem Metzger, der ein großes Schlachtmesser anhängen hat, auf das Pferd genommen, unter Feierlichkeit nach dem Dorfe unter die Linden gebracht und dort unter Tanz und dem Jubelruf »Juh, juh, juh!« geschlachtet. Abends giebt es einen Schmaus, man spielt um Äpfel und Nüsse ; der Hammel und ein Gericht Schweinefleisch beschließen den Kirmesschmaus und damit die Kirms.« Einer Schilderung der Thüringer Dorfkirmse unfern Hildbutghausen (von Digitized by Google 176 Dr. Hohnbamn 1819 in Büsehlng's wöchentlichen Nachrichten 4. Bd., S. 399 ff.) entnehmen wir noch folgende Zusätze : »Schon am Vorabend des festlichen Tages versammeln sich die jungen Bursche des Dorfes und singen vor den Thüren der reichen Einwohner folgendes Liedchen (MB. 322) : 1 . So treten wir herfüre 5. Nun wollt ihr uns denn kennen, [Aus den Reben wächst der Wein] So wollen wir uns nennen. Vor dieses Bauers Thüre. [Aus den Reben wächst der Wein: 6- So kennet uns denn recht: Steh auf, du wackres Mägdelein ! ] Wir sind die (Name desDorfs) Knecht. 2. Morgen um den Maien 7 g^ ^^^^^ ^.^ ^^^^ ^^^^^^ [Aus den Reben wächst der Wem] ^^ ^^^^^^^ ^^^ ^^ Franken. Da tanzen wir den Reihen. [Aus den Reben wächst der Wein : g. So wünschen wir aus Herzens Grund Steh auf, du wackres Mägdelein 1] viel tausend guter Nacht und Stund. 3. Sie rückt sie hin, sie rückt sie her, Sie meint, sie wollt uns zwei geb'n. ^' Adieu, zu tausend guter Nacht: 4. Zuletzt wird anderthalbe draus, ^^^ *^^^^ Pouchen) sind zurecht Die ganzen schlagen wir nicht aus. gemacht. »Das Fest eröffnet am Morgen ein feierlicher Gottesdienst mit Gesang, Musik und Predigt. Nach dem Gottesdienste versammeln sich imgefähr sechs bis acht Paar junger Bursche und Mädchen, die »Platzburschea und J»Platzjungferna genannt. Erstere tragen Sträuße und seidene farbige Bänder und Tücher auf dem Hute, die bis auf den Rücken herunter hangen. Letztere sind im bloßen Kopfe, mit hochaufgebundenen und glatt zusammengestrichenen Haaren, auf deren Spitze ein Kränzlein mit rosenrothem Bande ruht, mit weißen feinen Hemdsärmeln und Schürzen, rothem Mieder und Strümpfen. Sie versammeln sich im Gemeinde- hause, von wo aus sie unter Anführung des Schultheißen oder Schöffen des Ortes und unter dem Zulauf der gaffenden Menge, mit Musik den Plan [Tanz- platz im Freien] beziehen, in dessen Mitte eine hohe Tanne (die »Maye«] steht, deren Spitze oben mit einem grünen Tannenbätimohen und mit farbigen Bändern geschmückt ist. Nachdem hier Alle in einen Kreis zusammengetreten, spricht der Schultheiß den Kirmesschutz, d. h. er hält eine kleine Anrede^ in welcher er den Anwesenden bekannt macht, dass ihnen das fürstliche Amt die Erlaubnis zur Beziehung des Planes ertheilt habe, dass sich Alle in den Grenzen des Anstandes und der Sittlichkeit halten mögen und was dergleichen g^te Lehren mehr sind« Hierauf werden die »Gesundheitenades Fürsten, der Fürstin, des Amtmanns etc. ausgebracht und einige Salven aus einigen verrosteten Flinten gegeben. Nun erst beginnt der Tanz der Platzburschen und Platzjungfem unter dem Spiel der Dorf- musikanten, um die May e herum. Allmählich mischen sich auch Andere in den Tanz, und nachdem dieser ungeftlhr eine Stunde fortgesetzt worden, zieht die Versammlung zurück in das Gemeindehaus, wo die ganze Nacht hindurch bis an den frühen Morgen getanzt wird. »Am zweiten Kirmestag finden an manchen Orten noch eigene Spiele statt, z. B. das sogenannte Kuchenlauf en. Ein Kuchen wird auf einen Topf in ge- messene Entfernung gesetzt, nach welchem Bursche und Mädchen um die Wette laufen. Wer zuerst ans Ziel kommt, erhält den Kuchen. — Auch eine männliche und eine weibliche Puppe (Hansel und Gretel) werden auf ein wagerecht liegendes Wagenrad angebracht, am Rad wird gezogen und die Figuren kommen dadurch bald oben bald unten hin und in allerhand possirliche Stellungen.« Digitized by Google 177 In den gehörten Schilderungen der Thüringer Kirms e trifft Alles zusammen, was ältere Beriehterstatter von den Opferschm&usen der keltisch- deutschen Völkerscaften schreiben, und man sollte daraus schließen, dass die Opfer der Alten erst am dritten Festtag Abends geschehen sind. Auch der Platz hat Kennzeichen^ der Ältesten deutschen Heiligthümer : die Linden^ die in allen Dörfern die heiligen Haine vorstellen, die äußerliche Einfassung mit großen Steinen, der Opferaltar in der Mitte etc. Die ganze Kirmesfestlichkeit deutet auf das alt- deutsche Erntefest oder Michelfest (d. h.. das große Fest, woraus fölschlich Michaelsfest geworden) . An das Opfer erinnert der feierlich eingeholte und ge- schlachtete Hammel, an die Opfergaben der große runde Kuchen, Äpfel und Nüsse* Von dem Zusammenhange der Kirmes mit dem altgermanischen Erntefeste sammt seinen Opfertänzen ist auch Simrock (Mythologie 567) überzeugt. Er bemerkt: »Bei der Kirmes soUte man den Zusammenhang mit dem Heidenthum nicht ver- muthen, und doch lässtBlcT, lassen die Blotzknechte und Blotzjungf ern (von i>bluotancr, opfern) bei Panzer, bayrische Sagen II, 242, nicht daran zweifeln. Bei uns (am Rhein) heißen diese Blotzknechte Keihenjungen.«^ Auf die Kirmes wurde Manches übertragen, was ursprünglich den Mai- und P fingst festen gehörte. So in der Eifel die Mädchenversteigerung. Auch scheint das Kirmesbegraben, das an zwei ausgestopften Puppen »Hansel und Oretel« vollzogen wurde, dem Begraben der Fasnacht (Winterbegraben) nach- gebOdet. Am Niederrhein geschieht es an der Figur des krummbeinigen Zachäus , der bis dahin auf dem vor der Schenke aufgerichteten Baume, einer Nachbildung des Maibaums, zur Einkehr der Kirmesgäste geladen hatte. Er ist aber christ- lichen Ursprungs. Er ist nämlich aus dem Texte, der den Kirmespredigten zu Grunde gelegt wurde, Lukas 19, 1 — 10 genommen, worin erzählt wird, wie der kleine Zachäus auf einen Matdbeerbaum stieg, um den vorüberziehenden Heiland sehen zu können. Der Trümmertanz war (nach Schmeller, bayerisches Wörterbuch I, 491) ein Kirchweihtanz, an der Unterdonau in Niederbayem unter freiem Himmel abgehalten, wobei alle Tanzpaare auf grünem Plan einen großen Kreis bilden, in welchem ein jedes Paar seine Tour ganz allein herum macht und den Beifall des zuschauenden Kranzes zu verdienen strebt. Weil Trümmer (so meint Schmeller) die einzelnen Theile eines Ganzen bezeichnet, möge obiger Name für diese ein-* zelnen Solotänze gebraucht worden sein. Derselbe Tanz, den man in Niederbayern Trümmertanz nennt, heißt in fränkischen Dörfern Platztanz. (So behauptet der bayerische Oberlieutenant Schuegraf (Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 466.) Die Ausführung ist ganz so, wie beim Thüringer Kirmestanz (siehe oben S. 175, Zeile 31 — 34). Feuertanz zu Wintersanfang. Auch zur Zeit der Wintersonnenwende (Julzeit) scheinen seit Alters bei den alten Gothen und Schweden Freudenfeuer umtanzt worden zu sein. Von einem Feuertanz der Skandinavier erzählt Olaus Magnus^: »Es ist an den Höfen der nordischen Könige und Fürsten Sitte , zur Winterszeit aus Tannenholz zahl- 1 Simrocks Herleitung »Blon , Blotzknechte« von bluotan, opfern ist gesucht. Ebenso fem lieeend ist Rochholz' Ableitung »Blo^, Blon« vom ahd. Verbum blonen d. h. strotzen, womit der mit Kränzen schwerbehaneene Maibaum zu verstehen sei. Ich nehme das Nächstliegende als richtig an: Bio oezeichnet so viel als Plön, mundartlich für Plan. Blotzjun^^em sind Platzjun^em, die am Platztanz s= Plantanz Theil nehmen. 2 De gentium septentnonalium variis conditionibus, Romae 1555. Böhme, Oeioh. d. Tanzei. ] 2 Digitized by Google 178 reiche Feuei anzuzünden, welche ein solches Getöse hervorbringen, dass man von weitem meint, es stürzten Balken nnd Dächer zusammen. Damit aber jenes Ge- töse nicht unnütz erscheint , bewegen sich die tapfersten Männer, einander die Hände reichend, tanzend mit solcher Heftigkeit in Kr eisen zwischen den Feuern herum, dass nothwendigerweise , wenn die Kette reißt, der Letzte ia eines der Feuer föUt. Unter dem Beifall Aller wird so ein in das Feuer Gefallener auf einen erhöhten Sitz gebracht und erhält als Schadloshaltung der etwaigen Ver- letzungen durch das Feuer oder als^ Strafe , weil er das Feuer verunehrt hat , ein oder zwei g^oße Schalen Bier. Wenn er sich durch den heüsamen Trunk erquickt hat, kehrt er schnell zu seinen Mittänzem zurück, da durch die Bewegung, durch Feuer und Durst getrieben, sich die Tanzenden nicht ungern der bestimmten Strafe unterziehen. Diejenigen aber, welche sich so durch die Flammen zu springen ge- übt haben, dass sie nicht mehr in das Feuer gestoßen werden können, werden mit einem größeren Trünke geehrt. Auf diese Weise erhalten die Krieger eine solche Kraft und Gewandtheit, dass sie in ernsten Kriegsfällen mit Gleichmuth größere Anstrengung ertragen können.« [Vergl. Fiancisci curiöse Schaubühne. Daraus Taubert, Rechtschaffner Tanzmeister 1617, S. 77.] Weihnachtstänze des christlichen Mittelalters sind mir nicht bekannt geworden, obwohl bei den Umzügen der Berchta (Frau Holle) , sowie des Christkindes und des Knecht Ruprecht in den engen Stuben zuweilen Rund gemacht wurde. Einen sonderbaren Weihnachtsbrauch, der aber kein Volkstanz und nur lokaler Natur war, will ich hier erwähnen, nämlich den Pomwitzeltanz. Es war ein kirchliches Fest der Kinder im 15. und 16. Jahrhundert in der Stadt Hof und vielleicht ein Überrest slawischen Heiden thums. Wiedemanns handschriftliche Chronik der Stadt Hof (abgedruckt in Vulpius, Curiositäten H, 468) erzählt: »Am heiligen Christtage zur Vesper« da man nach alter Gewohn- heit das Kindlein Jesus wiegte (wie man es nannte), schlug der Organist das Re- sonet in laudibus »Joseph, lieber Joseph mein , hilf mir wiegen das Kindlein ein«, welches der Chor sang, und schickten sich solche Gesänge wegen ihrer Proportion (ihres ^4 Taktes halber) fast gar zum Tanze. Da pflegten denn die Knaben und Mägdlein in der Kirche aufzuziehen und um den Altar zu tanzen, wel- ches auch wohl alte Lappen (Laffen, Narren) thäten. sich der fröhlichen freuden- reichen Geburt Christi äußerlicherweise dadurch zu erfreuen und derselben sich zu erinnern, welches man damals Pomwitzeltanz^zu nennen pflegte.« Aus verschiedenen Gegenden Deutschlands erhalten wir Berichte über den Schwertertanz der Bauern im 17. — 19. Jahrhundert 1 . Wie die uralte Sitte des Schwertertanzes beim Landvolke sich das ganze Mittelalter hindurch bis zur Neuzeit erhalten hat, bezeugt zunächst der Schwerter- tanz der Ditmarsen, der also beschrieben ist: »Die Ditmarscher, als die wahren und ächten Absprießlinge der alten Deutschen, haben diese so nützlich als ergötz- liche Leibesübung beständig beibehalten und auf ihre Nachkommen fortgepflanzt. Das Kirchspiel Büsum kann sich den Ruhm beilegen, dass es fast die einzige Pflanz-Schule gewesen und noch diese Stunde ist , woraus so vortreffliche Tänzer Vergl. Pertsch, Orig. Bonsidelens. (Wunsiedel) p. 340. Digitized by Google 179 entsprossen , die , obgleich sie »de infima plebe nati« , doch wegen ihrer Geschick- lichkeit und Accuratesse eine besondere Lobeserhebung verdienen, und da ich so- wohl in meiner Jugend, als noch letzthin im Jahr 1747 ihre T&nze mit angesehen, so wird man mir wohl als glaubwürdigem Zeugen nichts vorzuwerfen haben, wenn ich nachfolgende und aus den Alterthümem bestärkte Beschreibung davon mache . Ihre Kleidung betreffend, so tragen die Tänzer weiße Hemden mit verschiedenen bunten Bändern allenthalben gezieret und be wunden , und an jedem Beine haben sie eine Schelle hängen, welche nach den Bewegungen der Beine einen angeneh- men Schall von sich geben. Nur der Yortänzer und der, so in der Mitten, tragen einen Hut; die übrigen tanzen mit entblößtem Haupte, weil sie auf die Beiden ein beständig Augenmerk haben und nach ihren Bewegungen sich allenthalben richten müssen. Zu Anfang hält der Vortänzer oder König (wie sie ihn nennen) eine kleine Bede an die anwesenden Zuschauer, darin die Vortrefflichkeit und das Alterthum ihrer Tänze gerühmt und die Zuschauer gewarnt werden, sich vor den bloßen Schwertern in Acht zu nehmen, damit sie keinen Schaden bekommen mögen. Hierauf nimmt nun der Schwertertanz bei Rührung der Trommel seinen An- fang mit solcher Geschwindigkeit, Accuratesse und Munterkeit, dass es zu be- wundem. Bald tanzen sie in der Bunde, bald kreuzweise durcheinander, bald springen sie mit vieler Behutsamkeit Über die Schwerter, bald legen sie solche in einer künstlichen Stellung, welche einer Böse nicht unähnlich, und tanzen um solche Böse in einem Kreise und springen darüber, bald halten sie die Schwerter in die Höhe, dass einem Jeden eine ge vierte Böse über dem Kopfe steht. Endlich wissen sie ihre Schwerter so künstlich ineinanderzufügen und zu verwickeln, dass ihr König oder Vortänzer nicht nur darauf treten, sondern dass sie denselben auch mit Behendigkeit in die Höhe heben und halten können, der sodann abermalen eine kleine Danksagungs-Bede hält, dass man ihrer Lustbarkeit beigewohnt und über dem den Tänzern mit einer billigen Verehrung an die ELand gegangen. Wenn sie nun ihren König wieder herunter auf den Erdboden gesetzt, so wird dieses Schauspiel durch ein abermaliges Tanzen , sowie zu Anfang geschehen , geendigt und beschlossen.! 1 2. Femer ist in Hessen 1651 vor dem Landgrafen Ludwig ein Schwerter- tanz aufgeführt worden, wie die Hessische Chronik des Justus Winkelmann S. 375 erzählt. In Hessen war es Brauch, dass die Schwerttänzer ebenfalls Schellen an die Kniee banden und dazu sangen : »Also sollen meine Gesellen Ihre Schellen Lassen klingen. Wie die Engel im Himmel singen. a 3. Der Schwertertanz in Westfalen (Umgegend von Büren) wurde noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts derart ausgeübt : »Erwachsene Jünglinge gehen bei herannahendem Frühjahr von Ort zu Ort, von Haus zu Haus, legen ihre Schwerter entweder kreuzweise oder nach andern beliebigen Formen. Zu einer kriegerischen Musik springen die Tänzer über die.Sch werter und in die Zwi- schenräume , ohne eine Schwert zu berühren. Geschieht dies gleichwohl , so hat der Tänzer allen Anspruch auf den Beifall der Zuschauer verloren. Auch werden während des Tanzes die Schwerter in die Höhe geworfen und wieder aufgefangen. 1 Dahlmann, Ditmars. Chronik des Neocorus 11, 566. Zusatz aus Viethens Nach- lasse (um 1790 geschrieben). 12* Digitized by Google 180 Hit diesem kriegerischen Spiele werden auch Leibesübungen verbunden: man springt durch Reife, über emporgehaltene Stangen u. s. w., um dadurch Beweise kOrper* lieber Geschicklichkeit zu geben. Nur insofern ist das gegenwärtige Schwertspiel von dem alten des Tacitus verschieden , dass die Schauspieler kleine Belohnung von den Zuschauem annehmen, wofür sie sich mit ihren Mädchen frohe Tage machen. a^ 4. Im österreichisch-bayerischen Alpenlande hat sich bis in neuere Zeit das Spiel des Schwertertanzes beim Landvolke erhalten. In J. Gebhards österreichischem Sagenbuche (Pest 1863) wird des Schwertertanzes als eines im Salzkammergut üblichen Volksgebrauches gedacht. 5. Verbürgte Kunde vom Schwertertanz in Steiermark giebt erst Dr. Ant. Schlossar auf Grund einer aus dem Jahre 1808 erhaltenen Niederschrift über einen Schwertertanz, der bei Anwesenheit und zu Ehren des Erzherzogs Johann in dem obersteirischen Marktflecken Aussee stattfand. Sogar der dabei gesprochene Text ist aufbewahrt. Die Schilderung lautet : »Die Darsteller, zwölf an der Zahl mit einem Fasching (Faschingsnarren) , bedecken sich mit grünea Hüten, welche reich mit »Buschen« und Bändern geziert sind, und tragen einen grünen Rock, ein rothes Leibchen, schwarze Beinkleider, rothe Strümpfe und Bundschuhe ; über der rechten Schulter eines Jeden befindet sich ein weifies Tuch, welches unter dem linken Arme in eine Schleife gebunden wird ; über dieses Tuch wird um die Mitte des Leibes ein Schellenkranz gelegt, um den Takt beim Tanze zu markiren. Jeder hat in der rechten Hand einen Säbel. Die einfache Musik besteht nur aus zwei Feldpfeifen und einer Trommel. Der Erste (der Anführer) tritt mit dem Fasching zur Thür des Saales herein und spricht : Ich tritt herein wol also fest Und grüBe Ihro kaiserliche Hoheit aufs allerbest, Absonderlich begrüß ich Eins ums Andre ; thät ichs nicht, War ich kein rechter Obersteirer nicht. Obersteirer bin ich genannt, Ich führ meine Kling in der rechten Hand. Tritt, Jungfrau, herein in dem grünen Kranz, Spielleut, machts auf den Schwertertanz. Der Fasching ruft: »Herein, Obermayer I« Dieser erscheint und spricht: Warum heiß ich Obermayer ? Ich iss den Tag wol neun Pfund Eier, Nun Pfund Eier wol nicht allein, Süße Milch und saure Schoten (Schotten, Molke) , Die jungen Madin sind mir auch nicht verboten. Ich heiß auch der Hans Kanix, Zum Raufen und Schlagen bin ich der Best. Herein, Junggesell ! (Der Gerufene erscheint.) Wo kommst du her? (Junggesell :) »Wol aus der HöU.« etc. 6. Der Fechttanz war ein bis Ende des 18. Jahrhunderts im Westfälischen (Umgegend von Büren) gebräuchlicher Gebärden- und Gesellschaftstanz, an welchem (trotz seines kriegerischen Namens) auch das weibliche Geschlecht Theil nahm. Man stellte sich in lange Reihen, machte nach einer lustig hüpfenden 1 Westph&lisches Magazin von Weddigen I (1789), S. 207. Digitized by Google 181 Musik einige Wendungen, ging dann mit aufgehobener Rechten auf einen an- genommenen Qegner los, und so ward nach der Musik bald mit fechtenden, bald mit friedlichen Gebärden durchgetanzt. (Westfälisches Magazin I, S. 207.) HoehzeitstSnze waren bei allen Völkern des Alterthums üblich und sind es noch bei allen Na- tionen der Gegenwart. Schon aus der Iliade 18, 491 ff. erfahren wir, dass zu Homers Zeit die Griechen Saitenspiel und Tänze auf ihren Hochzeiten hatten. Ebenso besaßen die Römer ihre Hochzeitstänze. Nachdem sie bei ihren hochzeit- lichen Festen allerhand Ceremonien beobachtet, im Tempel vor dem Altar die- Götter und Göttinnen um gesegneten Erfolg und Gedeihen zu Hochzeit, Beilager, Heimführung und ganzem Ehestand angerufen hatten, wurde endlich nach yer- richtetem Götteropfer die Hochzeit mit einem köstlichen Freudenmahle und lus- tigem Tanze beschlossen. So haben auch die Germanen ihre Hochzeitstänze (Brauttänze, Ehrentänze) gehabt und sind solche das ganze Mittelalter hindurch bei bürgerlichen und bäuer- lichen Hochzeiten gehalten worden. Man hatte eine besondere Person für die Ein- ladung zum Tanz, den Tanzbitter oder Hegelein. Den Beschluss der Hochzeits- schmausereien machte ein Tänzchen, denn erst »Nach dem Essen geht s zum Tanz«. Die Hochzeitsfeierlichkeiten im frühesten Mittelalter dauerten oft mehrere Tage lang. Die Unterhaltung dabei bestand vor und nach der religiösen Feier- lichkeit in Essen , Trinken , Spiel und Tanz. Die Festlichkeit begann mit einem Reigen, worauf das Zusammengeben des Brautpaares folgte. Letzteres geschah entweder auf bürgerliche Weise durch den Hausvater (welche Trauungsart lange bis nach der Reformation bestand) oder es fand priesterliche Einsegnung statt. Dürfen wir aus einer Stelle , die wir in Heinrich's von Freibei^ «Tristan und Isolde« (633) gelegentlich der Hochzeit Tristan's mit Isolde Weißhand lesen, einen Schluss ziehen, so wurden die Trauungen der Vornehmen damals (13.Jahrh.) wäh- rend des Hochzeitstanzes vorgenommen . Tristan und Isolde tanzen vor, die übri- gen Paare schließen sich ihnen an. Während AUe fröhlich tanzen, tritt der Bischof in seiner vollen Kirchentracht herein und die Tanzenden lösen ihre Reigen, um einen Kreis (Ring) zu bilden. Der Vater der Braut führt sie mitten in den Ring, Tristan stellt sich neben sie und der Bischof giebt ihm die Geliebte zum Weibe. — Einen andern Beweis dafür, dass die Trauung der Vornehmen häufig während des Tanzes geschah, liefert ein altes Deckengemälde in der Incoronata zu Neapel, das der alte florentiner Meister Giotto gemalt hat. Es stellt eineTanzfestlichkeit auf einer Hochzeit dar. »Während im Hintergrund unter Trompetenschall die Trauung vor sich geht, tanzen im Vorderg^runde zu den sanften Tönen einer Viola und Oboe die Ritter und Damen einen Reigen. Die Häupter und Blicke der Tänzerinnen sind züchtig gesenkt, die Tänzer fassen in ritterlicher Courtoisie kaum die Finger- spitzen ihrer Damen , die Bewegungen erscheinen ebenso zierlich und änmuthig, als ruhig und decent.« [Czerwinski 167.] Wurde zur Trauung ein Zug in die Kirche beliebt, so wurde er unter Ge- sang, Tanz und Ballspiel^ (also mit einem Tanzleich) abgehalten, wie dies in alter Zeit im Morgenlande (Concilium Laodicense vom Jahre 363, can. 53) ge- 1 Daher die Sitte des Brautball-Abholens zu Ostern. Vergl. Franck, Welt« buch 1534, S. 128 den Kirchgang zur Hochzeit Digitized by Google 182 bräucblich war. Im Gedicht des 1 2 . Jahrhunderts »Athis und Prophiliasa (C* 83 — 95) wird ein Brautzug geschildert, wie die jungen Mädchen und Frauen hüpfend und springend einander den Ball zuwarfen, von der Braut singend, Sus (So) giengen die jungen hupfinde unde springende, von der brdtin singende, einander werfinde den bal. Dieser Ball war von weichem Leder gemacht und mit Haaren gefüllt und wie eine Kugel groß : dit spil was geheimen bal in römischer zungen. [Weinhold I, 390.] * Um auf die alterthümlichen Brautfahrtfreuden der Vorzeit zurückschließen zu können, lassen wir uns einige skandinavische Hochzeitsbräuche aus Dybeck's Runa (Stockholm 1842) durch Professor Karl Weinhold (die deutschen Frauen im Mittelalter I, 390) erzählen: i»In XJpland und anderwärts in Schweden wird der Brautlauf gewöhnlich im Herbst abgehalten. Vor dem Brauthause stehen junge Tannen, an denen bis auf den Wipfel alle Äste abgeschnitten sind. Der Brautzug geht von den Hofreitem (hofriddare) geleitet zur Kirche , wo vier junge Mädchen während der Einsegnung einen Himmel (Decke) über das Brautpaar halten. Auf dem Heimgange reiten die Reiter zwischen dem Zuge und dem Hause hin und her ; man setzt sich zu Tische und am Schluss des Essens fordert der Geistliche , der stets dabei ist, zu einer Sammlung für die Wiege auf. Darauf beginnt der Tanz, den der Geistliche mit der Braut eröffnet. Nach einer Weile geht die Braut , von der Brautfrau (frammor) begleitet, fort, tun sich umzukleiden, und theilt dann kleine Geschenke an die Gäste aus, was man den Willkomm (välfSgnad) nennt. Nun heißt sie Jungefrau (ungmor), und der Wegtanz (bortdansingen) beginnt, bei welchem die Männer und Mädchen den Frauen die Braut streitig machen . (Schein- entführungen waren bei griechischen und römischen Hochzeiten und sind noch in manchen Ländern heute zu finden.) Den Beschluss macht am ersten Tage der allgemeine Tanz, der bis tief in die Nacht dauert. Am Morgen werden die Reste des Mahls verzehrt und ein Klotz in die Stube gestellt, auf dem für die Spielleute und Aufwäscherin gesammelt wird, während die Gesellschaft darum tanzt (das ist der Klotztanz). Gegen Mittag trennt sich die Gesellschaft, indem die Männer einen scherzhaften Raubzug in die umliegenden Höfe unternehmen. Die Tänze sind meist von Gesang begleitet und haben besondere Namen. Jetzt kommen Wort und Weise schon sehr ins Vergessen. Der Tanz, den die Braut mit dem Geistlichen tanzt, heißt Höglorf und ist mit einem Liede begleitet, das an die Braut gerichtet ist und nicht ganz feine Scherze enthält. a Eine altgermanische Sitte war, dass bei Vermählungen das Brautpaar einen Becher zusammen leerte und durch diesen Trunk (den Minnetrank) die Ehe für geschlossen erachtete. Gegen diesen Brauch als einer Unsitte eifert eine Sy- node ^ (um 1277): »Wir haben bemerkt, dass etliche mit Willen nnd Absicht die Ehe gegenseitig bloß dadurch beschließen, dass sie unter dem Namen der Ehe trin- ken in dem Glauben, dadurch gegenseitig zur Ehe sich verbunden zu haben, doch dadurch vereinigen sie sich bloD fieischlich.« — Noch im 16. Jahrhundert war es in < Es war ein Brautleich, mit Ballspiel verbunden. ^ Synodus Andegavensis um 1277, can. 3 : »Intellezimus nonnullos volentes et inten- dentes matrunonium ad invicem contrahere, nomine matrimonii potare et per hoc ere- detites se ad invicem matrimonium contraxisse, camaliter se commiseent« Digitized by Google i8d einigen deutschen Gegenden Sitte, dass deT Priester dem Bräutigam vor dem Altar aus dem Kelche einen gesegneten Trunk, den Johannes-Segen reichte (Seb. Franck, Weltbuch 1534). — Die Sitte des gemeinschaftlichen Leerens eines Bechers durch das Brautpaar hat sich in einem norwegischen Hochzeitsbrauche erhalten. Im nördlichen Guldbrandsthal heißt der dritte Tag des Hochzeitsfestes der Klotzt ag. Da wird nftmlich ein gewaltiger Fichtenklotz in die Brautstube gewälzt. Zuerst steigen Bräutigam und Braut hinauf und trinken sich einen Becher zu; dann folgt die ganze Gesellschaft paarweise nach, indem zugleich jedes Paar, nachdem es Tom Klotz gestiegen ist, dreimal um ihn herumtanzt. Zuletzt wird der Klotz unter Scherz in den nächsten Bach gewälzt. Auch in schwedischen Landschaften ist das Zutrinken auf dem Klotze Sitte, während die Gesellschaft singend und schreiend darum tanzt. Der Tanz heißt Klotz tanz (stabbdansenj . Bei Hochzeiten der Fürsten und Vornehmen wurde durch das ganze Mittel- alter der Fackel tanz aufgeführt, d. h. ein feierlicher Umzug der hohen Hoch- zeitegäste sammt dem Brautpaare mit brennenden Fackeln, wobei am Schluss der Brautkranz (die Krone) ausgetanzt wurde (s. S. 78). Im Schwedischen war der Fackel tanz bei Hochzeiten der Reichem noch bis vor kurzem im Gebrauche. Einem solchen Ceremoniell verdanke ich den schwedischen Fackeltanz (s. MB. 350), jedenfalls ein sehr altes nationales Musikstück, das der berühmte Akustiker Kauf- mann aus Dresden auf seiner Reise in Schweden aufgeschrieben hat. [Vergl. auch den französischen Fackeltanz MB. 190.] Die Schilderung eines bürgerlichen Hochzeitsfestes mit Schmaus (Quldenmahl) aus dem 18. Jahrhunderte in Regensburg mag nach der Zeitschrift für Kulturgeschichte (I, 470) hier folgen. Diese »Guldenmahletf waren bei gemeinen bürgerlichen Hochzeiten ehe- mals gebräuchlich. Die Zahl der Gäste war bis auf höchstens 54 zulässig; für jede mehr am Tische sitzende Person musste Strafe an das Hansgericht erlegt werden. Man speiste um 12 Uhr Mittags. Die Gesellschaft ordnete sich an vier abgesonderte Tafeln. An der ersten saß die Braut neben der Ehrenmutter obenan, sammt den Frauen; an der zweiten der Bräutigam und derEhrenvater mit den ange- sehensten Mannspersonen; an der dritten die Jungfrauen, an deren Spitze sich die Kränzeljungf er (Brautjungfer) befand; endlich an der vierten alle diejenigen Männer und Frauen, die an den andern Tafeln keinen Platz mehr fanden. Waren die Stühle einmal besetzt, so mussten die übrigen erscheinenden Gäste wieder nach Hause gehen. Nur der Bräutigam musste in diesem Falle seinen Platz einem Gaste überlassen, und speiste dafür auf dem Zimmer des Wirths. Sobald sich die Gäste gesetzt hatten, forderte man jedem das Mahlgeld ab, welches einen Gulden betrug. Daher diese Hochzeitsschmäuse »Guldenmahle« hießen. Erst nachdem bezahlt war, wurde aufgetragen. Die Zahl der Speisen war bestimmt, die Portionen waren alle gleich groß und so reichlich, dass auch der Hungrigste sie schwerlich hätte ganz verzehren können. Man stellte sich einen Teller an die Seite und hob sich dann auf, was man nicht essen konnte. Die Über- reste wurden »Bescheid-Essen« genannt und zum Schluss der Tafel nach Hause geschickt. Wer sich etwa kein Bescheidessen anhäufen und beim Tellerwechsel die Reste zurückgeben wollte, hätte sich einer allgemeinen Kritik Preis gegeben. Ehe die Tafel aufgehoben wurde, sprach der Pastor, der die Trauung verrichtet hatte, ein lautes Gebet, sowie er dies auch zu Anfange des Mahles that, dann wurde mit Musikbegleitung eingeistlichesDanksagelied (Choral) angestimmt. Nach gesungenem Liede drängten sich die Dienstmädchen herein und überbrachten die Geschenke ihrer Herrschaften. Die Braut empfing diese stehend. Ihr zur Digitized by Google 184 Seite zeichnete ein Procurator jedes Geschenk auf. Man reichte der Magd einen Pokal mit Wein , aus welchem sie auf die Gesundheit des Brautpaares Bescheid that, d. h. trank. Die Geschenke wurden dann in großen Körben zur Schau ge- stellt und am hellen Tage nach der Wohnung der Neuvermählten getragen. Alsdann kam der Brautführer und führte dem Bräutigam die Braut zu, welcher sie auf dem Tanzsaale erwartete. Das Brautpaar tanzte umringt von Gästen und allen Mägden den Ehrentanz, d. i. eine Menuett ganz allein. Erst wenn diese geendigt war, fing der allgemeine Tanz an. Dieser dauerte bis 10 Uhr Nachts, wo dann ein Diener des Hansgerichts (Stadtgerichts) unter dem Namen Marktknecht mit einem lauten Spruche ankündigte: es sei nun die Hochzeit zu Ende. Nach dieser Aufkündigung wurden noch drei Tänze aufgespielt, wovon der letzte im 2/4 Takt war und der Kehraus genannt wurde. — Noch vor den 90er Jahren defl vorigen Jahrhunderts wäre es für ein honettes Frauenzimmer ein großes Verbrechen gewesen, den Kehraus mitzutanzen; später setzte man sich über diesVorurtheil hinweg und man hüpfte und tobte beim Kehraus wie ein wildes Heer durch- einander. So ändern sich in kurzer Zeit Sitten und Gebräuche I Der Eehrans oder GrofsTatertanz ist ein alter Beigen, der gegen Ende der Hochzeitsfestlichkeit und vor dem Braut- austanzen von allen Theilnehmem sonst getanzt wurde und noch jetzt als um- gehender Tanz nach Art der Polonaise überall zum Beschluss der Tanzlust gekannt ist. Er hat nach Taubert (Tanzmeister S. 87) seinen Namen daher, «weil er gemeiniglich zum Kehrab, Beschluss, Valet irgend einer Hochzeit oder sonst fröh- lichen Gelags angestellt wird, dabei sich die sämmtlichen Gäste zu guter letzt noch einmal recht lustig machen und also das Gastgebot fröhlich endigen, gleichsam fein sauber abkehren.« Die Melodie gebe ich nach Überlieferung aus Thüringen und Sachsen, und gleichlautend aus Niederschriften zu Anfang dieses Jahrhunderts, in MB. 355. In Thüringen und anderwärts singt man seit Alters zum Kehraus oder Groß- vatertanz folgende Worte, die ich nach Taubert (um 1710) wiedergebe : I. Theil. Langsamer, getretener Tanz im ^4 Takt. »Und als der Großvater die Großmutter nahm. Da war der Großvater ein Bräutigam, (Und die Großmutter war eine Braut, Da wurden sie beide zusammen getraut).« II . Theil. Hascher Springtanz, schneller Bundtanz im V4 Takt. »Mit mir und dir ins Federbett, Mit mir und dir ins Stroh, (Da sticht dich keine Feder nicht. Da beißt dich auch kein FlohI)ft Von diesem Texte singt man die zwei eingeklammerten Stellen jetzt nicht mehr ; denn die Zeiten sind vorüber, wo Fischart ein Lied von der »Flohhatz und Weiber^ tratz« schreiben und noch Goethe den »großen Floh eines Königs« poetisch be- handeln durfte. Die Ausführung des Kehrab geschah um 1700 in Sachsen ähnlich wie der Reif tanz, nur dass man statt der Tannenreife hier Schnupftücher gebrauchte, um den Reigen herzustellen. Wie alt mag wohl der Großvatertanz sein? Zurückverfolgen lassen sich Text und Melodie bis ins 17. Jahrhundert. Sebastian Bach hat den zweiten Theil der Melodie vom Großvatertanz in seine Bauem-Kantate 1741 auf- Digitized by Google 185 genommen und aus der Jugend-Erinnerung niedergeschrieben (siehe MB. 161). Den Text kannte 1710 Taubert als schon alten, also gewiss ihm in seiner Jugend, um 1670, bereits bekannten. Jedenfalls ist der Tanz aber älter. Auf hohes Alter- thum deuten aj die überraschende Ähnlichkeit seines zweiten Theils mit den ältesten Reigenmelodien, b) der Taktwechsel. Wenn auch die siebenbürgischen Sachsen ihren QroBvatertanz besitzen (MB. 354), so wäre es doch zu kühn, zu yermuthen, dass sie ihn im 12. Jahrhundert, als sie aus Niederdeutschland aus- wanderten, mit in die neue Heimath gebracht hätten. Auffallend ist, dass weder Text noch Singweise im 16. Jahrhundert irgendwo literarisch erwähnt sind, und dass es schon Ende des 16. Jahrhunderts einen Kehrab (MB. 77) gab, der ganz andere Melodie hatte. Auf die in ihrem Alter noch unerforschte Volkstanzweise giebt es zwei lange und langweilige Kunstdichtungen: 1) «Als der Großvater die Großmutter nahm, da wusste man nichts von Mamsell und Madam«, Gedicht von Langbein 1812, zuerst gedruckt in Beckers Taschenbuch zum geselligen Vergnügen 1813, S. 100. Überschrift: »Das Großvaterlied. Nach der bekannten Tanz weise.« — 2) »Und als der Ghroßvater die Großmutter nahm, da war der Großvater ein Bräutigam etc.«, Gedicht von Klamer Schmidt, 1794 zuerst gedruckt im »Neuesten Berlinischen Musen -Almanach« 1802, S. 99. Manche haben Klamer Schmidt für den Verfasser des Volksliedtextes halten wollen ; nur schade, dass 17 tO schon Taubert aus seiner EÖnderzeit ihn kennt. Ein sonderbarer Gebrauch bei Hochzeiten in den Ortschaften an der Ahr ist der sogenannte J»Nachbarstanzc. Nach Beendigung des Tanzens der Hochzeitsgäste kommt das gesammte größere Jungvolk des Ortes und fordert den oNobers- daanza. Es wird demselben nun Weißbrod, Branntwein und einige Musikanten verabfolgt und damit zieht das Völkchen in ein anderes Haus , wo eine Stube zum Tanzen geeignet ist, und macht sich dort fröhlich. «Wenn die Hochzeitsgäst sich laben, solln die Nachbarn auch was haben«, denkt man. Zwei märkische Hochzeitstänze aus dem 1 8 . Jahrhundert, und zuweilen noch jetzt üblich, sind nach ihrem dazu gesungenen Texte benannt : a) SchurtdenKedelut (Scheuert den Kessel aus) . Sämmtliche Gäste rei- chen sich am Schluss der Hochzeit die Hände und , oft nur ein Musiker mit der Geige voran, rennen und toben sie in einer langen Keihe im Haus, ja oft im gan- zen Dorfe umher. Die Musik (MB. 352) geht aus ^4 T^^^t im Polonaisen -Tempo, hat zwei Theile mit Wiederholungen, der erste mit vier, der zweite mit sechs Takten. An diesen Tanz schließt sich unmittelbar : b) «Kränzchen ist verlorene (MB. 353). Der Bräutigam, welcher, in der Thür stehend, von dem Umgange zurückgeblieben ist, empfängt in dem zurück- kommenden Zug seine Braut und nimmt ihr den Kranz vom Kopfe. Nun gilt die Braut erst als Frau und hat mit jedem Jüngern Mädchen einmal herum zu tanzen. Kränzeltanz heißt in einigen Gegenden des bayerischen Gebirges ein Hochzeitstanz, wobei der Brautkranz ausgetanzt, d. h. der jungen Frau abge- nommen und unter Tanz einer der anwesenden Jungfrauen aufgesetzt wird . K r a n z 1 - j u n g f er hieß die mit einem Kranz auf dem Kopf geschmückte Jung&au , die auf Hochzeiten, in Kirche, bei Tisch und Tanz als nächste Umgebung der Braut figurirt. Weiteres über Hochzeitstänze in Bayern, Schwaben, Franken und Meck- lenburg s. Kap. Xffl, S. 191 f. 195. 200f. 203. 206f. Zum Beschluss der Hochzeitstänze mag der gelehrte und lustige Leipziger Tanzmeister Taubert (S. 34) sprechen : »So haben auch die alten Teutschen keine Digitized by Google 186 Kateen-Hochzeiten angestellt, sondern an ihren hochzeitlichen Freudentagen gleichfalls ihre Lust und YergnUgung bei dem Tanzen gesucht. Wenn sie sich ganz satt und müde gesprungen hatten, nahm die Brautführerin gleich wie dort (Genesis 29, 23) Laban seine Tochter Lea bei der Hand und brachte sie zu dem Bräutigam in die Kammer. Fast atif eben solche Art, wie noch heut zu Tage (1700) an einigen sächsischen Orten in Gebrauch ist : wenn nämlich die beiden Braut- diener die Braut mitten aus dem Tanz nehmen und sie in Comitat der sämmtlichen Hochzeitsgäste zu ihrem Bräutigam in die Kammer führen, als welcher sich eine Weile vorher dahin zu Bette verfügt hat, um sie mit ihrem ganzen Braut- schmucke zu ihm ins Bett zu legen. Die sogenannte Brautmutter aber nimmt einen großen Auflauf er- oder »Propheten-Kuchen«, wie er genannt wird, schlägt denselben auf dem Brautbette mit der Hand in Stücken, als wollte sie gleichsam den Stab über die Jungfer und das Urtheil sprechen : Yirgo fuit, nunc uxor erit, post denique mater. Hoc faxit Dominus, qui regnat trinus et unus.« Kapitel Xm. Allerliand Volkstänze, die nocli jetzt zuweilen getanzt werden. Ich mache es mir zur angenehmen Pflicht, aus allen Qauen Deutschlands die alten Volkstänze zu beschreiben, die unlängst außer Kurs gesetzt wurden und nur noch wenig gekannt sind. Was ich zu dem Behufe aus sittengeschichtlichen Büchern und gelegentlichen Zeitungsnotizen zusammengetragen und selbst vor Jahren durch Anschautmg kennen lernte, findet der freundliche Leser hier zu- sammengestellt und er mag sich einstweilen damit begnügen, bis Andere nach mir noch mehr bringen. Ich meine, dass es die höchste Zeit war, aus Anschauung die alten Volkstänze zu schildern und die Beschreibimgen davon zu sammeln , da es, wie der gesungenen alten Volkslieder, bald keine mehr giebt. Solche Volkstänze sind gegenwärtig nur noch hier und dort auf dem Lande und zwar möglichst weit von der Alles beleckenden Weltkultur in entlegenen Dörfern zu finden. In diesen Bauemtänzen nun, was Stellungen, Figuren und Wendungen anbelangt, variirt eine Provinz von der andern und sind die Namen für einen und denselben Tanz landschaftlich verschieden. Auf Kirmsen und Hochzeitsfesten kann man zuweilen noch alte Tanzarten sehen ; die nach altdeutschem Brauch mit Gesang und Gebärdenspiel verbundenen Tänze werden immer seltener und bald wird es kommen, dass sie als ein Historisch- Gewesenes nur noch in Büchern stehen und das Volk selbst sie gar nicht mehr tanzt. Lehrreich für den Freund der Sittengeschichte und jeden Gebildeten ist es jedenfalls, etwas Näheres von den verschollenen oder im Absterben begriffenen Volksbelustigungen zu erfahren. Amüsant für Zuschauer sind solche Landtänze ; deshalb ließen sich oft Fürsten an ihren Höfen zur Kurzweil in der Faschingszeit und bei Maskeraden solche Bauemtänze im Nationalkostüm vorführen. Und in der That sind viele ländliche Tänze in ihren Wendungen und Figuren oft anziehender. Digitized by Google 187 als die französischen Kunsttänze. Weiß doch mancher junge Dorf- Galan seine Phyllis beim Dorfhochzeits- oder Kirchweihfesttanze so graziOs herumzuschwingen, dass man glauben möchte, er habe bei einem Tanzmeister solche Kunst erlernt. Nun, beginnen wir unsere Rundfahrt durch Deutschland, um nach alten Volks- tänzen zu suchen. a) VoUrataiize in Ober- und I}ied6rbaj6m.i Die Kirchweih im Monat September ist vor allem ein Freudentag für das tanzlustige Volk , denn am »Kirtac darf nach Herzenslust vom Schluss der Vesper an bis an den frühen Morgen getanzt werden.^ Dabei kommen alle landesüblichen l^Uize nach einander an die Reihe, die wir unten anführen wollen. Die allgemeine Klage über Abnahme und Erlöschen wahrhaft volksthümlichen Lebens in Tracht und Wohnung, Brauch und Sitte drängt sich ebenso lebhaft bei der Wahrnehmung auf, dass die alten, charakteristischen und schönen Tanzweisen auch auf dem Lande immermehr verdrängt werden von den modernen Touren städtischer Bälle ; Polka, Fran9aise, ja selbst Polka-Masurka werden (natürlich in grässlicher Übersetzung ins Plumpe) von den bayerischen Bauern gestampft, deren natürliche Geschicklichkeit in den zierlichen altenTänzenoft sogar eine ge- wisse Grazie entfaltet hatte. Nur selten finden sich noch Spuren von den früher allgemein üblichen Reihen tanzen im Freien »auf grüner Wiese um den jungen Maien«. Im ganzen schwäbischen und bayerischen Vorland kommt beim Kirchtag der Xame Betteltanz in verschiedenem Sinne vor: a) Am Lechrain führt jeder Bursche ein Mädchen, das noch keinen Schatz hat, am Nachkirchtag nach der Kirche zum Tanz, und schickt für die Gunst dieses Tanzes der Mutter einen Krug Bier und ein Paar Brezeln. Dieser Tanz heißt dort der Betteltanz ; dadurch wird die Härte verhütet, dass Mädchen ohne Liebsten gar nicht zum Tanz kämen ; denn jeder Bursche tanzt nur mit seinem Schatz. Anderwärts freilich hat der Knecht die Dirne des Hauses zum Kirta zu führen , wenn er auch einen andern Schatz hat, oder der Sohn die Tochter des Nachbars (unfern Tegemsee) , — b) Andern aber ähnlichen Sinn hat der Betteltanz im Ampergrund. Der von den Spielleuten be- stellte Tanzordner (Aushalter) mit seinem Ehrenzeichen, dem bändergeschmückten Stab , stellt sich in die Mitte ; nun wählen zuerst die Burschen , dann die Mäd- chen einen Partner für drei Touren ^ thun einen Schluck aus dem Bierkrug des Aushalters und zahlen für beide Freiheiten 3 Kreuzer. Auch hier wird den Mäd- chen , die keinen Schatz haben , Gelegenheit zum Tanz gegeben. Während der übrigen Touren stehen solche denn gar traurig an der Thüre und spähen sehn- süchtig herein; oft müssen sie dabei schweren Spott ertragen. Sie suchen sich da- her meist sobald als möglich einen Burschen, den sie ngen Bier haben«, d. h. der sie zum Tanz und Bier führt. Bemerkt sei, dass sonst und jetzt in manchen Ge- birgsgegenden jedes Frauenbild vom Tanzboden gewiesen wurde , die lediger- weise ein Kind gehabt hat. Die noch üblichen Tänze im Vorland sind: der schwäbische Langaus, ein gar sittiger, bildsamer Tanz, ein Ländler für Ein Paar, das getrennt tanzt, wo- bei das Mädchen sich mit gesenkten Augen stille drehend fortbewegt , indess der 1 Nach Bavaria I, ß. 380—383. 2 In den meisten Gegenden Bayerns darf ohnehin nur an wenigen Tagen getanzt werden. Tanzzeiten sind außer Kirchweihfest noch Fastnacht, weißer Sonntag, Cä- cilia, Pfingstmontag, Martini und Kathrinentag, sowie die Jahrmarktstage. Digitized by Google 188 Bursche es umkreist und auf allerlei Weise , jedoch, lange nicht so stflrmisch wie im bayerischen Ländler , seine Freude und Liebe pantomimisch ausdrückt. [Ba- varial, 381.] Ein sehr kunstvoller, früher fast in jenem Vorland (Oberbayem) allein üb- licher Tanz war der sogenannte Sechser-, Achter- oder Zwülfertanz, eine Art Quadrille, deren zwei Haupttheile, im Menuettschritt getanzt, oft über 20 ver- schiedene Touren umfasste. Im zweiten Theil wurden diese Touren mit Ländler- schritt rasch wiederholt und zuletzt wurde die Tänzerin von den Burschen der Reihe auf verschlungenen Händen getragen, was «Engel tragen« hieß. Die eigentlichen Virtuosen dieses Tanzes sind aber ausgestorben; nur selten begehrt ein ehrsamer alter Bauer noch heute (1860) von den Spielleuten vergeblich diesen vergessenen altfeierlichen Tanz, dessen zierliche Windungen unser ungeduldiges Geschlecht nicht mehr erlernt. [Bavaria I, 381.] Am häufigsten werden getanzt : a) der Dreischri tt- W al z e r , der in den meisten Gegenden erst seit Anfang dieses Jahrhunderts an die Stelle der sonst üb- lichen Tänze im Quadrillenstil getreten ist und in sehr langsamem Tempo aus- geführt wird ; er führt seinen Namen zum Unterschied von dem durch 6 Schritte (Pas) auszuführenden Wiener Walzer, geht aus langsamem ^/g Takt und wird auch Schleifer genannt; — b) der bayerische Ländler, der insbesondere von dem lebhaften Gebirgsvolke an der Mangfall und der Loisach mit furchtbarem Stampfen und unaufhörlichem Pfeifen, Jauchzen und Singen begleitet wird. In dem Gebiete unfern Tegernsee wird dies »Plattin« mit großem Eifer und naturwüch- siger Grazie geübt; es geht dabei immer sehr laut her: Jauchzen, Pfeifen und Ge- sang des höchst tanzlustigen Volks übertOnen oftmals die gellenden Klarinetten und Trompeten, die gewöhnlich zum offenen Fenster hinausgeblasen werden , um neue Gäste anzulocken. Auch auf dem linken Ufer des Innthals ist die Tanzlust außerordentlich groß ; man tanzt dort nicht nach Scharen, sondern alle Paare tanzen bei jeder Tour zu- gleich. Das sogenannte »Austanzen der Mädchen« mußte im Jahre 1846 vom Landgericht in Rosenheim aus Gesundheitsrücksichten verboten werden , da gute Tänzerinnen selten ein paar Minuten an ihrem Platze blieben, sondern unausgesetzt den ganzen Abend und die Nacht durch tanzten.^ — Einen auffallenden Gegen- satz hierzu bildet die Ramsau, wo an den drei einzigen Tanztagen (Kirch weih, Fastnacht und Kathrey) oft alle Buben nur 3 — 4 Tänzerinnen haben, weil die meisten Mädchen dort gar nicht tanzen können. Auf diesen Kirtagen tanzt man gewöhnlich nach Scharen, d. h. je 4 Paare, die für eine Schanze (das sind 3 Touren) 1 fl. 12 kr. bezahlen. Einzel tanze werden ungern gesehen. Der prahlerische Bursche, der (den Spielleuten das Tanz- geld zuwerfend und den Andern die Zeit wegnehmend) mit seinem Schatz allein oder höchstens mit einigen Freunden, denen er die Theilnahme gestattet, den An- dern vor der Nase herum tanzen will , wird gar bald mit Trutzliedern gestraft, deren unausbleibliche Folge zuletzt eine erfreuliche Rauferei ist, welche in vielen Gegenden so nothwendig an den Schluss einer rechten Kirchweih gehört, wie Messe und Vesper an den Anfang. Das Verbot solcher Trutz- und Tanzliedchen lässt sich natürlich so wenig durchführen wie das Verbot , Spielhahnfedem (diese permanente stillschweigende Aufforderung zum Raufen) ai^ dem Tanzboden zu tragen. — Häufig hat jeder Bursche einen Tanz für sich, und alle Andern, die daran Theil nehmen, der Reihe nach zu zahlen. Früher war es allgemein ^ Ganz ähnlich wie die sächsischen »Durrtänze« (Durchtänze), s. oben S. 120. Digitized by Google 189 ablichy mach Tischen« su zechen nnd zu tanzen (d. h. es bildeten sich Ghruppen aus Verwandten und Freunden, welche den Wirth und die Spielleute aus ge- meinsamer Kasse bezahlten; dies patriarchalische Zusammenhalten weicht aber immer mehr der modernen Neigung nach Vereinzelung in Genuas und Leistung. — Häufig kommt es vor, dass die angesessen verheiratheten Bauern an einem bestimmten Tage ihre Eheweiber feierlich zum Tanz zu fahren haben (z. B. Fast- nachtsdienstag, dem »unsinnigen Pfinstag«) oder dass sie sich auch zum Eirta eine besondere Schanze von drei Touren aufspielen lassen, wovon die Ledigen ausgeschlossen sind. Einige interessante ältere Tänze sind der im Salzburgischen noch übliche »Auf und ab«, wobei jedes tanzende Paar ein bestimmtes Brett nicht verlassen darf; dann der Spieltanz am Sonntag vor der Kirchweih, in welchem die beiden angestellten Platzmeister zur Einübung der Andern sämmüiche ortsübliche und früher oft complicirte Tänze ausführten und dann noch nachtanzen ließen. Acht Tage nach der Kirch weih erfolgte der Hut-Tanz, bei welchem ein Hut als Ge- winn ausgewürfelt wurde; beide sind im Land an der Sempt und Isen noch üblich. Endlich kommt im Lande an der obem Paar auch noch der im Taktwechsel ausgeführte Tanz »der Nagels chmie de vor, nach der Melodie des folgenden Schnadahüpfls getanzt und jedenfalls aus der Oberpfalz herüber gewandert (s. S. 193) : »Heirath i en Krama, muß i aufs Land, Heirath i en Schinta, is mers a Schand, Heirath i en Nagaschmid, han i Tag tind Nacht kan Fried : Gnigelt, gnagelt, gnagelt muß sein.« [Bavaria I, 382.] Während anderwärts jeder Bursche seinen Schatz offen und fr ei zum Tanze führt , den Ehrentag seiner Liebe am Kirta feiert und sein Mädel in einem beson- ders dazu bereit gehaltenen Stübl bewirthet, besteht in ganz Niederbayem die selt^ same Sitte, dass die Burschen ohne ihre Mädchen zum Tanz gehen; diese kommen dann in Begleitung von Freundinnen nach und halten bescheidenüich am Tanzplatz unfern der Thüre, der Ladung zum Tanze gewärtig. Dies harrende Stehen heißt »Staanenc und keineswegs sind Alle so glücklich , geholt und erlOst zu werden; im Gegentheil, da die Sitte daselbst fordert, alle Liebschaft und Zu- neigung streng geheim zu halten, so lässt oft der zärtlichste Liebhaber sein Mädel im Winkel warten, holt sie zu einem flüchtigen Tanz und lässt sie dann nach einem Schluck aus seinem Kruge wieder laufen. Auch im Gebirge, z. B. im Isarwinkel, kommt die Sitte vor, dass der Bursche nicht selbst sein Mädel zum Tanz führt, sondern von einem Freunde, den er dafür bezahlt, holen lässt. Eine eigenthümliche schöne Kirmesfeier ist der sogenannte Almenkirta, den die Sennerinnen auf der Alm am Sonntag nach Jakobi (2 5 . Juli] , besonders in den Seitenthälem des Traungaues mit großer Lustigkeit begehen. Es wird oben in den »Käsern« gekocht was sich nur aus Mehl, Milch und Butter bereiten lässt. Die Buben bringen Bier und Branntwein aus den Thälem hinauf und nun wird nach der Zither die ganze Nacht hindurch getanzt und gejubelt, und zwar mit desto größerer Freiheit und Sorglosigkeit, als es ober dem Wetterkreuz bekanntlich keine Sünde gibt. (Bavaria I, 383.) Schnhplattl-Tuiz^ auch Schuhplattler und Haxenschlager genannt , ist ein schwer zu beschrei- bender Nationaltanz der Alpenbewohner in Salzburg, Tyrol und dem bayerischen Digitized by Google 190 Oberlande (unfern Tegemsee). Es ist ein Ländler für nur ein Paar, wobei das Mädchen mit sittig gesenkten Augen still sich fortdreht, der Bursch indes sie um- kreisend auf allerlei Weise seine Freude und Liebe pantomimisch ausdrückt. Dabei stampft er mit den Füßen, klopft mit den Händen nach dem Takte der Musik auf Schenkel , Kniee und Fußabsätze , macht auch wohl einen Purzelbaum oder schlägt Räder, springt über das Mädchen hinweg oder lässt sie unter seinem Arme sich drehen und dreht sich wieder unter dem ihrigen durch , nimmt sie aber nur selten, dann aber feurig, in die Arme und zuletzt, wenn er die altüberlieferte Kunst ehren will und Kraft genug dazu besitzt, schwingt er sie in die Höhe, hoch über sein Haupt und lässt sie wieder zierlich herunterflattern. Es ist eine Liebeswerbung in Gebärden. — In dieserWeise wird er gewöhnlich am Bartholomäustag (2 4. Aug.) in den oberbayerischen Alpen getanzt, besonders unfern Tegemsee auf der Yallep (Jägerhütte am Berge), wo der in jahrelang enMühen abgehärtete Jäger von seinen Felsen heruntersteigt und die sonst von der Welt abgeschiedene Sennerin den ein- zigen fröhlichen Tag im Jahre begeht. Fanny Lewald giebt eine Schilderung von diesem Tanze in der Augsburger Allgemeinen Zeitung 1859, Beulte 238, darin sie ganz richtig bemerkt: »Es ist nur ein Vortirtheil, wenn man den Tanz der Südvölker Europas graziöser nennt. Auch unser gestrampfter Gebirgsländlerist graziös, und kräftiger spricht sich gewiss keiner aus. Man kann nichts Lieblicheres sehen , als wenn das Mädel aus den Armen ihres Buben entschlüpft, sich mit niedergeschlagenen Blicken wie eine surrende Spindel so um sich selbst dreht, während der Bub, im Gefühl seiner Mannesherrlichkeit und des Sieges im voraus gewiss, in die Mitte des Kreises springt, den die drehenden Mädchen bilden, und nun das Strampfen, das Klatschen, das Taktschlagen auf Schenkel und Waden, das Jauchzen mit künstlerischer Sicherheit vollbracht wird , wobei der Tänzer die sich weit weg von ihm drehende Tänzerin niemals aus den Augen verliert , um im rechten Augenblick wieder auf sie hinzu- fliegen, sie in den Arm zu nehmen und mit ihr herum zu walzen. Ehe er dies aber wagt , stürzt er schnell vor ihr auf die Kniee und dann erst umschlingt er sie. Es liegt eine starke Sinnlichkeit darin, gleichwie im Saltarello, Fandango und Bolero, nur das Chevalereske des Südens fehlt.« Ganz derselbe Tanz wie der Schuhplattler ist der »Schwäbische Langaus«, auch der »Schweinauera in Bayern genannt. Auch unter dem Namen Neu- bairisch kommt er vor. Ein sehr beliebter Tanz im ehemaligen Fürstenthum Passau heißt: Vogel, hupf auf d' Höh. »Nirgends sieht man ihn mit solcher Lebhaftigkeit und sitt- lichen Grazie tanzen, als hier,« so behauptet 1856 als Augenzeuge der bayerische Oberlieutenant Schuegraf in der Zeitschrift für Kulturgeschichte!, 465. »Bald wird gehüpft, bald gestampft, jetzt mit den Händen in einander und auf die Kniee ge- klatscht , darauf gedreht und endlich gewalzt. Viel Ähnliches mit ihm haben der Schartanz im bayerischen Oberlande und der Thüringer Kirmestanz.« Der Hopfenvogel war ein altes Singstückchen zu einem ländlichen Tanze in Bayern, nach Art der Schnadahüpfln. Es fing an (nach Schmellers bayerischem Wörterbuch ü, 222) : j»Bist denn du der |: Hopfenvogel? :| Bist denn du der |: Steig auf d' Leut? :| Steig auf mi, hast a net weit.« Im Salzburgischen heißt derselbe Tanz der »Hoppetvogel«, darin man zierlich nach der bestimmten Singweise nachzuahmen sucht, wie ein Vogel hüpft und nach Digitized by Google 191 Futter scharret. Ein schwäbischer Tanz , wobei nach Art der Vögel gehüpft und nach Futter geschrieen wird , heißt Hoppenvogel. Hoppich heißt ein Tanz der DeutschbOhmen am Riesengebirge [Schmalfuß, Die Deutschen in Böhmen S. 77]. Lassen wir von den Hochzeitstänzen in Oberbayern (Bavaria I, 403 — 5} uns etwas erzählen. Die Hochzeitsschmausereien in Nieder- und Oberbayem wer- den durch allerlei oft langdauernde Tänze unterbrochen, in denen der Jubel des Tages am lebendigsten ausbricht. Schon vor dem Mahl wird in manchen Gegen- den der sogenannte Hungertanz gehalten, bei denen sich die Partner so zu- sammenfinden , wie sie dann den ganzen Tag über bleiben. Derselbe wird häufig Ton dem Eranzpaar eröffnet ; vor Beendigung desselben darf kein Bissen genossen und kein Bier eingeschenkt werden. In Tegemsee wird schon vor Anfang des Mahles (bis 1 Uhr) fieißig getanzt und dabei die Musik nach Scharen bezahlt. (Scheinbar will man sich guten Appetit und gesunden Hunger ertanzen. ) Ebendaselbst ist beim Auftragen des Krautes der Krauttanz üblich, während desselben die Braut gestohlen zu werden pfiegt. Mädchen , die bei diesem sitzen bleiben , heißen Krauthüterinnen oder sie «bringen den Hund heimt, eine schwer zu verwindende Schmach. Nach dem Mahl wird der erste Ehr tanz gehalten, den die Braut mit dem Kranzherm (Brautführer) oder dem Ehrvater oder dem Hochzeitlader zu beginnen hat. Beim Anfang desselben spielen die Musikanten lauter falsche Noten und kommen aus dem Takte , die Braut vermag plötzlich nicht mehr aufzutreten und beginnt zuhinken; es kommt nicht eher Alles wieder in Fug und Schick, bis die Braut auf Anrathen des Hochzeitladers den Musikanten einen Pfennig, dann einen Kreuzer und endlich einen blanken Gulden verabreicht hat, damit sie sich eine Salbe kaufen sollen. Der Hochzeitlader nimmt ihr das Guldenstüok aus ihrem Schuh mit den Worten heraus : »Schau, bei euch ist ein Nagel durchgegangen U — Nach dem Ehrtanz und freiwilligen Hinken der Braut wird in manchen Gegenden das Ehestands-Aus- und Eintanzen gehalten, indem zwei Buben, zwei Jung- fern, zwei Männer und zwei Weiber drei Touren als Partner zusammen ausführen. Ein schöner poesievoller Tanz im Lechrain war der sonst übliche Kunkel- tanz. Gegen Mitte des Mahles vor dem Braten ziehen alle Gäste unter Vorantritt der Musik nach dem Hochzeitshaus. Dort auf der Tenne oder dem Vorplatz bringt die stärkste Kranzeljungfer die Kunkel herbei mit einem zierlich geflochtenen, bebänderten und mit der Spindel besteckten Rocken. Andere Mädchen fassen die Enden der lang niederhangenden Bänder und unter diesem Gitter der gespannten Bänder tanzt nun , das Brautpaar voran , die ganze Gesellschaft. Darauf wird die Kunkel im festlichen Zug nach dem Wirthshaus gebracht und dort an der Seite der Braut aufgestellt. Gegen Ende des Festes tanzt der Bräutigam mit der ältesten Ehrmutter, der Hochzeitlader dagegen mit der Braut. Der Bräutigam muss viele necki- sche Anspielungen und Fragen sich gefallen lassen, z. B. ob er denn nicht tauschen wolle mit der Tänzerin, und endlich wird ihm die Braut gegen ein Löse- geld von dem Hochzeitlader übergeben, der mit der ehrwürdigen Partnerin weiter tanzt und endlich dieselbe unter großem Gelächter auf einem Schubkarren (»eine Nadeltruhe«) packt und eilfertig zur Thür hinausfährt. In dem letzten Festtanz der Braut mit dem Kranzelherm nimmt dieser ihr am Schluss den Kranz vom Haupte und überreicht ihn auf einem Teller dem Bräutigam, zu welchem poetischen Symbol jedoch die prosaischen Worte gesprochen werden : »Nun wünsch' ich besten Appetit, Herr Hochzeiter lo — Anderwärts wird Digitized by Google 192 nur der Rosmannzweig in dem Kranze der Braut von den Kranzjungfem oder dem Hochzeitlader geknickt und dem Bräutigam überreicht. Nach dem geschilderten Überreichen der Braut an den Bräutigam tanzen neben dem jungen Paar die zwei Kranzjungfern mit den zwei Jungfemknechten (d. h. zwei besonders flotten, auserkorenen Barschen), darauf tanzt der Brautfahrer der Reihe nach mit allen anwesenden Weibern und Mädchen (nur die Mutter der Braut darf auffaUenderweise in manchen Gegenden am Feste gar nicht theilnehmen, sie steht in Werkeltagskleidern unter den Zuschauem). Am Schluss der ganzen Feier, wenn das Brautpaar sich entfernt, harren auf dem Gange an der Hausthüre (dem »Fletza) Wirth und Wirthin und tanzen zum Abschied noch eine Tour mit Braut und Bräutigam, imd die Ehre dieses F 1 e t z - tanze 8 darf keinem Wirthspaar verweigert werden. Dabei wird der Wirth häufig auch durch den Hochzeitlader vertreten, namentlich wenn er durch zu eifrige Labi^ng am Bier, zu wohlbeleibt oder zur späten Stunde nicht mehr im Stande ist , sein Ehrentänzlein mit Sicherheit und Würde auszuführen. Abweichend ist die Tanzordnung im Traunkreise : vorerst wird schon während des Brautstehlens zwei bis drei Stunden getanzt, dann nach der Befreiung der Braut folgen die Ehrtänze. Zuerst tanzt die Kranzljungfer mit der Braut allein drei Reigen, worauf sie den symbolischen Rosmarinzweig der Braut knickt imd dem Bräutigam überreicht ; es folgt eine Schanze (drei Touren) der Burschen unter sich, darauf des Hochzeitladers und der Braut; sodann tanzen Ehrvater, Ehrmutter. Kranz- jungherm und Kranzjungfem ; und endlich die Läufer ihren besondem Ehrtanz, der immer mit einem Tusch schließt. Erst wenn der Ehrtanz vorüber, kleiden sich die Weiber um und die Freitänze beginnen. An den sogenannten Freitänzen dürfen außer den Hochzeitsgästen auch Andere, die nicht zur Hochzeit geladen waren, theilnehmen ; von der Fröhlichkeit des Tages und der Tanzgelegenheit angezogen, finden sie sich ein und haben sich auf eigene Kosten mit ihren Tänzerinnen zu unterhalten , auch die Musik zu be- zahlen. b) Taue in der Oberp&lx. Wie überall so ergötzt sich auch hier die Jugend zum Kirchweihfest am Tanz , der just nicht mit besonderer Zierlichkeit ausgeführt wird. Der Knaul von Theilnehmem bewegt sich in enger Stube auf einmal herum , so lange die Musik dauert. Dabei fasst der Bursche die Dirne bei den Schulterblättern, während sie beide Hände um seine Hüfte schlingt und sich eng an ihn anschließt. Die gewöhnlichen Tänze sind hier der langsame Halb -Bayrisch [^^ Takt), der schnelle Walzer (Yg Takt), der Dreher im 2/4 Takte (1). An der Altmühl sagt man Schleifer für Walzer und Noppet für den Dreher im geraden Takte. Theilweise haben sich selbst bei unserm Bauemvolke die Polka, Schottisch und Regdowak (Redowa) eingebürgert. [Bavaria U, 315.] Eine höchst originelle Tanzweise , die in der Oberpfalz allenthalben Geltung hat, ist das sogenannte Eintreten, d. h. Wechsel von Schleifer undDreher (^4 Takt) in einem und demselben Tanzabsatze. An der Altmühl und namentlich im Schambachthale wird diese Tanzart bis zur Virtuosität getrieben. Je nach dem Rhythmus Wechsel unterscheidet man : Einfacher, Zweifacher (Doppelter) und Dreifacher. Geläufiger sind aber die Namen dafür, die von den Versen her- stammen, nach deren Silbenmaß das Tanzmaß sich regelt, als da sind : der Nagel- schmied , das Eisenkeilnest , der rothe Thurm , der Schamerthaler , das schwarze Mäuserl, das Gso-Loch, a seides Firta, an oanzigs Henl, Dimdei heißt mein Wei etc. Digitized by Google 19B Der Einfache wird nach folgendem Rhythmus getanzt, in welchem ein Takt geachliffen nnd ein Takt gedieht wird, wofür der folgende Text das Maß giebt : V* J J J TA J J I J J Jl Ji\ J j Jl J Jl J J Jl J il. 1 . An oanzigs Henl, 2 . An oanzigB Henl An oanzigs Ei: Und des a Scheck : Wie weU'n ma hau8*n, Und thout's net leg'n, San nnsa zwei. Na thoon mer*8 weg. Ein Doppelter hat zwei % und dann zwei ^4 Takte, also folgenden Rhythmus : 'Aj j JiJ j Jir/o Jij Jii 'Ar rr irr rirArrir i II Folgender Spruch giebt den Takt an : Hon i mein Lein in da Leif n g'sat, Hat mir'n da bOhmischa Wind yowaht BOhmischa Wind, i bitt di 8ch(r, Lass mir mein Lein in da Leit*n stelT. Im Dreifach wechseln je drei Takte Walzer mit drei Takten Noppet, nach folgendem Rhythmus : 'Aj j jijj j j|j.;^ji v*j JiJ ;^ i/«? -ni ., j j j I j j ;j I /* j j j I j j ;j I v.j jij ;iij iii Das G'sangl dazu »A seides Farta« (Yortuch, Schürze] lautet : r 's D^andl hat a seides Fürta um, Nf', niT, seides is net ; Bei da Mitt mueß ma's n^hma^ Na thöut ma's scho k6nna, Ob*s a seides Is oder nlt. Zu den complicirten Tänzen mit Taktwechsel gehört »der Nagelschmida (s. S. 189), wofür folgender Text den Rhythmus angiebt : Heirath i an Schneida, Ss.'it't»., ■/<;]jjujijjjui^ii M.oßi^.L»d.' .TJJIJJJI/IJJUJI Heirath 1 an Nogelsohmid, ^ . — . . -. . . h I I > -I I Gibt Tag und Nacht kein Fried: /^ J J I J j J I J J J I J X H i G'nigelt, g'nogelt, g*nogelt muoß sei". Die ersten sechs Verse entsprechen je zwei Takten Walzer ; der Refrain giebt vier 2/4 Takte zum Dreher. Baku«, GMeh. d. Tanses. 13 Digitized by Google 194 Jede dieser Tanzweisen hat natürlich ihre eigene Musik, ^ die der Barsch innehaben muss, wenn er nicht Gefahr laufen will aus dem Rhythmus zu fallen. Der flotte Tänzer der Oberpfalz kündet sich nicht in seiner naturwüchsigen Ghrazie der Bewegung und jener Lebendigkeit an, wie sie etwa der südbayerische Gebirgler in seinem »Langaus« bewährt, sondern vorzugsweise in der Sicherheit des Takt- wechsels beim Doppelten und Dreifachen , beim Riedenburger (2 mal ge- schliffen und 3 mal gedreht) und Schamerthaler (4 mal geschliffen, 3 mal ge- dreht] und den übrigen zahlreichen Varietäten des »Eintretensa, wie man diese Gattung Tänze nennt. Zwiefacher, 2 ein alter Bauemtanz im Wechseltakt, ist nicht nur in der Ober- pfalz gekannt, sondern wurde auch von den fränkischen Bauern nördlich von Nürnberg bis Bamberg viel, aber seit 1830 sehr selten getanzt. Diese, aus besagter Gegend kommenden fränkischen Bauern, welche durch reiche, aber absonderliche Tracht sich auszeichneten, sind jedenfalls WendenabkOmmlinge ; wegen ihrer Kohl- und Gemüsezucht heißen sie in Nürnberg nur die »Knoblauchbauem«. Offenbar ist dieser Zwiefacher (davon MB. 290 eine Probe giebt) noch ein Rest wendischen oder überhaupt slawischen Nationaltanzes, der mit den Einwanderern von Böhmen nach der Oberpfalz und Franken gekommen ist. Denn auch unter den heutigen Czechen (in Böhmen) giebt es einen solchen alten Tanz mit Takt Wechsel (MB. 293) , der bei- nahe Note für Note mit einem Oberpfälzer übereinstimmt. — Die Ausführung die- ses fränkisch-oberpfälzischen Bauemtanzes entspricht bei den Stellen aus ^g Takt unserem Walzerschritt. Während des % Taktes führen die Paare ein bärenmäßiges Wiegen und Schwenken aus, bei welchem der Körper ohne Vorwärtsbewegung, ab- wechselnd sich auf den linken und rechten Fuß stützt. In der Oberpfalz heimisch sind noch der Drischlag', wobei der Tänzer den Takt mit den Füßen stampft. Ferner an der böhmischen Grenze der Bocks- hammer'sche, wobei ehedem der Bock (Dudelsack) das Hauptinstrument war. In der Umgegend von Waldmünchen an der böhmischen Grenze war sonst der Bojarsche (Bayerische) gebräuchlich, der aus zwei Drehern und zwei Schleifern bestand. [Schuegraf, Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 465.] o) Tänze in Schwaben. Im bayrischen Kreis Schwaben und Neuburg kann man an Kirchweih- festen. Hochzeiten und dem gumpigen Dienstag (Fastnacht) noch manche älteren Tänze zu sehen bekommen. Man unterscheidet sie dort in »gerade« (wozu der Ländler im 3/4, aber auch im ^4 '^^t gehört) und in »offenea Tänze; Letzteres ist der deutsche Tanz (s. S. 203), der nach alter Sitte immer nur von einem Paare und zwar von jedem Partner einzeln und frei (nicht angefasst) getanzt wird ; der Tänzer bewegt sich in mannigfaltig wechselnden Figuren um seine Tänzerin, die mit sehr kleinen Schritten und sittsamer Haltung sich um sich selbst drehend einen ^ Zwölf Oberpfälzer Bauemtänze hat der Münchner Kapellmeister Max Kunz in der Musik-Zeitschrift Cäcilia (27. Bd. 1848} in Noten mitgetheilt, ohne Textunterlage und ohne Beschreibung der Ausführung des Tanzes, der bald Zwiefacher, bald »Grad und Ungrada genannt wird, aber stets Wechseltakt aufweist (MB. 291. 292.) 3 Zwiefach tanzen, d. h. nach der altern bayrischen Manier, deren Musikweise in dem bekannten Volkslied »der Nagelschmid« nachgeahmt und ausgedrückt ist (SchmeUer, bayer. Wörterbuch IV, 299). 9 Drischlag hat man wohl .als Dreischla^ i^/i Takt) zu nehmen, wobei mit den Füßen dreingeschlagen wird. Ahnlich ist das Vierfach tanzen, die Tanzweise, bei welcher man zum Walzen mit Händen und Füßen den Takt schlägt. [Sehmeller, I, 632.) Digitized by Google 195 Kreis beschreibt. Nur selten fassen sie sich an den H&nden und hl^chstens am Schlüsse umfangen sich beide zu einem eigentlichen Walzer. Dieser offene Tanz nach schwäbischer Sitte (also Schwäbisch], sehr ruhig und bemessen ausgeführt, sieht sich sehr gefällig an. (Bavaria II, 832.) Ein dritter, höchst eigenthümlicher Tanz gehört fast ausschließlich dem obern Allgäu an und scheint besonders von den Leuten der obern Pfarreien mit eigner Vorliebe und Fertigkeit getanzt zu werden; er heißt der Fischinger-Tanz oder »die drei ledernen Strumpf« nach den Anfangsworten des Liedes , das nach eigener Melodie zu diesem Tanze gesungen wird. Es wird von einem, sich gegen- überstehenden Paare ausgeführt und zeigt in einer Reihe von Pantomimen eine Yollständige Liebesgeschichte, mit schüchternem Gruße beginnend und durch Seherz und Zärtlichkeit, wie durch Schmollen und Streiten zu endlicher süßer Vereinigung führend. Bursche und Mädchen etwa drei Schritte von einander ent- fernt, schlagen bei jeder Figur zuerst mit beiden Händen auf ihre beiden Hüften, klatschen dann die Hände zusammen > worauf eine wechselnde Bewegung kommt, und zuerst ein Grüßen mit dem Kopf, worauf wieder der Hüften- und Händeklatsch, dann ein Überskreuzschlagen mit den Händen , worauf sich das Paar die Rechte reicht und einen dreimaligen Kreis tanzt. Der Schlag an die Hüfte , das Hände- klatschen und der dreimalige Kreis bleiben sich bei jeder Figur gleich, dem Kopf- nieken folgt aber dann ein Drohen mit dem Zeigefinger der rechten Hand, während die Linke sich in die Seite stemmt, femer ein Aufheben der ganzen Hand, ein Verschlingen der Arme und Auflegen der Rechten auf die Schulter des Partners, Vorstrecken des Fußes auf dem Absatz, zierliches Vorbeugen des Leibes nach rechts und links mit freundlichem Kopfnicken und zuletzt ein Kuss. Als Varianten kommen vor : Drohen mit der Faust, Zupfen an Ohr und Nase und statt des Kusses zuletzt ein Handschlag. Zu dem Tanze wird von den Zuschauem ein Lied ge- sungen, welches zum Theil in der symbolischen Sprache der Schnadahüpfl die Bewegungen begleitet und erklärt und den Verlauf einer Liebesgeschichte erzählt. (Bavaria n, 833.) Bei Hochzeiten finden wir auch in Schwaben den Kunkel- oder Wickel- tanz , bei welchem die mit Band, Kranz und Amulett gezierte Kunkel für die Braut eine wichtige Rolle spielt; wir haben ihn schon oben S. 191 unter Alt- bayem beschrieben. Der Tanz nach der Sichelhenk am ersten Sonntag des September heißt Arat- Tanz (Amte tanz), auch Hammeltanz; doch fehlt jetzt meist der fette Hammel, der sonst dabei verkegelt oder verloost wurde. (Bavaria 11, 833.) Auch der Kissele-Tanz, der früher bei Kirchweihen und allen zahlreicher besuchten Tanzfesten häxifig vorkam, ist in der neuem Zeit sehr selten geworden. Es ist ein altvaterischer Reigen, bei welchem ein Mädchen mit einem Kissen in dem Ring der Tanzenden hält und durch rasches Niederwerfen des Polsters und den Kuss, den sie dem zugleich mit ihr darauf knieenden Burschen giebt, den Tänzer bezeichnet , mit welchem sie im raschen Walzen der langsamen Runde ein Ende macht. (Bavaria II, 834.) ;»Au8 der Hand tanze nt war sonst in Kaufbeuem, der ehemaligen Reichs- stadt im Allgäu, allgemein gebräuchlich. Zuerst wurde allgemein gewalzt, dann ließ der Tänzer das Mädchen allein sich drehen und er drehte sich ebenfalls allein ihr entgegen. Hierauf griffen sie einander in die Arme und walzten wieder fort^ oder das Mädchen drehte sich an der rechten Hand des Tänzers, worauf sie wieder sich anfassten und mit andern Paaren im Kreise herumwalzten* (Schuegraf , Zeit- schrift für Kulturgeschichte I, 468.) 13* Digitized by Google 196 Ein altes volksthOmliches Fest, das sich zu Hindelang in den AllgAuer Alpen erhalten hat, ist der Tanz der Laub schnitte rinnen mit den Sennen» ein Schauspiel, mit welchem im vorigen Jahrhundert die Landesfürsten und andere hohe Gäste begrüßt wurden. Das Verhältnis, das diesem Festspiel zu Grunde liegt, ist folgendes. Im Sommer gehen im ganzen Allgäu die Mädchen häufig in die Berge, um dort das Laub von den Bäumen zu streifen, welches sie dann in großen Säcken über den Schultern nach Hause tragen, zur Winterfütterung für die Ziegen. Dabei geschieht es manchmal, dass sie an den Alpenhütten oder sonst am Wege den Sennen und Hirtenbuben begegnen, von diesen angehalten werden und oft nach der üiaultrommel, Schwegelpfeife und Zither (oder auch ohne alle Musik) einen Tanz thun müssen. — Dieser Scherzbrauch des jungen Volkes wurde nun am Fuße des Imbergerhoms unfern Hindelang in einem Maskenspiel dargestellt. Da kamen ein Dutzend Mädchen oder mehr mit ihren Laubsäcken, welche sie quer über dem Hals und den Schultern mit in die Hüften gestemmten Armen trugen, den buschigen Bergwald herab über die Osterachbrücke, wo ihnen dann plötzlich aus dem Dickicht ein Schwann von Hirten entgegensprang, sie drohend umringte und zwang, zu Gesang und Hirtenpfeife die Tänze der Gegend aufzuführen. Die Burschen erschienen dabei in der echten, uralten Sennentracht: in der offnen Zwilchjoppe, dem weiten Hemd darunter, schwarz- leinenen, ganz kurzen Beinkleidern am grünen Hosenträger und den breiten Gürtel um die Lenden, dazu leinene Strümpfe ohne Socken, rohe Lederschuhe mit Holzsohlen, und am Kopf niedere runde Hüte von Filz, mit Alpenblumen bekränzt. Die Dirnen trugen rothe Mieder, blaue Schürzen, graue Röcke, RoU- strümpfe und ausgeschnittene Schuhe, und über ihren Rücken hing am schwarzen Band der niedere Schattenhut von Stroh. (Bavaria 11, 835.) Bei dem pantomimischen Spiel der Begegnung, des Übexfalls und Erschreckens, des Drohens und Sträubens und endlichen Nachgebens zeigten diese alemannischen Römer und Sabinerinnen jene seltene Lust und jenes seltene Talent zu drama* tischer Darstellung, welche das Völklein auf den bäuerlichen Bühnen, so lange dieselben hier blühten, in so hohem Grade bethätigte, wie wir es noch im Ammer- gauer Passionsspiele bewundem. d) T&nie in Franken. Die Maientänze in Oberfranken (zwischen Saale und Main, im baye- rischen Vogtlande) sind in den letzteren Jahren (1850 — 60) nach langjährigen Verboten wieder in Schwung gekommen und der Ungunst des Maiklimas halber in den Hochsommer verlegt worden, weshalb statt der aufgerichteten Maie eine schattige Linde den Mittelpunkt des Plan es bildet, der für den Reigen zugerichtet wird. Lassen wir (aus Bavaria UI, 349) einen sachkundigen Gewährsmann diese Volksbelustigung beschreiben : »Um freistehende Linden, Eichen und Flatterespen wird im Quadrate die »Brücke, ein breites Brettergerüste, mit Einfassung, be- kränzter Eingangspforte und dem bekannten Musikantenhäuschen versehen, auf- geschlagen. Der Stamm des Baumes ist umkränzt, das Gezweige mit rothen Bändern, der Gipfel mit allerlei Zieraten, bemalten Fähnchen von Blech etc. verziert. Letztere stammen noch aus der Zeit der hohen, bis zum Gipfel von allen Ästen befreiten Fichtenstämme her, welche früher (bis 1850) umtanzt wurden, deren Aufstellung nun aber verboten ist. — In jedem Hause werden festliche Vorbereitungen getroffen, neue Gewandstücke angekauft, Küchlein gebacken etc. An einem Sonntage gegen 3 Uhr Nachmittags beginnt der Aufzug, nachdem in dem Versammlungshause zuerst drei Reigen getanzt worden sind. Eine Anzahl Digitized by Google 197 Bursche (drei Mann hock) eröffnet diesen; dann folgen drei Kellera (Kellerer), ebenfalls Dorfbursche in Hemdänneln und weißen Schürzen, in den Händen volle, mit Bändern geputzte Biersprenger (Gießkannen) ; hierauf die Musik. Dann kommen die Platzpaare. Der erste Bursche hat eine mit rothen Maschen durchflochtene Birke (Maie) im Arm; sämmtliehe Paare sind in Hemdärmeln, die Bursche tragen auf den Mützen hohe Sträuße aus Marienkraut und Nelken, gleichfalls mit den überall schimmernden rothen Bändern zusammengebunden ; die Platzmädchen das festtägliche Maschentuch und buntseidene Busentücher. Unterwegs wird einige mal Halt gemacht; die Mimdschenken verrichten ihr Amt und der gelbblechene »Maßeichv geht durch den Zug von Mund zu Mund. Unter Yorantritt der Musik und endlosem Jauchzen der Bursche wird sodann die Brück einigemal umschritten, dann beginnt der Tanz, an dem vorläxifig nur die Platzpaare Theil haben. Ist der erste kurze Schleifer beendigt, so wandert die Maie in den Arm des zweiten Burschen und so fort, bis sie endlich mit dem letzten Paare herumwirbelt. — Eine kurze Pause folgt diesen Vortänzen, dann ist die Brück jedem Tanzlustigen zugänglich und bald dicht gefüllt, da ein Theil der versammelten Jugend der be- nachbarten Dörfer diesen Augenblick mit Ungeduld erwartet. Je mehr Paare theil- nehmen, desto erwünschter ist es den Platzburschen, da mit jedem neuen Tänzer ein neuer Beitrag in ihre Kasse fließt und die Ausgaben verringert. Dieser Maien- tanz währet zwei Tage und zwei Nächte lang (sonst drei!) und die Paare werden nicht müde, mag die drückende Mittagssonne oder das Abendroth oder der Morgen- stern durch das Laubwerk glitzern. c Der Plantanz zum Kirchweihfest in Oberfranken. Die größte Summe offenkundiger, helllauter Freudigkeit drängt sich beim Landvolk auf den Kirchweih tag (Kirwa, Kärrwa im Vogtland) zusammen. Ein reicher, festlicher Schmaus und fröhliche Gäste im Hause, Musik und Tanz in der Schenke bilden seine Geleitschaft. Vor allem gehört zur Kirmeslust der »Plan- tanz«, der im Fichtelgebirge und seinen Vorlanden, im Frankenwald und im Bambergischen üblich ist. Am förmlichsten wird er noch im Mistelgau abgehalten und von dort entlehnen wir unsere Schilderung (Bavaria III, 350). »Die Verabredungen zum Plantanz nehmen schon mehrere Tage vor der Kxrchweih ihren Anfang. Die unbescholtenen Burschen des Dorfes wählen unter sich den Platzmeister (den Seneschal des Festes) und hiemächst sucht sich jeder eine wackere, jungfräuliche Dirne als Platz mad aus. Am Vorabende wird der Platz (Plan, BlcT) unter der Dorflinde oder um den Kirchweihbaum geebnet und zum Tanze taugsam gemacht, der Baum selbst aber mit Bändern und Fähnchen geschmückt. Im Frankenwald ist die Linde am Plane meist so zugestutzt, dass ihre Krone zwei oder drei ringförmige Absätze bildet; im ersten Bing wird ein hölzernes Gerüst aufgeschlagen, welches die Musikanten aufzunehmen hat. »Sind diese Vorbereitungen getroffen, so wird am Sonntage selbst nach dem Gottesdienste auf einem ' zierlich geschmückten Wagen und mit Musik der feine Sand herbeigefahren, 8er auf den Estrich des Platzes ausgebreitet wird. Nach- mittags 3 Uhr ziehen die Platzburschen mit Musik von Haus zu Haus, sammeln Kücheln, finden sich endlich (jeder mit seiner Platzmad) beim Dorfschulzen ein und ziehen von hier aus ins Wirthshaus, voran die Musik, dann der Platz- meister mit der bemalten hölzernen Pritsche, und endlich die Paare. Jeder Bursche hält mit der Rechten die Mad, in der Linken aber ein zierliches, grünes Trinkglas, das am obem Ende eine Reihe eingeöhrter Glasringlein enthält, die beim Schütteln Digitized by Google m und Schwingen einen fröhlichen Klang geben. Der Zug bewegt sich nach dem % Takte der Musik im gemessenen Contretanzschritte, bis er auf dem Tanz- boden in der Schenke anlangt, wo die ersten drei Reigen aufgeführt werden. Dann erst geht es auf den Platz, und hier muss wieder jeder Bursch die drei ersten Touren mit seiner Platzmad tanzen, wonach ihm erst die Wahl imter den übrigen freisteht. Außer den Platzburschen und ihren gewählten Genossinnen darf Niemand den Plan betreten. Namentlich darf es kein anderer Dorf- bursche wagen, mitzutanzen, während bei den Mädchen, die den Platz sehnsüchtig umstehen, doch hie und da eine Ausnahme gestattet ist. j»Wenn es dämmert, wird der Plan geräumt und auf dem Tanzboden des Wirthshauses wird nun erst der Tanzlust der Übrigen Rechnung getragen. Für die Platzburschen und Platzmade ist aber gewöhnlich ein eignes Gelass vor- behalten, wo sie nach erklecklichem Abendimbiss wieder ihren Tanz in aristo- kratischer Abgeschlossenheit unter sich fortsetzen. Zu den Originalitäten des Mistelgauer Plantanzes gehört insbesondere die gewandliche Ausstattung der Burschen und Mädchen. Jene krempen ihren Schlapphut nach yome hinauf, und auf der kühnen weitabstehenden Spitze prangt ein stattlicher Blumenstrauß mit herabflattemden, bunten, golddurchwirkten Seidenbändem — ein Geschenk der Platzmad. Eine breite, fast bis an die Knöchel reichende Linnenschürze, am Rande mit rothgestickten Zieraten, wird imter dem Rocke hoch über den Hüften gebunden. Die Platzmad aber wird alsbald nach dem Vormittagsgottesdienste in bekannter Weise Dbebänderttt, und der Bursche verehrt ihr einen Blumen- strauß, den sie ans Mieder steckt und der ihr bis mindestens an die Stime gehen muss. »Was die Tanzart selbst betrifft, so gelten neben dem guten alten Dreher und Schleifer noch etliche Verunstaltungen modemer Tanzweisen. Beim Walz er beginnen sämmüiche Paare den Reigen auf einmal ; der Bursche druckt das Mädel ganz nahe an sich, als gälte auch hier der Glaube wie beim Gopuliren, dass der böse Feind nicht Platz dazwischen finden dürfe, und also drehen sie sich auf einem Raum von wenig Quadratschuhen fast buchstäblich um ihre eigne Achse. Bei jedem Satz- wechsel der Musik klatscht der Tänzer in die Hände, schützt die Dame hoch auf und läset sie dann eine Weile neben sich hertanzen, bis er sie wieder bei der Hüfte erwischt (Ähnliche Tanzweise gilt im Vogtlande.) Der Schleifer (»Abstoßert, Sächsischer) hat selbst im Ballsaale des Kleinstädters Berechtigung, während sich hinwieder Polka und Masurka auf das platte Land verirrten und sich nunmehr der Bauem- manier bequemen müssen.« Lebhafter ist der Tanz in der fränkischen Schweiz: der Bursche hebt abwechselungsweise seine Tänzerin, springt und stampft mit den Füßen nach dem Takte, während sie allein sich im Kreise bewegt, oder lässt sie unter dem Arme wegtanzen. Im Frankenwald hat der Plantanz auch sein Recht und wird sogar von Städtern ausgeführt. In Stadtsteinach holen die »Blotzbur sehen« mit Musik ihre Dirnen zusammen, tanzen mit ihnen drei Reigen um den Maibaum vor dem Stadtthore, geleiten sie auch wieder beim Klang der Geigen und Klarinetten heim und erhalten dann von den Eltern der also Geehrten eine Bewirthung mit Bier, Brod und Käse. Der Blotzme is ter wird schon 14 Tage vorher gewählt und hat das Recht des Vortanzes. Am platten Lande des Frankenwaldes führt der Nachtwächter mit seinem be- kränzten und bebänderten Spieß den Chorus der Platzburschen an. Ihm folgt der Ortsvorsteher, der dann am Plane selbst den Kirchweihfrieden verliest. Ehe- Digitized by Google 199 dem war dieser Kirohweihfrieden ^ lediglich die Publikation des Polizeimandats, welches für Oidnimg und Anstand Maß gab ; neuerlich bedürfen die Erlasse der Polizei- und Bezirksämter keines Dolmetschers mehr, und da eben die WSldler den alten Brauch nicht fahren lassen wollen, so haben sie den Kirchweihfrieden ins Schenhafte gezogen. Ein poetischer Dorfschulze hat ihn sogar in zierliche Reimlein gebracht, davon hier eine Probe folgt : j»Nun ihr lieben jungen Leut, Die ihr hier versammelt seid. Ich bitt', seid ein wenig still. Und hOrt, was ich Euch jetzt befiehl I Das Zechen ist ein alter Brauch, Ihr habt deshalb das Kecht heut auch Euren Plan aufzuführen, Die Jungfrauschaft damit zu zieren. Deshalb hüpfet imd springet, Tanzet, trinket und singet. Seid munter und lustig jederzeit. Aber mit geschmückter Ehrbarkeit ! Richtet Euren Tanz nach gutem Sinn, Wie David tanzte vor der Arche hin, Nicht nach dem Sinn des Herodi s Weib, Denn jener Tanz war der Bosheit Zeitvertreib. Auch soll er nicht dem Tanze gleich, Den Israel, an Manna reich, In Wollust Tind in Ungemach Dem goldnen Kalbe hat gebracht. Euer Tanz soll züchtig, rein. Wie bei der Hochzeit zu Kana sein, Ausgeschmückt mit Tugend und Ehren, Dann kann es Euch Niemand wehren. Ihr Jimgfrauen aber habt vor Allen Nur Oott dem Höchsten zu Gefallen Zu thun, was eine Susan na. Da man ihre Unschuld mit Füßen trat. Eine keusche Judith soll Euch lehren Nichts an die böse Welt zu kehren. Seid bescheiden, wie Esther war, Dann bleibt Ihr in Ehren immerdar.« etc. [Aus der Umgegend von Teuschnitz. Bavaria III, 353.] 1 Ein Kiichweih£rieden d. d. 19. Juni 1790 lautet nach Bavaria III, 352: »Im Namen und von wegen Sr. hochfOrstl. Gnaden Franz Ludwig Bisehofens zu Bamberg und Wirzburg, des heiL rOm. Beichs Fürstens, auch Herzogen zu Franken, lasset Stadt- vogt zu Kronaeh bei heutiger Kirchweihe zu Num den gewöhnlichen Kirchweihfrieden publieiren und Kraft dessen Jedermänniglichen zu wissen machen., dass all diejenigen, welche die Kirchweihe besuchen, sich alles Gotteslästem , Fluchen, schwören, Sakoa- mentiren, Hauen, stechen, schlagen und schießen sowohl inner- als außerhalb dem Dorf enthalten, auch einige Ungelegäiheiten, wie die inuner Namen haben, nicht anfangen sollen. Wer sich unterstellen sollte, wider dieses Yerboth zu handeln, derselbe soUe nach des Verbrechens Beschaffenheit zu empfindlicher Strafe gezogen werden etc. Sign. Christoph Stenglein, Stadtvogt« Digitized by Google 200 In dieser Weise geht der Spruch des ehren- und hihelfesten FriedensTerkan- ders noch ein hübsches Stück weiter , bis er endlich mit einem Hoch auf den König, auf die Pfarrgeistlichkeit und die Pfarrkinder, und auf den yortrefilichen Gastgeber schließt, und damit das Zeichen zum Beginn des Plantanzes giebt. InMittelf ranken giebt es natürlich bei Öffentlichen Hoch Zeiten auchTans. Hat der Geistliche in den vorwiegend protestantischen Landen den Segen ertheilt, so yerlftsst der Hochzeitszug in bestimmter Ordnung die Kirche. Damach geht es ins Wirthshaus und die profane Feier beginnt zuvOrderst mit dem sogenannten »Brautltanzc. ji Jeder ledige Bursche sucht sich hiezu seine Tftnzerin. Die Dirne, welcher keinen Brautltänzer bekommt, ist nicht nur an sich höchst Unglück- lieh, sondern sie muss sich auch lange Zeit hindurch manch bittere Neckerei ge- fallen lassen. Die ersten drei Touren des Brautltanzes gebühren dem Brautführer und der Braut. Ist er ein gewandter Bursche , so muss er vor jeder Tour ein Trutzliedl zum Besten geben, welches zumeist Anspielungen auf die Schatten- seiten des Ehestands enthält. Wir schalten hier einige Proben ein : a) £iz (jetzt) Spielleut, wenn d'er gestimmt seid, So machte es drei auf, £iz will i drei tanzen Alloa" mit der Braut. b) Heunt brät mer der Braut c) Zwoa hab'n mer 6iz scho^, A Brätle so braun ; Und der dritte kömmt glei. In dreiviertel Jahren Und wenn der nu* tanzt is, Hänga d'Windel an Zaun. Na* st^ihts jeden frei. d) Frisch BouVna (Buben) kommt 'rei*^. Wenn d'er lusti wollt sei"^, Und führt eure Dirndel Beim Arem herei*^. Der letzteren Aufforderung wird auch sofort Folge geleistet , und nachdem der Brautltanz etwa ^/2 Stunde gewährt, beginnt das Mahl.c [Bavaria HL, 964.] Sind die Hochzeits-Ceremonien, das Schmausen und Tanzen vorbei, was oft bis 11 Uhr Abends dauert, so entfernen sich die Brautleute und wird ihnen »he im- gespielta. Die Musikanten geben ihnen das Geleit mit einem Marsche oder Ländler , und wenn jeweils die Geiger und Bläser eine Pause machen, heben die Bursche an und singen nach hergebrachter Weise die Strophen : 1. Ham (heim), ham, ham, Heunt geigt mer der 's letzt' mal ham. fiiz hast du g*heiret, 6iz hast an Mu (Mann), ^Az halt ihn, dass er bleiVn ku" (kann) . Ham, ham, hami 2. Ham, ham, haml Heunt geigt mer der 's letzt' mal ham. ilz hast du g'heiret, 6iz hast a Weib, tAz halt sie, dass sie bei dir bleib. Ham, ham, haml Digitized by Google 201 3. Harn, ham, haml Heunt geigt mer der 's letzt* mal haiii. Hast g*moant, mer geigt der Semmel und Wein? ^ geigt mer di ins Elend nein. Ham, ham, haml 4. Ham, ham, haml Heunt geigt mer der *s letzt' mal ham. Hast g'moanty mer geigt der Semmel und Weck ? £iz geigt mer dir a Kind ins Bett. Ham, ham, haml Unter dem Klange dieses Kassandra-Spruches betritt die Braut die Schwelle ihrer neuen Heimath, um bald zu erfahren, was Wahres dran sei. Höchstens dass ihr noch der folgende Tag den Übergang von der Poesie des Hochzeitsfestes zur werkeltSgigen Mühsal yermittelt. [Bavaria m, 966.] Im Rothenburgschen (Mittelfranken) war ehedem der sogenannte Mägd- lein stanz bei Hochzeiten unerlässlich und hatte bis um 1840 noch seine Gel- tung, obwohl schon weiland der hochw. Pfarrer Brandner zu Wettringen in seinem Berichte an Bürgermeister und Bjith zu Kothenburg d. d. 24. Juni 1686 dagegen eiferte : »Sonderlich ist auch dieser abentheuerliche Brauch allhier , dass nachdem der Tantz nach erster eingenommenen Trachten und richten aufgeführet , sich die BauemtOchter vnd Dienstmfigde zusammen rottiren, vnd mit der Braut ynd übrigen Hochzeitmfigden einen sogenannten Braut- und Mägdleinstantz halten, da denn die jungen Gesellen vnd andere Hochzeitsgäste nicht mittantzen derffen. Der Bräutigam muß ihnen ein paar maaß wein sampt etlichen Wecken verehren, das trinken sie des Abends auß, locken dazu ettliche Knechte, vnd treiben große Üppigkeit.« [Bavaria III, 963.] Etwas anderes ist der Mädchentanz als Gegensatz zum Burschentanz in Thüringen. Beides sind Tänze im Freien, Plantänze. Beim Mädchentanz laden die jungen Landmädchen zu ihrem Tanzvergnügen ein , fordern auch ihre Tänzer zu jedem einzelnen Tanze auf. Diese Sitte hat sich auch in die Salons der Städte verbreitet und führt den Namen Damen -Engagement. Das wichtigste Gemeindefest des Jahres ist in Mittelfranken , wie überall auf dem Lande, das Fest der Kirchweihe. Mit Schluss des Yormittagsgottesdienstes beginnt die profane Feier desselben , welche hier dasselbe Gepräge hat wie im übrigen Bayern. Wir heben darum hier nur lokale Eigenthümlichkeiten hervor. »In den Thälem und VorhOhen des Hahnenkammes wird am Vorabend des Kirchweihfestes von den Burschen des Dorfes eine hohe, schlanke Fichte geschält, mit Kränzen und Bändern geziert und vor dem Wirthshause aufgestellt. Der Platz um dieselbe wird so weit geebnet, dass darauf der Tanz am Sonntag Nachmittag aufgeführt werden kann. Am ))Maitanzc (so heißt auch der Kirmestanz) dürfen bloß ledige unbescholtene Burschen und Mädchen theilnehmen. Darauf bezieht sich auch das »Gsängle«, mit welchem das Zeichen zum Beginn des ersten Reihen gegeben wird : »Des Mala 'rum tanza Is wacher (wahrlich) ka' Schand, Da kun mer betrachta Den ledia (ledigen) Stand U Digitized by Google 202 Ergiebt sich nachgerade, dass diesen Maientanz ein Mädchen mitgemacht habe, welche zu dieser Frist bereits ihre Jungfrauenehre verloren hatte, so wird der Baum in der Nacht heimlich umgesägt. Er ist yerunehrt und darf nicht bis zum nächsten Kirchweihabend stehen bleiben, wie sein ehrlicher Vorgänger, der erst nach vol- lendetem Jahresdienste feierlich ausgegraben wird. »Die Tanzstelle um den Kirchweihbaum heißt Pia tz und hier und da wird noch ein förmlicher »Bio" -Tanz« (Plantanz) in bekannter Weise wie in Oberfranken auf demselben aufgeführt. Gewöhnlich wird beim Bio -Tanz ein Bauemhut und ein seidenes Halstüchlein oder Schnur-Riemen ausgetanzt. Der Platzmeister hat das Vorrecht der ersten drei Reihen ; ihm folgt je ein weiteres Paar. Der tanzende Bursch erhalt eine Haselruthe , welche er beim Abtreten seinem Nachmanne über- giebt. Unterdessen wird ein Lichtstümpfchen angebrannt. Wann es verlöscht, fallen die ausgesetzten Preise dem Burschen, welcher just die Ruthe hält, und seiner Dirne zu. Sofort wird unter allgemeinen Freudenrufen der Plan geräumt, der Sieger tanzt drei Reihen mit seinem Mädel allein und hebt dabei das Gsängle an : ^ wölln mer halt tanz'n Drei Reiha allein, Schö" wölln mer*s auch macha, Der Platz is uns geräumt. Um'n Ring *rum, um*n Ring *rum G6its Tanza recht guet, Wie der Wind g6it, wie der Wind g6it So setz i mei Huet. Meine Herrn, kummt 'rein, I zahl ich (euch) a Maß Wein, I zahl ich a Maß Bier, Dass der (ihr) a Freud hat an mirl Hiemach beginnt der Tanz im Wirthshaus unter allgemeiner Betheiligung, a [Ba^ varia IH, 973.] Was die Tanzweise betrifft, so besteht sie hier (1865) zumeist aus Walzer (Y4 Takt) und Dreher (^4 Takt), ohne sonderlichen Schwung und ohne volk&- thümliche Eigenheit. Nur im nachbarlichen Altmühlthale von Pappenheim bis Gunzenhausen und namentlich auf der Eichstädter Alp ist noch der sogenannte Doppelte mit Taktwechsel im Schwange, den wir bereits in der Oberpfalz kennen lernten. — Hier hat insbesondere das Tanzen mehr Bewegung, und der Bursche weiß seine Tänzerin so flink und fleißig in die Höhe zu schützen, dass diese um des Anstandes willen in der Lage ist , neben den sonstigen landesüblichen Gewand- stücken noch ein eigens für den Tanz bestimmtes engeres Unterröcklein an- zuziehen. Das ist der sogenannte »Hanselc von rothem Wollenzeug, bis zur halben Höhe reich und zierlich mit grünen Schnüren ausgenäht. [Bavaria HI, 974.] Am Kirchweihmontag ist an vielen Orten der Hahnentanz gebräuchlich. Vordem wurde hierbei regelmäßig ein Hahn ausgetanzt, was jetzt selten mehr ge- schieht, aber die Bezeichnung blieb gemeinüblich. (Vergl. S. 171.) Der Zwei tritt oder Schreiter war ein höchst einfacher, aber unschöner Rundtanz im raschen ^4 Takt ; die Tanzenden haben einander die Hände auf die Achsel gelegt, der Tänzer dabei den rechten Fuß zwischen die Füße seiner Tänzerin gestellt, und dieser Gestalt drehen sie sich rasch bis zur Erschöpfung herum. Er war in Dorfschenken heimisch und wohl in ganz Deutschland gekannt. In Ober-, Mittel- und Unterfranken und am Rhein war er Dreher genannt. [MB. 271 — 277 .] Digitized by Google 203 Bei dem ehemalB im BayeriBehen Walde üblichen Schrot- oder Schreite- tans, der siemlich seriös war, wurde, wie beim Drischlag, mit den Füßen gestampft. [Schuegraf 465.] Der Fuß-ein-Tanz heißt eine erst in neuerer Zeit aufgebrachte, Sitten und Gesundheit gefährdende Art zu tanzen auf dem Lande im Ansbachischen. Man dreht sich nämlich mit gegeneinander yerschränkten Füßen und wechselseitig an- liegenden Leibern im raschen % Takt auf einem Flecke in einem fort bis zur Er- schöpfung. [Schuegraf, Zeitschrift für Kultuigeschichte I, 467.] Er wurde um 1840 — 50 auch in Thüringen getanzt, wo man ihn, bezeichnend genug, den «Todtmacher« nannte. Es ist dieser Tanz einer der üppigsten Dreher. In Unterfranken und Aschaffenburg finden sich durchweg bei der Kirchweih mit seinem Hantanz und bei Hochzeiten keine originellen Tänze mehr. [Bavaria IV, 255.] Bei Hochzeiten wäre vielleicht noch der eigenartige Name Scheuertanz (Scheunentanz] zu bemerken, der an die Stadelweise der Minnesinger erinnert. »Ist die Trauung vorüber, so begiebt sich der ganze Zug in die eigens gereinigte und hergerichtete Scheuer. Hier hält vor allem der Schullehrer die übUche Scheuerpredigt, in welcher er dem Brautpaare Glück wünscht und Segen verkündet. Dann folgt der Scheuertanz. Braut und Bräutigam haben die ersten drei Rei- hen zu tanzen, ihnen folgen dann die übrigen Qäste , bis endlich das fertige Mahl angekündigt wird.« [Bavaria IV, 248.] e) Tänze in der Bheinp&lz. In dem lustigen deutschen Rhein- und Weinlande der Rhein pf alz wird vom Landvolk wohl viel getanzt, aber das rheinpfälzische Völkchen hat keine eige- nen Tänze, worin seine innere Lust eine äußere Gestaltung gewOnne. Von Tänzen sind hier an der Ordnung vor allem der Walzer, als Beigabe Galoppade und Polka. Früher galt der Win ne weh (Menuett) und der Dreher. Neuerdings sitzt in jeder großem pfälzischen Ortschaft ein alter Tanzmeister, der die ganze tanzlustige Umgegend in den modernen Tanzweisen unterrichtet. Die Westricher (s. MB. 294) üben sich vorläufig selber auf der Scheuntenne, und wer am besten pfeifen kann, der macht den Musikanten. Auf ausnehmende Zierlichkeit beim Tanze kommt es dem pfölzischen DOrfler nicht an, denn j»rappelts net, so boUerts dochc. Der Tanz am Kirchweihfeste (Kerb, Kerwe) währt bis zum geschlagenen Morgen. Getobt muss sein und etwas darauf gehen auch. [Bavaria IV, 385.] »Fröhlich Pfalz — Gott erhalt'sl« Der Deutsche. So wird in Bayern der Walzer genannt, der jetzt auch auf allen ländlichen Tanzböden Bayerns herrscht. Er kommt hier weniger schnell als in der Stadt, jedoch nicht ohne Geschmack und Anstand zur Ausführung, wenn auch dabei die Bursche den Takt mit den Füßen so energisch treten, dass nicht selten bei solcher Leibesübung der Tanzboden , zumal wo derselbe bloß aus einem Dielboden über einem Viehstalle besteht, durchbricht. In Süddeutschland hieß zu Mozarts Zeit der alte Ländler allgemein »Deut- scher« oder »deutscher Tanz«, und Mozaxt hat, wie auch Beethoven, eine An- zahl »deutscher Tänze« komponirt. (MB. 238 — 241.) In Norddeutschland (Berlin) Digitized by Google 204 gab es am Anfang unsers Jahrhunderts einen Tanz »Deutschere genannt, der nicht der alte Walzer, sondern ein Tourentanz im Menuett-Polonaisen-Tempo war. Die Musik s. MB. 245. Kathrein-Tanz heißt in Bayern der letzte Tanz im Jahre vor dem Advent, früher am St. Katha- rinentag (25. November), jetzt am nächstfolgenden Sonntag abgehalten. Daher die Redensart: »Kathrei", stellen Tanz ei^ U In der Rheinpfalz heißt es: »Eatharein schließt die Pfeif und Qeigen ein la In München hat jeder bürgerliche Liebhaber sein Mädel an diesem Tage wenigstens zum Biere zu führen, sonst appellirt sie an den Spruch : ^jjeint is Katrein, Hat an jeda die Sein : Wer se net hat, Der mag se net.a f) Tänze im Vogtland und in Thüringen. Aus dem tanzlustigen VogÜande , wozu der südwestliche Theil des Könige reichs Sachsen und das südöstliche Thüringen gehören, lassen wir die Beschreibung etlicher alter Volkstänze, die noch mit Gesang und Qebärdenspiel verbunden sind, aus Dr. H. Dunger, Runda [Einleitung 3 7 ff.] hier folgen. Die gewöhnlichen Tänze im Vogtlande sind : 1. Walzer, für welchen dort auch die Namen Schleifer, Strupferund Wiener vorkommen. 2. Dreher nebst seinen Abarten Halbdreher und Schreiter. 3. Der Rutscher oder Hupf er, der dem Galopp entspricht Neben diesen drei Hauptarten kennt man dort auch den Tiroler, den Polka (oder Schlenkerer] und Schottisch. Der Hopser oder Reiter bezeichnet eine Art Zweitritt- Walzer im raschen Tempo (MB. 276). (Auch in der Mark Branden- burg tanzte man zu Anfang des 19. Jahrhunderts den Reuter, eine Art sehr wild gesprungener Zweitritt.) Der Dreher, der eigentliche Nationaltanz und der Stolz des VogÜandes, ist ein schwer zu lernender, aber sehr anmuthiger Tanz, welcher nach Rutscher- melodien im 2/4 Takt getanzt wird. Abarten davon sind der Halb dreh er, bei welchem halb gedreht und halb gerutscht wird, und der Schreiter (MB. 277), bei welchem eine mehr hüpfende Bewegung stattfindet, als beim eigentlichen Dreher. Ein alterer Gebärdentanz im Vogtlande heißt der Vogelsteller oder Winker. Der Text dazu lautet : »Mit den Füßen trapp, trapp, trapp. Mit den Händen klapp, klapp, klapp. Ich sag dir's fein : hüt dich fein I Lass dich mit kei'm Andern einic Bei den Silben »trappe wird dreimal mit den Füßen aufgestampft, sowie bei «klappe mit den Händen dreimal geklatscht. Mit den Worten vich sag dir's feine erheben die Tanzenden, einander drohend, erst den rechten, dann den linken Zeigefinger und bei den letzten Worten drehen sie sich auf dem Absätze um. Dann schließen sich, einige Takte Rutscher an, bis das Spiel von neuem beginnt. Auch der Sandmann war ein ähnlicher Gebärdentanz, dessen Text (nach Dunger S. 12) lautet: Digitized by Google 205 jiDex Sandmann bt da, jach, jach I Er hat so schönen weißen Sand, Und ist im ganzen Land bekannt, Der Sandmann ist da, jach, jach I Dort gackt er schon zum Thor herein, Er weiß, wo schöne Mädchen sein : Der Sandmann ist da, jach, juchic Der Trappelt ans, bei welchem die Tanzenden anfangs in langer Kette j»schreitenc , dann trappeln , ist im Vogtlande (Hohenleaben) gebräuchlich , nach dem Liedchen : JiHat mein Hund dein' Oans gebissen. Hat ihr'n FlOgel 'rausgerissen, Ist denn das nit jammerschad, Dass die Gans kein' Flügel hat?c Eine Art bayerische Polka ist im Vogtland die Sackmütze, die nach folgen- dem Liedchen getanzt wird : iSeht nur 'mal die Sackmütz an, Wie die Sackmütz tanzen kann 1 Sackmütz hin, Sackmütz her I Sackmütz ist ein Zottelbär.c Oder zum Schluss : j»Tanz mein Tag kein' Sackmütz mehr.c Den «Hans Adam«, einen Walzertanz in der Ölsnitzer Gegend, tanzt man nach dem Texte : »Hans Adam, Hans Adam Is a lustiger Bu : Kann fressen und saufen, Auch tanzen dazu.« Einen langsamen Walzer unter dem Namen Hauschild tanzte man um 1820 bis 1840 in Sachsen und besonders im Vogüande nach einem Verschen, das in Studentenlieder Eingang fand : |: Lebt der alte Hauschild noch, Hauschild noch, Hauschild noch? :| Ju, ja, er lebet noch, Liegt im Bett und zappelt noch. Ein älterer Tanz, im Altenburgischen und Vogtland noch gekannt, ist Man- chester, bei welchem die Tanzenden anfangs viermal langsam vorschreiten und darauf in schnellem Tempo sich rückwärts bewegen und sodann in einen flotten Rutschertakt übergehen. Der Text dazu lautet : »Stock, Stock, Stock, Stock, Macht mei Vater, macht mei Vater, Macht mei Vater Stock U »Lott ist todt, Lott ist todt, Jule liegt im Sterben. Das ist recht, das ist recht : Krieg mer was zu erben.« [MB. 265.] Der Tanz scheint czechischen Ursprungs zu sein, da er unter den altböhmischen Tänzen bei Waldau (böhmische Nationaltänze I, 86) mit dem Namen Mansester Digitized by Google 206 angeführt wird und man in Wien statt »Lott ist todtf einen sehr schmutsigeii czechischen Text um 1829 — 30 d&zu sang. Um genannte Zeit mag er entstanden sein. Seit 1858 wird er wieder unter den modernen Salontänzen gefunden und you Tanzmeistem gelehrt. Der Kutscher ist ein älterer Tanz, der im Vogtland noch gekannt ist und nach folgendem Versehen getanzt wurde : I. Theil 2/4 Takt: Rutsch hin, rutsch her! Kutsch in der Magd ihr Federbett, Kutsch hin, rutsch her, Kutsch in der Magd ihr Bett. 11. Theil 3/^ Takt : In dei Bett mag ich nit, Hast zu viel Flöh; Schätzchen, dich mag ich nit, Du siehst nit schO\ Während des ersten Theils stehen Tänzer und Tänzerin sich gegenüber und rutschen mit den Füßen abwechselnd vor- und rückwärts. Daran schließt sich als 11. Theil ein Walzer. Der Hautitry oder Kumpuff ist ein sehr alter Tanz der Altenburger Bauern, der noch zu Anfang unseres Jahrhunderts zuweilen auf Kirmsen getanzt wurde, viel Kraft und lange Vorbereitung erforderte. Seine Ausführung ist schwer zu beschrei- ben. Durch das Stampfen mit den Absätzen der Stiefeln , durch Händeklatschen, Fliehen und Vereinigen des Tänzerpaares , Drehen auf einer Stelle und zuletzt mit Aufschwung (Aufwerfen) des Mädchens, wozu große Bravour des Tänzers erfordert wird, ähnelt er dem Steyrischen Ländler und dem Schuplattl-Tanz. Vermuthlich ist er , wie die Altenburger Bevölkerung , die noch bis heute auf dem Lande ihre alten Trachten bewahrt, slawischen Ursprungs. (Die alte Musik dieses Tanzes s. MB. 343.) Hallischer Stiefelknechts-Qalopp-Walzer oder Herr Schmidt Es war ein um 1820 — 30 in Sachsen und Thüringen sehr beliebter Gesellschaftstanz, zu welchem man die Worte sang : Herr Schmidt, Herr Schmidt, Was kriegt denn Köschen mit? Ein' Schleier und ein* Federhut ; Das steht dem Mädchen gar zu gut. Weil die erste Tanztour, angepasst den W^orten »Herr Schmidtc, in ihrem Vor- schieben und Rückziehen des Fußes viel Ähnliches hat mit den Bewegungen beim Stiefelausziehen , daher sein Scherzname. — Seiner Ausführung nach gehört er unter den Zweitritt. Die Musik (s. MB. 342) geht aus ^Takt. Noch jetzt wird er zuweilen auf Bällen getanzt und in der Kegel folgt auf ihn der Großvatertanz. g) Tänze in Mecklenburg. Einige alterthümliche Volkstänze, die bei Hochzeiten in Mecklenburg noch heute vorkommen, wollen wir beschreiben: 1. Schön dör und stolz (Schön durch und stolz) ist eine Quadrille mit zwei Touren, von zwei Paaren zu tanzen. Bei der ersten tanzen die vier Personen kreuzweise durcheinander (schön durch), während sie bei der zweiten die Arme in die Seite gestemmt (stolz) einhergehen. (Czerwinski 205.) Digitized by Google 20T 2. Die Kückelreih hei£t der Tanz, welcher die Hochzeitsfeier um Mitter- nacht des Freitags beschließt. »Sein Zweck ist: die Braut auszutanzen, nämlich aus der Gemeinschaft der Unverheiratheten. Zwei Bursche nehmen sie zwischen sich; um sie schließen junge Mädchen, sich an der Hand fassend, einen Kreis, der wieder ebenso von ledigen Mannspersonen umkreist wird, doch der Art, dass zwei Männer in diesem äußern Kreise sich nicht angefasst haben. Der eine von diesen reitet auf einer hölzernen Scheunengabel, während der andere mit knallender Peitsche ihn dazu antreibt. Sofort drehen sich beide Kreise um die Braut, und der Bräutigam muß versuchen, die Kreise von außen her zu durch- brechen und zu der Braut zu gelangen. Ist dies nach heftigem Kampfe ihm ge- lungen, so drehen sich die Kreise von Neuem und es ist an den verheiratheten Frauen, sich durch dieselben hindurch zu drängen. Die Verwirrung, das Kreischen und Jauchzen bei diesem Beigen, an welchem oft 50 Personen theilnehmen, ist unbeschreiblich, a (Czerwinski 206.) — Dieser Tanz erinnert an die altgermanische Sitte der EntftLhrung der Braut und ist jedenfalls sehr alt. 3. Käkentanz (Küchentanz). [MB. 352.] Unter den Tanzlustbarkeiten des mecklenburgischen Volkes bei Emtebier und bei Hochzeiten spielt der sogenannte Käkentanz (Küchentanz) eine große Rolle. Er ist der erste Tanz der Festlichkeit, bei welchem der Großknecht mit der Köchin vorantanzt. Es ist ein Reigen : eine lange Reihe von Paaren folgt dem genannten ersten, die Musik vorauf. Die Köchin ist mit einer bändergeschmückten Schöpfkelle versehen. So stürmt die wilde Jagd durch alle zugänglichen Räume, über den Hof, selbst in die Scheune und den Viehstall, wenn die Herrschaft nach- sichtig ist. Alle dem Zuge Begegnenden werden attakirt. Die Köchin haut zuerst drauf los ; aber auch die Begegnenden bleiben nicht passiv. Namentlich die alten Weiber in der Küche haben ihrerseits mit Kellen sich bewafinet und wehren sich tapfer. Auch die nachfolgenden Paare haben Prügel£reiheit und versehen sich mit allerlei dazu dienendem Material, als Plumpsack, einem Stück Holz etc. Wie ein derartiger wilder Tanz, gleich unserer zahmen Polonaise, durch ver- schiedene Räume geführt, den Anfang bezeichnet, so nimmt der sogenannte Rückelreih am Schlüsse der Hochzeiten oft einen ansehnlichen Charakter an. Ältere Leute erinnern sich, dass Tanzende im Herbste des Morgens gegen 6 Uhr aus einem % Stunden entfernten Dorfe schreiend und jauchzend in einem Nachbar- dorf e erschienen und dann sich wieder zurück ins Hochzeitshaus begaben. Die Tanzenden hatten sich angefasst, bildeten also eigentlich eine lange Reihe. Daraus wird natürlich beim Vorwärtsspringen eine derartige Stellung, dass jeder Tänzer sich im »Rücken« des Vorantanzenden befindet. Daher der Name Rückelreih.^ Der Küchentanz gehörte schon im 16. Jahrhundert zu den Hochzeits- gebräuchen. Faust von Aschaffenburg (siehe Zeitschrift für Kulturgeschichte I, 68) führt ihn an, als er eine Hochzeit der Gesellschaft Limburg zu Frank- furt a. M. im Jahre 1591 beschreibt: »Auf den zweiten Abend, wenn Alles ver- richtet und man hinauseüt, wird durch den Hofmeister der Küchentanz an- gestellt. Da müssen Alle , der Küchenmeister, Silbermeister, Schanktischdiener und Küchenknecht, der Stubenknecht mitsamt seinem Weibe, den Mägden und Schmutzbuben, in einem Tanze vor den Gästen im Tanzhause einen Reihen aufführen. Der Hofmeister tanzt mit einer Fackel voran, die andern folgen Paar an Paar, und jeglich mit seines Amts Waffen, als der Koch mit dem Löffel, der ^ Nach brieflicher Mittheilung von Herrn Professor Dr. Fr. Zamoke. Digitized by Google 208 Schenk mit der Kanne, der WassertrSger mit der Butte u. s. w. So es an Weibs- personen mangelt; wird solches mit einer Mannsperson erstattet; da werden etliche verschwftrzt, scheußlieh vermummt und sonst höflicher verstellt , in Summa, es wird nichts unterlassen, das die Freunde ergötzen möchte. So sich nun etwa etliche Diener in ihrem Amte nicht fleißig oder dem Hofmebter ungehorsam erzeigt oder sonsten sich übersehen und überfüllt, werden sie gepritscht, welches dann dem tölpischen Gesindel eine Scham ist; es wird ihnen gleichsam Fleiß und Furcht eingetrieben, hinfüro ihren Dienst desto fleißiger und geschickter zu verrichten.« Eigenthümlich ist im Mecklenburgischen noch jetzt die Ausführung des Großvatertanzes (siehe S. 184), welche ich nur für eine Vermengung mit dem Küchentanze halte : »Alt und Jung, jedes mit einem Werkzeug der Wirthschaft bewaffnet (nur Besen sind als unglückbringend verboten) , zieht nach der Melodie »Un as de Grotvatere de Grotmoder nahm« durch das ELaus, durch Thüren und Fenster, in die Ställe und auf den Heuboden.« h) Märkische Tänze. Eine große Anzahl märkischer Tänze, die im 18. und zu Anfang des 19. Jahr- hunderts in der Umgegend von Berlin und in Berlin selbst getanzt wurden, führt R. Voss in seinem Tanzlexikon an und fügt auf Grund alter Musikbücher, die in seinem Besitze sind, die Beschreibung der Musik, auch zuweilen die Tanz- ausführung, hinzu. Zu mehreren dieser bäuerischen Tänze hat Herr Voss die Musik für mich gütigst abgeschrieben. Ich will hier nur die interessantesten kurz beschreiben, davon manche slawischen Ursprungs sein mögen, andere holländischen Einfluss verrathen. Die Mühle war ein märkischer Tanz, der um 1800 in ländlichen und Handwerkerkreisen beliebt war und seinen Namen einer harmlosen Spielerei ver- dankt. Im ersten Theile der Musik (MB. 304) hat der Bass unisono. Der zweite Theil wird Takt für Takt schneller gespielt; dabei schlägt der Bassspieler mit dem Bogen auf die Decke in Viertelnoten, um das Mühlgeklapper nachzuahmen. Ist das Stück zweimal gespielt, so wird die Mühle geschützt (zum Stehen gebracht) , was der Bassspieler durch einen langsamen kräftigen Strich auf den Saiten zwischen Steg und Saitenhalter bemerkbar macht. Schmiede-Michel war ein scherzhafter Tanz in der Mark, um 1800 und noch in neuerer Zeit üblich. Die Musik (MB. 303) geht aus ^4 Takt und besteht im Ganzen aus vier Takten, die immer wiederholt werden. Die Paare sind reihen- weise , Tänzer und Tänzerinnen einander gegenüber aufgestellt und einander die Hände reichend, die sie hoch empor halten. Das erste Paar tanzt durch die Reihe hindurch, die andern Paare folgen eins dem andern nach. Sind alle Paare hindurch, so beginnt das letzte Paar den Tanz durch die Reihe von Neuem u. s. f. Das Tempo des Tanzes ist im Anfange sehr ruhig, wird aber schneller und immer schneller , bis unter Trubel und vielem Lachen die Tanzenden niederfallen oder erschöpft zurücktreten. Der Schäfertanz wurde nur von zwei Paaren ausgeführt. Die Musik ging aus ^/4 Takt und bestand aus zwei Reprisen, eine zu sechs und eine zu acht Takten. Ist noch zuweilen in der Mark getanzt. Der Schustertanz war am Ende des 18. Jahrhunderts in der Mark beliebt. Die Musik im 2/4 Takt hat zwei Reprisen. In ihr wurde die Hantierung des Schustei^ handwerkes nachgeahmt, das Ziehen des Pechdrahtes durch Triolen und Pausen und Fermaten ausgedrückt. Zu dieser handgreiflichen Programmmusik gab es auch ein Liedchen : Digitized by Google 20» O du schöne SclitiBterin, Du exfreuest meinen Sinn i Alles, Alles, was du thust, Das ist meines Heizens Lust etc. Der Sc hornsteinfeger war ein Tanz im ^4 Takte nach einem sehr zwei- deutigen Liede : »Wenn ich des Morgens früh auf steh und zum Schomsteinfegen geh etc.« (MB. 302.) Dass in der Musik das Fegen und Kratzen des Essenkehrers angedeutet sei, wie R. Voss glaubt, konnte ich nicht finden. Dieser mfirkische Tanz war noch in neuerer Zeit üblich, aber besonders waren die faulen Schornstein- fegerwitze am Ende des vorigen Jahrhunderts in mehreren Liedern verbreitet. Der Barbier tanz war eine pantomimische Scene mit Tanz. Das Musik- stück besteht aus 14 Takten Moderato-Tempo (darin der vorletzte Takt das Strei- chen des Messers schildert?) , dann folgen acht Takte Adagio in % Takt, welchem wieder zwei Theile im raschen ^j^ Takte folgen. In neuerer Zeit ist das aus dem 18. Jahrhundert stammende Tanzspiel hier und dort in der Mark noch üblich. Der Leinwebertanz, ein pantomimischer Tanz um 1800, bestand darin, dass im ersten und dritten Takte des zweiten Theils der Musik das »Werfen des Schützen sc angedeutet wurde. Die Musik aus ^4 '^^t hatte zwei Theile: acht mid sechs Takte. Der Scherenschleifertanz ging aus ^4 "^^^ un langsamen Tempo und bestand aus zwei Wiederholungstheilen , davon der erste sechs , der zweite zwölf Takte hatte. Er ward um 1800 in der Mark getanzt. Vermuthlich wurden dabei die Bewegungen des Schleifers nachgeahmt oder ein Lied vom Schleifersmann dazu gesungen. Der Spiegeltanz hat seinen Namen vermuthlich daher, dass darin eine Tour mit einem »Spiegela vorkam, wozu jedenfalls die Fermaten im zweiten Theil der Musik Hinweisung gaben. Die Musik im ^/4 Takt hat vier Wiederholungs- theile zu je 8 Takten. VerkehrteWelt, ein Tanz, wie die meisten märkischen Tftnze im ^4 Takt mit Wiederholungstheilen , der seinen Namen wahrscheinlich von einem dazu ge- sungenen Liede hat. Vier Winde ist der Name für einen Tanz , der zwei Theile aufweist : einen von 8 Takten im '/4 ^lad einen von 12 Takten im % Takt. NummerDrei ging aus Y4 Takt, hatte zwei Theile und ist in neuerer Zeit noch üblich. Dass er seinen Namen von drei kräftigen Strichen in der Musik kurz vor Ende habe , vermuthet Voss. Ich meine, ein Tanzliedchen gab Anlass zum Namen, das anfing : »Ich bin der wilde Mann.t Der Winker oder Mecklenburg war um 1800 in der Mark ein Tanz, der wie Osnabrück getanzt wurde. Der erste Theil der Musik hatte ^/g, der andere % Takt. Doch gab es auch Winker durchweg im ^j^ Takt. Schwedischer Mann ging aus ^j^ Takt, hatte eine Einleitung von 4 Takten, dann einen Theil von 8 Takten, der wiederholt wurde. Woher sein Name, ist mir unkund. Am Ende hat man es doch nicht gar mit dem alten Tanze »schwarzer Manna hier zu thun? Die Ausführung dieses und des märkischen Tanzes ist leider nicht mehr gekannt. Pfeffermühle war ein Hopser im ^4 Takt aus zwei Keprisen mit 8 Takten und Dacapo , der vor 1800 in der Mark üblich war. Holländische Mühle wurde um 1800 — 30 in der Mark getanzt. Die Musik im ^j^ Takt hatte drei Theile. Das Schiffer-Holländisch war eine Art CotiUon von vier Personen. Im B ( h m e , Oeach. d. Tanzes. 1 4 Digitized by Google 210 Refrain führen die beiden einander schrftg gegenüberstehenden Personen Pas mar- qu68 aus, die dem Pas de Rigaudon Ähnlich, jedoch mit allerhand lustigen Sprüngen verziert sind. Das dumme Ding hieß eine Art Zweitritt in der Mark. Der Tanz geht aus ^/4 Takt, hat zwei Theile von je 8 Takten und wird noch in der Neuzeit ge- tanzt. Im zweiten Theil treten die Tanzenden alle taktm&ßig mit den Füfien und drohen einander mit den begleitenden Worten : »Na wart man U SchOnthun oder Charnirtanz, ein märkischer Tanz im ^/4Takt, aus zwei Theilen : der erste hat 6, der andere 1 Takte. Worin die Ausführung be- standen hat, weiß ich nicht. Schwäbischer Bauern tanz wird in den märkischen Tanznotenbüchern angeführt; er geht aus %Takt und hat zwei Theile (MB. 299). Auch ein alter schwäbischer Bauerntanz (MB. 300) steht daselbst aus ^4 Takt. Das Vorkommen schwäbischer Bauemtänze in der Mark wird dadurch erklärbar, dass unter Friedrich dem Großen viele Schwaben aus der Umgegend von Reutlingen aus- wanderten und sich im Umkreis von Frankfurt a. O. ansiedelten. Der Eälbertanz oder Klappentanz, ein märkischer Bauemtanz um 1800, hatte Y4 Takt in zwei Theilen im Menuett-Tempo. Weiberzank heißt ein Tanzstück, das um 1800 in Berlin gekannt war und ein Vorgänger vom sogenannten »Zankduett« in den »lustigen Weibern von Wind- Bora von Nicolai ist. Die Musik geht in erst langsamem % Takt, dann folgen zwei Theile im raschen Yg Takt. Das Zanken wird in der Musik dadurch angedeutet, dass ein Motiv von zwei oder vier Takten abwechselnd von Violine und Bass vor- getragen wird. Dreitourig hatte drei Theile im ^4 Takt; kam noch Walzer hinzu, so gab es zwei Theile im ^4 ^^<^ einen im Vg Takt. Viertourig.bestand aus vier Theilen. Der erste hatte ^4» cUe folgenden drei aber Walzertakt. Drei Nationen war ein Tanz aus drei Theilen. Der erste Theil war eine Menuett zu 8 Takten, der zweite eine Polonaise zu 4 Takten, der dritte ein Walzer von 8 Takten. Die Musik hatte durchweg ^4 Takt. Kikebusch war ein märkischer Tourentanz, der um 1800 und zuweilen noch in der Neuzeit getanzt wird. Die Musik in zwei achttaktigen Theilen hat ziemlich raschen % Takt. Zum I. Theile der Musik auf je 8 Takte tanzen vier Paare eine Ronde, links und rechts herum. Auf die vier ersten Takte des n. Theils tritt jeder Tänzer hinter seine Tänzerin und kikt (schaut) ihr in die Augen , nachdem er sie an der Taille etwas herumgedreht hat. Auf die vier näch- sten Takte wechselt das erste und zweite Paar , paarweise passirend, seine Plätze ; beim Wiederholen dieses Theils wechseln auch das dritte und vierte Paar die Plätze. Dieser II. Theil kommt immer gleichartig zur Ausführung, während auf den ersten sieben Takten verschiedene Touren nach und nach getanzt werden. Todtentanzist eine traurige Mollmelodie im langsamen ^j^ Takt, bloß von 8 Takten Umfang (MB. 305). Er wurde noch um 1800 getanzt. Nicht unmOgUch wäre, dass diese Melodie vormals bei dem scherzhaften Spiele «der Todtentanzc aufgespielt wurde. Am Schluss sollen noch einige Tanz-Namen erklärt werden, darin das Wort Tanz keinen eigentlichen Tanz bezeichnet, sondern nur im bildlichen Sinne gebraucht wird. Ostertanz der Sonne, das sind die drei Freudensprünge in die Höhe, Digitized by Google 211 welche nach dem Glauben des Mittelalters die Sonne beim Aufgehen am Oster- morgen macht. [Kuhn, westfUische Sagen 1 42.] Schweden tanz ist die Bezeichnung fClr die Siege der Schweden im dreißig- jährigen Kriege. Der Ausdruck ist in historischen Gedichten auf fliegenden Blät- tern des 17. Jahrhunderts gebraucht. Hasentanz, so viel als feiges Flachten. Gebraucht ist der Ausdruck in einem historischen Liede auf Tilly's Niederlage 1630 : »Freuden- und dankreiches Evangelisch-Lutherisches Sieges-Lied , über den liguistischen papistischen Tylli- sehen Hasentanz aus Leipzig und Meißen.« Sau tanz war kein Tanz, sondern in Bayern ein Mahl, bei welchem gewöhn- lich Schweinefleisch aufgetragen wurde. [Schmeller I, 449.] Froschtanz ist ein Spiel der Kinder, wobei sie die Hände über oder unter den Knieen zusammenschlagen und das Hüpfen der Frösche nachahmen. Vürentanz, zusammengezogen aus »Führ den Tanz« (ähnlich wie Schicke- tanz), kommt als Familienname vor MSH. UI, i97^ Z. 10. Kapitel XIY. Gesellscliaftstänze in Deutschland seit Ende des 18. Jalirliunderts bis zur Q-egenwart. Sie sind intematioiuder Natur , werden darum in Deutschland ebenso wie in Frankreich, England, Amerika etc. getanzt, sowohl im Salon von feiner Gesell- schaft, wie in den Wirthshäusem zum Sonn- und Festtagsvergnügen. Wir be- ginnen mit den noch lebenden, also den auf der modernen Tanzkarte stehenden, und wenden uns dann zu den verschollenen Gesellschaftstänzen dieses Zeitraums. Die Polonaise (italienisch »alla polacca«) dient zur Eröfinung aller Tanzfeste der Gegenwart und ist ein feierlicher Umzug im langsamen ^4 Takte, bei welchem eine ganze Gesellschaft, Paar hinter Paar, im Tanzsaal umher wandelt oder in Schlangenwindungen einher- «chleift und mancherlei Touren ausführt. In ihr lebt der alte Branle der Franzosen, aber ebenfalls der getretene Tanz der Deutschen im Mittelalter noch bis heute fort. Ihr Charakter ist feierlicher Ernst, verbunden mit ritterlicher Zärtlichkeit und etwas Erregtheit. Es ist ein gravitätischer feierlicher Tanz, der zugleich ritter- liche Galanterie, Entzücken glücklicher Liebe imd anmuthige Klage der Sehnsucht durchblicken lässt. Weil hier zu einer Musik im ^/ 4 Takte marschiert wird, so folgt, dass ab- wechselnd bald der linke, bald der rechte Fuß auf schweren Takttheil treffen muss. Dadurch entsteht in der Polonaise das unstete, losgebundene Wesen, was ihr Mannig- faltigkeit und besondem Reiz giebt. Für die Musik der Polonaise ist charakteristisch: a) dass sie stets mit VoU- takt anfängt, b) dass sie durchweg scharfe Accente liebt, besonders in der Melodie das zweite Achtel des Taktes betont, was einen kecken frischen Rhythmus erzeugt: c) dass das Motiv immer zwei Takte umfasst und im zweiten Takte einen merklichen Einschnitt hat, wie hier zu sehen ist, und woraus folgt, dass durch Ver- 'A / j -^ jii ;ffi j. ;? I ^^- 14* Digitized by Google 212 Undung der Motive Theile von gerader Taktzahl nothwendig Bind, also Theile mit 8, 10, 12 Takten; d) dass sie in der Begleitung die sechs Achtel des V4 Taktes hörbar nuusht, wobei sie das zweite Achtel i n zwe i Sechze hntel zerlegt, so dass ein dem Bolero ähnlicher Rhythmus entsteht: V4 J J^ J j J J I ®*®-5 o)^*** derSchlusa eines jeden Theils ohne Ausnahme auf den dritten (also auf leichten) Takttheil (fült und durch einen Vorhalt mit trotzig absetzendem Basse eingeleitet wird, wie z. B. ^ m ^ ^ ^^'t^ 4^V :| | Ü ^V -WJ] ^V II Zwischen dem schwungvollen Anfange und dem unbefriedigendes Verlangen aus- drückenden Schlüsse spielen die zartesten, edlen Kantilenen, die gern in fließenden Sechzehnteln sich auf- und abbewegen, brillant, galant, bis zur Wollust lieblich, keck und stolz. — f) Das Tempo der Polonaise h< die Mitte zwischen Andante und Allegro. Über den Ursprung der Polonaise ist man allgemein der Meinung, sie sei ein polnischer National tanz, weil darauf ihr Name hinweist. Dem muss ich widersprechen und behaupte , dass sie niemals polnischer Volkstanz war, sondern hofischen Ursprungs ist. Der volksmäßige Tanz der Polen, der sonst wie jetzt stets mit Gesang begleitet war, kennt wohl den ^4 Takt, aber mit einem ganz anderen Rhythmus in dem nach der Provinz Masovien benannten Mazurek (Masurka) außerde m den Kra koviak (Cracovienne, benannt nach der Stadt Erakau) im ^/4Takt ! 1 J J I J M J J I etc. Nirgends findet sich in echt polnischen Nationalliedem und Tänzen unser Polonaisen-Rhythmus ^4 J f^ J J J J etc. Auch ist die Tanzmanier der Polen, jenes Aufschlagen mit den Hacken^ mutiiwilliges Hüpfen und lebendiges Gestikuliren in der ruhigen Polonaise nicht vorhanden. Überdies waren unsere Polonaisen-Musikstücke lange Zeit bei den Polen verachtet und mit der Bezeich- nung »Deutsch-Polonaise« belegt, weil sie keinen polnischen Nationalrhythmus haben und wahrscheinlich nicht aus Polen stammen. Nach A. Sowinski (Les Musiciens Polonais, Paris 1857) soll die Polonaise von den alten Weihnachtsgesängen abstammen , welche noch in Polen gesungen werden; er führt als Beispiel einen derartigen Gesang an: »W zlobie lezy«, darin der Rhythmus und der Schluss des Tanzes vorkomme. Allein die ältesten Polo- naisen sind instrumental, obgleich sie später von Gesang begleitet worden sein können ; darum ist die Ansicht eines höfischen Ursprungs wahrscheinlicher. Wann und wo ist die Instrumental-Polonaise entstanden? NachGrove (Dictionary of Music and Musicians, vol. ni, London 1883, p. 10) soll sie zuerst zu einer Defllir-Cour des polnischen Adels bei der Thronbesteigung Heinrichs III. von Anjou zu Erakau 1574 aufgeführt worden sein.^ Ich bezweifle, dass dieser 1 Im Jahre 1573 wurde bekanntlich Heinrich von Anjou zum Köniff Polens er- wählt und er hielt 1574 in Krakau eine große Cour, bei welcher die Edelfrauen unter begleitender Musik defilirten, was seitdem (wie man sajrt) bei jeder Thronbesteigune durch fremde Fürsten in Polen Sitte wurde, woraus dann der Brauch entstand, dass die Po- lonaise den Eröffiiungstanz bei Hoffesten bildete. Digitized by Google SIS Defilirtanz Ton 1574 schon unsere Polonaise im ^4 "^^k^ gewesen sei, bis die No- tation davon beigebracht ist. Wohl kannte man schon eu Ende des 16. nnd am Anfang des 17. Jahrhunderts den »Polenschen Tanz«, davon ich in MB. 136. 174. 175. 196 einige Proben gebe; aber alle Notenbelege aus jener Zeit zeigen uns bloß den ^4 oder V4 Takt, also nicht unsere Polonaise. In dem großen Lautenbuche von Besardus »Thesaurus harmonicuss (K<)ln 1603, VU. Buch) stehen einige Polonaisen mit der Bezeichnung »Choreae Polonicaec meistens von einem naturalisirten Italiener Diomedes am Hofe des PolenkOnigs Sigismund III. (1587 bis 1632 regierend) . Sie haben aber in ihrem Rhythmus nur entfernte Ähnlichkeit mit der spätem Polonaise. Die heutige Form der Polonaise mag sich Ende des 17. Jahrhunderts aus- gebildet haben, tritt jedoch erst am Anfang des 18. Jahrhunderts zu Tage. Woher aber ist sie gekommen? Ihr französischer Name weist uns entweder auf Frankreich oder auf französische Tanzmeister an Deutschlands FürstenhOfen hin. In Frankreich jedoch kannte man im 16. und 17. Jahrhunderts die Polonaise als Gesellschaftstanz nicht. Zur Begründung dieser Behauptung führe ich an, dass der gründliche Tanzlehrer Tabourot in seiner Orchesogpraphie von 1588, darin er aUe damals in Frankreich üblichen Tänze beschreibt, die Polonaise nicht erwähnt. Ebensowenig findet sich eine Polonaise in dem fast 300 französische Tänze bringen- den Buche »Terpsichorea von M. Praetorius 1612. Auch der fleißige Mersenne, der 1636 in seiner »Harmonie universelle« alle damals üblichen Tänze in Noten bringt, weiß von der Polonaise noch nichts. Sogar der englische »Dance-Masterv, ein von 1650 — 1731 oftmals in London gedrucktes Buch, enthält unter den vielen Tanzmelodien keine Polonaise. Dass in der Regierungszeit Ludwigs XIV. (1643 bis 1715] die Polonaise in Frankreich getanzt worden sei, darüber könnte nur die Sammlung Philidor Auskunft geben, doch verlautet davon nichts. Erst zu Anfang des 18. Jahr hund e rts beg egnen wir der Polonaise im */4 Takt mit ihrem jetzigen Rhythmus J J^ J J J J und zwar in Deutschland und, wenn ich mich nicht täusche, zuerst in Sachsen. Wenigstens hat Seb. Bach ihren Rhythmus schon gekannt und um 1725 Polonaisen komponirt, davon sechs in dem Klavierbuch für seine zweite Frau (Manuskript der Königlichen Bib- liothek zu Berlin) von ihm eingeschrieben sind. Eine daraus habe ich zur Probe (MB. 162) mitgetheilt. — Noch schärfer tritt das rhythmische Gepräge heraus in einer um 1736 zu Leipzig gedruckten Polonaise mit Gesang, die ich folgendem Buche entnehme: »Sperontes,^ Singende Muse an der Pleiße in zwei mal 50 Oden. Der neuesten und besten musikalischen Stücke mit den dazu gehörigen Melodien zu beliebter Claviei^Übung imd Gemüthsergötzung. Leipzig, auf Kosten der lustigen Gesellschaft.« Neben dieser in MB. 163 zu findenden, echten Polo- naise giebt Sperontes noch einen Air en Polonaise (MB. 164), welche Melodie ganz den Mazurka- Rhythmus hat. Dass damals die Polonaise kaum aufgekommen und auch in Deutschland bis- her unbekannt war, muss man daraus folgern, dass 1732 der in Weimar lebende sehr erfahrene Kapellmeister Walther in seinem musikalischen Lexikon sie noch nicht erwähnt. Mattheson in seinem »Vollkommenen Kapellmeistern (1739, S. 162 und 230) bringt die erste Beschreibung, wie er selbst sagt, von der Polo- ^ Der Pseudonyme Verfasser war ein der Komposition und Dichtkunst kundieer, ver- kommener Leipziffer Student Joh. Sie^und Scnolze, geb. 1705 zu Loberdau bei Liegnitz. Vern. Spitta's Forschungen m Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 1885. I, S. 54. Digitized by Google 214 naise. Er hält sie für polnischer Abkunft, macht auf ihren spondeischen Charakter aufmerksam und bemerkt , dass sie stets mit Volltakt anfange, bringt aber dann unbegreifliche Verwirrung hinzu, indem er zwei Beispiele dieses Tanzes giebt, eins im geraden (?) und eins im ungeraden Zeitmaße. Beide hat er aus dem Chorale »Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christi hergerichtet. Nachstehend folgen die beiden Curiosa, davon das unter a. doch wenigstens den Mazurken-Rhythmus erkennen l&sst; das unter b. (Polonaise im geraden Takt) doch nur im Gehirn Mattheson's, aber nie in praxi gelebt hat; fabricirte er doch auch Ecossaisen und Anglaisen drolliger Weise im ^4 Takt aus Chorälen, welche Taktart für die ge- nannten Tftnze nie existirt hat. a) Polonaise im ungeraden Zeitmaße. etc. b) Im geraden Zeitmaß. ^ ^ij j j jij jh^ Bald nach ihrem Bekanntwerden im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts scheint die Polonaise in Deutschland ganz populär geworden zu sein. Bezüglich des Landes ihrer Entstehung kann kaum noch ein Zweifel darüber sein , dass es Deutschland war. Da sie in Frankreich nicht gekannt war , wie wir eben erörtert haben, so liegt die Annahme sehr nahe, dass die Polonaise ein Tanz ä la cour am glänzenden Hofe des sächsischen Kurfürsten August des Starken war und entstanden sein mag, als derselbe 1697 EOnig von Polen wurde; und hier ward sie zum Ceremonientanz (gleich ihrer alten Vorgängerin am französischen Hofe, der Pavane) bei allen Hoffestlichkeiten erhoben.^ Vom Hofe dieses Polenkönigs aus, der abwechselnd in Dresden und Warschau (1697 — 1733) residirte, hat sich dieser Tanz weiter verbreitet. Im Laufe des 18. Jahrhunderts scheint sie wenig Anklang gefunden zu haben, die Vorliebe für Menuetts ließ sie nicht aufkommen. Erst mit Anfang unseres Jahr- hunderts, besonders nach der letzten Theüung Polens 1795 wurde sie populäres Musikstück und Gesellschaftstanz auch in den bürgerlichen Kreisen Deutschlands. Durch seinen charakteristischen Rhythmus wird dieser Tanz zu einer der interessanteren Instrumentalformen für Darstellung eines reichen , besonders che- valeresken Inhalts ; zu dieseifi idealen Zweck wurde die Polonaise fast von allen Tonmeistern gepflegt. Seit dem ersten Bekanntwerden der Instrumentalpolonaise und gleichzeitig mit dem obgenannten Leipziger Komponisten Sperontes war es Seb. Bach, der um 1 7 25 — 4 5 Polonaisen komponirte . Sechs Polonaisen stehen im Klavierbuch für seine zweite Frau, um 1725 geschrieben, davon ich eine inMB .162 mittheile ; ob sie alle vom Meister selbst komponirt sind, wird bezweifelt. Aber zweifellos ist von ihm die stolze Polonaise in der Orchester- Partita H-moll ; femer von ihm ein Beispiel in den französischen Suiten Nr. 6, sowie endlich eine Polacca in dem Brandenburger Koncert. Händel hat eine Polonaise aus Emoll imConcerto grosso Nr. 3 geliefert» ^ Vielleicht finden sich in der Bibliotheca musica Regia zu Dresden noch Stimm- büoher mit Tänzen, darunter Polonaisen mit Angabe der Komnonisten aus der Regierungs- zeit des genannten Kurfürsten. Heir Prof. M. Fürstenau, aem die Aufsicht über diese Bibliothek vertraut ist, wird darüber die beste Antwort geben können. Digitized by Google 216 Mo satt bringt ein Rondeau en Polonaise in seiner Ddur-Sonate. Beethoven hat eine Polonaise op. 89 der Kaiserin Ton Russland 1815 gewidmet und 1797 eine Po- lacca in seiner Serenade für drei Streichinstrumente op. 8 gesehrieben. Ganz wunderbar schOn sind die von Franz Schubert komponirten Polonaisen für vier Hände op. 61 und 75. C. M. von Weber's um gleiche Zeit und etwas früher entstandene Polonaisen op. 21 wurden bald beliebt ; seine Polonaise brillante op. 72 ist noch jetzt als Koncertstück gebraucht. Auch L. Spohr hat in seinem Faust (1818) eine prachtvolle Polonaise geschaffen, die lange Zeit auf BSUen ge- spielt ward, was auch von der lieblichen Polonaise gilt, die Konradin Kreutzer 18^4 im »Nachtlager von Granadaa geliefert hat. Sogar R. Wagner hat als s^ op. 2 um 1830 eine vierhfindige Polonaise erscheinen lassen. Von polnischen Komponisten waren zu Anfang dieses Jahrhunderts auch in Deutschland beUebte und berühmte Polonaisen die auf den polnischen Helden Kosciusko gesungene und gespielte (vgl. MB. 248) sovne die von Oginski komponirte sogenannte »Todten-Polonaisea weU deren Komponist nach Vollendung dieses Stückes sich erschossen haben soll, — aber natürlichen Todes 1803 in Florenz starb. Zahlreiche Polonaisen hat der Warschauer Kapellmeister K. Kurpinski zwischen 1810 — 40 komponirt, die nur in Polen und Russland Beliebtheit erlangten. Unübertroffen in ihrer Art sind end- lich die um 1830 — 50 von Fr. Chopin geschaffenen brillanten Koncert-Polo- naisen. »Der ganze Zauber hocharistokratischer Gesinnung, Adel der Seele und jener romantische Zug höchster Verehrung der Frauen, der den Polen auszeichnet, kommt in ihr (der Polonaise) zum beredten Ausdruck ; mancher Roman der Herzen mag sich namentlich in Chopins Polonaisen entwickeln.« (Mendel- Reißmann, Musik-Lexikon 10, 136.) Für den Tanzboden sind unendlich viele Polonaisen komponirt worden : sie waren besonders zu Anfange unseres Jahrhunderts nach der letzten Theilung Polens (1795) und wieder um 1830 (zur Zeit der Polen-Revolution) sehr beliebt. Die Verfasser dieser Tanzstücke sind meist unbekannt gebliebene Stadtmusik- direktoren und Tanzkomponisten in Deutschland und Polen. Man spielte außer der Kosciusko- und Oginski-Polonaise auch die von Spohr und Weber auf deut- schen BSllen. Seit 1850 — 70 hört man viel die Polonaise »Fünfmalhunderttausend Teufel«, komponirt von Graben-Hoffmann zu einem Liede dieses Anfangs. — Auf allen Hofbftllen und Gesellschafts-Tanz festen in Deutachland dient noch bis heute die Polonaise zur Eröffnung. Im Ganzen ist aber jetzt die Liebe für Polonaisen nicht mehr so groß, wie früher, ein Blick auf die musikalische Tageslitteratur wird das bestätigen. Woher kommt dies? Es mögen unsere Dilettanten unbezweifelt jetzt mehr klassische Sonaten spielen und mag die Vorliebe für ungarische Tänze von und nicht von Brahms den Polonaisen-Bedarf nicht mehr aufkommen lassen. Der litndler ist ein echt deutscher Tanz im ^^ oder ^g Takte und von mäßig geschwinder Be- wegung, der in Süddeutschland zu Hause ist, namentlich an den Ufern der Donau, Digitized by Google 2t6 in Österreich, Steiermark, Tyrol, Oberbayem vom Volke ohne Taimmeiwter muster- haft getanzt wird. Dort hat er sich beim Landvolke seit Ältester Zeit bis heute erhalten, auf die eigene Bildung des Volkes sich beschränkt und vor slawischen und franaOsischen Einflüssen sich zu wahren gewusst. Auch dieStyrienne und die neuerdings in Tanzsälen Deutschlands so be- liebt gewordene Tyrolienne gehören zu den Ländlern; sind es doch nur franzö- sische Namen für den steirischen und Tyroler Ländler. (MB. 254.) Ältere Namen für diesen Rundtanz sind Länderer und Oberländler, welche Bezeichnungen recht deutlich auf seine Heimath, das Land ob der Enns (Oberösterreich) hindeuten. Seine Tanzschritte (Pas) sind folgende (dabei beseichnet 1. den linken, r. den rechter Fuß) : 1. r. L r. L r. Der Charakter des Tanzes ist unschuldige Freude. Deshalb werden seine Melodien in den natürlichsten geflüligen Tonfolgen und leichten Rhythmen sieh dahin bewegen, gleichsam ein Wiegen auf leichten Wellen. Eigenartig ist seinen Melodien das angehängte Jo dein, durch fortgehende Sextenbrechung herzustellen, was nur eine süddeutsche Kehle fertig bringt. Überhaupt wetteifert die Musik in hoher Empfindung mit den reizenden Tanzbewegungen, die ein fliehen, Annähern und Verbinden des tanzenden Paares darstellen. Dabei ist nichts Rasendes wie in den unsinnig schnellen Walzern der Neuzeit, sondern rechtes Maß. Der Vortrag der Musik erfordert größte Leichtigkeit und Zartheit, was eben das Wort iländ- lerisch« bei andern Tonstücken anzeigen soll. (MB. 206 — 213. 232 — 235. 243.) Der Ländler ist der Vater des Walzers, letzterer aber im Laufe der Zeit durch schnelleres Tempo und leidenschaftlichen Charakter zu dessen Antipoden ausgeartet. Der Walzer ist der echt deutsche Nationaltanz, der unter anderem Namen ursprünglich Süd- deutschland, besonders Österreich und Schwaben angehörte, seit hundert Jahren aber mit seiner heutigen Benennung im ganzen übrigen Deutschland Nalional- eigenthum geworden und sogar in alle civilisirten Länder der Erde übergesiedelt ist. Er ist ein Paarentanz, und zwar nach seiner Form ein Rund tanz, dessen alter Name »Drehert (MB. 159. 214 ff.) sehr bezeichnend war. Er stellt die zur Fröhlichkeit sich einigenden, traulich umfassenden Paare in leicht drehender (wal- zender) Bewegung dar, die eine doppelte ist : denn einmal dreht sich jedes Paar um seinen eigenen Mittelpunkt und zweitens bewegt es sich in einer großem Kreislinie fort, bis es wieder an seinen Ort gelangt. Folgende Figur wird diese Doppelbewegung darstellen : Jede kleine Kreiswendung verlangt 3 Pas : a) Vor- setzen des linken Fußes, b) Nachziehen des rechten, c) Umschwung. Diesem Dreischritt muss die Musik entsprechen, muss also stets im Tripeltakte ('/4 Takte) komponirt sein. Dann gehören wieder zwei Takte zusammen, auf welche der Kreis in 6 Pas vollendet wird : L r. L r. L r. 'Aj J J I J J Jh*«- Digitized by Google 217 Über die Entstehung und das Alter des Walzers sind die Meinungen zweifach : a) Nach der yerbreiteten und auch mdner Ansicht ist der seit Ende des 18. Jahrhunderts Walser genannte Tans im ^4 Takte aus dem alten Dreher oder Ländler (im ^4 und ^s Takte) entstanden. Dieser langsame Tans unserer Urgrofi- eltem war in ganz Deutschland gekannt und mit Buhe und Qravität bis zu Anfang dieses Jahrhunderts in Stadt und Land getanzt. Sein erstes Vorkommen ist aber nicht zu bestimmen. Man kann schließlich wohl bis zur Minnesingerzeit (12. und 13. Jahrhundert) zurückgehen und schon im Springtanze, dem zweiten Theil eines jeden deutschen Tanzes, der stets im Tripeltakt die Yorangegangene gerad* taktige Tanzmelodie wiederholte, den Anfang des Walzers erkennen. b) Die zweite , abweichende Ansicht ist die von Cserwinski (Geschichte der Tanzkunst S. 208) aufgestellte, nach welcher der Walzer aus dem iLangauscr entstanden sein soll: »Die Entstehung des Walzers reicht bis in jene Zeit hinauf, in der von Tänzern der Versuch gemacht wurde, den Langaus zu tanzen. Lang- aus nannte man diesen Tanz deswegen, weil die Tänzer einen sehr langen Raum mit den wenigsten Umdrehungen zu durchtanzen hatten. Gegen diesen Tanz, bei dem man sich allerdings yerdrehen musste, waren wahrscheinlich (?) die fort- währenden Verbote der Obrigkeit gerichtet, die ¥rir S. 1 14 ff. kennen gelernt haben. Der Langaus blieb im 18. Jahrhundert, als das auf ihm lastende Interdikt still- Bchweigend aufgehoben war, auf dem Lande der herrschende, bis er endlich durch den Walzer verdrängt wurde, oder vielmehr seinen Namen in diesen um- änderte, denn der Tanz blieb derselbe. — Seit dem Jahre 1 787, als die italienische Oper von Vincenz Martin, betitelt »Una cosa rara« (deutsch »Lilla oder Schönheit und Tngendt) in Wi e n den Preis über Mozarts Figaro davon trug, wurde auch der Walzer in Deutschland allgemein. Vier Personen dieser Oper (Lubia, Tita, Chita, Tiilla), schwarz und rosa gekleidet, tanzten auf der Bohne den ersten Walzer. (Das musikalisch elende Machwerk ist unter MB. 237 zu finden.) Bei dem Un- geheuern Beifall, den die Oper fand, konnte es nicht fehlen, dass man auch dem eingelegten Tanze die Aufmerksamkeit zuwendete. Er wurde in der GeseUsehaft nachgeahmt und unter dem Namen Cosa rara oder Langaus^ allgemein Mode, bis man später seinen Namen in Wiener Walzer umändertet Zu den Vorläufern unseres Dreischritt-Walzers, also zu den Drehern und Schleifern, gehörten in alten Zeiten auch Tanzlieder, wie noch jetzt der volks- mäßige Lfinderer (Ländler) und der im gleichen Taktmaß, nur etwas rascher gehende schwäbische Volkstanz (kurzweg i^Schwäbischa) zuweilen mit Gesang be- gleitet wird. Die Texte ließ man mit der Zeit weg, spielte bloß die Tanzmelodie, oder die Spielleute erfanden gleich Tanzweisen ohne Gesang und das waren im 17. und 18. Jahrhundert die altvaterischen Dreher und simpeln Schleifer. Wiederum legte man beliebten Instrumental-Tanzstückchen lustige Texte unter, wie dies noch jetzt geschieht. Ein solches altes Scherz- und Spottliedchen hat sich mit seiner alten Dreher-Melodie bis auf unsere Tage erhalten ; es ist das bekannte Liedchen »O dulieber Augustinlt, auf einen Wiener Bänkelsänger und Sack- pfeifer dieses Namens gedichtet, der um 1670 lebte (MB. 214). Wenige Jahre später mag dieses Walzerliedchen entstanden sein, in welchem wir noch die alte einfachste Form der Dreher oder Walzer vor uns haben. Vergleicht man die Walzermusik aus dem Anfange unseres Jahrhunderts mit der gegenwärtigen, so wird man den großen Fortschritt der Kunst nicht in ^ Bemerkt sei, dass der Ausdruck Langaus in Wien zu Anfanff dieses Jahr- hunderts gar nicht gekannt war, wie alte Herren und gewesene flotte Tänzer mir ver- sicherten. Der Wiener kannte und tanzte damals bloß Länderer undZweitritt. Digitized by Google 218 Abrede Btellen kOnnen. Dort in den Walzern vor 80 Jahren findet man nur das Robmaterial in äußeren Umnasen , oft aber von feinem Geschmack und sittiger Einfalt; jetzt alles zugespitzt, rhythmisch-harmonische Schftrfung des Walzer- MotivB, reizende, sonst ungekannte effektyolle Instrumentirung. Nicht unbeachtet bleibe, dasB der. frühere Walzer eine yiel mäßigere Bewegung hatte, bevor der Wiener Schnellwalzer aufkam. Jetzt kann er den bacohantisohen Tänzern nicht rasch genug aufgespielt werden. Wohin soll diese Tolljagd führen? Muss denn die Dampfkraft auch den Tanzwirbel treiben? Vei^ gisst man denn ganz und gar die deutsche Ruhe und Mäßigung im deutschen Nationaltanz? »Der Walzer war ehedem ein anmuthig dahin gleitender Tanz, ein belebtes flüssiges Menuett (?) , ein volksmäßiger Ländler, seit Weber' s Aufforderung zum Tanze (1819) ist aber ein rasches feuriges AUegro in diesen Tanz gefahren. Die Zeit lief schneller, warum sollten die Leute nicht auch schneller tanzen? Die feurig glänzende Tanz weise kam bald zur Alleinherrschaft; der ßtraußische Walzer war ein Sprössling des Weber'schen. . . . Seit Webers Aufforderung zu dieser stürmischen Tanzweise ist es unendlich schwer, die ältere , sinnig-gemüthliche Tanzmusik überhaupt noch tanzbar zu finden. t^ Alle Launen und Bewegungen der steigenden Leidenschaftlichkeit hat auch der deutsche Walzer durchgemacht, ein noch höheres Unmaß von Heftigkeit ist kaum denkbar. Alle Grazie und Würde ist damit zu Ende und der Tanz nicht mehr ein Vergnügen, sondern eine Arbeit. Man hat behauptet, dass nur die Los- sagung der Walzer-Komponisten von den Schranken des frühem Walzer- rhythmus dazu geführt habe, diesem Tanze das Behagliche und das Vergnügen ruhigen Gleichmaßes zu rauben. Ich gebe den Komponisten nicht die Schuld, sondern glaube, dass die Hast und Raschlebigkeit, die all unsem Zeitgenossen in den Gliedern steckt , auch die Komponisten ergriffen und nachgezogen hat ; sie sind nicht die Schiebenden, sondern die Geschobenen. Haben denn die Kom- ponisten die Schuld, dass keine graziöse Menuett, keine schelmische Ecossaise mehr ge- tanzt wird ? Sie würden deren gewiss komponiren, wenn das Publikum sietanzen wollte. Dass der deutsche Walzer aus dem ersten Theil der Courante sich ent- wickelt habe, ist eine ebenso unhaltbare Annahme der Franzosen, als die fabulöse Ansicht, dass der Walzertanz schon im 14. Jahrhundert vorhanden gewesen sein müsse , weil in der absonderlichen Schrift eines damaligen FranziskanermOnches »Le voyage du fräre Audric« ein Kapitel überschrieben ist : »La grande merveille de la Valse d'enfer et p6rilleuse« (das große Wunder von der gefährlichen Walze in der Unterwelt). Diese Walze (Cylinder, Rolle) kennt jeder Ackerbauer und diese ist gemeint, aber nicht kommt in Deutschland, noch weniger in Frankreich, der Name Walzer für unsem Dreher vor Ende des 18. Jahrhunderts vor. Das Wort Walzen (d. h. sich um seine eigne Axe drehen) findet sich schon im Alt- hochdeutschen als walz an, sowie im Mittelhochdeutschen als walzen; nur auf Tanz ist dieser Ausdruck vor Ende des 18. Jahrhunderts nie angewendet worden, nie begegnen wir vor dieser Zeit in der Litteratur einem Walzertanz. Recht bezeichnend für unser nationales Eigenthum ist der im 18. Jahrhundert in Österreich und noch jetzt in Bayern zuweilen gebrauchte Ausdruck »der Deutsche« für den im ^/gTakt geschriebenen Dreher und spätem Walzer. Mit diesem Titel schrieben noch Mozart und Beethoven deutsche Tänze. Auch mit der Bezeichnung Allemande für den Schleifer oder Dreher im 18. Jahr-- hundert haben unsere westlichen Nachbarn das Heimathsrecht des Walzers anerkannt. H. W. Riehl, musikalische Charakterköpfe II, 296. Digitized by Google 219 Ober das Sinnliche , das im Walser wie überhaupt in allen Rnndtftnzen der Paare liegt, nrtheüt der deutsche Schriftsteller Weber in seinem »Bemokrita nicht mit Unrecht : »Wenn das Paar sich eng umschlingt, Knie an Knie, Brust an Brust, Aug in Auge , die Hand des Mftdchens auf der Schulter des Jünglings , und die seinige noch traulicher auf schwellenden runden Hüften, wenn der reine Athem der Schönen anweht, wenn man an den heißen Wangen die Wärme fühlt und ein Herz dem andern entgegenklopft, muss da nicht Phantasie und Sinnlichkeit rege werden?« Die in ihre Quadrillen yerliebten Franzosen fanden lange Zeit am deutschen Walzer kein sonderliches Qefallen, namentlich nicht an dem rasenden Schnell- walzer und dem Umarmen dabei. Die Hofmeisterin der Königin von Frankreich, Grftfin Qenlis, beschreibt um 1835 den Walzer wie folgt: J>£in junges Mädchen, leicht gekleidet, sich in die Arme eines jtmgen Mannes werfend, welcher sie an seine Brust drückt und sie mit solcher Heftigkeit fortreißt, dass sie bald ein hef- tiges Schlagen ihres Herzens fühlt und dass ihr bestürzt der Kopf wirbelt; das ist das, was man Walzer nennt.« ^ Nicht minder scharf hat Lord Byron in seiner satirischen Dichtung lApo- strophische Hymne an den Walzer« über denselben geurtheilt. Ein freieres Urtheü fällt der ästhetisch gebildete Schriftsteller und gewesene Tanzlehrer des kOnigl. sächs. Kadettencorps B. Klemm in seinem »Katechismus der Tanzkunst« über den Walzer: »Er ist der echt deutsche, mit dem Volks- leben innigst verwachsene National tanz, keinem andern nachstehend; denn in keinem herrlicher schwebt die vollendetste Figur der Welt, die Kreisfigur, von jedem einzelnen Paare und von der Schwingping Aller harmonisch dargestellt. Un- befangene Fröhlichkeit und naiv-gemüthliche Hingebung ist sein Charakter.« Wie dem auch sei , der Walzer hat sich in der ganzen Welt Bürgerrecht zu verschaffen gewusst , so dass er gegenwärtig in Deutschland nicht nur ein überaus beliebter Wirthshaustanz , sondern auch in allen Erdtheilen ein geschätzter Salon- tanz geworden ist; er wird beides ohne Zweifel noch geraume Zeit bleiben. Der Verunglimpfung des deutschen Nationaltanzes möchte ich eines patrio- tischen Dichters Wort entgegenhalten : »Wie die Walzer (Walzenden) vorüberfliegen, Wie sie sich drehen und wiegen Im leicht durchwirbelten Kranz 1 Weg mit den fremden Touren, Der Verbildung unleugbaren Spuren 1 Auch der Deutsche hat seinen Tanz. Da wird auch der Muth so lebendig und frei. Und die Grazie bleibt der Natur getreu.« Als ein Zeichen der Geschmacksverwilderung betrachte ich den im Jahre 1885 zuerst auf Berliner Volkstheatem , dann auf rheinischen Camevals und in Salons vieler Städte zur Aufführung gebrachten Schaukel-Walzer. Es wird nach einem Liede im ^1^ Takt von Ludolf Waldmann, wie auch zu andern Walzermelodien, nicht mehr der ehrlich -deutsche Walzer getanzt, sondern von ^ »Une jeune persomie, Ug^rement drap^e, se jetant dans le bras d'un jeune homme Sii la presse contre son sein, et qui l'entraine avec une teile imp^tuosit^, que bientdt le 6prouve un violent battement de coeur, et qu'^perdue la t^te lui toume! Voila ce que cW qu'une Waise!« Digitized by Google 220 fideler OeseUsohaf t, wenn ihr ganz kannibalisch wohl ist, werden Pantomimen naeh dem Takte und Ansdmok der Musik ausgefOhrt , wobei besonders ein taktisches Hin- und Herwiegen (Schaukeln), Drängen und Fortschieben der sich am Am eingehenkelten Tänserreihe der Hauptwitz ist. Weil eine derartige Daistelhmg bei guter Laune einmal etwas anderes ist als das altgewohnte Bundtanzen, so liegt darin für Manche ein Zauber. Der Versuch ist an vielen Orten beifUlig aufgenommen, aber auch als Schrecklichstes der Schrecken der modernsten Gesellschaftsunterhaltang hart getadelt worden. Letzteres mit Recht, weil diese Schaukelei nicht immer in den Schranken der Decenz bleibt. Hoffentlich ist der Scherz harmlos und Torftber- gehend. Der g^te deutsche Walzer , unser Nationaltanz , wird dadurch nicht vei^ drängt werden. Der Schottisch^ auch schottischer Walzer und Ecossaise -Walzer genannt, ist ein Hopswalzer oder Hopser im raschen % Takte, mit dem scharf ausgeprägten Bhjrthmus: L r. L r. 1. r. v^ j=3 1 m j=3 1 n: «*^- Dieser Rundtonz wurde unter dem Namen »Schottisch« um 1830 — 40 auf Stadt- bällen wie in Dorfschenken viel getanzt, bis ihn die Polka verdrängte, oder richtiger gesagt, er lebt jetzt noch in der Polka fort. Für diese auf eigene Erfahrung gestützte Behauptung citire ich den fachkundigsten Gewährsmann, Herrn Hoftanzlehrer R. Voss, der S. 337 seiner Tanzgeschichte schreibt: »Der Pas des Ecossaise- Walzers ist auch der des Schottisch und der der späteren Polka.« (MB. 260.) Der Schottisch ist aber als Hopser in Deutschland schon lange vor dem Ende des 18. Jahrhunders vorhanden und seine Musik in dem aus jener Zeit stammenden Volksliedchen »Gestern Abend war Vetter Michel da« (MB. 251) zu erkennen. Ja, es ist vielleicht nicht zu gewagt, ihn schon als Bauemtanz in Sebastian Bach's Jugendzeit zurückzuverlegen, da derselbe in seiner Bauem-Cantate (MB. 160) bereits den ausgeprägten Schottisch giebt, vorausgesetet, dass diese leichte heitere Melodie im ^4 Takte nicht Bach's Erfindung, sondern ein vorhandener Volkstanz ist. Unter MB. 253 und 254 gebe ich einige Melodien vom Schottisch, wie man sie um 1830 — 40 in Thüringen hörte. — Auch eine be- sondere Art tanzte man damals in Thüringen, Hacken-Schottisch, weil dabei abwechselnd auf der Hacke (dem Absatz), dann auf der Fußspitze gehüpft wurde. Der dazu gehörende Rhythmus der Musik war Va ^ 1 ^ 1 \ /J] •> 1 1 J^ •> J^ *? | iT] •'II ^ ^, Der Galopp oder die Qaloppade ist ein sehr schneller Rundtanz im y^ Takt, der seit 1824 zum Leidwesen der Menschheit aufkam. Er hieß sonst auch Rutscher, weil man dabei das Fortrutschen der Füße auf dem Fußboden hört; auch iPreußischc^ 1 >Die heidnischen Preußen sollen, tun ihren gewohnten Opferdienst ungestört feiern zu können, ihre Bekehrer durch allerhand Schrecken (z. B. vermummt auf Besen reitend) von dem Orte ihrer Feier entfernt gehalten haben. Man sagt daher, dass der Rhythmus des Galopps von diesen Besenreitern der heidnischen Preußen herstamme. Es ist erU&rlich, dass, sobald man auf einem Besen schnelles Reiten nachahmt, die Be- wegung der Beine ein Wegjagen der Füße, unser heutifi^es pas ehass^, wird, welches den Galopp bildet. Bemerkenswerth bleibt nur, dass diese natürliche Bewegung erst im Jahre 1824 zu einem Rundtanze sich ausgebildet hat Vorher tanzte man fihnliehe T&nze, aber nur nach einer Seite hin, also mit Chassis en courante.« [Voss, der Tanz 341.] Digitized by Google 221 wuxde er saweilen genannt. Jedenfalls ist er eine deniaelie Erfindung, die nach Paris sieh verpflanzte und mit fremdem Namen zuraekkam. Der Name Galopp beseichnet den raschen gleichmäßigen Satz des Pferdes. Schon das wäre hin- reichend, den rasenden Pferdetanz als gesundheitopolizeiwidrig zu verachten. Die Tanzschritte (Pas) im Galopp sind gleich denen im Walzer und Schottisch (jetBt Polka): v.rci'if-^ \\'kLf\t'^l'^\\y\'d^'ji\li}\\ Der Base hat die zwei Haupttheile eines jeden Taktes zu markir en und durch Vor- und Nachschlagen vier Achtel hOrbar zu machen, z. B. ^♦llc!Ef Der älteste Galopp soll der sein, der um 1825 in der Posse »Die Wiener in Berlin« vorkommt (MB. 261). Seitdem haben Tanzkomponisten im Süden und Norden diese Tanzgattung mit hunderttausenden von Musikstücken versorgt, darunter manche recht frische Melodie mit nichtssagendem Namen (Frühlings- Galopp, Ehestandsfreuden-Galopp, darin zuweilen durch ein Blaswerk das Quftken eines kleinen Kindes nachgeahmt wird; Champagner-Galopp, darin das Pfropfen- knallen gehört wird etc.) — Klavierkünstler wie Liszt u. A. haben auch Bravour- Galopps komponirt. Zum Tröste sei bemerkt, dass der Galopp nicht mehr so oft als früher getanzt wird, sondern in jüngster Zeit seit 1870 eine Reaktion gegen ihn eingetreten ist. Die Polka wird irrthümlich für einen böhmischen Tanz gehalten, der um 1835 von einer Bauemmagd erfunden worden sei, ist aber in Wahrheit nur ein anderer Name für den vorher schon gekannten Schottisch. Ihren Namen führt sie nach einem böh- mischen Worte »pulka«, was so viel als ihalb« bedeutet : weil der Halbschritt ihr Bigenthümliches ist, wodurch sie vom deutschen Galopp und Schottisch sich untei^ scheidet. Ihre Pas sind: ^. m m p ## • # f ß'ßsf 0^^- ^^^ — 259.) Die Musik besteht in der Regel aus vier Theüen von je acht Takten. Die Takt- art ist 2/4 Takt und das Tempo lange nicht so schnell wie beim Galopp. Ihr Rhyth- mus in der ersten Zeit 1840—1850 liebte folgende Gestalten: Vi ^^ ^^ \\ Über ihre angebliche Erfindung und Verbreitung erzählt Alfred Waldau in seinem Büchlein »Böhmische Nationaltänze« (S. 16 — 18) Folgendes: »Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauemmädchen, das in Elbeteinitz (in der Umgegend von Gitschin) bei einem Bürger in Diensten stand, eines Sonntags Nachmittags zur eigenen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang dazu eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Josef Neruda, der zufSUig anwesend war, schrieb die Melodie nieder und der neue Tanz wurde kurze Zeit darauf zum erstenmale in Elbeteinitz getanzt, bald darnach (Ende 1834) in Git- schin mit Beifall aufgenommen und verbreitete sich von da aus über ganz Böhmen. Um das Jahr 1835 fand er durch Studenten in Prag Eingang und erhielt dort wegen des in ihm waltenden Halbschrittes nach einem czechischen Worte pidka (Hälfte) den Namen Polka. Vier Jahre später (1839) wurde die Polka durch das Digitized by Google 222 MusikohoT der Prager Sckarfschatzen unter der Leitung des Kapellmeisters Pergier nach Wien gebracht, woselbst Musik und Tanz sich außerordentlichen Beifall errangen. Im Jahre 1840 tanzte zuerst Raab, der stftndische Tanzlehrer aus Prag, diese böhmische Polka auf dem Th6&tre Od^on in Paris mit ausgezeichnetem £cr folge, worauf dieselbe mit staunenswerther Schnelligkeit Eingang in die eleganten Salons und Ballsftle von Paris fand. (In Norddeutschland verbreitete sie sich 1841 bis 1842. Die Leipziger Blustrirte Zeitung, I. Jahrgang 1843, bringt eine Ab- bildung der Polka, wie sie in Böhmen und Deutschland getanzt wurde.) Wie alle Dinge der Mode verbreitete sich von Paris aus dieser lebhafte und anregende Tanz, wenn auch mehrfach modificirt, beinahe über alle Länder Europas, pilgerte sogar über den atlantischen Ocean und fand in New -York ein freundliches Willkommen. Alle Kreise der Gesellschaft beeiferten sich, ihm mit freudiger Vorliebe zu huldigen, und man tanzt ihn gern noch bis zu dieser Stunde. Es giebt keinen Eleganzball, wo nicht Polka auf der Tanzordnung stände. In ihrer gegen- wärtigen Gestalt gleicht die Polka dem bekannten Ecossaisen -Walzer (Schottisch) , nur dass die Pas schärfer markirt werden und der Tänzer den Fuß in die Höhe zieht und hörbar, beinahe stampfend niedersetzt. Die erste Polka, welche im Musikalienhandel erschien, war die von Franz Hilmar (Lehrer in Kopidlno) komponirte. Sie wurde noch 1859 in dem Mailänder Scala-Theater vom Orchester ausgezeichnet gespielt, als die Prima ballerina auf der Bühne den einfach schönen böhmischen Tanz aufführte. In der Folge lieferten gute, echt nationale Polka's auch J. Labitzky, J. Prohaska, F. W. Swoboda, Lichmann, A. E. Titl u. A. Tausend Machwerke von guten und schlechten Kom- ponisten sind seit 1840 in die Welt geschickt und längst wieder vergessen, weil die Mode gern wechselt. Das Mädchen, das den weltberühmten Tanz erfunden hat, lebte später (1859) verheirathet in einem böhmischen Dorfe Konitopy bei Brandeis. Ihr Name ist unbekannt geblieben. — Diese Erfindungs-Geschichte der Polka in Böhmen hat der hocherfahrene Hoftanzlehrer Rudolf Voss (Tanz S. 294) als ein Märchen hingestellt und die Entstehung viel früher gesetzt. Er findet die Pas der Polka schon in dem viel altern Ecossaisen -Walzer und dem Schottisch. Über eine sonderbare Wandelung in der Ausführung der Polka sonst (1840 — 50) und jetzt (1870 — 1886) kann ich meine Wahrnehmung nicht unter- drücken. Wie man sonst, kurz nach ihrem Entstehen (1842 — 45) die Polka tanzte, so tanzt man jetzt Rheinländer-Polka (s. d.) ; wie man jetzt Polka tanzt, so tanzte man einst Schottisch. Somit stimme ich im Wesentlichen Voss bei und halte die Polka nicht für eine neue Erfindung, sondern nur für einen mit der Mode wechselnden andern Namen eines schon früher vorhandenen Tanzes. Bheinl&nder-Polka, auch Rheinländer, Bayrische Polka und Jägersehottisch genannt, ist dem Namen nach erst in den 50er Jahren in den hohem Tanzsalons bekannt. £«8 ist (nach Voss) wesentlich derselbe Tanz, der früher Hüpf el-Polka und Anfang dieses Jahrhunderts Hops- An glaise (MB. 280), auchFran9oiseund Springer hieß. Die Musik geht aus langsamem ^4 Takt, hat vier Theile von je acht Takten mit Wiederholung (MB. 258. 259) . Die ganze Tanztour wird auf je vier Takten voll- endet, drei Schritte links, drei Schritte rechts^ dann Umschwung im Zweitritt: Langsam. L r. L r. 1. r. 1. L r. r. 1. L r. 3 Schritte links 3 Schritte rechts Umschwung. etc. Digitized by Google 3 223 Die Maznrka (auch MasuT, Mazurek) ist ein munterer Nationaltanz der Polen (in Masovien), der sich aber seit 1840 über den ganzen tanzenden Erdkreis verbreitete und auch in Deutschland zu den beliebten und geflQligen Grotesk-Tänzen gehört. Die Musik (s. MB. 267) bewegt sich im % Takt, das Tempo ist gemessener als das im Walzer. Charakteristisch ist das Betonen des zweiten Taktgliedes, was durch einen an- gesetzten Punkt und darübei^esetzten Accent angezeigt ist und dem Tanze eine gewisse Unruhe giebt, z. B. Der Tanz wird gewöhnlich yon vier oder acht Personen ausgeführt, wie in der Quadrille nicht mehr und nicht weniger. Die Musik darf nur aus zwei oder vier Theilen mit je acht Takten bestehen, nicht aber aus drei und mehr als vierTheilen. Zum ersten Theile wird ein Rond getanzt ; mit dem zweiten Musiktheile tanzt der erste Tänzer eine Tour vor, welche die übrigen Tänzer nach der Reihe nachahmen. Eine Abart der Masurka war die Varsovienne (Warschauer Tanz) , ebenfalls im langsamen ^4 Takte gespielt und um 1850 — 70 in Deutschland sehr beliebt (s. MB. 263). In der Gegenwart hat man sogar Polka-Mazurka, eine Mischung , deren Tanzbewegung an beide Tanzgattungen erinnert, aber nach einer Musik im mäßigen 5/4 Takte getanzt wird (s. MB. 262) . Als Gesellschaftstanz kam die Masurka (s. MB. 164) schon unter Au- gust III., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, in Aufnahme und verbreitete sich von Dresden aus, mit etwas verändertem Charakter, über fast ganz Europa. Nachdem wurde sie wieder eine Zeitlang vergessen , bis sie in Deutschland um 1840 — 50 wieder Mode ward, um wieder zu verschwinden. Meisterhafte Charakter- stücke in der Ma zur ka -Form, nicht zum Tanzen, hat bekanntlich Chopin für Klavier komponirt. Der Contretanz (Contredanse fran^aise). Dieser Kunsttanz ist eine zusammengesetzte Quadrille und besteht aus sechs aneinander gereihten Tänzen , die in Takt und Tonart wechseln und verschiedene stehende Namen führen, die wir unten erklären werden. Der Ausdruck »contre- danse« heißt soviel als Gegentanz (contre) , weil sich die Tanzenden gegeneinander bewegen. Die Ableitung des Wortes vom englischen country-dance (Tanz der Landleute) ist ein Missverständnis. Die Erfindung des Contre-Tanzes wird einem englischen Tanzmeister zuge- schrieben, der denselben 1710 in Frankreich eingeführt haben soll. Doch erst, nachdem Rameau 1745 in seinetn Ballet »les fötes de Polymnie« einen Contre- danse eingeflochten hatte , der dem Geschmack der Pariser entsprach und darum allgemeinsten Beifall fand, wurde derselbe in den Salons heimisch und fand später auch in den Tanzlokalen des Volks Eingang. — In Süddeutschland wurde der Contretanz schon um 1760 getanzt, nach Norddeutschland kam er, wie er jetzt noch ist, erst um 1806. Die Melodien der Contretänze hatten alle besondere Namen; man wählt von diesen Tänzen sechs zu einer Quadrille fran9aise aus. Als die Quadrille auf diese Weise organisirt wurde , gab es Lieblings-Contretänze , welche le pantalon, T^t^, la poule, la tr6nis, la pastourelle hießen. Die Melodien dieser Contretänze wurden Digitized by Google 324 als Grundfonn gewählt, und allen neu komponirten Stücken derselbe Name ge- geben. 1. So gab es Verse, die zu einer sehr alten Contretanz- Melodie improvisirt wurden: Le pantalon De Toinon N*a pas de fond. Das Liedchen gefiel und ging selbst in die Salons über. Der Contretanz verlor seinen ersten Namen und Jedermann verlangte le pantalon, indem man so die Melodie des Tanzes nach dem ersten Textworte bezeichnete. Endlich gab man die Melodie und das Lied auf, aber die Tour le pantalon blieb auch zu anderer Musik bis heute. 2. Ein um 1800 berühmter Contretanz le pas d'6t6 (Sommer) musste auf ganz eigenthümliche Weise getanzt werden. Weil Grazie und Lebendigkeit dazu ge- hörten, konnte er nur von Virtuosen ausgeführt werden , die ihn lange zusammen geübt hatten. Deshalb missfiel er auch bald denen, die ihn nicht mittanzen konnten, sie bildeten die Mehrheit und das pas d'^t6 wurde von den BflUen verbannt. Der Name jedoch blieb und hat sich bis heute erhalten. 3. Im Jahr 1802 erschien ein Contretanz von Julien, dessen zweiter TheU mit einer Nachahmung des Hühnergeschreies begann. Die Tour dieses Contretanzes war neu und hübsch, und man nahm sie an. Der Name blieb, um alle ContretSnze zu bezeichnen, die nach den Touren der poule (Huhn) geschrieben wurden, ob- gleich spätere Melodien mit dem Gluck-Gluck nichts gemein hatten. 4. Trenitz war ein ausgezeichneter Tänzer, der um 1800 die Tour des Contre- tanzes erfand, welche noch jetzt seinen Namen führt. Tausende von Melodien sind nach dieser Kombination von Pas gefertigt worden, alle heißen Trenis. So- bald Trenitz tanzte , drängte sich Alles in seine Nähe , ihn zu sehen und zu be- wundem. 5. La pastourelle (Hirtentanz) wurde so genannt wegen der Melodie zur Begleitung nach Art der itidienischen Villanellen. 6. Der Name Finale für den Schlusssatz oder letzten Contretanz der Qua- drille bedarf keiner Erklärung. Die Erklärung dieser Namen für die sechs Theile der Contredanse fran9aise verdanke ich dem vortreflTlichen Buche von Czerwinski , Geschichte der Tanzkunst 149 — 51. — Die Tanztouren der Quadrille wurden durch nachkommende Tanz- meister vermehrt und verändert und mit allerhand Zuthaten neue Quadrillen ge- schaffen. Die Musik zu den üblichen sechs Theüen bringt verschiedene Taktarten in folgender feststehender Ordnung: I. Theil %; H. ^4 langsam; UI. % (rasch); IV. 2/4; V. 2/4; VI. 2/4 Takt. (Vgl. MB. 278. 279.) Der Lancier oder Qnadrllle k la eomr heißt der aus vier Nummern zusammengesetzte Contretanz, welcher 1857 in Berlin durch die Mitglieder des KOnigl. Ballets eingeführt^ und seitdem als Gesellschafts^ tanz in Frankreich , England und Deutschland aufgenommen wurde , bis er nach 1870 wieder verschwand. Er wurde im Theater ursprünglich im Kostüm der 1 Der erste Druck lautet: »Quadrille k la Cour (Les Lanciers), zusammengestellt von Mitgliedern des Königl. Corps de Ballet zu Berlin.« 8 S. 640. Berlin, Plahn. 1857. Digitized by Google 225 Lanzenreiter (Landen , Ulanen) mit Fahnen und leichten Waffen getanzt, daher sein Name. — Seine ffinf Theile hießen : I. La Dorset, Vs ' ^* ^ Victoria, ^4 > lU. Les Monlinets, % ; IV. Lea Visites, %; V. Le» Lanciers (k la conr), ^/iTakt. Der CotUIon (d. h. Unterrock) bezeichnete sonst den ersten Grad des Veitstanzes, seit ungefähr 1820 ist er zum Kunsttanz der Franzosen und Deutschen (!) geworden. Er wird mit allerlei zeitvertreibenden Hin- und Herbeweg^ngen der Tanzpaare, Ver- Bchlingungen, Auflösungen (wie bei der Polonaise mit Touren) eröffnet und daran werden dann Gesellschaftsspiele geschlossen; oder richtiger, er ist ein Gesell- schaftsspiel mit Tanz, den die Vortänzer oder Tanzmeister oft recht geschmack- ToU zu arrangiren wissen. Mit der urdeutschen Tanzart, dem Leioh (als einer Verbindung von Spiel und Tanz) hat der Gotillon gewiss Ähnlichkeit ; wie viel? ist nicht zu sagen. — Die Musik bestand sonst aus besondem Tanzstücken im raschen Tripeltakte , die getanzt oder chassirt oder auf allerlei Weise gerannt und ge- sprungen wurden. In der Neuzeit benutzt man zum Gotillon eine Reihe beliebiger Walzer, Galopps und Polkas, die so lange fortgespielt werden, bis der Gotillon aufhören soll. Wenden wir uns nun zu den unlängst verschollenen Gesellschaftstänzen unserer Eltern und Großeltern, so werden wir die Wahrnehmung machen, dass Manches ganz abhanden gekommen. Anderes noch unter anderem Namen fortlebt. Die Anglatse, welche in Frankreich und Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein beliebter Gesellschaftstanz war, ist eine Abart des englischen Volkstanzes von mäßig lebhaftem Charakter. Die Musik (MB. 249) ging meist aus 2/4, sehr selten Ys l'&kt. Zur Anglaise lässt sich jeder Hopswalzer (Ecossaise, Schottisch) gebrauchen. Die Ausführung der Anglaise ist der Ecossaise ähnlich^ es bewegen sich die Paare der Reihe nach im taktmäßigen GaDge auf und ab, also in die Länge, weshalb dieser Kolonnentanz in Deutschland auch zuweilen Lang-Englisch genannt wurde . Dann führte j edes Paar, wenn es am bestimmten Punkte angelangt, eine Tanzfigur aus, wobei es sich mit einem andern Paare verbindet. Dem entsprechend besteht die Musik aus einem ersten Theile von acht Takten mit Wiederholung, zu welchem der besagte Kolonnentanz ausgeführt wird. Diesem folgt ein zweiter gleichartiger Theil, der zur Ausführung der Tanzfigur bestimmt ist. Das Trio, eine mehr sangbare Melodie ebenfalls im 2/4 Takt, ist zum Rundtanz (Walzen) bestimmt. Die Melodien haben im Ganzen einen s i mp ein, lebhaften, leichthüpfenden Charakter , ihr Schlusston Mit meist auf leichten Takt- theil, was zur Naivetät der Musik passt. Die Ecossaise bezeichnet einen seit Ende des 1 8. Jahrhunderts in Paris bekannt gewordenen Touren- tanz im raschen 3/4 Takte, der mit den schottischen Nationaltänzen (den Reel's und Strathspey's) nichts weiter gemein hat als den geraden Takt. Der Tanz mit seinem verwirrenden Namen Ecossaise ist von französischen Tanzmeistern aufge- bracht. Sein erstes Erscheinen in den Tanzcirkeln der vornehmen Welt fällt in das Jahr 1760, wie wir aus Voltaire' s Briefen ersehen, wo viel von der Ecossaise B 5 hm e , Gesch. d. Tanxes. 1 5 Digitized by Google 226 die Rede ist, in welcher MademoiseUe Denis, Voltaire* b Nichte, besonders gl&nzte. — In Deutschland wurden Ecossaisen, schottische Rundtänze schon um 1800 zu- erst getanzt. Die Musik bestand aus zwei Wiederholungssätzen von je acht Takten im raschen % oder % Takt (MB. 250. 252). In dieser Gestalt (^4 Takt) kommt als Tanzstück die Ecossaise in Frankreich und Deutschland vor, sogar in diten Sonaten an Stelle des Adagio.^ Die Ausführung der Ecossaise (als Tourentanz) beschreibt Czerwinski (S. 151) folgendermaßen : »Man denke sich, wie in der Anglaise, alle Herren nebeneinander- stehend in einer endlosen Reihe ; ihnen gegenüber, drei bis vier Schritte entfernt, die Damen. Das oberste Paar muss irgend eine Tour aufführen und sich der langen Reihe entlang hinabquälen in allerlei gefährlichen Evolutionen, z.B. Schubkarren- Tour, Triumphpforten -Tour u. s. w., bis es endlich am untern Ende der Reihe athemlos ankommt. Das zweite, dritte Paar hat ganz das Nämliche nachzumachen. Man tanzt, um zu schwitzen Icc Die ältere Anglaise ist durch die Ecossaise verdrängt worden . Im Ganzen waren beide einander' ähnlich oder ganz dasselbe ; der Unterschied bestand nur darin, dass die Ecossaise schneller getanzt ward. Bis etwa zum Jahr 1830 ge- hört die Ecossaise mit ihren vielen Abarten zu den Modetänzen. Aus der französischen Ecossaise , einem Tourentanze , der Anfang unseres Jahrhunderts auch auf vornehmen deutschen Bällen ausgeführt wurde, hat sich um 1830 ein einfacher volksthümlicher Tanz herausgebildet. Schottisch genannt, der wieder mit der schottischen Nationaltanz -Manier nichts zu schaffen hat, aber ein Lieblingstanz von ganz Europa geworden ist, bis die Polka 1840 ihn zurück- drängte [MB. 251 — 254). Der Ecossaisen-Walzer, auch Hopswalzer oder Hopser, war zu An- fang des 19. Jahrhunderts üblich und durch eine Tour in der Ecossaise entstanden, das aufführende Paar tanzte en ronde zwischen den Reihen hindurch. Die Musik hat 2/4 Takt, vier Theile von je acht Takten mit Wiederholung (Affi. 252. 253. 260). Die Pas des Ecossaisen -Walzers, in einem Abschnitt von einem Takte, ganze Tour zwei Takte, sind nach Voss auch die des Schottisch und der spätem Polka. Die Hops-Anglaise wurde zu Anfang des 19. Jahrhunderts viel getanzt, hieß auch Fran9oise und Springer (MB. 280). Die Fran^alfley nicht zu verwechseln mit Contredanse fran9aise, war ein der Anglaise und Ecossaise ähnlicher und diesen Tänzen nachgebildeter Tanz. Die Musik bestand aus % Takt in zwei oder vier Theüen von je acht Takten mit Wiederholungen (MB. 280) . Wie zur Anglaise im 2/4 und Ecossaise im 2/4 Takt, so treten auch die Tänzer in der Frangaise zu zwei Reihen an, in der einen Reihe die Damen, in der andern gegenüber die Herren. Es werden in älteren Tanzlehrbüchem diese drei ähn- lichen Tänze oft ungenau bezeichnet und miteinander verwechselt. Nur so viel 1 Ich bezweifle die Richtigkeit der Angabe in Matthesons »voUkonmienem Kapell- meister« (S. 135), dass es zu Anfang des 18. Jahrhunderts auch EcossaiBon (also säiot- tische Rundtänze) »im ^2 l'&kt von gemessener Bewegung und ernstem Charakter« ge- geben habe. Wenn MattheBon a. a. O. Anleitung giebt, solche aus Choriüien zu kom- poniren, so ist das seine Sache. In Schottland nat es dergleichen als Nationaltänxe nie gegeben; wenigstens ist davon nichts aufgefunden worden. Digitized by Google 227 steht fest, dass die Anglaise mit ihrer reihen weisen Aufstellung [die Herren den Damen gegenüber) in die Ecossaise aufgegangen ist und dass die Fran9aise zumeist im Vs "^^t, die Paare sich gegenüber plaoirt, getanzt wurde. Somit waren zwei Tanze vorhanden, in welchen durch die Verschiedenheit der Aufstellung und der Taktart im Charakter und in der Bewegung viele verschiedene Touren und Gruppen zur Aufführung kamen. Die Frangaise, obgleich der Gesellschaft längere Zeit als die Ecossaise erhalten, ist durch den Contretanz vollst-ändig verdrängt worden; nur ihr Name ist noch in einigen Ejreisen irrthümlich für Contretanz zurückgeblieben. Mit der Fran9aiBe geistesverwandt waren die um 1830 — 50 in Deutschland getanzten Galopp-Walzer. Es waren Walzermelodien im raschen ^/g Takte (also im zweitheiligen Zeitmaße) , die nach Art des Galopps getanzt und gerutscht wurden. Darunter gehörte der um 1840 — 50 beliebte Zephyr-Walzer (MB. 286). Quadrille. Quadrille nennt man jeden Tanz von vier Personen oder vier Paaren, die in Kreuzform •{* aufgestellt sind, so dass zwei und zwei sich gegenüberstehen. Dieser aus verschiedenen Touren zusammengesetzte, jetzt in Deutschland seltene Tanz, Gegensatz zum Rundtanz, soll Erfindung der Franzosen sein, war aber im vorigen Jahrhundert auch in Deutschland sehr beliebt, sogar auf dem Lande von Bauern getanzt, z. B. alsVierer und Achter in Bayern, Thüringen und in der Mark. Die Musik geht in der Regel aus lustigem ^4 Takt, zuweüen mit einem Schlusstheü im Walzertakte. Die Zahl der Theile ist verschieden, sie geht von 2 — 6 und richtet sich nach der Zahl der auszuführenden Touren. Aus den vielen hundert Quadrillen mit wunderlichen Namen und unterhaltenden Touren, die vor und nach 1800 gern und oft getanzt wurden und deren eine große Zahl nach ihrer Ausführung bei R. Voss (Tanz) beschrieben sind, will ich nur einige ausheben, die in Deutschland sehr populär waren. Dies sind Kegel*, Kuss- und Lach-Quadrille. Die Lach- Quadrille (MB. 283) heißt so, weil im zweiten Theü die ersten vier Takte durch Achtelnoten das Lachen andeuten. Der vierte oder letzte Theil wird im schnellen Tempo gespielt. Die Kuss-Quadrille (MB. 282) hat das Eigenartige und nicht Unartige, dass auf Anleitung der Musik ein Kuss gegeben wird. Nach den gewöhnlichen Touren tanzen zwei sich gegenüberstehende Paare (ein jedes sich die Hände kreuz- weise reichend) gegen einander vor, der Tänzer dreht seine Tänzerin (die Hände über ihren Kopf hinweg) herum und es erfolgt bei einer in der Musik stehenden Fermate der Kuss. Beide Quadrillen waren 1800 in der Mark üblich. Die Kegel-Quadrille ist eine deutsche Erfindung, wie gleich die hübsche Musik (MB. 284) uns kundgiebt, welche aus drei Theilen im ^j^ Takte und einem angehängten Walzer von acht Takten besteht. Die Quadrille wird von neun Per- sonen (der Zahl eines Kegelspiels) ausgeführt, nämlich von vier Paaren und einem Tänzer, der den Kegelkönig (Centrum) vorstellt. Nach acht Touren hascht der König sich eine Tänzerin und dann tanzen Alle zwei Touren Walzer herum. Der zurückbleibende Tänzer gilt für das nächste Spiel als König. Der Tanz war um 1810 — 30 in Thüringen und der Mark üblich. Ähnlich war die Königs- Quadrille, die ebenfalls von vier Paaren und einem Herrn, als König dastehend, um 1800 getanzt wurde. 15* Digitized by Google 228 Tempdte war ein Kolonnentanz im raschen 2/4 Takt, der um 1800 — 1850 in Deutschland getanzt wurde, aber nichts von Sturm (Temp^te) merken ließ^ sondern lieblich und munter sich ausnahm (MB. 285) . Die Ausführung beschreibt Voss (Tanz 377, nach meiner Aufzeichnung in Weimar 1842 beim Tanzunterrichte) wie folgt : »Eine gleiche Anzahl Paare treten (eins hinter das andere gestellt) von zwei Seiten einander gegenüber. Die in der Mitte sich gegenüber befindlichen Paare beginnen den Tanz. Nach Beendigung verschiedener Touren (in der Regel vier, als : Bonden, Chatnen , Crois^s , auch Reverenzen und dergleichen) wechseln beide Paare die Plätze und wiederholen die Touren mit den ihnen nächststehenden Paaren. Am Ende der Kolonne angekommen, wenden sie um und tanzen in derselben Weise mit den ihnen entgegenkommenden Paaren. t Die Imperial (L'Imp^riale) war ein um 1853 entstandener und aus der Seine-Stadt bald nach Deutschland gekommener Kunsttanz unter zwei Personen, im gemäßigten ^/^Takte, der durch Aneinanderreihen von Pas aus dem Contretanz und der Masurka ent- standen war (MB. 266). Seit 1870 wird er nicht mehr getanzt. Sonderbar, dass schon 1577 in B. Schmid's Orgelbuche eine Tanzmelodie mit dem stolzen Titel Imperial vorkommt. Die Kalamalka war ein fröhlicher Tanz im raschen y^ Takt, der zu Anfange dieses Jahrhunderts beliebt war, von den Slawen in denKarpathen abstammt (ausKolomea am Pruth), von da nach Wien, Schlesien, Böhmen sich verbreitete und in ganz Deutschland bis 1830 getanzt wurde (s. MB. 268). Man sang dazu: Kalamaika tanz ich gern Mit den schönen jungen Herrn ; Noch viel lieber ist es mir Mit eim schönen Gardeoffizier. Bedowa (BejdoTak) ein czechischer Nationaltanz im langsamen Walzer-Tempo, der um 1830 — 40 auch in Deutschland und Frankreich als Solotanz beliebt war. Die Musik im ^4 Takte liebt die fortgesetzte Wiederholung einer zweitaktigen Figur (MB. 270). Der Tanz besteht aus dem pas de basque und führt der Herr seine Dame sowohl vor- als rückwärts herum, ohne an eine bestimmte Anzahl von Takten für die einzelne Tour gebunden zu sein. Osnabrück war ein Tourentanz zu Anfang unseres Jahrhunderts, dessen Musik aus zwei nicht wiederholten Theilen von je 8 Takten im % Takt besteht und dem Gontretanze sehr ähnelt (MB. 287). Die Tanzpaare waren vor Beginn eines Kreistanzes ein- ander gegenüber placirt und begannen (die Damen links , die Herren rechts) die Touren mit Ineinanderschlagen der Hände, Winken und dergl. Der Langaus ist gar kein eigentlicher Tanz, sondern war nur die ehemals übliche Art zu tanzen, die durch das allgemein in Schwung gekommene Rundtanzen oder Walzen so Digitized by Google 229 ziemlich in Abgang gerathen ist. Das Rundtanzen kam zuerst in Städten auf und wurde dann auch auf den Dörfern allgemein. (Schmeller, bayerisches Wörter- buch II, 480.) Der Name Langaus kommt daher, dass ein langer Raum in den wenigsten Umdrehungen durchtanzt wurde. Aus dem Langaus ist der Walzer entstanden. In Österreich und Schwaben hat man die Bezeichnung Langaus gar nicht gekannt, und da es eigentlich kein Tanz ist, so konnte ich dafür auch keine besondere Musik trotz alles Suchens auffinden. R. Voss meint: der zu Wien 1787 ent- standene »Cosa rara« sei später (?) Langaus, dann erst Wiener Walzer genannt worden. Kapitel XV. Über Tanzlieder, Durch das ganze Mittelalter wurde zum Tanze gesungen, Gesang war die älteste und oft die alleinige Tanzmusik. Dafür zeugen die oben angeführten Ver- bote gewisser Tanzlieder seit Einführung des Christenthums bis in das 16. Jahr- hundert , sowie viele Stellen der Minnesinger, deren ebenfalls gedacht worden ist. Die Tanzlieder wurden von der anwesenden Menge zugleich gesungen, oder aber der Art , dass ein Vorsänger oder eine Vorsängerin das Lied vortrug und die Versammlung bloß in den Kehrreim oder Kehrvers (altnordisch Omquasd, französisch Refrain) einstimmte. Selten wohl ist jede einzelne Zeile vom Vorsänger vorgetragen und dann vom Chor nachgesungen worden. Dieser Brauch des Singens beim Tanz war noch bis in das 17. Jahrhundert allgemein. Jetzt kommt er nur noch vereinzelt auf dem Lande an abgelegenen Orten und häufiger bei den Schnadahüpfln (s. S. 239) in Süddeutschland vor. Im Mittelalter war es bei Germanen wie bei Romanen gebräuchlich, das Ball- spiel mit Tanz und Gesang zu verbinden. Von vielen Belegstellen möge hier nur die aus der oben S. 95 abgedruckten Predigt gegen den Tanz im 15. Jahrhundert angeführt sein: «als sie by dem tantz spilten des ballen vnd ander spile mit stecken«. Aus dieser Verbindung von Tanz und Ballspiel ist es gekommen , dass in romanischen Sprachen »ballarec so viel als tanzen und iiballata« (später Ballade) ein Tanzlied bezeichnet und wir heute noch den Tanz der sogenannten bessern Stände einen Ball nennen. Das ist die historische Grundlage des Wortes Ballade und damit ist ursprünglich nicht ihr Inhalt, sondern nur ihr Zweck bezeichnet. Da sonst die Volksfeste und Tanzgelegenheiten reichlicher als jetzt sich dar- boten und viel getanzt wurde, so kann man daraus auf die Menge der Tanz- lieder schliefien, die im Volke vorhanden waren, und wir dürfen ihren Einfluss auf die Entwickelung der Volkslyrik nicht zu gering anschlagen. Der Inhalt der Tanzlieder war sehr verschieden. Wir finden zunächst Liebeslieder. Sie sind die natürlichste und darum auch die häufigste Begleitung des Tanzes gewesen, welcher ja der Anlass und Quell so vieler liebe war. »Wieder waren Digitized by Google 230 diese erotischen Lieder nach Ton und Inhalt verschieden, vom schüchternen halb- verhohlenen Preise der Geliebten schreiten sie bis zur offenen Erklärung der Nei- gung und selbst bis zur Äußerung der letzten Wünsche vor. Sie beginnen vielfach mit dem Lobe des Frühlings, denn der Lenz im Herzen und der Lenz in der Natur da draußen treffen ja so reizend zusammen.« (K. Weinhold, Frauen II, 162.) Neben den lyrischen Ausdrücken des Gefühls stellen sich epische Schilde- rungen einer Liebesbegebenheit (also die Romanze) und selbst durch Frage und Ant^ wort dramatische Darstellungen verschiedener Situationen des Liebelebens eixu Sind es zu allermeist Jünglinge und Männer , welche von Lenz und Liebe singen, also die Verfasser von Liebes- und Tanzliedern unter dem stärkeren Ge- schlecht zu suchen, so haben wir auch und gerade bei denReigenliedem Mädchen- lieder zu verzeichnen, darin liebende Nonnen, sowie Kloster- und Burgfräulein ihre sehnlichen Wünsche nach einem rüstigen Gesellen aussprechen (MB. 5 u. 6) . Welche von den vielen uns erhaltenen Liebesliedem sind wirklich zum Tanze gesungen worden? und welche nicht? Das ist nicht immer leicht zu be- stimmen. Zimächst hat man alle die für Tanzlieder zu halten, bei denen durch die Überschrift die Tanzbegleitung angezeigt ist, also z. B. Bergreihen, auch Berg- reihenweise, Tanzweise, Dansliedeken, Ringelreihen, zum langen Tanz etc. Noch viele andere Texte aber mögen beim Tanze gesungen worden sein, denen solches nicht beigeschrieben ist. Hier gilt es nun gewisse Kennzeichen an Melodie oder Textinhalt zu prüfen, die auf Tanzcharakter hinweisen, das ist in der Singweise der lustige, schaukelnde und zum Springen einladende Tripel takt; doch darf man nicht glauben, dass alle Melodien im ^j^ Takt Tanzweisen gewesen sind, denn es gab auch getretene Tänze im geraden Takte. Wenn im Texte selbst von Tanzen und Springen die Rede ist , braucht er deshalb noch nicht zum Tanze gedient zu haben. — Im Ganzen darf man aber annehmen, dass alle Lieder mit Chor-Refrain, ferner die meisten heitern Liebeslieder und viele Liebesballaden im 15. und zum Theil noch im 16. Jahrhundert zum Tanze dienten, und je weiter rückwärts in der Zeit, desto gewisser. Ich halte nach mehrfacher Prüfung dafür, dass z.B. folgende Liebeslieder zum Tanze gebraucht worden sind: »Mir ist ein roth Goldfinger- lein« (MB. 34], »Guckguck hat sich zu tod gefalln« (MB. 35), «Ach Elslein, liebes Elseleina (MB. 31], »Nun schürz dich Gretlein, schürze dich« (MB. 40), »Drei Laub auf einer Lindenc (MB. 33). Historische Lieder, alte Heldenlieder und mythische Gesänge dienten ebenfalls in der Vorzeit zum Tanz, so sehr uns das auch auffallen mag. Der Reigen, zu welchem das gesammte Volk sich zusammenfand, war das Mittel, alte Erinnerungen des Volkes wachzuhalten und zu beleben. > In dieser Gattung wetteiferten germanische und romanische Völker miteinander und sind wir Deut- schen überaus reich an geschichtlichen Liedern, wie deren Herausgabe in neuester Zeit zur Genüge dargethan hat. Wir dürfen annehmen, dass die Sagen von den Amelungen, von Dietrich von Bern (Verona] , vom Franken Siegfried und den BurgundenkOnigen, kurz alle dereinst historisch gewesenen Lieder der germa- nischen Stämme schon in ältester Zeit zu ihrem Tanz gesungen wurden. Einen überraschenden Beweis dafür geben die färOischen Tanzlieder, unter denen eine reiche Zahl aus der Nibelungensage entnommen sind und die in ^ Neocorus, ditm. Chronik I, 177: »Up dat de Gesenge edder Geschichte desto ehr feieret und beter beholden worden und lenger im Gebruke bleven, hebben se de alle fast den Bentaen bequemeta Digitized by Google 231 neuester Zeit noch gesungen werden. Schon der nordisclie Forscher Lucas Debes erzShlt 1673 in den «wiederersohlossenen FirOemc (F»roea reserata) Tom dortigen Vorhandensein alter Lieder, die su einem, einfältigen Tanze gesungen wurden.^ Das fand auch der Pfarrer und Botaniker Lyngbye noch 1818 bestätigt, als er auf den Fftröem (d. h. Schafsinseln) eine Anzahl alter Sagenlieder niederschrieb und 1822 veröffentlichte. Darunter ist uns das Lied vom Sigurd (Siegfried), das er in seiner alten Sangweise (s. MB. 356) mittheilt, hochinteressant. Der Reisende be- richtet darüber Folgendes : »Nach dem Gottesdienste trat die Gemeinde auf den Kirchhof und fUhrte einen pantomimischen Tanz auf (zwei Schritte nach der Seite , dann jedesmal eine Verbeugung) , wobei sie das alte Siegfriedslied sang : 'Grani trug Gold von der Haide'.v Nach derselben Singweise und mit demselben Kehrreim wurden noch andere ftrOische und isländische Heldenlieder gesungen, von denen ich nur die Anfänge hier anfahren wül nach der Übersetzung Ton P. J. Willatzen (Altisländische Volks- balladen und Heldenlieder der Färinger, zum erstenmal übersetzt. Bremen 1865) : L Siegfriedslied.3 1 . Wollt meinem Lied ihr lauschen. Nun wohl ich will euch melden Von mächtigen reichen Königen, Von kühnen starken Helden. Refrain : Grane trug Gold von der Haide, Sigurd schwang sein Schwert mit Freude, Fällte den drohenden Drachen, Grane trug Gold von der Haide. n. Brinhilde.^ 1 . Ich hab ein Lied vernommen. Man sang's einst weit und breit^ Das pries der Vorzeit Helden, Pries König Budla's Zeit. Refrain : Grane trug etc. 2. Es war in alten Tagen Ein König hehr und reich, Er hatte eine Tochter, Der kein an Schönheit gleich. Refrain : Grane trug etc. m. Högni (Gudrun).* 1 . Gudrun verweilt im Junkaschloss, Versenkt in Gram und Noth; Kein Edling, sei er noch so kühn, Gewann ihr Herz nach Sigurds Tod. Refrain : Grane trug etc. 1 VeivL den Berieht oben 6. 13 fg. 2 WiJlatsen, S. 243. ^ WiUatsen, S. 266. « WiUatzen, S. 306. Digitized by Google Auf die ^öischen Gesänge gestützt, düifen wir wohl annehmen , dass auch die Lieder der Göttersage zum Tanz gesungen wurden. Der Reigen bildete einen Theil des Kultus, begleitet war der Reigen stets vom Gesang und fOr diesen konnte es keine geeigneteren Stoffe geben als mythische Gesftnge, im Inhalt je nach dem Zwecke des religiösen Festes verschieden : Anrufung der GOtter und Erzäh- lungen aus der Göttersage. Erhalten hat sich davon nichts. Aber nicht bloß der weiten Vergangenheit waren die geschichtlichen Gesänge entnommen, sondern was Großes und Seltsames in der Gegenwart sich ereignete, ward in ein Lied gebracht und zum Tanz gesungen 1 Die Ditmarsen, die im 15. und 16. Jahrhundert gegen dänische Anmaßungen sich tapfer wehrten, sangen ihre Thaten zu ihren Tänzen. So z. B. führt ein Lied auf den Kampf der Ditmarsen von 1504, das anhebt: »De kOnig wol to dem hertogen sprakc (Müllen- hoff S. 62 ; Uhland 170; von Liliencron Nr. 218] die Beischrift : »wert vor einem Dithmarschen danz gebrukett. Ein anderes dergleichen (MüUenhoff 61 ; von Liliencron 220) »Wille gi hOren ein nien sanga ist überschrieben : »Nach Art eines Ditmarschen Dantzes«. Wenn aus dem übrigen Deutschland nichts dem Entsprechendes bekannt ist, so lag dies wohl daran, dass hier nichts Großes geschah , was das Herz des ganzen Volkes ergriffen hätte. Unmöglich hat man die vielen historischen Lieder auf Städtefehden und einzelne kühne Räuber (z. B. den Stortebeker und Gode Michael, den Lindenschmied, den Schüttensam) zum Tanze gesungen. Doch spielt auch hier bisweilen Politik im Tanzliede. Der Bentzenawer, ein vielgesungenes Lied auf den Helden in der Schlacht bei Kopfstein 1504 wurde zwar nicht auf eine Tani- weise gesungen, aber man sang und spielte später die beliebte Bentzenauer Melodie zum Tanze, wie der in Lautenbüchern des 16. Jahrhunderts stehende Bentze- nawer-Dantz (MB. 60) beweist. Sagenlieder (Balladen). An die geschichtlichen Lieder reihen sich diejenigen, welche Sagenstoffe be- handeln , d. h. ein sagenhaft gewordenes Ereignis besingen oder eine blutig aus- gehende Begebenheit voll Kampf und Raub , eine That , in der sich der Mensch über das Gewöhnliche erhebt; z. B. »Her Hinrich und sine brOderc (MB. 24), »Die Frau von Weißenburg« (MB. 32) , »Der Herr von Falkensteinc u. a. Solche epische Volkslieder sagenhaften Inhalts standen bei den romanischen Völkern und den Engländern in voller Blüthe und wurden zum Tanz gesungen, waren also »ballata«, Tanzlieder. So ist es gekommen, dass man in der englischen Poesie für jedes epische Lied sagenhafter Stoffe den Ausdruck Ballade gebrauchte, welcher Sprachgebrauch auch in Deutschland zu finden ist. Bflge- und Spottlieder. Nahe lag es, dass neben gesungenen versificirten Erzählungen sagenhafter und aus der Tagesgeschichte entlehnter Dinge auch die Darstellung der Gegenwart nach ihren Sitten und Unsitten, eineSchilderung des gewöhnlichen Lebens zum Tanzlied verwendet wurde ; daran schloss sich die Kritik der bestehenden Zu- stände durch Verse: es entstand das Klage- und Rügelied, das wir schon aus dem hofischen Zeitalter kennen. Ein Tanzlied Konrads von Würzburg (MSH. ü, 312) beklagt den Verfall des geselligen Lebens. Rüge und Spott drang tief in das Tanzlied ein und ist noch heute eine starke Seite der süddeutschen Schnada- hüpfln (siehe unten S. 241]. Das ostfriesische Tanzlied von Buhske di Renuner Digitized by Google 233 (MB. 26) , femer »Es hat ein Biedermann ein Weib« (MB. 36) sind solche Spott- lieder. SpotUieder werden noch heute auf den FftrOem zum Reigen gedichtet und der Gegenstand derselben muss sie mittanzen. Er wird von starken Mftnnern an den Händen gefasst und gezwungen , in dem Reigen zu bleiben^ bis das Lied zu Ende ist. Hat sich dasselbe des Beifalls erfreut, so wird es in den allgemeinen Gesangschatz aufgenommen.^ Zu den Scherz- und SpotÜiedem scheinen Tor allem die auf P faffen, Mönche und N onnen gehört zu haben. Die Liederdichter fanden es ergötzlich, auch hei- lige Leute zum Sprunge zu bringen. Schon Ulrich von Winterstetten ruft die Pfaffen mit den Laien zum Reigen : Pfaffen, leigen, tretet an, dien got der Salden gan. [MSH. I, 147^.] Derselbe (MSH. I, 141 ") sagt : N{1 singen, nü singen, dan noch harte springen den reien, den reien pf äffen unde leien. Obschon das Tanzen der Geistlichen des Ärgernisses wegen zur Todsünde gerechnet (s. Strafpredigt des 15. Jahrhunderts oben S. 100) und ihnen sogar das Zuschauen an öffentlichen Tänzen im Bisthum Mainz durch Provinzialstatut vom Jahre 1223 verboten war (s. Mone, Zeitschrift HE, 140), so mögen doch wohl zu- weilen auch geistliche Personen von unwiderstehlicher Frühlingslust zum Tanz hingerissen worden sein. Denn auch der einsame Klausner hat seinen Frühlingstaumel : Dort droben auf dem Hügel, Wo die Nachtigall schön singt, Da tanzt der Einsiedel, Dass die Kutt' in d' Höh springt. (MB. 339.) Pater und Nönnchen sind mehrfach stehende Figuren in TanzspieUiedem geworden, und eins ist noch am Niederrhein und in Holland erhalten : »Es ging ein Pater längs der Kant, Hei, 's war in dem Mai 1 Er führt sein Nönnchen an der Handtf etc. (MB. 327.) Wiederum ist ein Scherzlied auf einen tanzenden, verliebten Mönch schon aus dem 16. Jahrhundert gekannt und in Schlesien erhalten: »Kappelmönch, willst du tanzen« (MB. 338). IHe Thiersage scheint in den Tanzliedern , wo sie mit Liebesliedem verknüpft ist , eine große Rolle zu spielen. Ich möchte fast alle noch erhaltenen Überreste davon zu den Tanzliedern rechnen, z. B. 1. Die vielen Lieder von der Nachtigall, z. B. MB. 25. 2. Der Gutzgauch auf dem Zaune saß. (Altdeutsches Liederbuch 167.) 3. Guckuck hat sich zu tod gefalln. (MB. 35.) 4. Es wollt gut Reiger fischen. (Vogelhochzeit, Ldb. 251.) A Lyngbye, färoiske quaeder S. 14. Weinhold, Frauen (1851) S. 378. Digitized by Google 234 5. Eb saß ein Eul und spann. (Ldb. 73.) 6. Wol hinter meines Vaters Hof da saß eine weiße Taube. (Ldb. 159.) 7. Ich armes Käu zl ein kleine. (Ldb. 172. 173.) 8. Fuehs, beiß mich nicht. (Ldb. 504.) 9. Fuchs, du hast die Qans gestohlen. (MB. 310.) 10. Es gingen drei Bauern, die suchten ein Bftrn. (Ldb. 460.) 11. Buhske di Remmer. (MB. 26.) Bäthsel-9 Wunsch-^ Wett- und Lflgenlleder sang man gleichfalls beim Tanz. Als Beleg für die R&thsellieder fahre ich an : »Aus fremden landen kom ich her.« (MB. 15.) Für die Wunschlieder von »unmöglichen Dingena dient als Bel^, dass solche beim Tanz gesungen wurden , die ditmarsische Chronik mit dem dort an- geführten Liede zum langen Tanz : «Ik weet mi eine schone magt.c (MB. 22\) Dass sogenannte Lügenlieder beim Tanz vorkamen, beweist ebenfalls die erwähnte Chronik (II, 568) mit dem Liede: »Ik will juw singen, ik will nich legen.« [MüUenhoff, S. 474.] Als Belege für die Wettlieder, die meines Erachtens auch mit Tanz vei^ bunden waren und durch ihre Melodie darauf hinzuweisen scheinen, führe ich an : 1) Das alte Lied beim »Sommergewinna, darin der Kampf des Sommers gegen den Winter in Versen ergötzlich dargestellt ist : »Heut ist ein freudenreicher Tag, Dass man den Sommer gewinnen mag. Aide I ihr Herren mein l Der Sommer ist fein.« (MB. 29.) 2) Das »Buchsbaumlied«, darin der immergrüne Buchsbaum und der Fei- binger (Weidenbaum) um den Vorrang in Versen streiten : »Nun wölt ir hören neue mftr vom buchsbaum und vom felbinger : sie zogen mit einander daher und kriegten mit einander.« (MB. 30.) Sogar geistliche Lieder wurden auf den Färöem zum Tanze gesungen, und noch vor wenig Jahrzehnten hiel- ten es dort die Geistlichen nicht unter ihrer Würde, in Amtstracht an diesen frei- lich sehr anständigen und ehrbaren Tänzen, namentlich bei Hochzeiten , Theil zu nehmen (Weinhold, Frauen I, 380). Dass auch in Deutschland geistliche Lieder zmn Tanz dienten, konnte ich nicht finden. Viele weltliche Tanzlieder wurden im 15. und 16. Jahrhundert geistlich umgedichtet und ihre Melodien benutzt. Dadurch sind uns glücklicherweise viel alte Tanzweisen erhalten worden. Lange schon vor der Reformation und noch, mehr nach derselben legten Geistliche und Prediger gegen die demoraUsirende Tendenz mancher Lieder des weltlichen Volksgesanges , gegen rohe Gassenhauer imd unzüchtige Buhllieder, welche ungescheut das ausgemalte nackte Bild der Sinnlichkeit zur Schau trugen , gerechten und heilsamen Widerspruch ein. Zum Zweck kirchlicher und häuslicher Erbauung nahm man die Melodien weltlicher Lieder, darunter auch Tanzlieder, die am meisten verbreitet waren, und legte ihnen sittlich-religiöse Texte unter, füllte gleichsam das Ge^ mit christlichem Inhalte. Man darf aber nicht denken, dass solche Parodien auf Tanzlieder jemals beim fest- Digitized by Google 235 liehen Reigen gesungen worden seien. Man griff zu diesem Mittel der Umdichtung, um die Lieblingsweisen , yon denen das Volk nicht lassen wollte , mit besseren, inhaltsreichen Texten zu versehen und dadurch die schmutzigen Tanzlieder zu entfernen. In diesem Sinne wirkte im 15. Jahrhundert Heinrich von Laufenberg zu Freiburg durch eine Menge geistlicher Lieder nach weltlichen Weisen , deren Textanfänge und zuweilen auch Melodien beigesetzt sind. Seine Umdichtungen und Nachdichtungen, um 1421 — 40 geschrieben, sind glücklicher Weise erhalten durch Abdruck bei Wackemagel (Kirchenlied I] ^, wenn auch die Handschrift in Straßburg 1870 verbrannt ist. Eine große Anzahl geistlicher Umdichtungen findet sich in anderen süddeutschen Klosterbandschriften, besonders in der Pfullinger des 15. Jahrhunderts. Die Texte (ohne Melodie) haben die Angabe des weltlichen Tones und sind alle bei Wackemagel abgedruckt. Dann kam Luther nebst seinen Mitarbeitern am Werke der Kirchenver- besserung. Er dichtete nicht bloß filtere deutsche geistliche Lieder für seinen Zweck um, verdeutschte lateinische Hymnen und gab ihnen volksmfißig ge- formte, nur den Kern der Urmelodie festhaltende Singweisen, sondern führte auch neue Kirchengesftnge ein, in Wort und Weise echt volksthümlich abgefasst, und es ist nicht zu leugnen, dass seine geistlichen Volkslieder das Werk einer kirch- lichen Reform wesentlich fördern halfen. Nur dreimal hat Luther nachweislich auch weltliche Melodien herbeigezogen und, an deren Text sich anlehnend, geistliche Lieder geschaffen. Das sind folgende : »Vom Himmel hoch da komm ich her« (= »Aus fremden landen kom ich her«) , »Sie ist mir lieb die werthe Magd« (= weltlicher Text gleichen Anfangs), »Nun treiben wir den Babst hinaus« (= »So treiben wir den Winter aus«] . Luthers Freunde und Nachfolger im Übersetzen weltlicher Texte setzten mit Eifer, aber auch mit Geschmacklosigkeit das Parodiren weiter fort. So kamen 1 550 zu Magdeburg »Geistliche Ringelt entze« heraus, geistliche Parodien auf Tanz weisen, die in Noten beigedruckt und in meinen MB. Nr. 10. 15 \ 16. 18 — 20 zu schauen sind. Der Schweizer Kirchenliederdichter Thomas Blaurer hat einen alten Mai r ei gen um 1540 geistlich nachgebildet: »Ich frag, was üch woll ge- fallen , ob mir gebür , dass ich vor andern allen den reigen für« (s. Wackemagel, Kirchenlied 1841. Altdeutsches Liederbuch Nr. 300.) Femer gab Heinrich Knaust, Dr. jur., zu Frankfurt a. M. 1571 eine ganze Sammlung geistlicher Umdichtungen heraus unter dem Titel : »Gassenhawer, Reuter- vnd Bergliedlin, christlich moraliter vnd sittlich verändert.« Im Vorworte sagt er : »Ich hab in meiner jugent, vor zwentzig Jaren vngef ehrlich, etliche scham- pare Gassenhawer vnd Reuterliedlüi in einen geistlichen Sinn vnd Text transferirt, verändert, daß meine Discipeln denselbigen vnder die Noten applicim vnd singen sollten, wenn sie sich im singen üben wolten, daß sie von der B&len Texte abgehen möchten. Denn obwol die alte Compositio gut vnd mir sonst gef ellig ist, so habe ich doch von den Worten nichts gehalten , derowegen auch (Heselben verendert.« Ähnlich verfuhr Vespasius in seinem niederdeutschen Gesangbuche 1572. Hie- her gehören auch Winnenberg's Christliche Reuterlieder, Straßburg 1582. Noch im 17. Jahrhundert erfolgten einige geistliche Umdichtungen, dann hörte das Pa- rodiren auf. Die Zahl der geistlichen Umdichtungen war in Deutschland überraschend > Die sorgsam kopirten Melodien hat mir Prof. Wackemagel abzuschreiben er- laubt und sind die meisten davon in mein Altdeutsches Liederbuch aufgenommen. Digitized by Google 236 groß.^ Die meisten dieser Texte sammt Weben sind längst im evangelischen Kirchengesange abgestorben und nur einige (4 — 5) Singweisen weltlicher Lieder (kleiner Tanzlieder) leben noch heute als Choräle. Auch in Holland wurden im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche Volkslieder geistlich umgeformt; die berühmteste und reichste Sammlung solcher Parodien sind die Souterliedekens (1540). Unter den 132 Liedern nach weltlichen Melodien sind auch Tanzmelodien (Danswtsen) zu geistlichen Parodien verar- beitet worden (s. MB. 79). Schon im 13. Jahrhundert lassen sich lateinische gebtliche Gesänge auf Tanzweisen der Franzosen nachweisen. Aus einer Handschrift des britischen Mu- seums ist für ein Gedicht auf die Jungfrau Maria eine Tanzweise angegeben ; die Überschrift lautet : Cantus ad Dominicam post cantum Ailiz (Wolf, Lais 445). Ein französischer Lai (Leich, Tanzgesang) wurde im 13. Jahrhundert mit einem moralisirenden lateinischen Texte bedacht (s. MB. 80) . Dass aber viele Tanzlieder, namentlich die mit erotischem Inhalte, im 15. und 16. Jahrhundert wirklich schlüpfrig und unsauber waren, das dürfen wir schon den vielen Strafpredigten glauben, in denen gegen «der tanzreime unfletigen gesang« und die »vnkuschen schamperlieder« mit Recht geeifert wird. Aber wir können es sogar selbst beurtheilen, da viele derartige schandbare Tanzgesänge in Handschriften und Drucken vorhanden sind. ^ Doch neben solchen eklen Beispielen ist auch eine Keihe allerliebster Tanz- lieder aus dem 15. und 16. Jahrhundert aufbewahrt. Man sehe unten die Musik- beilagen und die vollständigen Texte dazu bei Uhland oder in meinem Altdeutschen Liederbuche. Über die Form der alten Tanzlieder etwas Haltbares festzustellen, ist schwer. Alle Untersuchungen über ihre älteste Benennung »Leicha werden für immer un- sicher und ungenügend bleiben, weil uns gänzlich die Kenntnis der alten Tanz- musik, namentlich der alten Volksreigen abgeht, die das Lebenselement und der Träger der Form, ja die Form selbst war. Die geretteten spärlichen Musikproben 1 In meinem Altdeutsehen Liederbuch S. 810—820 sind etliche hundert weltliche Liederanfänge ihren geistlichen Umdiehtungen gegenübergestellt, darunter auch viele umgewandelte Tanzlieder. 2 Als Belege will ich nicht ^nze Lieder schandbaren Inhalts (Schamperlieder) hier abdrucken, kann aber nicht umhin, von einigen die Anfänge zu geben: a) »Es aas mein vatter Eberhart und tranch in eyn ein rmpart« , Tanzlied im King des Heinrich Witten Weiler S. 172. — b) Es seit ein meidlem holen wein, des abends also spate, ziehet ein schneeweis hemetlin an, dadurch schien ir der mone.« Khaw, Bicinia 1545, 1, Nr. 88. — c) »Mich bat ein jung^&au seuberlich, dass ich jr eine wachtel fieng, do- heim in irem kämmerlein.« HeiaelbergerHds. 343 foL 125. — d) Bas Lied von der schönen Bettlerin: »Er schüttelt ir den Pflaumenbaum vnd stach ir nach dem hertzen.« Alt- deutsches Liederbuch 97. — e) Die Klage einer verliebten Köchin: »Ein meidlein thet mir klagen, es leit mir an, het ich ein man.« Amt von Aich 1519 fol. 76. — f) Das Lied vom Habersäen: »Im meien, im meien hört man die hauen kräen. Freu dich, du schöns pauemmaidl, wir wölln den haber säen. Pumb, meidlein, pumbl« J. Ott 1534, Nr. 96. — g) »Der Guckuck und die Pumpelmeiß, die pumpelten mit einander.« Bergliederbüchlein 1740. — h) »Es hat ein Schwab ein töchterlem (Halt die Kanne feste !^ das wolt nit lenger ein megdlein sein (bei nachte, fein sachte!)« Ambraser Liederbuch 1582, Nr. 237. — i) »Traut Marie, treib mir d' gens in d* wieken.« Forster H, 1540. — k) Die niederlendschen mägdelein die giengen frue ins gras.« Altdeutsches Liederbuch Nr. 86. — 1) »Es wolt ein meidlein grasen gan (Refrain: f— mich lieber Peter!], da wo die roten röslein stan.« Pet SchöfFer 1513, Nr. 61. Forster 11, 44. — m) »Brauns Mägdlein zieh dein Hemüein ab.« Liederbuch Pauls van der Aelst 1602, Nr. 24. Digitized by Google 237 aus der Bpftteeten Minnesingerzeit, wo die Form schon aufs höchste verkünstelt war, können uns kein Bild geben von der Beschaffenheit der Tanzmelodien zu dem Leich des Volkes. Ich will hier mein Glaubensbekenntnis über den Leich mit Benutzung der Litteratur^ unserer Forscher und nach eigener Prüfung kurz zusammenfassen . 1. Der Leich war eine musikalische Kunstform, parallel dem Liede und schon ums Jahr 1000 vom St. Gallischen Notker in der viel citirten Stelle als zum Singen bestimmt erwähnt: »da; ze singenne getan ist als6 liet unde leich.c 2« Der Leich der mittelhochdeutschen Dichter verdankt sein Ent- stehen lediglich der ältesten Tanzmusik, nicht aber (wie man seit Lach- mann angenommen und nachgeschrieben hat) den kirchlichen Sequenzen. Die Leiche und Sequenzen sind zwei in ihrem Ursprung ganz verschiedene, ab- gesonderte Dichtungsarten. Die Sequenzen sind, wie ihre Geschichte bezeugt, durchaus keine Nachbildungen der Leiche ; noch weniger kann das Umgekehrte gelten. Die Leiche sind älter als die Sequenzen. Weil beide aber durch ihren ungleichen Strophenbau einiges Übereinstimmende haben, so ist es gekommen, dass man beide als zu einer Form verschmolzen betrachtet hat. 3. Vom Liede unterscheidet sich der Leich dadurch: a) dass er aus Strophen von verschiedenem Bau zusammengesetzt ist, — b) dass seine Musik also aus mehreren, aneinandergesetzten Melodien bestehen, d. h. durch- komponirt sein muss, — c] dass die Strophen selbst von anderem Bau als die der Lieder sind ; in der Regel hat das Lied dreiüheilig gebaute Strophen, d. h. zwei Stollen und Abgesang, der Leich dagegen zweitheilige; das Vor- herrschen der Zweitheiligkeit im Leich war jedenfalls durch die Wiederholung des melodischen Satzes bedingt, wie ja noch heute die Tanzmusik aus Theilen mit Wiederholungszeichen besteht; — d) dass der Leich immer viel größern Um- fangs ist, als das Lied. — e) Das Lied wurde ursprünglich von Einzelnen gesungen und mit der Fiedel begleitet; der Leich wurde stets vom Chore der Tanzenden angestimmt, war also Chorgesang mit Spiel (d. h. pantomi- mischem und Gesellschaftsspiel, auch reicherem Instrumentenspiel) begleitet. 4. Der Leich war die naturgemäße Begleitung der Reigen. Darum waren es Gesänge ohne gleichförmige strophische Abtheilung, ohne gleiche Länge der Verse, im Strophen- und Versbau wechselnd. Das Hüpfen und Springen und das bald weite, bald kurze Schleifen, Wenden und Anhalten und die raschere Be- wegung spiegeln sich in dem Bau ab. Die meisten Leiche der Minnesinger zeigen Buntheit, Freiheit und Willkür der Form. Wie sehr sich auch Uhland (Abhandlung zu Walther von der Vogelweide) gegen diese Annahme sträubt, gleichwohl gesteht er zu, dass es zu schwierig sei, Regel und Grundform der Leiche zu erfassen ; und nach allem Hin- und Herschauen findet er nichts Haltbares, weil eben in dieser Form nichts Regelfestes zu finden ist ; es scheint, als sollten abgeschlossene Strophen darin überhaupt nicht zu Stande kommen. Der dichterischen Freiheit 1 K. Laehmann, Über die Leiche, im Museum für Philologie III, 3, 340. Wolf, Lais und Seouenzen, 1841, S. 150. 195. W. Wackemagel, Altfranz. Lieder und Leiche, 1848, 8. 225 ff. R. von Liliencron in' Haupts Ztschr. 6, 91. Weinhold, d. Frauen im Mittelalter 1851, S. 378. MüUenhoff, altd. Denkmäler, 1864, S. 29. W. Wackemagel, Geschichte der deutschen Litteratur 1862 an vielen Orten. Forkel, Gesch. der Musik II, 296. Ambros, Gesch. der Musik ü, 103 ff. Schubiger, Sängerschule von St. Gallen 1858, S. 39 ff. K. Bartsch, die lat. Sequenzen des Mittelalters in musikalischer und rhythmischer Beziehung. Rostock 1868 (ohne Musik). Digitized by Google 238 vrxr hier weiter Spielraum gegeben, und davon haben die Lyriker des 13. Jahr- hunderts ausgedehntesten Gebrauch gemacht. Mancher Leich der höfischen Dichter (z. B. der des Tannhäuser) zeigt die Bestimmung, beim Tanze gesungen zu werden, weil der Dichter nach Beendigung seiner Erzählung zum Tanz auf- fordert und so in die übliche Weise des Tanzes übergeht. Weil überdies mehrere Minnesinger ihre in Leich form gebrachten Gedichte geradezu »reien« nennen, und bei der Aufzählung aller möglichen Arten von Liedern immer neben dem Tanzlied gleich der Leich erwähnt wird, so hat man nicht zu zweifeln, dass die Urbestimmung der Leiche keine andere war, als zum Tanz zu dienen. ^ 5. Seinem Inhalte nach kann der Leich verschieden sein. Die meisten haben die Minne (Lob der Geliebten, oder abenteuerliche Erlebnisse des Dichters) zum Gegenstande; aber es giebt auch geistliche Leiche (z. B. der Walthers von der Vogelweide). 6. Die Leichform bildete keine Glanzseite der mittelhochdeutschen Lyrik : künstlich in ihrem Bau und zugleich ungebunden im Räume, führte sie selbst treffliche Dichter ins Weitläufige und Leere. 7. Die Leichform verlor sich schon im 14. Jahrhundert und hat in ihrer Verkünstelung zum Glück auf die deutsche Dichtung keinen nachhaltigen Einfluss ausgeübt. Wenn auch im 15. Jahrhundert noch einzelne Dichter (z. B. Heinrich von Laufenberg und der MOnch von Salzburg] durch Nachbilden und Übersetzen kirchlicher Sequenzen deutsche Verse machten, die noch in der Unform der Sequenzen und des Leiches auftreten, so sind das doch keine selbständigen freien Dichtungen und zählen diese Nachzügler darum nicht in der Geschichte des Leichs. 8. Die Meistersingerschulen haben den Leich ganz fallen lassen, weil sie damit nichts anzufangen wussten. Sie dichteten und sangen nicht für den Tanz- platz, und der Leich lässt sich nicht von seiner Lebensbedingung (der Musik) los- trennen, die zweifelsohne taktisch sein musste, was die Meistersingerweisen eben nicht waren. Die Texte der Tanzgesänge mOgen ihrer Form nach in frühesten Zeiten aus zwei Zeilen bestanden haben, die durch Alliteration , später durch Endreime verbunden waren. Der urgermanische Vers zählte, wie W. Jordan in der Einleitung zu seiner Umdichtung des Nibelungenliedes nachweist , vier Takte, darin Hebungen und Senkungen abwechselnd untergebracht wurden. Zwei solcher Zeilen aneinander gefügt ergaben acht Takte , also die noch heute wie ehemals in aller Tanzmusik beliebte Periode , zugleich aber auch das Maß , das wir in den zwei Langzeilen (oder vier kurzen Zeilen) der Schnadahüpfln finden; letztere dürften darum als die älteste Form aller Tanzlieder zu betrachten sein. Die zwei gereimten Langzeilen sind uns in der Otfrid-Strophe überliefert. Durch deren Dopplirung entstand die in germanischer Dichtung überaus beliebte Hildebrandstrophe mit ihren vier Langzeilen, jede aus 4+3 Hebungen be- stehend. Diese wurde später noch mit Binnenreim versehen und halbirt, woraus die halbe Hildebrandstrophe hervorging, die noch jetzt als Lieblingsform die deutsche Lyrik beherrscht. Durch freie Aneinandersetzung von gereimten , bald langem , bald kurzem Zweizeilern, denen mitunter auch eine (von der Mudk geforderte) dritte Zeile sich ^ Dies würde auch mit der Etymologie übereinstimmen, denn mhd. »leich« und »leichen« (hüpfen) entsprechen dem gothischen »laika Tauz, »laikan« springen. Digitized by Google 239 zugesellte , entstand in ftltester Zeit beim Tana und für denselben bestimmt der Lei eh. Vorgetragen wurden die zweizeiligen Verse Ton einem Einzelnen (dem Vorsänger) , worauf dann die umstehende oder mittanzende Menge einstimmte in einen seinem Inhalte nach gar nicht zum Texte gehörenden Zwischen- und Schluss- satz, der zu jeder Strophe an gleicher Stelle wiededbolt wurde und von seiner Wiederkehr den Namen Kehrreim (Kehrvers, ilefrain, nordisch Omqu»d) er- hielt. Zur Erläuterung des Gesagten kann das MB. 356 abgedruckte Siegfriedslied der F^rör-Bewohner dienen ; außerdem findet man diese Versform in vielen alt- dänischen und altschwedischen Heldenliedern mit ihrem Omquaed. Weil uns leider keine alten deutschen Heldenballaden mit Kehrvers erhalten geblieben sind, mögen einige gewiss alte Ringelreihen mit ihrer Anfangsstrophe die alte Teztform ver- anschaulichen : MB. Sologesang: Kehrvers (für Chor): 823. Nimm sie bei der schneeweißen Hand, Und fahr sie in den Rosenkranz. 327. Es ging ein Pater längs der Kant, Er führt sein Nönnchen bei der Hand. 325. Es steht auf unserer Wiesen Ein Baum mit Haselnüssen. Blau, blau Blumen auf mein Hut Hätt ich Geld und das war gut, Blumen auf mein Hütchen. Hei! *s war in dem Mail Heil 's war in dem Mai — ^Mai — ^Mail Es war in dem Mai. Drei Fähndelein stolz ! Drei Fähndelein etc., der Liebchen und der sind drei. Vergl. auch MB. 321 und 322. Den Vortrag der alten epischen Heldenlieder beim Tanze müssen wir recitirend von Seiten des Solisten oder Vorsängers uns denken, ähnlich dem noch bestehenden Heldenliedervortrage bei den Serben, oder wie die 1885 — 86 in Deutschland reisende russische Vocalkapelle des Dmitri Slavianski d' Agr6neff durch überraschend schönen Vortrag einer nationalen Ballade aus dem 11. Jahrhundert, das Leben und die Thaten eines gegen die Tataren kämpfenden Riesen besingend, veranschaulichte. Die den Sänger umstehenden und lauschenden Zuhörer stimmten bloß den Refrain im Chor an, wodurch ein lyrisches Element hinzukam, und in der Vorzeit mögen die beim Erzählen des Solisten stillstehenden Chorsänger sich beim Kehrvers unter Gebärdenspiel bewegt haben , wie wir das oben schon von den Is- ländern und ihren Tanzgesängen erzählten. Gegenüber diesem epischen Vortrage der Ballade sangen beim lustigen Frühlingsreigen Alle gemeinsam den Text und hier konnte ohne Einbuße der Kehrreim wegfallen, aber auch beibehalten werden. Die Art der Entstehung und die Form der Tanzlieder lernen wir am besten kennen aus den noch heute in Deutschlands Süden fortlebenden und beim Tanz entstehenden Schnadahfipfln. Schnadahüpfl^ (auch Schnoda- und Schnudahüpfl) ist die Benennung für ein kurzes, aus einem oder zwei Reimpaaren, jedenfalls aus vier Zeilen bestehendes Liedchen, das nach gewissen landläufigen Melodien gesungen und häufig vom Sän- ger und Ttjxzet aus dem Stegreif gedichtet wird. Der Name ist nicht von S chnit- ter, sondern von schnattern (schnada, schnoda) abzuleiten, weil es ein Gesang- 1 Ich benutze dankbar den trefflichen Aufsatz über »Schnadahüpfln« von Dr. F. From- mann in dessen »Beutsehen Mundarten« IV, 73 ff. Digitized by Google 240 Stückchen bezeichnet , das nicht mit der Gemessenheit und der Aufmerksamkeit, wie man ein Lied singt, vorgetragen wird, sondern das man nur zum Tanz her- schnattert, herplappert, herunterschlumpert; daher es auch in Kärnten nPleppaliedlec (Plapperliedchen) und »Schumperliedle« heißt. Für diese Herleitung spricht der Umstand, dass das Volk keine Arbeitslieder kennt. Obwohl da, wo das Volk überhaupt singlustig ist, zu den meisten Arbeiten gesungen wird, so hat es doch für die Arbeiten keine besondem Lieder , es giebt also (behaupte ich mit Frommann) keine Mäher-, Sämanns-, Schäfer-, Weidelieder, es giebt keine Fischer- und Winzerlieder, die vom Volke so benannt werden, und ebenso wenig giebt es Schnitterlieder, abgesehen davon, dass das Schnadahüpfl gerade da am wenigsten gesungen wird, wo man am meisten schneidet : man singt es da, wo am wenigsten geschnitten wird, im Gebirge. Wenn also Schmeller [bayerisches Wörterbuch IQ, 499) den Namen Schnadahüpfl auf alte Schnittertänze zurückführen will, so ist diese Ansicht nicht haltbar. In Bayern kommen sie unter folgenden Namen vor : Schnadahüpfl, Schnada— hagn, Schnadagangl, Stückl, Schleifer-, Schlumper-, Schumper-, Schnapper- und Schelmenliedlein. In Tyr ol heißen sie Schnaderhaggen und Trutzliedla, in S alz- bürg Schnaderhüpfl und Gasseireim, inOberOsterreich Schnaderhüpfel, OsGtzel und Sprüchl, in NiederOsterreich GsOtzln, Gsangln, Gstanzln, in Steiermark und Kärnten Schwatz- und Trutzliedle, auch kamische Pleppaliedle, in Schwa- ben Schelmenliedle, im Vogtlande Runda. Die Sitte der improvisirten Tanzreime ist nur noch im tanzlustigen Süd- deutschland in Brauch und war dort allein oder doch vorzugsweise heimisch. Was den Verbreitungskreis der Schnadahüpfln betrifft, so sind sie nach Prof. Fr. Kobell's Erfahrung in ganz Ober- und Niederbayern zu Hause, ebenso in der Oberpfalz und auch in Schwaben, wenigstens in dem gegen das Gebirge liegenden Theile. Im besondem Schwünge steht das Schnadahüpflwesen in Berchtesgaden, wo das Wettsingen in dergleichen noch besteht und zwei oder mehrere Bursche stundenlang sich damit necken und unterhalten. Salzburg ist das Binnenland des Schnadahüpflgesanges , so auch Obersteiermark. Über das Schnadahüpfl in Tyr ol schreibt Prof. Zingerle : »Die eigentliche Heimath desselben ist das schöne, reiche, heitere Unterinnthal ; vorzüglich wird das Schnadahüpfl im Zillerthal, Brixenthal und St. Johann gepflegt ; doch findet es sich auch im Puster- thal, Passeir und Ulten. Das Etschland kennt es nicht.« Über die Entstehung der Schnadahüpfln mag uns Strolz (im 2. Band des »Sammlers für Geschichte und Statistik von Tyrok, Innsbruck 1807) berichten : »a) Diese Gesangin entstehen zuvörderst beim öffentlichen Tanze. Man denke sich eine große Wirthshausstube an einem Kirchtage oder bei einer Hoch- zeit, wo alles wimmelt von starken Buben und blühenden Mädchen, wo die Tische voll Gläser sind und die Köpfe voll Wein. In einer Ecke steht die Spielleut- Truhe (Orchester), gewöhnlich eine große Kornkiste, auf welcher die Musikanten Platz nehmen. Wenn es nun von Neuem angehen soll , so tritt einer der Tänzer mit seinem Mädchen zur Spielleuttruhe vor und wirft dieser sein schnödes Silber zu, bald mehr, bald weniger, je nach Stand und Vermögen, oder nach Eitelkeit oder Ehrgeiz. Dies heißt einen Tanz anfrümen (bestellen). Dafür darf jedes Paar für sich allein tanzen und die Andern müssen warten , bis der angefrümte Ländler vorüber ist. Nachdem also ausgezahlt ist, stimmt der Tänzer in seiner selbstgewählten Melodie sein Schnadahüpfl an imd die Musik fällt alsogleich begleitend ein, woraus sich dann deutlich ergiebt, dass das Schnadahüpfl der bojarische Vertreter der romanischen Ballade ist. Digitized by Google 241 >b) Eine andere Gelegenheit , die eTwfihnten Liedchen su gingen, bietet den Buben das Gas seigehen oder Anf ensterln, dasselbe was man im Bregenzer- wald die »Stubeta nennt. Wenn nSmlioh der theure Junge von einem solchen Liebesabenteuer surückkehrt, so stimmt er auf dem Heimwege sein »Gasselliedc an und begleitet es mit seinem Jauchxen, Ton dem die Berge widerhallen. Vor dem Besuche hütet er sich gern, seine Gefdhle laut werden su lassen, besonders auf dem Gang in entfernte Orte, da die »Bursche« (so heißt die Gesammtheit des ledigen Mannsvolkes einer Gemeinde) mit eifersüchtigen Augen die Schönen ihres Dorfes bewachen , er also Gefahr läuft , im Falle der Entdeckung von denselben geästet, gescheitert oder gewasent, d. h. mit Baum&sten, Holzscheiten oder Rasen- stücken (Wasen) geworfen zu werden. j» c] Der dritte Ort , diese Gedichte zu singen und sie zu verfassen , sind die Alpen. Von aller Gesellschaft durch mehrere Monden getrennt, suchen natürlich die Viehhirten ihre Nebenstunden soviel als möglich zu verkürzen. Ihre liebste Beschäftig^ung ist die Verfertigung von Lichtspänen und von Knospen (d. h. Holz- schuhen für Stall- und Bergleute), sowie die Schnitzerei von allerhand Haus- und Küchengeräthe. Unter diesen Handarbeiten finden sie nun Muße genug, sich ihrer daheim gelassenen Mädchen zu erinnern, und auf sie oder ihre Nebenbuhler mancherlei Liebes- und Spottgedichte zu verfassen. In jeder Alpenhütte findet sich überdies eine Maultrommel, eine Waldflöte, eine Schwegel, eine Zither u. dergl. , so dass diese Sennen auch Gelegenheit haben, eine passende Arie auszusinnen und sich in mannigfaltiger Begleitung zu üben. »d)Auch auf dem Felde, in den beschwerlichen Bergmahden und bei häuslichen Beschäftigungen werden diese Liedchen meist von Mädchen ge- sungen. Sie dienen ihnen zur Ermunterung und lassen sie wenigstens auf einige Zeit die Schwüle des Tags vergessen.« Ihrem Inhalte nach sind die Schnadahüpfl in der überwiegenden Mehrzahl erotisch oder satirisch. Liebesfreude oder Spott ist ihr Hauptinhalt, erstere oft sehr zart, oft sehr unzart gemalt, letzterer immer treffend und witzig. Die im- provisirten Tanzreime , abwechselnd von Burschen und Mädchen zurechtgemacht, ziemlich plump gefertigt, enthalten meist derbe Neckereien. Da geht es über alles her, was im Wege liegt, über die Fehler der Buben, über die Schwächen der Mädchen (über diese freilich lieber, wie über jene), über den Nachbar, über die Gemeinde, die Nachbargemeinde und über das ganze Thal. Es begiebt sich keine alberne Geschichte , die nicht ihre Reime erhielte ; selbst ernste Dinge , Pfarrer, Schulmeister, Kirchengehen etc., werden nicht verschont. Das elegische Ele- ment, wie es in slawischen Volksliedern lebt, tritt in Schnadahüpfln nur selten, ein heroisches nur zuweilen in dem zum Raufen herausfordernden Trutzliede, und das historische gar niemals hervor. Fragen wir nach der Form der Tanzreime , so werden wir zugleich auf ihre Melodie verwiesen (MB. 206 — 213). Die Grundlage des Versbaues sind vier Haupttonsilben (Hebungen] , je zwei kommen auf eine Vershälfte ; d. h. wird der Text in vier Zeilen geschrieben, so kommen auf jede Zeile zwei Hebungen. Diesen entsprechen in der Musik zwei Takte, so dass das ganze Tonstück in der Regel acht Takte zählt. Die meisten Melodien endigen mit einem Jodler, andere aber auch ohne denselben. Von den vier Takten jeder Hälfte einer solchen Melodie bewegt sich der erste Takt im Accord des Grundtones , der zweite und dritte Takt wenden sich nach der Dominante, der vierte kehrt wieder in den Grundton zurück. Das ist die einfache harmonische Begleitung der meisten Schnadahüpfl- Melodien, eine tiefere Harmomsirung dulden sie nicht. B 6 h m e , OeBch. d. Tancei. 1 6 Digitized by Google 242 Alle Schnadahüpfl-Melodien sind nach ihrer Taktart im Tripeltakt (niemals im geraden Takt) gesetzt, sind Ländlermelodien. Diese dreitheilige Taktart hat den Vorzug , dass darin die zwei beliebtesten Versfüße Raum finden y nämlich der Yorherrschende Anapäst: »/^ H 1 J H 1 1 c*®. und der Jambus: V4 1 i I J I \ ^^' Überhaupt ist bekanntlich in dergleichen Liedchen selten ein Versmaß streng durchgeführt ; auch wäre dies vom dichtenden Volkfe , zumal bei Improvisationen, nicht zu verlangen. Da stehen zwischen den betonten Silben bald eine, bald zwei oder gar drei leichte. Wie die Textworte der Tanzweise angepasst oder aufgezwängt werden, wie bei überzähligen Silben durch Zu- satz kleiner Noten , bei fehlenden SUben durch Zusammenziehen mehrerer Noten zu einer man sich zu helfen hat, das versteht das singende Volk sehr wohl und kommt niemals in Verlegenheit , vom holprigen Vers Alles unterzubringen , ohne den Khythmus im Ganzen zu zerstören. Solche kurze Strophen giebt es massenhaft. Der Melodien, nach denen sie gesungen werden, giebt es höchstens einige Dutzende; die Schnadahüpfl-Reime selbst sind nach Tausenden zu zählen. Sie stehen zwar untereinander nicht im Zusammenhange, werden aber meist hintereinander nach derselben Melodie gesungen. Wo lustige Bursche und Mädchen beisammen sind, wird der Strom los- gelassen, mit mehr oder weniger Grazie geht es endlos fort, wobei der Humor und dichterische Einfälle die Hauptrolle spielen. In Süddeutschland sind diese Kinder deutscher Naivetät bei der sangvollern Sprache und dem leichten Vortrage erträglich ; in Mitteldeutschland, wo sie auch zuweilen vorkommen, wohin sie sich jedoch nur aus Süddeutschland verloren haben, werden sie plump und obscön. Manche dieser Tanzreime haben ein längeres Dasein gehabt und leben zum Theil noch weit verbreitet im Volksmund, z. B. »Und die Würzburger Glöckli hab'n schönes Geläut«, ))Chimt a Vogerl gefloge«, »Es ist nit lang dass g'regnet hat«. Viele dagegen haben ein ephemeres Dasein und sind bloß in bestimmten Ort- schaften bekannt geworden und wieder verschwunden. Alle aber sind Kinder des Augenblicks; auch von den beliebtesten und verbreitetsten weiß man nicht, wo sie gedichtet, und selbst die Frage darnach würde lächerlich erscheinen. Solche Liedchen waren von Haus aus nicht länger; sie etwa bloß als letzte abgebrochene Lebenszeichen einer weiland vollströmenden, aber nun absterbenden Volkslyrik betrachten, hieße ihre Natur und ihre Bestimmung verkennen. Wenn auch die aus der altern Zeit als Reigen und Tanzlieder auf uns gekommenen Ge- dichte längeres Athems sind, so ist daraus kaum etwas anderes zu schließen , als dass man damals (wie auch jetzt) nur geformte Dichterschöpfungen des Auf- schreibens werth gehalten, nicht aber die kurzen formlosen, jedem Mund ex tem- pore entschlüpfenden gereimten Einfälle. Falls auch die Ritter, wie billig, etwas Stattlicheres, Vornehmeres hören ließen , so waren die gemeinen Leute mehr auf die unvorbereiteten Eingebungen ihres Hausvorstandes angewiesen , welche ihnen gewiss nicht gefehlt haben werden und damaligen Tanzmelodien angepasst wurden. •Wahrscheinlich ist uns« , glaubt Dr. H. Holland , Geschichte der altdeutschen Dichtkunst S. 84, »sogar ein solches Schnaderhüpfel in einem Spruch erhalten, der dem lateinischen Liebesbriefe eines Mädchens eingefügt ist und nach dem Münchner Cod. Tegems. 1008 fol. 114 so lautet: Du bist mtn, ich bin dtn : des solt du gewis sin. du bist beslo;;en Digitized by Google 343 in mlnem herzen^ verlorn ist da; 8lu;;ellin : du muost immer dar inne sin. Und wäre es auch kein Tanzliedchen, so ist es doch wenigstens ein reizendes, sieben Jahrhunderte altes deutsches Liebesliedchen , aus der Umgegend von Tegemsee.«^ Die Zeit der Tanzlieder scheint far immer vorbei zu sein. Zwar entstanden in neuster Zeit noch allerhand Tanzreime auf beliebt gewordene Instru- mentaltftnze, z. B. auf einen Schottisch um 1840 — 50 sang man: »Ich sah ein' Topf mit Bohnen stehn, Und dazu auch die Brüh (Kleih) : Doch ließ ich Topf und Bohnen stehn Und schaut nur nach Marie.« Auf die um 1855 entstandene Schlummer-Polka sang man : »Ach ich bin so müde, Ach ich bin so matt ; Möchte gerne schlafen gehn, Moi^en wieder früh aufstehn.« Auf die um 1850 von E. Weißenbom komponirte Henriette Sonntag-Polka hörte man: »Traugott, lass den Affen los l« etc. Auf eine Galopp-Melodie um 1872 — 80 konnte man hören: »Wir gehn nach Friedenau (Lindenauj, da ist der Himmel blau !« Als neuesten, Anfang des Jahres 1886 in Berlin entstandenen, im März schon am Rhein überall gesungenen Scherzreim auf einen Walzer führe ich »den Mann mit demCoaks« an, welches furchtbare, epochemachende Zwiegespräch zwischen Tochter xmd Mutter sogar durch Studenten in viele fremde Sprachen übersetzt worden ist : ^Mutter, der Mann mit dem Coaks ist da !' Sei doch man stille, det weeß ich ja. ^Hast du denn Jeldf Ich hab* keen Jeld. ^Wer hat den Mann mit dem Coaks bestellt f Alle derartigen Lieder meist nichtssagenden, einfältigen, scherzhaften Inhalts sind streng genommen keine Tanzreime , da sie eigentlich nicht beim und zum Tanze gesungen werden. Das Aufhören der Tanzlieder geschah allgemach seit der Mitte des 17. Jahr- hunderts und zwar verstummten nach und nach die Tanzreime durch das Empor- kommen der Instrumentalmusik, durch das Aufhören des Tanzens im Freien und damit das Absterben der Beigen, sowie endlich durch das Aufkommen fremd- ländischer Tänze. Im Ganzen haben wir das Aufhören des Singens zum Tanze nicht zu beklagen, da die meisten Tanzreime doch poesielos und nichtssagend oder gar schmutzig ihrem Inhalte nach geworden waren , die durch Tanzen schon angestreng^n Lungen durch Singen noch mehr und nutzlos strapazirt werden und am Ende doch gewiss Instrumentalmusik zum Tanz viel schwunghafter, beflügelnder und in jeder Beziehung zweckmäßiger erscheint. In den Kinderreigen (Kapitel XVII) werden wir noch alten Überresten von Tanzliedern der Vorzeit begegnen. 1 Übrigens kennen auch andere Völker den kurzen improvisirten Tanzreim. Wie sich am Nord-Ende Europas der norwegische Bauer zur Ergetzung seine kurzen stäv oder sta^'e-vise dichtet (s. L. Halliger, JNorkordsamling), so ergießt sich am Süd-Ende der andfliusische Majo nach immer wiederkehrenden kunstlos gereimten Coplas de re- pente oder seguidlUas. deren Inhalt und Bauart mit den bayerischen Schnadahüpfln eine unverkennbare Ähnlichkeit haben. 16» Digitized by Google 244 Zwei sehr verbreitete Ausdrücke, die zwar keine Tanzarten und auck nickt etwa Tanzlieder, Bondem überkaupt »Volkslieder« bezeicknen, müssen kier erwäknt werden : . KnlireUieii mid Bergreiheii. Kukreiken oder Kukreigen nennt man die einfacken, kunstlosen Melodien, welcke von den Alpenkirten in der Sckweiz beim Austreiben oder Zusammenrufen der Herde auf dem Alpenkom (Kukkom] geblasen werden. Diese jetzt immer seltener zu kOrenden Melodien wurden auck mit Textworten verseken und gesungen. Daker ist es gekommen, dass man zuletzt unter Kuk- reiken alle Arten Volkslieder der Sckweizer verstekt und dieselben unter diesem Titel (Kükreiken) zu Anfang des 19. Jakrkunderts fleißig gesammelt kat. Diese Lieder mit ikren Melodien (davon ick unter MB. 63. 335. 337 einige Beispiele mit- tkeile) kaben wokl nie als Reigen für Menscken gedient, wokl aber sind die Vierfüßler auf ikre Weideplätze nack denselben aufeaarsckiert. Das Gkarakteristiscke ist das Auf- und Niedersteigen in den Accordt6nen desselben Accordes, ein unvermittelter Übergang von den Brusttönen zum Falset, was man Jodeln nennt, ein melodisckes Aufjauckzen der innem Lust, wie sie in der Alpenluft so leickt geweckt wird; femer das Taktlose und Urwücksige im BkytkmuB. Der Vortrag dieser Alpenmelodien und Jodler bringt in den wider- kallenden Bergen ungemeine Wirkung kervor, die den Wanderer poetisck berübrt und ikm unvergesslick bleibt. Im Sckweizer, der solcke Alpenklänge in der Fremde kOrt, wecken sie das Heimwek. Auck für uns Nicktsckweizer klingt aus jenen Weisen leise Wekmutk, welcke die Freude dämpft und mildert ; sie gekt ans Hers und man muss dem ekrlicken Küker gut sein. Bergreiken soll ursprünglick die von Bergleuten in Sacksen und BOkmen (Joackimstkal , Freiberg u. s. w.) gesungenen Tanzlieder bezeicknen. Der Name ist aber sckon zu Anfang des 16. Jakrkunderts unpassend auf alle Arten Lieder und Gesänge übertragen, z. B. sind in der vielmals gedruckten Sammlung »Berkreyen. Etlick SekOne gesenge, newlick zäsammen gekrackt« (Nürnberg 1537] volkstkümlicke und meistersingeriscke, weltlicke und geisüicke Texte zu finden und alle sind als »Keyem benannt, so dass der Begriff Tanzlied dabei nickt mekr in Betrackt kommen kann. Die Bergleute oder wokl die Berg- knappen mit ikrer Musik sckeinen damals als besondere Erfinder, Pfleger und Bewakrer des Volksgesanges im Rufe gestanden zu kaben, weskalb alle populären Gesänge nack iknen Bergreiken genannt wurden. Zwei Melodien von Bergreiken s. MB. 22* und 56. Digitized by Google 245 Kapitel XYL Tauzmxusik und Tanzmnsiker. A. Die Tanzmusik. \ Die Grundzüge der Entwickeltmg aller, also auch der Tanzmusik, habe ich tM^hon in der Einleitung (S. 2) angedeutet: zuerst kam das rhythmische, dann das melodische und endlich das harmonische Element zur Ausbildung. Trommeln und Pfeifen waren darum die älteste Tanzmusik imd jedenfalls auch bei den Ger- manen in vorhistorischer Zeit. Bald nach dem historischen Bekanntwerden unserer Voreltern hören wir von ihren Tanzliedern, was jedoch nicht ausschließt, dass nebenbei zur Abwechslung beim Tanz von Spielleuten noch immer fortgetrommelt, gepfiffen und zu den Liedern gegeigt wurde ; schon das Erwähnen von Thüringer und Elsässer Tänzen zur Minnesingerseit kann das bestätigen. Durch das ganze Mittelalter sang das deutsche Volk zu seinem Tanze; dafür zeugt nicht nur das Vorhandensein vieler Tanzlieder, sondern auch das wiederholte Predigen gegen unzüchtige Tanzgesänge und die darauf bezüglichen obrigkeitliehen Verbote. Wir finden zwar schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts Tanzlieder für Instrumente (Laute, Orgel, Klavier) arrangirt und Tänze ohne Text für besagte In- strumente komponirt. Allein das Gedrucktsein der Lauten- und Orgelstücke be- weist noch nicht, dass man auch wirklich nach ihnen getanzt habe. Im Gegentheil waren solche Lautenstücke wie auch die Sätze für die Orgel bloß Hausmusik, zur Unterhaltung der Vornehmen bestimmt ; denn die Laute war ein gar schwer zu er- lernendes vornehmes Instrument, das durch seinen magern Ton zum Tanzaufspielen für die Menge sich nicht eignete ; ebensowenig dürfte damals iu dem Klange der Spinetten und dem Hausorgelspiel gehüpft und getanzt worden sein, wie ich später noch darlegen werde. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das deutsche Volk noch das ganze 16. Jahrhundert hindurch zu seinen Tänzen gesungen habe. Erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts, seit dem Emporkommen der In- strumentalmusik in Theater, Koncert und Kirche verstummte allgemach das ge- sungene Tanzlied und an die Stelle der »Qesangtänzea traten die Instrument taltänze. Wie waren die Tänze in ältester Zeit beschaffen. Fragen wir nach der Mu sik der ältesten Tanzweisen, so sind wir noch übler daran, als mit den Texten, weil alle Musiknoten bis ins 13. Jahrhundert fehlen, auch keine Hoffnung vorhanden ist, jemals Notationen weltlicher Weisen vor dieser Zeit zu entdecken, da in der Regel keine niedergeschrieben worden sind. Würdejanoch etwas derartiges aufgefunden, so könnte es nur mit den unsichem und schwer zu entziffernden Neumen notirt sein, die höchstens die Tonfolge andeuten, alle Tonhöhe, Tonart imd Rhythmus aber unbestimmt lassen. Um nur ein annäherndes Bild von der musikalischen Beschaffenheit der äl- testen Singweisen zu den Reigenliedem zu erlangen, müssen wir die wenigen noch erhaltenen echten Yolksreigen-Melodien untereinander vergleichen und die Digitized by Google 246 noch lebenden Einderreigen zur Ergftnzung des Bildes hinzunehmen. So oder fthn- lieh wie diese waren die alten Yolksreigen. Die Kingelreihen-Melodien unserer Kinder lassen in Betreff ihrer Tonfolge eine große Ähnlichkeit untereinander und ebenso eine auffallende Familienähnlich- keit mit den Yolksreigen des spätem Mittelalters erkennen, was für das hohe Alter- thum der Kinderreigen, wiederum aber auch für die Annahme spricht , dass in den Melodien der Kinderreigen , sowie in deren Ausführung uns alte Volksreigen er- halten geblieben sind. Ich habe nach langer Untersuchung aus den so oft wieder^ kehrenden melodischen Formen folgende drei Ghrundgestalten (Typen) aufgestellt, denen sich mit wenig Varianten fast alle Kinderreime und älteren Volksreigen unter- ordnen lassen : I. Typus. Verweilen auf der Quint, mitunter die nachbarliche Sext berührend und zum Schluss in die Terz herabsinkend. 1 . Variante. Sll a /-KV- AM0f — p-H — -j-y-w- 1*1» f. — F—h-rf-F—^- y 4 ^j-'—±: — f—^-,^ — u- r ^ ^ ' r ^ Damach gehen folgende Texte von Kinderreigen und alten Tanzliedem : Ringel, Ringel, Reihe. S. 294, MB. 306*. Ringel, Ringel, Rosenkranz. S. 295, MB. 306^. Summer, Summer Maie l [zum Frühlingsumzug der Kinder. Erkn,2, 36.] Stab aus l dem Winter gehn die Augen aus. MB. 306^. Tra-ri-ra I der Sommer der ist da 1 Regne, regne Tröpfchen. Krone, Krane, schwickle Schwane. S. 296 f. Nix in der Gmbe. MB. 306^ Hermann, sla Lärm an. MB. 306^. Blau, blau Blumen auf mein Hut. MB. 323. Aus fremden Landen komm ich her. MB. 15*. Mit Lust tret ich an diesen Tanz. MB. 15^. n. Typus. Aufsteigen bis zur Quint. Variante. jr;3 i rrr-m^ i f ' ii jiS-iJ.ffJir m Das ist die Giundlage zu folgenden Tanzliedem und Kinderreigen : 'S isch no nit lang, dass gregnet hat. MB. 313*. 'S is gor nit lang, dass greigent hat. MB. 313^. Mei Mutter kocht mir Zwiebl und Fisch. MB. 312. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. MB. 310. Jammer in der Grube. MB. 309. Jubelmelodie der Echternacher Springprocession. MB. 311. Siebensprung. MB. 316. 317. So treten wir herfüre. MB. 322. Es regnet auf der Brücke. S. 299, MB. 308. Tuk, tuk, tuk, mien Hähneken. Erk I, 3, 5. Digitized by Google 247 III. TypuB. Herabsteigen vom Gnmdton bis zur XJnterquart. Variante. | H?? -1= rrvT^ i m it±±± Darnach singt man : Adam hatte sieben Söhn'. MB. 327®. Et ging en Paterke längs de Kant. MB. 327*. Daer ging en patertje längs de kant. MB. 327^. Die Gans die kommt aus Sachsen. MB. 327®. Es steht auf unserer Wiesen. MB. 325. Op de grOne Wese. MB. 326. Nimm sie bei der schneeweißen Hand. MB. 323. Es kam ein Mann von Nineveh. [Eanderreigen, die Verlobung darstel- lend, in Schleswig-Holstein und Sachsen bekannt, s. S. 309.] Do kohm all ein EanOnneken an, Omen, domen, dis. [Dasselbe Spiel am Niederrhein. Erk II, 4/5, Nr. 49.] Sellerie und Suppenkraut. S. 307, MB. 307. Rosmarin und Thymian wächst in unserm Qarten. S. 307, Mel. MB. 307. Lange, lange Reihe, zwanzig ist eine Steige. S. 295, MB. 307. Aller Wahrscheinlichkeit nach war für die Tanzweisen der frühesten Zeiten, wie noch jetzt, die Durtonart vorherrschend. Das war offenbar die Ursache, weshalb bei gelehrten Musikern des Mittelalters das Dur [ionisch) für lasciv galt und für kirchliche Musik verachtet war. Auch der Umstand, dass die ältesten, durch mündliche Tradition auf uns gekommenen Reigenmelodien alle aus Dur gehn , spricht für meine Vermuthimg. Für die düstem Balladen mag man wohl Moll angewendet haben, für die lyrischen heitern Reigen dagegen Dur. Nur diese beiden Tongeschlechter hatten die deutschen Spielleute vermuthlich längst, während die »Musiker« sich mit den aus dem Orient gebrachten, den Abendländern aufgedrungenen nebulösen Kirchentonarten herumplagten ; zu dieser Annahme des Musikhistorikers Eiesewetter neige ich mich auch. Ob die altdeutschen Tanzweisen imgeraden oder ungeraden Takte gingen, ist ebenfalls eine offene Frage. Nach meinem Dafürhalten wurden sie in be iden Taktarten gesungen imd getanzt. Die Musikhistoriker F6tis und Coussemaker entzifferten jede alte Melodie des 8. — 12. Jahrhunderts durch Übertragen in den Tripeltakt. Mag dieses Verfahren für die lateinische und französische Sprache einiges für sich haben, mag es auffallen, dass bis in das 14. Jahrhundert für die Tondauer (Mensur) nur zwei Zeichen (longa und brevis) vorhanden sind, die in ihrer Aufeinanderfolge immer nur den dreizeitigen Takt # t 1 ^ t | ^^' u^^s vorführen, und diese Erscheinung auch in den erhaltenen Neidhart* sehen Weisen anzutreffen sein : für die deutsche Musik sehe ich keinen Qrund, warum sie vor Zeiten bloß aus Tripeltakt bestanden haben solle. Beide Grundformen des Zeit- maßes kann der Deutsche seit Beginn des 14. Jahrhunderts durch Denkmäler nach- weisen und hat sie jedenfalls schon seit undenklichen Zeiten gebraucht, da so etwas, wie gerader Takt, nicht erst erfunden wird, sondern mit dem Schritte dem Men- schen angeboren ist. Ich kann daher dem Ausspruche Richard Wagners^ der den geraden Takt für den urdeutschen erklärt, nicht unbedingt beipflichten. Ist damit bloß die Lieblingstaktart gemeint, daxin deutsche Meister bis auf Wagner [und Digitized by Google 248 gerade Letzterer) ihr Bestes niedergelegt haben, so stimme ich bei, obgleich der deutsche Walzer dabei etwas in Verlegenheit kommt. Verlassen wir nun das Gebiet des Möglichen, aber doch Ungewissen, und treten wir auf historischen Boden. Eine ansehnliche Zahl alter Tanzweisen in Noten und mit Text ist ans glücklicher Weise aus dem Mittelalter gerettet und zwar theils in Handschriften, theils in Drucken uns erhalten. Freilich laufen sie nicht auf der Qasse herum, sondern man muss darnach suchen, lange suchen und man wird für diese Musik- gattung aus der Vorzeit noch manches finden, das den bisherigen Forschem ent- gangen ist, oder von ihnen, weil sie nur nach geistlicher Chormusik oder mehr- stimmigen weltlichen Liedern spürten, als werthlos bei Seite geschoben wurde. Die ältesten Überreste deutscher Tanzmusik reichen bis ins 13. Jahrhun- dert^ zurück: es sind einige Tanzliederweisen, die sich zuNeidhart's Gedichten erhalten haben. Die Handschriften, darin die Musiknoten überliefert sind, stammen erst aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, die Gedichte mit Melodien sind offenbar zum Gebrauch für Spielleute zusammengetragen. Die Notation der Neidhart' sehen Melodien, abgedruckt nach der alten Hand- schrift in Y. d. Hagen's Werk »Minnesinger« IV. Band Notenbeilagen, ist zwar leserlich, aber in der Mensur der Noten so ungenau und unzuverlässig, dass man seine liebe Noth hat, ein halbwegs singbares Musikstück herauszufinden und weil die Noten vom Text gänzlich getrennt sind , kann die Textunterlage nicht ohne Schwierigkeit und ohne einigen Zwang geschehen. Ich habe versucht, drei Sommer- lieder und einen Reien von Neidhart in moderne Noten zu übertragen, und in MB. Nr. 1 — 4 mitgetheilt. Neidhart' 8 Melodien, die entweder von ihm selbst oder wenigstens aus jener Zeit herrühren, sind meist im Tripeltakt zu singen. An mehreren Stellen scheint sich sogar der Taktwechsel einzustellen, d. h. solche Abwechslung, dass nach einigen ^4 Takten mehrere in Y4 Takt kommen, dann Y4 Takt wiederkehrt und so fort. Die sonderbaren Überschriften zu Neidharts Melodien, als: tisell tasell, der schwarze dorn, der veyhel, der sawerkubel, das seil, der prem, krenzelein, rephun, das guldin hun, hasenjaid, Nithart im va; und dergl. mehr können recht wohl die N amen für Tanzweisen sein, welche diese Benennung den zuerst dazu gesungenen und später verloren gegangenen Tanzreimen verdanken. Ähnlich mag es sich mit den Überschriften verhalten, die über dreistimmigen Tonsätzen (ohne Text) in einem handschriftlichen Liederbuch des 15. Jahr- hunderts in der Königlichen Bibliothek zu Berlin [Ms. mus. Z 98] stehen. Mehrere Sätze daraus hat R. Eitner in seine »Tänze des 15. — 17. Jahrhunderts« (Beilage zum VII. Jahrgang der Monatshefte] aufgenommen und zweifelt nicht daran, dass mit den sonderbaren Titeln »Bauernschwanz«, »neuer Bauern- schwanzc, »Pfauenschwanz«, )»Rattenschwanz((, »Kranichschnabel« deutsche Tänze gemeint sind. Ich gebe aus jenen dreistimmigen Sätzen bloß die Hauptmelodie in kleineren Noten als MB. 50 — 54. Die Weisen, vorausgesetzt dass sie wirklich Tanzweisen waren, erscheinen für den Tanzschritt sehr ungefüg. Auffallend ist, dass einem dreistimmigen Satze des Berliner Liederbuchs , der die Überschrift »der fochs schwantza führt, gar ein geistlicher, lateinischer Text untergelegt ist, welcher lautet : »O lux luminis, splendor etiam syderis, illuminac etc. ^ Auch die Franzosen kömien vom Tanz kein älteres Monument aufweisen, als die aus dem 13. Jahrh. stammende Cantilena choreae, die mit einem lateinischen mondisirenden Texte sich erhalten hat. loh gebe sie in MB. 80. Digitized by Google 249 Eiiiige dieser Tfinse hat das Berliner Liederbuch gemeinsam mit dem so- genannten Walther*schen dreistimmigen Liederbuch des 15. Jahrhunderts (Hschr. auf Münchner Hof- und Staatsbibliothek, von R. Eitner 1880 in Partitur erschienen) . Biese Parallelmelodien hat Eitner in seiner Tanssammlung gebracht. Aus andern alten Liederhandschriften mit Musiknoten habe ich für meinen Zweck, die alte Tanzweise durch Notenbeispiele zu illustriren, wenig ausbeuten können. In der Jenaer Minnesingerhandschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts konnte ich nichts TanzmSJliges finden. Höchstens gehört hierher der in diesem Codex S. 46 stehende 145 Zeilen lange und langweilige »Lei eh vom wilden Alexandere, der anhebt: Min trdrichliche; klagen ist da;, da; mich vorsneit minne, o wftl [s. Bartsch, Liederdichter 223.] Auch in der Wiener Handschrift (Nr. 509 Bl. 44^) füllt dieser Alexandei^-Leich mit seiner sehnsüchtigen Klage über acht Seiten mit Punktnoten. Die alte Leichform , wie sie dereinst beim Tanz üblich war , kann man an diesem musikalischen Ungeheuer wahrlich nicht studieren. Nur soviel ersieht man : der Text ist durchkomponirt, nur die drei Anfangszeilen wiederholen ihre Melodie, dann geht es in musikalischen Phrasen, ohne dass eine Wiederholung kommt, oder ein Motiv festgehalten wird , bis ans Ende wüste fort. Recht gut war für die Poesie und Musik , dass solche Unf orm aufgehört hat. In der 1392 — 1400 geschriebenen Spörrschen Liederhandschrift (Wiener Hofbibliothek Nr. 2886) und in der gleichalterigen Lambacher Liederhandschrift (W^iener Hofbibliothek Nr. 4696) fand ich zu meiner Überraschung und zwar übereinstimmend notirt zum erstenmal die deutsche Tanzform, aus Vor- und Nachtanz bestehend, zu dem sehr lüsternen Texte : DUntaxnslaf tut den sumer wol« [MB. 8]. Aus dem Locheimer Liederbuche [Handschrift des 15. Jahrhimderts, um 1452 — 60 zusammengetragen, in der gräflich Stollberg' sehen Bibliothek zu Wernigerode. Herausgegeben von Dr. W. Arnold. Leipzig 1867] wüsste ich keine andere Tanzweise zu nennen , als die schon mehrfach gedruckte : »Ich spring an disem ringe« [MB. 11]. Gedenken wir nun der zahlreichen reizenden Tanzlieder mit ihren Melo> dien, die uns in gedruckten Stimmbüchern des 16. Jahrhunderts aufbe- wahrt blieben. Sie sind für mehrstimmigen Gesang bearbeitet in Mensuralnoten geschrieben und ihre Aufführung gehörte zur Hausmusik jener Zeit. Weil solche Liederbücher schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gedruckt erschienen und darin neben Gesellschaftsliedem auch allerlei alte bekannte Volkslieder vorkonmien, so darf man die Entstehung mancher dieser Volksweisen wenigstens ins 15. Jahr- hundert, in die Blüthezeit des deutschen Volksgesanges, zurückdatiren. Die gedruckten Liederbücher des 16. Jahrhunderts, welche mehrstimmige Tonsätze der verschiedensten Meister in Menge enthalten, will ich hier kurz mit ihrem Titel aufzählen. Das Bibliographische dazu giebt mein »Altdeutsches Lieder- buch«. Es sind: 1) Oeglin*s Sammlung. Augsburg 1512. 2) Peter Schöffer's I. Liedersammlung. Mainz 1513. 3) Grasliedlia. Frankfurt a.M. 1535. 4)Gassen- hawerUn. Das. 1535. 5) Reutterliedlin, Das. 1535. 6) Gassenhawer und Reutter- liedlin, circa 1536. 7) Johann Ott's Liederbuch. Nürnberg 1534. 8) Heinrich Finck's Lieder. Nürnberg 1536. 9) Peter Schöffer*s und Apiarius' Liederbuch. Digitized by Google 250 1537. 10) Johann Petreins, Triiun vocum cantiones. Nürnberg 1541. 11) Qeorg Bhaw, Tricinia. Wittenberg 1542. 12) Georg Rhaw, Bicinia. Wittenberg 1544. 13) Job. Ott*8 in. Liederbuch. Nürnberg 1544 (Neue Partitur- Ausgabe durch die Gesellschaft für Musikforschung) . 14) Wolfgang Schmeltzers Quodlibet. Nürnberg 1544 : :»Guter seltzamer vnd kunstreich deutsch gesang, sonderlich durch etlich künstliche Quodlibets. 15) Georg Forster*s Liedersammlung in 5 Theilen. Nürn- berg 1539—1556. Wir finden in diesen kostbaren Sammlungen unter den volksmäßigen Weisen jedenfalls auch manche zum Tanse gesungene Volksmelodie ; auch zuweilen da, wo das Lied nicht als Tanzlied (wie das in MB. Nr. 13 gegebene durch Vor- und Nachtanz erkenntliche) angezeigt ist. — Die Hauptmelodie (cantus firmus) ist nach damaligem Brauche fast immer in die Tenorstimme gelegt. Sind dort die Singweisen mit eckigen Noten von langer Dauer notirt, so haben wir uns jedenfalls jede Note doppelt oder vierfach rascher gesungen zu denken tmd bei der Übertragung in moderne Noten die alte Notendauer entsprechend zu kürzen. Wenngleich zuweilen die Tonsetzer (Kontrapunktisten) behufs ihres mehrstimmigen Satzes manche Variante an der vorhandenen Melodie sich erlaubten, so sind der- gleichen kleine Abänderungen doch nicht im Stande, uns das schöne Bild vom Volksgesange und zugleich vom Singtanze des deutschen Volks im 15. und 16. Jahrhundert zu entstellen. Aus diesem Liederschatz jener Zeit habe ich eine Anzahl solcher Tanzlieder mit ihren Sing weisen in meinen Musikbeilagen mitgetheilt. Von Mittheilung der damaligen Harmonie musste ich Platzes halber hier absehen. Wir haben an der Melodie den Lebensträger und die Seele des Tanzes der Vorzeit; diese Melodien sind durchaus nicht zu verachten , sogar zuweilen überraschend schön. Sie sind sämmtlich in der Form abgerundet, in ihren Theilen symmetrisch aufgebaut, oft nur aus einer einzigen Periode oder meistens nach Form des drei- theiligen Liedes, mit Wiederholung des ersten Theiles und einem Nachsatz, wie ihr Text mit seinen beiden Stollen und dem Abgesange klar anzeigt. Sie eignen sich recht wohl zum Tanz, die geradtaktigen Melodien zum langsam getretenen, die im dreitheiligen Takte zum Springtanze und Reigen. Bezüglich ihres Charakters haben sie fast alle etwas Ruhiges, Ernstes, fast Schwerfälliges in ihrer Bewegung. Bedenken wir aber, dass im Mittelalter Alles langsamer als jetzt von statten ging, so werden wir von jenem Zeitalter nicht fordern, was etwa unsere eisenbahnhastige, raschlebige Zeit verlangt, und werden dann jene in mäßiger Freude und moderirt im Tempo an uns vorüberziehenden Tanz- weisen nicht ungerecht beurtheüen. An die mehrstimmigen Liederbücher des 16. Jahrhunderts schließen sich einige, welche nur einstimmige Melodien und zwar zu geistlichen Texten sogar Tanzweisen darbieten. Weil hier die Kontrapunktiker an der Melodie nichts gemodelt haben, so sind uns darin unverfälschte Tanzweisen jener Zeit gerettet. Zu diesen Liederbüchern gehört zunächst das niederländische Gesangbuch j»Souterliedeken8« (d. h. Psalmlieder auf weltliche Melodien), Antwerpen 1540. Darin sind auch vier altniederländische Tanz weisen mit ihren Anfangs- worten enthalten [s. MB. 79]. Femer bringt eine von Valten Vogt gefertigte Liedersammlung »Geistliche Ringeltentze. Aus heiliger Schrifft, Vor die Jugent. Gedruckt zu Magdebui^ durch Hans Walther 1550« 17 geistliche Texte zu 6 Tanzweisen, die in Noten bei- gedruckt stehen. Diese weltlichen Ringeltanzmelodien gebe ich in den Musikbei- lagen 15 — 20. Digitized by Google 251 Die SItesten Tinze für Instrumentalmusik. Sie begegnen uns zuerst im 16. Jahrhundert. Die Spielleute des Mittelalters aber, welche die Tanzlieder mit ihren Melodien erfanden und verbreiteten, mögen schon lange vor dieser Zeit Tänze bloß für Instrumente (ohneOesang) aufge- spielt haben, davon leider nichts mehr erhalten ist. Wir kOnnen also rückwärts den Zeitpunkt für die Entstehung der Instrumentaltänze nicht sicherstellen. Nur so viel steht historisch fest, dass die Tänze eine kunstgemäße, mehrstimmige Bearbeitung für Klavier, Orgel und Laute erst im 16. Jahrhimdert erfahren haben und für allerlei Streich- oder Blasinstrumente gesetzt erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts vor- kommen. Die frühesten Tonstücke für Instrumente aller Art (als für Lauten und Geigen, Orgel und Klavier) waren Übertragungen von mehrstimmigen Gesangs- stücken: es waren geistliche und weltliche Lieder, lateinische Motetten, ita- lienische Madrigale und Ganzonetten. Neben die Gesangstücke ohne Worte traten bald auch Volkstänze (deutsche, französische und italienische), welche vorher von Spielleuten aller Länder meist bloß einstimmig (melodisch) mit Sackpfeifen- und Trommelbegleitung aiifgespielt worden waren, jetzt aber kunstgerechte harmo- nische Begleitung bekamen. Solche mehrstimmige Tänze erschienen damals in Tabula tu ren gesetzt (d. h. für Tasteninstrumente und für Laute in eine Art Partitur gebracht) und waren mit geringen Koloraturen ausgeziert, bald aber in allen Stimmen figurirt. Von den ursprünglichen Texten setzte man bloß die Anfangsworte als Überschrift. Wenden virir uns zunächst zu den Tänzen, die uns in deutschen Lauten- tabulaturbüchern des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts begegnen, so haben wir diese Bücher nach ihrem gekürzten Titel erst vorzuführen. Es sind der Zeit- folge nach : 1. Hans Judenkunig, Lautentabulatur. Wien 1523. * 2. Hans Gerle, Lautenbuch. Nürnberg 1532. 3. H. Jakob Wecker, Lautenbuch. Basel 1552. 4. Seb. Ochsenkhun, Tabulaturburchauff die Lauten. Heidelberg 1558. 5. Wolf He ekel, Lautenbuch. Straßburg 1562. 6 . Bemh. J o b i n , New erlesener Lautenstück. Straßburg 1572. 7. Melchior N e WS i dl er, Teütsch Lautenbuch. Straßburg 1574. (Vermehrte Auflage 1594.) 8 . Matthäus Waisselius, Tabulatura (mit lateinischem Titel) . Frankfurt a. 0. 1573. Andere Ausgabe mit deutschem Titel: Tabulatura oder Lautenbuch allerley künstlicher Präambtda, auserlesener teutscher und polnischerTäntze, Passamezen etc. auff der Lauten zu schlagen. Frankfurt a. O. 1592. 9. Gregor Krengel, a) Tabulatura nova. Frankfurt a. O. 1584. b) Lauten- stück verschiedener Art. Daselbst 1584. 10. AdrienDenß, Florilegium. KOln a. Rh. 1594. 11. J. Rühling, Tabulaturbuch ca. 1590. (Handschrift der Berliner König- lichen Bibliothek.) 12. Hainhofer's Lautenbücher. Anno 1603. (2 Folianten.) (Handschrift der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel.) 13. J. B. Besard (geboren zu Besan9on, lebte später als Dr. jur. und Advokat in Augsburg, berühmter Lautenspieler), Thesaurus harmonicus. Köln 1603. Novuspartus. Augsburg 1617. (Beide Werke enthaltenArrangements für die Laute.) Digitized by Google 252 14. NiederländiBcheB Lautenbuch yon Thysius aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. (Mit kritisoh-historischer Einleitung und Anmerkungen neu herausgegeben von Prof. Dr. J. P. Land in Leyden : Het Luitboek van Thysius. I. Heft: Niederländische weltliche Singweisen. U. Englische Singweisen. HI. Französische Melodien. IV. Tanzweisen. 15. Tabulatur für Cyther mit 6 Saiten (1592). Ms. Dresd. J. 307. Enthfilt 22 mehrstimmige Musikstücke (Chorftle, weltliche Lieder und Tänze) , welche für den kursächsischen Prinzen Johann Qeorg I. von seinem Musiklehrer geschrieben sind. Die Musik in den Tabulatnren ist bekanntlich mit schwerftUigen Zeichen, Buchstaben und Ziffern notbt, darum nur für denjenigen lesbar, der zu ihrer Ent- zifferung monatelang sich Mühe gab und Fachkenntnis dazu auf historischem Wege sich zu verschaffen nicht scheute. Mit Recht fragt der germanistische Alter- thums- und Sprachforscher Herr v. Lassberg (1838) in einem Briefe an Uhland (s. Uhlands Schriften IV, 189) bei Auffindung einiger Blätter mit Lautennotation : »Wer kann diese alte Musik lesen ?t Die gefundenen 6 Querfolioblätter Mspt. aus dem XVI. Jahrhundert enthielten : 1) Der Benzenauer in Tants Weis. 2) Der Schwarz Knab, Tantzweis geflorieret. 3) Sankt Jacobis Dantz. 4) Der Moriagen Danntz. 5) Der Hoppen Dantz. Seit der Zeit, als Lassberg jene Frage nach Entzifferung aufwarf, sind wir in der Musikgeschichte etwas weiter gerückt und ist es mehreren fleißigen Forschem gelungen, solche Tabulatur en zu lesen und zu übertragen. Ich gebe aus obgenannten Lautenbüchem eine Anzahl einstimmiger Tanzweisen in modernen Noten (MB. 57 — 75), aber nicht um ihrer Schönheit willen, sondern nur um dem Wissensdrange derer zu begegnen, welche einmal die so oft imd viel genannten Tänze jener Zeit klingend vor sich haben möchten. Diese Tanzstücke für Laute sind zweifelsohne durch das Arrangement uns in verde|rbterGestalt überliefert. Mager und dürftig verhält sich der Klaviersats gegenüber dem glänzenden Orchester einer Sinfonie ; so ähnlich, aber noch viel dürftiger abfallend verhält sich der Lautensatz zu einem guten Elaviersatse. Ge- haltene und getragene Töne giebt es nicht, immer nur ein Klimpern undEjiippem. Wegen mancher schweren oder ganz unmöglichen Griffe auf der Laute mussten dort einzelne Melodie- oder Accordnoten abgeändert, nachgeschlagen oder ganz ausgelassen werden. Die gesungenen langen Noten der einfachen Volkstanz- weise werden vom Lautenisten in kleine Ziemoten und Schnörkel au%elöst , um die Melodie beweglicher und schmackhafter zu machen, was man «florieren« , sge- florierttt nannte. Die im Lautensatze hinzugefügte Harmonie, die gern einen vierstimmigen Chorsatz erstreben will , war meist eine lückenh&fte, zuweilen ganz barbarische^ bei deren Anhören die Haare sich sträuben möchten. Weil jene Lauten-Harmonie zumeist für unsere Ohren unerträglich und ohne Kunstwerth ist, so habe ich von derselben nur wenige Proben (MB. 132 — 138) gegeben. Untersuchen wir nun die Orgelt abulaturbü eher nach Tänzen. Die ältesten gedruckten Orgelbücher, die zugleich für Klavier Instrumente dienten, sind in Deutschland folgende : 1 . Amolt S chli ck , Tabulaturen Etlicher lobgeseng und liedlein vff die orgeln und lauten. Mentz, bei Peter Schöffer 1512. 2. E. Nie. Ammerbach, Orgel oder Instrument Tabulatur. Leipzig 1571. 3. Bemh. Schmid, Tabulatur auff Orgel vnd Instrument. StraBburg, bei Bemh. Jobin 1577. Digitized by Google 253 4. Jftcob Paiz, Orgel*TabiilataTbuch. Laupingen 1583. 5. Bemh. Schmid (jun.), Tabulatur auf Orgel und Instrument. Straß- borg 1607. 6. Job. WoltB, Nova musices organieae tabidatura. Basel 1617. 7 . Sam. S cb e i d t , Tabulatura nova (Orgeltabulatur] . Hamburg 1 624. In allen diesen deutseben Orgelbacbem (mit Ausnabme des Seblick'scben Nr. 1) sind neben andern Musikstacken aucb zahbreicbe Tänze zu finden, wenn solcbes aueb auf dem Titel niebt angezeigt ist. Sie sind von gelebrten Organisten arrangirt, tbeils komponirt, darum im Satz reiner, als die in Lautenbücbem stehen- den Tanzbearbeitungen, obwohl aucb hier unser modernes Obr von manchen Quint- und Octavparallelen, weit mehr aber von schreiendsten QuerstSnden hart beleidigt wird. Der harmonische Satz sucht wie in Chorliedem und Motetten die Vier- stimmigkeit wiederzugeben. Die Melodik klingt wenig reizend und ist noch trockner als die aus der Tonart beinahe nicht herausgehende Harmonie. Sie klingen im Ganzen wenig zum Tanz lockend, herbe, unbeholfen. Es ist ein ermüdender Kling -Klang, ohne melodische Mannigfaltigkeit und ohne Aufschwung, ohne Charakteristik der einzelnen Tanze. Wie ein Tanz klingt, so klingen sie beihahe alle. Far Musiker und Musikfreunde habe ich eine kleine Anzahl solcher für Orgel und Klavier bearbeiteter Tänze in ihrem mehrstimmigen Originaltonsatze MB. 141 — 1 56 mitgetheilt. In Frankreich sind zwei Sammlungen von lenzen für Orgel oder Klavier als älteste Quelle für französische Tanzmelodien namhaft zu machen : t. Attaignant's Sammlung. Paris um 1530: «Quatorze Gaillardes, neu Pauanes, sept Branles et deux Basses Dances le tout reduict de musique en la tabu- lature du ieu d'orgues , Espinettes , Manicordions et telz semblables Instruments musicaulx. Imprimees a Paris pa^ Pierre Attaingnant.« [40 Bl. kl. 4^ K. Bibl. München.] ^ 2. Qolier*B Sammlimg für Spinett arrangirte Musikstücke. Lyon 1560: »Premiere livre de tabulature d^Espinette : Chansons, Madrigale et Qalliards. Lyon, S. Qblier, 1560c. Ein Buch bloß mit Tanz en für Klavier , wohl das älteste seiner Art, erschien 1551 zu Antwerpen von und bei Susato, d. h. von Soest in Westfalen gebürtig. Der niederländische Titel heißt : >Het derde musykboekken . . . daerinne begrepen syn alderhande dansery . . . zeer lustich ende bequaem om speien op alle musicale Instrumenten«, zu deutsch : »Allerhand Tänze, welche sehr lustig und bequem auf allen musikalischen Instrumenten zu spielen sind«. Unter Instrumenten sind die Tasteninstrumente Clavichordum, Monochordum, Spinett und Orgel zu verstehen. Denjenigen, welche durch Aufspielen von Orgeltänzen etwa die Kirchen entheiligt glauben oder gar vermeinen (weil einige Schriftsteller es gesagt), man habe nach Psalmweisen getanzt, bin ich zur Beruhigung eine Aufklärung schuldig. Die Orgel war im Mittelalter nicht bloß Kirchen-, sondern auch in ihrer kleinen tragbaren Form (als Portativ] sehr beliebt als Hausinstrument, das man auf den Tisch stellte und mit Hülfe eines Windmachers (Kaikanten) , wozu oft die ehrsame Hausfrau sich herbeiließ, ähnlich wie unsere Physharmonika behandelt wurde. Für diese kleinen Hausorgeln, und für Klaviere haben die Organisten jener Zeit ihre Tanzstücke gesetzt und publicirt, also zur Hausmusik, nicht aber für den ^ Notenproben daraus findet der Leser in MB. 141. 142. Noch andere Tanzsamm- lungen zu 4 Stimmen aus derselben Druckerei habe ich unter Pavane (S. 135) ange- fahrt Sie befinden sieh ebenfalls in der Königlichen Bibliothek München. Digitized by Google 254 kirchlichen Gebrauch waren jene Orgel- und Instnimentaltänze bestimint. Und wftren sie ja in den Kirchen zuweilen gespielt worden, so erkannte Niemand mekr den Tanzrhythmus, da die Melodie langsam gespielt und figurirt wurde, also ähn- lich klang wie ein figurirter Choral, bei welchem man gewiss nicht zum Hüpfen sich angeregt fühlt. Überdies waren in jener Zeit Kirche und Haus noch inniger verbunden. Geistliches und Weltliches nicht so getrennt wie in unsem Tagen, und da- rum fanden die Alten keinen Verstoß gegen den guten Geschmack, wenn sie Welt- liches auf Geistliches übertrugen.^ Die Behauptung, dass man nach Psalmen getanzt habe, ist als eine irrige zurückzuweisen. Wohl aber hat das Umgekehrte stattgefunden : man hat auf alte Tanzweisen geistliche Texte gedichtet und Tanzlieder geradezu umgedichtet, was vielfach in Deutschland (wie in den Niederlanden durch die Souterliedekens) ge- schehen ist. Alle jene gewesenen Tanzmelodien haben sich aber nicht im Kirchen-- gesange erhalten, und ich wüsste unter den protestantischen Chorälen keinen einzigen mehr zu nennen, der auf Volkstanz weise sich gründete ; selbst diejenige Tanzmelodie, (MB. 15), welche Dr. Luther für sein Weihnachtslied »Vom Himmel hoch da komm ich her« benutzte und 1535 drucken ließ, ist schon 1539 von ihm selbst durch eine andere, die noch jetzt gesungene, ersetzt. Ob nach den Orgeltänzen des 1 6. Jahrhunderts im Hause getanzt worden ist, halte ich nicht für wahrscheinlich. Ebenso wenig dürfte man nach dem sehr dünnen Klange der Spinetts und Virginais, wie die alten kleinen Klaviere damals hießen , gehüpft haben. Auf den Abbildungen von Tanzenden sehen wir immer Spielleute mit allerhand Instrumenten, niemals aber einen Tanz zum Klavier oder gar zur Orgel abgebildet, auch in keinem Buche hören wir von dergleichen. Betrachten wir die Form der Tänze vom 14. — 16. Jahrhundert, so finden wir eine ganz eigenthümliche Taktumwandlung, die für deutsche wie für ita- lienische Tänze stehend war. Sie bestand darin, dass der zuerst in geradem Takte gesetzte Tanz (prima pars, Vortanz) gleich darauf in ungeradem Takte wiederholt wurde und dabei wohl einige Abänderungen erfuhr , im Wesentlichen aber doch dieselbe Melodie war. Diese veränderte Wiederholung der Tanzmelodie, jetzt im ^/^Takt, nannte man secunda pars oder proportio (verstümmelt Pro- portz), auch Springtanz, Huppauf, Hoppeltanz, Nachtanz. Bei man- chen Hof tanzen heißt der Nachtanz auch Gassenhauer. Bei den Italienern hieß der zweite Satz, der in lebendigeren^ springenden Pas ausgeführt wurde, Salta- rello. Diese taktische Einrichtung war die nothwendige Folge der uralten zwei Hauptarten vom Tanz, nämlich umgehender und springender. Für jenen tanzmäßigen Umzug oder Vortanz diente der gerade Marschtakt, für den ge- sprungenen und gehüpften Nachtanz wurde der V2 '^^^^ aufgespielt. Solche Taktumwandelung an einer und derselben Melodie ist als ein stehen- der Gebrauch vom 14. — 17. Jahrhundert am deutschen Tanz nachzuweisen. Ich fand ihn durchweg in allen Orgel- und Lautentabulaturbüchern des 16. Jahr- hunderts für all e Tänze ausgeübt, wenn letztere nicht durch die Beischrift »Spring- tanz oder Huppauf« bloß auf den Y2 Takt angewiesen waren. Ebenfalls sichtbar ist diese Umformung an den vierstimmigen Tanzliedern des 16. bis Mitte des 1 Mehr über diesen Gegenstand in C. F. Beckers Hausmusik in Deutschland S. 20 und 21. Digitized by Google 255 17. Jahrhunderts zu finden. Man vergleiche die MB. Nr. 8. 13. 14. 45. 48. 49. 66. 69. 135. 143 — 147. Weil eins dieser Tanzlieder mit Vor- und Nachtanz (Nr. 13] schon 1513 in der von Peter Schöffer herausgegebenen Liedersammlung vorkommt, also mindestens zu Ende des 15. Jahrhunderts schon bekannt war, so darf man folgern, dass jene Taktwandelung schon im 15. Jahrhundert stattfand. Ich gehe noch weiter rückwärts bis zum Jahr 1392. Weil aus dieser Zeit das älteste mir bekannte, aus Vor- und Naohtanz bestehende deutsche Tanzlied (s. MB. Nr. 8] stammt, so habe ich damit den Beweis erbracht, dass die Deut- schen schon im 14. Jahrhundert die erwähnte Takteinrichtung des Vor- und Nachtanzes hatten. Woher mag diese interessante Erscheinung gekommen sein? Ist sie wohl in Deutschland oder in romanischen Ländern entstanden? Das kann erst entschieden werden , wenn für die Geschichte der weltlichen Musik Italiens mehr gethan wor- den ist, als bis jetzt. Wir wissen nur so viel, die Italiener im 16. Jahrhundert hatten in ihrer Aufeinanderfolge von Paduana (V4) und Gagliarda (^2 Takt] die- selbe Taktwandelung, welche die Deutschen schon im 14. Jahrhundert kannten. Recht wohl kann zu beiden Völkern diese Einrichtung aus der tanzlustigen Pro- vence gekommen und schon zur Zeit der Troubadours und deutschen Minnesinger in Brauch gewesen sein. Für Neidharts Zeit (13. Jahrhundert] ist es mir zwar nicht gelungen, den Vortanz und den durch Taktwechsel entstehenden Springtanz nachzuweisen ; nicht ist im Original von Neidhart' sehen Singweisen jene Zweitheilung, überhaupt keine Mensurzeichen zu finden; gleichwohl dürfen wir schon für jene Zeit den geraden Takt zum getretenen, höfischen Tanz, sowie den ungeraden für den gesprungenen Reigen der Höflinge und Bauern vermuthen. Was gab wohl die Veranlassung zu dieser Jahrhunderte lang festgehaltenen Taktumwandelung? Jedenfalls war es der Trieb nach Abwechslung, welcher beim Tanzen zu beiden Grundformen aller Taktmusik greifen und Spielleute dieses Mittel erfinden ließ. Wollte man glauben, das Versmaß in den Tanzliedern habe dazu gedrängt, bald geraden, bald ungeraden Takt zu nehmen , so wäre diese Annahme falsch ; denn das Versmaß der deutschen Tanzlieder des Mittelalters ist fast immer das zweizeitige: es besteht der Vers aus dem Wechsel von Hebung und Sen- kung ; Jamben und Trochäen dürfen wir nicht sagen , weil in der deutschen Vers- kunst damals diese Kunstausdrücke nicht gekannt waren. Selbst im Tripeltakte gab es für den Text nur zwei Zeiten, mit andern Worten , zum Tripeltakte wurden jambische Verse gesungen , wie die Springtänze in MB. 8. 14. 45 beweisen. Das dreizeitige Versmaß (Daktylus) ist im deutschen Volksliede höchst selten ; ich habe es nur einmal durchgeführt gefunden und zwar in den unten citirten Versen : dEs gingen drei Bauern etc.« In manchen Nachtänzen (vergleiche MB. 13. 48) ist die Dreizeitigkeit des Textes nur in einzelnen Takten zur Anwendung gebracht. Untersucht man die periodische Gestaltung der Tanzmelodien des 14. bis 16. Jahrhunderts, so zeigt sich überall eine gesunde Rhythmik, Überall schönes Ebenmaß im Periodenbau, das der Tanz als Lebenselement braucht, nicht aber der Satz des Kontrapunktikers aufzuweisen hat, da periodische Form nicht sein Zweck ist. In der Regel besteht eine Tanzmelodie aus zwei The ilen (jeder Digitized by Google 256 von vier oder acht Takten), die wiederholt werden. Das ist noch heute die allbeliebte Tanzform und so war es auch im Mittelalter, wovon sich der Leser dureh Anschauen der MB. 16 — 19. 26. 70 — 75. 150 überzeugen kann. Noch einfacher sind manche Tanzliedchen in alter Zeit geformt , die oft nur aus einer einzigen Periode von 8 oder 16 Takten bestehen. Als Beispiel dieser einfachsten eintheiligen Liedform führe ich das 1540 bei Forster vorkommende Scherzliedchen an : Es gingen drei Bauern, die suchten ein* Bäm, Und als sie ihn fanden, da hätten s' ihn gem. Hier ist die Melodie dazu : 1 '~ [ '| | ' f |>| J § ^ e Tn/TZK tat ^ Auf liebliche Beispiele der Periode von 16 Takten will ich den Leser ver- weisen: Ach Eislein, liebes Elslein mein (MB. 31) . Mir ist ein roth Qoldfingerlein (MB. 34). Diese eintheilige Liedform von acht Takten, denen meist noch ein Jodler angehangen wird, ist noch heute in den Schnadahüpfl-Melodien (MB. 206 — 213) zu erkennen. Auch von der dreitheiligen Liedform wird häufig Qebrauch gemacht, die schon seit der Minnesingerzeit bekannt war ; ihre drei Sätze heißen nach der Vers- technik, die seit der Meistersingerzeit bis auf Uhland gilt: erster und zweiter Stollen und Abgesang ; der zweite Stollen ward nach derselben Melodie wie der erste gesungen , auf diese Wiederholung der Melodie folgte ein längerer Satz mit anderer Melodie bis zum Strophenschluss und dieser Schlusssatz hieß »der Ab- gesanga. Man kann Proben sehen in MB. 3. 4. 9. 26. 44. 45 etc. Zuweilen begegnen wir auch Abschnitten von ungerader Takt zahl (z. B. mit drei, fünf, sieben Takten), was uns als Unzulässigkeit beim Tanz er- scheint ; solche Abweichung von der geraden Zahl der Takte war bald durch die Textworte , bald durch die auszuführenden Pas in französischen Kunsttänzen be- • dingt ; auch scheint es , dass das Gefühl gegen solche rhythmische Unebenheiten bei den Voreltern nicht so empfindlich war, wie das unserige. Übrigens wurde das nothwendige Gleichgewicht dadurch hergestellt, dass solche Theile wiederholt wurden ; dann hatte man eine Doppelperiode von zwei mal fünf Takten , also mit zwei gleichen Hälften gehört und das Gefühl für Ebenmaß war befriedigt. Die Ruhepunkte oder Einschnitte in der Musikperiode wurden (wie heutzutage) bald auf der Terz, bald auf der Quin t und am befriedigendsten zum Schluss auf der Tonica gemacht. Auch der Halbschluss (d. h. das Verweilen auf der Obersekunde) wird zur Begrenzung der Abschnitte häufig angewendet. Zur Erläuterung mag ein Beispiel (MB. 33) in Noten hier folgen: ^ Quint Modulation. Ten. g?^j= ^ ä :t ■ g w gl ^^ i Terz. Halbschluss. Tonica. jJ; Jf7lf-pJj | g ^ 3 ^ Digitized by Google 257 Auffallend ist in alten Volksweisen das zähe Festhalten derTonalitftt, also die geringe Modulation in andere Tonarten. Die meisten Volkslieder- und Tanzmelodien des 16. Jahrhunderts modulirengar nicht, sondern verbleiben bis Ende in der angeschlagenen Tonart. Wo ein Ausweichen ja schüchtern und sparsam geschieht, so ist es ein Erstreben der nftchstverwandten Tonart der Ober- quint oder bei Mollweisen in das parallele Dur. Solche sparsame Modulation der Alten, fQr ihre kurzen Musiksätzchen vollkommen ausreichend, thut einem ordentlich wohl in unsem Tagen , wo Modulationssucht ungebührlich breit sich macht und durch ihr Zuviel sehr oft der Einheit der Tonart schadet. Im Ganzen ersehen wir aus dem Gesagten, dass in den alten Volkstänzen und Volkstanzliedern die Grundformen zu unsem noch heute geltenden Lieder- und Rondoformen derVokal- und Instrumentalmusik schon vollständig ausgeprägt sind und zwar so überraschend richtig, dass unsere größten Komponisten, wollten sie nicht aller Form entsagen und ihre Produktion unfassbar machen , nicht weit darüber hinausgekommen sind. Ehrendes Angedenken darum den unbekannten Spielleuten, die im 13. und 14. Jahrhundert schon Tanzformen schufen, die noch den Menuetten Haydn's und Beethoven' s zu Grunde liegen I Noch erübrigt, über die Namen der Tänze, wie sie im 16. Jahrhundert vorkommen. Einiges zu bemerken. Verschaffen wir uns zunächst einen Überblick, so werden wir finden, dass die Tanzweisen benannt sind a) nach Rang und Stand der Tanzenden: Hoftanz, Fürstentanz, der Königin Tanz, Studententanz, Burgertanz, Bawrentanz, Gassenhawer, gemeiner Tanz, Juden- tanz etc.; b) nach Land und Nation : deutscher Tanz (Allemande), schwäbischer Tanz, bayrischer Bawrentanz, sächsisches Tänzlin, Ungarisch, Westfäler, Sibentaler (Simmenthaler), Kochelsberger Bauemtanz, Morisken- oder Mohrentanz etc.; c) nach der Tanzmanier: Springtanz (ein springender Tanz), Lauffertanz (getretener), Huppauf oder Hoppeltanz, Scharer, Zeuner, Bockstanz, Capriolen- tanz etc.; d) nach beliebten Liedern: die schOne Müllerin, der Müller, der Bettler- tanz, St. Jakobstanz, der schwarze Knab, der Benzenauer, Botenbub, Schwanen- dreher, Stenglos-Tanz etc.; e) nach zufälligen Bestimmungen und Widmungen gab es : Hertzog Moritz- Tanz, Graf Johann von Nassau, Helena-Tanz, Bruder Cunrad- Tanzmaß, Drom- meter-Tanz, ein guter Tanz, Reyen-aus, Kehrab. Alle diese verschieden benannten Hof- und Bürger- und Bauemtänze, auch alle nach Nationen benannten Tänze lassen auffallender Weise gar keinen Unter- schiedihrerMusik erkennen. Denn alle haben die feststehenden zwei Haupt- theile (Vor- und Nachtanz) und gehen ebensowohl aus Dur wie aus Moll. Weder im Takt, noch im Tempo, noch in der Tonart also ist ein Charakterunterschied jener Tänze herauszufinden. Aus dieser Wahrnehmung darf man zwei Folgerungen ziehen : 1) Die Tanz- musik an den Höfen der Fürsten und Edelleute war wesentlich keine andere, als die der Bürger und Bauern. Dort nur unter äußerem Glänze und von ge- schicktem Spielleuten ausgeführt, als im Tanzhaus der Bürger und auf dem Tanz- platz unter der Dorflinde. 2) AUe jene vorkommenden Namen haben keine Be- deutung, sind nur wesenlose Benennungen, leere Titel zum Anpreisen und Unter- B A h m e , Oesch. d. Tanzes. 1 '^ Digitized by Google 258 scheiden gewisser Tanzstückchen der Lautenspieler, gerade wie in der Neuzeit z. B. Annen-Polka, Nachtigallen-Walzer, Bicycle-Galopp und tausend andere Namen für Tanzmusik. Es war nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, als in Deutschland die Musiker anfingen , ihrer heimischen Poesie, Ton- und Tanzkunst ungetreu zu werden, und nach Italien, als dem gepriesenen Lande der Musik , hinblickten, um nach italienischen Vorbildern ihre Produktionen zu modeln. Man fing an von dem Auslande zu zehren und vernachlässigte das Einheimische. Zunächst waren es die italienischen Madrigale, eine nicht unbedeutende Fortsetzung der deutschen Chorlieder, welche von deutschen Komponisten nachgeahmt und von Sangesfreunden mit italienischen Texten importirt und aufgeführt wurden ; wenig später waren es die heitern Villan eilen, die man mit deutschen Texten nachbildete. Madrigale, Villanellen und Canzonetten wurden von deutschen Organisten, Lautenisten und Streichinstrumentisten ohne Text für Instrumente bearbeitet und gespielt. Seit jener Zeit welkte die Blüthe des deutschen Liedes so schnell dahin, dass im 1 7 . Jahrhundert kaum noch einige Spuren davon vorhanden sind. Was man hätte lernen kOnnen, wahre Kirchenmusik, die mit Palestrina ihren Höhepunkt erreichte, daran dachte man nicht, denn Werke dieses genialen Meisters wurden erst zu Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland bekannt; eher war von der venetianischen Tonschule Anfang des 17. Jahrhunderts unter dem großen Gabrieli durch dessen Schüler, den deutschen Meister Schütz, etwas übermittelt worden. Nachdem von weltlichem Qesange aus Italien Madrigale und Villanellen sich Eingang und Nachbildung verschafft hatten , wurden beide Kunstgattungen durch die um 1600 neu erfundene Oper verdrängt. Auch die Tänze mit oder ohne Gesang wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem Auslande entlehnt, aus Italien Paduanen, Gagliarden und Passemezzo^s , aus Frankreich Correnten und aus Spanien Sarabanden geholt und von deutschen Komponisten nachgeahmt. Einer der frühesten deutschen Komponisten, welche die ausländischen Tanz- formen zu mehrstimmigen Gesängen benutzten , war NicolausRosthiusin seinen : XXX Newer Lieblicher Gaillardt, mit schönen lustigen Texten, so bei allerhand ehrlichen Gesellschaften, Gastereien und einem Wohlleben zur Frewde ganz be- quem componirt. 2 Theile. Erfurt 1593. Altenburg 1593. Jena 1594. Eine Melodie-Probe von Rost giebt MB. 46^. In seiner Tendenz folgte ihm Georg Hase mit seinem Werkchen: »Newe fröliche vnd liebliche Täntz mit schönen Poetischen Texten. Nürnberg 1600a (neu aufgelegt 1602. 1610). Gleiches gilt von Christoph Haiden in Nürnberg: a) Neuwe lustige Däntz vnd Liedlein, auff Instrument vnd zu singen gebräuchlich. Nürnberg 1600. b) Gantz newe lustige Täntz vnd Liedlein mit 4 Stimmen. Nürnberg 1601. Ein sehr fleißiger Tanzkomponist war der Organist und Rathsherr in Gerb- städt bei Eisleben, YalentinHaußmann. Sind die meisten seiner Produktionen musikalisch flach und gehaltlos, so hat er doch dies Verdienst , dass er in Deutsch- land der erste war, welcher die reine Instrumentalmusik kultivirte. Seine auf Tanz bezüglichen Werke sind : a) Neuwe liebliche Täntz, zum Theil mit Text, zum Theil ohne Text publicirt. Nürnberg 1600. b) Venusgarten, 100 liebliche mehrentheils PolniseheTäntzmitTextengemacht. 1602. c) Rest von Polnischen vnd ander nTäntzen 1603. d) Neue Intraden mit sechs vnd fünff Stimmen , auf Instrumenten für- nemlich auff Fiolen lieblich zu gebrauchen. Nach diesen sind etliche Englische Digitized by Google 259 Paduan vnd Oalliarden anderer Compositioii zu finden. Gedruckt zu Nurenberg durdh Paulum Kauffmann 1 604 • e) Neue fünffstimmige Paduanen vnd Galliarde, auff Instrumenten, fürnemlich auf Holen lieblieh zu gebrauchen. Nürenberg 1604. Das unter d angeführte Werk ist das erste in Deutschland, darin reine Instnimentalmusikstücke für Streichinstrumente YerOffentlicht werden. Der hochbegabte und im kontrapunktischen Satz tüchtig geschulte Kapell- meister zuFreiberg in Sachsen, Christo ph D e m an tiu s hat drei Tanzsammlungen publicirt und darin sich als Meister des Satzes bewiesen : a) LXXVn auserlesene liebliche Polnischer ynd Teutscher Art Täntze mit und ohne Text von 4 und 5 Stimmen, neben andern künstlichen Galliarden mit 5 Stimmen. Nürnberg 160t. b) Conviviorum Deliciae , Newe Liebliche Intraden vnd Auffzüge, Neben Künstlichen Galliarden vnd Frölichen Polnischen Täntzen mit 6 Stimmen. Nürn- berg 1608. c) Fasciculum Chorauliarum. Erffurdt 1619. Proben von Vokalmusik des Demantius für evangelischen Elirchengesang sind seit Winterfeld mehrfach veröffentlicht worden ; von Instrumentalmusik desselben Meisters bringe ich hier, 285 Jahr nach ihrem Erscheinen, die ersten Belege in MB. 171 — 175 wieder zum Abdruck, um damit zu bezeugen, dass vor der Zeit des großen Heinrich Schütz im Sachsenlande gar wackere Tonmeister schon vor- handen waren. Der bedeutendste deutsche Tonmeister des 17. Jahrhunderts Hans Leo Hassler (1564 — 1612) hat auch allerhand Tänze, als Schüler A. Gabrieli's nicht ohne bedeutenden italienischen Einfluss, komponirt. Gedruckt stehen sie in : a] Lustgarten Newer teutscher Gesang, Baletti, Galliarden vnd Intraden mit 4,5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1601. b) Hortus Yeneris, novae et amoenae can- tiones etchoreae, ad modum Germanorum et Polonorum, 4, 5, 6 vocum (o. J. bei Gerber aufgezählt) • Zwei Tanzmusikproben von Hassler s. MB. 45 und 46. Wie gern hätte ich ganze Partituren von Hasslers letzten Gesangwerken beigefügt, hätte der Raum es gestattet. In Wüllners Chorgesangschule lU. Bd. findet der Leser solche. Der vorzügliche Meister und verdiente Kirchenkomponist, der fromme Thomas- kantor Hermann Schein sah sich veranlasst, seine MuBe auch den Tänzen zu widmen. Er publicirte : a) Yenus-Kränzlein, oder weltliche Lieder mit 5 Stimmen, neben etlichen Intraden, Galliarden u. s. w. Leipzig 1619. b) Banchetto Mu- sicale, newer anmuthiger Paduanen, Gagliarden, Courrenten vnd Allemanden mit 5 Stimmen. Leipzig 1617. Johann Staden, der fürstlich brandenburgische Hofoi^anist zu Bayreuth, gebürtig aus Nürnberg und später dorthin als Organist an die Lorenzkirche und zuletzt an die Sebalduskirche berufen, hat vier Sammlungen Tänze veröffentlicht, die durch gediegenen Tonsatz sich auszeichnen und getrost neben die Arbeiten des Demantius sich stellen dürfen. Es sind : a) Newe deutsche Lieder sampt etlichen Galliarden mit 4 Stimmen. Nürnberg 1609. b) Venus-Kräntzlein Newer Mu- sikalischer Gesänge, sowohl auch etlicher Galliarden mit 4 und 5 Stimmen. Nürn- berg 1610. c) Newe Paduanen, Galliarden etc. mit 4 Stimmen, fümemblich von den Instrumental-Musicis füglich zu gebrauchen. Nürnberg 1618. d) Opusculum novum von Pavanen, Galliarden, Allemanden, Couranten, Intraden, Volten und Can- zonen samt einer Fantasie, auf unterschiedenen Instrumenten zu gebrauchen. Nürn- berg 1 625. Dieser talentvolle, um Komposition von geistlicher Musik hochverdiente Nürnberger Orgelmeister Johann Staden, Vater des als erster deutscher Opem- komponist merkenswerthen Sigmund Theophil Staden, führte als Sprichwort im Munde : »Italiener nicht Alles wissen , Deutsche auch was kOnnen.« Durch seine 17» Digitized by Google 260 trefPliolien Tonsätze in Torgenaimten Tanzwerken hat er die Wahrheit seines Spruches bewiesen. Hätte es zu jener Zeit nur noch mehrere solche echt deutsch gesinnte Männer unter den Musikern gegeben 1 Tüchtige Meisterproben von dem bedeutenden Tonsetzer J. Staden habe ich dem Leser in MB. 176 — 183 dargeboten. Der scheinbar heiter angelegte Koburger Kapellmeister Melchior Franck ließ folgende Tanzsammlungen im Druck erscheinen : a) Newe Paduanen, Gal- liarden etc. auffallerley Instrumenten zu bequemen. Nürnberg 1603. b) Teutsche weltliche Gesänge und Täntze von 4, 5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1604. c) Neue musikalische Intraden, auff allerhand Instrumenten, sonderlich auf Violen zu gebrauchen; mit 6 Stimmen. Nürnberg 1608. d) Flor es musicales, newe anmutige musikalische Blimien mit 4 — 7 Stimmen. Nümbei^ 1610. e) Musi- kalische Frölichkeit, von etlichen newen lustigen teutschen Gesängen, Täntzen, Galliarden vnd Concerten mit 4, 5, 6 und 8 Stimmen. Nürnberg 1610. f) LiUa musioalia, schOne neue Liedlein mit lustigen Texten untergelegt, sammt etlichen Pavanen, Galliarden und Couranten. Nümbei^ 1616. g) XXXX Teutsche lustige musikalische Täntze mit 5 Stimmen componirt. Jena 1624. h} Newes musikalisches Opusculum, in welchem etliche newe lustige Intraden vnd Aufzug mit 5 Stimmen componirt. Jena 1625. Ich gebe eine fünf stimmige Galliarde von M. Franck unter MB. 185. Der Darmstädter Hof Organist Joh. Möller (Mollerus) ließ sich, wie so viele seiner Gollegen, zur Abwechslung auf das Tanzkomponiren ein. Seine Frucht sind: »Neun Paduanen vnd darauff gehörige Galliarden mit 5 Stimmen. Frankfurt am Mayn^ bei Wolf gang Richtern 1610« (wiederholt Darmstadt 1611). Zwei Proben daraus findet der Leser in MB. 184 a. b. Einen Organisten zu Leitmeritz an der Elbe^ Christian Roth, plagte der Couranten-Tanzteufel, dass er im Druck erscheinen ließ: AGouranten-Lust- gärtlein. In welchem 74 Couranten: welche auff allerhand musikalischen Instru- menten . . . gebraucht werden können mit 4 und 5 Stimmen. Dreßden 1625.« Ein süddeutscher Komponist, Paul Rivander, schrieb: »Newe lustige Cou- ranten auff Instrumenten vnd Geigen lieblich zu gebrauchen mit 4 Stimmen. Onoltzbach 1614.a Später brachte er: nStudenten-Frewd , darinnen weltliche Ge- sänge von 3—8 Stimmen mit lustigen Texten, beneben Paduanen etc. componirt. Nürnberg 1621.« Ein sonst nicht weiter bekannter Komponist Samuel Völckel gab 1613 in Nürnberg heraus : »Newe Teutsche weltliche Gesänglein mit 4 und 5 Stimmen auff Galliarden Art, beneben Galliarden etc. ohne Texte. Ein norddeutscher Komponist, David Cr am er, veröffentlicht die von ihm für Streichquart geschriebenen Tänze in »Allerhand Musikalische Stücke von Pa- vanen, Couranten etc. auff drey Discant- Violinen und ein Yiol d' gamba. Ham- burg, Jacob Nebenstein 1631.« (Hamburger Stadtbibliothek.) Der Altenburger Hofkantor Joh. Christenius hat neben einigen geist- lichen Sachen drucken lassen : aj Gülden Venus-Pfeil, in welcher zu finden newe weltliche Lieder, Teutsche vnd Polnische Tänze. Leipzig 1619. b) Omnigeni mancherley Manier newer weltlicher Lieder, Paduans etc. Erffurdt 1621. Auch der gelehrte Kantor zu Braimschweig, zuletzt Kapellmeister in Celle, Otto Siegfried Harnisch, nicht unbedeutend als Komponist weltlicher und geist- licher Lieder seiner Zeit, konnte der Versuchung sich nicht entwinden, auch für Tanz etwas zu schreiben : »Rosetum Musicum, etlicher lateinischer vnnd Teutscher lieblicher Art Baletten, Villanellen, Madrigale, Saltanellen etc. mit 3 — 6 Stimmen. Rostock 1617.« Digitized by Google 261 Allen bisher genannten deutsclien Tanzkomponisten zu Anfang des 17. Jahr- hunderts steht in seinen Bestrebungen grundverschieden gegenüber Michael Praetorius. Dieser hochberühmte braunschweig-lüneburgische Hofkapellmeister, der als Sammler und Setzer geistlicher Melodien in seinem 9 Bftnde umfassenden Werke Musae Sioniae hoch zu schätzen ist und als gelehrter Theoretiker und Musik- historiker den Dank der Nachwelt yerdient, hat — zur Illustration seiner musika- lischen Formenkunde, sowie zur Unterhaltung bei Hoffestlichkeiten, fürstlichen Tafeln und ehrenhafter bürgerlicher GonviYien, als Hochzeiten und dergleichen — eine hochinteressante Sammlung von französischen und englischen Tftnzen seiner Zeit, unter dem Titel Ter psichore, Hamburg 1612, herausgegeben, deren wir schon oben (S. 121) gedachten. Wie er in der Einleitung (s. oben S. 122) erz&hlt, sind die dargebotenen Tanz- weisen nicht von ihm erfunden, sondern von den am Pariser Hofe lebenden Tanzmeistem, die zugleich gute Geiger waren, komponirt und ihm dtirch einen französischen Tanzmeister am Braunschweiger Hofe, Namens A. Emeraud, mitge- theilt und er (Praetorius) habe sie nur mehrstimmig gesetzt. Somit dürfen wir diese Melodien als echte Nationaltanzweisen betrachten, nach denen um 1600 und vorher in Frankreich, England und auch an deutschen Höfen wirklich getanzt worden ist, was wir von den Kompositionen von Demantius, HauBmann, Staden etc. nicht behaupten können. Für musikkundige Leser habe ich zwölf Satzproben, die von der wackeren Arbeit des Meisters Praetorius zeugen, in MB. 187 — 195 mitgetheilt. Werden sie auch nicht, wie das von ihm gesetzte Weihnachtslied nEs ist ein Ros' entsprungen«, die Gegenwart wieder erfreuen, so sind es doch hochinteressante Illustrationen zur damaligen Tanzmusik und hier zum erstenmal nach bald 300 Jahren wieder abge- druckt. Die Namen der französischen, italienischen und spanischen Tänze, welche nach Deutschland schon im 16. Jahrhundert durch Lautenisten eingebracht, noch reichlicher aber zu Anfange des 17. Jahrhunderts durch deutsche Komponisten und vorher durch französische Tanzmeister eingeschleppt wurden, sind nach dem Alphabet folgende: Allemande, Bransle, Bourr^e, Canarie, Cha- conne, Gourante, Gagliarde (Gaillarde), Gavotte, Gigue (Giga, Jig), Loure, Morisque, Paduana, Passacaglia, Passepied, Passemezzo, Pavane, Rigaudon, Romanesca, Sarabande, Saltarello, Volta. Ihre sachliche Erklärung, dabei auch die musikalische Form und ihren musi- kalischen Charakter, haben wir schon oben in Kapitel IX gegeben, auf welches wir den Leser zurückverweisen. Neben diesen Tänzen und ihnen vorangehend, aber doch streng genommen nicht zu ihnen zählend, treffen wir in Notenbüchem jener Zeit eine Kunstform an, die jetzt ganz ausgestorben ist. Sie führt einen spanischen Namen und hieß Intrade. Intrade (italienisch Entrata, französisch Entr^e) nannte man sonst den Ein- leitungssatz für Instrumente, besonders für Trompeten und Pauken, zur Begrüßung beim Einzüge großer Herren, bei festlichen Aufzügen, als Toumieren, Gastmählern, Mummereien und Bällen an den Höfen ; sogar die Eröffnung der hohen Messe in der Kirche wird durch Trompetenfanfaren und Paukenwirbel noch jetzt in der katholischen Kirche zu Dresden und Wien angezeigt und wird Intrade genannt. Digitized by Google M, Praetorius 1617 sagt: »In trade ist gleich wie ein praeambulum und final, dessen sich die Trompeter zu Anfang bedienen, d. h. ehe sie ihre Sonaden (wenn zu Tische geblasen wird) anfangen und auch zum Aushalten (Ausgang) und final gebrauchen«. Diese kleinen marschartigen Trompeterstückchen waren von mäßig langsamer Bewegung im ^4 Takt gesetzt und gewöhnlich aus zwei Reprisen (zu wiederholenden Theilen) bestehend. Der Charakter war ernsthaft, wegen der getragenen T5ne wurde ein ziemlich kräftiger Vortrag erfordert. Jetzt sind diese kleinen Tonstücke nicht mehr in Gebrauch, nur in der Oper und bei festlichen Aufzügen wird der Komponist dergleichen anbringen. Neuerdings wird dafür ein Marsch ge* braucht. Mattheson macht zwar noch einen feinen Unterschied zwischen beiden, den heute niemand mehr festhalten wird, indem er sagt, dass bei der Entr^e zwar ein majestätisches Wesen stattfinden müsse; doch darf sie nicht so hochtrabend ein- hergehen wie der Marsch und hat mehr Scharfes und Punktirtes an sich, als irgend eine andere Melodie. Da es im Mittelalter der Fürstenhofe viele gab und der Festlichkeiten noch mehr waren, so mögen wohl genug Intraden geblasen worden sein, welche Erfindung der Hoftrompeter waren und traditionell fortlebten, zuweilen auch wohl zur Aufzeichnung kamen. Als nach 1600 die reine Instrumentalmusik mehr Platz griff, wurden In- traden auch für Streichinstrumente komponirt. Der erste deutsche Kompo- nist^ der solche im Druck erscheinen ließ, war Valentin Haußmann. Intraden als mehr oder weniger prunkhafte Instrumental-Einleitungen ge- brauchte man aber nicht bloß bei Hof festen, sondern auch seit Anfang des 1 T.Jahr- hunderts in Italien, Frankreich und Deutschland zu Schaustellungen (Opern, Fest- spielen) wie zu Bällen der bürgerlichen Gesellschaft. In den Musikbeilagen findet der Leser sechs- und fünfstimmige Intraden und zwar von Haußmann (Nr. 167), Demantius (Nr. 171} undJoh.Staden(Nr. 176.177)* Auch die Klaviersätze zu den DreikOnigs^Aufzügen (Nr. 154 — 156) gehören hierher. Bei Tanze gebraucht, hatte die Intrade eine ähnliche Rolle wie die heutige Polonaise: sie eröffnete den Ball. Auch in der Serenade^ wie sie noch zu Mozart's Zeit beliebt war, findet man häufig den Einleitungssatz Intrade über- schrieben. Höchst bedeutsam wird die Tanzmusik für Entwickelung der Instrumental- musik, als man anfing, mehrere Tanz weisen zu einem Cyklus zu vereinigen. Solch eine Vereinigung oder Folge von vier alten Tanzformen in der Ordnung 1. Allemande, 3. Courante, 2. Sarabande, 4. Gigue, nannte man Suite. Sie entstand um die Mitte des 1 7 . Jahrhunderts in Frankreich und wurde be- sonders an der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts von deutschen Komponisten fieißig angebaut. Die darin aufgenommenen Tanzweisen erfuhren durch die Kom- ponisten erhebliche Erweiterungen und Abänderungen , wodurch ihr einfach tanz- mäßiger Charakter, sogar ihre nationale Eigenthümlichkeit verloren ging. Die verschiedenen Sätze der Suite hatten nur einen äußern Zusammenhang, indem sie alle aus einer und derselben Tonart gehen mussten. Digitized by Google 263 Diese Monotonie zu meiden und innern Zusammenhang und Einheit des In- halts zu schaffen, suchten die Künstler einen bestimmten Charakter, entweder freudige, leidenschaftlich erregte oder ruhige Stimmung durch die ganze Suite fest- zuhalten und durch Wahl ähnlicher Figuren zum Ausdruck zu bringen. Statt der kurzen achttaktigen Reprisen bekamen d^e Tänze jetzt ausgeführte Themata, Gegen- themata und schulgerechte Durchführungen. Die Harmonie wird reicher und die Melodie ist durch Kontrapunkt so durchschlungen und verwebt, dass man zuletzt keine Tanzweise mehr hört, sondern ein kontrapunktisches Kunstwerk oder Kunst- stück Tor sich hat. Bach's und Händers Suiten sind in musikalischer Beziehung die meister- haftesten Tanzbearbeitungen, aber nur zum Koncertvortrag bestimmt, nicht zum Tanze dienend, da die Tanzrhythmen darin gründlich verdorben und misshandelt sind, so dass wohl Niemand je Lust spüren wird, nach einer Bach*schen Allemande und Courante zu tanzen. Mit Bach und Händel hatte die Kunstform der Suite ihren höchsten Glanz- punkt erreicht und ist seitdem bis in die Neuzeit unbeachtet liegen geblieben, nachdem die Sonate und Symphonie sie vertrieben hatten. Und doch vei:mag sie noch heutigen Anforderungen zu genügen, wenn die alte Form mit entsprechender Erfindung, mit Geschmack und Gewandtheit bearbeitet und darin sogar neuem Tanzarten Aufnahme gestattet wird. Diese zeitgemäße Wiederbelebung und Um- gestaltung haben Franz Lachner, J. Raff und Rubinstein mit Glück und Geschick versacht. Sie haben sogar die einst nur für Klavier behandelte Suite zu glänzen- den, stimmungsreichen Orchesterstücken umgestaltet. Da kam um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich eine etwas anders gestaltete Reihenfolge von Tonstücken auf, die man Partie oder Partita nannte. Darin treten zu den Tänzen der Suite noch Sätze anderer Art. Gewöhnlich begann eine Ouvertüre oder Introduction oder Toccata oder fugirtes Allegro ; darauf folgte die Allemande oder ein anderer Tanz wie Courante oder Chaconne; dann kam eine Arie mit Variationen oder statt deren ein Adagio oder Largo ; ein fugirtes Allegro schloss. Die Partita, obwohl weiter entwickelt als die bloß Tänze bringende Suite , musste mit dieser am Ende des 18. Jahrhunderts der Sonate und Symphonie Platz machen. Unseren gemüthlichen Haydn, den Schöpfer der heutigen Symphonie, hätte das völlige Hinauswerfen des Tanzes der Menuett geschmerzt, daher behielt er sie bei, tändelte und schäkerte mit ihr nach Herzenslust, wenn das Allegro oder Adagio ihn zu ernst gestimmt hatten. Auch Mozart fand noch Behagen an dem graziös-gemessenen Schritt desLieblingstanzes von Vater und Mutter. Beethoven' s leidenschaftliche Natur fand sich selten, später gar nicht mehr, geneigt, in lang- sam-graziösen Bewegungen dahin zu schreiten, er setzte an die Stelle der seit- herigen Menuett das wildlustige Scherzo, im Grunde den alten Passepied. Und so haben wir die klassische Symphonieform noch heute. Mit großer Freude einerseits und mit einiger Wehmuth andrerseits muss man bemerken, dass durch die Aufnahme der Tänze in die Suitenform und noch später der Menuett in die Symphonie der eigentliche Tanz nicht weiter gekommen ist, wohl aber die instrumentale Kunstmusik, angeregt durch die Tanz- form und gestützt auf dieselbe, einen großen Schritt vorwärts gethan und gewonnen hat. Wenden wir uns nun zur Digitized by Google 264 Tanzmusik des 18. und 19. Jahrhunderts. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts mag die Tanzmusik noch schlecht bestellt gewesen sein. Der Organist A. Werkmeister in Halberstadt nennt um das Jahr 1700 die Spielleute »Bierfiedler, Bocksmerten und Schergeigera . »Ja man hält dafür, dass sie (die Tanzmusik) gar keine Musik wäre.« Es ist recht Schade für den Musikhistoriker, dass die im 18. Jahrhundert zum Tajix aufgespielten Stücke, ebenso wie die in vorangehender Zeit, so gut wie nicht mehr gekannt sind ; die geschriebenen Notenblätter davon sind längst zerstoben, und gedruckt wurde solche Bierfiedelmusik nicht. Besonders wünscht man gern alte Dokumente von unserem Nationaltanze, dem deutschen Tanz (Ländler, lang- samer Walzer] , der bei der französisch angehauchten Gesellschaft als plebejisch galt und ebenso von den gelehrten Fugenkomponisten und den italienischen Opern- tand machenden Tonkünstlem als bäuerisch verachtet ward. Aus Bach*s ktmat- vollen kontrapunktischen Tänzen in seinen Suiten kann man sich von der Be- schaffenheit der wirklichen Tanzmusik keine Vorstellung machen. Übrigens waren seine Allemanden im ^/^Taikt etwas anderes als die wirklichen deutschen Tänze, d. h. die im 3/4 Takt geschriebenen Ländler, welche am Ende des 18. Jahrhunderts auch mit der Bezeichnung Allemande vorkommen. Nun sind uns zum guten Glücke aus der vor-Mozart' sehen Zeit zwei Walzer- Melodien dadurch erhalten, dass man Scherz- und Spottreime ihnen untergelegt hat. Sie geben uns von der Musikweise im 17. und 18. Jahrhundert ein Bild. Das eine ist das bekannte Liedchen 9O du lieber Augustin« (s. MB. 214), das andere der lustige Gesang »' S ist mir Alles eins , ob ich Geld hab oder keins« (s. MB. 215). Hierher gehören auch die Ländlermelodien nDer Hirt von Crumau« und iDer Lipp und der Lenz« (MB. 233. 234). Wir sehen in diesen Proben den alten Walzer aus zwei Theilen, jeden von acht Takten, vor uns. Die drei Tanzschritte sind markirt, eine kurzgegliederte Melodie ist aufgebaut , darin das Motiv fast Takt für Takt wiederholt. Die Harmonie be- schränkt sich auf Tonica und Dominante derselben Tonart ; modulirt ist gar nicht, beide Theile schließen mit dem Grundton. Das ist die allereinfachste, aber voll- kommen genügende alte Form des Walzers. Etwas weiter ging man schon, dass man den zweiten Theil auf der Tonart der Dominante aufbaute und mit Wiederholung des ersten Theils den Abschluss machte. Sehr gut hat diese alte Walzerform C. M. v. Weber im Bauerntanz des Frei- schütz nachgeahmt. Die erhaltenen Walzer von Mozart, noch »deutsche Tänze« bei ihm genannt (MB. 238 — 242), veredeln und verändern an der damals bekannten und beliebten knappen Form nur sehr wenig. Manche sind bis zur Dürftigkeit simpel; andere gestalten sich zu einfach anmuthigen , leicht hingeworfenen Tongebilden. Mozart, der bekanntlich ein leidenschaftlicher und vortrefflicher Tänzer war, 1 wollte sich offenbar der den Tanzlustigen seiner Zeit gewohnten schlichten Schreibweise anschließen und nicht mit einer Fracht gesuchter und quälender Harmonien die leicht geflügelten Kinder Terpsichorens beschweren. Auch verschiedene Contra- i O. Jahn, Mozart III, 237. Digitized by Google 305 t&nze (s. MB. 278] hat Moasart komponirt; eine Partie davon einmal bei einem Präger Kavalier , der ihn zum Diner am eine Stunde früher bestellte , dann in ein Zimmer ihn einschloss und durch dieses lustige Gewaltmittel dem Meister richtig die gewünschten Tänze abgewann. Bei aller Einfachheit der Melodie und Har- monie sind die Contratänze doch reicher, komplicirter, als die Rundtänze, sie haben schon etwas aristokratisches Ansehen. Ein kleines Curiosum ist der sogenannte »Contratanz mit dem Donnerwetter«, darin die Musik die schreckbaren Er- scheinungen eines Gewitters nachahmen soll. Mozart hat in Salzburg noch ein solches Qe witterstück losgelassen ; außer dem Streichquartett ist dabei eine obli- gate Trommel verwendet. Das Mozart'sche Orchester, für welches er seine »Deutschen Tänze« in mehreren Partien von je zwölf oder sechs Nummern, seine Ländler, seine Menuette und Contratänze geschrieben hat, bestand aus: zwei Violinen und Bass, zwei Flöten (zuweilen auch noch kleine Oktavflöte = Piccolo), zwei Klarinetten, zwei Oboen, zwei Fagotten, zwei Hörnern, zwei Trompeten und Pauken (nur bei einigen statt der Pauken die Trommel oder türkische Musik, d. h. große Trommel, Triangel und Becken) . Wir sehen, es ist das klassische Orchester, welches zu Mozart*s und Beethoven's Zeit für die Sinfonien verwendet wurde und noch wird; nur die Viola fehlt bei Tanzmusik damals überall. Beethoven hat auch verschiedene Tänze geliefert. Es sind: a) für Orchester (von zwei Violinen und Bass ad üb., zwei Flöten und zwei Hörnern) folgende: 12 deutsche Tänze (1795), 12 Menuetten (1795 in Wien aufgeführt), 12 Ecossaisen (1807), GContratänze für Violine und Bass (1804). Für die 6 Walzer mit Coda (1802 erschienen) und die 12 Walzer mit Trio (1808 unter Beethoven' s Namen erschienen) ist Beethoven' s Urheberschaft sehr zweifelhaft ; b) für Pianoforte mit Violino: 6 Allemanden (deutsche ländlerische Tänze) 1814; c) für Pianoforte solo: 6 Ländlerische Tänze 1802, 7 Ländlerische Tänze 1803, 6 Menuetten, 1 Menuett in Es 1805, ein Walzer in D 1825 und einer in Es 1826, eine Polonaise, der Kaiserin von Russland gewidmet 1814. Schmer- zens- und Hoffnungswalzer 1816. Er war jedenfalls im Fache der Sonate und Sinfonie größer, als in jenem des Ländlers und übrigens für seine Person als schlechter Tänzer berüchtigt. In seinem eigenhändigen Verzeichnis seiner Kompositionen, das der Sonate op. 106 beigedruckt ist, hat er es der Mühe werth gehalten, diese flüchtigen Produktionen auch mit im Anhange anzuführen. Unter seinen Contratänzen, die 1804 ohne Angabe des Verlags gedruckt erschienen, sind einige nicht ohne Interesse, einmal deswegen, weil der Charakter der modernen Quadrille darin andeutungsweise enthalten ist, dann aber einer (Nr. 2) deshalb , weil darin das berühmte Motiv der Sinfonia eroica als Contratanz dem Originalgetreu verwendet erscheint, so treu, dass sogar die Fermate im zweiten Theil beibehalten ist. Es mag sich lustig ausgenommen haben, wenn eine elegante Ball- gesellschaft^ von dem Haltgebote der Fermate gebannt und von ihr, wie von einem Medusenhaupte versteinert, auf einem Beine (das andere in der Luft) regungslos stehen bleiben musste 1 Die verschiedenen Partien Ländler, die Beethoven geschrieben hat, sind monoton und langweilig im hohen Qrade. Besser und interessant durch ein gewisses edles Pathos sind zwei Walzer, Digitized by Google 266 die man später Schmerz eng- und Hoffnungswalzer^ genannt hat. [Der in manchen Ausgaben zugefügte Sehnsuchtswalzer ist von Franz Schubert.] In dem ersten Jahrzehnt des jetzigen Jahrhunderts verschwanden die Contra- tanze mehr und mehr, um den lebhaftem Ecossaisen Platz zu machen, die große Beliebtheit erlangten. Mehr als alterthümliches Curiosum wurden auch wohl noch Menuette getanzt, besonders wenn sich Tänzerinnen fanden, die das feierliche Schweben, Heben und Senken recht affektirt graziös ausführten oder gar die Umdrehung balletmäßig auf der Fußspitze zu machen verstanden. Die Musik dazu war meist sehr hübsch, bald pomphaft und pathetisch, mit mächtig durch die Dreiklangsintervalle fortschreitenden Bässen, bald gemüthlich und anmuthig. Die allbekannte Menuett aus Don Juan und aus Beethovens Septuor haben das An- denken an diesen gediegenen Stil von Tanzmusik erhalten. In den Taschenbüchern und Almanachen von 1800 — 1820 finden sicli regelmäßig Zeichnungen für die Touren der Contratänze, Ecossaisen und Seizen (Tänze für 16 Personen) etc., deren labyrinthische Züge höchstens ein Tanzmeister enträthseln konnte, aber auch Musikbeilagen mit Menuetten, Contratänzen und Walzern, die einen immer reicher, mannigfaltiger und bunter werdenden Tanz- musikstil zeigen. Im Walzer sind damals selten die 3 Schritte durch vor- schlagenden Bass ( ^. ^ 9 Imarkirt, nur durch die Melodie wird meist der Rhythmus bemerkbar gemacht. Die Harmonie wird immer reicher, sogar viel reicher, als sie später z. B. im Straußischen Walzer erscheint. Der Walzer von Diabelli, über welchen 32 tiefsinnige Variationen zu schreiben sich Beethoven den Spaß gemacht hat, kann uns von dieser Schreibart einen Begriff geben. Manche Walzer jener Zeit (1815 — 1825) , damals noch »Deutsche« genannt, sind ganz reizend, andere schlössen sich mehr der älteren einfachen Weise an« Meistens machte sich auch in langsamen Walzern eine eigenthümliche Senti- mentalität Luft, durch welche sie als Vorbilder des spätem Sehnsuchts- Walzers vonFranz Schubert (op. 97, Nr. 2) gelten können. — Der allbekannte, aber mit falschem Titel noch heute zuweilen verkaufte Wehmuths-Walzer von C. G. Re issiger (op. 26, Nr. 5), der schon 1824 im Druck erschien und doch als »letzter Gedanke von C. M. v. Weber« berühmt wurde, bildet so ziemlich den Abschluss dieser sentimentalen Dichtung, die ungefähr bis 1 826 kultivirt wurde. Der Gipfel von melancholischer Tanzmusik sind die um 1815 veröffentlichten Polonaisen von Oginski, die angeblich der Ausdruck einer unglücklichen Liebe sind, welche den Komponisten zum Selbstmorde trieb (vergl. jedoch S. 21 5). Nicht zu leugnen ist, dass ihre schwärmerisch trüben Melodien etwas Ergreifendes haben. Sie wurden überall mit größtem Antheil gehört, wozu das Werther- ähnliche Schicksal des Komponisten jedenfalls das Seine beitrug. ^ Neben und nach ihr erfreute sich die schwung- und prunkhafte Polo- naise aus L. Spohr's Faust (1818 in Wien zuerst aufgeführt) großer Berühmtheit, so dass sie noch in den 60 er Jahren bei Bällen gespielt ward, bis die lustige Fünf- malhunderttausend-Teufel-Polonaise von Graben-Hoffmann ihr etwas Konkurrens machte. ^ Neuabdrücke im Salon- Album I (Edition Peters). Tanzproben von Beethovens Komposition habe ich nicht gegeben, da solche in jedem Musikladen zu haben sind. * Neue Ausgabe von L. Köhler (Edition LitoifP). Digitized by Google 267 Der Walzer spielte damals (1810 — 1825) nocli eine ziemlich ärmliclie Rolle. Man begnügte sicli nOthigenfalls mit dem simpeln Schleifer von 2X8 Takten, die da capo gespielt wurden. Oder man spielte 2 und 3 zusammenpassende Walzer nacheinander^ um Monotonie zu vermeiden. Bald kamen ganze Walzerketten (Walzerkränze) auf, die bis auf die neueste Zeit sich erhalten haben : ein Walzer löst den andern ab , bis eine glän- zende Coda den Cyklus schließt. Damals gehörten aber nicht 5 Nummern, wie bei Strauß, zu einer Walzer- kette, sondern zwölf Walzer bildeten die heilige Zahl. Ein wahres PrachtsttLck liefert Hummel in seinen 1808 zur Eröffnung des Apollosaales in Wien geschriebenen Walzern. Sie dauern, im entsprechenden Tempo gespielt, fast eine halbe Stunde , — Walzer nebst Trio, Nummer 9 sogar mit doppeltem Trio. Die rauschende Coda ist ganz selbständig gehalten. (Das Wiederaufnehmen einzelner frühem Motive zur Coda kam erst später in Übung.) i»Man kann sich (meint Ambros) bei dem heroischen Pomp dieser Coda kaum des Lächelns enthalten : sie klingt fast wie der Schluss von Qlucks Armida. Posthomsolos, Stellen die das Schlachtgetümmel nachahmen und ähnliche damals beliebte Scherze kommen vor , auch Motive aus einem Ballet »Paride ed Elena«, gleichsam als erster Anklang der spätem Art, im Theater Gehörtes zum Tanz um- zugestalten. Die Harmonie ist im Ganzen einfach, nur Inder Coda zuweilen stark bis zur Effekthascherei. Die Bässe sind selbständig (mehr melodisch) geführt; also noch kein Vorschlagen des Basses und Nachschlagen der Begleitung., wie solches sich erst durchweg bei Schubert und seit Lanner und Strauß allgemein findet. Diese Form und diesen Charakter behielten die solennen 12 fachen Walzer- ketten bis Anfang der zwanziger Jahre. Solche Epen von 12 Gesängen in die Welt zu setzen, verschmähte kein Tonsetzer von Ruf. Sogar von Friedrich Schneider, dem Weltgerichts - Komponisten sind Tänze gedruckt , die in ihrer Einfachheit höchst ansprechende Züge enthalten , als Tänze aber nicht elektrisirend wirken. Der gute alte Gyrowetz lieferte unter andern Tänzen 24 Allemanden (deutsche Tänze , Walzer) , die wirklich etwas kindlich Heiteres haben und an- regend munter sind. Der als Dorf- imd Eirchenkomponist berüchtigte Schiedermeier hat für den »National-Redutensaal zu Linz« 11 Walzer nebst Trio komponirt, die im Ldnzer Kunst- und Industriecomptoir 1810 — 1816 erschienen. »Sie haben eine selbständige Einleitung, nicht ganz unähnlich einem Schiedermeierschen Kyrie« behauptet Ambros, der sie gesehen hat. Der Compositeur der Prager vornehmen Welt war Johann Stika, Chorregent der dasigen Theinkirche, der von 1816 — 30 die Welt mit einer Unzahl Walzern, Polonaisen und Galoppen beglückte. Ein Heft Walzer besagt: Siz Walzes (sie) avec coda, execut^s ä Tocoasion de piques — musique que les signeurs ont donn^s k la salle de bain. 1818. Dieser Mann brachte auch 10 Stücke mit obligatem Posthorn und ähnliche Herrlichkeiten. Selbst der Direktor des Prager Conservatoriums D i o ny s We b er verschmähte es nicht , in solch »galantem Stil« zu komponiren. Man merkt es heraus : wo ge- lehrte Komponisten sich einmal von gewohnter Höhe herablassen wollen, um populär zu sein, werden sie platt, leer, gemein, bis zur Dürftigkeit einfach. Ambros witzelt darüber so : »Meist machen diese Tänze den Eindruck, den die Xenie bezeichnet: Was ist das Entsetzlichste von allen entsetzlichen Dingen ? Ein Pendant, den es juckt, locker und lose zu sein.« Digitized by Google 268 Zu den fruchtbaren Wien-Prager Tanzkomponisten Yor 1820 gehört einer, dessen Name schon deshalb nicht auf die Nachwelt kommen konnte, weil er unauB- sprechbar ist : er hieß Krch. Dieser Anton Krch hat zahllose Hefte Walzer ver* 0£fentlicht, zu 7 — 8 Nummern nebst Coda, welche gedruckt erschienen bei Diabelli, Haslinger , Arteria , Sauer , Leidersdorf und Weigel. An Verlegern hat es dem Manne also nicht gefehlt 1 Seine Walzer, unter denen die Aglaja- Walzer recht beliebt und hübsch waren, bilden ein Mittelglied zwischen der altem kindlich simpeln und der neuen, reichen und glflnzenden Manier des Wiener Walzers. In Norddeutschland waren vor der Stratiß-Lanner- Periode die Tänze von J. Heinr. Walch (Kapellmeister in Gotha, geb. 1775, f 1855) sehr beliebt, wur- den zum Theil für Klavier gedruckt, aber meist durch Abschrift der Stimmen von Erfurt aus an die Dorforchester in Thüringen verspreitet. Sie sind ohne alle Poesie, ohne musikalischen Werth und längst vergessen. Im Allgemeinen ist der Charakter der Tanzkompositionen von 1800 — 1825 eine gewisse solide Schwerfälligkeit, peinliche Philisterhaftigkeit und schulmeister- liche Pedanterie. Eng an Form und arm an tanzlustmachendem Inhalt. Waren sie von Stadtpfeifem der Provinzialen zum eignen Bedarf geschrieben und zum Glück nicht gedruckt, so schmeckten sie nach Tanzkneipe. Sind ihre Verfasser dagegen Männer, die in Generalbass und Kontrapunkt befangen waren, so sind die Tänze zwar satzrein, aber trocken und klingen zumeist wie von einem Dorforganisten zu einer Kollegenhochzeit gesetzt. Man merkt die Absicht, lustig sein zu wollen; aber der Gteist, der allein lebendig macht, der frische fröhliche Tanzgeist fehlt diesen knappen dürftigen Tanzproduktionen. Das Tempo der Tänze war bis zu Weber-Strauß ein sehr gemäßigtes, wie ältere Herren, die vordem mitgetanzt haben , mir wiederholt versicherten und in Zeitschriften und Büchern sattsam ausgesprochen worden ist. Da klang wie ein Jubelton , hell und heiter , in die Welt der schwerfälligen und langweiligen Tfinze hinein C. M. v. Weber's Walzer »Die Aufforderung zum Tanze«, um 1820 für Pianoforte komponirt, später von Berlioz durch rei- zende Instrumentation zu einem brillanten Orchesterstück umgestaltet.^ »Was der deutsche Tanz Poetisches, Ritterliches, Zärtliches, Anmuthiges haben mag. Alles ist in diesen lieblichen Melodien Weber's ausgedrückt: vom unschuldig koketten Spiele, vom anmuthigen Wiegen bis zimi Aufbrausen bacchantischer Lust, die aber sogleich sich sittig mildert und mäßigt ; vom lieblichen Necken bis zum zärtlichen Wort der Liebe ist Alles darin , das Einzelne immer wieder gebunden durch den frischen Jubelton des ersten Motivs.« Wie sinnig und schön ist die Andante-Ein- leitung I Wir sehen darin gleichsam den Tänzer ruhig suchend, wählend zur Begehrten hinschreiten, seine Verbeugung machen und vernehmen die freundlich bej ahende Ant- wort der Tänzerin und schauen sie Beide Arm in Arm zum Antritt des wonnigen Walzers durch den Saal wandeln. Was soll aber diese ruhige Einleitungsmusik nochmals am Schluss des Walzers? Sie will jetzt sagen, dass mit dem letzten Walzer-Pas der Tanz noch nicht aus ist, sondern der Herr seine Dame nach ihrem Platz zurück zu geleiten und mit Reverenz seinen Dank ihr abzustatten hat. Zu dieser Rückzugs-Scene will jetzt die Einleitungsmusik dienen. — Das Leben ein Tanz und im Tanze ein Leben I Ein wahres Lebensbild bringt uns Weber's genannter Walzer. Hätte ich zu viel darin gefunden, gar ein Programm herausgedeutet, so ^ Wenn sie gar durch allerhand »Zusätze« der Virtuos C. Tausig zum Koncertgebrauch zugerichtet hat, so ist diese Pietätlosigkeit zugleich eine Art Wiedervergeltung für Weber, der in seiner Jugend S. Bach's »verbesserte« Choräle herausgab. Digitized by Google 269 muM ich allerdings bekennen, dass ich in diesem Stfick der Weber*sclien Muse des Poetischen mehr finde, als in hundert nach-Schumann' sehen Charakterstacken« Und wftre es denn nicht so , w8re es nur eitel Traum, da die Musik nach £. Hanslick nur ein Spiel klingender Formen, ohne Inhalt ist: nun so ist Weber*8 Musik wenigstens doch noch ein Stflck gesunder Musik, nicht angekrfinkelt von Reflexionen, Afterkimst und anderen schädigenden Einflüssen. Übrigens ist die wundersam schOne Einleitung zu Weber' s »Aufforderung« der Zeit und dem Range nach die erste Walzereinleitung. Qegen sie fallen alle spätem^ mit Geistesarmuth oder hohlem Pathos aufgesteiften, prätentiösen Walzer- Introduktionen gewaltig ab. Nach Weber's Zeit (nach 1820) kommt allgemach mehr Leben imd Schwung in die Walzer. Einen guten tTberblick gewährt eine unter dem Titel »Cameval« 1823 bei Leidersdorf in Wien herausgekommene Tanssammlung; darin haben außer Leidersdorf noch C. Czemy, H. Payer, P. Pixis, Schoberlechner, Preisinger, Pensei, Worischek beigesteuert ; auch Franz Schubert hat darin einen Walzer ge* liefert, der sich unter den übrigen Walzern abhebt, gleichsam (nach Ambros* Ver- gleich) wie sich ein yereinzelter Edelfasan in dem durcheinander gackernden Hüh- nerhof ausnimmt. Im Ganzen herrscht unter besagten Tänzen noch der bequem wiegende Ländlercharakter vor , mit Ausnahme des Schubert'schen Stückes mit seinen ▼erwegenen Rhythmen und der Czemy*schen Tänze, dem Bravourwalzer der spätem Zeit Tordeutend. Zu einer eigenthümlichen poetischen Gattung von Walzern hat es der geniale Franz Schubert gebracht. Er, der Sohn des Volkes, wusste für die heitere Lebenslust seiner Wiener Landsleute den rechten, aber doch veredelten Ton zu finden. Li manchen seiner Walzermelodien spricht sich zwar trübste Melancholie und innige Sehnsucht in ergreifender Weise aus. Sein sogenannnter Sehnsuchts- walzer ist höchst berühmt und sogar für Beethoven's Komposition ausgegeben worden, obgleich er in Schubert*s deutschen Tänzen op. 97 als Nr. 2 steht. Hier wie überall in seinen Liedern zeigt sich der romantische Tonmaler. Dem Sehnsuchts- walzer hat man später folgenden Text untergelegt : O süfie Himmelslust Aber was gleicht dem Schmerz, Bebt durch die trunkne Brust, Der dann durchzuckt mein Herz, Bin ich bei dir, bei dir, Bist du, o schönster Stern, Lächelst du mir. Bist du mir fem. etc. Am poesiereichsten und anmuthigsten sind seine Walzer op. 33. Wo Schu- bert dagegen als echtes Wiener Kind jubelt oder harmlos aber herzlich lacht, ist er der unmittelbare Vorgänger des wenig später auftretenden Job. Strauß, dessen Tanzweisen im sinnlichen Reiz wohl an Schubert heranreichen, ibn auch übertreffen mögen, aber mit dem musikalisch-poetischen Gehalt der Schubert* sehen Kompo- sitionen sich gar nicht messen dürfen. Bemerkt sei noch, dass schon bei Schubert im Walzer sich die später allge- mein angewandte Begleitungsform findet, die im Vorschlagen des Basses und Nachschlagen zweier Accorde besteht und zur Markirung der Tanzschritte jedenfalls die geeignetste ist.^ 1 Sämmtliehe Tänze Schubert'« sind in billigen Neuausgaben Breitkopf & HSrtels, Volksausgabe sowie in Peters' und Litolff's Edition zu haben. Digitized by Google 270 Erst mit Johann Strauß (Vater) begann das goldne Zeitalter des Wiener Walsers. Alte Ecossaisen, Polonaisen, Fran9aisen, Alles verschwand vor der Zauberwirkung des Wiener Walzers oder des noch stürmischem Galopps, der um gleiche Zeit (1825) in Norddeutschland aufgekommen war. Es herrschte in allen Tanzsfilen ein Wirbelsystem. Tänzer und T&nzerinnen Sprangen so hoch und drehten sich geschwind, Dass sie von eigener Oluth wie Schnee am Thauwind schmolzen, Und jedes zappelnde Herz bis an die Kehle schlug.« Dieser beliebteste deutsche Tanzkomponist, dem bis jetzt nur sein gleich- namiger Sohn ernstlich Konkurrenz machte, wurde am 14. März 1804 in Wien geboren. Er war der Sohn des Inhabers eines Bier- und Tanzlokals und wuchs in musikalischer Beziehung ziemlich wild auf. Gleichwohl war er 1819 fähig, als Bratschist in das Quartett von Jos. Lanner einzutreten. Als dieser seine Tana- kapelle vergrößerte, wurde Joh. Strauß Hilfsdirigent und machte sich 1825 selb- ständig, indem er seine eigene Tanzkapelle gründete. Jetzt trat er auch mit seinen eigenen Walzern hervor und ward bald der Held des Tages. Seine ersten Walzer erschienen 1827 unter dem echt Wienerischen Titel »Täuberl- Walzer, op. 1.« Bald folgen die Döblinger Reunionswalzer op. 2 , die Wiener Camevals- Walzer op. 3, die Kettenbrücken-Walzer op. 4, und so folgte eine lange Reihe von Tänzen, bis die letzten Walzer »die Friedensboten op. 24 ia und als letztes Werk die Exeter- Polka op. 249 den Abschluss machte. Er brachte es soweit, dass er ein vorzüglich gesohtdtes Orchester von starker Besetzung unterhalten konnte, und machte vom Jahre 1833 ab mit demselben auch Koncertausflüge nach dem übrigen Österreich, seit 1837 aber unternahm er Koncert- reisen nach Paris, London u. s.w. Von seiner amtlichen Stellung sei bemerkt, dass er 1834 die Kapellmeisterstelle eines Büi^erregiments überkam und 1835 die Musik der HofbäUe ihm übertragen wurde ; als Hofballmusikdirektor wirkte er bis ansein Ende. Zu den besten Walzern von Strauß gehören die Hofballtänze (op. 51) , die Charmantwalzer, »das Leben ein Tanz« voll Wogens und Wiegens , »der schönste Tag in Baden« (op. 58) , die Alexandra- Walzer (op. 56), sämmtlich um 1832 ver- öffentlicht. Von spätem Walzern mögen als sehr beliebt genannt sein: die Gabri- elen-, Taglioni-, Victoria-, Cäcüien- Walzer , Mephisto*s Höllenrufe, Elektrische Funken und Bajaderen- Walzer. Strauß hatte das Glück , dass seine Phantasie ihm bis zu seinem Lebensende treu blieb, seine spätem Arbeiten fallen nicht etwa ab , sondern bieten noch rei- zende Züge. Das Füllhorn seiner Melodien war wirklich unerschöpflich; gerade hierin zeigt sich seine Originalität und es ist ein Zeichen von Kraft und Talent, dass weder die italienische Oper der damals in Wien fanatisch aufgenommenen Bellini-Donizetti-Richtung , noch die Sentimentalität der Proch*schen Liebeslieder auf ihn irgend welchen Einfluss übten. Zwar hat er die Unart, fremde Motive, besonders Opernmelodien lu Tänzen zu verarbeiten, nicht erfunden, ^ aber doch zumeist in Schwung gebracht. Zu seinen frühesten Walzern über Opemmotive gehören Zampa- Walzer (nach Herold), Bajaderen-Walzer und Robert- Walzer (nach Auber's Robert der Teufel). Als er in seine Gäcilienwalzer (op. 120) das Motiv der Variationen aus Beethoven's ^ Schon vorher gab es von Diabelli »Alpenkönig«- und »Millionäre-Walzer. Auch hatte ein gewisser Raez schon Motive aus Auber's »Stumme von Portici« und »Fra Diavolo« verwalzt. Digitized by Google 271 Sonate op. 47 (Kreutier-Souate) nahm; nannte ex auf dem Titel niclit Beethoven, sondern Beriot, der sein Tremolo bekanntlich auf dasselbe Thema gebaut hat. Nach seinem Vorbilde sind fast alle melodischen Opemsätze zu Walzern, Galopps und Quadrillen umgemünzt oder, richtiger gesagt, bloß zusammengesetzt worden; denn Opern wie z. B. Martha oder Stradella von Flotow und Auber's Opern sind für Quadrillen- Arrangeure ein Schlaraffenland, wo die Hasen schon ge- braten umherlaufen und die gebratenen Tauben von selbst in den Mund fliegen. Als Strauß auf der Höhe seines Ruhmes stand, bringt die launische Gebieterin Mode (um 1839) die lange vergessen gewesene Quadrille-Fran9aise wieder zu Tage. Strauß weiß darein sich trefflich zu finden, seine Quadrillen stehen seinen Walzern nicht nach. (Seine ersten Wiener Camevalsquadrillen tragen die Opus- zahl 124.) Ihr Charakter ist, wie es der vornehmen Quadrille, dem Tanze des feinen Salons ziemt, auch vornehm und prächtig, dabei heiter und anmuthig. WShrend die französische Quadrillenmusik mehr an die schlichte Weise des filtern Contretanzes erinnert , hat Strauß aus den 6 Nummern eben so viel Charakter- stücke gemacht, so dass zwischen Nr. 1, 3 und 6 und zwischen 2, 4 und 5 eine gewisse Verwandtschaft herausklingt : jene sind rauschender und glänzender, diese einfacher ; jene haben breitere Melodie, diese sind aus kurzen raschen Melodie- figuren zusammengesetzt. Die Straußischen Quadrillen wurden nach Auffassung und Charakter das Vor- bild zu zahllosen andern, die nachher den Musikmarkt überschwemmten. Ein anderer Tanz fing um 1837 an, die Runde durch die tanzende Welt zu machen: die Polka.. Strauß hat auch dergleichen geliefert, es war aber sein Fach nicht, wie auch seinen Galopps die rechte Verve fehlt. Auf diesem Gebiete haben ihn ohne Frage Gungl, Labitzky, Lumbye u. A. übertroffen. Nicht unerwähnt bleibe, dass Strauß zuerst die eigenen Titel für Tanz- kompositionen allgemein eingeführt hat.^ Es ist das kein artistisches Ver- dienst, sondern höchstens eine geschäftliche Erleichterung und nebenbei eine harm- lose Spielerei zu nennen. Im Grunde bedeuten doch alle diese Titel nicht mehr, als wenn man ein Schiff zur Unterscheidung von andern »Sirenea, nDelphina etc. heißt, oder wie man zu gleichem Zwecke die Straßen benamst. Es ist schwer, Opuszahlen zu merken, viel eher behält man einen hübschen, frappanten Namen. Wohlgemuth begehrt das Fräulein im Musikladen den »Tausend- sapperments-Walzer« oder den «Vortänzera von Strauß, während sie gewiss dreimal im Notizbuch nachsehen müsste, dass es op. 61 und op. 169 sind. In neuester Zeit ist freilich die Wahl der Tanztitel bis zur Absurdität ausgeartet. Als verdienstlich kann man es Strauß anrechnen, dass er die Tanzweise des Volkes in die Säle der Vornehmen einzuführen wusste, und wiederum die Tanzböden der Vorstädte durch aristokratische Me- lodien veredelte. Strauß geberdete sich weniger als Volkskomponist, obwohl er noch zuweilen die schlichte Volksweise in seinen W^alzern durchblicken lässt, sondern mehr als Komponist der hohem Gesellschaft ; wirklich hat er Hofballtänze (op. 51) und Haute- Vol6e-Quadrillen (op. 142) komponirt, in denen Alles gleich- sam funkelt und strahlt von Ordenssternen und Brillanten, Perlen und schönen Augen der Comtessen. Dieser aristokratische Zug in seinen Tänzen war nicht bloß für seinen Ruhm und seine Kasse, sondern überhaupt für den deutschen 1 Übrigens waren die Tanztitel von Strauß nichts Neues, denn allerhand Namen für Tänze gab es schon im 16. Jahrhundert und schon zu Neidhart's Zeit, wie wir oben S. 248 gesehen haben. Digitized by Google 272 Tanz von Qewinn: mit Strauß wurde der deutsche Tanz (Walzer) eigenüieh erst courföhig und dadurch ist der Hang zu französischen Tänzen seitdem etwas zurückgedrängt worden. Bei Beurtheilung der Tanzkompositionen von Strauß dürfen wir uns nicht Yon übertriebenem Lobe der tanzlustigen Jugend, noch vom unterschätzenden Urtheil der Musiktheoretiker, der Griesgrämler und yomehmthuender Ghrübler der Schu- mann' sehen Richtung irre leiten lassen. Ein Walzer von Strauß ist in seiner Art ebensogut ein Kunstwerk, wie eine Sonate und Sinfonie in ihrer Art. Reicht er an den Stil der Klassiker nicht heran, so würden umgekehrt die Klassiker, Bach und Beethoven nicht vermocht haben , einen Straußischen Walzer zu schreiben. Eine Fülle von Phantasie, frischer und lebensprudelnder Melodie, von geist- vollen pikanten Zügen lebt darin. Der frühere , einförmig fortleiemde Walzer ist hier zu einem hübschen Charakterstück geworden : Fröhliches und Behagliches^ Zärtliches und Sentimentales, Derbes und Komisches, Wehmüthiges und Aus- gelassenes gaukelt in bunter Abwechslung vorüber. Bewundemswerth ist die Axt, wie er den sehr einförmigen Walz er -Rhythmus , ohne ihn zu verwischen, durch geschickte Anordnung der Melodie zu vermannigfaltigen weiß. Bald ziehen drei gleiche Viertel oder das erste punktirt im Takte ruhig vorüber, bald wechseln einige Achtelnoten oder eine Halbnote mit Vierteln ab, bald schlagen einzelne Töne pizzicato das erste Viertel an, dagegen haben andere Instrumente gebundene Ton- folgen ; hier blitzt auf einem schlechten Takttheil ein Triller auf, dort stürzen krause Figuren sich in die Tiefe; hier tönt getragener Gesang, dort wird mit nach- schlagenden Noten oder mit einer Auftaktnote, der nichts weiter folgt, ein necki- sches Spiel getrieben. Die Melodie wird meist so innig anschmiegend mit Terzen und Sexten begleitet, oder gar einmal in den Bass gelegt, oder es werden zwei Melodien wie Frage und Antwort zwischen Streich- und Blasinstrumenten durch- geführt. Eine brillante Instrumentirung thut zur Wirkung das Ihre. Sie ist voll und stark, denn sie muss ja die weiten Tanzsäle durchdringen und nebenbei das Geräusch der Tanzenden und Schwätzer übertönen ; aber in ihrer Art durch Vorherrschen der Streichinstrumente, wenig Blech- neben einigen Holzblasinstru- menten, ist sie doch immer noch klassisch zu nennen gegen die barbarische Blech- musik der Militärmusikchöre. Zum Instrumentiren hatte Strauß eine besondere Be- gabung, Manches mochte er auch wohl seinen Vorgängern oder dem italienischen Opemorchester abgelernt haben, das Beste that seine Phantasie und sein Geschmack. Wenn Strauß (sen.) in der Melodie und Rhythmik sich genial und erfindungs- reich zeigt, so ist dagegen die Harmonie nicht seine Sache. Sie ist im Ganzen rein und bescheiden. Nur was er zur Belebung des Tanzes, zur leichten Schattirung seiner Melodien braucht, das weiß er gut zu handhaben; weiter hinaus geht er nicht. Diese absichtliche harmonische Entsagung (keinesfalls wohl Ungeschick, denn Accorde und Moduliren lassen sich von jedem Phantasielosen lernen) war für seine Walzer jedenfalls ein Glück; wie jeder Tanzkomponist konnte er keine zu reichhaltige Accordunterlage brauchen , wenn darüber allerhand Melodien, mit Sexten und Terzen begleitet, aufgebaut werden sollten. Harmonische Überladung, die musikalische Hauptkrankheit der Gegenwart und besonders der Deutschen, lässt eben keine freie, gesunde, ansprechende Melodie aufkommen. Geht hin und lernet I Strauß wurde bei Lebzeiten schon in aller Welt als Meister und Schöpfer des modernen Walzers gefeiert, sein Ruhm, zumal nach seinen Reisen, ging über Land und Meer^ bald bis zu den Sternen. Für Wien wurde er die zehnte Muse, oder vielmehr er galt mehr als alle neun Musen zusammen, er war der Musengott, Digitized by Google 273 der »Wiener Apollo c, statt der Lyra mit der Qeige in der Hand. Ja dieser schmächtige Mann mit dem sonderbar geformten , fast viereckigen Schädel und n^erartigen Gesichtssügen, konnte Alles bezaubern, wenn er mit seiner Qeige vor sein wohlgeübtes Orchester trat, bald mit dem Bogen wie mit dem Feldhermstab gebietende Winke gab, bald selbst mitspielend, und siegreich zuletzt mit einem Solo aus den Tonmassen hervortrat. Alle sahen aus seinen Bewegungen und Grimassen, wie ihm seine eignen Melodien in allen Gliedern zuckten. Mit Strauß ging ein Stück Wiener Lebens zu Grabe. Und bei seinem Leichen- begängnisse welch ein Pomp mit Eröffnung des großen Hauptthores von St. Ste- phan etc. Nicht mit Unrecht hat man es den Wienern bitter vorgerückt, dass Mozart unbegleitet in die große Commungrube der Armen begraben wurde , während der Walzergeiger gleich einem Helden und Yaterlandsretter im Tode noch gefeiert ward. Doch heißt es Mozart's Genius beleidigen, hier eine Parallele ziehen zu wollen. Werdern Vergnügen des Augenblicks gedient, dem flicht die Nachwelt keine Kränze. Schon jetzt sind die süßen Weisen des altem Strauß so ziemlich vergessen und was sind alle die augenblicklichen Huldigungen der sinnentaumelnden Menge gegen das unsterbliche Fortleben und Fortwirken der Geisteswerke eines Mozart? Nichts. Neben Strauß, nur einige Jahre früher, lebte und wirkte in Wien der eben- falls berühmte Tanzkomponist Joseph Lanner, geb. 1801 zu Wien, gestorben zu Oberdöbling bei Wien 1843. Autodidakt im Violinspiel und der Komposition, begann er seine Carriäre als erster Violinist und Dirigent eines liebhaber-Quar- tetts, mit Joh. Strauß als Bratschist 1819. Er arrangirte für sein Quartett erst Opern-Potpourris und komponirte Tänze, bis dasselbe sich zu einem vollständigen Orchester erweiterte, das bald ein außergewöhnlicher Magnet für das Wiener Publi- kum wurde, und Lanners Walzer, Polkas und Ländler wurden bald populär in ganz Deutschland. Seine Kunstleistungen konnten durch den mächtigen Rival Strauß nicht ver- dunkelt werden. Kamen die Wiener zuweilen in Zweifel , wer von Beiden größer sei, so waren sie doch bald so gescheidt und genossen das Schöne von beiden Walzerheroen. Man vergötterte Beide, die als Doppelgestirn am Wiener Horizonte glänzten. Man darf es den Wienern nicht übelnehmen, dass sie an Lanner und Strauß ihre Freude hatten, aber dass sie an ihnen zu viel Freude hatten, war nicht recht. Die Wiener, nachdem sie jahrelang mit großer Fassung den Besitz Beethoven*s und Schubert*s »ertragene hatten, geberdeten sich beim Erscheinen ihrer Walzerkönige fast wie einst das Volk von Lystra , das da schrie : »Götter in Menscbengestalt sind herabgekommen zu unslc Man kann mit Ambros sagen, dass die Wiener Lebenslust in jenen Jahren (1825 — 1848) sich zu einer sybaritischen Selbstvergessenheit steigerte. Strauß-Lanner's Walzer, Nestroy's Possen, italienische Opern von Rossini, Bellini und Donizetti, daneben Bäuerle's Theaterzeitung — das war, was damals das specifische Wienerthum kennzeichnete. »Der vollste Ausdruck jener überschäumenden Lebenslust lebt nur in den Tanzweisen von Strauß. Etwas gehaltener, solider sind jene des Lanner , der im jubüirenden Walzer seinen Rivalen nicht erreichte , dafür aber die treuherzige Volksweise des Ländlers besser und wirklich vortrefflich zu behandeln verstand. Aus seinen steyriachen Tänzen weht es uns an , wie der kräftige , würzige Hauch Böhme, Qescli. d. Tanzes. IS Digitized by Google 274 der Btey Tischen Gebirgswälder.« So urtheilt AmbroB und man darf ihm beistimmen. Lanner war mehr melodisch-schmelzend, weich und sentimental, Strauß dagegen feurig, stürmisch erobernd. Vergessen wir nicht, dass Lanner eigentlich es ist, der den WienerWalser geschaffen und besonders durch kühne Rh3'thmen (Synkopen) und auch har- monisch bereichert hat. Strauß trat in dessen Fußstapfen. Vor Lanner bestand, wie wir oben sahen, der Walzer hur aus einem kurzen Tanzstück mit weni(( Reprisen und einem Trio, oder aus einer Kette von 12 meist langweiligen Tänzen. Die fünftheilige Walzerkette mit Einleitung und Coda ist sein Werk. Auch die glänzende Instrumention hat er, der eher damit hervortrat, nicht von Strauß erlernt. Seine schönsten Walzer, die meist noch jetzt zum Ball wie in Gartenkoncerten gespielt werden, sind «Abendsterne«, »Hoffnungsstrahlenc, »Ein Tag in Baden« und »Schönbrunner Walzer«. Wenig später, aber noch gleichzeitig mit Lanner und Strauß wirkte als bedeutender und sehr beliebter Tanzkomponist Joseph Gungl, geboren 1810 in Ungarn, früher Österreichischer Militärmusikdirektor, seit 1843 mit eigener Kapelle auf Kunstreisen, 1858 in Brunn Militärmusikmeister, 1864 in München, später privatisirend in Frankfurt a. M. und seit 1882 in Bremen lebend. Als geborener Österreicher schrieb er vortreffliche Walzer und steyrische Ländler, aber auch feurige Galopps und gute Märsche. Seine Tänze und Märsche genießen neben denen von Lanner und Strauß die grOßte Popularität. Es findet sich darin viel Schätzenswerthes und Gelungenes. In seiner Walzerkette »Träume auf dem Ocean« spielt etwas von den romantischen Ouvertüren Mendelssohn's hinein. Gleichzeitig war für Ausbildung der Tanzmusik Joseph Labitzky (1802 bis 1881) in Karlsbad mit seiner Kapelle von Bedeutung. Der jung verstorbene Wiener Tanzkomponist Wilhelm Fahrbach (1838 bis 1866) war mit seinen Tänzen und seiner Kapelle für Unterhaltungsmusik eben- falls eine Zeit lang beliebt. Ebenso war der Hamburger Kapellmeister August Canthal (geb. 1804) in den Jahren 1830 — 50 namhaft, jedoch bald vergessen. Nach Strauß-Lanners Zeit ist aber kein Tanzkomponist so beliebt und be- rühmt geworden, als der älteste Sohn des Wiener Walzerkönigs Johann Strauß (Sohn), der seines Vaters Kunst nicht nur erreicht, sondern übertroffen hat und noch in der Gegenwart die Tanzsalons und Koncertsäle mit seinen Walzern be- herrscht. Geboren 1825 in Wien, begründete er 1844 sein eigenes Orchester neben dem seines Vaters, übernahm aber nach dessen Tode des Vaters Kapelle, deren Leistungsfähigkeit er noch erheblich steigerte. Mit ihr führte er das Reisesystem im ausgedehntesten Maße durch, er zog nicht nur in Österreichs Hauptstädten umher, sondern wurde ein immer gern gesehener Gast in Petersburg, Berlin, London, Paris und in Amerika. Nach seiner Verheirathung 1863 übergab er die Tanzkapelle seinen Brüdern Joseph und Eduard, von denen nur der letztere noch lebt, dirigirt, kom- ponirt und reist. Joh. Strauß widmete sich seitdem der Komposition, zunächst mit größtem Er- folg der Tanzmusik und seit 1 5 Jahren der Operetten-Komposition, und hatte in letzterem Fache eben so enormes Glück, wie in seiner Walzermusik, hauptsächlich darum, weil seine Operetten mit Tänzen reich ausgestattet sind, die dann wieder aus dem Theater in die Koncert- und Tanzsäle Europas wandern. Von seinen Walzern sind die hübschesten und beliebtesten : »An der schönen blauen Donau« (geradezu zur Wiener Volksmelodie geworden], «Kunst- leben«, »Morgenblätter«, »Geschichten aus dem Wiener Wald«, »Wie- Digitized by Google 275 ner Blut«, »Liebe, Lied und Wein«, »Bei uns su Hausa, »Nur für NatuTc aus dem »Lustigen Kriege 1882. Einiger Beliebtheit erfreuen sich aueh manche Tänze eines schlesisohen Kom- ponisten in neuester 2ieit, besonders durch schöne Bilder-Titel auf den Klavier- aussagen: es ist Karl Faust (geboren 1825}, der mehrfache Anstellung als Militärmusikmeister hatte, dann seit 1875 als Stadtmusikdirektor mit seiner Kon- certkapelle in Waidenburg wirkt und über 200 Tänze und Märsche geschrieben hat. Die ausländischen Tanzcompositeurs Musard (1792 — 1859), der französische Strauß, und der dänische Kapellmeister Lumbye (1808 — 1874) mögen hier beiläufig genannt werden , weil des letztem Walzer und Galopps auch in Deutsch- land viel gespielt wurden. In allemeuester Zeit sind Tänze von zwei Wiener Operetten-Komponisten Franz von Supp6 und Karl Millöcker neben den Strauß' sehen viel gehört. Sie sind ansprechend, leicht und prickelnd. Wiederholen wir aus der Tanzmusikgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts kurz das Wesentliche : Allgemach und gleichen Schrittes mit der Vervollkommnung der Tonkunst überhaupt geht es auch mit der Tanzmusik vorwärts. Nachdem mit Bach der Kontrapunkt seinen höchsten und letzten Gipfel erreicht und die Homophonie durch Haydn, Mozart und Beethoven in ihre Rechte getreten, kommt auch das Musika- lische des Tanzes mehr zur Geltung. Die Tanzstücke bekommen eine erweiterte Form, ihre Melodik, nicht durch Stimmengewirr verdeckt, tritt hervor und wird reizender, was namentlich an den geschmackvollen Menuett -Kompositionen unserer Meister und hundert anderer Komponisten zu Tage tritt. Die später kom- menden Englischen Tänze (Country-dances) , aus denen die Quadrillen her- vorgehen, waren im Tempo lebhaft, in ihrer Musik aber sehr einförmig. Hübschere Melodien bringen die am Ende des 18. Jahrhunderts immermehr beliebt werdenden Ländler und Dreher, die dann Wiener Walzer heißen, deren Weiterbildung im folgenden Jahrhunderte fortgesetzt wird. Das 19. Jahrhundert benutzte zunächt die aus dem 18. überkommenen Tanz- musikstücke, die noch ärmlich und knapp, oft nur aus einem langweilig fortge- führten Motiv über Tonica und Dominante aufgebaut waren und meist nur einen Umfang von 2 mal 8 Takten hatten. An Stelle der alten kurzen Tänze setzte man etwas längere mit Trio. Dabei geschah es auch, dass die Tänze nicht bloß länger an Umfang wurden^ sondern auch die alten Tänze im langsamen Tempo aus der Mode kamen und raschere an deren Stelle traten. Einen völligen Umschwung erfährt die Tanzmusik durch die beiden gleich- zeitigen Schöpfer der modernen Tanzmusik, L anner und Strauß, um 1825 — 50. Die Tänze wurden an Form erweitert, melodisch und rhythmisch reizender und schvninghafter, aueh in der Harmonie bereichert und durch glanzvolle Instrumen- tation berückend und bezaubernd. Durch Lanner und Strauß ist die Tanzmusik klassisch und nach dieser Periode nicht übertroffen worden. Die Tanzmusik wird von ihren vornehmen Schwestern (der Kirchen-, Theater- und Koncertmusik) so ziemlich als Aschenbrödel angesehen, und doch gleich dieser, die durch anmuthigen Tanz die Gunst und Hand eines Prinzen sich zu ver- schaffen wusste, hat sie das Glück, Beherrscherin eines weiten Reichs und zahl- 18* Digitized by Google 276 reicher, treu ergebener Vasallen su sein. Wer davon sich überzeugen will, der mustere doch einmal die auf den Klavieren der Dilettanten liegenden StöBe von Musikalien, und er wird unter sehn Fällen neunmal mehr Tänse als andere Musik finden. Oder er gehe an einem schönen Sommerabend durch die Straßen einer größeren Stadt und er wird aus offenen Fenstern hören, wie auf verstimmten Kla- vieren neben Fingerabungen da und dort eine Sonate, zumeist aber Tftnze aufge- spielt werden. Darum wolle man den Einfluss dieser künstlerisch untergeordneten Musik- gattung, die einer so großen Beliebtheit und allgemeinen Verbreitung sich erfreut, ja nicht zu gering anschlagen : ihre Einwirkung auf das Kunstleben der Gegenwart ist bedeutend und das bessere Musik wesen schädigend. Zu dem nachtheiligen Einfluß der überwuchernden Tanzmusik gehört, dass viele Tanzspieler durch den ewigen Oenuss kleiner lustiger Tonbilder von 8 oder 16 Takten die Lust und Aufmerksamkeit für größere Musikformen, z. B. für eine viersfttzige Sonate, verloren haben. Wer mit Bonbons den Appetit sich verdirbt, mag nicht gern zu einem ordentlichen und kräftigenden Mittagsessen sich setzen, sondern will höchstens nur wieder (und zwar der Ab- wechslung halber) andere Bonbons naschen. Daher bei der g^ßen Nachfrage des Publikums auf dem Notenmarkte die Überfülle an musikalischen Bonbons, — das sind die Tanzkompositionen und Salonsächelchen. Der bessere Komponist, der nicht solchen Thorheiten, sondern mehr seiner Kunst dient, mag nun sehen, wie dieser Flor von Schmarotzergewächsen die edlem Pflanzen gar nicht aufkommen läset oder sie mit seiner Überfülle verdeckt. Die schönste Sonate, das meister- liche Streichquartett müssen jahrelang im Pulte liegen, wenn der Komponist es nicht auf eigene Kosten zu publiciren vermag. Auch auf den G e s c hm ackfürOpernmusik hat das weitverbreitete Tanz- unwesen seinen Einfluss ausgeübt. Auch von der Opembühne herab will man die gewohnten, prägnanten, lebhaften Rhythmen hören. Was viele Leute Melodie und melodische Oper nennen, ist eigentlich das Vorwalten der Tanzrhythmen. Und was haben die Operetten-Komponisten Supp6 , Joh. Strauß (Sohn) und Millöcker geihan? Sie haben ihren Operetten-Melodien gleich den Tanzzuschnitt gegeben, haben Tänze mit untergelegtem Texte aneinander gereiht. Seit einem halben Jahrhunderte ist das Tanz-Komponiren so in Verruf gekommen, dass wahrhaft große Tonmeister sich nicht herbeilassen, Tänze für das größere Publikum oder gar für den Tanzboden zu schreiben. Früher war das anders. Wir sehen noch Händel vielen Fleiß auf AUemanden und Giguen ver- wenden und selbst Parademärsche schreiben. Der strenge Bach arbeitet nach seiner kontrapunktischen Schreibart Sarabanden und Couranten aus. Mozart schrieb Menuetten und deutsehe Tänze (Walzer) in großer Zahl zum Gebrauch fOr Tanzorchester, verwendet aber auch seine schaffende Kraft auf die Menuetts in Sonaten und Sinfonien, wie solches vor ihm schon Haydn mit gproßer Liebe ge- than. Selbst der die Menuettform erweiternde Beethoven schrieb noch Menuetts und schenkte dem alter Walzer (deutschen Tanz) noch einige Aufmerksamkeit. Und welche reizenden Märsche und Tänze komponirte Franz Schubert und noch C. M. V. Weber, der sie, mit Ausnahme der Aufforderung zum Tanze, in seinen Opern verwendet! Jetzt aber schämen sich schaffende Tonkünstler der Tanzkomposition. Sie schreiben lieber Sinfonien, die Niemand zu hören bekommt, Koncertstücke für Finger- und Halskünstler, bei deren Anhören einem angst und bange wird, oder Rhapsodien (d. h. musikalische Ungeheuer mit Extravaganzen) und musikalische Digitized by Google 277 WaflseTBuppen unter dem Titel Paraphrasen, oder sie vermeluren die Millionen Lieder, die Niemand singt. i»Wie banal U so rufen sie aus, wenn irgend ein Rhythmus nicht verbunden und verrenkt (in der Kunstsprache »synkopirt«) genug auftritt, sondern in seinem flfigelschlage noch an den Tanz gemahnt. Weil die Komponisten dem heitern Genre der Tanzmusik gar zu sehr aus dem Wege gehen, sind sie auch nicht im Stande, eine ansprechende Operette zu schreiben, dazu sind sie zu gelehrt, d. h. von aller gesunden Melodie ganz abgekommen, die nur am Tanz und Marsche zu erlernen ist. Am Ende freilich vermögen die meisten Kom- ponisten gar keinen flotten Tanz zu schreiben, der dtirch rhythmisch-pikante und doch fliefiende Melodie die tanzende Jugend beflügelt und so in den Ohren sitzen bleibt, dass man ihn auf der Qasse trällern hört; denn einen guten Tanz zu schreiben ist ebenso verdienstlich und ebenso gut ein Meisterstück, als einen Sinfonien- oder Sonatensatz zu komponiren : es wird dazu besonderes Talent erfor- dert. Darum ja nicht den Tanz so geringschätzig ansehen I Das Tanzkomponiren wird jetzt nur als Handwerksarbeit von dazu bestellten Tanzmusikmeistem und deren begabten Gehilfen besorgt. Solche Arbeitstheilung, solche Trennung der Tanzmusik von der sinfonischen sollte nicht sein. Denn auch die mit Verachtung angeblickte Tanzmusik ist ein Mittel und Hebel zur National- erziehung. Wie die einfache, gemeine Zaun rose durch Kunst des Gärtners zur reizenden Centifolie veredelt wird, so kann auch die gemeine Tanzmusik geadelt, d. h. zum Range eines bedeutenden Kunstwerkes erhoben werden, freilich gehören dann dergleichen Produktionen nicht mehr unter die Rubrik Tanzmusik. In älterer and neuerer Zeit ist das geschehen imd geschieht noch. S. Bach und Händel haben die Sarabanden und Gavotten ihrer Zeit kontrapunktisch übersetzt. In den Mazurkas, Polonaisen und Walzern Chopin' s ist die Tanzform zu hochpoetischen Charakt-erstücken verwendet und sind darin die Tanzrhythmen in das Romantisch- , Phantastische übersetzt. Auch C. M. v. Weber's »Aufforderung zum Tanz« ge- hurt hieher, da in ihr die musikalische und poetische Bedeutung in erster Reihe steht, und die Möglichkeit dagegen kaum in Betracht kommt, dass man darnach nüthigenfalls auch wirklich tanzen kann, was bei Chopin' s mehr für Elfenleiber berechneten Walzern nicht möglich wäre. Ein wahrhaft imerschöpflicher Quell der Poesie sprudelt aus Chopin's überaus originellen Mazurkas. Alle möglichen Stimmungen lassen sich darin nachweisen, von der tiefsten Melancholie bis zum ausgelassensten Muthwillen , aber alle Stim- mungen sind in ein eigenartiges romantisches Zauberlicht gestellt, Alles wie aus einer fremden Welt herüber klingend — exotisch möchte man sagen. Der sarma- tische Zug dieses Komponisten, der durch das französische Wesen den Schliff und das Graziöse und Pikante und vom deutschen etwas Tiefe mitbekommen , ist es wohl, der den Mazurkas jenes heißblütige Wesen, jene seltsam wilde Leidenschaftlichkeit und jene bezaubernde ritterliche Anmuth giebt. Außer den genannten Tondichtem haben auch neueste Komponisten bis zur Gegenwart die Tanzform zuKoncertstücken verwendet und manches Hübsche und Schöne geschaffen ; ich nenne hier Liszt, Raff, Rubinstein. In der Gegenwart komponirt außer den besagten namhaften Meistern jeder Stadtmusikdirektor der großem Städte, jeder Direktor einer Gartenkoncert-Kapelle und fast jeder Militärmusikmeister in Deutschland zum Bedarf und besonders bei festlichen Gelegenheiten seine Tänze und Märsche, die oft recht hübsch melodisch und zumeist effektvoll ä la Strauß instrumentirt sind. Auch Dilettanten und Dilettantinnen bis zur hohen Aristokratie hinauf machen sich gern an das Kom- Digitized by Google 278 poniren einer Polka oder eines Walzers. Das harmlose Vergnügen kann man ihnen gönnen ; es ist noch besser, als dass sie sich an höhere Musikgattungen wagen und an der Musik versündigen. So wftre denn in der deutschen Literatur wahrlich kein Mangel an guter Tanzmusik, was bei dem musikalisch gut beanlagten Deutschen kaum anders denkbar ist. Auch wird im Ganzen in Deutschland , besonders durch städtbche Orchester, die Tanzmusik gut aufgespielt. Mit letzterem Worte habe ich den Leser zum zweiten Abschnitte dieses Kapitels hinübergeleitet: nachdem das Wesentliche über Tanzmusik und Tanz-Komponisten yorgebracht ist, erübrigt noch, der Ausübenden bei der Tanzmusik — der Tanzmusikerzu gedenken. B. Die Tanzmusiker. Alle Diejenigen, welche im Mittelalter zum Tanz aufspielten, hießen Spiel- leute. Sie begegnen uns im frühesten Mittelalter unter der Menge der Fahrenden (varende liute) und Qehrenden (gerende diet), als fahrende Musikanten, später mit zunftmäßiger Einrichtung in den Städten. Blicken wir zuerst auf Die fahrenden Spielleute.^ Nach ihrem Ursprünge sind die Fahrenden und Gehrenden ein durchaus un- germanisches Volk, weil sie Gut für Ehre nahmen, was dem Charakter unserer deutschen Voreltern unmöglich und unbekannt war. Sie sind römischen Ursprungs. Das verachtete Geschlecht der Gladiatoren, Mimen (mimi), Tänzer (saltatores) , Schauspieler (histriones, thymelici) und wie sie hießen, hatte sich über die Stürme der Völkerwanderung hinaus erhalten und von Rom aus unter die Barbaren ver- breitet ; aus der verfallenden römischen Welt haben sich diese Banden von Spiel- leuten in die aufsteigende moderne gerettet und waren vom 5. — 8. Jahrh. allmäh- lich aus dem Süden nach dem Norden gedrungen. In Deutschland fanden sie mit ihrer Unterhaltung ergiebigen Boden und bald auch reichlichen Zuwachs in den hinzutretenden Klerikern, welche dem ernsten, klösterlichen Leben entsagten und mit der lustigen Bande zogen, sowie auch später die fahrenden Schüler (vagi scholares, Vaganten, Bettelstudenten) mit ihnen oft gemeinschaftliche Sache machten. Von diesen herumziehenden gemeinen Musikanten , Tänzern , Kämpfern, Gauklern und Puppenspielern, welche aus Italien über Frankreich nach Deutsch- land gekommen, haben wir wohl zu unterscheiden die ebenfalls wandernden Volks - Sänger und Volksdichter, welche seit uralter Zeit bei verschiedenen deut- schen Stämmen vorkommen , aber ab Verfasser und Verbreiter der alten epischen Heldengesänge, als T^er der Neuigkeiten und als Boten beim Volke wie an Fürstenhöfen in hoher Achtung standen. 1 Litteratur: Ferkel, Geschichte der Musik U, 721 ff. 748^-752. Ambros, Ge- schichte der Musik II, 268 ff. A. von Dommer, Handbuch der Musikgeschichte 123. 133 ff. Beißmann, Geschichte der Musik LI, 15 ff. W. Grimm ,.. Deutsche Heldensage. W. Wackemagel, Litteraturgeschichte S. 41. 75 etc. A. Köhler, Über den Stand berufs- mäßiger Sänger im nationalen Epos [in Pfeiffers Germania XV, 27 — 50]. R. von Lilien- croUi historische Volkslieder (Einleitung). F.Vogt, Leben und Dichten der deutschen Spielleute im Mittelalter. Halle 1876. G. Freytag, Bilder aus deutscher Vergangenheit, 1867, II, 443 ff. A Schultz, höfisches Leben sur Zeit der Minnesinger I (1879), 439 ff. K. Weinhold, die deutschen Frauen im Mittelalter 1882, H, 131—151. F. M. Böhme, Artikel »Spielleute« und »Stadtmusikei« in Mendel-Reißmanns Lexikon für Musik. Digitized by Google 279 Ferner müssen wir jene fahrenden Künstler , die das frühere Mittelalter aus der antiken Welt überkommen hatte, nicht mit den fahrenden höfischen Dich- tern und ritterlichen Sängern verwechseln; letztere adelte die Gabe der Poesie und des Gesanges; die Spielleute aber traf der Fluch, der sich an die Kunst heftet, wenn sie nach Brod gehen muss. Das leichtsinnige Volk der Fahrenden war auf die Gunst der Menge an- gewiesen und musste sich nach dem Geschmacke derselben und nach der Zeit- strömung richten. Poesie und Musik war anfangs nur Nebensache, erstere war ihnen in Deutschland ganz verschlossen. Ihre hauptsächlichen Übungen und Fertig- keiten waren allerhand Gaukelkünste, Puppenspiele . Seiltänzerstückchen , panto- mimische Auflführungen und Spiele mit abgerichteten Thieren, besonders mit Bären. Selbstverständlich gab es in der großen Schar der Spielleutc verschiedene Stufen betreffs der Leistungen und dem entsprechend war das Ansehen. Am niedrigsten standen die Kinder der Landstraße : alle jene hungernden und herum- lungernden Gaukler, gemeinen Springer, Tänzer, Klopffechter und Bärenführer. Besser dagegen befanden sich die Instrumentisten , welche auf der Fidel , Rotte und Harfe größere Fertigkeit erlangt hatten , sodass sie auf Burgen und an Höfen zum Gesang begleiten und zum Tanze aufspielen konnten. Größerer Achtung ge- gossen diejenigen, welche durch ihr Wanderleben fremde Sprachen erlernt hatten und als Sprachmeister dienten, oder welche durch ihre Kunst in höhere Gesellschaft enkommen waren und die Tabulatur des feinen Ausdrucks (Moralität) auswendig wussten, dauernde Stellung hatten und feste Einkünfte bezogen. Gewiss waren solche Spielleute , Sänger , Sprachmeister und Anstandslehrer an den Höfen der Fürsten und Edelherren nicht schlechter bestellt, als in modemer Zeit die Hof- schauspieler, Hofkapellmeister und Hofpianisten. Neben den Spielmännern gab es^ und zwiir schon seit der römischen Zeit, auch Spiel wei her, die ebenfalls ihre Kunststücke machten und springen und tanzen mussten. Sie waren zwar ein Anziehungsmittel, aber auch der Grund zum tiefem sittlichen Sinken der fahrenden Gesellschaft. Die Tänze und pantomimischen Darstellungen, worin die Spielweiber auftraten, mögen frei und frech gewesen sein, das Volk scheinen sie jedoch ergötzt zu haben. Schon Childebert I. sah sich um 554 veranlasst, gegen den Unfug dieser Weiber (bansatrices) einzuschreiten und Hincmar von Rheims warnt seine Priester vor diesen tornatrices, die bei ihren Tanzkunststückchen sogar auf den Kopf sich stellten , wie uns in einer Abbildung eines fahrenden Orchesters aus dem 12. Jahrhundert figürlich dargestellt ist. Einfluss auf die Spielleute und die Stellung der Spielweiber zu den vor- nehmen frivolen Kreisen übten offenbar die Kreuzzüge. Ganze Scharen von Fahrenden begleiteten die Kreuzfahrer nach Asien. Da gab es viel Neues zu sehen und zu lernen ; denn bei den Morgenländern waren Gaukler seit alter Zeit zu finden, die den Abendländern Manches zeigen konnten. Die christlichen Ritter waren gegen diese heidnischen Künstler und namentlich gegen die Künstlerinnen gar nicht unempfindlich und Kaiser Friedrich II. nahm sogar ein Paar saracenische Spiel w eiber mit nach Europa, die er später durch andere ersetzt zu haben scheint; denn noch 1244 ergötzte er Richard von Cornwall bei einem Besuche durch Tänze und Künste zweier saracenischen Weiber, die singend und mit Pan- tomimen Cymbel schlagend auf Kugeln auf dem glatten Fußboden herumfuhren. Während seines Aufenthalts in Syrien 1229 unterhielt Friedrich 11. sogar einmal Saracenen, die bei ihm aßen, durch die Kunst christlicher Spielweiber. — Wichtig für abendländische Musik war es, dass durch die Kreuzfahrer seit dem 12. Jahr- hundert orientalische Bogeninstrument c nach Europa kamen. Digitized by Google 280 Was ihre Tracht anlangt, so ist darin die niedrige Stellung im Recht zu er- kennen. Es scheint fast durchgehends Forderung gewesen zu sein , dass die Spiel- leute Haar und Bart scheren mussten ; denn das lange Haar war der Schmuck des freien Mannes, also ihnen, gleich den Knechten, versagt. Auf Bildern der Pariser Liederhandschrift (bei v. d. Hagen Taf. 3. 5. 22. 45) ist allerdings kein Unterschied von der Tracht anderer Personen zu sehen, und auch einzelne Bilder in andern Hand- schriften späterer Zeit best&tigen dies. Dagegen erzählt Rudolf Glaber bei der Hochzeit des Königs Robert von Frankreich mit Constanze von Aquitanien um das Jahr 1000 von einem Zusammenfluss der Spielleute, namentlich aus der Auvergne und Qascogne, und sagt dabei ausdrücklich, dass sie kurzhaarig und nach Art der Histrionen bartlos gingen.^ Dieselbe äußere Erscheinung ist auch in Ber- thold's Predigten (I, 114, 19), sowie im bairischen Landfrieden von 1244, cap. 61 und im bairischen Landrecht von 1255, cap. 50 erwähnt. In der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegeb (edirt von Kopp) ist diese Kurzhaarigkeit bei den Kämpen deutlich, zugleich die Kürze des Bartes auffallend. Der Spielmann dagegen hat langes Haar, aber einen Rock, der unten tief zerschnitten ist. Die fahrenden Kleriker (Lotterpfaffen) ließen absichtlich ihr Haar lang wachsen , um dadurch die geistliche Kopftracht und ihren früheren Stand zu verleugnen. Sie werden daher als «loterphafen mit dem langen harec (lotrici et Vagi scolares cum longa coma) in polizeilichen und kirchlichen Äußerungen bezeichnet. Im Übrigen scheinen die Spielleute in Deutschland kürzere Oberkleider ge- tragen zu haben, als gewöhnlich war. In Frankreich putzten sie sich möglichst auf, liebten es , in seidenen Gewändern zu gehen , die phantastisch mit allerlei Borden besetzt waren, und trugen auf dem Kopfe einen schwankenden Sehmuck von Pfauenfedern. Wer möchte zweifeln — meint Prof. Weinhold, dem ich diese Notizen über Tracht entlehnt habe — , dass die deutschen Spielleute sich ebenso aufputzten, wenn es ihnen möglich war? Durch auffallende Tracht suchen ja noch heute gemeine Komödianten die Menge zu locken. Von den Kunstleistungen der Spielleute erfahren wir mancherlei. In dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Gedichte Karlmeinet ^ wird uns erzählt : »Es kamen mehrere hundert Spielleute; darunter allerhand Musika^nten mit Fiedeln, Harfen, Geigen und Psalter, mit Hörn und Sackpfeife (musette) , die traurige Herzen froh machten, Sänger, die von Aventiuren und Dingen, so in alten Zeiten geschahen, und von Minne singen konnten, und dazu wappenkundige Spruchsprecher ; aber auch Riesen und Zwerge, Taschenspieler, Springer und Tänzer; Leute, die mit Böcken und Pferden kämpften, Meerkatzen reiten ließen und mit Hunden 1 Du Ghesne, hist. Francor. Script IV, 38 : a medio capitis nudati, histrionum more barbis tonsi. 2 Karlmeinet, ed. A. v. Keller 287, 11 ff.: Ouch qu4men d4 m^ dan vdre sulche, de wael dat hörn bleys. hundert mynlBtdre, sulche eebeirde als eyn reis, de wir nennen speleman, Bulche ndreden cleyne ind van w&pen sprechen kan. mit holtze ind mit beyne, sulche konden singen sulche bldsen mutet van 6ventüren ina dingen wael up dem musett, de geschftgen in alden iftren. sulche harpen ind gigen sulche ouch dk w&ren, den man gerne mochte swigen. de von mynnen vnd Uve sulche cum salter 16 sprächen sunder brdve. trürige herzen machen £r6 . . . sulche, de de vedelen sw&re d&den lAden offenbire, Digitized by Google 281 tanzten, Steine kauten, Feuer fraßen und aus dem Munde bliesen ; andere, welche die Stimme der Nachtigall, des Rehs, des Pfaues nachzuahmen verstanden.« Wieder anderwärts erfahren wir von andern Kunststücken der Joculatores. Da gab es Leute, die durch halsbrecherische Künste die Zuschauer in Staunen ver- setzten, durch Verrenken , den Kopf hinten über biegen und sich rückwärts über- schlagen. Die Hauptspringer dieses Kunststückes bekreuzigten sich vorher. Da spielt einer mit Marionetten oder mit Messern, einer geht auf den Händen, ein anderer tanzt, springt durch den Reif etc. Ein Wachtelmäxchen (Lügenmärchen) aus dem 14. Jahrhundert enthält fol- genden Aufruf an die Spielleute, ihre verschiedenen Künste vorzuführen : jNun zu^ ihr Spielleute I Schlagt auf die Hundshäute (Trommel) , schmiert die Ross- schwänze (Fiedelbogen) und lasst eure Nägel die Därme (Saiten) rüstig rühren, richtet mit den Schnuren das Tockenspiel (die Tatermänner) und seid hochgemuth I Dudelsackpfeifer, lauft schnell durch das Holz , springet, geht mit verschränkten Beinen einher, geiget, harfet, fiedelt I Da wird euch eins auf den Nacken (Schlag als Lohn) : zwölf Wachteln in den Sack.t^ Von dem wüsten Treiben und der vielseitigen Beschäftigung der Fahrenden am Ende des 13. Jahrhunderts entwirft ein deutscher Dichter (der Kanzler) eine gewiss nicht übertreibende Schilderung ; er sagt von den Spielleuten : der erste lebt von Betrug, der zweite vom Spiel, der dritte lügt sich an Höfen herum, der vierte ist ein Seiltänzer, der fünfte spielt den Narren, der sechste lebt von Spotten und Schelten, der siebente handelt mit alten Kleidern, der achte sanunelt Federn, der neunte thut Botendienste, der zehnte lebt von der Lüderlichkeit seines Weibes, seiner Tochter oder Magd [MSH. U, 390", bei Bartsch, Liederdichter S. 239]. In Folge ihres Lebenswandels und wegen ihres verachteten Berufs galten die Fahrenden für rechtlos.^ Den Germanen erschien es unnatürlich, dass Jemand für Geld seine Ehre hingeben könne ; ein solcher wurde demjenigen gleich gestellt, der die Freiheit mit Unfreiheit vertauscht : er hatte kein Recht, keine Forderung anBufie. Nach dem altfriesischen Rechte (Lex Fris. V, 1) konnten die Klopf- fechter, die um Geld ihr Leben auf das Spiel setzten, von Jedermann straflos er- schlagen werden. Der Sachsenspiegel (das um 1215 — 35 von dem sächsischen Ritter Eike von Repgowe aus alten Rechtsgewohnheiten zusammengestellte Rechtsbuch) gab den 1 Waehtelm&rchen : Nu zuo, ir spilliute, alaht in die nundes hiute, smirwet die roszegele und schaffet da; die negele die derme vaste rüeren. rihtet zuo den snüeren die taterman und weset stolz, bldterpfifer, durch dai; holz ho;s(elt, gempelt, schrigelet, ffiget, herpfet, fidelet! a& wirt iu ein üf den nac. zwelf wahtel in den sac. 2 Kemphen und ire kindere und alle die un^liche geborn sin, und spillüte und die dübe oder ronb sünen oder wider gebn, und sie des vor geriehte verwunden werden, oder die ir lip, hüt oder hAr ledigen, die ftint alle rechtelos. [Sachsenspiegel I. Buch, 38. Art. § 1 .] — AI si ouch ein man einsneleman oder unMiche geborn, her en ist doch dibes noch Toubms gend; nicht, als man Kemphen üf in leiten müge. [Sachsenspiegel I. Buch, 50. Art § 2.] Digitized by Google 282 SpieUeuten und denen, die sich zu eigen geben , nur eine ScheinbuBe, nftmlich den Schatten eines Mannes, den Kämpen und ihren Kindern nur den Qlanz , den ein blinkender Schild gegen die Sonne wirft. ^ Dieselbe Scheinbuße gewfthrt auch das b airische Landrecht aus dem 14. Jahrhunderte.^ Die gothlftndischen Rechte gestatteten dem Erben eines erschlagenen Spielmannes dann die voUe Buße, wenn er es yermag, eine junge ungezähmte Kuh, die von einem Hügel hinunter gepeitscht wird, mit fettbestrichenen Handschuhen am Schwänze zurück zu halten.^ Der Schwabenspiegel (Landrecht 15, 41) enterbte den Sohn, der gegen seines Vaters Willen Spielmann wurde, und erklärte die Spielleute für rechtlos. Die Stadtrechte verweigerten ihnen den Zutritt oder zwangen sie zu öffent- lichen Arbeiten und König Rudolf I. schloss sie von seinem Landfrieden 1287 aus. (Pertz, legg. ü, 430.) Die Kirche hatte sich seit alter Zeit gegen die Spielleute erUArt, belegte sie mit dem Banne und behandelte sie als Abgefallene, ab Kinder des Teufels, gestattete ihnen nur in seltenen Fällen den Zutritt zum Altare und schloss sie vom ehrliehen Begräbnis aus. Es genüge hier auf Berthold's Predigten I, 155, 17 zu verweisen.^ Sogar in Geburtsscheinen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der Be- treffende »von ehrlichen biderben Leuten, nicht von Pfeiffem, Spiellüten, Schöfem, Badern , Leinwebern , von Sprechern (rabulis) noch von keinerley gerenden Lüten geboren ist«, wie ein bei Reißmann (Geschichte der Musik 11 , 15} im Wortlaut vollständig mitgetheilter Geburtsschein aus Sachsen 1431 besagt. Trotzdem die Kirche so sehr gegen den Tanz eifert, haben wir doch aus dem Mittelalter ein sonderbares Schauspiel, dass ein Pfaffe seinen Pfarrkindem an Sonn- und Festtagen zum Tanz aufspielte. Es wird nämlich in der Braun- schweiger Chronik zum Jahr 1203 erzählt, dass an Pfingsten dieses Jahres zu Ossemer bei Stendal das Gewitter einschlug, dem zum Tanz fiedelnden Pfaffen die rechte Hand lähmte und auf der Seheuntenne (wo getanzt wurde) 2 4 Personen tOdtete.^ Da der Tanz von der Geistlichkeit so hart angefeindet wurde , ist es ganz er- klärlich, dass auch die armen Spielleute dabei schlecht wegkamen. Im Tanzteufel von Hartmann 1677 heißt es : »Von den Musikern , welche zum Tanze spielen, 1 m. Buch, 45 Art., § 9: Spilliiten und alle den, die sich zu eigen geben, den gibt man zu bü;e den schaten eines mannes. Kemphen unde Iren kinderen den gibt man zu büze den blic von eime kamphschilde gein die sunnen. 2 Spidevten vnd allen den dy gut für ere nemend vnd dy sich ze aigen haben geben, den ^bt^ man ain schatten aines manes langk gegen der sunn, das ist also gesprochen : wer jn icht laides tuet vnd wolt in darumb püessen, der sei zu ainer wantt sten, da dy sunn anscheint vnd sei der spilman oder aer, der sich ze aigen hat geben, an der wennt an den hals* slachen, mit solcher räche hat man in gepüesset.« [Biairisches Landrecht, aus dem 14. Jalurhundert, Wiener Hofbibliothek Codex 2856 foL 92^.] 8 Grhnm, Rechtsalterthümer 678. Vestgötal. L Lekarr. Ost^ötal. drapab. 18, 1. ^ »Da; sind diu gumpelliete, gigere vnd tambülre, s6 wie die genei^en sint alle, die guot fQr 6re nement . . . o w6, da; ie dehein touf Af dich quam! wie du des toufes unde des kristenduomes verloukent (verl&ugnet) h&st . . wann (denn) du heilest Lasterbalc, sd heilet din geselle Schandolf, sd heilet der Hagedorn, ad heilet der Helle fi wer, sd heilet der Hagelstein. . alsd h&stü manigenlasterb&ren namen, als din gesellen die tiuvele, die aptrünnic sint.« [Bertholds Predigten. Ausgabe von KUnk 1824, 8. 55.] ^ »In dussem Jare geschah ein Wundertecken by Stendal in dem Dorppe seheten Ossemer, dar sat de Peme (Pfarrer) des Midweckens in den Pfingsten und veadelte synen Buren to dem Danse, da quam ein Donreschlach, unde schloch dem Pamer synen Arm äff mit dem Veddelbogen unde XXIV Lade tod up dem Tyn.« [Chron. piet Brunsvig. p. 355.] Digitized by Google 283 wild man wenige im Himmel antreffen , das sind Lente , welche mit einem bOsen Geracht behaftet und der Unflätigkeit unterworfen sind.c Philander yon Sittewald (Straßburg 1650, S. 378) kommt auf seinen Strei- fereien auch in die Hölle. Dort fragt er unter Andern die »Gebratensgeiger«, Spielleute und Sänger : »Ich bitte, was mag die Ursache sein , dass ihr so Abel gehalten werdet? c üNichts anders, sprach einer, als dass wir mit Harfen und Gei- gen, mit Couranten und Galliarden, mit Passemessen und Sarabanden, mit Volten und mit Branlen aUher gekommen. Das nehmen uns die Herren Teufel so abel, und sprechen : hier sei nicht ein Ort des Lachens, Tanzens und Springens , son- dern des Heulens , Weinens und Wehklagens.« Ein Teufel trat hinzu und sagte : »Und warum, du Lumpenhund, sagst du nicht die gründliche , wahre Ur- sache? Aber die habt ihr je und allwegen vertuscht und Terhehltl Nämlich: ihr habt der thörichten, muthigen, hitzigen Jugend zu einer unzähligen Menge allerlei gräulicher, wüster, stinkender Sünden Zeit und Gelegenheit gegeben, gleichwohl habt ihr Alles vor der Welt verschwiegen, so lange ihr in dem losen Leben ge- schwebet. Ja auch bei den allerheiligsten Übungen, anstatt dass ihr zu Ehren Gottes geist- und anmuthreiche Psalmen und Gesänge erschallen lassen solltet, habt ihr mit wälschen, losen, leichtfertigen Fugen, Fusen (flüchtig zu spielende Ton- stücke) , Phantastereien und Koncerten zu unzüchtigen leichtsinnigen Tänzen Anlass gegeben, und auf der Orgel aufgespielt, dass gottliebende Herzen davor ein Abscheu und Gräul gehabt ; Gott aber habt ihr dadurch höchlichen gehOhnet und gelästert.« R. Voss macht dazu die gute Bemerkung : Den armen Spielleuten ging es also nicht wie dem Meister Orpheus, ihre Leistungen waren den Herren Teufeln zu mangelhaft, sie verfehlten ihre Wirkung. Ihre Harfen und Geigen brachten ihnen statt Freude nur Marter und Qual. Mit der großen Verachtung des Standes der Spielleute kontrastirt ihre große Beliebtheit bei Hoch und Niedrig. Die Spielleute waren die Freudenbringer bei allen festlichen Gelegenheiten ; sie belebten nicht nur die vornehme Gesell- schaft in den Zimmern, sondern erlustigten auch die Menge auf den Wegscheiden, Straßen und Plätzen. Der fahrende Spielmann war auf jeder Burg willkommener Gast. Er tritt in den Saal und beginnt sein Saitenspiel, spielt Tänze auf und singt Lei che und andere Lieder.' Zumal wenn Feste am Hofe waren, fand eine große Menge Spielleute,' Musikanten, Sänger, Akrobaten und fahrende Leute aller Art sich zusam- men, welche von der Milde des Hausherrn und seiner Gäste das Beste erwarteten. ^ Die Spielleute sammelten sich von Alters her bei den Hochzeiten, wenn sie nur irgend Aussicht hatten dort etwas zu verdienen. Der Tanz auf Hochzeiten ward nicht immer bloß von Gesang begleitet, sondern auch von Gesang und In- 1 Trojanerkr. 5450: Nu kam fOr in ein spileman mit seiner harpfen üf den sal, der huop d& wunneelichen schal mit sinem hübschen seitenspil. tenz und süe^er 1 eiche vil lie:; er d4 lüte erelingen, dar zuo begunde er singen vroeliche bi der stunde. s Erec 2158 [Hochzeit]: Die allerbesten spileman, die die werlt ie gewan, und die meister w4m genant, der was d4 zehant driu tüsent unde m^re. Digitized by Google 284 Btmmentalmusik abwechselnd oder von letsterer allein. Letstere besorgten eben die Spielleute. Außer dem Tanze suchten sie zur Unterhaltung beizutragen, sie trugen auf Fiedeln und FlOten ihre Weisen vor, erzählten beliebte Dichtungen und ergötzten durch allerhand Kunststücke. Ein Prediger des 13. Jahrhunderts schildert die Hochzeit zu Kana und sagt: Da waren nicht Pfeifer und Geiger, noch Tänzer noch Sänger, noch Spielleute wie heute bei den Brautläuften. [Grieshaber, deutsche Predigten des XIII. Jh. 2,20.] Heinrich von Veldeke erzählt von Äneas* Hochzeit [Eneit 345,31] : da war Spiel und Gesang, Turnier undGedrang, Pfeifen und Singen, Tanzen und Springen, Trommeln und Saitenspiel, mancherlei Freuden viel. Kein Ritterschlag mit seinen darauf folgenden ritterlichen Übungen war ohne Musik und also nicht ohne Spielleute. Zum Ritterschlag selbst wurde musicirt mit dröhnenden Kriegshömem, lärmenden Trommeln und klingenden Cymbeln (cum stridentibus buccinis, strepentibus tympanis et tinnientibus cymbalis) . Die Limburger Chronik (S. 129) erzählt von einer Fürsten Versammlung und den anwesenden Spielleuten : JiAnno 1397 kamen die Fürsten von Deutschland gen Frankfurt und hatten einen großen Rath und Consilium und überkamen eines Landfriedens.« Nachdem der Chronist alle Fürsten, Grafen und Herren Räthe mit Namen angeführt , sowie deren Pferde aufgezählt , fährt er fort : i Auch waren da 1300 Ritter und 3700 Edelknechte. Sodann waren da 450 vornehme Leute . Sodann Spielleute, Pfeifer, Trommeter , Sprecher und fahrende Schüler . « Kam die Zeit der Brunnenfahrt, die Badesaison würden wir sagen, so strömten Scharen von Spielleuten nach den Badeorten , wo die vornehme Gesell- schaft im Sommer sich erlustigte. So heißt es in Cap. 2 der in Straßburg 1382 — 1414 abgefassten Chronik des Königshofen: »Zu der brunlust komment ussermossen vil spillüte vnd farender lüte, do hieß sie der keyser alle enweg faren vnd gap inen weder gobe noch spise.« Waren Spielleute am Hofe angelangt, so ließ man sie, während die Herr- schaften bei Tafel saßen, in den Saal kommen und dort mit ihren Kunstleistungen die Speisenden ergötzen. Über die Art ihrer Aufwartung erfahren wir etwas aus folgender Stelle einer alten Reisebeschreibung, die Scheid in seiner Dissertatio de jure in Musicos (1719, p. 18) anführt : »Vor dem Tische stant die hohen Fürsten zu dienende und varendeLüte, vnd ist keinre der ein einig Wort rede, es sy denne das der Can (Vorsteher, Intendant der Truppe) zu ime rede , ane (ausgenommen] die varende Lüte, die getichte machent oder nuwe mer bnngent oder nuwe mer erzftgent oder spil.« Hatten die Spielleute ihre Sache gut gemacht, so konnten sie ihres Lohnes sicher sein: die entzückten Zuhörer lösten ihre Mäntel und warfen sie ihnen zu. Der Herr, welcher das Fest veranstaltet hatte, entließ sie selten unbelohnt. Ge~ wohnlich bekamen sie zunächst zu essen und zu trinken und die Überreste der Tafel wurden ihnen preisgegeben. Alle sollten zufrieden der Festtage gedenken und die Freigebigkeit des Herrn und seiner Gäste rühmen und preisen.^ Aber 1 Eneit 346, 27 : Herzogen unde gräven den spilmannen sie gäven grÖ2(ltchen imde s6, da; si dannen schieden frd, und lob dem kunege sungen ieslich n&ch siner zungen. Meleranz 3651 : Den vamden liuten wart gegeben, da; si mit freuden mochten leben. Digitized by Google 285 wenn das fahrende Volk auch noch soTiel bekommen hafte, so war es unter einander neidisch, falls einer mehr dayontrug, nnd sie verwünschten dann das Fest und diejenigen, die ihnen nicht genug gegeben hatten. [Erec 2169.] Als Geschenke bekamen die fahrenden Leute^ die zu einem Feste sich ein- gefunden hatten: Qeld, Kleider und andere Werthsachen, zuweilen sogar Pferde.^ Im Ganzen wurden die Spielleute reichlich belohnt, wie viele Belegstellen aus Dichtungen des 13. Jahrhunderts uns darthun.^ Gerathen war es auch, ihnen zu geben, denn sie hatten nicht nur immer leere Taschen, sondern auch scharfe Zungen und sangen Schmählieder auf den Geiz der Herren, die ohne Gabe sie entlassen hatten. Nicht überall wird jedoch solche Freigebigkeit geübt. So schickt Kaiser Heinrich III. bei seiner 1044 zu Ingelheim gefeierten Hochzeit eine Menge dorthin gekommener Histrionen und Joculatoren ohne irgend eine Gabe fort.^ Dieselbe Geschichte erwähnt auch Otto von Freising in seiner Chronik : »Und da er (Hein- rich IQ.) nach königlicher Sitte zu Ingelheim seine Hochzeit feierte, schickte er die ganze Bande der TUnzer und Possenreifier, welche wie gewöhnlich hier zusammen- gekommen war, unbeschenkt fort, und was er diesen Genossen des Teufels abge- zogen hatte, vertheilte er freiwillig unter die Armen. «^ Aus dieser Bemerkung ist ersichtlich, welche Begriffe man von den Spielleuten schon im 11. Jahrhundert hatte. Diese Kunstvagabunden waren es, welche in den Rittersälen, wie unter der Dorflinde, wie später bei bürgerlichen Hochzeiten auf dem Rathhause vor den Patrieiem zum Tanze aufspielten und dafür sorgten, dass die im Mittelalter noch wenig beachtete Instrumentalmusik nicht aufier Übung kam. Die Instrumente, welche in frühester Zeit beim Tanz gebraucht wurden, waren Trommel und Pfeife, die beide zuweilen gleichzeitig von einer Person gespielt werden. Später kamen hinzu Zinken, Trompeten, Posaunen, Drehleier, Fiedeln und Geigen und einige KlingeUnstrumente. Ob die Laute im geschlos- senen Räume zum Tanz gespielt worden sei, ist sehr fraglich ; dagegen war früher der ^ Parten. 17434: D6 gap der keiser lobeBan den geraden milteclichen solt: pfert, kleider, silber unde golt hie; er in dien teilen mite, die nAch hübscher liute site den hof durch helfe suochten. Karlmeinet 215, 54 : Ouch wart gegeven so den zyden, als ich vur waer horte duden, lodderen ind varenden luden. Erec 2177: Von golde drtsric marke die gap man d4 vil manegem man, der vor nie gewan eines halben phundes wert. Gr. Wolfdr. 2095 : Ön schände und 6ne sorge ward rtch manig farende man, M6 denn umb hundert mark , der vor einen Schilling nie gewan. Die Spielleute Etsels (Swemmel und Werbel; verdienen bei Kriemhildens Hochzeit mehr als tausend Mark (die Mark = 1/2 Pfund Silbers). VergL Nibelungenlied ed. Zarncke 209, 6. ' Infinitam multitudinem histrionum et joeulatorum sine cibo et muneribus vacuam et maerentem abire permisit. [Annal. Wirzibur^.] * Quumque ex more regio nuptias Ingelheim eelebraret, onane balatronum et histri- onum collegiura, quod (ut assolet) eo confluxerat, vaouum abire permisit pauperisque ea, quae membris diaboHcis subtraxerat, large distribuit. [Otto von Freising, Chronik lib. VI, cap. 32.] Digitized by Google 286 bei Vornehmen und Geringen gern gehörte Dudelsack (Saekpfeife) zum Tans- aufspielen in häufigem Gebrauch. — Auf der Abbildung eines ländlichen Tanz es in Petrarchae Trostspiegel (S. 21) erblicken wir außer Tänzern und Tänzerinnen (die einen Kreis bilden, also Reigen tanzen) drei Spielleute. Einer bläst den Zinken, der andere die Sackpfeife, der dritte hat eine gewöhnliche Pfeife (Langflöte) im Munde, mit der einen Hand hält er die Pfeife und fingert darauf, während er mit der andern dazu die kleine Trommel schlägt, die yom an ilua hängt. Solche Doppelmusiker werden aus dem 15. und 1 6. Jahrhundert oft abgebildet gefunden. — Als Musikinstrumente bei Tanz und Fastnachtslust nennt Fischart ( Gargan tua Kap. 7): Schalmeien und Pfe if en, wozu der Schwegel, die Lullen-, Rus- und "Saekpfeife gehörten; femer Sautröglein (Trommel), auch Schnurre und Maultrommel (Brummeisen, das man in den Mund zwischen die Zähne nahm und darauf fingerte) . Im Mittelalter gab es eine überraschend große Zahl von Instrumenten, frei- lich aber von sehr unvollkommener Beschaffenheit. Im höfischen Zeitalter wurde von den Spielleuten die Fertigkeit auf folgenden Instrumenten verlangt: Fiedel (viäle, viole) , Geige (gigue), Zither (Cithera, Psalterium) , Laute, Rotte (harfen- förmige Cither), DreÜeier (Organistrum, Symphonie, ehifonie, später Vielle), Dudelsack (musette) , Pfeifen, Zinken, Hörn, Trompete, Posaune und Trommel. Auf Beschreibung und Geschichte der Instrumente einzugehen, kann hier nicht erwartet werden ; ich verweise den weiterforschenden Leser auf die betref- fende Literatur, aus welcher ich unten das Beste anführen wiU. ^ Der Deutsche hat leider noch kein Werk über Instrumente des MittelalterB mit Illustrationen, wie solche Frankreich und England in großer Pracht besitzen. Wir müssen uns daher vorläufig mit ausländischer Literatur behelfen. In Bezug auf das Instrumentale scheinen die deutschen Spielleute hinter den welschen nicht zurückgestanden zu haben; es werden sogar in Frankreich die deutschen Geiger und böhmischen Flötenspieler besonders gerühmt, und deutsche Instrumente standen bei den Provenzalen und Lombarden in besonderem Ansehen.^ Über das Leben und Treiben der Spielleute sind wir durch viele ein- gehende, quellenmäßige Abhandlungen hinreichend unterrichtet, auch ihre zahlreichen, sonderbaren, zum Theil nicht mehr vorhandenen Instrumente sind uns durch die Forschungen der Franzosen , Engländer und Deutschen zur Genüge bekannt und durch Abbildungen aus alter Zeit, sowie durch Exemplare in Museen uns vorgeführt. 1 Du Gange, Glogsarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis. Paris 1678; neue Ausgabe von Leop. Favre, Niort 1883 ff. Dies, Poesie der Troubadours 42. 45. Wolf, Lai8 245. Kiesewetter, Instrumente im Mittelalter (Cäcilia 22. Bd. 1843). Stnitt, Angleterre ancienne. London 1789. Coussemaker, Essai sur Instruments de musique au moyen-&ge. (Abhandlung mit 200 Abbildungen in Didron, Annales arch^ologiques. Paris J 843— 60.) Reißmann, Dlustrirte deutsche Musikgeschichte 1882 (gute Abbil- dungen). G. Rastner, Manuel de Tinstrumentation du moyen-äge. Paris 1860. Vidal, Les Instruments ä archet. 2 Vols. Paris 1876 — 77. C. Engel , Gatalogue of the musieal instnunents in the South Kensington Museum. London 1874.) Rühlmann, Geschichte der Bogeninstrumente. Braunschweig 1882. J. W. v. Wasielewski, Geschichte der Instra- mentalmusik im 16. Jahrhundert Berlin 1878. 2 Im Roman de Cl^omadäs (Monmerqu6 et Michel, th^Atre fran^. 105) heißt es : »et si avoitbons leuteurs et des flauteurs de Behaigne et des giguours d'Alemaigne.« In dem Werke Poeti del primo secolo II, 175 wird gesagt : oantar dansar a la proven- zalesca con instrumenti novi d'Ale magna. Beide Citate bei Weinhold, d. d. Frauen n, 138. Digitized by Google 287 Aber wenig wissen wir über das Wesen ihrer Musik, so gut wie nichts über die Beschaffenheit ihrer musikalischen Produktionen nach Tonart, Taktart, Rhythmus ihrer Melodien, Formgebung und Tonschrift. Oem würde man ^j^ der Minnesinger- Verse und Vs ^^ Kontrapunktisten dran geben für eine Handschrift mit weltlichen Musikstücken aus dem 13. — 15. Jahrhundert. Die alles vernich- tende Zeit hat hier übel mitgespielt. Trotz angestrengten Suchens ist bis jetzt auch gar nichts von Musik der Spielleute aufgefunden worden. Nur eine einzige Probe mit Tonzeichen kenne ich, von der nicht verbürgt ist, ob die beigefüg^n Neumen von der Hand des Spielmanns sind: es ist ein niederdeutscher Spielmannsreim des 13. Jahrhunderts, den Herr Prof. K. Bartech vor einigen Jahren aufgefunden und behufs einer Entzifferung der im Original beigesetzten Neumen mir anvertraut hat. Zwar kein Tanzlied ist es, aber doch die älteste Notation deutschen weltlichen Gesanges. Hier ist mein Ent- zifferungsversueh. Die Originalnotation beabsichtigt Herr B. in der Germania zu veröffentlichen. ^ ^ e^^^s^ ^^ f^rn Wat den bin ic ein spi-le-men. ic weit wal wat ic minne. m ^^ ^^^^^: ? ^ m un die di ge - ne ger-ne nem. un se min ni - ne wille. In die naturwüchsige Musikantenpraxis hatten die Kunstmusiker (ge- lehrte Theoretiker und Kirchenkomponisten) nicht hinein zu reden. Dagegen nannten die Musikgelehrten die natürliche Durscala, deren sich die Pfeifer bei ihrer weltlichen Musik bedienten, die gemeine Tonart (modus lascivus) , ^ obgleich der nach Fortschritt strebende Marehettus de Padua ganz bestimmt erklftrt hatte, Dur (ionisch) sei die einsige wirklich natürliche Fortechreitung.^ Glarean in seinem Dodecachordon 1547 (II, 15) erwähnt, dass die gemeinen Geiger und Pfeifer 6 Tonarten [ionisch, hypoionisch, lydisch, hypolydisch, mixo- lydisch und hypomixolydisch] inUt(C), dagegen 4 Tonarten [dorisch, hypodorisch, äolisch und hypoäolisch in Re moduliren. Das heißt mit andern Worten: sie spielen das Meiste aus Dur (C, F, G) und Manches in Moll (Dmoll, AmoU). Engelbert, der im 1 3 . Jahrhundert Abt im Kloster Admont in Obersteiermark war, bemerkt in seinem Traktat über Musik [abgedruckt bei Gerber, Scriptores 11, 289] : «Metrisch ist die Art der Histrionen, die man in unserer Zeit Singer (Sänger) nennt und die vor Alters Poeten hießen, welche allein nach dem Ge- brauche metrische oder rhythmische Gesänge erfinden, um damit die Sitten zu rügen oder zu bilden und das Gemüth zur Ergötzung oder Trauer zu stimmen. Der melodischeModus (die Art der Tonfolge), also die Melodieerfindung gegenüber dem vom Dichter schon gesetzten Metrum gehurt den Lyranten und Pfeifern, welche 1 Artusi, Tarte del Contrapunto, 1598, S. 74: »Primo h per natura atto ad es- Srimere danze, balli e perciö da alcuni h detto modo lascivo.« Bei Artusi und an- em späteren Theoretikern galt als erster der modus ionicuR. 2 Marehettus von radua [Lucid. Traet Vm, cap. 4] sagt: »Est namque na- turalis oantus iUe, qui in omni quarta conjunctione Bonorum semper diatessaion habet nee umquam potest aliter naturaliter reperiri. Naturalis enim ad hoc dicitur eo, quod naturaliter vox humana in omni quarta voce sive inter quatuor voces semper proterre semitonium delectatur.« Digitized by Google 288 gleichermaßen aus dem blofien Gebrauche tonrichtige Melodien auf ihren Leiern und Pfeifen und andern Instrumenten komponiren und sich durch Naturanlage und Übung (per naturam et usum) der Kunst so yiel als mOglich nfihern, wie ja auch Aristoteles sagt, dass Viele ohne Kunstanleitung machen was zur Kunst gehört, und umgekehrt Viele, was sie durch Kunst wissen, thatsächlich hervorzu- bringen nicht vermögen.« (Citat übersetzt bei Ambros II, 270.) Wenden wir uns nun ab* von dem verachteten Gesindel der Fahrenden und betrachten wir Die zfinftigen Masikanteii. Zu der Zeit , als alle Handwerker sich zu Innungen und Zünften vereinigten und selbst der Gesang durch die Meistersinger zünftig wurde, thaten auch die Instrumentisten in Deutschland, wie gleichzeitig in Frankreich und England, sich zu Innungen zusammen oder, was dasselbe sagt, schlössen Bruderschaften, zogen in die Städte, um ihr Brod zu verdienen, und Landstörzen hatte für viele ein Ende; die auf den Gehrenden und Fahrenden ruhende Verachtung ward da- durch entfernt, wenn sie das ehrende Prädikat «Stadtpfeif er« oder »Stadt- zinkenista führen durften . Die älteste Musikantenzunft in Deutschland war die 1288 zu Wien gegrün- dete St. Nicolai -Bruderschaft. In der Folge sah sich dieser Verein der Nicolai-Brüder , als er in allerlei Bedrängnis gerieth, nach einem mächtigen welt- lichen Schirmherrn um und wählte dazu den Erbkämmerer Herrn Peter von Ebers- dorff, der das Amt 1354 — 1376 bekleidete und als »Vogt der Musikantenc das obere Spielgraf enamtc errichtete, welche eigenthümliche Behörde in Wien über vier Jahrhunderte bestand. Da allerlei Missbräuche sich einschlichen , über- mäßiggesteigerte Abgaben gefordert wurden, ward 1777 das Spielgrafenamt auf Befehl der Kaiserin Maria Theresia vOllig reformirt und endlich 1782 vom Kaiser Joseph II. ganz aufgehoben. Eine ähnliche Zunft der Instrumentisten begegnet uns im obem und untern Elsass; es war die Bruderschaft der Pfeifer, in welche sich alle jungen Musiker, heimische oder fremde, welche die Musik ausüben wollten, einverleiben lassen mussten. Der Ursprung dieser Bruderschaft fällt in das Zeitalter der Minnesinger, wo Musiker und Sänger noch von Schloss zu Schloss zogen . Die Adelsfamilie von Rappoltstein besaß durch ein Pfeif erkOnig-Diplom vom Jahr 1400 das Protektorat über alle Musiker im Ober- und Unter-Elsass als ein Lehen des römischen Reichs. Nachdem der König von Frankreich das Elsass annectirt hatte, wurde das Haus Pfalz-Birkenfeld nach dem Tode des letzten Grafen von Rappoltstein 1673 in diesem Lehen bestätigt. Die sämmtlichen Instrumentisten des Elsasses waren in drei Bezirke eingetheüt, die obere, mittlere und untere Bruderschaft, die sich alljährlich an einem be- stimmten Tage zu einem sogenannten Pfeifertage versammelten: die eine zu Thann , die andere zu Rappoltsweiler und die dritte zu Mutzig und abwechselnd zu Rosheim, später (seit 1686) zu Bischweiler im untern Elsass. Die Statuten der Bruderschaft, deren Datum nicht bekannt ist, sind 1606 durch den Grafen Eberhard von Rappoltstein, der damals als Pfeiferkönig belehnt war , erneuert worden. Urtheilssprüche des königlichen Gerichtshofes zu Colmar von 1700, 1724, 1747 etc. haben sie bestätigt, auch hat der Königliche Staatsrath 1785 sie abermals erneuert. Seit Aufhebung der Feudallasten durch die Gesetze der französischen Revolutionszeit hat mit Aufhebung aller Zünfte auch diese Ge- nossenschaft der Pfeifer aufgehört. Digitized by Google Die Statuten, in 24 Artikeln bestehend, enthielten im Wesentlichen Fol- gendes : Ein bei der Zunft nicht aufgenommener Musiker darf nirgends seine Kunst ausüben, auch nicht für Qeld Unterricht geben, bei hoher Geldbuße und Konfis- cinmg seines Instruments. Nach zwei Jahren Lehrzeit durfte man in Städten, schon nach einem Jahre in Dörfern Musik machen. Streitigkeiten schlichtete das Pfeifergericht. Die Bruderschaft wurde durch einen königlichen Statthalter, den man Pfeifer- kOnig nannte, einen Schultheißen und 7 Meister als Beisitzer verwaltet. Der PfeiferkOnig war Meister der Zunft und hatte (laut Urkunde] das oambacht (d. i. die Verwaltung) des kunigriches varender l&tec. Zu seinem Amte gehörte, darüber zu wachen : »dass kein Spielmann« der sey ein Pfeiffer, Trummen- schlftger, geiger, zinckhenbl&ßer oder was der oder die sonsten für Spiel undkhurtzweyl treiben khennen, zwischen dem Hawenstein obwendig Basel und dem Hagenawer Forst den gantzen bezürckh eingeschlossen, weder in Stätten, Dörffem oder Fleckhen auch sonsten zu offenen dentzen, Gesellschafften, gemeinschafften, schießen oder andern khurtzweilen nit soll zugelassen oder gedultet werden, er seye dann zuvor in die Bruderschafft uff und angenommene.^ Mit diesem Königreich varender Lüte war auch ein besonderes Gericht (Pfeifergericht) verbunden, welches aus einem Schultheißen, 4 Meistern und 8 Bei- sitzern (unter dem Namen der Zwölfer) und einem Weibel (apparitorj bestand. Durch dasselbe wurden alle in der Gesellschaft vorkommenden Streitigkeiten ge- schlichtet, und über Vergehen abgeurtheilt. Gegen eine solche Entscheidung konnte nur an den Schutzherm (den König) appellirt werden. Die Musiker des untern Elsasses versammelten sich jährlich am 1 5. August zu Bisohweiler zu dem sogenannten Pfeif er tage, um ihre Unterwerfung dem Könige in die Hände seines Statthalters zu erneuern, die jährliche Abgabe zu entrichten und Streitigkeiten zu schlichten. Die Genossen der Gesellschaft (oft 300 an Zahl) versammelten sich Morgens in dem Zunfthause izum Löwenc, jeder mit einer silbernen Medaille bekleidet : dort wurde das Pfeifergericht gehalten und die Strafen (oft bis 100 fl.) aus- gesprochen. Man nahm neue Mitglieder auf, welche die Aufnahmegebühren zu entrichten hatten; die Übrigen zahlten das gewöhnliche Jahrrecht von einigen Gulden gegen Quittung, auf der es heißt: iN.N. hat sein Jahr- oder Irtengeld für (17 . .) bezahlt.« Nach der Sitzung bildete man auf dem Marktplatze einen festlichen Zug und begab sich in die Kirche des zu Bischweiler gehörenden WeUers Hanhofen, wo der katholische Geistliche eine Messe las , wofür man ihm eine Gebühr von 3 fl., femer dem Schullehrer 6 Schillinge, dem Messdiener 4 Schillinge und 1 fl. 3 Schillinge für Wachs zu entrichten hatte. Der Zug ging dann wieder in derselben Ordnung, mit dem gekrönten König, dem Schultheiß, den Meistern und den sogenannten Zwölfen und einem Fähndrich an der Spitze, in den Schlosshof , wo , immer unter Musik , die Gesellschaft bei verschiedenen alterthümlichen Festgebräuchen, als Fahnenschwenken und Eier- werfen etc., Proben ihrer Kunst ablegte. Nachdem die Gesellschaft mit Wein und Bier gespeist war, wurde der Herrschaft oder dem Geigerkönig in einem besonders dazu bestimmten Becher ein Lebehoch gebracht, alsdann kehrte der Zug unter 1 Scheid, de jure in musieos, P- 31. Auch in Paris stand an der Spitze der Spiel- mannszunft ein Geigerkönig; s. Schletterer, Geschichte der Spielmannszunft in Frank- reich, Berlin 1885. Bftkne, Gesch. d. Tuites. 19 Digitized by Google 290 Musik auf den Marktplatz zurück, und der Tag wurde mit Tanz und SchmauB fröhlich beschlossen.^ Wie in Österreich, so war auch in Bayern der Spielgraf ein Ehrentitel für denjenigen, welcher über alle Musikanten und Spielleute in Stadt und Land gesetzt war, ihre Streitigkeiten schlichtete und in vorkommenden FÜlen sieh ihrer annahm. Dagegen war jeder Musiker gehalten, jfthrlich etwas Gewisses su entrichten; faUs er das unterließ , machte er sich der Fürsorge des Spielgrafen verlustig. Im Jahr 1738 war in Bayern der kurfürstliche Hof trompeter Veit Ungemeber Spielgraf, welche Würde zu Ende des 18. Jahrhunderts aufhörte. Die Funktionen eines Spielgrafen hat J. Khuen in seinem Gedichte »Epitfaa* lamium Marianum oder Tafelmusik des Himmels-Frawenzimmersc (München 1634, S. 425) also geschildert: »Der Spielgraf sich ergetzet, Sieht, ob der Chor mit Bass, Tenor Und jeden Ton besetzet; Dann wann er hört so viel verkehrt Unangenehme Stimmen, Er maistert los ganz furios, Er zaigt erst seinen Grimmen.« In den deutschen Städten hieß der Stadtpfeifer im Mittelalter bis auf neuere Zeit auch Thürmer nach seiner Amtswohnung, die er auf dem Thurm einer be- stimmten Kirche (auf dem Domthurm gewöhnlich) hatte ; dadurch war er gewisser- maßen ein Mann der Kirche und folglich eine Art Respektsperson. Um ihn scharten sich, je nach Bedarf und Statut, andere Hom- und Pfeif enblftser, seine »Gesellen«, die ihm an Festtagen die mehrstimmigen ChorSle »abblasen« halfen und Tanzmusik in Stadt und Land aufspielten, die er als »Meister« unter den Gesellen und Lehrbuben leitete. Nach einer uralten, jedenfalls aus dem Dienst der Thurm- Wächter der Ritterburgen hervorgegangenen Einrichtung hatten die Thürmer in den Städten von ihrem hohen Aussichtspunkte in Kriegszeiten das Anrücken des Fein- des zu signalisiren, in Friedenszeiten die Stunden abzurufen und dabei zu blasen, Feuer zu melden , an Festtagen mit ihren weitschallenden Zinken und Posaunen Choräle abzublasen und ebenso zum Feierabend eines jeden Tages ein frommes Lied zur Erbauung über die Stadt ertönen zu lassen ; zuweilen bliesen sie auch Volksliederweisen, zu Spott und Ernst auf Bestellung. In ihren Freistunden wurde gelehrt und gelernt, Notenwesen und beson- ders die Handgriffe der Instrumentalpraxis eingetrillt und eingepaukt. Die G^ seilen unterrichteten, jeglicher auf seinem Instrumente, die ihm zugewiesenen Lehr- jungen und der »Meister« hielt dann Proben mit allen, damit zum Sonntag beim Kirmes- oder Hochzeitstanz alles klappte.^ Die Stadt- und Amtsmusiker (auch Stadtpfeifer, Stadtzinkenisten, Thür- mer, Hausleute, zuletzt Stadtmusikdirektor genannt) hatten eine vollständige Zunft- einrichtung, wie die Handwerksmeister. Der Stadtmusikus durfte nach seinen Satzungen Lehrlinge aufnehmen, ihnen Lehrbriefe ausstellen, ^sie nach beendeter 1 Eine andere, ausführliche Beschreibung eines Pfeifertags zu Bischweiler findet man bei Mattheson, Critic. musica II, 343. 2 In dem späteren Basler Todtentanz holt der Tod auch den Kylbenpfeifer (KirmeBmuflikanten) , den er höhnisch fragt, was es für ein »Täniel« setzen solle (s. S. 47). Digitized by Google 291 Lehneit yon drei bis vier Jahren zu Oesellen auf dingen und loBsprechen. Er hatte das Recht, mit seinen Leuten (die mit ihm zusammen wohnten, darum Hausleute und er der Hausmann geheißen) alle innerhalb des Stadt- und Amtsbezirkes vor- kommende Musikalleinzubesorgen, er übte also eine Art «Musik-Bann« aus, so dass kein anderes Musikchor innerhalb dieses Sprengeis, ohne Zustimmung des Stadt- und Amtsmusikus öffentlich bei Hochzeiten, Kirmsen oder sonstwo zu Tanze aufspielen durfte. Die unberechtigten Eindringlinge wurden fortgewiesen oder mit Geldstrafen belegt ; auch diejenigen, welche fremde Musiker bestellt hatten, mussten Strafe zahlen. Auch durfte der Stadtpfeifer nach Vorschrift selbst nur eine be- stimmte Anzahl von Lehrlingen und Gesellen halten. Dieses Zwangsrecht beim Tanzaufspielen wurde von Stadtmusikern bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis um das Jahr 1848 in Deutschland ausgeübt. Was hat die Musikwelt den fahrenden Spielleuten und spätem Stadtpfeifem Alles zu verdanken? 1. Das Herausarbeiten unseres modernen Tonsystems (von Dur und Moll) aus den widernatürlichen, uns Germanen aufgedrungenen Kirchentonarten des Mittel- alters — oder vielleicht das unentwegte Festhalten des uralten angestammten natür- lichen Systems — halte ich für ihr Werk (s. S. 247 und 287). 2. An Erfindung der Tonschrift ^t ihnen jedenfalls ein guter Theil der Vorarbeiten zu; die Buchstabennotation und Ziffern auf Linien mit darüber ge- setzten Mensuralzeichen (für die Tondauer) hatten sie erwiesenermaßen und mussten solche Dauerzeichen für ihre Takt- und Tanzmusik haben, bevor im 13. Jahrhundert die Tongelehrten die Anfänge mit Mensuralnoten machten. Vielleicht ist auch die im 12. Jahrhundert auftretende Punktnote von ihnen erdacht worden. 3. Die Harmonie war aller Wahrscheinlichkeit nach lange schon von Spiel- leuten auf der Sackpfeife und der mittelalterlichen Drehleier (Organistrum) ge- übt, bevor grübelnde Mönche im 9. Jahrhundert aus Missverstand griechischer Theorien uns glauben machen wollen, dass die widerlichen Quart- und Quintfolgen die wahre Zweistimmigkeit (Organum und Organiziren, Biscantus, Discantus) seien. Die Spielleute mussten durch Greifen und Streichen auf mehrsaitigen Instrumenten doch von selbst auf eine Art wohlklingender Naturharmonie gerathen, und geradezu ein Wunder wäre es gewesen , wenn ein Spieler auf der fünfisaitigen Vi&le (Viole, Fidel) und dem Rebec mit drei Saiten nicht einmal darauf verfallen wäre, zwei oder gar drei zusammen harmonirende Töne zusammen erklingen zu lassen ; schon Un- geschick in der Technik muss zuweilen den Geiger auf das Mitklingen einer zweiten Saite geführt haben. 4. Von den vielen und wahrhaft schünen Volksmelodien , die uns in Noten erst im 15. und 16. Jahrhundert begegnen, sind zweifelsohne die meisten durch irgend einen musikkundigen Spielmann erfunden, dessen Name schon bei Lebzeiten nicht genannt und bekannt wurde, dessen Weisen aber in Aller Munde waren, ob- wohl auch nicht ganz unmöglich wäre, dass gelegentlich einmal ein gelehrter Kontra- punktist eine in weitem Kreisen ansprechende Melodie erfunden hätte. 5. Spielleute oder Praktiker waren es, welche die Musikinstrumente nach ihren Angaben bauen ließen, selbst verfertigten und immer mehr verbesserten, bis sie das moderne Orchester hervorbrachten, das in seiner Zusammensetzung doch wesentlich noch dasselbe ist, wie 1510, als die erste Violine in heutiger Form durch Tief brucker gebaut wurde. 6. Sie haben durch das ganze Mittelalter hindurch die Instrumentalmusik, insbesondere die von Dilettanten und Kantoren nicht traktirte Blasmusik aus- schließlich gepflegt, dieselbe als Feldmusik sowie als Tanzorchester 19* Digitized by Google 292 überliefert, bis höhere, durchgebildete Künstler solche weiter führten und aus dem Tanzorchester dasjenige für Sinfonie und Oper hervorgehen ließen und mehr und mehr vervollkommneten. 7. Sogar der Ursprung der mehrsatzigen (cyklischen) Formen, wie Partita und Suite, aus der dann die Sonatenform hervorging, ist auf den Musikvortrag der Kunstpfeifer zurückzuführen, welche schon im 16. — 17. Jahrhunderte' TSnse verschiedener Nationalitäten (im Tempo contrastirend , in der Tonart aber über- einstimmend) nacheinander vortrugen und eine solche Folge »Partie« genannt haben sollen. Name und Form wurden in der Mitte des 17. Jahrhunderts von deutschen Klavierkomponisten aufgegriffen und ahnliche Zusammenstellungen von Tanzstücken und deren Variationen als Partien (Partita, in Frankreich Suite) be- zeichnet. So waren denn die Spielleute des Mittelalters als Feldpfeifer mit ihren weit- schallenden Zinken , Schwegeln und Trommeln nicht nur die Vorfahren unserer wackern Militärchöre, deren Mitglieder noch heute ordonanzmäßig, aber nicht im verächtlichen Sinne Spielleute heißen, sondern auch die Pioniere unserer hoch- gestiegenen Koncert- und Theatermusik. Kapitel XVII. Fortleben der alten Yolksreigen im Einderspiel. Als die Reigentänze von den Erwachsenen aufgegeben wurden, gingen sie auf das Kinderspiel über. Die Ringeltänze unserer Kinder, worin noch jetzt die Sommerlust der kleinen Mädchen in Dorf und Stadt, auf Wiese und Anger hauptsächlich besteht, sind unbezweifelt noch der dürftige Nachhall der deutschen Frühlingsspiele mit Gesang und Tanz. Die gründliche Mythenforschung durch J. Grimm, Simroek, Müllenhoff, Rochholz, Wolf, W. Mannhardt u. A. hat unwiderleglich nachgewiesen, dass vide Kinderreime und Kinderspiele dem Heidenthum ihre Entstehung zu verdanken und im Laufe der Zeit wohl Umbildung erfahren haben, dennoch aber heidnische Anschauungen bewahren und zur deutschen Göttersage in Beziehung stehen. Der scheinbare Unsinn erweist sich bei näherer Betrachtung als goldener Schlüssel zu einer der zahlreichen Pforten, die zur fernen Vergangenheit zurückführen. Zu den zahlreichen Kinderliedem mit mythischen Zügen gehören: a) die Nornenlieder, darinnen drei Jungfrauen (drei Marien) spinnen. Die drei Schicksalsgöttinnen (Nomen) sind nicht zu verkennen (Grimm," Mythologie 388) ; — b) die Holdalieder, welche auf den Sonnendienst hinweisen; — c) die Regen- und Sonnenliedchen, in denen an die Stelle des Donner- und Regengottes Donar der Heiland getreten ist, enthalten beinahe alle noch heidnische Züge; — d) Hauskobolde und Zauberinnen (z. B. der tanzende Butzemann, der lachende Kobold, der Peter Holl) spuken noch in manchen Kinderreimen ; — e) viele Anreden an Thiere, die ursprünglich den heidnischen Göttern heilig Digitized by Google 293 waren und sp&ter dem christlichen Gbtt und der Jungfrau Maria geweiht wurden, enthalten uralte Erinnerungen. So z. B. der Beim an den Sonnenkäfer oder das Frauenkühlein, welches der Freia, der Qöttin des heitern Lufthimmels, der Liebe und Fruchtbarkeit, heilig war. Ebenso sind mythischer Natur die vielen Anreden und Bufe an den Kuckuck, den Frühlings verkünder , der zugleich die Qabe der Weissagung besaß. Desgleichen an den Storch, der sonst für einen heiligen Vogel (Herrgottsvogel) galt, sowie an die Schwalbe, an die Qlüoks spinne, an den Marienkäfer, an den Nix in der Qrube. — f ) In den Jahres- und Ansingliedern bei Umzügen ist uralter Stoff vorhanden , aber bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und verdreht. — g) Viele Kinder r eigen sind voller heidnischer Anklänge. Besonders sind die Spiele von Frau Holle (Rose) Überbleibsel unserer ältesten Poesie, in wenig veränderter Umdichtung. Betrachten wir für unsern Zweck die Bingeltänze der Kinder genauer. Die Annahme, dass in vielen Kinderreigen noch heidnische Dichtungen zu erkennen sind, wird durch ihre chorische und hymnische Form unterstützt, da diese die älteste Art deutscher Dichtung, ja überhaupt Tanz mit Poesie verbunden der Anfang aller Götteranbetung und aller Poesie bei allen Völkern gewesen und bei manchen es noch ist. Auffallend ist die Übereinstimmung und weite Verbreitung dieser Texte in Nord und Süd, wenn auch in verschiedenen Dialekten; das lässt auf hohes Alterihum solcher Texte schließen. Ein guter Theü dieser Ringelreihen ist mythischen Inhalts. Zuweilen sind die mythischen Anklänge darin klar, zuweUen sehr verdunkelt in den Texten ausgesprochen. Nur einige Andeutungen der mythischen Grundlage mögen hier Platz finden. So z. B. war es alter Glaube, das himmlische Lichtreich, darin die Seelen wohnen, sei nicht allzeit offen, sondern zu Zeiten verschlossen. Namentlich waren es die Dämonen des Winters, welche die Göttin Holda sammt den Seelen gefangen hielten. Im Frühling wurde die Göttin befreit. Erinnerungen daran sind in dem weitverbreiteten, vielfach varürten Ringelreihen »Ringel, Ringel, tale ringen« (S. 303) aufbewahrt. — Das so oft erwähnte Spinnen deutet entschieden auf die dem Ackerbau und dem Spinnen vorstehende Göttin Holda oder Berchta. Nach siebenjährigem Spinnen (d. i. nach siebenmonatlichem Walten der Göttin Holda und ihrer Geehrten : isiebe Johr g*spunne, acht Johre Sunnea S. 298) dreht sich der Kreis der Spielenden (symbolisch die Sonnenscheibe darstellend) herum, d. h. nach Winters Eis und Schnee folgt die Sonne und der Frühling. — Der zum Kettenspiel gebrauchte Löwenzahn heißt in der Schweiz (Aargau) noch jetzt Sonnenwirbel, und diese Pflanze hat mit Recht in dem alten Früh- lingsreigen, der die Sonnenwende und den Sonnendienst darstellte, ihren Platz gefunden. — Das Steigen auf den HoUunderbusch (Hollerbusch) in Verbin- dung gebracht mit dem Schneien ist wieder heidnische Rückerinnerung : Frau Holla (davon Hollabusch) ist die Frigga,die am Fest der Wintersonnenwende umherzog. Wenn sie ihre Bettfedem schüttelt, so schneit es, erzählt das Märchen. So sind zweifelsohne in den Ringelreihen der Kinder uns Bruchstücke uralter Frühlings- und Sommerspiele und der Festopfertänze der alten Germanen erhalten. In ihnen haben wir jedenfalls noch Überreste jener Tanz- und Mädchen- lieder zu erkennen, deren Gebrauch Bonifacius und die Kirchenkoncilien jener Zeit|den neubekehrten Deutschen wiederholt untersagten. Andere Kinderspiele waren ursprünglich nichts anderes als dramatisch dargestellte Scenen der Göttersage. Dahingehört z. B. Prinzessin erlösen Digitized by Google 294 (Königstöchterlein) , das Nachtfräuleinspiel, die goldene Brücke. Diese dramatische Gattung der Ringelreigen war reich vertreten, mannigfach gestaltet und hat sich lange im Volk erhalten, bis sie, aus dem Kreise der Erwachsenen geschwunden, verstümmelt in der Kinder weit ihr Dasein fristete. Das Brückenspiel, das uralt und auf mythische Grundlage zurück- zuführen ist, kennt Fischart als »faule Brücke«. ^ Geiler von Keisersberg führt es in seiner Predigt über die Sünden des Mundes an, wo er sagt : sWoltestu jetit der faulen Brücken springen, als da du zwölff jar alt wärest oder viersehn alt: es wurd dir übel anst6n ; den alten stot nit an als den jungen.« Vermuthlich ist das Brückenspiel ein Überrest altheidnischer Osterspiele; daran gemahnt das Osterthor S. 305. Andere Deutungen bringt Rochholz (alemann. Kinderspiel 375), sowie Mannhardt (in Wolfs Zeitschrift für Mythologie U, 190. 301. 385) und Simrock (Mythologie 2 1 . 254) . Nach Mannhardt's eingehenden Untersuchungen bezieht sich das in ganz Deutschland gekannte Brückenspiel auf den Heidenglauben von dem Ritte der Todten in das umgitterte Reich der Halja und über die Todtenbrücke. Wieder andere Kinderspiele sind dramatisirte Thierfabeln, i. B. »der Fuchs geht rum«, iFuchs, du hast die Gans gestohlene etc. Endlich giebt es eine große Zahl von Kinderreigen, die aus altgermanischen Gebräuchen bei Hochzeiten, Brautwerbung und Frauenkauf übrig ge- blieben sind. So z. B. die Reigen mit Wahl eines Liebsten, femer »Es kommt ein Herr aus Nineveh«. Nach diesen einleitenden Bemerkungen mag aus meiner großen »Kinderlieder- sammlungc eine Auswahl von Ki n der r eigen hier folgen. Diese mit Spiel be- gleiteten Reigen der Kinderwelt, rhythmisch geregelt durch halbsingend vorgetragene Worte, geben uns noch heute ein Bild von den altheidnischen Festtänzen und den Volksreigen der Erwachsenen im Mittelalter. A. Ringelreigen mit Niederfallen. (MB. 306.) 1 ) Aus Thüringen und Franken. In vielen Varianten durch ganz Deutschland verbreitet. Der Reim enthält Erinnerungen an Frau Hol da. Ringel, Ringel, Reihe 1 Sitzt 'ne Frau im Ringelein Sind der Kinder dreie, Mit sieben kleinen Kinderlein. Steigen auf den Holderbusch, Was essens gern? Fischelein. Schreien alle : musch, musch, muschl Was trinkens gern? Rothen Wein. [Sitzt nieder 1 ] [Sitzt nieder 1 ] Ausführung : Die Kinder fassen sich an den Händen und gehen singend im Kreise herum. Am Schluss lassen sie sich alle zugleich auf den Boden fallen (kauern nieder), wozu sie lachen und dann das Spiel von Neuem beginnen.^ 2) Aus Oberfranken. (Bavaria IQ, 282.) Auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. < Gargantua 77b : »der faulen brücken spielen.« 2 Or&ter, Bragur III (1796), 245. Wunderhorn lU, 444. Grimm, Kindermärehen (1819) U, 8. 15. Digitized by Google 295 Ringel, Ringel, Rosenkranz I Sets ein TOpfchen Wasser bei, Morgen woll'n mer waschen Große Wäsche, kleine W&sche, Allerhand gar feine Wäsche, Kickerikiki 1 3) Aus Oldenburg. (Oldenburgische Kinderreime 35.) Ringel rangel Rosenkranz, Fuchsschwanz. Mädchen, hole Wasser, Qieß es in den Kessel. Wenn der Kessel ununeföllt, So fall'n wir allzusammen. 4) Vielfach aus Thüringen und Sachsen. Bauer, baue Kessel 1 Morgen wird es besser ; Trägt die Braut das Wasser ein, Pautz, fällt der ganze Kessel ein. 5) Aus Schleswig-Holstein. (MüUenhoff, S. 484.) Ringeltanz, Rosenkranz 1 De Kätel (Kessel) hang to Fürre (am Feuer) , De Jungfern sind so dürre (theuer) ; Gesellen sint to goden Koep (leicht zu kaufen), Dat se op de Straten loept (laufen) . Moder, gift my 'n KlOckschen (Glöckchen), Dat hung ik an myn ROckschen : Faeg (kehr) ik dann de Straten daer (die Straßen dort) , Loept de Gesellen achter (hinter) my haer. Da sä (sagt) dat KlOckschen : Kling I Ausführung : Die tanzenden Kinder büden einen Kreis und bewegen sich singend in die Runde. Bei dem letzten Worte hocken alle nieder. Lange Belhe. Die Mädchen ziehen in einer langen Reihe die Straßen auf und ab und singen (MB. 307) : a) Lange, lange Rige, b) Lange, lange Riege, Twintig is ne Stige, Twintig is ne Stiege, Dartig is en Rosenkranz, Dartig is *n Rosenkranz, Veertig is en Jumfemdanz, Veertig is 'n Jumferdanz, Klingelklang. 1 Jumfern möt (muß) sik niegenl ^ c) Roze, roze, meie, Twintig in de steye (reie) , Dertig in de rozenkranz, Veertig in de mooie meisjesdans. Alle juffertjes nijgen ofknielen.^ > Oldenburgische Kinderreime 35. ^ Oldenburgische Kinderreime 56. ' Bei dem fetzten Worte fallen alle Mädchen auf die Kniee. Holländisch. Dr. Kalff, Het }ied in de middle euwen 526. Digitized by Google 296 Sonneii- und Begenlledchen. a) Als Ringelreihen der Kinder im Bergischen : Blaue, blaue Wolken I Marie hat gemolken Sieben Küh in einem Stall. Jungfer Katharina.^ b) Chorreigen der Pressburger Kinder beim Regen. Liabi Frau, machs Thürl auf, L4ß die liabi Sunn herauf, LiLß in Regen drina, Läfi in Schnee verbrina. D' Engeln sitsen hintern Brunn, Wart'n auf die liabi Sunn. (Kommt die Sonne hervor, so ^Ült der tanzende Kinderkreis nieder und sing^:) Sunn, Sunn kommt, D'Engarln falln in*n Brunnen. ^ Nach Engelland fahren. Beim Ringeltanz von Kindern gesungen. Engelland ist hier das mythische Land der Elfen, der Qlasberg, der Aufenthalt der Verstorbenen, das Paradies mit dem goldenen Schlosse. a) Aus Köln und Umgegend. (Firmenich, Qermaniens Völkerstimmen I, 460. Weyden, Köln S. 82.) Krune Krane (Kranich), Weiße Schwane 1 Wer well met no Engelland fahren? Engelland es geschlossen, Der Schlössel es zerbrochen. Wann kriege mer neue Schlössel? Wann dat Könche rief (Kömlein reif) es. Wann de MüU stief es. Wann der Müller mahle kann, Wann der Backe backe kann, (Wann et Mädchen freie kann) . Lieschen op de Plante (Grase), L6ß dat Pöppchen danze I Danz, danz, Lingekiddel, Morge kütt (kommt) der Spillmann widder. t Erk n, 3, 44. 3 Aus Pressburg. Wolfs Zeitschrift für Mythologie II, 192. Mannhardt 255. Digitized by Google 297 b) Umgegend von Elberfeld. (Firmenichl, 426. Maim}iardt328. Erk 11,2,42.) Krone Krane swikle Swanel Mone dann wo fi no Engelland fahren. Engelland es geschlöten, De SchOttel es tebr^ken. Wo söffi *n dann wier mikken? Met Beenekes, met Steenekes. Krupe dörch alleenekes ! B. Ringeltanz mit Umkehr. a) Mündlich aus Thflringen 1840. Ringel, Rii^el, Rosenkranz! Wir treten auf die Kette, Dass die Kette klingen soll. Klar, klar wie ein Haar, Hat gesponnen sieben Jahr, Sieben Jahr sind um und um, Jungfer Anna dreht sich um. b) Aus Leipzig, bei Mannhardt 513. Ringel, Ringel, Rosenkranz I Fuchsschwanz Saß auf einer Weide, Spann so klar wie Seide ; So klar, wie ein Haar, Spann wohl über sieben Jahr. Sieben Jahr sind um und um : Alte Hexe, dreh dich uml c) Aus Dresden 1871. Ringel, Ringel, Rosenkranz i Wir treten auf die Kette, Dass die Kette klingen soll. So klar, wie ein Haar Hat gesponnen sieben Jahr. Sieben Jahr sind um, Dreht sich Fräulein (Martha) um. Wie sie sich hat umgedreht. Hat ihr Liebster 'nen Kranz beschert. d) Aus Schwaben« (Meier 379.) Wir gehen um die Kette, Spießgks-Glätte. Die Kette soll sich schlingen, Welches ist die schönste Jungfer Unter diesem Ringelein? Digitized by Google 298 Jetzt rufen alle den Namen der Schönsten aus; die Bezeichnete moss sich um- kehren und man singt wöiter : Jungfer N. N. kehrt sich um, Kehrt sich dreimal um und um, Bis die Jungfrau wieder kommt Aus der Erden, aus der Erden, Morgen wird es besser werden. Die Spielenden stehen im Kreise und singen, Hand in Hand umhergehend, diese Verse. Zum Schluss muss ein Kind sich so drehen, dass es den Rücken nach dem Innern des Kreises kehrt. Sind auf diese Weise alle Kinder mit dem Ge- sicht nach außen gekehrt, so wird das Spiel so lange fortgesetzt, bis Alle wieder sich nach innen kehren. Zu jeder Umkehr, welche der Reihe nach erfolgt, wer- den die Reime gesungen. e) Ringeltanz im Aargau. Zur Frühlingszeit fügen die Kinder im Aargau die hohlen Stengel des Löwenzahns (Taraxacum pratense) zu einer K e 1 1 e zusammen, so groß als der Kreis zum Ringeltanze werden soll. Dabei singen sie : Trettet zue, trettet zue, Sparet nit di nüe Schueh I Trettet M das Ghetto mli (Kette), Daß es soll erklingle, Wer die schönste Jungfre sig I dem ganze Ringle. Ein Tag Rise, zwei Tag Ise, Drei Tag Rumpedipum, N. N. (Ida MüUer) kehr dich uml Ida hat sich umgekehrt, Hat der Chatz den Schwanz ^szert. Siebe Johr g'spunne, Acht Johre Sunne, Nun m61 Rumpedipum, Kehr dich no-ne-malen um, Bis N. N. (der Fritze] zu dir kumt. So geht das Singen und Umdrehen fort , bis Alle das Qesicht nach außen gekehrt haben. Sodann heißt es : Mer hab*n uns alle rüm gedreht Un hab*n an Kranz mit Blumen beschert ; Ei so klor, wie a Hoor, Hot gelebt sieben Johr ; Sieben Johr sinn rüm, M'r drehn uns Alle rüm I Jetzt drehen sich alle Kinder mit einem Male wieder so, dass sie mit dem Gesichte in den Kreis sehen. Das Spiel kann wieder von Neuem beginnen. [Rochholz 467.] f) Reihentanz im Oberharzer Bergdorfe Lerbach zum Johannistag. Dort schmückt die erwachsene Jugend große Tannenbäume mit Blumen und bemalten Eiern und führt um sie A b e n d s einen Tanz auf, zu welchem man die Worte singt : Digitized by Google 299 Die Jungfer hat sich umgedreht, So rar wie eiii Haar, So klein Hühnerlein. Dreißig, vierzig, fünfzig Jahr, Die Jungfrau wandt sich um. Bemerkenswerth ist, dass hierorts der Reihentanz (im Inhalt dem Ringelreihen der Kinder fthnlich] noch immer mit der Sommer feier verhunden erscheint, deren Verherrlichung ursprünglich der Text galt. Wir haben also in diesem Liedchen den Beweis , dass dieses und die ihm ähnlichen Tanzlieder ursprünglich zum Be- grüfien des Frühlings und Sommere dienten . [Wolf, Zeitschrift für Mythologie 1,81.] C. Ringelreihen mit Liebeswerbung und Wahl. (MB. 308.) a] Es regnet auf der Brücke b) Es regnet auf der Brücken, Und es ward nass. Das war nass ; Ich hatte was vergessen, Es hat mich was verdrossen, Und weiß nicht was 1 Ich weiß wohl was! »Schönster Schatz , komm 'rein zu mir, Herziger Schatz, komm 'rein zu mir t Sein keine schOn're Leut als wir« — ^ Sind gar schöne Leut dahier. Ei ja freilich ! — Juhe, freu dich 1 Wer ich bin der bleib ich, Wem ich bin, dem bleib ich. Bleib ich wer ich bin. Adje, mein Kind I Adje, mein Kind! [Im Elsass, Stöber 60.] [Aus Sachsen, ähnlich in Berlin.] Ausführung : Ein Kind steht mitten im Kreise , der singend sich bewegt. Bei der Stelle »Schönster Schatze erfasst dieses Kind ein zweites und tanzt mit ihm herum. Das zuletzt eingetretene Kind bleibt nun im Kreise stehen und das Spiel wiederholt sich beliebige Mal. c) Aus Niederdeutschland (Oldenburgische Kinderreime 35 , Bremer Kinder- reime 29). Die M&dchen bilden einen Kreis, fassen sich an den Hftnden und singen immer herumgehend : Es regnet auf der Brücke Und alles das war nass ; Es hat mich was verdrossen, Ich weiß wol was. Nun tanzen sie paarweise, indem sie singen : Komm tanz mit mir, komm tanz mit mir 1 Ich hab 'ne bunte Schürze für. Mit mi ook, mit mi ook, Miene is van Kammerdook.a^ 1 Überraschend ist die Ähnlichkeit dieses TansliedcheDS der Kinder mit einem vor mehr ds 300 Jahren von der erwaehsenen Jugend gesungenen : Junfffiraw in dem roten rock, komot her zu mir! es sein nit hüpscher leute hie dann ich tmd ir! [Schmeltiels Quodlibet 1544, Nr. 7.) s Kammertuch hieß die zur Ausstattung einer Braut gehörige gute Leinwand. Die letzten vier Zeilen sind als Tanzreim auch in der Provinz Sachsen, im Meißnischen und am Rhein (Simrock 851) gekannt. Digitized by Google 300 Blauer Fingerhut. Um ein in der Mitte stehendes Mädchen bewegt sich ein Kreis und singt : a) Blauer, blauer Fingerhut Steht dem Mftdchen gar 8U g^t. Mftdchen, willst du tanzen? Dreimal, dreimal um sieh sehn Und sich Eine wfthlen. [Mündlich aus Dresden 1873.] b) B16 bl6 Fingerhöt, Hatt* mer Jeld, dat war j6t, Blumen alle Dage. Jungfer, sie muss stille stöhn, Bis mer dreimal um sie gohn. Jungfer, sie muss danze In einem großen Kranze. Krieg, wen do krieg kanns 1 [Köhi vor 50 Jahren, S. 82. Simrock 847.] c) Blauer, blauer Fingerhut, Hast das ganze Erdengut. Jungfer, sie muss tanzen Mit dem grünen Kranze. Jungfer, sie muss stille stehn, Um sich dreimal umzudrehn I Dabei dreht sich das in der Mitte des geschlossenen Kreises stehende Mädchen dreimal um, und geht innerhalb des Kreises an die Mitspielenden hin und spricht : Du bist schon, du bist schön. Du bist die AUerschönste I Bei diesen Worten berührt sie der Reihe nach die Mädchen. Die zuletzt getroffene muss in den Kreis treten und sie ablösen. [Vogtland. Dunger 327, Köhler 192.] d) Aus Pfullingen in Schwaben (Meier 305). Ein Mädchen wird mitten in den Kreis gestellt, der sie umtanzt und dabei diesen Reim singt : Rosen, Rosen auf unsern Hut Ist das beste Erdengut. Jungfer, sie muss tanzen In einem Rosenkranze I Schäflein, Schäflein, kniee dich I [Das Mädchen kniet nieder.] Knie zu deinen Füßen, Dass ich bald verziehen muss, Einen Kuss zu küssen. Küsse, wen du willst I Nach letzter Aufforderung steht das Mädchen auf, um eine Andere zu küssen, die dann ihre Stelle in des Kreises Mitte einnehmen muss. Digitized by Google 301 e) Mftdchenspiel im ElsasB (Stöber 61). Alle Kinder, bis auf eins, scbUeßen einen Kreis und tanzen : Rose, Rose reine, Schicke sie mir eine 1 »Ach was soll idi schicke?« £ ROsel und e Wicke. »Nehme sie die Wähle, Welche ihr gefalle.« Nimm die Jungfer bei der Hand, Führ sie in den Rosenkranz. Bei den zwei letzten Worten nimmt das im Centrum stehende Kind ein anderes bei der Hand und zieht es herein. So geht das weiter , bis die Zahl der im Rei- hen stehenden Kinder so groß wird, dass derselbe sie nicht mehr umfassen kann. Bingelreihen mit Wahl. a) Danz mi mal den Fidel fum fei, Krischan Meyer, mien liebster Frund, Fidelfumfei, mien Schwager I Krieg mi achter bi'n Kragen ; Wer is hier in dissem Kranz, Kumt he nieh, so hal ich een Da mi kann behagen? Mit twee beslagnen Wagen. »Krischan Meyer (u. s.w.)« [Bremer Kinderreime 58.] b) Danz mal um den Fidelumfei, Fidelumfei, mien Swagert Is daar Nüms in dissen Kranz, De mi kann behagen? Kumstu nig^ so haal ik di Up dre beslagnen Wagen. [Oldenburgische Kinderreime 33.] Ausführung : Die M&dchen stehen im Kreise ; eins geht um denselben herum und singt diesen Reim. Dann nimmt es eins der im Kreise stehenden Mädchen, das sich ihm anschließt und es hinten am Kleide fassen muss. Dieses zweite Kind singt nun den obigen Reim und holt sich eine Genossin heraus, und so fort. Überrest eines Sonnenwendfest-Reigens, der Form nach ein kleiner Leich, ist Des Sehatz Sachen. a) Aus Schleswig-Holstein. (MüUenhoff 485.) Jammer, Jammer hin und her, Macht auf, macht auf den Garten, Über mich zu klagen I Ich kann nicht länger warten. Es drückt mein Herze gar zu sehr. Ich muss ihn suchen an diesem Platz — Ich kann es gar nicht sagen. Sieh da, sieh dal da steht mein Schatz. Nun ist all Traurigkeit verschwunden, Hab ich doch mein* Liebsten wieder funden. Mein Lieb und deine, Die küssen sich ja beide. Ausführung : Ein Kind steht auBerhalb des Kreises und singt; bei der Stelle »Macht auf Ic öffnet sich derselbe, das Kind tritt ein, wählt und singt dann den Schlussreim. Digitized by Google 302 b) Aus Oldenburg (OldenbuTgische Kindenreime 33) . Ein Midehen geht um den Kreis herum und singt trauernd : O Jammer, Jammer höre eu 1 Und was ich dir will sagen. Ich hab verloren meinen Schats, Schließt auf, achließt auf den Garten. Der Kreis Offnet sich, das Mädchen tritt ein : Ich will gehen, um zu sehen, Ob ich ihn kann finden ; Und wenn ich ihn gefunden hab, So fall ich ihm lu Fflßen, [sie ftllt Yor einem andern Mftdchen nieder] Um seine Hand zu küssen. Jetzt tritt das Paar wieder aus dem Kreise heraus. Das zweite Kind beginnt nun das Qesangtanzspiel ; das erste hat sich wieder in den Kreis eingereiht. c) Aus den Rheinlanden (Simrock 824) : Hier ist ein Qrün, hier ist ein Qrün Unter meinen Faßen. Ich hab verloren meinen Schatz, Ich werd ihn suchen müssen. Hier und da^ hier und da Unter diesen allen. Dieser mit dem bunten Rock Konnte mir gefallen. Dreh dich um, ich kenn dich nicht, Bist du's oder bist du*s nicht? Nein, nein, du bist es nicht, Qeh nur fort, ich will dich nicht. [Oder:] Ja, ja, du bist es wohl. Der mir ein Küsschen geben soll. d) Aus Köln (Weyden S. 83, Simrock 873): Jammer, Jammer, Jammer 1 Macht mir auf den Qarten, Hab verloren meinen Schatz, Dass ich suche meinen Schatz. Ich will gehen und will sehen Freude, Freude, über Freude : Und will suchen meinen Schatz. Hab gefunden meinen Schatz. e) Aus dem Vogtlande (Dunger Nr. 305). Die Kinder bilden einen Kreis mit Ausschluss eines Mitspielenden und singen : Wer steht draußen vor der Thür Und thut so laut anklopfen? [Der draußen Stehende singt :] »Ich bin der Fürst, ich steh dafür. Ich hab drin was zu suchen : Ich hab verloren meinen Schatz Auf diesem Platz, auf dieseml Platz. Macht auf, macht auf den Garten I« Digitized by Google 303 [Der Suchende wird jetst in den Kreis eingelassen und singt :] «Hier find ich meinen lieben Schatz, In den ich mich verliebte. Ich will ihn lieben für und für, Und will ihn nie betrüben. Hier hast du meine rechte Hand Und einen Kuss sum Unterpfand. Macht auf, macht auf den Garten It f) Aus dem Ober-Erzgebirge. Liedchen am Johannistage beim Umtanzen des Johannisbaumes , d. h. einer aus vier Stäben bestehenden , mit Kränzen und Blumen umwundenen Pyramide , welche auf der Straße auf ein Tischchen gestellt wird. Abends wird sie mit Lichtem geziert. Die Tänzer sind dabei weiß gekleidet : Wer steht denn draußen vor der Thür Und thut so leise klopfen? »Es ist der Förster, steht dafür Und hat hier was zu suchen. Ich hab verloren meinen Schatz, AUhier, allhier auf diesem Platz. Macht auf, macht auf den Garten t Sieh da, sieh da, hier ist mein Sehatz, Mit dem ich mich verlobet. Hier hast du meine rechte Hand Und einen Kuss zum Unterpfand, Auf dass du bleibst mein eigen. «^ D. Ringelreil\en mit Auflösen des Kreises. Des Königs Toehterlein« a) Ringel, Ringel, tale ringen, Wer sitit in diesem Thurme drinnen? «Königs, Königs Töchterlein.« Darf man sie auch anschauen? »Nein, der Thurm ist viel zu hoch. Man muss einen Stein abhauen. c Ausführung : Ein Mädchen kauert sich auf die Erde und zieht ihr Oberkleid über den Kopf in die Höhe. Die mitspielenden Kinder (bis auf eins, das herumgeht) stehen um sie und halten den Rock fest. Das umgehende Kind fragt und erhält vorstehende Antwort. Darauf schlägt es e i n e der festhaltenden Hände herab und diese lässt vom Rocke. Dann beginnt Ftage und Antwort von Neuem. Sind alle Steine gefallen, so läuft das Königstöchterlein den Mitspielenden nach und wer erhascht wird, muss in den Thurm. (Wunderhom III, 1808, S. 87.) M. Spieß, Aberglaube und Sitten im säehsisohen Ober-Ersgebirge 1862, 8. 76. Digitized by Google 304 Königstochter. b) Wer sitt in dissen bogen Toern 1 »Dar sitt en K5nig8docbteT in.« Kann ike de nicb to seen krigen? »Se is 8o fast YeTmuret, De Muer de will nicb bräken, De Steene de will nicb stäken.« Enen Steen brftk ik uet. »Beide Ogen fallt di uet.c Nä, näl Scbaet nicb, (scbadet nicbts) Baet nicb, (büft nicbts) Steen nnd Been verlaet my. Kling klang kloria, Kumm und folg my acbtema I Ausfübrung : In der Mitte des Kreises von Tanzenden bockt ein Kind, die Königs- tocbter im Tburm. Ein anderes (als Vort&nzer) stebt außerbalb des Kreises und singt, worauf man antwortet. Bei den letzten Worten erbftlt eine Tänzerin einen Scblag und folgt der Vortänzerin, sie am Kleide fassend. So wird der Tanz fort- gesetzt, bis der Kreis aufgelöst und die Königstocbter befreit ist. [MtQlenboff, S. 485.] Unter dem Königstöcbterlein kann möglicbenfalls die wäbrend der Winter- monate gefangen gebaltene Göttin Hol da zu versteben sein, die im FrObling be- freit wird; die Dämonen des Winters weicben, das bimmliscbe Licbtreicb wird neu erscblossen. Weniger gesucbt, aber docb nicbt nacbweisbar, ist die Annabme, dass das Spiel sieb auf eine sagenbafte Vermauerung irgend einer Königstocbter beziebe. Müllenboff (Sagen und Märcben S. 391) ereäblt ein Märcben von Jungfrau Maleen und einer verzauberten Prinzessin. Am Scbluss bemerkt er, dass auf dieses oder ein äbnlicbes Märcben sieb der Kinderreim »Kling klang kloria« bezieben könne. Die Termanerte Koirigstoehter. c) Flick de flock de florial Sitzt die Königstocbter da. Wir möcbten sie gern seben. »'S ist eine starke Mauer drum.a Die Mau*r wollen wir zerbrecben, Die Stein' woll'n wir zerstecben. Eine Hand fällt ab. [Mandlicb aus Dresden 1871.] d) Flix, flax, florian! Es war einmal eine Königstocbter, Die war ganz vermauert. Mauer muss man brecben, Ziegel muss man stecben. Eine Hand ab. [Aus Brunn. Wolfs Zeitscbrift 4, 364.] Digitized by Google 305 e) Kling, Uang, glorial Wer sitst in diesem Toria? »Es ist des KOnigs Töclxterleia.« Was trinkt sie gern? »Ein Gläschen Wein.« Was isst sie gern? »'n Kuchen fein.« Der Thurm, der Thurm ist viel zu hoch, Es muBS ein andrer gebauet sein. [Aus Weimar. Mannhardt 497.] f) Ring, Ring, tale Ringl Wer sitzt denn hier in diesem Ding? »Eine kleine Königin Ward so fest yermauert.« Die Mauer woll'n wir stechen, Die Steine woll'n wir brechen. Hand weg, Hand weg 1 [Aus Weißenfels. Mannhardt 493.] Die goldene Brücke. (Brackenspiel.j a) Zwei Kinder, die sich bei den Händen fassen und die Arme hochhalten, bilden eine Pforte, durch welche die andern, sich hintereinander festhaltend und backend, durchschlüpfen. Der Letzte wird von beiden Pförtnern womöglich fest- gehalten und gefangen. Zimi Eingang wird gesprochen: Haal up de Bruggen, haal dal (nieder) de Bruggen, Den lesten, den wi fangen De blift dar in behangen. (oder auch:) Dat Oster door dat is torbraken. Morgen wollen wi 't wedder maken ; Mit 'n Speigel, mit 'n Dreier — Kruup unner dör, is vol. Der Gefangene wird nun gefragt, zu welcher Partei er gehören wolle und nach seiner Antwort an die betre£fende Partei vertheilt. Die Fragen lauten : »Wo wult du hen, na 'n Himmel oder na'r Hölle?« oder: »Wat wult du sien, swarte oder witte Goas (Ziege)?« oder : »Hummel htimmel Hering, Rununel rummel Stering, Wat wult sien : Haan oder Buk? Buk, Bukl Haan, Haanl Lat de ölen Schelmen g^nl« Die so durch Zufall gebildeten Parteien stellen sich in zwei Ketten, wo Jeder sich fest an seinen Vordermann anklammert, einander gegenüber auf, und die beiden Vordersten, welche sich die Hände reichen, suchen nun jeder die Gegenpartei über Bdhme, Oescb. d. Tftnxeii. 20 Digitized by Google 306 einen Strich, der beide Parteien trennt, zu sich hinüber xu ziehen. Der Über- wundene muBS schließlich unter den Tagein (Plumps&cken) der Sieger Spießruthen laufen. [Bremer Kinderreime S. 50.] b) Aus Weida im Vogtland. (Dunger, rogtlftndische Kinderlieder 299.) Alle : Wir wollen durch die Magdeburger BrQcke ziehen. Einer : Sie ist zerbrochen. Alle : Wer hat sie zerbrochen? Einer : Der Goldschmied. Alle : Wir wollen sie wieder bauen lassen. Einer: Was gebt ihr davor? Alle : Die goldne Krone. Einer : Zieht alle durch, zieht alle durch, Der Letzte wird gefangen Mit Spießen und mit Stangen. Bei den letzten Worten wird das zuletzt durchwollende Kind zwischen den nieder- gezogenen Armen (dem Fallgitter der Brücke) gefangen und muss sich entscheiden, ob es zu der Sonne oder dem Monde sich stellen will. Sind alle gefangen und auf beide Seiten vertheilt, so beginnt ein Hingen oder Stemmen zwischen den beiden Parteien. c) Mündlich aus Leipzig: Wir woll'n die Merseburger Brücke baun. Wer hat sie denn zerbrochen? Der Qoldschmid, der Goldschmid Mit seiner jüngsten Tochter. Wir woll'n sie wieder bauen. Was gebt ihr uns zum Lohne? Eine goldne Krone 1 Zieht alle durch, zieht alle durch. Den Letzten woU'n wir fang'n Mit Spießen und mit Stang n. d) Die Meyersche Brücke. Die Kinder bilden zwei Reihen in gerader Linie, stehen einander gegenüber und haben gegenseitig die Hände angefaast, erhalten sie beständig schwankend und singen dazu : I. Chor. n. Chor. 1. Wir wollen :|: über die Meyersche t. Sie ist zerbrochen, :|: die Meyersche Brücke. Brücke. 2. Wer hat sie zerbrochen :|: die Meyer- 2. Der Goldschmied :|: mit seiner jüng- sche Brücke. sten Tochter. 3. Wir wollen sie machen :|: die Meyer- 3. Womit denn? :{: die Meyersche sehe Brücke. Brücke. 4. Mit Gestein, mit Gebein, mit rothem 4. Was für Leute seid ihr? Aus welchem Goldelein. Lande kommt ihr? 5. Wir sind die Herren von Schwarzburg, 5. Lasst die Herren walten. Wir ziehen durch die Rothenburg. Den letzten woUn wir behalten. Ist dieser Wechselgesang zu Ende, so fängt der L Chor an, bei dem andern zwischen den aufgehobenen Händen schlangenweis durchzukriechen r^\v/^\/J* ^^^ die Digitized by Google 307 letzte Person davon wird behalten und dem andern Chor angereiht. Damit wird so lange fortgefahren, bis Niemand mehr vom I. Chor übrig ist. — Das Spiel wurde gewöhnlich zum Kirchweihfest von Kindern gespielt. In den Straßen stand eine Birke aufgepflanzt und vor diesem Baume ein gedeckter Tisch mit Kuchen und Bier besetzt. Der Baum war mit allerlei kleinen Bildern, Bändern und an- gemalten ausgeblasenen Eiern geziert. (Aus Mühlhausen in Thüringen. F. A. Rei- mann, Volksfeste 1837, S. 346.) Die Himmelsthfir. (Ein Holda-Liedchen.) Kloppe, kloppe Ringelohen I Da kommen zwei arme Kingerchen. Gebt en get un lot se g6n, Dann wird die Himmelsthür offen st6n. Da kümmt Maria Müder Mit dem güldenen Bruder, Hat en Stöckelche in der Hand, Da driest se de Wolken mit durch das Land. Wolke, Wolke, lauf! Maria die hat gerufen tn. Sieben Küh und einen Strik (Strichel) . Lirum lamm piokepick. [Aus Wiehl bei Köln. Mannhardt 394.] Ausführung: Zwei stellen die armen Kinderchen vor, zwei andere mit empor- gehobenen Händen die Himmelsthür, durch welche jene in den Kreis treten. Hier wählen sie zwei andere , welche durch dieselbe Pforte aus dem Kreise gehen und nun die neuen armen Kinder spielen, während die ersten im Kreis bleiben und die Stelle der erwählten einnehmen. — Mannhardt (Mythen 326) bemerkt : »Diesem Reim liegt die Vorstellung von Holda zu Gründe, die die Kinderseelen auf dem Schöße trägt.« E. Ringelreihen vom Hochzeitmachen. a) Rosmarin und Thymian Wächst in unserm Garten. Wer ein Mädchen freien will, Muss noch lange warten. [Simrock 333.] b) Petersilje, Suppenkraut (Sellerie und Suppenkraut) Wächst in imserm Garten : Jungfer N. N. (Anna) ist die Braut, Soll nicht lang mehr warten. Rother Wein, weifier Wein : Morgen soll die Hochzeit sein. [MfindUch aus Dresden 1870, auch Simrock 332.] 20* Digitized by Google 308 c) Petersiljen, Soppenkrüt WasBt in usen Garen, Use Antchen de ig Brut, Schall nich lang mehr waren, Dat se na de Karken geit, Un den Rock in Foolen (Falten) sleit. Roen Wien, witten Wien, Morgen schall de Hochded aien. [Bremer Einderreime 22.] Stolzer König. a) Tanzspiel aus dem VogÜande (Dünger 311). Eine im Kreise sitzende Spielgenossin wird von Mädchen umtanzt, wobei sie singen : Stolzer König, stolzer KOnig, Warum thust du so prahlen? Sieh dich um und schau dich um. Was ist dein Verlangen? Suche dir ein Engelein, Setz es auf dein Knieelein ; Dann noch gieb ihm einen Kuss, Weil es von dir scheiden muss. Beim Wort »Engelein« sucht die drinnen Sitzende ein Mädchen aus und giebt ihm einen Kuss ; die Qekflsste setzt sieh dann in die Mitte. b) Andere Lesart bei Simrock 825 : Herzer König, stolzer König, Jetzt da kommt mein Liebchen *rein, Warum bist du so in Trauer? Kniet sich auf die Knieelein, Soll ich denn nicht traurig sein? Jetzo geb ich ihr 'nen Kuss, Ihr setzt einen andern König ein. Weil ich von ihr scheiden muss. Schaut euch um, schaut euch um, Schaut auf eure Mauer. Hafersehneiden. a) Die Spielenden bilden einen Kreis. Eins der Kinder steht in der Mitte ; sie singen : Morgen woll* mer Haber schneiden. Kleine Gärble binden. Ich hab verloren mein Feinslieb , Wird sich wieder finden. Hier und dort, ein andermal Unter diesen allen ! Die ich jetzt mir nehmen soll, Wird mir wohl gefallen. [Oder:] Hier und dort, kein andrer Ort Unter diesen allen I Ei so nimm sie bei der Hand, Sie wird dir gefallen 1 Digitized by Google 309 Der im Kreise stehende wählt sich ein Kind und tanzt mit ihm, während die an- dern singen : Grüne, Grüne, lauter Grün, Grüne muss ich leiden ; Wer ein feines Mädchen hat, Muss sich von ihr scheiden. Hierauf trennen sie sich. Das gewählte Kind beginnt das Spiel von neuem. [Dünger^ Vogtländische Kinderreime 312.] b) In Schleswig-Holstein (Müllenhoff S. 484) heißt der Reim so : Morgen schöln wy Ha wer schnyden. »Wer schal uns den binden?« Dat schal Jungfer Lieschen doen, »Wo sch6ln wy äer finden?« Hier un daer un allerwegen Unner dissen aUen ; Hier heff ik äer allfaet krägen: Do mi den Gefallen 1 Ausführung : Eine in der Mitte des Kreises stehende Tänzerin hebt an zu singen, die andern antworten. Am Schlüsse erwählt sie eine, die dann ihre Stelle einnimmt. Braot- und Brftatlgamsspiel. (Brautwerbung.) Die Kinder stellen sich in zwei Reihen einander gegenüber auf ; die einen sind die Freier, die andern die Mutter mit ihren Töchtern. Während die Züge gegen- einander rücken , sich verneigen und zurück marschiren , werden folgende Zeilen abwechselnd gesungen : I. Da kommen zwei Herrn aus Lünefeld (Nineveh) . Juchheisasa filadi. n. Was woUn zwei Herrn aus Lünefeld? Juchheisasa filadi. I. Sie wolln die älteste Tochter frein. J. h. f. II. Und wer soll denn der Bräutigam sein? J. h. f. I. Das soll der Kaiser selber sein. J. h. f. n. So nehmt sie hin mit Freuden. J. h. f. Auf diese Weise werden aus der 11. Reihe alle nach und nach abgerufen und schließen sich der Seite der Freier an, bis die Mutter allein noch bleibt. Dann singt man : Was wolln sie mit der Mutter thun? Juchheisasa filadi. Sie wolln sie in ein Kloster sperr'n. J. h. f. Man schließt um sie einen Ring , aber sie entwischt nach irgend einer Seite und man sucht sie zu haschen. [Aus Schleswig-Holstein. Müllenhoff 486.] Brautwerbung. a) Es stehn sich gegenüber : eine Mutter und mehrere Töchter. Zur Mutter kommt jetzt ein Mädchen (das einen Freier darstellt] und sagt : Ich bin daher geritten Mit einem Gaul am Schlitten, Ich mochte die Frau bitten Um ihre allerschOnste Tochter. Digitized by Google 310 Die Mutter antwortet : Ich gebe meine allerschOnste Tochter nicht aus dem Hausl Der Zopf ist nicht geflochten, Der Rock ist noch nicht aus dem Schneiderhaus ; Ich gebe meine allerschOnste Tochter nicht aus dem Haus. Der Herr sagt hierauf : »Adje I« und will gehen. Die Mutter aber ruft : Bleiben Sie nur dal Der Zopf ist geflochten, Der Rock ist aus dem Schneiderhaus : Ich gebe meine allerschOnste Tochter aus dem Haus. Dann fasst die Tochter den Herrn hinten am Rock und er führt sie ab, kommt aber bald wieder und hSlt auf gleiche Weise um die zweite Tochter an und be- kommt sie gleichfalls. Das wiederholt sich, bis alle Töchter weggeholt sind. Bei jeder Bewerbung muss er aber die früher geholten mitbringen und so hat er zuletzt eine ganze Reihe hinter sich, die ihn am Rock festhfilt und dann lärmend durch- einander springt. [Aus Pfullingen. Meier 380.] b) Aus Tübingen. (Meier 380.) Freier : Es kommt ein Herr geritten Von Aachen und von Sitten Und bittet um Ihr allerschönstes Töchterlein. Mutter : Ihr Haar bt nicht geflochten, Ihr Kleid ist nicht genflht, Ihr Schuhe sind nicht gewichset, Komm Sie in einem halben Jahr. Nach einem Weilchen kommt der Herr wieder und bringt den ersten Spruch noch- mals vor. Die Mutter antwortet jetzt : Ihr Haar ist geflochten, Ihr Kleid ist genäht, Ihre Schuhe sind gewichst. Indem er die Tochter bekommt, ruft diese : Adje, mein liebes Mütterlein. Jetzt komm ich in ein Klösterlein, Da lehrt man mich nähen, stricken, spinnen, Dass meine Finger klingen ; Da haut man mich mit Ruthen, Dass meine Fingerlein bluten. Adje, mein liebes Mütterlein 1 Die Mutter erwidert: »Adje I« — Alles übrige der Ausführung wie vorher. c) Ein upländischer Reihen i, die Verlobung darstellend, mag hier einge- schoben werden. Der Chor singt : Aus R. Dybeck, Runa 4, 75. Übersetzt von K. Weinhold, Frauen (1851), S. 227 Digitized by Google 311 Es kommt ein Ritter geritten daher, So lustig sollt er reiten. [Refrain :] För hahaha, för nanana, So lustig sollt er reiten. Der Bursch ist unterdessen in den Kreis getreten, geht auf ein Mädchen zu und singt: Schönste Jungfer, darf ich sie Wohl an das Hense schließen? Das Mädchen singt : Und willst mich schließen ans Herze dein, Sollst geben vorher ein Ringelein. Der Bursche : Hier hast du Ring und Verlobungsband, Du sollst mich nicht betrügen. Das Mädchen : Und willst mich schließen ans Herze dein, Sollst mir zuvor geben ein Kr6nelein. Der Bursche: Hier hast du Krön und Kranz dazu, Du sollst mich nicht betrügen. d) Ein kürzerer Spiel tanz zur Verlobung aus den schwedischen Land- schaften Nerike und Dalekarlien lautet (nach Dybeck, Runa 4, 70, übersetzt von Weinold, Frauen S. 227) : Komm, komm, Maria lieb, und reich mir deine Hand, Hier hast du das Ringelein und um den Arm das Band. Und alle in dem Kreise hier bezeugen mir es laut : Maria hat gelobet hier zu werden meine Braut. e) Ein isländisches Tanzlied, darin der altgermanische Rechtsbrauch des Brautkaufes enthalten ist, muss uns interessiren. Die Mädchen sind in einem Hause versammelt imd singen, während ihre Liebhaber an die Thüre treten : , Was will Hof und was will Alf?' »Stein bietet Hof und Stein bietet Alf.« ,Was bieten aUe Bursche Hofs?' »Stein bieten alle Bursche Hofs.« Sie werden höhnisch abgewiesen, gehen fort, kehren zurück; der Gesang beginn in voriger Weise und die Bursche bieten anstatt des Steins jetzt Kupfer zum Brautkauf. Weniger verächtlich abgewiesen, bieten sie zum dritten Male Gold. Da singen die Mädchen : Willkommen Hof! willkommen Alf! Willkommen all ihr Bursche Hofs 1 Die Männer treten jetzt in das Haus und der Tanz beg^innt. [K. Weinhold, Frauen S. 208.] Ein ähnliches Volkslied s. Hoffmann, Schlesische Volkslieder Nr. 98 : »Sind drei draußen, Frau Mutter.« Frage, was sie wollen, meine Tochter, etc. Digitized by Google 312 F. Der Reihenlauf oder die Schlange. 1 ) Alle Mitglieder eiaer großem Spielgesellschaft stehen in einer langen Reihe und fassen sich möglichst fest an den Händen, um das Zerreißen der Kette zu vermeiden. Der Anführer ( Vortänser] ^eht in mancherlei schlangen förmigen Windungen hin und her und Alle sind gehalten , dieselben Windungen nach- zulaufen. Dann kriecht der Anführer an einer beliebigen Stelle unter den hoch- gehobenen Armen zweier Glieder hindurch und die ihm nachfolgende Kette schlingt auf diese Art einen lebendigen Knoten, bis der letzte durch Handwechseln wieder in die richtige Stellung kommt. Dann heben auch die beiden Ersten ihre Hände zum Thor auf und lassen alle Nachfolgenden durchkriechen , so dass sich ein Kreis darstellt. Hierauf bleibt der Anführer (der Kopf) stehen und gebietet dem Schwänze Halt zu machen, und alle Übrigen laufen so rund um den Mittelpunkt, dass sich die ganze S chl ange zu einem lockern Knäuel aufwickelt. Ist der Knäuel vollendet, so rollt er sich in umgekehrter Weise wieder auf, indem sich die im Centrum Stehenden wieder heraus winden und die übrigen nach sich ziehen, ohne dass die Kette zerreißen darf. In Bremen rufen die Kinder bei die- sem Knäulbilden und -lOsen : Karkhof, sta feste, de Toom de brikt (Thurm fällt um), De KOster (Küster) steit up'r Kanzel un sprikt. [Bremer Kinderreime S. 60.] 2) Denselben Reihenlauf spielt man in Oldenburg etwas abweichend, wie folgt: Die Kinder stellen sich nebeneinander in eine lange Reihe, Hand in Hand singen alle: Es wollt ein Jäger jagen, Kruup (kriech) , Häschen, durch den Busch ! Dabei kriecht der Erste am rechten Ende der Reihe unter seinem und seines Nebenmannes erhobenen Armen durch; dann kriecht er und sein Nebenmann unter dessen und des dritten Armen durch u. s. f., bis die ganze Reihe aufgewickelt ist und jeder seinem Nachbar zur Linken seine rechte, und dem Nachbar zur Rechten seine linke Hand gereicht hat. Dann wird mit demselben Gesänge die Reihe wieder ab- und in ihre vorige Stellung zurück gewickelt. [Oldenburgische Kinderreime S. 46.] Mit diesen Proben glaube ich die wichtigsten Kinderreigen vorgeführt zu haben, in denen ohne Zweifel Überbleibsel altgermanischer Tanzweise zu er- kennen sind. Digitized by Google 313 Kapitel l\m. Rückblicke und Schlussbetrachtmig. 1. Seit ihrem historischen Bekanntwerden haben die Germanen getanzt; zu ihren Götterf esten , zur Belebung ihres kriegerischen Muthes, zur festlichen Feier der Hochzeit, selbst zu den Todtenmahlen gehörte der Tanz. Da gab es zur Frühlingszeit (zur Sommer -Sonnenwende] wie zur Julzeit (Winter-Sonnenwende) festliche Aufzüge mit Spiel und liedem. Bei diesen Naturfesten, die zugleich Gerichtstage iind Zeiten für Volksversammlungen waren, wurde zum Beschluss ein Tanz gemacht. Von jener heidnischen Festfeier sind unsere Maifeste und Pfingst- tanze, Johannistänze, Erntefestbräuche, Kirmestänze und Weihnachts-Aufzüge die letzten Überreste. 2. ImMittelalter ist mehr, aber auch verhältnismäßig ausgelassener, wil- derundroher getanzt worden als heutzutage. Andere Zeiten, andere Sitten 1 Um die Tanzlust und Tanz weise im Mittelalter nicht ungerecht zu beurtheilen, darf man an jene Zeit nicht den Maßstab der modernen Bildung und Sitte anlegen. Das deutsche Volksleben im Mittelalter, bei Ritter, Bürger, Bauer und bei allen weidlich freien Männenm jener Tage, hatte in Schimpf und Glimpf eine große Heiter- keit und Freudigkeit und mischte sogar in seinen sehr würdevoll genommenen Ernst eine Menge kleiner Scherze , Possen und Spaße , wovon uns kaum ein ab- geblasstes Bild überliefert ist^ dessen letzte frische Züge die Noth und das Gebot einer andern Zeit, und zuletzt die löbliche Polizei lange weggewischt haben. Es war das Leben mit allen seinen bunten Spielen der Lust und Thorheit da- mals ziemlich frei unter allem Volk auf Gassen und Märkten, in den Rathssälen der Bürger und Tanzsälen der Ritter und Fürsten, wie auf den offenen Tanzplätzen des Landvolkes zur Kirmes- und Erntefestzeit und bei Familienfesten, voran der Hochzeit. Bei allen festlichen Gelegenheiten, wo Hoch und Niedrig, Geistlich und Weltlich gleichberechtigt in das fröhliche Getümmel sich mischte, fühlten sich Alle als ein Volk. Es gab überhaupt damals noch ein Gesammtleben des Volkes, das noch nicht durch verschiedene Bildungsgrade und andere vermeinte Standesvorzüge getrennt und zerklüftet war. Darum gab es überhaupt noch Volks- feste, die in Wahrheit unsere verbildete Zeit nicht mehr kennt und trotz aller Anstrengungen wiederherzustellen nicht im Stande sein wird. Die »Volk e r j ug en d«, wo man noch harmlos scherzt, singt, springt, tanzt und ohne Standeseitelkeit sich zum fröhlichen Fest durcheinander mischt, ist nun ein für allemal vorüber, wir sind viel zu bedenklich und zu ernst geworden. Wer kann es ändern? O glückliche Zeit der mittelalterlichen Fröhlichkeit 1 müssen wir aus- rufen, wenn wir die Bilder aller jener Festtänze an uns vorüber ziehen sehen. Wir sind verständiger und anständiger, aber keineswegs besser und glücklicher geworden. Nach heutigen Begriffen und Anstandsiehren werden wir in den Tanz- Uedem jener Zeit Anstößiges genug finden. Man muss aber wissen, dass das in Wirklichkeit sittenstrenge Mittelalter alles frei beim rechten Namen nannte und in Worten nicht so wählerisch war, überhaupt nicht so zimperlich und prüde that, wie unsere Zeit, die es mit den Worten sehr genau nimmt, aber an Sittenrein- heit das Mittelalter gewiss nicht übertrifft. Zu den Rigoristen gehörten die Dichter von Tanzliedern gewiss nicht, wenn sie darin von Burschen und Mäd- chen der sinnlichen Liebe letzten Wunsch begehrlich aussprechen lassen. Damals Digitized by Google 314 starb vor Liebesnoth und Liebesweh nicht leicht Einer oder Eine dahin ; dafür war das Landvolk noch viel zu keruhaft und der Handwerkerstand in den Städten von unserem nur Elend bringenden Fabrik wesen noch unberührt. Der Selbstmord, das Schrecklichste der modernen Überbildung und Folge von socialen Missständen bei Übervölkerung der Gegenwart, war damals beinahe nicht gekannt. Zu solchen Verirrungen , durch moderne Sitten und Unsitten , durch nothwendig gewordene Staatsgesetze über Verheirathung und dem Menschen auferlegte Zurückhaltung der Natur herbeigeführt , war jene Zeit nicht angethan ; dazu war die Luft noch viel zu gesund^ Bursche und Mädchen noch nicht stubengelehrt und romanbelesen, sondern naturfrisch, die Lebensweise nahrhaft, der Wein und das Bier noch gut, die Weltanschauung dabei allzeit fröhlich; von Bücherweisheit und Socialistenpredigten noch nicht angesteckt. Vor allem aber war ein fester Stab auf jedem Lebenspfad ein unbegrenztes Gottvertrauen ; dieser religiöse Halt der Alten (wie man auch darüber witzeln mag) war auch ein Förderer der Heiterkeit, die leider unsere Skeptiker und Atheisten nicht kennen und unsre frühreife blasirte Jugend nicht haben kann. Denn wer mit Gott und aller Welt zerfallen ist, wie vermochte er so recht aus Herzensgprunde frOhlich zu sein? Wer sich vergegenwärtigt, wie die alte Tanzweise, mit Gesang und Spiel ver- bunden, unmittelbar im Volksleben wurzelt, der wird Angesichts der gegenwärtigen Armseligkeit dieses Kunstzweiges begreifen und zugestehen müssen , dass wir keinen Volkstanz im eigentlichen Sinne mehr haben. Wohl giebt es noch ein Volk (d. h. Inbegriff von Hoch und Niedrig mit gemeinsamer Sprache], aber kein Volk mehr mit gemeinsamer Fühlung und Strebung und gemeinsamen Freuden, darum kein Volk mehr , das zu gemeinsamem fröhlichen Thun und Treiben auf Volksfesten zusammenkäme. Alles ist jetzt durch Kultur und Besitz getrennt, ist Arbeiter oder Kapitalist, Beamter oder Gehorchender; der goldene Mittelstand ist im Niedergang begriffen. Die verschiedenen Stände (das ist der Fluch der Kul- tur) sind nicht mehr zu gemeinsamer Fröhlichkeit, zu gemeinsamen Tänzfesten auf- gelegt. Jeder Stand liebt nur mit Seinesgleichen umzugehen und in geschlossenen Gesellschaften, Vereinen und Klubs zusammenzukommen, und dort wird wohl auch oft noch ein Tänzchen gemacht oder Gesellschafts-Ballfest veranstaltet , der zu- weilen recht amüsant sein kann, aber einen Volkstanz giebt es nicht mehr, weU wir eben kein gemeinsam zum Tanze ziehendes Volk und keine wahren Volksfeste mehr haben. Der heutige deutsche Tanz ist seit langem schon nur ein Genussmittel, man tanzt bloß egoistisch, um s i c h ein Vergnügen zu machen ; im Alterthum und noch bei Italienern und Franzosen im spätem Mittelalter bis jetzt ist er ein S oh au- spiel, man tanzt nicht nur um seiner selbst, sondern auch um Anderer willen, um ihnen durch schOne Stellungen und kunstvolle Bewegungen eine Freude zu bereiten. 3. Über die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit des Tanzens ist im Mittel- alter bis auf neuere Zeiten viel gestritten tmd Unnützes geschrieben, gepredigt und gedruckt worden. Für unsere fortgeschrittene Zeit dünkt es mir unnütz, den Tanz als verwerflich hinstellen zu wollen ; das glaubt doch kein vorurtheilsfreier Mensch mehr. Tanzen soll man aUen denen verbieten , die nicht tanzen kOnnen, weil sie zu ungeschickt sind, und denen, die nicht tanzen dürfen , weil sie kränk- lich sind. Den armen kranken Sterblichen verbietet die Natur schon selbst, was ihnen unmöglich ist ; auch dem Alter zeigt die Natur die Grenze, wo Spiel und Tanz vorbei ist. Der tanzlustigen Jugend aber lasse man «hr Tanzvergnügen, wenn solches mit Ma8 und in Ehren geschieht. Der Tanz ist in das Leben so ein- gedrungen und mit dem Leben so verwachsen, wie keine andere Kunst; Digitized by Google 315 noch mehr als Poesie und Mnsik beherrscht er Vergangenheit und Gegenwart; das kommt daher , weil das Subjekt selbst das bequeme Mittel der Darstellung ist , die Tanzkunst gans die MitÜiätigkeit in Anspruch nimmt und ihren Zauber durch anspruchlose Bewegungen walten lassen kann. Den Tans aus der mensch- lichen Geselligkeit entfernen und aus der Reihe der KOnste streichen wollen, würde Revolution hervorbringen. £r, der für unsere Poesie und Musik ein Förderer und Träger war, ist für unsere Kultur eine Nothwendigkeit, eine Stütze derselben. 4. Zum Tanse ist durch das ganse Mittelalter bis Anfang des 1 7 . Jahrhunderts gesungen worden, nftmlich so, dass einer vorsang, die Übrigen im Chor ant- worteten oder bloß den Kehrreim (Refrain) sangen. Auch wohl so, dass eine Abthei- lung von Burschen und Mädchen sang, während die andere dazu tanzte. »Das war noch eine löbliche Weise, wozu unsere Liedertafeln jetzt keine Kraft und Lust mehr haben, weil sie zu vornehm und verdrießlich geworden, auch von den vielen abscheulichen Liedern der Jetztzeit ihre Brust zu Schanden gesungen haben, gleich Falstaff, der durch vieles Choningen in der Kirche seine Stimme ruinirt hat.a^ 5. Neben dem Tanzgesange gab es frühzeitig auch Spielleute, und es galt für statüioh, Geiger, Pfeifer und Trommler beim Tanz zu haben, die mit dem Gesang abwechselten und einfielen, wenn der Vorsänger geendigt hatte. 6. Der Tanz war zu jeder Zeit der Mode unterworfen. Andere Zeiten, andere Sitten, andere Lieder, andere Tänze. Das ist nun einmal der Lauf der Welt und der Kulturgeschichte. Als mit dem Wechsel der Sitten, bedingt durch mächtige WeltereigniBse, der zähe konservative Sinn des deutschen Bauern weichen musste, gab er mit seinen altvaterischen Sitten auch seine alte Tanzart der Ringelreihen auf. Und was nahm der Deutsche statt der alten einheimischen Tänze auf? Alles, was seine Nachbarn, die Franzosen und Slawen ihm vorpfiffen und vortanzten. Besonders oft und gern hat er nach dem Westen sich geneigt und nach fran- zösischer Pfeife getanzt. Das geschah schon seit jener unseligen Zeit der höfischen Sänger, die nichts weniger als deutsch in ihren Sitten waren, bis auf die Gegenwart, wo der gute Deutsche, durch Fremdländisches Jahrhunderte lang verwöhnt und durch französische Tanzmeister überredet, noch immer Fran9aisen, Quadrillen, Lanciers und wie die schönen Pariser Sächelohen alle heißen, mit Vorliebe und dünkelhafter Einbildung tanzt, sog^r auf Theatern den sittenlosen Cancan sich vortanzen lässt. Noch mehr als der Tanz selbst war die Tanzmusik der Mode unterworfen und schnellesVeralten ihr Schicksal. Wie die Kirchenmusik den höchsten ewigen Zwecken dient, die Tanzmusik dagegen der bunten, lachenden, vorüber- gaukelnden vergänglichen Lust der Welt sich darbietet: eben darum ist jener auch das längste, dieser das kürzeste Leben beschieden. Ach wie bald sind doch die galanten Musikstücke veraltet und verschollen. Sieht man einmal einen Stoß socher weiland beliebten und belobten Hefte voll Tanzmusik durch, so fühlt man sich von dem unheimlichen Gefühl erfasst: wie alle Lust und Herrlichkeit der Welt so rasch vorüberklingelt und von all der bunten Pracht nichts zurück- bleibt als ein ödes Caput mortuum, hinter dem das leere Nichts schwarz heraus- gähnt. Es ist, als wenn aus den wieder hervorgezogenen Heften von Ecossaisen, alten Walzern etc. ein kalter Hauch uns schaudernd anwehte. Hat man da das Schicksal, das baldige Veralten der Tanzmusik vor Augen, dann fühlt man erst ganz, wie ungleich höher doch gute ernste Musik steht. Dr. E. Krager, System der Tonkunst, 1866, S. 247. Digitized by Google 316 Am ScbluBse meines Buches kann ich mir es nicht versagen, auf die Mangel des modernen Tanzes hinzuweisen. 7. Unser Gesellschaftstanz ist su rasch, unschön und sogar gesund- heitsgefährlich. Leider sind M. G. Saphir^s Worte, die er um 1845 nieder- schrieb, nur zu wahr : >£s ist jetzt nicht mehr ein Tanzen, es ist ein Rasen, eine Arbeit, ein Frohndienst, ein Gliederzappeln, eine systematische Epilepsie, eine Yeitswuth, eine galvanisch-musikalische Verzückung. . . . Man hat früher auch getanzt, aber man hat mit mehr Moderation getanzt als jetzt; das Frauenzimmer blieb immer in den Schranken der Grazie, der weiblichen Decenz . . . , jetzt aber hOrt das Mädchen auf zum schönen Geschlecht zu gehören, sowie es anfängt zu tanzen. Es glaubt, es wäre für den Tanz erfunden worden; keinen Augenblick der Zwischennih . . . austanzen, nebenbei toben, wirbeln wie die Windhosen, hoppeln wie die Grasmücken, springen wie die Heuschrecken, galoppiren wie die Mecklenburger Renner, schleifen wie die Wettschlitten.« Alfred Waldau (böh- mische Nationaltänze ü, 38) setzt über unsere moderne Tanzerei hinzu : »Die englische Mode umstrickt uns immer mehr und mehr mit mächtiger Hand und führt die Muse Terpsichore unter die Jockeys, die ihre Reigentänze mit ihnen in Gestalt von Parforcejagden zuschneidet.« In Griechenland betrachtete man den Tanz (nebst Musik und Poesie) als einen nothwendigenTheil der Jugenderziehung, als Regiilator und Moderator der mensch- lichen Leidenschaften. Deshalb wurde im Hause, bei öffentlichen Festen und Theatern viel getanzt , und in diesen Tänzen wurden Sitten , Leidenschaften und Handlungen der Menschen durch Gebärden ausgedrückt und diese dem Takte der Mu:»ik und den Worten der Poesie des darstellenden Schauspielers angepasst. Die Griechen brachten ihre Tanzkunst (Orchestik) zu einem hohen Grade der Vollkom- menheit. Was aber ihnen der Tanz war , eine Läuterung des Sinnes für schöne Formen und eine Ausbildung des Körpers zur Grazie und Kraft , oder was er bei den Römern galt, ein Waffentanz zur Stärkung der Tapferkeit und zur Verhen^ lichung der Triumphe: das alles ist der Tanz des civilisirten Europas größtentheib nicht mehr. Die guten alten langsamen Tänze der frühem Zeit, wenn auch zopfig, so doch wenigstens die Gesundheit unangetastet lassend , sind überall verachtet und kaum noch gekannt , oder unsere raschlebige Zeit hat sie in Galopp-Tempo umgesetzt, um der lebenden Dampfmaschine, Mensch genannt, genug zu thun. Es giebt nur noch groteske Raserei, Wirbel und Sprünge, welche den ruhig beobachtenden Freund von Sitte und Schönheitssinn mehr an die der Vernunft entwöhnten In- sassen des Irrenhauses gemahnen. Es ist schreckenerregend, eine Anzahl flor- umhüllter Frauenzimmer und schwarzbefrackter Jünglinge keuchend durch den Saal galoppiren zu sehen, wie sie mit geknickten Beinen und verdrehten Augen bei einem Wiener- Schnell Walzer oder Galopp sich abarbeiten. iWeil das weibliche Geschlecht (meint der Witzbold Saphir) nicht in den Krieg zieht, so hat die Kunst das Tanzen erfunden, um ihre Überzahl zu verringern. c 8. In den Tanzsalons der höhern Stände giebt es wenig Natur und Grazie, wohl aber viel Steifheit und Verzerrung in den vom Tanzmeister eingeübten Tanzmanieren imd erschreckliche Langeweile auf den Gesichtern bei den Tanz- gesellschaften zu lesen. Darum verfielen die Wiener auf die Rückkehr zur Natur und inscenirten 1884 den Digitized by Google 317 Bauernball.^ Franz Hüle schreibt im Wiener »Sonn- und Feiertags - Courier« : »Es ist wahr, man kann die Langeweüe nicht prachtToUer in Scene setzen, als es auf unseren großen BSllen geschieht; aber hOrt sie deswegen auf, Langeweile zu sein? Zum Tanzen ist kein Raum, zur Konversation keine Gelegenheit; wozu geht man also eigentlich auf einen Ball? Um sich drei Stunden lang drftngen und stoßen zu lassen und dabei vor Dunst und Hitze zu verschmachten? Ein schönes Vergnügen in der That, das dafür steht, dass man seiner Frau und Tochter Ball- kleider um fünfhundert Ghilden, wenn man reich ist, und um zweitausend Qulden, wenn man es seheinen will, machen lasst, dass vierzehn Tage lang die ganze Woh- nung wie eine Schneiderwerkstatt aussieht und dass man zuletzt noch einen Fa* milienkatarrh mit nach Hause bringt, wenn nicht gar eine Lungenentzündung 1 »Als die jungen Madchen noch in weißen Tarlatankleidchen zum Tanze gingen und keinen anderen Putz brauchten, als ihre Jugend und Schönheit, da waren die BaUe noch etwas Anderes, als steife Industrie- Ausstellungen , auf denen nur die Kostbarkeit der Schleppe und der Preis der Diamanten bei der Zuerkennung der Prftmie den Ausschlag giebt. Diesen schweren Roben sieht man es schon von Weitem an, dass sie nicht für das Tanzen gemacht sind, und diese hochmüthigen Blicke eingebildeter Oeldmakler-Frauen verkündigen Jedem , dass auch in diesen heiteren Hallen nichts Anderes als das goldene Kalb angebetet wird. Wie sie ein- ander hinauf- oder hinabsehen, je nachdem Eines mehr oder weniger als das Andere hati Es ist zum Todtlaohen, und das ist die einzige Unterhaltung, die man sich auf diesen so prachtstrotzenden und doch so armseligen Festen verschaflfen kann« »Aber deshalb darf man nicht glauben, das Unterhaltungsbedürfnis der Mensch- heit sei ausgestorben. Die munteren Augen der jungen Damen empOren sich deut- lich genug gegen die steife Grandezza, in die man sie einzwangt und selbst die Alten hätten vielleicht Nichts dagegen, wenn auf einmal die Schranken der Eti- quette zusammenbrachen und der »Cameval von Venedigt hineinfahren wollte in die gähnende Gesellschaft. Was sind die lustigen Bauernballe , die jetzt so sehr in die Mode kommen, wohl Anderes, als eine energische Reaction gegen die tOdt- liohe Langeweile der großen Repräsentations-Balle. Man fühlt sich wie neugeboren in dem bäuerlichen Kostüm, weil man damit zugleich die protzige Steifheit von sich wirft, welche die Besucher unserer Ballfeste zu wahren Märtyrern des Ver- gnügens macht. Drehn sie sich nicht wie rasend im Kreise herum, diese improvi- sirten Bauern und Bäuerinnen , lachen und scherzen sie nicht wie die Kinder und drücken sie einander nicht sogar in der Hitze des Gefechtes manches herzhafte Busserl auf? Damit revanchiren sie sich für die noble Langeweile, die sie als vor- nehme Städter im Musikvereins- und Logensaale ausstehen mussten. Alles ist wie ausgewechselt. Aus den blasirten jungen Herrn sind lustige Buab'n, aus den prü- den Fräuleins sind fesche DirndFu geworden , an denen selbst Anzengruber seine Freude haben müsste. »Und so hilft sich der Mensch zuletzt immer selber wieder , wenn es zu arg wird mit dem Druck und Zwang. Ja, diese Bauembftlle sind nichts mehr und nichts weniger als eine »sociale Revolution mit dem Feldgeschrei: Tod der Ball- Langeweile 1 Ohne Verschwörung hat die gemaßregelte Jugend instinktmäßig das ^ Was hier die Wiener bürgerliche Gesellschaft reagierend sregen Ball-Lanf^eweile thut, ist ^ns ähnlich dem, was im 17. und 18. Jahrhundert als Wirthschaften die Höfe in Österreich und Sachsen sur Abwechslung liebten und übten (s. S. 144). Digitized by Google 318 Mittel gefunden , den verhaBsten Zwang abzuschütteln. Aus Puppen sind wieder Menschen geworden. Und so stehen wir denn jetzt am Vorabende großer Ereig- nisse. Bald wird der Unterhaltungsteufel in die ganze vomehine Gesellschaft fahren und wer weiß, ob es noch lange dauert, dass sogar aus dem stolzen Ballfest der Industriellen ein pudelnftrrischer Bauemball wird. Zuletzt wird man sich sagen : Warum sollten sich denn just nur die Bauern amüsiren dürfen? Was «unsern bra- ven Landleutenc gestattet bt, das können wir noch bravere Stadter uns wohl auch erlauben , und so wird man das Bauernkostüm , nachdem es seinen Zweck erfHUt hat, wieder abwerfen und auf den feinen Bällen gerade so ungenirt und lustig thun, als ob es BauembäUe wären. Dann kommen vielleicht auch die weißen Tarlatan- kleidchen wieder zu Ehren und die Patronessen brauchen nicht mehr eine halbe Million auf sich zu hängen. »O» wie sch5n wird das seini« h5re ich die tanz- lustigen jungen Mädchen ausrufen : »Dann ist Lustigkeit keine Schande mehr und Lachen kein Verbrechent — und schade nur, dass wir 'von so femer , femer Zeit und nicht von morgen, nicht von heute sprechen I'a 9. Wenden wir unsem Blick auf den ländlichenTanz,soist von Schönheit der Bewegung, von wahrem Vergnügen doch wahrlich wenig zu spüren. Ein arges Übel hier, dem nicht genug gesteuert werden kann, besteht darin, dass auf öffentlichen Tanzboden an ländlichen Festen fast die ganze Jugend und nebst ihr die Mütter und Großmütter mit einem Haufen kleiner Kinder sich versammeln und bis tief in die Mittemaehtstunde dem tobenden , lärmenden , oft mit Bauferei oder gar blutiger Schlägerei endigenden Tanze zuschauen. Ein hässliches Bild und der Volksgesittung nicht eben zuträglich I Erst durch strenge Polizeiverbote in neuerer Zeit sind wenigstens die Schulkinder und die heranwachsenden Knaben und Mädchen von 14 — 16 Jahren, so lange sie noch in die Christenlehre (Kate- chismusstunde) gehen oder Lehrbuben sind^ vom Tanzboden gänzlich entfernt worden. Und das mit Recht. Was haben aber Mütter mit kleinen Kindern in der staubigen und heißen Luft der Tanzböden in später Nacht zu suchen? Hinaus mit ihnen 1 10. Schauen wir uns zuletzt auf einem gemeinen Tanzboden, richtiger in der Tanzkneipe der großem Städte oder deren Umgebung etwas um, wo Sonn- tags die arbeitenden Handwerksleute und Dienstboten ihr Sonntagsvergnügen suchen und mit Recht und Billigkeit ihren Antheil an Musik und Tanz verlangen dürfen , so verräth da Alles nur das Niedrige und Sinnlose des modernen Tans- wesens. Da ist bloß ein Hüpfen, Springen, Drehen, Würgen, Auf- und Nieder- stampfen nach dem Takte zu sehen und eine ungebundene tolle Freude in den glü- henden oder schweißtriefenden Gesichtern zu erkennen. Ich liebe jeden Tanz, wozu Wo aus den Augen Alles glüht. Das Herz die Weise giebt ; — Nur eine Seele nicht. Doch lieben werd ich nie den Tanz, Ich liebe jeden Tanz, in dem Wie jetzt die Mod' ihn liebt. Sich malt der Freude Spur ; Den Tanz, wo aus verrenktem Leib Doch einen Tanz, den lieb ich nicht, Verrenkte Sitte spricht, Den Tanz — der Unnatur. 11. Die Tanzweisen sind mit dem großen Fortschritte der Instrumentabnuaik vollkommener und schöner, schwunghafter, reizender, überaus luxuriös geworden ; es ist das Süßeste des Süßen, etwas Grisetten- und Lorettenmusik hinein gekommen, prickelnd und frivol. So ist die Musik auch auf dem gewöhnlichen Tanzboden allsonntägUch in größeren Städten. Weil aber die Tanzmusik gerade, mehr als jede andere, auf die niedem Schichten des Volks wirkt, das seine liebste musikalische Nahrung vom Tanzboden Digitized by Google »19 holt und lange Zeit feBthftlt , so haben die kokett-lüsternen Opemmelodien und Opemtänze auch nicht verfehlt, einen entsittlichenden Einfluss auf das Volk auszuüben. Zwar ist das nicht von der Statistik mit Ziffern nachzuweisen, doch von denkenden Männern längst zugestanden worden. Der Yerfallunserer ländlichenTanzmusik, so aufgeputzt effektvoll , sirenenhaf t hinreißend sie auch erscheint, ist gerade deshalb zu beklagen. Die Tanzmusik ist ihrem deutschen Vaterlande längst untreu geworden und hat längst ihren nationalen Ghrundton aufgegeben. Die Texte zum deutschen Tanz sind leider überall in Wegfall gekommen und die alten, gemeinschaftlichen Chor- r eigen haben ganz aufgehört. Das Aufhören der Reigen ist zu beklagen. Nur einige läppische Schnadahüpfln in Oberbayem erinnern noch daran, dass das Volk einst zum Tanze sang. — Die instrumentale Tanzmusik, die allein noch den Tanzwirbel treibt und die allgemeinen Drehübungen regelt, ist längst inter- national, ist eine Allerwelts- Dirne, die ihren Bedarf aus französischen, sla- wischen und deutschen Tanzweisen mischt und aus französischer (neuerdings aus Wiener) Operettenmusik ihre giftige Nahrung so gern zieht. 12. Wie kann unserem Gesellschaftstanze, der so poesie- und sinnlos, langweilig, einförmig und unschön und dazu gesundheitsgetiübrlich ist, aufge- holfen werden? Guter Rath di^r ist theuer, wie für manches noch drückende Übel im großen deutschen Reiche. Zu alleremt muss der Chorreigen wieder öffenüich eingeführt und das Tanzlied dazu erneuert werden. Hierin liegt für Musik und Poesie noch ein neuer unersohöpfter Quell — denke ich mit Dr. Lud- wig Eckardt, der in seiner Festrede 1864 »Zukunft der TonkunstK 8. 14 begeistert auf das zukünftige Tanzlied hinweist. Zur Einführung der Chorreigen könnten vor allem unsere im Volke so beliebten, trefflieh dastehenden Turnvereine viel bei- tragen, wollten sie neben dem vielen werkelmäßigen Turnen auch die poetische Seite mehr pflegen. Von Tomem, die in ihrem altdeutschen Worte wige« (Reihe) den Anfang alles Tanzes im Munde führen , sind zunächst Chorreigen zu üben, au£Euführen und ndt entsprechenden Männergesängen und Instrumentalmusik zu begleiten. Sodann werden auch die Tumanstalten für Volksschulen auf Ein- übung von Reigen der Mädchen zu sehen haben und an die vorhandenen Kinder-Reigen anknüpfen, die auch in den unterrichtsfreien Zwischen- Viertel- stunden geleitet werden könnten. — Hier muss auch von den Dichtern einge- griffen werden, die hübsche Tanzreime für den Reigen zu schaffen haben. Weiter ist es an den Tonkünstlern, das Volksthümliche nicht zu verschmähen, son- dern zu den Freuden des Volkes herabzusteigen, um sie zu heben und zu veredeln. Sogar auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, dürften von tüchtigen Ballet- meistern anstatt der einförmigen und nicht immer decenten Ballete gute Volks- tanzreigen zur Darstellung gebracht und vielleicht in Oper oder Schauspiel an schicklicher Stelle eingelegt werden. Von der Bühne aus wirkt so etwas mehr als alles Lehren und Befehlen : das Volk wird zur Nachahmung gelockt und wird es nicht fehlen lassen, das gesehene Hübsche nachzuahmen. Aus der Erneuerung des Tanzliedes, das theils aus Einzelgesang und Tanz, theils aus Rundgesang bestehen kann und an den Charakter der Volksweise ver- edelnd sich anlehnen müsste, erwarte ich nicht nur eine Bereicherung und Gesun- dung unserer überkünstelten Instrumentalmusik , sondern auch eine Hebung und Veredlung der Tanzmusik , des gesellschaftlichen Tanzes und dadurch des gesell- schaftlichen Lebens selbst. Durch einen Trunk aus dem Volksgeiste muss die Kunst (dichtende, tönende, tanzende) erfrischt werden und die Rückwirkung auf das nationale Leben bleibt gewiss nicht aus. Digitized by Google Nachträge. Zu S. 26 : In den ausNeidhart angeführten Stellen finden wir die Win eile der wieder y die fünf hundert Jahre früher den Nonnen verboten wurden. EinCapitular Karls des Ghroßen von 789 bestimmt, dass die Nonnen keine Winelieder schreiben oder ausschicken sollen , auch nicht von ihrer Blässe durch Aderlass. ^ Aus dem Zusammenhange dieser Stelle geht hervor, dass Winelieder verliebten Inhalts sein mussten. Zu gleicher Annahme nöthigt der bei Neidhart neben dem Wineliede er- wähnte Blumenkranz, der ja zur Liebeswerbung beim Tanz gehörte. Wine heißt Freund, Geselle. Proben von jenen , durch Mädchen verfassten Liebesliedern der ältesten Zeit haben wir nicht ; aber eine ungefähre Vorstellung von ihrem Inhalte kann man sich machen, wenn man die in MB. 5 und 6 mitgetheilten Liedchen liest. Man. wird versucht , diese Reime an den Liebhaber für Winelieder zuhalten, ob- gleich die letztere Bezeichnung dafür nicht überliefert ist. Zu S. 30 : Über die Art und Figur der im Parzival erwähnten neuen thü- ringischen Tänze sind wir nicht berichtet. Die Y ermuthung liegt aber nicht allzufem, dass vielleicht die jugendliche Landgrftfin Sophia, als bayrische Fürsten- tochter den Tanzweisen des Osterlandes (Österreichs) nicht ungünstig gestimmt, an Heinrich von Öfter dingen (dem fabelhaften Dichter) einen Reigenführer ge- funden hatte. Die auf solchem Gebiete bei der Frauenwelt errungenen Erfolge mögen dazu beigetragen haben, den begünstigten Sänger und Reigenleitmann seinen Sangesgenossen bei Hofe zu verfeinden, und wir erhalten durch diese Anschauungs- weise , die schon Uhland (Walther von der Vogelweide , ein altdeutscher Dichter S. 99) angedeutet hat, den Schlüssel zu des formenstrengeren Walther eifersüchtigem Klagelied wider die Frau Unfuge [Pfeifers Ausg. des Walther Nr. 72], die mit ihren ungefügen (der Dorfpoesie entlehnten) Tönen das hoveliche Singen zu ver- drängen drohe. [Anmerkung 55 in Victor v. Scheffels Aventiure.] Zu S. 31 : Die höfische Tanzmanier, im Kostüm des 14. Jahrhunderts auf den Runkelsteiner Fresken abgebildet, schildert Victor v. Scheffel (55. Anm. zu seiner Aventiure) folgendermaßen : »Die unter Kronen voranschreitende Reigen- königin führt an der Rechten den ihr nicht zur Seite gehenden, sondern nach- schreitenden, in knappem Ärmel wamms und Schnabelschuhen erscheinenden Tänzer, der seinerseits wieder nach der Rechten der nachfolgenden Dame zurückreicht. So bilden sämmtliche Personen eine handverschlungene Kette, und ziehen mit sänft- lichen Schritten y von Saitenspiel geleitet, nicht ohne gekünstelte, den steif- geflochtenen Haarzöpfen der Tänzerinnen entsprechende Haltung, im Umgang durch einen Baumgarten. Ein eigenthümlicher, schärpenartiger Gürtel, weit genug, zwei Personen zu umfassen , den die Herren lose angehangen tragen , mag für an- dere Figuren und Schlingpingen dieses Tanzes Bedeutung gehabt haben.« 1 Capitul. ann. 789: »abbatissae monasterio sine regia permissione non exeant et earum claustra sint bene firmata, et (sc. moniales) nuUatenus wineleodes scribere vel mittere praesumant et (sc. leodes) de pallore earum propter sanguinis minutationem.« [Eckhart, Franc, or. I, 733.] Digitized by Google 321 Za S. 36: Far das Zutreffende meiner Vermuthung , dass unter Achsel- rotten und Houbetsehotten Tänse mit Achselrütteln und Kopfschütteln gemeint sein können, will ich folgende Beschreibung eines ähnlichen russischen Tanxes anführen: »Ein lieblingstans der Kleinrussen ist die Kasatscha, die von einem ein- zigen Paare getanzt wird. Der Tänzer lockt die Tänzerin , die er sich auserwählt hat, mit allerlei Liebeszeichen in den Kreis der Zuschauer hinein , oder er zieht auch mit Gewalt ein Mädchen herbei , die , sobald sie nur einmal den Tanz be- gonnen , sobald nicht müde wird. Die Bewegungen des Mädchens sind nicht so rasch und ausdrucksvoll, als die des Burschen. Doch wendet sie auch das den russischen Tänzen eigenthümliche Achselzucken und Kopfwerfen zuweilen an , und dann eine sehr häufig wiederkehrende , abwehrende Bewegung mit den Händen, indem sie den Kopf zur Seite wendet. Die Beine, die der Tänzer oft be- trachtet, und von denen er den Pelz vom zurückschlägt, haben dabei jedoch nicht die Hauptrolle. Er bewegt beständig den Nacken hin und her, zuckt mit den Schultern auf und nieder, wiegt den Oberkörper auf beiden Hüften und braucht Arme, Hände und Qesichtsmuskeln, um dem Tanze möglichsten Ausdruck zu geben. Der Sinn des Tanzes ist die Liebeserklärung des Burschen und das Spröde- thun des Mädchens, das sie durch Verhüllen des Gesichts mit beiden Händen dar- stellt. Der Bursche tanzt dann oft verzweif lungsvoU aus dem Haufen der Zuschauer hinaus, kehrt wieder um, endlich stürzt sich das Paar in die Arme.« [Kohl, Reisen in RuBsland und Polen 11, 286.] Zu S. 37: Über die Tanzzeit in der Minnesingerperiode wäre noch anzu- merken, dass beim Volke der Tanz zu jeder Zeit seinen Anfang nahm, wenn eine dazu bereite Gesellschaft sich eingefunden hatte ; vor allem lockte der Lenz dazu, und wenn die Feierstunde nahte , schmückten Dirnen und Weiber sich und eilten in das Freie zum Beigen. Ganze Tage in dieser fröhlichen Zeit wurden y ertanzt und es war eine Hauptklage gegen den Winter, dass nun das Leben auf dem Anger enden müsse. Zwar fehlte dem Tanz auch den winterlichen Gesellschaften (Gofe- nanzen) nicht, er war aber beschränkter, weil zu dem damit verbundenen Spiel der Raum fehlte. Wie schon bemerkt, wurde von hohem Gesellschaften der Tanz stets in Sälen abgehalten und darin machten Sommer und Winter keine Ausnahme ; nur in der Tageszeit herrschte Verschiedenheit. Im Allgemeinen richtete man sich nach den vorhandenen Unterhaltungsmitteln. Der Morgen und die Zeit nach dem Haupt- essen war gewöhnlich anderweitig ausgefüllt; der Tanz hub darum erst gegen Abend an, wenn für die Ritter der Buhurt (die Ritterspiele Schar gegen Schar) zu Ende gegangen war.^ Er dauert bis gegen die gewöhnliche Zeit des Schlafen- gehens, bidessen wurde zuweilen auch nach dem Morgenimbiss oder nach der Hauptmahlzeit ein Tänzchen gemacht. Zu S. 55: Betreffs des Zäu nertanzes werde ich auf ein Kinderspiel in Leipzig aufmerksam gemacht. Die Kinder fassen sich an den Händen, bilden einen Kreis und singen im Gehen : 1 Athis C* 153. Lanselot 657. Pars. 639, 3. Lohengrin S. 25. Helmbrecht 937. Böhme, Geioh. d. Tansei. 21 Digitized by Google 322 i ^ ^iirrn n^ r c/f Ji Der Zaun der wird ge - floeh - ten, o her - lens -lieb- stes (Tnid-chen) mein! Willst i tm^^m £ -«'— du mir hel-fen fleoh- ten, bo komm und flicht mit mir. Die Genannte legt die Anne kreuzweis über die Brust, bleibt aber in der Kette. Allmählich ebenso alle Mitspielenden; bisweilen drehen sie sich auch nach außen. Dann singen die Kinder nach derselben Melodie : Der Zaun der wird gebrochen, O herzensliebstes (Ännchen) mein I Willst du mir helfen brechen, So komm und brich mit mir. f Die Genannte löst die Arme aus ihrer Yerschränkung (bezw. dreht sich wieder nach innen), und auf gleiche Weise nach und nach alle Übrigen, so dass endlich die Kette der Spielenden wieder wie im Anfang aussieht. Damit ist das Spiel zu Ende. Zu S. 60: Ein Berliner Ballfest 1404. aAIs der bekannte märkische Ritter Dietrich von Quitzow nach langer Fehde im Jahre 1404 sich wieder mit der Stadt Berlin befreundet hatte, wurde ihm zu Ehren ein prächtiges Ballfest im dortigen Rathhause gegeben. Zu diesem wur- den auch Quitzow*8 Freunde und Genossen eingeladen. Große Schmausereien wurden veranstaltet und »dabei viel köstlicher Wein getrunken« , wie es nach dem »Deutschen Adelsblatt« in dem alten Berichte heißt. Bis zum Morgen tanz- ten die Herren mit den schönen Damen und »wurden dann mit Laternen, Fackeln, Gesängen und andern Freudenspielen in ihre Herbergen geleitet«. Wie tanzlustig die Herrschaften auf diesem Ballfeste waren, dafür spricht der alte Bericht, der die Tanzarten schildert, die damals Mode waren. Da gab es einen »Zwölfmonatstanz«, bei welchem die Paare durch verschiedene Bewegungen das Ab- und Zunehmen des Mondes und das Kommen und Schwinden der Jahres- zeiten symbolisch ausdrückten. Sehr beliebt war auch der »Todtentanz«, wobei ein Tänzer niederfiel und den Todten spielte , während er von allen Damen im Yorbeischreiten geküsst wurde. Zuweilen übernahm auch eine Jungfrau die Stelle des Verstorbenen und ließ sich zur Abwechslung von den Herren küssen. Der polnische Tanz bestand nach dieser Beschreibung »in großen Reverenzen, lieb- lichem Neigen des Kopfes mit Kippen und Wippen des Leibes«, während der Schmoller das Schmollen und die Versöhnung der Verliebten darstellte. Das Zäunen (vergl. »der Zäuner« S. 55) scheint Ähnlichkeit mit unserer bereits ver- alteten Ecossaise gehabt zu haben und der Drehtanz scheint unser Walzer mit entsprechenden Modificationen gewesen zu sein.« [Leipziger Tageblatt, 22. März 1886.] Hier sind die Modetänze von 1406 genannt und offenbar aus derselben Quelle, welche 1830 unserem Gewährsmanne für die Beschreibung derselben (s. S. 60) vorlag. Aus gleicher Chronik wieder fließt auch der folgende Zeitungsartikel: Digitized by Google 323 »Bine Hoebseit in Berlin vor 500 Jahren war wesentlich verschieden von denen der heutigen Zeit. Belehrt werden wir darüber aus einer alten in Schweins- leder gebundenen Chronik, deren vergilbte Blätter uns erzählen, »wie auf der Hochzeit des Ritters Dietrich v. Quitzow mit Fräulein Elisabeth, Tochter des Herrn Apitz Schenk von Landsberg, im Jahre 1393 zu Köln an der Spree gegessen, ge- trunken und getanzt wurde«. Während man bei unseren heutigen Hochzeitsmahlen mit Vorliebe »bunte Reihe« macht, waren »die Tafeln der Jungfrauen und Männer« streng von einander geschieden. Aber beide waren, der Sitte jener Zeit ent- sprechend , reich besetzt. In der Mitte waren mehrere ungewöhnlich große Käse zur Zierde aufgestellt, und zwar so, dass zwei stets den dritten trugen. Das Mahl fing mit großen Näpfen voll Biersuppe an, bei der Pfeffer und Ingwer nicht gespart war. Hierauf kam Hirse mit Würsten, ersterer mit Safran schön gelb gekocht. Daiin trug man Qrünkohl mit Hammelköpfen auf und hierauf Kalbfleisch, ebenfalls mit Safran schön gelb gekocht und stark mit Pfeffer gewürzt. Rehbraten mit vie- lem Knoblauch und Zwiebeln und Wildschweinsbraten schlössen sich an, und den Beschluss machte Thomer Pfefferkuchen. Beim zweiten Mahle trug man Brod auf, das mit Kümmel und Fenchel versetzt war, und dazu gab es einen Hirsebrei im Sack gekocht. Dieser wurde in einem Topfe auf den Tisch gebracht , um welchen wiederum ein Sack vielfach herumgelegt war , wie man jetzt wohl Servietten um Mehlspeisen legt. Es war ein Lieblingsgericht der damaligen Zeit und wurde in der Regel mit einer Tunke genossen , zu welcher sich wohl noch eine Beikost : Heringe , Schinkenschnitte , je nach dem Geschmack der Gäste , gesellte. Dann folgten Fische »auf ungarisch« gesotten ; hierauf Wildpret und Spanferkel in Teig gebacken und endlich Mandelmus mit vier Farben. Ließ man es, wie aus dem Mitgetheilten zur Genüge hervorgeht , an den nöthigen , culinarischen Genüssen durchaus nicht fehlen, so wurde doch auch für einen guten »Umtrunk« nach Kräften Sorge getragen, Kräuterbiere und Meth fanden besonders viel Liebhaber, nicht minder ein süßer Wein » Ypocras« genannt , dem seiner Zusammensetzung nach unser Glühwein gleichkommen dürfte. Dann gab es Bemauer und Gardelegener Bier und ebenso Zerbster Bitterbier. Getrunken wurde aus steinernen Krügen, die mit Silber beschlagen waren , aus Kannen und Trinkhömem. Auch Kyritzer Bier wurde aufgetragen, obwohl dieses seiner berauschenden Eigenschaft und der bösen Wirkungen wegen , »dass man leicht ausartete«, »Mord- und Todtschlag« genannt war. — Nach den Tafelfreuden wurde nach dem Klange der Cimbeln, Schalmeien, Zinken und Trompeten getanzt . Sehr beliebt war der Zwölfmannentanz (rich- tiger Zwölfmanentanz d. i. Zwölfmonatstanz) , bei dem, wie es scheint, viel in die Hände geklatscht und auf den Fußboden gestampft wurde und der stets mit einem allgemeinen Jubelgeschrei endete. Der Todtentanz, so schaurig sein Titel klingt, war gleichfalls durchaus amüsant. Einer der Tänzer hat sich todt zu stellen und sich, allerdings ohne eine Miene dabei verziehen zu dürfen, von allen Tänzerinnen küssen zu lassen . DerCapriolentanz erforderte anscheinend viel Ge- lenkigkeit. Man sprang hoch und niedrig, kreuz und quer und es gab dabei Ver- anlassung zu allerlei »unartigen« Gebärden. Den Beschluss machte gewöhnlich der Schmoller. Die tanzenden Paare kehrten sich hierbei in scheinbarem Unwillen den Rücken zu und versöhnten sich dann zuletzt.« [Didaskalia 1882, Nr. 228.] Zu S . 1 3 2 : Die M o r e s c a wurde 1838 dem Könige Friedrich August von Sachsen auf einer Reise in Dalmatien (Spalato und Curzola) vorgetanzt. »Der Tanz wurde auf einem mit Erde überschütteten kreisrunden Holzfußboden, unter sehr eintöniger 21* Digitized by Google 324 Musikbegleitung, von 1 — 12 Paar Männern gehalten. Die Tänzer waren in römischem Kostüm, die eine Partei weiß, die andere schwan gekleidet, jede mit eigener Fahne. Die Tänzer führten in beiden Händen kurze , zweischneidige Schwerter mit abge- rundeter Spitze. Der Tanz begann mit gegenseitig drohenden, herausfordernden Gebärden. Dann begann ein nach dem Takte der Musik geregeltes Fechten und Anschlagen der Klingen , dass die Funken stoben , unter fortwährendem Hüpfen und Tanzen. Endlich unterlag die schwarze Partei, der Führer derselben kniete zu Füßen des weißen Anführers nieder, der sein Schwert über sein Haupt hielt und einige Worte der Geringschätzung und Verachtung aussprach.« [Biaso- letto, Reise S. M. des KOnigs von Sachsen 35.] Über die Beliebtheit des Tanzliedes »der Schäfer von der neuen Stadtt [MB. 12] findet sich eine Notiz in den »Epistolae obscurorum virorumf 1515, heraus- gegeben am besten von Böcking als Supplementband seiner Hütten- Ausgabe. Da heißt es im 33. Briefe des I.Buches: »Nuper chorisavi cum ea ter in chorea serotinali in domo sculteti: tunc fistulator fistulavit cantilenam de pastore de nova civitate et statim omnes chorisatores amplexabantur suas virgines sicut mos est. Et ego etiam meam valde amicabiliter compressi ad pectus meum necnon tetigifor- titer manus eius.« [^Neulich habe ich bei dem Abendtanze im Hause des Schult- heißen mit ihr dreimal Chorreigen getanzt ; da blies der Pfeifer die Weise vom Schäfer von der neuen Stadt und sogleich fassten alle Tänzer ihre Mädchen an, wie es gebräuchlich ist. Und auch ich drückte die meinige sehr innig an meine Brust und fasste sie muthig bei den Händen.«] Digitized by Google Quellen und Litteratur. 1. Bficher and Zeitschriften für Knltar- and Litteratargeschichte. Altdeutsche BUtter. Herausg. v. Moris Haupt u. H. Hofimann. I. 1835. BaTaria. Landes- u. Yolkskunde des Königreichs Bayern. München 1860 — 1867. 5 Theile in 10 Bdn. Ba3nreuther Archiv I, 89: Abhdlg. v. Scherber, Über Tanswesen der altern Zeit. Bergmann, J. O., Schlesische Modet&nie im Jahr 1406. Aufsats in der t. L. v. Ledebur herausg. »Allgemeinen Geschichtskunde des Freuß. Staates«. Berlin 1830. Binterim, A. J., Denkwürdigkeiten der kathol. Kirche. Mains 1826. Bragur. Ein litter. Magazin der deutschen u. nordischen Yoneit Herausg. Dr. F. D. Oräter. 7 Bde. 1791—1802. Brant, Seb., Das Narrenschiff. Basel 1494. Neu herausg. ▼. Fr. Zamcke. Lpi. 1854. Brömel, H., Festt&nse der ersten Christen. Jena 1705. Büsching, J. G.*, Lieben, Lust und Leben der Deutschen im 16. Jahrh. in den Begeben- heiten des schles. Bitters Hans v. Schweinichen , yon ihm selbst aufgesetst. Bres- lau 1820. Ritteneit u BiUerwesen. 2 Bde. Lpi. 1823. Calyör, Caspar, Das alte heidnische u. chnstl. Niedersachsen. Goslar 1714. Chroniken — zahlreiche wurden durchsucht, die ich aber nicht aufsählen will. Für meinen Zweck ergiebig waren besonders die Limpurger, die Straßburger (Closener) u. die ditmarsische yon Neooorus. Falke, Joh., Die ritterl. Gesellschaft im Zeitalter des Frauencultus. Berlin 1862. Falkenstein, J. H., Nordgauische Alterthümer und Merkwürdigkeiten im Burggraf en- thum Nürnberg. 2 Theile. Schwabach 1735. 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Minnesingern (nacb der Maiiesse'scben Hscbr.), beraus- geg. V. Bodmer. Züricb 1758—59. 2 Bde. MSFr. s= Minnesinger-FiObling. Ausirabl ▼. Benecke. Bartscb, Liederdichter des 12.— 14. Jabrbunderts. AuswabL Lpi. 1864. b) Einieldicbtungen, wobei die neuesten kritiscben Ausgaben benutzt wurden. Mone, F. J., Zeitschrift f. die Gescb. des Oberrheins. (18 Jahrgänge.) Moscherosch, J.M., Wunderliche u. warhaftige Gesichte Philanders von Sittewald. Frankf. a/M. 1644. Straßb. 1645. 1650. Moser, F. C. v., Deutoches Hofrecht Lpz. u. Frankf. a/M. 1754. MüllenhofT, K., De antiquissima Germanorum poesi chorica. Kiel 1847. Über den Schwertertanz. Abh. in Festgabe an G. Homeyer. Berlin 1871. Müller, Joh., ZOnfte u. Geschlechter im 14. Jahrb. -(s. Ztschr. für Kulturgesch.). Nork (Prof. F. Korn), Festkalender. Stuttg. 1847. (7. Bd. von Scheible's Kloster.) Mythologie der Volkssajjen. Stuttg. 1847. (9. Bd. von Scheible's Kloster.) Thomas u. Felix Platter. Ein Beitrag zur Sittengesch. des 16. Jh. Herausg. v. Dr. D. A. Fechter. Basel 1840. — Herausg. v. Heinrich Boos. Lpz. 1878. Polizeiordnungen (Nürnberger) des 16. u. 17. Jahrb. Herausg. v. Baader. Stuttg. 1861, Praetorius, J., Blocksbergs Verrichtungen. Lpz. 1618. Quellen u. Forschungen zur Gesch. der Literatur u. Sprache. Herausg. v. Mone. Lpz. 1830. Quellen u. Forschungen zur Sprach- u. Gulturgeschicbte. Herausg. W. Scherer u. B. Ten Brink. Straßb. 1874. Reimann, F. A., Deutsche Volksfeste im 19. Jahih. Weimar 1839. Ring des Heinrich Wittenweiler. Ged. des 15. Jh. Hrsggb. v. Bechstein. Stuttg. 1851. Rocnholz, E. L., Alemannisches Kinderlied u. Kinderspiel. Lpz. 1857. Rudlieb. Lat. Ged. des 10. Jh. (Fragm.). Abdr. bei Grimm u. Schmeller, Lat. Ge- dichte des IX. u. X. Jh. Rüxner, G., Thumierbuch. Frankf. a/M. 1530. Fol. Scheffel, Victor v., Frau Aventiure. (13. Aufl.) Stuttg. 1884. Scheible, J., Die gute alte Zeit. StuUg. 1847. (6. Bd. vom Kloster.) Das Schaltjahr (sittengeschichtl. Sammelwerk v. 5 Bdn.). Stuttgart, Scheibles Verl 1848— 4ä. Schlossar, Dr. Anton, Österreichische Gultur- u. Literaturbilder. Wien 1879. [Darin eine Abh. »Der Schwertertanz in Steiermark«.] Schmeller, Bayerisches Wörterbuch. Stuttg. 4 Bde. .. (1. Aufl.) Schuegraf (k. bavr. Oberleutnant in Regensburg), Über das Tanzen der Deutschen überhaupt, insoes. über vielerlei Arten ihrer Tänze. [Abhdlg. in der Zeitschr. f. d. Kulturgesch. I. Nümb. 1856.] Schultz, Alwin, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger. I. Bd. Leipzig 1879. n. 1880. Schweinichen, Ritter Hans v., sein Leben beschrieben v. Büsching (s. oben). Siebenkees, J. Gh. (Prof. in Altdorf), Materialien zur Nümbergischen Geschichte. 3 Bde. Nümb. 1792—94. Simplicissimus , der abenteuerliche, v. H. J. v. Grimmelshausen. 1671. Neue Ausg. V. A. V. Keller. Stuttg. 1854. Simrock, K., Handb. der deutschen Mythologie. Bonn 1869. Sitten, Gebräuche u. Narrheiten alter u. neuer Zeit. (Matzdorf.) Berlin 1806. Spangenberg, Cyr., Der Adelsspiegel. Schmalkalden 1591. Stetten, P. v., Geschichte der Reichsstadt Augsburg. 1765. Uhland, L., Schriften zur Gesch. der Dichtung u. Sage. IH. Bd. Stuttg. 1866. Vulpius, Curiositäten. 12 Bde. Weimar 1811—25. Die Vorzeit, ein Journal für Geschichte, Dichtung, Kunst u. Literatur des Mittelalters. 4 Bde. Erfurt 1817—21. Wackemaffel, W., Altfranz. Lieder u. Leiche. Basel 1846. Gescn. der deutschen Litteratur. Basel 1848—54. Digitized by Google 327 Weddigen, P. F., Neues WestfäL Magasin I. Bückeburg 1789. Weidmann, M. O., Sächsische Merkwürdigkeiten. Lpz. 1724. Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter. 2 Bde. 2. Aufl. 1881. Weise, Christian, Die drei ärgsten £»narren. Lpi. 1679. Neue Ausg. durch W. Braune. HaUe 1878. Wicke, Versuch einer Monographie des Veitstanzes. Lps. 1844. Will, Gesch. des NOmb. Schönbartlaufens 1761. Dessen Schönbartbuch u. Gesellen- stechen. 1761. Wolf, Ferd., Über Lais, Sequenzen u. Leiche. Heidelb. 1840. Wolf, Fr., Beiträge zur Mythologie. Göttingen 1852—57. Zeitechrift f. Mythol. 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(Pfr. zu Olaucha, Vorstadt von Halle) , Grund- und ausführliche Erklärung der Frage »Was von dem Weltüblichen Tantzen zu halten?« Halle 1697. Geiler von faisersberg, Predigten. Augsb. 1505. Predigten über Brants Narrenschiff. Straßb. 1520. [Aus dem Latein übers, v. N. Hornig. Basel 1574.] Grüner, Caspar, Ein Rathschlag wider die gotloscn Tentz. 1525. Hartmann, J. L., Der Tanzteuffel. 1677. Kellerer, J. W., von Zinnendorf, Der Tanzgreuel. 1716. Narrenkurzweil d. i. Greuel des Tantzens, aus vielen bewährten Geschichten bewiesen u. zur Warnung der Welt-Narren, die das Tantzen lieben, vorgestellt. 2. Aufl. Augsb. u. Insprugg 1734. Seidel, Gh. M. (Pfr. zu Wolkenburg), Christliches u. erbauliches Gespräch vom Zechen, Schweden, Spielen u. Tanzen. Halle 1698. Spangenberg, Cyriacus, Ehespiegel oder LXX Brautpredigten. Straßb. 1578 (1. Aufl. 1570). 3. Allgemeine Geschichte des Tanzes. a) Französische Bücher. Baron, A., I^ttres et Entretiens sur la Danse ancienne et moderne, religieuse, civile et th^&trale. Paris 1824. Bonnet, Histoire de la danse sacr^e et profane. Paris 1723. Cahusac (M. de), La Danse ancienne et moderne ou Trait6 historique de la Danse. Tome I— in. La Haye 1754. Castil-Blaze, La Danse et les Ballets depuis Bacchus jusqu'ä M«ii« Taglioni. Paris 1832. Fertiault, F., Histoire anecdotique et pittoresque de la Danse chez les Peuples anciens et modernes. Paris 1854. b) Deutsche Bücher. Czerwinski, Alb., Geschichte der Tanzkunst bei den cultivirten Völkern von den ersten Anfängen bis auf die gegenwärtige Zeit. Lpz. 1862. [Umgearbeitet mit dem Titel: Tanzbrevicr. 1879.] Schubert, F. L., Die Tanzmusik in ihrer histor. Entwickelung. (Mit Musikbeilagen. Lpz. 1867. Voss, Rudolf, Der Tanz und seine Geschichte. Berlin 1869. (Erfurt 1881.) Digitized by Google 328 4. Lehrbücher der Tanzknnst. a) Italienische. CaroBo (Fabritio, da Sermoneta), U Ballaiino. Venesia 1581. [Ein Exempl. auf K. Bibl. München, und eins auf der Univ.-Bibl. Prag.] Negri (Gesare, detto il Trombone), Nuove inventioni di balli. Müano 1604. Fol. 296 S. (Wiener Hof bibl.) [Beide seltene Werke enthalten zahbeiche Tanzmelodien mit Lautenbegleitung. Proben daraus in Ambros, Bunte Bl&tter 1872.] b) Französische. Tabourot, Jean, Orch^sographie , traitd en forme de dialogue, per lequel toutes per- sonnes peuvent facilement apprendre et praetiquer Thonnite ezereise des Dauses [par Thoinot Arbeau].i Langres 1588. 2. Aufl. mit yer&ndertem Titel 1596. (ExempL V. 1588 in Wien.) Feuillet, Ghor^graphie , ou Vart d'6crire la danse par caract^res, figures et signes d6- monstratifs. 1701. [Deutsch in Taubert's Tanzmeister 1717.] Gompan, Dictionnaire de Danse, contenant l'histoire, les rögles et les principes de cet Art. Paris 1787. Blasis, Gh., Trait6 6l6mentaire, th^rique et pratique de TArt de la Danse. Milan 1820. Qourdoux-Dauz, J. H., De TArt de la Danse. Paris 1823. Gourdouz (fils), Description des Figures les plus usit^es de la Gontredanse franfaise. Paris 1828. GeUarius, La Danse des Salons. Paris 1847. 100 Pariser Gotillontouren. 3. Aufl. Lpz. 1855. Saint-L6on, Arthur, St^no-Ghor^graphie ou art d'6crire promptement la Danse. Paris 1852. c) Englische. Ball Room annual. London, H. G. Glarke & Go. Guide to the Ball Room and illustrated Polka Lesson Book. London, G. Mitchell. The Dancing- Master or direction for dancing Gountry-dances, with the Times te each Dance for the Treble Violin. 7. Edit. London 1686 [zwischen 1650—1731 viel- mals gedruckt]. Tomlinson (Kellom), The Art of dancing. London 1724. Weaver, John, Lcfon sur Tart de la Danse avec trait^ de FAction et du Geste. [Aus dem Engl] d) Deutsche Tanzlehrbücher und Übersetzungen. Bonin, Neueste Art der galanten u. theatralischen Tanzkunst. 1712. Taubert, Gottfried [geb. zu Konneburjg um 1680, um 1700 Student, 1710 Tanzlehrer in Leipzig], Rechtschaffener Tantzmeister, oder gründliche Erklärung der frantzösischen Tantzkunst, bestehend in 3 Büchern, deren das Erst (historice) des Tantzens Ur- sprung, Fortgang, Verbesserung, unterschiedlicher Gebrauch, Zulftssigkeit , yielfiü- tigen Nutzen .... untersuchet. Das Andere (methodice) des so wol galanten als theatralischen französischen Tantz-Ezercitii Grundsätze Ethice, Theoretice und Practice deutlich zeiget. Leipzig 1717. 1176 Seiten 4^. Trichter, Val., Guriöses Reit- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lezikon. Lpz. 1742. Lang, Karl G., Anfangsgründe zur Tanzkunst. 1751. Ghoreographische Vorstellungen der engl. u. franz. Figuren in Gontretfinzen. 1763. Hinsei, Ghr., Anweisung zur äußerlichen Moral oder Tanzkunst. Lpz. 1755. Feldtstein, G. F., Die ^unst nach der Ghoreographie zu tanzen u. Tänze zu schreiben. Braunschweig 1767. Erweiterung der Kunst, nach der Ghoreographie zu tanzen u. Tänze zu erfinden. Braunschweig 1776. [Mit Kupfern, nebst 24 engl. Tänzen u. 6 Gotillons.] Schultz, Barth. F., Anweisung zum guten regelmäßigen Tanzen, nebst 12 neuen engl. Tänzen. Hamb. 1783. 1 Von diesem kostbaren und ältesten im Druck erschienenen franz. Tanzlehrbucbe hat A. Gzerwinski eine deutsche Übersetzung auf eigne Kosten veranstaltet: »Die Tänze des 16. Jahrhunderts und die franz. Tanzschule. Nach J. Tabourot's Orch^sographie.« Danzig 1878. — Thoinot Arbeau ist Pseudonym und Anaan'amm aus dem wahren Namen Jehan Tabourot. Er war geb. 1519 zu Dijon, in seiner Jugend geschickter Tänzer und seit 1571 Domherr in Langres. Digitized by Google 329 Qmttieit O., Die Tanskunst, nebet TollBt. Choregnphie der ComplementseteUungen u. Tanifiguren. Speier (o. J. Ende des 18. Jh.). Petersen, Th. Fri., Praktische vollst. Einleitung: in die Choregraphie oder Tansieieh- nunffskunst, nach dem frs. Original. Schleswig 1791. Link, G., Vollkommene Tanischule aller T&nie. Breslau 1796. [Martinet] Anfangsgründe der Tanskunst, aus dem Fransösisohen des Martinet. Lps. 1798 (Leupold). Andere Übersetsung Lps. bei Henog o. J. Mftdel, F. C, Anfangsgründe der Tanikunst. Lpz. 1801. Schönewald, A., Grundregehi d. Tanzkunst Freiburg, Herder 1813. Lepitre, J. Chr. L., L'art de la danse — oder aUgem. fassliches Taschenlehrbuch. Frankf. a/M. 1820. Förster, C. F. J., Anweisung sur Tanzkunst Proskau 1822. Tanzlehrer. Lpz. 1829. Ecossaisen-Lehrer. L^z. 1831. Casorti, Louis, Der instructiTe Tanzmeister, ümenau 1826. Engelmann, C. Fr., Taschenbuch der Tanzkunst oder gründl. Anweisung in den be- liebtesten T&nzen. Darmstadt 1823. Die Kunst zu Walzen. Nordhausen 1824. Helmke, £. D., Neue Tanz- u- Bildun^sschule. Bresl. 1828. Die Kunst, sich durch Selbstunterricht in kurser Zeit zum feinen Weltmann u. sehr geschickten T&nzer zu bilden. BresL 1831. Almanach der neuesten Pariser Modetänze für 1830. Naumburg 1831. Quedlin- burg 1832—33. Merseburg. Tanzscnule, Neue vollständige, für die elegante Welt. Ilmenau, Vogt 1830. Franken, M. Jos.. Die Galoppade, wie sie getanzt werden soll, Anweisung zum Selbst- unterricht in diesem LieDungstonze. Köln 1829. Krüger, A., Die allgem. beliebtesten Contretanz-Touren. Berlin 1831. Roller, Frz. Anton, Systematisches Lehrbuch der bildenden Tanzkunst Weimar, Vogt. 1843. Eichler, Ed., Die Quadrille Stirienne (Steirischer Nationaltanz) [mitEinl. v. Dr. Wiest]. Wien 1846. Dürrholz, J. C, Prakt. Leitfaden für Tänzer u. Tänzerinnen, nebst Choreographie der neuesten Contretänze, Polonaisen, Cotillontouren. Berleburg 1855. Hentach, Th., Allgem. Tanzkunst. Stralsund 1855. Jacoues, Jean, Der Tanzmeister in der Westentasche. Hamb. 1852. 1857. Freising, A., Neuestes Tanz- u. Ball-Album. Berlin 1857. 1859. Klemm, Bemh., Katechismus der Tanzkunst. 1863. 4. Aufl. 1882. 5. Einige Sammlangen von Sagen and Yolksgebr&achen, darin alte Tanz- gebräache und Tanzreime vorkommen.^ Orimm, Gebrüder, Deutoche Sagen. 2 Bde. Berlin 1816—18. Neue Aufl. 1865. Kuhn, Adelb., Westfälische Sagen u. Gebräuche. Lpz. 1859. u. Sohwartz, Norddeutsche Sagen. Lpz. 1848. Meier, E., Deutsche Sagen, Sitten u. Gebräuehe in Schwaben. Stuttg. 1842. Müllenhoff, K., Sagen, Märehen u. Lieder aus Schleswig-Holstein. Kiel 1845. Panzer, Fr., Bayrische Sagen u. Bräuche. 2 Bde. München 1848 u. 1855. Pröhle, H., Harzsagen. Lpz. 1854. 6. Yolksliedersammlnngen, darin Tanzlieder yorkommen. Altdeutsches Liederbuch v. F. M. Böhme. Lpz. 1877. Ditfurth, F. W. v.. Fränkische Volkslieder. Lpz. 1855. Dunger, H., Rundas und Reimsprüche aus dem Vogtlande. Plauen 1876. Erk, Ludw., Deutscher Liederhort Berlin 1856. Hoffinann u. E. Richter, Schlesische Volkslieder. Lpz. 1842. 1 Die Litteratur der Sagen und Bräuche aus allen Gegenden Deutschlands ist so angewachsen, dass die Büchertitel schon über einen Bogen füllen würden. Ein von mir angefertigtes Verzeichnis ztiilt 240 solcher Werke, die alle seit Grimm (1816 — 1884) erschienen sind. Ich habe hier nur die wichtigsten angeführt, darin ich Einiges über Tanz fand. Digitized by Google 330 KretMehmer, A., u. W. y. Zuocalmaglio, Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen. Berlin 1840. 2 Bde. [Ein sehr unzuverlässiges und geradezu lügenhaftes Buch» das schon viel Verwirrung angerichtet hat, und nur mit Vorsicht su gebrauchen ist.] Niederdeutsches Liederbuch. Hamburg u. Leipiig, Verl. y. Leop. Voss. 1S84. SchoUky, Jul. M., Österreichische Volkslieder. Pest 1844. Silcher, Fr., Deutsche Volkslieder f. M&nnerstimmen. 12 Hefte. Tübingen (1827 — 10). Simrock, K., Deutsche Volkslieder. Frankf. a/M. 1851. Spann, A. v., Österreichische Volksweisen. Wien 1845 (1882). Unland, L., Alte hoch- u. niederdeutsche Volkslieder. Stuttg. 1844. 7. Quellen für die Mnsik. (Summarische Übersicht.) 1. Handschriftliche Liederbücher mit Musiknoten yom 13. — 16. Jh. 2. Gedruckte Liederbücher mit Musiknoten aus dem 16. Jh. 3. Tabulaturen für Laute und Gither 16.^17. Jh. 4. Tabulaturbücher für Klavier und Orgel. 16.— 17. Jh. 5. Die drei ältesten, auf S. 328 zuerst angeführten Tanzlehrbücher mit Notenproben. 6. Stimmbücher mit Instrumentalstücken (meist Tänzen) für 4 — 6 Streich- oder Blas- instrumente. Anf. des 17. Jh. 7. Werke für Listrumentalmusik (insbes. Suiten) im 18. Jh. 8. Dramatische Musikwerke (Opern, Ballete, Operetten) des 17. und 18. Jh. 9. Gedruckte Tanzmusik fQr Orchester (in Stimmen) von und seit Mozart. 10. Klavierauszüge von Tänzen (Klaviertänze). 11. Geschriebene Notenbücher mit Tänzen su Anf. des 19. Jahrh. von Thüringer Dorf- musikern (unfern Erfurt). 12. Tanzmusikbücher von ausübenden Musikern in und um Berlin, zu Ende des 18. und Anf. des 19. Jh. zum Bedarf zusammengeschrieben. Im Besitz des Herrn Hoftanz- lehrers Rud. Voss. Aus dieser Sammlung märkischer Tänze hat genannter Herr für mich Abschriften gemacht, für welche Liebenswürdigkeit ich an diesem Orte zu danken nicht unterlassen kann. Es sind folgende Nummern meiner Musikbeilagen, die Herr Voss mir gütigst mitgetheilt hat: Nr. 245. 254. 260. 261b. 273. 279. 282. 283. 299—305. 316. 317. 345. 352. 353. Bei Beschreibung älterer Tänze nach ihrer Musik unterstützten mich mit historischen Notizen folgende Bücher: Tabourot, Orch^sonaphie. 1588 (s. oben S. 328). Praetorius, Mich., Terpsichore. 1612. Syntagma musicum. IH. Th. Wolfenb. 1619. Brossard, Dictionnaire de Musique. Paris 1703. Walther, Joh.. Musikal. Lexikon. Lpz. 1732. Mattheson, Joh., Vollkommener Kapellmeister. Hamburg 1739. Koch, J. Chr., MusikaL Lexikon 1802. Neubearbeitung durch A. v. Dommer. Heidelb. 1865. Hawkins, John, A General History of Music. London 1776. 4 Quartbde. (La Borde] Essai sur la musiaue ancienne et moderne. Paris 1780. 4 Quartbände. Mersenne, Harmonie universelle. Paris 1636 — 37. (Darin viele alte Musikstücke.) Coussemaker, Ed. de, Histoire de IHiarmonie au moyen-äge. Paris 1852. Cäcilia. Musikal. Ztschr. 27. Bd. S. 224 fr. Allgem. Musikal. Zeitung. Leipzig. Jahrg. VH! (1806) u. XU (1810, S. 577). Grove, Dictionary of music. London 1885. (Erst 3 Bde. A— S erschienen.) -HK- Digitized by Google Begister. Abendt&nxe 52. 53. 75. 81. 106. 107 f. 114. 115. 118.321. Abstoßer (Schleifer) 198. Achselrotten 36. 321. Achter 227. Achtert&ni, der große 66. 188. Adelstanz 75 ff. Air Louis Xin. 130. Alamode-Tanx 143. Albleich 12. Alexander, Leich vom wilden, 249. Allemandel22ff. 218. AUemant d'amour 49. Almenkirta 189. Almanache mit Tfinzen 266. Altenburger Bauemtani 206. Anglaise 225. 226. 145. Ansinglieder 293. Arat-Tani 195. Auf und ab 189. Aufschwingen der Tänzerin 190. 202. des Tftnzers 171 . (s. Unsitten.) Aufwftrtertanz 1 19. Aus der Hand tanzen 195. Auskehr s. Kehraus. Ausländische Tftnze 120 ff. 30 ff. 80. 142 ff. 258 ff. Austanzen der Mädchen 188. Bach, Seb. 263. 214. Bairisch (bair. Ländler) 188. Bairische Polka 222. Bairische Volkstänze 187 ff. BaUade 4. 232. Ballspiel beim Tanz 229. 26. 95. 164. 181 f. Barbiertanz 209. Bauemball, imitirt 317. Bauemschwanz 248. Bauemtänze s. Volkstänze. zur Minnesingerzeit 34 ff. im 14. bis 16. Jahrh. 49 ff. 62. 89. 103. Bayerisch s. Bairisch. Becher 182. s. Trinkgeschirr. Bediententanz 119. vgl. 207. Beethoyen 265 f. 215. 263. Begräbnistänze 10. Benzenauer 59. 232. 252. 257. Bergamasca 125. Bergreihen 244. Berliner BaUfest (1404) 322 f. Betteltanz 187. 58. Betüertenz 57. 116. 103. 257. Bierfiedler 264. Biparentanz 51. 49. 83. Birkentanz 155. Bittschnitter 167. Blauer Fingerhut 300. Blon-Tanz 202. s. Plantanz. Blotz- 8. Platz-. Blotzburschen 198. Blotzjungfem 175. 177. Blotzknechte 177. Blotzmeister 198. Bockshammerscher 194. Bockstanz 257. Bojarisch 194. Bonifacius 17. Bourr^e 125. 141. 145. Branle 125. 141. vgl. 25. 145. Braut austanzen 207. Braut und Bräutigam mit Musik und Tanz zu Bett bringen 108. 73. vgL 186. 200. Bräutigamstanz 80. Brautkranz austanzen 78. 185. vgl. 191. Brauütanz 200. Braut- und Bräutigamsspiel 309. Brautotehlen 192. 182. Brauttanz 191. Brautwerbung, Kinderreigen 309. Brück 196. Brackenspiel 294. 305 f. Bruderschaft der Pfeifer 288. Brunnenfahrt 284. Bubentanz 83. 106. Buchsbaumlied 234. Bügeltanz (Reiftanz) 66. BOrgerlicher Tanz 106. 75. BOrgertänze 69 ff. 257. Burschentans 201. Bussl-Tans 58. Canarie 126. 131. Canthal, Aug. 274. Capriolen-Tanz 61. 323. 257. Digitized by Google 332 Caroles 25. 29. Chaeonne 127. Chamiertans 210. Ghiea, Negertanz 131. Chique 130. Chopin 277. Chor 15. 27. Chorea, in Kirchen verboten 17. Chorreigen (Choraula) 17. 26. 148. Chrifltenius 260. Ciacona 127. Coda 267. Contratanie 264 ff. Contredanse fran^aise 223. 145. Contretani 223 f. 150. Convenance 32. Cosa rara 2 17. Cotillon 225. 145. Country-dances 145. 223. 275. Courante (Corrente) 127. Cracovienne 212. Cramer, Joh. 260. Ciewner 8. Zäuner. Damen-Engagement 201 . Dauphin (Tani) 143. Demantius 259. 262. Deutsche, der 203. 218. 266. Deutscher Tanz (Walzer) 203. 195. 264. (Schleifer) 145. nicht Walzer 204. DiabeUi 266. 270. Dinzeltag 64. Ditmarsische T&nze 49 ff. 232. Doppelter 192 f. 202. Double 140. Dramba-slac 11. Dreher im raschen Vi Takt (Schreiter) 202. 204. im 2/4 Takt 192. im langsamen ^U Takt (Walzer) 21 6f. Drehtanz, alter 61. 322. Drei lederne StrQmpf 195. Drei Nationen 210. Dreifach, Dreifacher 192 f. Dreischlag (Drischlag) 194. Dreischrittr Walzer 188. 217. Dreißigjähriger Krieg, £influ8S auf den Tanz 142 f. Dreitourig210. Dresdner Todtentanz 46. Dri-schlag 194. Drisch- lag (Dreschertanz) 169. Drotter, Drötter, Trotter 54. Dummes Ding 210. Dur und Moll 247. 287. 291. Durrtanz (Durchtanzen) 120. 188. Echtemacher Springprocession 158. 163. 44. Ecossaise 225. 266. Ecossaise-Walzer 220. 226. Edelleute-Tanz 103. Ehestand aus- und eintanzen 191 . Ehrentanz, Ehrtanz 70. 80. 111. 175. 184. 191 f. Einfacher (mit Taktwechsel) 1921 Eintreten (Wechsel von Sohleifer und Dreher) 192. 194. Eiben- und Nixentänse 12. Engelland fahren 296. Engeltragen 188. Englische T&nze 145. 275. Entr^e 145. s. Intrade. Erntefest, altheidnisches 9. 177. christliches 168. Erntekranz 168. Erntetanz 167 ff. 195. Espringales 25. Fackeltanz 77. vgl 207. bei Turnieren 75 ff. bei Hochzeiten am Hofe 7 7 ff. 183. bei Hochzeiten der Patricier 72. bei Hochzeiten in Preußen 79 f. schwedischer und französischer 183. Fahnentanz 66. Fahrbach, Wilh. 274. Fahrende Spielleute, Schüler etc. 278 ff. Falda-feykir 11. F&röischer Tanz 13 f. 230 ff. 234. Faust, Karl 275. Fechttanz 180. Festtänze, altdeutsche 8. 293. der ersten Christen 1 5. im Mittelalter, bis zur Neuzeit erhal- ten 150 ff. Feuertanz 177. 22. 159. Feyerltanz 54. Fidelfumfei301. Firgamdray (firgamtiei) 32. Firlefanz 55. 32. 35. 36. Firlefei 35. 49. vgl. 32. Fischingertanz 195. Flachstanz 169. Fletztanz (Hausthürtanz) 192. Florieren 252. Fran9aise226f. Fran^oise (älterer Tanz) 222. 226. Franck, Melch. 260. Franken, Volkstänze in, 196 ff. Frauentanz 33. Freitänze 192. Frohnetänze 165 ff. Froschtanz 211. FrOhUnffStanz 151 ff. 23 ff 37. 321. Fuchsschwanz 248. 295. 297. Fulefranz (firlefanz) 36. Fürstentanz 75 ff. Fuß-ein-Tanz 203. eagliarda, Qaillarde, Oalliarde 128 f. 81. 145. 258 ff. Galopp 220 ff. Digitized by Google 333 Galoppade 220. Galopp-Walser 227. 206. Ga8senied241. 240. Gasaenhauer (Naohtani) 254. vgl 257. Gaasentans 67. Gftuerlen im Luiemerland 148. Gavotte 130. 80. Gebratensffeiger 283. Geigerkönig 289. Geistertanx 22. Geistliehen das Tauen verboten 100. 233. Geistliehe Lieder beim Tans 234. 253 f. Um- dichtungen weltL Lieder 234 ff. Geistliche Schauspiele 18. 45. Geistlieher Tanx 106. Geißlergesang erhalten 42. 44. Geißlertftnse 40-<44. Geißtans 129. Gerade Tänxe 194. Ges&nge, schftndliche beim Tans 102 f. 108 f. Schamperlieder geheißen 9(». Gesanfft&nse bei Hochseiten 79 f. Geschlechtertänse ^Patriciertans) 69ff. 49. 89. Gesellenstechen 69. Gesellentänse 6:t. Getretener Tans 30. 14. 50. Giga, Gigue 130. Gimpel-Gampel 36. Gofenans (Gonvenance) 32. Goldene Brücke 305. 294. Götsentans 106. Grad und Unmd 194. Graskönig (Maifesttans) 152. Gregorios Thaumaturgos 15. Greven» Chorreigen 149. Großer Tans 136. Großvatertans 184. 208. Gsftngle201. 202. Guldenmahl mit Tans 183. Gungl, Jos. 274. Gustav Adolf von Schweden 143. G)rrowets 267. Haartans 169. Hacken-Schottisch 220. Hafersehneiden (Kinderreigen) 308. Hahnentans 171 f. 53. 63. 202. vgl. 169. Haiden, Chr. 258. Halb-Bairisch 192. Halbdreher 204. HalUscher Stiefelknechts-Galoppwalser 206. Hammeltans 173. 195. Händel, G. F. 263. 214. Handschuhe beim Tans 88. Handwerkertftnse 63 ff. Hans Adam 205. Hansel (Unterrock) 202. Hansel und Gretel 176. 177. Harnisch, O. S. 260. Hase, Georg 258. Hasentans 211. Hassler, G. L. 259. Hauschild, der alte, 205. Hausleute 119. 290 f. Haußmann, YaL 258. 262. Hautitry 206. Hazenschlager 189 Haydn, Jos. 263. He^el, Hegelein (Tanscinlader) 113. 181. Heidentänser venrflnscht 19. 95. Heidnischer Tans su Fastnacht 74. Heierlei 35. Heigerleiß (Ringelreihen) 102. vgl. 35. Heimspielen der Braut 200. Heldenlieder beim Tans 230. 239. Herodias 99. 102. Herr Schmidt 206. Herraud-Bose-Sage 1 f. Hezentans 21. Himmelsthür (Kinderreigen) 307. Hirtentftnse su Jakobi 173. Historische Lieder beim Tans 230. Hochseitstänse 181 ff. im Mittelalter 181. 182. 183. 323. im Reformationsseitalter 104. 105. 1 1 7 f. an farstlichen Höfen 77 ff. 183. der Patricier im 16. Jahrh. 71 ff. bOreerliche im 18. Jahrh. 183. an der Ahr 185. in Oberbayem 191. 185. in Mittelfiranken 200. in Unterfranken 203. in der Mark 185. in Mecklenburg 206 f. in Preußen 77. 79f. in Schwaben 195. in Skandinavien 182 f. im Waadtland 148. Hofetans (hovetans) 29 ff. 257. Hoftfinse im 14.^16. Jh. 75 ff. 80. vgl. 49. Holda-Lieder 292. 293. 294. 304. 307. HoUi&ndisehe Mühle 209. Hols&pfeltans 172. Hopfenvopiel 190. Hoppaldei (HoppeldeiJ 35. Hoppelrei 35. Hoppeltans 254. 257. vgl. 252. Hoppen-Vogel 191. Hoppet-Vogel 190. Hoppich 191. Hops-Anfflaise 222. 226. Hops-WMser (Hopser, Schottisch) 220. 226. Horantslied (Hjeranda-hljod) 1 1. Hormos, altgriech. Tans 147. Hosen 89. vgl. 202. Hottostan 55. Houbet-sehotten 36. 321. Hringbrot 14. Huet-Tans (HirtenUns) 173. Hummel, J. Nep. 267. Hungertans 191. Hüpfel-Polka 222. Hüpfelrei 49. 35. Digitized by Google 334 Hupfer 202. Huppauf (Springtans) 254. 257. Hurentanz 106. 74. 83. Hut-Tanjs 170. 189. vgl. 172. Imperial 228. Intrade261f. Isländische Tänze als Vertreter der altgerman. Tanzart 14. Tanzlied (Brautkauf) 311. Jäger-Schottisch 222. Jakobitänze der Hirten 173. Jakobstanz (St. Jakob) 59. 252. 257. Jeffg, Jigl30. Jodeln 216. Johannes-Segen 183. Johannisbaum 303. Johannistänze 116. 158 ff. 298. 303. Johannistänzer 40. Judentanz 227. Juden-Tanz- und Spielhaus 82. Jutrebog 163. Käkentanz 207. 169. Kalamaika 228. Kälbertanz 210. Kasatscha, Tanz der Kleinrussen 321. Kathrein-Tanz 204. Kegel-Quadrille 227. Kehraus (Kehrab) 62. 184 f. Tgl. 78. Kehr-Reim (Kehnrers) 27. 229. 239. Kesslertanz 103. Kikebusch 210. Kinder-Reigen 292 ff. Kirchentänze 15^19. 148. ygl. 95. Kirch weihfrieden 198 f. 176. Kirchweihtänze s. Kirmestänze. Kirmesbegraben 177. Kirmesschutz s. Kirehweihfrieden. Kirmestänze 174 ff. 192 f. 197 f. 201 f. Kirta 187. 189. Kissentanz (Kisseletanz) 195. Klappentanz 210. Klaviertänze, älteste 252. 253. Klotztanz 182. 183. Knab, der schwarze, 56. 49. 252. 257. Kochelsberger Bauemtanz 257. Kolo (Chor-Reigen der Slawen) 58. 163. Komponisten von Tänzen 248 ff. 251 f. 258 ff. Königs Töchterlein (Kinderreigen) 303 f. Königs-Quadrille 227. Koome 9. 148. Kosciusko-Polonaise 215. Kotzentanz 74. 49. Krakoviak 212. Kranichschnabel 248. Kranz beim Tanz im MA. 38 f. 87. 98. 102. Kranz der Braut austanzen 78. 185. Kränzchen ist verloren 185. Kranzeljungfer 183. 185. 191. 192. Kränzeltnz 185. Kränzleintanz 52. 53. Kranzsingen 5201 114 f. 160 f. Kranztänze 63. vgl. 62. Kraut-Tanz 191. Krch, Anton, 268.^ Kreutzer, Konradin 215. Kronentanz 164. Krummer Reihe 36. Kuchenlaufen 176. Küchentanz 207 f. 73. Kufen, Tanzen um die, 1 1 7. Kuhreigen, Kuhreihen 244. Kahtanz (zu Pfingsten) 173. Kultus-Tänze: Tanz ums goldene Kalb 106. 99. 102. der von Mirjams Gefolge 105. 106. Opfertänze der Germanen 8. 168. 177. 293. Kirchentänze der ersten Christen 15 ff. Kunkeltanz 191. 195. Kuss beim Tanz zur guten Sitte gehörend 86. 84. 85. 102. 195. 322. 323. v^ 16. 58. 60. 73. 105. 108. 109. Kuss-Quadrille 227. Kylbenpfeifer 290. Labitzky, Jos. 274. Labtanz 120. s. Lobetanz. Lach-Quadrille 227. Lambertusfest-Tanz 165. Lancier 224. iJinderer 216. s. Ländler. Landestrauer 120. Ländler 215 f. 217. 242. 264 f. Langaus 228. 217. schwäbischer 187. 190. Lange Reihe 3. 295. Lang-Englisch 225. Langenberger Frohnetanz 166. Langer Tanz der Ditmarsen 50. 49. 83. Lanner, Jos. 273 f. Latementanz 66. Ijaubmännchen 152. Laubschnitterinnentanz 196. Laubtänze (Pfingsttänze) 155. Lauffertanz 257. Lausanner Chorrei^en 1 48. Lautenisten arrangiren Tänze 251. Lehensehwinken 165. Leich(Tanz mit Spiel und Gesang) 13. 236 ff. vgl. 5. 249. 283. Leinwebertanz 209. Leitstab 27. Liebeslieder beim Tanz 229. Liederbücher, alte handschriftl. 248f. ge- druckte des 16. Jahrh. 249. Linde 37. 82. 153. 177. 197. Liostanz 60. Lobetänze 59. 106. 116. 119. 120. Digitized by Google 335 Lothringer Tänse gerflhmt 30. Lott ist todt 205. Lotterpfaifen 280. Loure 131. Löweniahn 293. 298. Lügenlieder beim Tanz 234. Lumbye 275. Maceaber 45. Mfidohenlieder 26. 230. 293. (cantica puella- rum) verboten 17. 148. Mädchentani201. Madrigale 258. Mägdleinstani (Braattanz) 201. Maibaum (Maie) 152. 175. 177. 196 f. 201. 202. 298. Tgl. 303. Maientänze im MA. 23ff. 151 ff. 115. in Oberfranken 196. auch Pfin^flttftnze genannt, 8. d. Mailehen (Mailiene) 153. Maireigen 148. Mairöflleins Umzug 152. Maitanz (Kirmestanz) in Franken 201. Manchester 205. Mantel 80. 81.871 l]8f. Märkische Tänze 208 ff. 185. Maruskat 133. Maskeraden 68 f. 71. 74. 208. Maurischer Tanz 49. 74. 132. Mazurka (Mazurek) 223. 212. 277. Mecklenburg 209. Mecklenburgische Tänze 206. vgl 9. Menuet (Menuett» Minüetto) 131 ff. 263. 266. Metzgersprung in München 44. vgl. 64. Michelfest 177. Minnesinger 248. 279. Minnetrank als Eheschluss 182. Modest-Tanz (Veitstanz) 43. Mohrentanz (Moriskentanz , Morisque, Mo- risca, Moresca) 132 ff. 323 f. 49. 74. 252. 257. Möller, Joh. 260. Moresca 132. 323. s. Mohrentans. Mozart264. 215. 273. Mühle 208. Müllerin, die schöne 58. 257. Mummereien s. Maskeraden. Mürmum 36. Musard 275. Musette 134. Musikinstrumente zum Tanz : in höfischer Zeit 28 f. 47 f. 279. 285 f. im 16. Jahrh. 71. 72. 73. 75. 86. in der Neuzeit (bei Mozart u. Beetho- ven) 265. Mysterien 18. 45. Nachbarstanz (Nobersdans) 185. Nachtanz (Springtanz, Gegensatz zum Vor- tanz) 80. 85. 254 f. 117. 118. Na^elsohmied 189. 193. Neidhart, Minnesinger 248. Nesskuk, Kinderfest 9. Neu-Bairisch 190. Neujahrstanz auf Westerlandföhr 9. 148. Nicolaibrüder 288. Nineveh, Mann (Herr) aus, 309. 247. 294. Noppet (Dreher, «/4 Takt) 192. Nummer Drei 209. Oberbairische Tänze 187 ff. Oberfränkische Tänze 196 ff. Oberländler 216. s. Ländler. Oberpfälzer Bauemtänze mit Taktwechsel i92ff. Offener Tanz 194 f. offener Gassen tanz 67. Oginski 215. 266. Omquäd s. Kehrreim. Opemmelodien zu Tänzen benutzt 270. Opfertänze der Germanen 8. 168. 177. 293. Orchester 265. 291. vgl 240. Organisten setzen Orgeltänze 252 f. Osnabrück 228. Osterspiel mit Tanz 37. 294. Ostertanz der Sonne 210. Ostertänze 157. Osterthor 294. 305. Ostfriesischer Tanz 51. Paarentanz 51. 83. 144. 216. Paduane 134. 258. Pars prima, seeunda 254. Partie, Partita 263. 292. Passacaglia 136. Passemezzo 136. Passepied 137. Pater und Nonne 233. Patriciertänze 70 ff. 82. 83. 89. Pavane 134. 142. Pesttänze 43. Pfaffe spielt zum Tanz auf 282. vgl. 280. Pfauenschwanz 248. Pfeffermühle 209. Pfeifergericht 289. Pfeiferkönig 288. 289. Pfeifertage im Elsass 288 ff. Pferdeschädel als Musikinstrument 170. Pfingstquak im Elsass 155. Pfingstquaß 155. Pfingsttänze 154 f. vgl. 10. Pflugumzüge mit Tanz 9. PhiUdor, Sammlung 121. Philippinentanz 58. Plan- oder Platztanz 155. 175ff. 196ff. PlatUn 188. 190. Platzbursche, Platzjungfem 155. 175f. 197 ff. Platzmadl97f. Platzmeister 155. 175. 189. 197. Platzmeistertanz 80. 175. 202. Platztanz s. Plantanz. Digitized by Google 336 Poliseiverbote gegen das Tauen 112 ff. Polka 221 f. 220. Polka-Masurka 223. Polnisch (Mazurka) 150. Polnischer Tanx (alter) 61. 213. 258 f. 322. Polonaise (alla polacea) 211 ff. 266. Pomwitzel-Tani 178. Praetorius, Mich. 121. 261. Predii^n gegen Tani 93 ff. Preußisch (Galopp) 220. Prophetenkuchen 186. Proports (Proportio, Springtanz, Nachtanz) 254. Psalmweisen zum Tanz 253 f. <{uadrUle 227, 145. Qu. fran^aise 223. 271. Qu. k la cour 224. Quaß, Pfingstquaß 155, Bamm-slac 11. Rappoltstein (Pfeiferkönig) 288. Rathsellieder beim Tanz 53. 108. 234. Rattenschwanz 248. Redowa (Rejdovik) 228. vgl 33. 192. Refrain 27. 229. 230. 239. Regen- und Sonnenliedchen der Kinder 292. 296. Reie, Reigen, Reihen 24 ff. 33. 146 ff. Reift&nze64ff. 180. Reigen der Kinder 292 ff. Reigenlieder s. Tanzlieder. Reigen-Überreste bis in die Neuzeit 147 ff. Reinenaus (Kehraus) 62. Reihenlauf (Kinderreigen) 312. Reihentanz s. Reie. Reissiger, C. G. 266. Reiter (Hopser) 204. Reprinzen (= Double) 140. Retrowange 32. Reuter (Zweitritt) 204. RheinUnder-Polka 222. Rheinpfalz, Tftnze in der, 203. Ridewanz 32. Riedenburger 194. Riesentanz (tusseldanz) 12. ygL 11. Rigaudon 137. Rimpfenreie 36. Ringelreihen 3. im 9. Jahrh. 17. im 15. Jahrh. 102. der Kinder 293 ff. Ritterschlag 284. Rittertänze 29 ff. 320. Rivander, Paul 260. Rockentänze 116. Romanesca 138. 128. Rondeau 25. Rosenhut 164. 300. Rosenkronentanz 164. Rosth, Nie 258. Roth, Chr. 260. Rückebreih 2(i7. Rudlieb (sadd. Tanz darin beschrieben) 18. RageUeder 232. Rumpuff 206. Runda (im Vogtland) 240. Rundtänze 3. 216. Rutscher (Galopp) 220. (älterer Tanz) 204. 206. SaatrHahnen 169. Sächsischer (Schleifer) 198. ygl. 257. Sackmütze 205. Sagenhafte Tänze 12. 21. 22. SUtarello 129. 137. 254. Salzsiedertanz in Schwäbisch Hall 147. Sandmann 204 f. Sankt Miäha-Städala 16S. St. Nicolai-Bradersohaft 288. Sarabande 139. Sathan (Saathahn) 169. Sautanz 211. Schäfer, der von Neustadt 324. Sohäfertänse 174.102. Schäfertanz in der Mark 208. im MA. 103. Schäfflertanz (Böttoherfeat) 66. ygl. 44. Schamerthaler 194. Schamperlieder 96. 91. 94. Schapel (Kranz) 87. 99. Scharer (Schartanz) 56. 257. ygl. 49. 188. Schatz suchen (Kinderreigen) 301. Sohaukelwalzer 219. Schein, Henn. 259. Schembart-laufen 67 ff. Scherenschleifertanz 209. Scherzlieder 233. Scheuertanz (ScheunenUnz) 203. 37. 118. Schioketanz (Teufel) 93. 105. Schiedermeier 267. Schiffer-Holländisch 209 f. SchiffsumfÜhrung mit Tanz 8. Schirazula-Marazula 74. Schlange (Reihenlauf) 312. ygl. 306. Schleifer (Lingsamer Walzer) 145. 188. 192. 197. 198. 204. 217. Schleiftänze 145. Schlenkerer (Polka) 204. Schleppenkleider beim Tanz im MA. 87. Schmiede-Michel 208. Schminke 98. Schmoller 62. 322. 323. Schnadahapfl, Schnaderhapfl 239 ff. 256. Schneider, Fr. 267. Schnittertanz 167 ff. Schnittlag, Schnitthahn 169. Schöfferdantz (Schäfertanz) 102. Schön dör und stolt 206. Schönthun oder Chamiertanz 210. Schornsteinfeger 209. Schottisch 220. 222. 226. Schreiter (Zweitritt) 202. 204. Digitized by Google 337 ßehieitetans 203. Sduritt-Tftnse, s. umgehende Tftnse. Schiottanz 203. Schubert, Fr. 269. 215. 265. 266. Schuhplattl-Tanx 189. ygl 19. Schunkelwalser 219. Schürt den Kedel ut 185. Schustertanx 208. Sehw&bisch (Schleifer) 62. Walser 195. Langaus 228. 187. 190. 217. Sehw&bische Yolkstänse 194 ff. Schwäbischer Bauemtanz in der Mark 210. Schwalbenlied auf Rhodos 151. ygL 293. Schvanendreher 257. Sehwaner Knab 56. 49. 252. 257. Schwarzer Mann 47. 57. 209. Schwedentans 211« Schwedische Tänse 53. 182. 183. 311. Schwedischer Mann 209. Schweinauer 190. Schwertertani : der alten Germanen 6. der alten Schweden 6 f. der Ditmarsen 178 f. der Bauern lur Minnesingeneit 37. deutscher Handwerker im MA. 64ff. des Landyolkesbis zur Neuzeit [Hessen, Westfalen, Salzkammei^t, Steiermark) 178 ff. Schwingtage 170. Sechsertanz 188. Seelentanz 22. Sempertlaufen der wendischen Weiber 68. Serra (Sftge) 80. Sichelhängen, Sichelhenket 168 f. 195. Siebensprung 155 ff. 163. Simmenthaler 257. Simmetfeuer 159 ff. Singen beim Tanz 25^28. 195. 201 f. Sittengericht 153. 202. Slawische T&nze 162f. Sommerbau, Sommergewinn 151. 234. ygL 158. Sonnen- und Regenliedchen der Kinder 292. 296. 293. Sonnewendfestt&nze 159ff. 116. Sonntagstanz yerboten 93. 81. ygl. 116. Sperlingskirmes 60. Sperontes (Scholze) 213. Sphärentanz 2. Spiegeltanz 209. Spie&raf 288. 290. Spielhaus (spilhüs) « Tanzhaus 82. ygl. 37. Spielleute 278 ff. 74. Beliebtheit 283. In- strumente 285 f. (s. Musikinstrumente). Kunstleistungen 280 f. 287. Lohn (Ge- schenke) 284 f. Musik 287. Recht- und Ehrlosigkeit 281 f. Tracht 280. Spielleut-Truhe 240. Spielmannsreim, niederdeutscher 287. Spieltanz 189. Spielweiber 279. BOhme, Oesch. d. Tanz«i. Spinnetänze 116. Spohr, L., 215. 266. Spottlieder zum Tanz 232. 241. Springauf s. Spring^nz. Springeltanz der Ditmarsen 50. Springer (Rheinländer-Polka) 222. 226. SpriiMjtanz 96. 254. 257. vgl. 34. 85. 217. Sprisinger 49. Staanen 189. Stadel-wtse 37. 203. Staden, Joh. 259. 262. Stadtpfeifer 288. 290 ff. 120. Stampenie 28. Stampf 36. Stenglos-Tanz 257. Stiefelknechts-Galopp-Walzer 206. Stika, Joh. 267. Stolzer König (Kinderreigen) 308. Strauß, Joh. (Vater) 270. (Sohn) 274. Strömkarl 12. Strumpf beim Tanz 88. Strupfer 204. Studententanz 103. 257. Styrienne 216. Suite (Tanz-Folge) 262. Swantewit 162. Takt, gerader und ungerader, 247. 254. 230. Taktwechsel in alter Tanzmusik 248. 254. in Oberpfälzer Bauemtänzen 192 ff. Tambourin 140 Tanz, Begriff 1. älteste deutsche AusdrQcke dafür 5. kulturelle Bedeutung desselben 4. Erfinder 2. Arten 3. 4. Namen 257. 31 f. 35. 248. 271. -^- Kleidung und Schmuck 38 f. 86 ff. 98 f. — ^ — Manier in der ältesten Zeit 13. — yom 8. bis 12. Jahrh. 23. — zur höfischen Zeit soff. 320. — im 14. bis 16. Jh. 83 ff. Abbildungen 31. 33. 89. 320. Orte (Tanzlinde, Tanzplatz, Tanzhöfe, Tanzlaube, Tanzbühl, Tanzlutus, Spiel- haus, Spielhof, Wirthshaus) 37 f. 70 f. 82. in der Gegenwart 316 ff. Zeiten8lf. 321. 187. Zweck 3. Mängel des modernen Tanzes 316 ff. Vorschläge zur Besserung 319. Unsitten (s. d.). Urtheile u. Predigten über Tanz 91 ff. Verbote 16 ff. 112 ff. 86. 93. Lieder 229 ff. 25 ff. 94f. 145. 217. Musik 315. 319. in älterer Zeit 245ff. im 18. und 19. Jahrh. 264 ff. 275. s. Musik- instrumente. Musiker (Spielleute) 278 ff. (zünftige Musikanten) 288 ff. Komponisten 248 ff. 258 ff. himmlischer (der Seligen) 96, 22 Digitized by Google 338 (Tanz :) Strafen Gottes für leichtfertigen Tanz 107. 95. 39. Tanzbitter 181. 113. TanzhauB 71. 82. 107. Tanzlehrer 144. 203. Tanzmeieter bei den Zünften 83. Tanzreime, neuere 243. Tanzschuhe, rothe und weiße 87. 98. Tanzspiele in Kirchen 18. Tanzteufel 109. Tanzwuth im MA. 40 ff. Tarantella 129. Taubentanz 62. Taubert, Tanzmeister 185. 328. Tempdte 228. Teufel93. 109. 110. Thiersage 233. 294. vgl 292. Thüringer Tänze 204. im 12. Jh. gerühmt 30. 320. Thüringer Kirmestan« 175 ff. Thürmer 119. 290. Tirlefei 35. Tiroler 204. Ländler 216. Tisell-tasell 248. s. Musikbeil. 1. Todten-Polonaise 215. Todtentanz : Bildwerke 45 ff. scherzhaftes Tanzspiel 60. 49. 322. 323. märkischer Tanz 210. Todtmaoher 203. Trappeltanz 205. Trei32. treialtrei 31. TreirÖB 32. Trenitz (Tänzer) 224. Trimmeken-Danz 50. 49. Trinkgeschirr beim Tanz 27. 34. 171. 173. vgl. 154. 176. 197. Tripotei 36. Trölla-slag 12. Trottart-Tanz 54. Trümmertanz 177. Trutzliedl 200. 240. 241. Trymmeken-Danz 50. 49. Turniere mit Tanz 75 ff. Tuteley 35. 49. Tyrolienne 216. Umfangen beim Tanz 114. 102. Umgehende (umg^de) Tänze 29 ff. 79. 94. 254. 320. Unsitten beim Tanze : bei den Festtänzen der Christen im Alterthum 16. bei den höfischen Tänzen 34. bei den Bauemtänzen des MA. 34. 39. Maßlosigkeit 39. 117. 188. weite Sprünge 39 f. schamlose Entblößung 90. 100—103. 107. 109. (Unsitten beim Tanze :) Ablegen des Mantels verboten 87 f. 118f. ohne Rock tanzen 114. ohne Bekleidung- tanzen 111. Umschwenken und in die Höhewerfen der Frauen 102. 103. 107. 114. 118. bei der Volta 141. Umwerfen 40. 86. 89. Verdrehen 83. 109. 114 ff. 117i 143. MaulscheUe an die den Tanz Verwei- gernde 84. schändliche Lieder dabei singen 236. 102. 96. 103. 108. 109. Prügelei und Lärm dabei 39. 105. 107. Unterrock beim Tanz 202. Upländischer Brauttanz 1^2. Reihen 310. Urtheile Über Tanz von C. Agrippa von Nettesheim 103. Allan 93. M. Ambach 109. Ambrosius 02. Ammianus Marcellinus 92. Aristophanes 91. Augustinus 93. Basilius 92. 16. Seb. Brant 101. 93. M. von Brocke 110. Calvin 104. Chrysostomus 92. Cicero 92. Daule von Fürstenberg, Tantzteuffel 109. Ephraem von Edessa 93. Aug. Herm. Francke 110. Geuer von Kaisersberg 102f. 93. Caspar Grüner 105. Hartmann 109 f. 282. Horaz 92. Jean Paul 111. Justinus 92. Luther 104. Joh. von Münster 83 ff. 140f. Philander von Sittewald 283. Plato 91. Prediger des 15. Jh. 94 ff. Sokrates91. C. Spangenberg, Ehespiegel 105 ff. Heinrich Suso 52. Traktatschreiber in Luxemburg 112. Christian Weise UOf. Tarsovienne 223. Veier-tanz (Vortanz) 54. Veilchentanz 151. Veitotanz40. 42f. 162ff. Veleda 8. Verkehrte Welt 209. Vermauerte Königstochter 304. Verwünschung heidn. Tänzer 19. 95. Vier Winde 209. Digitized by Google 339 Vierer 227. Vierfach 194. Viertourig 210. Vigilien 16. Vikivaki 14. Villanellen 258. Virelai, Virlei 32. Vogel, hupf auf d' Höh 190. Vogelsteller (Winker) 204. VoffÜftndische Tänze 204. Völckel, Sam. 260. Volkstänze 314 f. alte, bis zur Neuzeit er- halten 186 ff. des 18. Jahrh. 145 ff. Volta 140. 129. 142. Vorsänger und Vorsängerin 26. 50. 95. Vor- und Nachsingen 26. 102. Vortanz als Gegensatz zum Nachtanz (Tanz- form) 84. 254 f. Vortanz » Ehrentanz, erster Tanz 61 . 73. 76. 197. Vortänzer und Vortänzerin 27. 31. ygL 15. Vürentanz211. Waffen beim Tanz ablegen 88. 107. 117. Waffentanz s. Schwertertanz. Wagner, Rieh. 215. 247. Walch, J. H. 268. Wälscher Tanz 103. 143. Walzer 216 ff. 192. 198. 204. 220. 264. 266. 267 bis 274. Walzerketten (Walzerkränze) 267. Walzerkomponisten 267 ff. Wänaldei31. Weber, C. M. v., 268 f. 215. 264. Weber, Dionys 267. Wechseltanz 49. Wegtanz (in Upland) 182. Weiberzank 210. Westeuwälder 54. Westricher Volkstanz 203. Wettlieder beim Tanz 234. Wickeltanz 195. Wiege, Sammlung für die, 182. Wiener 204. Walzer 269 ff. 274. 217. Willkomm 154. 182. Windlichter (Fackeki) beim Tanz 75 ff. Winelied (Mädchenlied an den Freund) 26. 320. Winker 204. 209. Winneweh (Menuett) 203. Wirbeltanz 3. Wirthschaft und Bauernhochzeit bei Hofe 144. Wirthshäuser 83. 107. 108. 116. 117. Wunschlieder beim Tanz 234. Zachäus 177. Zämertanz der Metzger 67. Zäuner 55. 49. 61. 111. 257. 321. 322. Zephyr-Walzer 227. Zeuner s. Zäuner. Zünftige Musikanten 288 ff. Zunft-Tänze 63 ff. 83. Zweifacher (Doppelter) 192 f. Zweitritt oder Schreiter 202. 204. 206. 217. Zwiefacher (Doppelter) 192 f. 194. Zwölfertanz 188. Zwöl^onatstanz 60. 322. 323. Digitized by Google Berichtigungen. S. 72, Z. 8 y. u. lies: [um 1612]. S. 113, Z. 12 y. u. lies: pfeiffern. S. 119, Z. 1 y. u. lies: (s. S. 207). S. 206, Z. 4. y. u. lies: Schön dör und stolt. Musikbeilagen S. 144, Nr. 231 lies: Ende des 18. Jahrh. Digitized by Google Digitized by LjOOQIC — T-r-^ iiiiri -1 II ■ Digitized by LjOOQIC A FINE IS INCURKFD IF THIS BOOK IS NOT RETURNED TO THE LIBRARY ON OR BEFORE THE LAST DATE STAMPED BELOW. ^37^//V "N Digitized by Google Digitized byj ^-.15ffi NH